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Der Pfälzer Herbert
Heußler ackert in seinem
Weinberg mit zwei kräftigen
Arbeitspferden. Das hat
nicht nur Tradition, sondern
auch Zukunft.
EinnetterZug
Liebes Land
ange überlegen musste Herbert Heuß-ler nicht. Als er 1973 das pfälzische
Weingut seines Vaters übernahm,war klar: Ein Haus ist da, Bäume sind da, einPferd muss her. Ein Pferd?
Längst hatten Traktoren im Weinberg undauf dem Acker die gemütlichen Arbeitspferdeersetzt. Damit könne man schneller und be-quemer arbeiten, glaubten die Winzer. Heuß-ler kümmerte das wenig. Er wollte ein Pferd.Und weil er Pfälzer ist und Pfälzer bekanntlichetwas stur sind, setzte er sich durch.
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Mit offizieller Genehmigung
© 2009
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Das Pferd hieß Hans und war, wie Heußler heute zugibt, erstauf den dritten Blick eine Schönheit. Auf den ersten Blick schlugund biss es. Aber das ließ Heußler ebenso kalt wie die Skepsisder Kollegen. Ein halbes Jahr nahm er sich für Hans Zeit, übtemit viel Geduld und Lob; dann waren die beiden dicke Freunde.20 Jahre gingen sie zusammen in den Wingert (pfälzisch fürWeinberg) und bestellten die Reben. Hans zog den Pflug, der
Winzer gab die Kommandos: „Har“ für links, „hott“ für rechtsund „brr“ für stopp. Auf dem 15 Hektar großen Weingut versorg-ten sie die jungen Reben, vor allem Riesling und Spätburgunder.
Hans hat heute zwei Nachfolger. Sie heißen Resch und Ricound sind Schwarzwälder Füchse. So heißt die leichteste Kaltblut-rasse, die es in Deutschland gibt. Die Pferde sind kräftig und mit
einer Größe von etwa 1,55 Metern (in der Fachsprache Stock-maß) rund 20 Zentimeter kleiner als moderne Sportpferde. Dafürsind ihre blonden Mähnen so lang, dass sie den Hals bedeckenund bei jedem Schritt auf und ab wippen.
Resch ist mit 20 Jahren der Senior im Gespann, Rico istsechs. Er befindet sich, wie sein Besitzer sagt, „im dritten Aus-bildungsjahr“ und ist nach dessen Ansicht „ein Gewerkschafter“,weil er sich nicht gerade überarbeitet. Heußler selbst ist 61 und
einer der wenigen deutschen Winzer, die noch mit Pferden in denWeinberg kraxeln. Als Öko-Nostalgiker sieht sich der Weinbaueraber nicht: „Auch wir rechnen mit spitzer Feder.“ Heußler würdenicht auf Pferde setzen, wenn es sich nicht lohnen würde.
Sein Stichwort heißt Bodenverdichtung. Wenn er es hört,schaut er so, als hätte ihm jemand einen Schuss Zitrone in denRiesling geschüttet. „Um gute Weine zu bekommen, müssen wirden Boden so schonend wie möglich bearbeiten“, urteilt derWinzer. Und da sei ein Pferd, das nur etwa ein Fünftel einesSchleppers wiege, wegen seines geringen Gewichts im Vorteil.„Die Wurzeln der jungen Reben können sich ungehindert aus-
Hans war keine Schönheit, aber ein treuer Gefährte
Die Arbeit mit dem Pferd schont dieReben. Sie bringen ein Jahr eher Trauben.
„Der schönste Arbeitsplatz der Welt“: Herbert Heußler auf dem Weg ins Geschäft.
Ranken und Reben: Rhodt in der Pfalz ist ein typischer Weinort.
Diesen Grubber (links) bekam Herbert Heußler vom Schwiegervater. In Lohn
und BrotArbeitspferde sind nicht nur etwas für
Nostalgiker. Erstmals seit den 1950er
Jahren nimmt die Zahl der landwirtschaft-
lichen Betriebe, die ausschließlich mit
Pferden arbeiten, wieder zu. Heute gibt
es rund 160 kleine und mittlere Höfe, auf
denen Pferde in Lohn und Brot stehen.
Die Tiere ziehen wie vor 100 Jahren Pflüge,
Trommelwender und Drillmaschinen.
Verblüffend: Die Arbeit mit Pferden, einst
zugunsten des Traktors abgeschafft, lohnt
sich wieder. Der amerikanische Landwirt
und Dozent Chet Kendell errechnete, dass
Bauernhöfe bis zu einer Größe von 70 Hek-
tar mit Pferden besser fahren als mit Trak-
toren. Das liegt daran, dass Traktoren viel
teurer sind als Pferde (ein kleiner Traktor
kostet mehr als ein Mittelklasse-Wagen;
ein gutes Arbeitspferd ist schon für etwa
4000 Euro zu haben), die Preise für Diesel,
Öl und Reifen sind ebenfalls hoch. Hinzu
kommt: Traktoren können nicht vermehrt
werden, Pferde schon.
Kendells Rechnung: 40 Jahre Traktor er-
geben Kosten von 90 000 Dollar, denen
Erlöse von 20 000 Dollar gegenüberstehen.
Pferde erzeugen Kosten von 61 200 Dollar
und bringen Erlöse von 82 300 Dollar.
Ein weiterer Vorteil: Pferde sind umwelt-
freundlich und verdichten den Boden
nicht so stark wie Traktoren. Eine Liste
von landwirtschaftlichen Betrieben, die in
Deutschland mit Pferden arbeiten, gibt
es bei der IG Zugpferde.
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breiten und an Fundament gewinnen.“ Der Weinbauer schätzt,dass mit dem Traktor bearbeitete junge Reben ein Jahr längerbrauchen, um Trauben zu bringen. „Wenn wir aber einen Jahr-gang früher eine schöne Spätlese bekommen, rechnet sich das.“
Auch die auf einem halben Hektar wachsenden alten Rebenprofitieren von den Pferden. Die Bodenbelüftung ist besser, derBoden produziert weniger Faulgase, dadurch enthält der Wein
mehr Extrakt und Mineralität. In jedem Herbst spannt Heußlerden Pflug an und deckt die Veredelungsstellen der Weinstöcke amBoden mit Erde ab. So kommen die Reben gut über den Winter.
Um den Boden zu lockern, benutzt der Winzer einen Grub-ber. Das schmiedeeiserne Gerät hat ihm sein Schwiegervater vorJahrzehnten gebaut. Es hält noch immer. Der Grubber wird überzwei Ketten mit Ledersträngen und einem Seil am Pferd befes-
Zum Zug gekommenWeingut Christian
und Herbert Heußler,
Mühlgasse 5,
76835 Rhodt unter Rietburg,
Tel. (06323) 2235,
www.heussler-wein.de
Interessengemeinschaft
Zugpferde,
Uferstraße 29, 73660 Urbach,
Tel. (07181) 8878953,
www.ig-zugpferde.de
tigt. Dafür trägt Rico ein Kummet über dem Hals. Das Kummetist ein steifer, gepolsterter Ring, der die Zugkraft des Pferds aufBrustkorb, Schultern und Widerrist verteilt. Dazu bekommt Viel-fraß Rico einen maßgeschneiderten drahtigen Maulkorb, damiter während der Arbeit nicht die Reben wegmampft. Über ein Ge-biss im Pferdemaul und ein sieben Meter langes Seil, das amZaumzeug befestigt ist, kann Heußler die Pferde behutsam steu-ern. Das Prinzip dieser Arbeits-Anspannung ist seit Jahrhunder-ten gleich geblieben.
Schon Heußlers Großvater arbeitete seit 1936 mit Pferden imWeinberg. Wenn die Männer damals über Pferdestärken debat-tierten, saß der junge Herbert in den 1950er Jahren mit seinenFreunden unterm Tisch. „In der ersten Hälfte des 20. Jahrhun-derts waren starke Pferde wegen ihrer Zugkraft auf Weingüternunentbehrlich“, sagt der Winzer heute. „Entlang der südlichenWeinstraße roch es nach Wein und Mist.“
Beides war für die Winzer wichtig. Der Mist brachte nämlichmit Stickstoff, Phosphor und Kali die Rebstöcke erst zum Wach-sen. Deshalb fährt der 61Jährige auch heute den Pferdemist re-gelmäßig in seinen Wingert und düngt damit die Flächen. „Fürdie meisten unserer Weinberge brauchen wir seit Jahren keinenkünstlichen Stickstoffdünger mehr.“
Reiten wollte der Winzer seine Pferde aber nie. Stattdessennimmt er Rico und Resch lieber mit in den Wingert oder gönntihnen ihre Freizeit auf der Koppel. Die beiden haben einen offe-nen Stall, aus dem sie jederzeit an die frische Luft können. Einkleiner Zaun trennt sie voneinander, denn sonst würde Young-
ster Rico dem Oldie Resch den Hafer stehlen. Wenn sie nicht ar-beiten, sind die beiden das ganze Jahr draußen, wo sie Heu undHafer knabbern. Gelegentlich kommen Nachbarn zum Fütternund Streicheln.
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An der Weinstraße roch es nach Wein und Pferdemist
Dieses alte Wagenrad ziert den Hof.
Mit dem Grubber wird derBoden aufgebrochen, diePflanzen bekommen Luft.
Mit fünf Stundenkilometern wühlen sichHerbert Heußler und Rico durch den Boden.
Freizeit: Wenn sie nicht arbeiten, genießen Ricound Resch das Leben auf der Koppel.
Heußler ist für jeden Schwatz zu haben.
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Herbert Heußler kennt sie alle,schließlich leben im pfälzischen Winzer-dorf Rhodt nur 1150 Leute. Er ist ehren-amtlicher stellvertretender Bürgermeisterund kümmert sich in Rhodt um 640 Hek-tar Wald und 240 Hektar Rebfläche. Inden 1970ern dachten viele noch, Heußlersei ein Spinner oder am Ende, als er wie-der auf Pferde im Weinberg setzte. „Sievermuteten, ich könnte mir keinenSchlepper leisten.“
Heute recken die Leute ihre Hälse,wenn sie sehen, wie der Mann mit Ricooder Resch und einem Planwagen fürseine Arbeitsgeräte in Richtung Weinbergzockelt. „Die Arbeit mit den Pferden istviel geselliger“, sagt Heußler. „Vom Trak-tor hebt man nur kurz die Hand zumGruß. Mit den Pferden kann man auchmal schnell anhalten.“ Nicht nur wegendes Schwatzes vom Wagen aus findet er:„Ich habe den besten Arbeitsplatz derWelt.“ Philipp Schneider
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Gemächlich zockelt Heußler mit seinemGespann durch den Ort.