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Mangelernährung & Schluckstörungen ________________________
Diagnostik und Therapie
in der Diätologie
Christine Kapeller, Diätologin Landesklinikum Donauregion Tulln
Inhalt und Ablauf
Teil 1: Mangelernährung Diagnostik, Praxisbezug
Teil 2: Grundlagen Schluckstörungen • Normaler Schluckakt/Pathologien
• Diagnostik (Bedside/Instrumentell)
• Therapeutische und pflegerische Maßnahmen
------------- PAUSE-------------- Fortsetzung Teil 2
Teil 3: Diätetik und Schluckstörung
Begriffe I
Mangelernährung bedeutet ein Ungleichgewicht in der Zufuhr von Energie, Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen zum Bedarf einer Person.
Dieses Ungleichgewicht kann entweder aus einer unzureichenden Nahrungszufuhr, einem erhöhten Bedarf oder einer veränderten Verwertung von Nährstoffen resultieren. -> Folgen sind ein veränderter Stoffwechsel, eine verschlechterte Funktion und schließlich ein Verlust an Körpergeweben.
Studienlage 30% Mangelernährung im Krankenhaus 20-60% aller Patienten sind beim Klinikeintritt mangelernährt und bleiben es auch. 60% verlängerte Krankenhausaufenthaltsdauer bei Mangelernährten vs. normal Ernährten
Initiative Mangelernährung, www.mangelernaehrung.at
Hackl, J.M: Mangelernährung in der Tiroler Bevölkerung, Aktuel Ernaehr Med 2005 Weinsier et al, Hospital malnutritio: a prospective evaluation of general medicalpatients during the course of hospitalisation. Am Clin Nutr 1979 Robinson et al, Impact of nutricional status on DRG length of stay, JPEN 1987
wissenschaftlich belegt…
Immunkompetenz
Infektionsrate, -dauer, -schwere
Allgemeine Komplikationsrate
Wundheilungsstörungen, Deku
Immobilität, Sturzgefahr
Allgemeinbefinden
Psychische Verfassung
Hilfs-, Pflegebedürftigkeit, Gebrechlichkeit
Therapietoleranz
Lebensqualität
Morbidität
Letalität
Prognose
Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus, Löser, Deutsches Ärzteblatt, 2010
Kreislauf der Mangelernährung
Schindlegger W. Ursachen der Anorexie im Alter, J für Ernährungsmedizin
Körperzusammensetzung
adapted from Schock et. al (1984)
Fakt I 80 % essen weniger!
Ergebnisse des Beschwerdepools für Verbraucher im Seniorenalter, 2003
Fakt II 85 % essen weniger Fleisch!
Ergebnisse des Beschwerdepools für Verbraucher im Seniorenalter, 2003
Begriffe II
Mangelernährung bedeutet ein Ungleichgewicht in der Zufuhr von Energie, Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen zum Bedarf einer Person.
Malnutrition = Mangelernährung
Sarkopenie = „Fleischmangel“ = das Ergebnis von Alterungsprozessen verschiedener biologischer Systeme, die sich an der quergestreiften Muskulatur manifestieren. Endokrine Veränderungen im Alter wird eine zentrale Bedeutung bei deren Entstehung beigemessen. Mangel- und Fehlernährung trägt zur Sarkopenie bei.
(Kachexie Abmagerung aufgrund einer schweren, malignen chronischen Erkrankung.)
Begriffe III
frailty syndrom Gebrechlichkeits- bzw. Schwäche-Syndrom
Definition:
Sarkopenie = Hauptmerkmal des frailty syndroms
… Appetitlosigkeit, unspezifische Müdigkeit, sozialer Rückzug, Hilfsbedürftigkeit, STÜRZE!
… chronisches Problem!
- Ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 5 kg/Jahr
- Langsamer Gang
- Rasche körperliche Erschöpfung
- Abnahme der körperlichen Aktivität
Fried LP et. al. Frailty in older adults: evidence for a phenotype. J. Gerontol a biol sci med sci. 2001
Sarkopenie
Jung, aktiv alt, sitzend
Therapieansatz = ernähren UND bewegen
Orr R et. al. Efficacy of progressive resistance training on balance performing in older adult. Sports Med 2008v
Diagnostik I
Mangelernährung bedeutet ein Ungleichgewicht in der Zufuhr von Energie, Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen zum Bedarf einer Person.
Diagnostik:
Screening – Methoden Sinnvolle Labordiagnostik „Sehen, Hören, Sprechen“ Anthropometrie Tellerprotokoll
Diagnostik II
Mangelernährung bedeutet ein Ungleichgewicht in der Zufuhr von Energie, Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen zum Bedarf einer Person.
Screening – Methoden: Scores MNA… mini nutrition assessment (Nestle Nurtrition) AKE Screening für Mangelernährung Innsbrucker Ernährungsscore NRS 2002… nutritional risk screening nach Kondrup J et. al. SNAQ… short nutritional assessment questionnaire -> gleiches Prinzip: - Anamnese: Geschlecht, Alter, Größe, Gewicht, BMI - Gewichtsverlauf in den letzten 3 Monaten – ungewollter Verlust - Mobilität - Krankheitsverlauf (Grunderkrankung, Stressfaktoren)
Anthropometrie Vermessen wir den Körper
Körpergewicht
Körpergröße (Schublehre)
Wadenumfang (Messband einstecken) < 31 cm = Mangelernährung
Hautfaltendicke messen z.B. Trizeps
Bioimpedanz-Analyse
Body Mass Index
< 18,5 18,5-19,9 20-21,9 22-26,9 27-29,9 > 30
Schwere Mangelernährung
Mangelernährung Risiko! für Mangelernährung
Normalgewicht Übergewicht Adipositas
BMI-Beurteilung nach geriatrischen Kriterien, ab dem 65. Lebensjahr (ESPEN 2000)
Obesity Paradox: optimaler BMI bzgl. Mortalität 27-30 kg/m²
Unbeabsichtigter Gewichtsverlust!!!
Sarkopenische Adipositas
Serumproteine: - Albumin lange Halbwertszeit in der Langzeitbetreuung von Patienten geeignet CAVE: Albuminspiegel sinkt mit Alter physiologisch!
- Präalbumin kurze Halbwertszeit, Verlauf einer
Ernährungsintervention am besten beurteilbar Transferrin: kurze Halbwertszeit, gut beurteilbar Immunfunktion: Lymphozyten
beeinflussbar durch Infekte, Stress, Medikamente Cholesterin: guter Bezug zur Mangelernährung in Kombi mit den anderen
Werten -> Vitamin B12, Folsäure, Zink, Selen -> CRP (erhöhtes CRP = erhöhter Energiebedarf)
Wirnsberger G. et. al. geriatrie praxis 2009 * Baron M, Hudson M, Steele R, Is serum albumin a marker of malnutrition in chronic disease? The scleroderma paradigm, J Am Coll Nutr. 2010 Apr Bouillanne O, Hay P et al., Evidence that albumin is not a suitable marker of body composition-related nutritional status in elderly patients, Nutrition 2010 Apr
Labordiagnostik – sinnvoll?
Albumin ist kein geeigneter Parameter für die Diagnose Mangelernährung!*
Nutrogramm nach Morley et. al.
Schweregrad der Malnutrition
Normal Mild Schwer Sehr schwer
Serumproteine
Albumin g/L 35-45 30-34 23-29 < 22
Transferrin g/L 2,5-3,0 1,8-2,5 1,5-1,8 < 1,5
Präalbumin mg/L 250-400 120-250 100-120 < 100
Retinolbindendes
Protein mg/L
50-60 39-49 30-38 < 30
Cholinesterase
E/ml
> 7 5,0-6,9 3,0-4,9 < 2,9
Lipide
Cholesterin mg/L 155-200 130-150 80-125 < 80
Christian E. et. al. Malnutrition im Alter 2007
Sehen, Hören, Sprechen
Beobachten
Essen – ja oder nein?
Wie viel?
Geschmackspräferenzen
Diät (gar nicht notwendig!?)
Trinken – erinnern
-> Interdisziplinarität
Ernährungstherapie bringt`s! E. Burri, R. Meier, Mangelernährung im Spital, eine Pilotstudie, Praxis 2008; 97: 657–663
Neelemaat F, Bosmans JE et al., Oral nutritional support in malnourished elderly decreases functional limitations with no extra costs, Clin Nutr 2012, 31:183-90
Abwechslungsreiche Mischkost… auch im Alter möglich?
Täglich – Mindestens:
1 warme Mahlzeit
1 Stück Obst
1 handvoll Gemüse/Salat und mehr… natürlich!
1 Scheibe dunkles Brot
2 Portionen Milchprodukte
1,5 Liter Flüssigkeit
Mehrmals pro Woche:
Fleisch, Fisch, Eier
Fallbeispiel 1
psychiatrische Patientin (bipolare Störung, depressive Episode, psychogene Schluckstörung, Obstipation, Laxantienabusus), 72 Jahre
Betreuungsdatum: 23. Jänner bis 17. Februar
Einweisungsdiagnose: seit Tagen keine Nahrungsaufnahme, progredienter Gewichtsverlust
BMI: 18,1 kg/m² = schwere Mangelernährung
US-Umfang: 30 cm Energiebedarf: 1530 kcal
Labordiagnostik: Eiweißbedarf: ~ 60 g
CRP, Cholinesterase, Transferrin Albumin, Cholesterin im Normalbereich
BSG erhöht
Kalium erniedrigt
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2-Tages-Tellerprotokoll:
Energie, Eiweiß und Kohlenhydrate ~ 40% zu wenig
Fallbeispiel 1
Ernährungstherapie – Intervention: kcal Eiweiß
Weiche, teilweise pürierte Kost (3 Mahlzeiten) 900-1100 ~ 30 g
+ Resource 2.0 fibre (5 g Ballaststoffe, 18 g Eiweiß) 400 18 g
+ ½ Resource 2.0 fibre neutral (in die Suppe) 200 9 g
+ 3 ML Optifibre (über den Tag verteilt) - -
Energiebedarf 1530 kcal
Eiweißbedarf ~ 60 g
Flüssigkeitsbedarf ~ 1300 ml
+ + =
Sehen, Hören, Sprechen
Beobachten
Essen – ja oder nein?
Wie viel?
Geschmackspräferenzen
Diät (gar nicht notwendig!?)
Trinken – erinnern
-> Interdisziplinarität
Ernährungstherapie bringt`s! E. Burri, R. Meier, Mangelernährung im Spital, eine Pilotstudie, Praxis 2008; 97: 657–663
Neelemaat F, Bosmans JE et al., Oral nutritional support in malnourished elderly decreases functional limitations with no extra costs, Clin Nutr 2012, 31:183-90
Ende Teil 1
Schluckkost - multifaktoriell
Angehörige
Küche
Ärzte
Pflege
Diätologie
Logopädie
Patient
Schluckstörung - Folgen
• Angst vor dem Verschlucken
• Mangelernährung ca. 48 % *
• Dehydratation ca. 75 % **
• Aspiration ca. 34 % *
• Aspirationspneumonie ca. 20 % *
*Felt P., 2006; **Leibovitz A, 2007
Schluckstörung -> Schluckkost
• Definitionsproblematik
• Stiefkind
• Klassiker – Erdäpfelpüree
• Geschmack fad, öd, grau
• Farbenspiel beige in beige
Adaption der Nahrung
Die Anpassung der Kost an die individuelle Schluckfähigkeit ist eine wichtige Maßnahme zur sicheren, gefahrlosen Nahrungsaufnahme.
Form- und Fließbarkeit (Konsistenz), Art und Zusammensetzung der Speisen und Flüssigkeiten sind entscheidend.
Konsistenzen:
fest – breiig – flüssig – gemischt
Abgrenzung:
Breikost, weiche Kost, weiche pürierte Kost, flüssig-breiige Kost, etc.
Einteilung in Phasen
Phase I = breiig, cremeartige Kost
Phase II = Übergangskost
Phase III = modifizierte weiche Kost
Phase IV = Normalkost
Aus der Praxis: Schluckkost 1 und Schluckkost 2 Schluckkost 1 Diabetiker und Schluckkost 2 Diabetiker
Schluckkost… ungeeignete Lebensmittel
Stärke Reis, Ebly, Brot allgemein
Gemüse roh, Kraut, Sauerkraut, Hülsenfrüchte, Lauch, Spargel, Kräuter, Rhabarber, Tomaten, Paprika
Fleisch trocken (Rindfleisch, Hühnerfleisch) Rohschinken, grobe Mettwurst
Fisch trocken (Lachs), ganzer Fisch, Gräten!
Milchprodukte Fruchtjoghurt mit Stückchen
Früchte Zitrusfrüchte in reiner Form, Kiwi, Ananas -> Säure löst Eindickungsmittel auf, bitter
Sonstiges Nüsse, Mohn, Trockenfrüchte, Studentenfutter, Müsli, Zuckerl, Kaugummi
Fallbeispiel 2 Fr. F
-> 14.3. – Beginn Schluckkost 1
Patientin, 74 Jahre, Insult, Ernährungszustand reduziert, anämisch
55 kg, 165 cm, BMI 20 kg/m² = Risiko für Mangelernährung
US-Umfang: 32 cm = Risiko für Mangelernährung
Energiebedarf-SOLL: 1820 kcal
-> Schluckkost 1 1000-1200 kcal
-> Zusatznahrung 400 kcal
-> Anreicherung mit Maltodextrin (4 EL) 200 kcal
-> Regelmäßige Kontrolle der Laborparameter
Fallbeispiel 3 Fr. Lo
Patientin, 73 Jahre, Insult (16.1.), Re-Insult (5.3.)
65 kg, 165 cm, BMI 23,8 kg/m² = Normalgewicht
US-Umfang: 33 cm Energiebedarf: ~ 1900 kcal
Labordiagnostik: 27.1. 10.3.
Gesamteiweiß 5,4 5,2
Albumin 3,1 2,8
Cholesterin 171 154
CRP 2,1 3,7
-> GUSS (6.3.) – 13 Punkte = mittelgradige Dysphagie mit Aspirationsrisiko
-> Schluckkost 1 und Flüssigkeiten leicht eingedickt und Medikamente mit Hipp
Fallbeispiel 3 Fr. Lo
+ + = zuwenig
+ 400 kcal + 18 g Eiweiß + 5 g Ballaststoffe
Eindicken… und was man wissen MUSS!
Eindickungsmittel dicken nach
Je wärmer die „einzudickende“ Speise/Flüssigkeit, desto schneller wird die maximale Eindickung erzielt
Flüssigkeiten mit hohem Pektingehalt (Ribisel, Himbeeren, Karotten, Äpfel) dicken stärker nach
Milchprodukte benötigen mehr Eindickungsmittel
Die Eindickung kann sich durch zu langes stehen und wieder aufwärmen verändern
Wichtig: Die eingedickte Flüssigkeit wird im Magen wieder „verflüssigt“ und kann in der Flüssigkeitsbilanz 100% berechnet werden
Leichter Eigenschmack aller Eindickungsmittel
Wasser pur eingedickt – schlechte Adhärenz
Kohlensäurehältige Getränke schwierig eindickbar – Klümpchenbildung
Wer macht was?
Logopädie legt Kostform fest
Diätologie setzt Kostform in Speisen um
Kompensatorische Maßnahmen durch die Pflege für aspirationsfreies Schlucken
-> interdisziplinäre Zusammenarbeit!
Erarbeiten eines einheitlichen Konzepts – INDIVIDUELL angepasst.
Regelmäßige Evaluation im Team
Wer macht was – WIE?
Flüssigkeitsstufen:
Stufe 0
Stufe 1 – nektarartig
Stufe 2 – honigartig
Stufe 3 – puddingartig
Flüssigkeit Stufe 0
Flüssigkeiten bereiten keine Probleme
Kein eindicken notwendig
Wichtig: keine Bröckerl, Fasern, Flankerl, …
Beispiele: Suppen ohne Kräuter (bzw. mitpürieren und durch Spitzsieb) Kompottsaft ohne Fruchtfleisch Fleischsaft ohne Kümmelkörner
CAVE: gemischte Konsistenz! (fest und flüssig kombiniert)
Frittaten- oder Nudelsuppe, Kompott, Müsli, Joghurt mit Früchten -> schwierig im Schluckakt
-> Angehörige aufklären
Flüssigkeit Stufe 1 - nektarartig
Flüssigkeiten bereiten dem Patienten leichte Probleme -> eindicken notwendig (Bsp.: Marillenpago, Buttermilch)
Flüssigkeit Stufe 2 – honigartig
Flüssigkeiten müssen relativ stark eingedickt werden Bsp.: honigartig, dickflüssig, Vanillesauce, cremiges Joghurt
Flüssigkeit Stufe 3 – puddingartig
Flüssigkeiten müssen stark eingedickt werden -> geschmackliche Einbußen
Bsp.: Pudding, löffelfest
Conclusio
Schluckkost und Mangelernährung
Schluckkost definieren im „Haus“
Interdisziplinär arbeiten
-> Feedback von Pflege/Logopädie an Diätologin bzgl. Kostform
„Schluckteam“ gründen
Wir sind 1