lets speak podengo!

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1 Severine Martens Lets speak Podengo! Egal wo Du hingehst, Du kommst immer zwei mal an! Für Christian, denn ich habe Dir mehr als ein Leben zu verdanken! Auf dem Grund meiner Seele steht Dein Baum! Für Leika, Tiffany und Rocky, die immer für mich da waren! Für Luna und Milow, die immer für mich da sind! Ihr seid die Wärme in meinem Herzen! Für alle notleidenden Hunde auf den Straßen und in den Tierheimen der Welt.

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Egal wo Du hingehst, Du kommst immer zweimal an!

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Page 1: Lets speak podengo!

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Severine Martens

Lets speak Podengo!

Egal wo Du hingehst, Du kommst immer zwei mal an!

Für Christian, denn ich habe Dir mehr als ein Leben zu

verdanken! Auf dem Grund meiner Seele steht Dein Baum!

Für Leika, Tiffany und Rocky, die immer für mich da waren! Für

Luna und Milow, die immer für mich da sind! Ihr seid die

Wärme in meinem Herzen!

Für alle notleidenden Hunde auf den Straßen und in den

Tierheimen der Welt.

Page 2: Lets speak podengo!

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Texte und Fotos aus dem Blog Fabelschmiede und Wortsalat

von Severine Martens, Celle-Vorwerk.

blog: http://fabelschmiede-und-wortsalat.blog.de

mail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand,

Norderstedt

ISBN 978-3-8482-2512-5

Books on Demand GmbH

In den Tarpen 42

22848 Norderstedt

tel.: 040-534335-96

fax: 040-534335-84

mail: [email protected]

web: http://www.bod.de

Page 3: Lets speak podengo!

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Inhalt

Über dieses Booklet Seite 05

Do you speak Podengo?

I. Milow und der Müll Seite 07

II. Milow und seine neue Welt Seite 13

III. Milow und die Straße Seite 21

IV. Milow und sein Zu Hause Seite 29

Über mich Seite 35

(Milow bei seiner Ankunft in Deutschland)

Page 4: Lets speak podengo!

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Page 5: Lets speak podengo!

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Über dieses Booklet

Alles begann mit einem Beitrag namens „do you speak

podengo?“ in meinem Blog Fabelschmiede und Wortsalat, der

bei meinen Lesern unerwarteten Anklang fand. Aus der ganzen

Welt erreichten mich Nachrichten, Tipps und viele tolle

Ratschläge im Umgang mit ehemaligen Straßenhunden.

Innerhalb weniger Wochen folgten insgesamt drei weitere

Berichte über das Leben und die Ankunft meines Hundes Milow

in unserer Wohlstandgesellschaft Deutschland. Mit dem

vierten Teil schloss ich die Reihe ab: Wir werden den Milow nie

wieder Straßenhund nennen, denn er ist keiner mehr!

Meine ursprüngliche Planung war, die „do you speak podengo?“

Texte als eigenständiges Kapitel in einem größeren

Buchprojekt unterzubringen. Da die Veröffentlichung von

„Stadt der Hunde“ voraussichtlich erst zum Sommer nächsten

Jahres möglich wird, habe ich mich entschlossen, „do you speak

podengo?“ vorab als kleines Booklet herauszubringen.

Mit „Lets speak Podengo!“ habe ich versucht, alle vier Folgen

zusammenzufügen, ohne den ursprünglichen Charakter der

doch recht spontan geschriebenen Blog-Beiträge zu verändern.

Gleichzeitig soll aber deutlich werden, dass Ihr unsere Fragen

allesamt beantwortet habt und für Milow nun ein neues Leben

jenseits der Straße begonnen hat!

Danke für die großartige Hilfe und Unterstützung und Danke

für viele neue Freunde!

Ich wünsche Euch allen viel Freude beim Lesen!

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(Milows Lebensgefährtin Luna)

Page 7: Lets speak podengo!

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I. Milow und der Müll

Milow ist der beste Hund der Welt, wie alle Hunde, die bei mir

leben und gelebt haben!

Milow geht nicht Gassi wie andere Hunde. Milow geht raus, um

sich auf die Suche nach Fressbarem zu begeben. Ständig in

Fluchtbereitschaft und ständig in Angst davor, dass ihm weh

getan wird.

Milow ist ein Straßenhund – Milow geht containern!

Hunde haben eben nicht die Angewohnheit, hinterher zu fegen,

nachdem sie Mülltonnen umgeworfen und leergefressen haben.

Hungrige Straßenhunde schon gar nicht! Mülltonnen

umzuschmeißen macht Krach und viel Gescheppere. Menschen

wissen diesen Krach nicht zu schätzen und den eingesauten

Hof schon gar nicht. Und Menschen wissen sich zu wehren

gegen diese Gewohnheiten der Straßenhunde. Sie wissen es

sehr gut, Steine zu schmeißen auf die Hunde oder andere harte

Dinge, die weh tun, wenn sie einen treffen. Menschen haben

Gewehre und Pistolen, die noch mehr weh tun und auch tot

machen können. Menschen stellen Fallen auf und fangen die

Hunde ein – um sie dann einzusperren, zu prügeln oder auch zu

töten. All dieses weiß der Straßenhund. Irgendwann hat es

über viele Schmerzen hinweg einfach gelernt: Menschen tun

mir weh, wenn ich fressen will, weil ich einfach nur

unerträglichen Hunger habe.

Page 8: Lets speak podengo!

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Fressen auf der Straße oder auf fremden Höfen ist für den

Straßenhund immer mit Gefahren verbunden. Gefahren für

Leib und Leben. Hunger und Fressen werden immer mit Obacht,

allerhöchster Vorsicht und auch Angst verknüpft sein. Wer

zwei Jahre auf der Straße gelebt hat und vielleicht auch dort

aufgewachsen ist, der ist für sein Leben hiervon geprägt.

Hunger ist verbunden mit Losgehen und Fressbares suchen, mit

Laufen und immer vorsichtig sein. Also wird bei der

Aufforderung zum Gassi oder Ähnlichem immer der Impuls

mittackern: wir gehen jetzt was zu Fressen suchen. Und auf

der Straße wird man auch nie satt, in der Regel jedenfalls

nicht. Man muss immer und jede Gelegenheit nutzen, etwas in

den Magen zu bekommen. Der winzigste Krümel auf dem Weg

wird im Moment zum Wichtigsten im Leben, quasi zur

Überlebensstrategie. Man weiß nie, wann die nächste

Gelegenheit kommt, wieder zu fressen und etwas in den Magen

zu bekommen. Morgen könnte man verhungern. Und zum

Überleben muss man sich immer wieder den Gefahren auf den

Höfen der Menschen aussetzten. Man lernt vorsichtig zu sein

und plötzlichen Geräuschen zu misstrauen.

Wie lange wird ein Hund nach so langer Zeit ewigen

Kohldampfes brauchen, bis im Kopf ankommt, dass es jeden

Abend zuhause satt und anständig zu Fressen gibt. Wie lange

wird es dauern, bis der Hunger am Tage erträglich wird und

das tägliche Ausgehen oder Ausfahren nicht nur mit der Suche

nach Fressbarem verbunden wird. Wann wird ein ehemaliger

Straßenhund mal entspannt durch die Gegend ziehen und den

Gerüchen von Artgenossen nachgehen – ohne die andauernde

Ablenkung durch den Geruch von irgendetwas Fressbarem in

Page 9: Lets speak podengo!

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der Nähe. Und ohne die den Hunger ständig begleitende Angst

vor Schmerzen. Ohne den ewigen Gedanken an Flucht, weil

Hunger mit Fressen verbunden ist, und Fressen mit Angst und

Gefahr.

Ich wünsche es meinem Milow sehr!

Gut, die ein paar Monate, die er jetzt in unserer

Wohlstandgesellschaft lebt, können noch nicht viel bewegen.

Und die Straße mit den ganzen Erinnerungen und Prägungen

wird ihn wohl ein ganzes hoffentlich sehr langes Leben

begleiten. Ich möchte ihm mit der Zeit diese Angst nehmen

können, in den nächsten Tagen zu verhungern, wenn nicht

jedem Moment nach Fressen Ausschau gehalten wird. Ich

freue mich auf den ersten Tag auf der Hundewiese, wo er

nicht nach einer Weile spielen mit anderen Hunden wieder

umschaltet auf Futtersuche. Den Tag an dem er – wenn auch

hungrig und mit Kohldampf – einfach weiß, dass es abends wie

immer etwas zu fressen gibt. Und das völlig selbstverständlich,

reichlich und ausgewogen! Den Tag, an dem Draußen-Sein für

ihn nicht gleichzeitig ständige Gefahr und andauernde

Ausschau nach Fluchtmöglichkeiten bedeutet. Den Tag, an dem

wir gemeinsam unsere Nase in Mauselöcher stecken und es gar

nicht schlimm ist, wenn wir sie nicht erwischen - weil es

einfach Gaudi macht, so was zusammen zu tun - und weil es

einfach nur saugut riecht, dieses Mauseloch, das wir

gemeinsam etwas größer gebuddelt haben. Zuhause gibt’s eh zu

essen.! Wir haben uns doch nur etwas Appetit geholt – ganz

entspannt mit viel Spass. Auf diesen Tag freuen ich mich –

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ganz doll! – für mich und erst recht für Milow den ollen

Portugiesischen Podengo.

Vieles ist besser geworden in den letzten 6 Wochen. Jetzt wo

ich dieses schreibe, erinnere ich mich an das erste Ausgehen

mit Milow. Es war seltsam und irgendwie anders als mit allen

anderen Hunden, die bisher ihr Leben oder einen Teil davon mit

mir verbrachten. Gut, alle Hunde sind verschieden, jeder ist

anders. Aber mit Milow auszugehen, das war auf eine andere

Art anders, die ich schwer beschreiben kann. Da war nicht nur

das Fehlen jeglicher Erziehung und Menschenbindung – da war

einerseits ein unglaublicher Freiheitsdrang – andererseits

diese ständige Obacht und Fluchtbereitschaft, die ich nicht

verstehen konnte – und an der ich heute noch zu knacken habe.

Ich wüsste so gerne mehr über ihn - über seine

Lebensgeschichte und seine Erlebnisse. Aber wer merkt sich

schon die Erlebnisse eines Straßenhundes und schreibt das

dann noch auf? Einiges hat er mir dann ja doch erzählt, wie ihr

lesen konntet – und damit können wir beide dann auch leben.

Wir sind auf dem Weg und ich bin eben auch kein Hund – ich

stamme nur von Affen ab und brauche deshalb des öfteren

etwas länger, um zu verstehen. Zeit ist heute unser bester

Freund – unser allerbester Freund. Gut Ding will Weile haben

sagt ein altes Sprichwort. Und in einem noch langen

Hundeleben haben wir drei Dinge reichlich: Fressen, Zeit und

die Weile, jederzeit zu fressen!

Ich bin ein Glückpilz, weil Milow den Weg zu mir gefunden hat.

Und die kleine Luna ist auch ein Glückspilz, weil sich beide

mögen und sich gerade in diesem Moment im Schlafzimmer

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wieder eine Kissenburg bauen. Und Milow? ... weil ich es mir so

sehr wünsche ... Milow ist der größte Glückspilz von uns allen,

denn er hat jetzt ein zuhause!! Und er hat uns!

Danke Milow, dass es dich gibt und, daß du jetzt in diesem

Moment hier bist! Danke!

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Page 13: Lets speak podengo!

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II. Milow und seine neue Welt

Jeder Montag ist für Milow ein toller Tag, denn Montags

kommt bei uns die Müllabfuhr. Eigentlich beginnt für ihn der

Montag schon am Sonntag Abend. Wo für andere die nächste

Arbeitswoche schon wieder bedrohlich nahe ist, da beginnt für

Milow der beste Teil der Woche.

Neulich wollte ich abends nach der abendlichen Abenteuertour

noch schnell die Mülltonnen rausstellen. Die Hunde waren vor

dem Haus angeleint und ich holte die Tonnen aus der Garage,

um sie schnell durch den Garten und durch das Gartentor auf

die Straße zu stellen. Klein Luna hatte eigentlich nur Sorgen,

von der Tonne überrollt zu werden. Milow hingegen schaute

einfach nur völlig verstört hinter mir her. Ich sah die

Fragezeichen über seinem Kopf und die vielen Fragen da

drinnen: warum haut die jetzt mit meinem ganzen Essen ab, wo

geht die damit hin und warum versteckt sie sich jetzt hinter

dem Zaun. Als ich mit leeren Händen und ohne Müll zurückkam,

war sein Blick eindeutig: na, satt geworden?? Ich konnte es

fast hören - laut und deutlich, so wie Hunde eben reden oder

auch nicht. Beleidigt und betont langsam folgte er uns dann in

unsere Wohnung, verschwand auf seiner Sofaecke, schmollte

sich ein und gönnte mir nicht einen einzigen Blick aus seinen

wunderschönen gelben Augen. Erst zur Raubtierfütterung

taute er wieder auf und machte sich hungrig über einen

riesigen Berg banalen Hundefutters her. Kohldampf macht

bescheiden, hörte ich ihn noch brummeln und, als er satt

wieder in seiner Ecke verschwand, war unsere kleine Welt

wieder in Ordnung. Die Diskussion um die Mülltonnen war

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vergessen und Frauchen wieder das beste Frauchen der Welt.

Später in der Nacht musste ich ihm dann aber doch noch ganz

doll versprechen, nie wieder eine Mülltonne alleine und ohne ihn

leerzuessen. Das tat ich dann auch von Herzen gerne und wir

alle drei schliefen völlig entspannt Seite an Seite ein.

Heute Abend, wo ich diese Zeilen schreibe, bin ich dann doch

recht froh, dass Milow nicht lesen kann. Warum schreibst du

solch ein dummes Zeug über den tollsten Hund der Welt? – so

würde er mich fragen und ich müsste mich dann wohl das

gleiche fragen und fürchterlich schämen! Aber manchmal ist

das so mit mir und ich meine es ja auch nicht böse, oder?

Natürlich habe ich mal wieder maßlos übertrieben und sein

ständiges Bedürfnis, draußen containern zu gehen, ist

tatsächlich ein wenig besser geworden – außer Montags!

Jeder Abend nach unserer kleinen Weltreise folgt dem

gleichen Ablauf – fast wie ein Ritual: Nachdem wir uns alle von

unserer Outdoor-Kleidung befreit haben, gibt es was zu essen.

Das ist fast immer so gegen acht Uhr abends und inzwischen

auch bei Milow angekommen. Erst Gassi, dann Mampfen!. Er ist

so schlau, dass er manchmal richtig versucht, mich zu

beschleunigen, damit wir uns endlich anziehen und losgehen.

Das macht er nicht, weil er so dringend mal Pipi muss – er

macht es, damit er schneller an seinen Napf rankommt, den ich

vor dem Ausgehen schon immer fertig mache. Milow ist nämlich

nicht nur der tollste Hund der Welt, er ist auch ganz bestimmt

der schlauste Hunde der Welt – nach mir natürlich! Oft

drängelt er auch schon, wenn er mit seinen Geschäften fertig

ist, damit wir bloß schnell nach Hause kommen – könnte ja

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jemand bei uns einbrechen und seinen Napf klauen! Wenn wir

abends noch auf die Hundewiese gehen, steht er in der Regel

nach einer Weile vor dem Tor und ist auch von anderen Hunden

nicht mehr zu irgendwelchen Aktionen zu überreden. Anfangs

dachte ich, er würde dort Schmiere stehen und nur darauf

lauern, dass jemand mit einem ganzen Sack Leckerlis

vorbeikommt. Aber denkste Puppe – der Halunke will einfach

nur nach Hause und sich auf seine Lieblingsstelle im

Wohnzimmer setzten – da, wo ab acht Uhr sein gefüllter Napf

steht und er in aller Ruhe speisen kann. Andere Hunde ziehen

an der Leine, wenn es zum Hundeplatz geht – Milow zieht an

der Leine, wenn wir von Hundeplatz weggehen. Und das macht

er nur, weil er der schlauste und der tollste Hund der Welt ist

und, weil er etwas ganz wichtiges in seinem Leben verstanden

hat.

Herr von Podengo ist wieder ein kleines Stück weiter in

unserer kleinen Welt angekommen. Die ständige Sorge, am

nächsten Tag vielleicht zu verhungern, ist für ihn nicht mehr

ganz so nahe. Unsere Wohlstandsgesellschaft kommt in seinem

Kopf immer mehr an – und damit auch das Vertrauen, dass es

jeden Abend nach der Heimkehr eine ordentliche Mahlzeit

gibt.

Milow hat sich jetzt auch innerlich auf den Weg nach

Deutschland gemacht!!

Milow wurde auch in der Schule versetzt! Er hat sogar ein paar

Klassen überspringen dürfen und darf jetzt schon bei den

Großen mitmachen. Ich meine nicht die Hundeschule, sondern

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die Schule des Lebens in einer Welt, die von Menschen für

Menschen gemacht wurde. Hunde und andere Tiere können hier

nur leben, indem sie menschengemachte Regeln lernen und

befolgen. Anständig an der Leine zu gehen, andere nicht zu

belästigen, an der Bordsteinkante Sitz zu machen und auch mal

eine Weile alleine in der Wohnung bleiben - das alles und noch

viel mehr kann Milow schon richtig gut und er macht sein

Frauchen jeden Tag etwas stolzer!

Ja richtig, wir diskutieren noch häufig über den Leinenruck als

adäquates Erziehungsmittel für Hundehalter. Oft bin ich es

echt leid, andauernd von ihm gemaßregelt zu werden, weil ich

zu langsam bin oder die toll riechende Stelle vor uns nicht

wahrnehmen kann. Mitlerweile gibt er sich etwas mehr Mühe,

mir nicht immer gleich die Hand von Arm zu reißen, nur weil ich

solch eine lahme Ente bin. So langsam finden wir beide einen

gemeinsamen Weg, damit umzugehen, dass wir außerhalb

unserer Wohnung durch eine Leine verbunden sind. Wir haben

einen Deal gemacht: Ist die Leine an seinem Halsband fest,

habe ich das Bestimmungsrecht und Milow muss sich nach mir

richten. Ich richte mich nach ihm, wenn die Leine am Geschirr

fest ist; d.h. er kann sich im Radius der Leine frei bewegen –

meistens nehmen wir dann auch die ganz lange Schleppleine.

Und wenn es dann an der Leine ruckt, habe ich halt nicht genug

auf ihn geachtet – und Pech gehabt! Das klappt mitlerweile

sehr gut und das Umstöpseln von Halsband auf Geschirr und

wieder zurück ist ein kleines aber sehr wichtiges Ritual

geworden.

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Dass er einen Namen hat, ist auch bei Milow inzwischen

angekommen. Eine großartige Leistung meine ich, wenn man bis

vor kurzen so etwas wie einen Namen gar nicht hatte! Und es

ist richtig praktisch, einen Hund zu haben, der seinen Namen

kennt. Wenigstens guckt er jetzt regelmäßig, wenn ich ihn rufe

– wenigstens das.

Und anderen Hunden gegenüber ist er wesentlich ruhiger

geworden. Das war am Anfang so richtig ein Problem. Vor allem

dann, wenn er an der kurzen Leine war und die anderen

gepöbelt haben. Ich bin richtig stolz auf meinen Halunken.

Mitlerweile kennen wir uns aber auch recht gut und wissen uns

einzuschätzen. Manchmal weiß er den Bruchteil einer Sekunde

bevor ich meckere schon, dass ich meckern werde – manchmal

lässt er es drauf ankommen, manchmal nicht. Milow ist ein

toller Hund, der tollste der Welt. Er hat eine gute Erziehung

verdient.

Auch mit dem Fahrradfahren klappt es mitlerweile schon sehr

viel besser. Er bleibt nicht mehr alle paar Meter abrupt

stehen, weil auf dem Weg irgendetwas lecker gerochen hat.

Irgendwie hat er verstanden, das dieses nicht besonders

gesund für mich ist, wenn ich nur zwei Räder unter dem

Hintern habe und nicht vier Beine - und, dass mich das böse

macht, wenn ich andauernd vom Fahrrad falle. Mitlerweile

warnt Milow mich vor und wird erst mal langsamer und gibt mir

die Chance, anzuhalten. Ich finde das nett von ihm, denn so was

machen nur echte Kumpels. Mühsam nährt sich das

Eichhörnchen, heißt es, und wir sind auf dem richtigen Weg –

glaube ich!

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Und ein neues Handy wollte ich mir sowieso schon länger

zulegen. Meine alte Möhre war schon ein paar Jahre alt und

hatte sich angewöhnt, in unpassenden Momenten einfach mal so

auszugehen. So etwas nervt und Milow mag mich nicht, wenn ich

genervt bin. Ehrlich, das war eine große Entscheidungshilfe für

mich, als ich abends ins Schlafzimmer kam und der tollste Hund

der Welt auf dem Bett inmitten der Reste meines Telefons lag.

So etwas machen nur echte Freunde und Milow sei Dank kann

ich jetzt wieder sorglos telefonieren!

Und zum Schluss noch schnell die Krönung: Hattet ihr schon mal

einen Hund, der sich gerne im Spiegel betrachtet? Ich bisher

nicht! Klein Luna reagiert zwar ab und an mal auf Bilder im

Fernsehen – aber nicht wirklich oft. Keiner meiner Hunde hatte

bisher auch nur eine Spur Interesse für sein eigenes

Spiegelbild – und ich ging bisher immer davon aus, dass sie

dieses einfach nur als zweidimensionales Bild wahrnehmen.

Milow ist da völlig anders! In meinem Schlafzimmer steht seit

über einem Jahr ein großer Spiegel auf dem Fußboden, weil ich

bisher zu faul war, zwei Löcher in die Wand zu bohren und ihn

aufzuhängen. Milow steht oft davor und betrachtet sich von

allen Seiten, schaut sich selber in die Augen und scheint immer

wieder erstaunt zu sein, dass es ihn zweimal gibt. Ich bin mir

mitlerweile sehr sicher, das er sich im Spiegel selber erkennt

und dass er nicht davon ausgeht, einem anderen Hund gegenüber

zu stehen – da würde er sich völlig anders verhalten. Ich staune

jedes mal Bauklötze!. Ich hatte bisher leider nie rechtzeitig

eine Kamera zu Hand, aber ich hoffe doch, dass ich es mir bald

mal gelingt, davon eine kleines Video zu machen.

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„Do you speak podengo? ist erstaunlicherweise fast einmal

rund um den Globus geschickt worden. Von Texas/USA und

Venezuela über Portugal und Spanien bis in die skandinavischen

Länder wurde dieser Text gelesen und aus allen

Himmelsrichtungen erreichten uns unzählige Ratschläge, Tipps

und Erfahrungsberichte. Fast überall auf der Welt gelten

Portugiesische Podengos als ausgesprochen liebe und sensible,

aber ebenso als ungewöhnliche, ängstliche,

erziehungsresistente und verfressene Hunde. Diese Hunde

sind einfach anders – auch ohne die Erfahrung des

Straßenhund-Daseins. Milow, der Halunke, hat nun Kumpels auf

der ganzen Welt. Ihm ist das so ziemlich egal, aber ich freue

mich sehr darüber. Es ist schön zu wissen, dass da noch andere

sind – außer uns! Danke für Eure großartige Freundschaft und

macht mit diesem Bericht das gleiche wie mit dem ersten –

schickt ihn raus in die Welt!

Einige von Euch baten mich, ab und an mal wieder von Milow und

seiner Entwicklung zu berichten. So entstand die Idee, „do you

speak podengo?“ immer mal wieder neu aufzulegen und hier zu

veröffentlichen. So werde ich es tun, weil ich es gerne tue!

Danke Euch allen! Danke für Eure Geduld mit einer, zu deren

Vorzügen die Geduld nicht gehört! Danke!

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III. Milow und die Straße

Wenn Du einmal eine Weile auf der Straße gelebt hast, dann

wirst Du sie nie wieder los. Sie wird immer in Deinem Kopf

bleiben und eine große Rolle in deinem Fühlen und Denken

spielen. Ich weiß sehr genau, wovon ich rede! Du wirst immer

anders sein, denn du hast Dinge erlebt und gesehen, von denen

andere noch nicht einmal träumen:

Die Freiheit, die du auf der Straße hast ist die größtmögliche

Ungezwungenheit, mit der du leben kannst. Die Freiheit, dahin

gehen zu können, wohin du gehen willst – und die Möglichkeit,

alles so zu machen, wie es dir gerade in den Kopf kommt – weil

es sowieso keinen interessiert. Du kannst kommen und gehen

wie und wann du willst – keiner fragt nach dir und keiner

vermisst Dich. Keine Konventionen, keine Bindungen und keine

Fragen. Du bist niemandem verpflichtet außer Dir selber –

wenn überhaupt! Deine Probleme sind Kohldampf und

schlechtes Wetter – sonst nichts!

Hannes Wader sang einmal: heute hier morgen dort, bin kaum

da muss ich fort, ... ! Das war für mich immer mehr als ein Lied

– fast eine Hymne!

Auf der Straße bist du frei. Keiner will Dich wirklich haben.

Fast jeder andere ist froh darüber, dass du frei bist. Jeder

schickt Dich wieder weg. Keiner fühlt sich dir verpflichtet.

Freiheit bedeutet auch, kein zu Hause zu haben. Die Freiheit

ist da, wo die Straße ist – und die Straße ist endlos lang – fängt

weit hinter Dir im Irgendwo an und hört vor Dir im Nirgendwo

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auf – ganz weit hinter dem Horizont – da, wo Du sowieso

niemals hinkommst! Die Straße ist immer in Bewegung, voller

Gefahren und bietet niemals Sicherheit und Unterschlupf.

Keine Wärme, keine Geborgenheit – keinen Platz zum Ankern.

Immer auf dem Sprung, jederzeit wieder weg zu müssen!

Freiheit bedeutet, keinen Platz im Leben zu haben. Nicht zu

wissen, wo man hingehört. Keinen Platz auf der Welt zu haben,

wo jemand wartet, wenn man mal etwas länger als nur kurz weg

ist. Freiheit wird schnell zur sprichwörtlichen Vogelfreiheit –

man ist zum Abschuss freigegeben – keiner will einen mehr

haben in dieser Welt.

Wenn Du Glück hast, dann wirst du irgendwann eingefangen.

Dann wirst Du von irgendetwas in deinem Leben, was Du vorher

gar nicht so bemerkt hast, aufgehalten. Vielleicht sind es

Menschen, die du triffst. Oder es ist ein Ort, an den Du

gelangst – ein Ort, wo du gerne bist und für den es sich zu

kämpfen lohnt. Kann auch sein, dass Dir Dein Anker, den Du

schon seit Jahren mit Dir rumschleppst zu schwer wird und er

runterfällt. Vielleicht bist Du auch einfach nur müde geworden

und hast keine Lust mehr, immer wieder davon zu laufen! Das

fühlt sich gut an, wirst Du merken, und Du wirst bleiben

Ein sehr schlauer Mann, den ich früher schon immer bewundert

habe, schrieb einmal in einem fürchterlichen dicken Buch einen

Satz, den ich nie vergessen habe: Die Freiheit an sich gibt es

nicht! – es gibt nur die Freiheit von oder für etwas. Zum

Beispiel die Freiheit, sich dort aufhalten zu können, wo man

möchte. Oder die Freiheit, über seinen Beruf und seine Arbeit

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selber entscheiden zu können. Freiheit ist immer relativ und

bezogen auf andere Dinge. Freiheit kann an sich nicht definiert

werden und ist somit abhängig von dem, wovon man frei ist! Der

Begriff Freiheit ist paradox, weil er unfrei ist! Kompliziert? –

finde ich nicht.

Das Buch hieß „Das Sein und die Zeit“, der schlaue Mann hieß

Martin Heidegger und bis auf dieses und den einen Satz konnte

ich mir auch nichts weiter aus dem dicken Buch merken.

Milow der Straßenhund, der in einem früheren Leben auf der

Straße so unendlich frei war – dieser Straßenhund, der gegen

seinen Willen eingefangen, eingesperrt und dann irgendwann

ebenso gegen seinen Willen in ein anderes und vollkommen

fremdes Land verfrachtet wurde – dieser Straßenhund ist

heute immer noch frei! Frei von ganz anderen Dingen, als

früher. Er ist frei, von dem täglichen Zwang, irgendwo

Fressbares klauen zu müssen und frei von der Angst, dass dies

mal wieder nicht klappt. Vor allem ist er nun frei davon, die

Menschen um ihn herum als Wesen zu erleben, die ihm

jederzeit Schmerzen zufügen können. Die ihm jederzeit weh

tun können, nur weil Essensreste und Müll klauen eben auch ein

klein wenig Lärm und Dreck macht. Milow mag Menschen

außerordentlich gern und deshalb müssen so viele Erlebnisse

aus seinem alten Leben fürchterliche und schreckliche

Erinnerungen sein.

Neulich auf dem Hundeplatz spielte ich mit meinen beiden

vierbeinigen Lebensgefährten Ballwerfen und normalerweise

stehen beide in dem Moment wo ich werfe so ziemlich neben

Page 24: Lets speak podengo!

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oder etwas hinter mir. In diesem einen unsäglichen Moment wo

ich zum Werfen aushole steht Milow einige Meter vor mir und

nur aufgrund meiner ausholenden Bewegung, die scheinbar auf

ihn zielt, fährt er in schrecklichster Panik zusammen, fängt

fürchterlich an zu schreien und will nur noch weglaufen. Da er

von unserem Hundeplatz nicht weglaufen kann, wirft er sich

nach einer Weile gekrümmt auf den Boden und ist in seiner

Panik absolut nicht ansprechbar. Als klein Luna sich ihn

vorsichtig nähert, beisst er blind um sich – er erkennt für eine

Weile weder mich noch seine Freundin – totales Blackout! Ich

glaube, ich muss niemandem beschreiben, wie es mir neben ihm

ging – mir kommen jetzt hier beim Schreiben noch die Tränen.

Ich musste in meinem Leben selber schon sehr viel Angst

aushalten – wie viele Menschen, aber in diesem Ausmaß habe

ich so etwas noch nicht erlebt. Und ich betone nochmals: es

war ausschließlich die ausholende Bewegung in Milows Richtung

und einfach nur die Möglichkeit, dass ich irgendetwas nach ihm

Werfen könnte. Es kam überhaupt nicht mehr zum Wurf!

Was muss dieser Hund erlebt und gelitten haben – erlitten

haben von Menschen, die er doch so sehr liebt. Als ich ihn vor

einiger Zeit unserer Hundedoktorin vorstellte, bemerkte diese

auf seinen Röntgenaufnahmen, das Milow zwei schlecht

verheilte Wirbelbrüche hat, die ihm im Alter wohl noch einiges

an Schmerzen bereiten werden. Wie stark muss man

zuschlagen, um einen Knochen von drei bis vier Zentimeter

Breite zu zertrümmern? Milow hat panische Angst vor

Kettengeräuschen und metallischem Geklapper! Was wurde

dieser Seele nur angetan? Noch heute reagiert er sehr

skeptisch und ängstlich auf meinen Schlüsselbund, wenn ich es

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in die Hand nehme. Milow liebt in seiner Verfressenheit

Leckerli aller Art. In der Regel braucht man ihn gar nicht zu

rufen, wenn es welche gibt, weil er längst schon da ist. Aber

wehe er merkt, das man ihn mit Leckerli anlocken will oder zu

etwas bewegen will, worauf er gar keinen Bock hat. Sofortige

Panik und Flucht sind die Folge.

Wenn ich doch nur mit ihm drüber reden könnte. Wenn er doch

nur so über Freiheit philosophieren und dummschwatzen

könnte wie ich. Wie muss er sich in seiner neuen und freien

Welt fühlen, wenn er noch nicht einmal mehr weglaufen kann? –

weil er die ganzen Ängste und Erinnerungen in seinem Kopf

mitgenommen hat? – wären diese doch bloß in Portugal

geblieben! Auf der Straße konnte er abhauen und sich in

Sicherheit bringen – oder sich wenigstens das Gefühl

verschaffen, erst mal in Sicherheit zu sein. Der Preis seiner

neuen Freiheit ist, die Freiheit der Straße hinter sich lassen

zu müssen!

Oft frage ich mich, wie würde Milow sich heute entscheiden,

wenn er sich entscheiden könnte. In Portugal haben Angst und

Hunger sein Leben bestimmt – dafür konnte er sich

unbeschränkt und frei bewegen. Hier in Deutschland muss er

lernen, lernen und nochmals lernen. Er muss vollkommen neue

Verhaltensregeln kennenlernen – zum Beispiel in der

Hundeschule. Er muss lernen, dass er nun einen Namen hat und

wer ist – eine Persönlichkeit, die anerkannt wird. Er muss

lernen, dass er keine Angst mehr zu haben braucht und, dass

Hunger von nun an ein Fremdwort für ihn ist Er muss lernen,

dass seine Menschen seine Freunde sind und ihm niemals

Page 26: Lets speak podengo!

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absichtlich weh tun würden. Freiheit gegen Freiheit – eine

schwere Entscheidung.

Ich habe mich einmal in meinem Leben ganz bewusst für die

Unfreiheit entschieden – für das Ankern an einem Ort und für

das Binden an andere Menschen. Ich bereue es jeden Tag und

träume oft davon, einfach wieder loszumarschieren - immer

den warmen Sonnenstrahlen nach. Aber nie so doll, dass ich

meine damalige Entscheidung rückgängig machen würde. Nie so

doll, dass ich meinen Anker wieder lichten und die Maschine

klar machen würde. Ich bleibe da wo ich bin – ich bin hier

mitlerweile festgewachsen und will nicht wieder weg. Meine

Welt ist eine Scheibe mit einem Radius von allerhöchstens 250

km – so ungefähr von hier bis zur Nordsee!

Und jeden Morgen wenn ich aufwache, bin ich ein kleines Stück

sicherer, dass es unserem Milow, dem Herrn von und zu

Podengo aus dem sonnigen Portugal, nicht viel anders geht!

Milow ist hier bei uns angekommen und ich spüre seinen Anker

sehr tief in meinem Herzen. Ich glaube, er will gar nicht mehr

zurück in sein doofes Portugal – möchte ich allzu gerne glauben!

Eines Tages werde ich ihm die Chance geben und ihn vor die

Wahl stellen – dann heißt es Leinen ab und Anker los – dann

kann er frei entscheiden, ob er wieder abhaut oder bei uns

bleibt! Das habe ich ihm versprochen und so werde ich es auch

tun. Kann nur passieren, dass ich dann mit ihm gehe, wenn er

gehen will. Damit muss der Halunke dann rechnen – denn mich

wird man so schnell nicht wieder los. Liebe ist manchmal wie ein

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Kaugummi – klebt fest und geht nicht wieder ab. Klebt so fest,

dass man damit sogar Anker lichten kann – sagt man!

Ist mal wieder spät geworden in unserer kleine Höhle, die

Heizung ist schon aus und in Deutschland wird es jetzt abends

kalt – auch bei uns! Milow und Luna haben sich im Bett schon

längst ihre Schlafhöhlen gebaut und ich muss zu sehen, endlich

auch in die Horizontale zu kommen. Vielleicht gibt’s für mich ja

auch noch einen warmen Platz unter der Decke – so ein kleines

Eckchen links von Milows Burg, etwas seitlich von Lunas Höhle.

Sicher ist das so, denn wir halten zusammen hier. Und wir

haben es nicht schlecht getroffen, denn das Leben ist schön!

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IV. Milow und sein Zu Hause

Mein Hund ist schlauer als ich! Milow trickst mich aus und ich

könnte vor Stolz darüber platzen. Herr von Podengo hat

kapiert, dass es mir nicht gefällt, wenn er auf der Straße

andauernd mit gesenkter Nase containert und nichts anderes

als Futtersuche im Kopf hat. Immer, wenn er etwas Fressbares

sieht oder in die Nase bekommt, gehen wir ganz schnell weiter

oder einfach in eine andere Richtung. Keine Chance für ihn,

irgendetwas Fressbares auf der Straße zu ergattern. Ich habe

ihn immer im Auge und kriege alles mit, was er macht. Das weiß

der Halunke ganz genau und lässt es deshalb sein! Dachte ich!

Jetzt neulich ist er dahinter gekommen, dass er nur das Bein

anheben muss, damit ich stehen bleibe. Das mache ich sowieso

immer, wäre ja auch fies, wenn nicht, denn der Kerl kann ja

nicht im Laufen Pullern. Nur, dass er jetzt auch stehen bleibt

und das Bein hebt, wenn vor seiner Nase etwas Leckeres auf

dem Boden liegt. Er tut so, als wenn er Pipi macht und frisst

ganz schnell und mal eben den alten Schokoriegelrest oder

ähnliches weg. Ich stehe daneben und frage mich ganz ehrlich,

wie lange er mich schon so vorführt. So ein schlauer Hund ist

dieser Blödmann! Ich bin echt stolz auf ihn!

Dabei sind unsere täglichen Abenteuerreisen und Gassigänge so

unendlich viel entspannter geworden. Wir beide haben uns in

den letzten Monaten sehr gut kennen gelernt und wissen ganz

genau, was wir aneinander haben – glaube ich jedenfalls! Was

zählt schon das bisschen Verfressenheit. Jeder sollte ein

Hobby haben! Man müsse auch Eigenarten haben, würde Milow

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jetzt sagen - das sei so, wenn man eine Persönlichkeit ist. Und

recht hat er, finde ich!

Wenn wir abends spät nach Hause kommen, freue ich mich

immer wieder darüber, wie toll Milow gelernt hat: nach dem

Ableinen saust er die Treppe rauf, guckt schnell in der Küche

nach, ob mir vor dem Losgehen was Fressbares runtergefallen

war, flitzt anschließend ins Wohnzimmer, um sich direkt vor

seinen heiligen Fressplatz zu setzen und geduldig auf den

gefüllten Napf zu warten. Jedes mal das gleiche und immer

wieder toll. Die Zeit heilt alle Wunden, sagt mal wieder ein

altes Sprichwort. Ich habe viel gelernt in den letzten drei

Monaten – und der Milow noch sehr viel mehr.

Nach dem Fressen geht’s aber noch weiter, denn da ist ja noch

Lunas Näpfchen. Mein kleines Frollein frisst sehr nöselig und

lässt sich ausgesprochen viel Zeit – sie ist im Gegensatz zum

Halunken eher eine Genießerin! Milow weiß das und setzt sich

im angemessenen Abstand daneben und wartet, bis auch Luna

satt ist – und was hierbei ein angemessener Abstand ist und

wann sie satt ist, hängt sehr von Lunas Launen ab. Ist der Weg

erst mal frei, dann ist es Milows Aufgabe, alle

danebengefallenen Krümel aufzusammeln und den leeren Napf

abzuputzen. Das kann er richtig gut und ich weiß inzwischen,

dass Luna ihm diesen Job vermittelt hat, damit ihr Fressplatz

immer schön sauber ist. Hauptsache, der Kerl ist beschäftigt

und nervt nicht, flüstert das Mädel mir gerade zu!

Luna liegt dann längst neben mir auf dem Sofa, wo ich zumeist

noch mit den Resten meines Abendbrotes beschäftigt bin. Hier

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ist dann Milows nächste Station. Links ein Hund, rechts ein

Hund und in der Mitte ein Menschlein, welches die Reste seiner

Stullen häppchenweise nach hier und nach da verteilt. Tolle

Aufgabe, die ich da habe! Aber genauso geht unser abendliches

Essritual, auf das ich größten Wert lege – und ich staune immer

wieder, dass es mit dem Milow inzwischen so toll klappt. Beide

haben ihre Hälse teleskopartig herausgeschraubt, sehen aus

wie kleine Giraffen und besonders Milow starrt wie

hypnotisiert auf meine Hände während ihn kleine Tröpfchen

aus der Schnute kleckern. Vor zwei Monaten wäre er mir noch

ruckzuck quer über den Schoß gesprungen und mit meiner

Stulle im Schlafzimmer unterm Bett verschwunden. Woher ich

das weiß? Na ratet doch mal – das Leben besteht aus

Erfahrungen und Hoffnungen – in diesem Fall mehr aus

Erfahrungen! Ich bin stolz auf meinen Milow. Ich auch, sagt

Luna, und wenn er in diesen Momenten nicht immer so unter

der Zunge schwitzen würde, wäre es perfekt. Wir beide sind

superstolz auf unseren Jungen.

Ich glaube, kein Mensch kann sich wirklich vorstellen, welche

Hirnleistung dieser Hund vollbracht hat, um das zu werden, was

er heute ist: Ein menschen- und hundefreundlicher

superangenehmer Zeitgenosse mit ein paar Schrullen, die ihn

für uns Mädels nur noch sympathischer machen. Ein klasse

Kumpel, der so ganz nebenbei noch ein toller Beschützer ist –

bei späten Gassigängen im Dunklen genauso wie auf dem

Hundeplatz, wenn Luna mal wieder von größeren Rüden

bedrängt wird. Heute kein Problem mehr, denn Milow klärt das

jedes mal souverän - für seine kleine Schwester.

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Luna und Milow sind überhaupt ein klasse Team geworden. Nur

bei Mauselöchern gibt es ab und an mal Streit, denn die sind zu

schmal für zwei Hundenasen gleichzeitig. Ansonsten bringen

die beiden sich gegenseitig so dermaßen viel bei – mehr als ich

es je gekonnt hätte. Milow guckt sich sehr viel Verhalten bei

Luna ab. Sitzen an der Bordsteinkante zum Beispiel ist viel

leichter einzusehen, wenn die Kleine das vormacht. Und für

Luna ist der Milow ein laufender Sprachkurs mit Spaßfaktor.

Wer die ersten drei Jahre seines Lebens im Keller verbrachte

und nie Kontakt zu anderen Hunden hatte, weiß auch nicht, wie

Hunde miteinander umgehen. Klar hat Luna in den letzten

Jahren schon viel gelernt und erfahren, aber erst durch Milow

und seine tolle unverfälschte Art, die Sprache der Hunde zu

sprechen, ist sie so richtig aus sich rausgekommen. Neulich auf

der Hundewiese hat sie ihn sogar zum Spielen aufgefordert –

im Alter von sechs Jahren das erste mal. Das war so

unglaublich – mir standen vor Freude die Tränen in den Augen.

Danke Milow – auch von Luna! Ich bin stolz auf euch beide.

Superstolz!

Der ehemalige Straßenhund ohne Namen ist in unserer Welt

voller Regeln und Bestimmungen tatsächlich angekommen. Eine

warme Bude und ein gefüllter Fressnapf gehören genauso wie

sein Name mitlerweile ganz selbstverständlich zu seinem

Leben. Er hat viele Freunde gefunden, vor allem in

Hundekreisen. Insbesondere seine Kloppekumpel Eddi und Joey

soll ich erwähnen – das musste ich ihm versprechen! Ein Tag

auf der Hundewiese ohne diese beiden ist kein guter Tag.

Sogar Aufgaben hat Milow übernommen: vor allem die

Sicherheit von Haus und Hof liegen ihm am Herzen. Luna kann

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sich bei Streitigkeiten jederzeit auf die Unterstützung ihres

großen Bruders verlassen. Das alles ging so viel schneller, als

ich vor zwei Monaten auch nur annähernd geahnt habe. Klar

sind da noch ein paar Eigenheiten geblieben – aber ein Hund

ohne Macken ist wie eine Tasse ohne Henkel!

Mit diesem vierten Teil schließe ich die Reihe „do you speak

podengo?“ mit einer kleinen Träne im Auge ab. Das Quartet ist

voll und auf meiner Liste stehen nur noch Dinge, die ich schon

mehr als einmal erzählt habe. Natürlich werde ich noch weiter

berichten vom tollsten und besten Hund der Welt: von unseren

Abenteuerreisen und von unseren Erlebnissen – von Milow, von

Luna und von allen anderen tollsten Hunden der Welt, die mir

die Zeit ihres Lebens geschenkt hatten. Hier werden noch sehr

viele Berichte und Erzählungen über uns und unsere kleine

Welt erscheinen. Der Milow ist jetzt ein Teil davon,

untrennbar verwachsen mit mir und Luna! Der Straßenhund ist

kein Straßenhund mehr. Wir werden ihn niemals wieder so

nennen, denn diese Zeiten sind ein für alle mal vorbei!

Mein Essen in der Mikrowelle ist inzwischen wieder kalt

geworden. Der Besitzer der beiden großen gelben Augen, die im

Moment vor meiner Nase auftauchen, wirkt etwas gelangweilt

und das Mädel mit den hübschen braunen Augen daneben muss

mal schnell Pipi. Was ist ein voller Magen gegen einen tollen

Spaziergang bei Sonnenschein, sagt Luna. Kannst das Essen ja

einpacken und mitnehmen, stimmt Milow überraschend zu. Ich

halte das für eine gute Idee und in spätestens zehn Minuten

werden wir loszischen. Vielleicht sind Eddi und Joey ja auch da,

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blitzt es in Milows Augen kurz auf. Sicher, sage ich, bei diesem

schönen Wetter bestimmt!

Jetzt muss ich mich beeilen, bevor die Sonne wieder weg ist –

versprochen ist versprochen, sonst gibt’s Mecker!

Euch allen ein riesengroßes Dankeschön für Eure Geduld mit

meiner Art zu Schreiben und für Euer Interesse an Milows

großer Reise! Seid eingeladen, hier bei uns weiterzulesen! Wer

es bis hierher geschafft hat, muss ein netter Mensch sein, und

für nette Menschen haben wir in unserer kleinen Welt immer

ein Plätzchen frei. Wenn ihr mögt, dann begleitet uns noch ein

kleines Stück auf unserem Weg – wir haben noch viel vor und

es gibt noch viel zu erleben. Wir alle drei würden uns sehr

drüber freuen – seid uns jederzeit herzlich willkommen!

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Über mich

Wie lange habe ich jetzt schon drüber nachtgedacht, was ich

hier eigentlich mache, und, wie ich dieses nennen möchte, was

ich hier mache.

Und dann auf einmal ist es da, ganz einfach und banal:

Ich möchte eine Erzählerin sein, weil ich gerne erzähle. So ist

das! Ich habe immer schon gerne erzählt, nur meistens fehlte

es an den Zuhörern – deshalb schreibe ich jetzt auf, was ich zu

erzählen habe. Also ist mein Blog mit all den Texten in ihm drin

eine Art gesammeltes Erzähltes, aufgeschriebenes

Erzählbares oder einfach nur noch zu Erzählendes – auf gar

keinen Fall eine Sammlung von Erzählungen, dass wäre mir

tatsächlich zu groß.

Klar bin ich auch Autorin – aber das bin ich schon, wenn ich nur

einen Strich mit dem Bleistift an die Wand mache. Autorin

eines Bleistiftstriches. Und Schriftstellerin bin ich auch –

aber das bin ich ebenfalls mit jedem Brief den ich schreibe

oder mit jeder Notiz in meinem Heftchen. Schriftstellerin bin

ich mit jedem selbstgefertigten Einkaufszettel – glaube ich

jedenfalls!

Ich möchte gerne erzählen: Von mir erzählen und von denen,

die in meinem Leben vorkommen! Erzählen von der Art, wie ich

die Welt sehe und die Dinge in ihr! Von dem erzählen, was mich

bewegt und von dem, was so um mich herum den ganzen Tag

passiert.

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Ich möchte gerne so erzählen, wie ich es machen würde, wenn

ihr alle mir gegenüber sitzen würdet. Und ich möchte mir dabei

einbilden, dass euch das alles auch ganz schrecklich

interessiert, was ich so zu erzählen habe.

Ich möchte gerne lernen, so zu schreiben, wie ich erzählen

würde. Ich möchte gerne hören, was ich in anderen Menschen

mit meinem Erzählen auslöse und bewegen kann.

Ich erzähle über mich und meine beiden Hunde. Ich erzähle,

wie wir drei zusammen leben, die Welt betrachten und

gemeinsam erobern. Und ich erzähle auch über mein Leben in

schönen und in schlechten Zeiten. Lachen und Weinen sollen

sich die Waage halten – aber auch beide nicht zu kurz kommen.

Ich erzähle viel über vergangene Zeiten, weil unserer der

Vergangenheit die Wurzeln für unser Erleben und unser Sein

liegen.

Ich schreibe für Sie und für Euch, weil ich einfach gerne

aufschreibe was ich zu erzählen habe!

Ich erzähle und deshalb bin ich eine Erzählerin!

So einfach ist das