matthias dornfeldt und sona maharramowa · Ölstrategie um und der sinn und das prinzip dieser...
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Matthias Dornfeldt und Sona Maharramowa
Die Zusammenarbeit zwischen der Aserbaidschanischen Republik
und der Bundesrepublik Deutschland auf dem fossilen
Energiesektor
Einführung
Die unersetzliche Rolle des Erdöls für die Entwicklung der
Weltwirtschaft hat es zu einem wichtigen Faktor in der
internationalen Politik sowie in der Innen- und Außenpolitik der
meisten Staaten der Erde werden lassen. Ein wichtiger Faktor für
die erfolgreiche Wirtschaftspolitik des modernen Aserbaidschan
war die Implementierung der umfassenden Erdöl- und
Erdgasstrategie. Die Umsetzung dieser vom ehemaligen
Präsidenten des Landes Haydar Alijew begründeten Strategie
begann am 20. September 1994 mit der Unterzeichnung eines
Vertrags mit einer Gültigkeitsdauer von 30 Jahren zwischen der
Aserbaidschanischen Staatlichen Erdölgesellschaft (SOCAR)
und zehn großen Erdölunternehmen aus sechs Ländern über die
gemeinsame Ausbeutung der tiefliegenden Teile der Erdölfelder
Azeri, Ciraq und Günesli im aserbaidschanischen Sektor des
Kaspischen Meeres und der Aufteilung der entsprechenden
Erdölproduktion. Das als “Vertrag des Jahrhunderts”
bezeichnete Dokument legte den Grundstein der
aserbaidschanischen Erdölstrategie in Bezug auf die
Diversifizierung der akteure bei der Rohstofferschließung sowie
der erfolgreichen Entwicklung des Konzepts der
Wirtschaftsentwicklung für die Zukunft. Wie damals Haydar
Alijew bemerkte, “setzt Aserbaidschan seit 1994 seine neue
Ölstrategie um und der Sinn und das Prinzip dieser Strategie
besteht in dem effektiven Nutzen der reichen Naturschätze
Aserbaidschans, inklusive des Öls und des Gases, zum Wohle
aserbaidschanischen Volkes” (vgl. 11).
Die Kohlenwasserstoffressourcen in Aserbaidschan betrugen zu
diesem Zeitpunkt sieben Milliarden Barrel Öl, was das Land zu
einem bedeutenden Förderer von fossilen Energieträgern im
Kaspischen Basin werden ließ (vgl. 20:30-44, 21:52-57). Der
Reichtum an den Kohlenwasserstoffressourcen sowie die
günstige geostrategische Lage entlang der eurasischen
Transitwege begründete das enorme Interesse ausländischer
Investoren am aserbaidschanischen Erdöl und Erdgas. Aus
diesem Grund sind heutzutage 30 Energieunternehmen aus 14
Staaten an der Implementierung der Verträge beteiligt. Durch die
Ausbeutung der nationalen Öl- und Gasressourcen sowie durch
die Fortsetzung gigantischer Projekte zum Export der
Energierohstoffe auf die Weltmärkte ist der Kaspische Raum zu
einer wichtigen geoökonomischen Region der Welt im 21.
Jahrhundert geworden. Seit 1994 wurden zwischen der SOCAR
und ausländischen Erdölunternehmen insgesamt 26 Verträge
zur Entdeckung, Produktion und den gemeinsamen
Nutzungsprinzipien der Kohlenwasserstoffresssourcen
unterzeichnet. Die Höhe der Investitionen im Rahmen dieser
Verträge beträgt 60 Milliarden US- Dollar (vgl. 14, 20: 30-44).
Die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und
Deutschland auf dem Erdölsektor
Seit 1994 fokussierten politische und wirtschaftliche Akteure
Deutschlands den aserbaidschananishen Erdölsektor und
versuchten dabei, eine aktive Rolle zu spielen. Nach der
Unterzeichnung des “Vertrages des Jahrhunderts” konnte in den
deutschen Medien deutlich beobachtet werden, dass über die
späte Partizipation in den großen Projekten im Erdöl- und
Gassektor Aserbaidschans durch deutsche Firmen mit Bedauern
berichtet wurde. So schrieb Stefan Koch, Redakteur der
“Frankfurter Rundschau”, der an der Eröffnungszeremonie der
Erdölleitung Baku-Supsa, in der das frühe Öl über Georgien
exportiert wurde, teilgenommen hatte, in der Ausgabe der
Zeitung vom 10. Mai 1999 in einem Artikel mit dem Titel “Erdöl
ist das Leben. Neue Erdölpipeline von Baku zum Schwarzen
Meer wurde eröffnet”, dass seine erste Begegnung mit dieser
prosperienden Region durch Günther Rexrodt, dem damaligen
Bundeswirtschaftsminister, ermöglicht wurde. Damals haben die
Vertreter deutscher Unternehmen mit Überraschung festgestellt,
dass sie sich verspätet und internationale Konzerne wie British
Petroleum, Chevron und Agip sich hingegen im Südkaukasus
bereits niedergelassen haben. Der Autor des erwähnten
Beitrages rief deutsche Unternehmer und Bankenvertreter zur
Zusammenarbeit mit Aserbaidschan auf (vgl. 22). In einem
Artikel der “Berliner Zeitung” mit dem Titel “Triumpfkarte Erdöl”
vom 15. Februar 2007 heisst es, “im Kampf um die reichen
Energieschätze des Kaspischen Meeres sind China, Russland
und die USA bereits dabei. Die Europäische Union hat sich
verspätet” (19). Auch der “Spiegel” betont in seinen Beiträgen mit
dem Titel “Geldgeräusche”, “Der größte Kampf im Kaukasus”
und “Passive Teilnahme von deutschen Unternehmen in der
Aufteilung des Kaspischen Öls” die Passivität deutscher
Unternehmer in diesem Sektor (vgl. 1:40).
Die aserbaidschanische Seite hatte Interesse an der Vertiefung
der Beziehungen mit der Bundesrepublik im Erdölsektor gehabt.
Beim Empfang deutscher Gäste und auch während
internationaler Treffen mit Vertretern aus Deutschland legte der
damalige Präsident Haydar Alijew stets den mitgereisten
Geschäftsleuten Investitionen in die aserbaidschanische
Energiewirtschaft nahe und versprach diesbezüglich gute
Konditionen. Während eines Gespräches mit dem damaligen
deutschen Botschafter Michael Schmunk am 15. Juni 1996
bedauerte Staatsoberhaupt Alijew die immer noch spärliche
Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit Aserbaidschan bei
der Entwicklung der Bodenschätze und betonte, dass sein Land
auf diesem Gebiet über genügend potentielle
Kooperationspartner verfügt. Dabei war von Seiten der Politik
Aserbaidschans beabsichtigt, die Zusammenarbeit mit der
europäischen Führungsmacht Deutschland zu vertiefen (vgl. 6).
Otto Wolf von Amerongen, der bereits verstorbene
Gründungsvorsitzende des Ostausschusses der Deutschen
Wirschaft stellte in einem Treffen mit Haydar Alijew während
seines offiziellen Besuches in Deutschland vom 1. bis 4. Juli
1996 fest, dass nach nur wenigen Jahren der Unabhängigkeit der
Kaspi-Republik zwischen Deutschland und dieser enge
ökonomische und politische Kontakte etabliert worden sind.
Dabei wurde konstatiert, dass deutsche Unternehmen an der
Entwicklung der aserbaidschanischen Erdölfelder bis dahin nicht
beteiligt waren. Als diesbezügliche Begründung wurde nicht
Desinteresse, sondern die wirtschaftlichen Schwerpunkte
deutscher Investoren bei Projekten in den Sektoren
Infrastrukutur, Telekommunikation, Wasserversorgung,
Kraftwerksbau, chemischer Industrie und Bau von
Erdölraffinerien und Pipelines angegeben (vgl. 4:44). Deutsche
Geschäftsleute waren tatsächlich in erster Linie an Investitionen
in den Bereichen erdölbezogene Ausrüstungen und
Dienstleistungen sowie dem Nicht-Erdölsektor interessiert.
Es ist bekannt, dass nach 1879 für einige Jahrzehnte die
Gebrüder Nobel AG in der transkaukasischen Erdölindustrie als
Vertreter Deutschlands tätig waren. Diese Aktiengesellschaft
verfügte zur damaligen Zeit über die größte Erdöltransportflotte
im Kaspischen Meer (vgl. 10:101-107). Anfang des 20.
Jahrhunderts wurden von aserbaidschanischem Gebiet Erdöl
und Erdölprodukte ins Deutsche Reich geliefert. Gemäß
statistischer Angaben versorgte Aserbaidschan 20 Prozent des
damaligen deutschen Bedarfs an Erdölpodukten und weißem
Erdöl. In Bayern wurde daraufhin eine Raffinierie errichtet, um
das Öl aus Baku zu verarbeiten (vgl. 12:442).
Es kann als Ausdruck gemeinsamer Interessen angesehen
werden, dass sich die Vertreter der deutschen Bundesregierung
zu einem späteren Zeitpunkt an Spitzenmanager
aserbaidschanischer Unternehmen wandten, damit die großen
deutschen Unternehmen im Erdölsektor mit Aserbaidschan
kooperieren konnten und baten Haydar Alijew um gute
Markteintrittskonditionen. Eine dieser Firmen um die es sich
hierbei handelte, ist die Deminex-Wintershall. Nach dem Vertrag
vom 13. Januar 1997 beteiligte sich die Firma im Rahmen des
Projekts “Perspektivische Strukturen Lankaran und Talis” an der
Ausbeutung fossiler Energieträger im aserbaidschanischen
Sektor des Kaspischen Meeres mit 30 Prozent (vgl. 17:23-24).
Des Weiteren kooperierte zwischen 1995 und 1997 das in
Aserbaidschan tätige deutsche Unternehmen Grünwald mit dem
deutsch-aserbaidschanischen Joint-Venture Azeralmneft bei
der onshore Gewinnung von Erdöl auf dem Gebiet des siebten
Erdölfeldes in Ramana (vgl. 2).
In den darauffolgenden Jahren investierten deutsche
Geschäftsleute auch in anderen erdölbezogenen Sektoren. Als
Resultat stiegen die deutschen Direktinvestitionren in der
aserbaidschanischen Industrie deutlich an. Aserbaidschan ist
mittlerweile zum achtgrößten Rohöllieferant Deutschlands
aufgestiegen.
Das Erdöl aus Aserbaidschan wird über die georgischen Häfen
Batumi und Poti in das italienische Triest und dann weiter nach
Süddeutschland für die Verarbeitung in dortigen Raffnierien
transportiert. Von den drei Milliarden US-Dollar, die im Rahmen
der Implementierung des Projekts der Baku-Tiflis-Ceyhan
Erdölleitung für den Bereich Dienstleistungen vorgesehen
waren, wies die British Petroleum als Konsortialführer
Auftragsvolumen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar den
beteiligten Unternehmen, davon 250 Millionen US-Dollar an
deutsche Firmen, zu (vgl. 5). Die Firma Eupec
Rohrleitungsservice GmbH produziert hochwertige Korrosion-
beständige Rohrleitungen und erledigte in diesem
Projektrahmen Bestellungen im Wert von 120 Millionen US-
Dollar (vgl. 5). Diese wurden beim Verlegen von Leitungen von
den Feldern Aseri, Ciraq und Günesli zum ca. 60 Kilometer
südlich von Baku gelegenen Anlande- und
Verarbeitungsterminal Sangachal verbaut. Darüber hinaus
wurde am 1. Februar 2005 zwischen dem deutschen
Unternehmen Oil and Gas ProServis GmbH und der SOCAR ein
Vertrag über die technische Wartung von Öl- und Gasanlagen
unterzeichnet. Nach dem Vertrag halten die Siemens
Turbomaschinerie International Holding 25 Prozent, die Target
Petrolium Azerbaijan 45 Prozent und SOCAR 29,9 Prozent der
Aktien (vgl. 8).
Das entsprechende Terminal Sangachal der Erdölleitung Baku-
Supsa ist vom deutschen Bauunternehmen Gabeg errichtet
worden (vgl. 1:39).
Der wachsende Bedarf an, sowie die Diversifizierung der
Bezugsländer von fossilen Energieträgern in Deutschland sowie
auf der gesamten Welt führte dazu, dass die deutsche Regierung
die Wirtschaftsbeziehungen mit ressourcenreichen Ländern,
unter anderem mit Aserbaidschan, stärkte.
Vom 1993 bis Ende 2011 investierte die deutsche Wirtschaft in
den aserbaidschanischen Industriesektor ein Kapital in Höhe von
202,2 Millionen US-Dollar, wovon 30,7 Prozent auf den Erdöl-
und Gassektor entfielen (vgl. 9). Im Januar 2008 wurde im
Namen von Michael Glos, dem damaligen Bundesminister für
Wirtschaft und Technologie, eine Anfrage bezüglich der
Eröffnung einer Vertretung SOCARs in Baden-Württemberg an
den aserbaidschanischen Präsidenten gerichtet. Als Ergebnis
etablierte SOCAR dann eine Repräsentanz in Frankfurt/Main, die
für das gesamte Bundesgebiet zuständig ist (vgl. 3).
Eine der wichtigsten Grundlagen der Bundesrepublik in der
Energie-Kooperation mit Aserbaidschan im Rahmen der
Europäischen Union sind die Projekte im Bereich von INOGATE.
Seit der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung am 22. Juli
1999 bei einem Treffen in Kiew unter Teilnahme von 15 Ländern
beteiligt sich Aserbaidschan am INOGATE Programm (vgl.
13:130). Das war erforderlich, da einer der Hauptabnehmer der
Energieressourcen des Kaspischen Raumes die EU-
Mitgliedsländer sind. Diese spielen eine große Rolle auf dem
weltweiten Energiemarkt. Obwohl Europa nur über 2 Prozent der
globalen Erdölressourcen verfügt, befindet sich in seinen
Grenzen 24 Prozent der globalen Erdölindustriestruktur (vgl. 21).
Da der Kontinent seine eigenen Ressourcen rasch verbraucht,
muss nun die zukünftige Energieversorgung auswärts gesichert
werden. Nach 2020 wird der Bedarf an Erdgas in Deutschland
um 20 Prozent und in Gesamteuropa um 30 Prozent steigen.
2030 werden 60 Prozent des europäischen Bedarfs an Erdgas
voraussichtlich aus Russland kommen (vgl. 18:97). Das wurde in
der Europäischen Union aufmerksam registriert und deshalb gibt
es großes Interesse an der Zusammenarbeit mit anderen
Produzentenländern von Kohlenwasserstoffressourcen wie
Aserbaidschan.
Zusammenfassung
Das 20. Jahrhundert war das des Erdöls und es ist festzustellen,
dass das 21. Jahrhundert durch die Suche nach Lösungswegen
für eine langfristige globale Energieversorgungssicherheit
geprägt sein wird. Die Erdölleitung Baku-Tiflis-Ceyhan und die
Erdgasleitung Baku-Tiflis-Erzurum sowie die Realisierung der
erdgasbezogenen Projekte TANAP und TAP sind für die
Energiersicherheit Europas von herausragender Bedeutung. Der
Export fossiler Energieträger sichert Aserbaidschan seine
politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die Faktoren
Erdöl und Erdgas haben einen großen Einfluss auf die
langfristige Strategie der aserbaidschanischen
Energieaußenpolitik. Die erfolgreiche Implementierung der
Projekte zum Transport der Kohlenwasserstoffressourcen der
Kaspischen Region nach Europa sorgt für einen Teil der
Deckung des fossilen Energiebedarfs der BRD und einiger EU-
Staaten sowie für die Versorgungsdiversifizierung und die
langfristige Energiesicherheit.
Im Jahre 2011 wurde zwischen Aserbaidschan und der
Europäischen Union eine Erklärung über die Errichtung des
Südlichen Gas Korridors unterzeichnet. Dies eröffnet nicht nur
neue Perspektiven für die Vermarktung aserbaidschanischen
Erdgases auf dem europäischen Markt, sondern garantiert
zudem die Energiesicherheit Europas. Dies bestätigte auch
Ilham Alijew, Präsident der Aserbaidschanischen Republik, in
seiner Rede auf der 48. Sicherheitskonferenz in München.
“Aserbaidschan ist nun auch als ein Land bekannt, das über
große Gasressourcen verfügt. Das Feld Shah Deniz ist mit einem
Trillion m3 Gasressourcen eines der größten auf der Welt. Die
im Jahre 2010 und letztes Jahr entdeckten neue Felder zeigen,
dass Aserbaidschan über mehr als 2,5 Trillion m3 Gasreserven
verfügt, was nicht nur für Aserbaidschan, sondern auch für seine
Partner und Abnehmer ausreichend sein wird. …Aserbaidschan
ist bereit, seine Rolle zu übernehmen, für die Energiesicherheit
zu sorgen und diese zu entwickeln” (vgl. 17).
Es ist letztlich festzustellen, dass der “Vertrag des Jahrhunderts”
von 1994 die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und
Aserbaidschan vertieft hat und als Resultat dessen die
Bundesrepublik Deutschland ein wichtiger Partner
Aserbaidschans auf dem Gebiet der Energiekooperation
geworden ist.
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