mechanical properties

Upload: guezel

Post on 12-Jul-2015

2.663 views

Category:

Documents


17 download

TRANSCRIPT

6 Mechanische Eigenschaften

Bei der Wahl der Legierung und der Halbzeugart fr den jeweiligen Anwendungsfall sind neben der Beurteilung der Verarbeitungseigenschaften, wie Verformbarkeit, Schweibarkeit und Zerspanbarkeit, sowie des Korrosionsverhaltens unter den beabsichtigten Einsatzbedingungen vor allem die Kenntnis der Festigkeits- und Duktilittseigenschaften von Bedeutung. Die letzteren beiden Eigenschaften bestimmen sowohl die Auslegung des Bauteils als auch das Umformverhalten und das Verhalten unter Mibrauch und Crash. In diesem Kapitel wird zunchst auf die Ermittlung der Festigkeitseigenschaften eingegangen und die Stoffgesetze betrachtet, die das Verhalten der Aluminiumlegierungen bei plastischer Verformung beschreiben. Weiterhin wird der Begriff der Duktilitt behandelt, der fr die Verarbeitung und fr die Bauteilsicherheit eine entscheidende Rolle spielt. Wenn auch die Duktilitt mit verschiedenen Kennwerten ausgedrckt wird, so ist letztlich der Bruchvorgang entscheidend, der durch das Gefge, die plastische Vorgeschichte und den Spannungs- und Dehnungszustand beeinflut wird. Der duktile Bruchvorgang durch Zugbeanspruchung (Modus I) wird gemeinhin als Folge von Lochbildung und Lochwachstum in dem berbeanspruchten Werkstoffvolumen verstanden. Die Duktilitt als Grenzma der plastischen Verformbarkeit wird neben den Einflssen des Spannungs- und Dehnungszustandes allerdings durch Gefgeparameter beeinflut und ist dadurch abhngig von den Herstellungsbedingungen und dem Werkstoffzustand. Auf diese Werkstoffeinflsse wird besonders eingegangen. Schlielich wird das Verhalten unter zyklischer Beanspruchung betrachtet, das fr Leichtbaukonstruktionen groe Bedeutung hat. Die Mechanismen des Ermdungsvorgangs und -bruchs werden ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Gefgeeinflsse behandelt mit dem Ziel, Auswirkungen von Werkstoffzustand und Verarbeitungsbedingungen, z.B. durch mechanische Bearbeitung und Schweien, auf das Schwingfestigkeitsverhalten verstndlich zu machen.

280

6 Mechanische Eigenschaften

6.1 Statische mechanische KennwerteFestigkeit und Verformbarkeit eines Werkstoffs sind abhngig vom Spannungs- und Dehnungszustand der jeweiligen Beanspruchungsart. Es ist daher blich, die grundlegenden Festigkeitseigenschaften bei einem definierten Spannungszustand zu beschreiben, wozu der einachsige Zugversuch dient. Zugleich erhlt man aus dem Zugversuch Aussagen ber das Verfestigungsverhalten des Werkstoffs, d.h. ber die Abhngigkeit des Verformungs- oder der Fliespannung vom Verformungsgrad. Zur Extrapolation der Fliespannung auf grere Verformungsgrade und zur bertragung auf mehrachsige Beanspruchungszustnde knnen weitgehend werkstoffunabhngige Berechnungsanstze herangezogen werden.Festigkeitswerte

Grundlage fr die Festigkeitsermittlung ist das (quasi-statische) Spannungs-Dehnungsdiagramm des Werkstoffs, das an genormten Zugprobestben und nach genormten Durchfhrungsbestimmungen ermittelt wird [DIN EN 10002-1]. Als charakteristische Festigkeitsmerkmale werden daraus die 0,2% Dehngrenze, Rp0,2, und die Zugfestigkeit, Rm, bestimmt, s. Bild 6.1.1, die bei einer bleibenden Dehnung von 0,2% bzw. bei Hchstlast aus dem Last-Verlngerungsdiagramm durch Bezug auf die Ausgangsabmessungen der Probe, Querschnitt F0 und Melnge L0, ermittelt werden.

Bild 6.1.1 Definitionen im Spannungs-Dehnungsdiagramm fr Aluminiumwerkstoffe

Da Aluminiumlegierungen mit Ausnahme von AlMg-Legierungen keine ausgeprgte Streckgrenze (Ldersdehnung) haben, wird die Dehn-

6.1 Statische mechanische Kennwerte

281

grenze Rp0,2 als Bemessungskennwert bei einer 0,2% bleibenden Verformung gegenber dem rein elastischen Verhalten ermittelt. Dieses Setzen kann fr die Stabilitt von Druckstben bereits kritisch sein. Fr Stabilittsrechnungen mit finiten Elementen wird daher das Spannungs-Dehnungsgesetz im Bereich und unterhalb der 0,2%-Dehngrenze blicherweise durch das Ramberg-Osgood Werkstoffgesetz dargestellt. Nheres hierzu s. z.B. (Valtinat 2003). Eine Bestimmung der Stauchgrenze fr Aluminium und seine Legierungen ist unblich, da Dehngrenze und Stauchgrenze anders als bei anderen Strukturwerkstoffen nahezu identisch sind, s. Bauschingereffekt, Abschn. 3.1 und 6.4.Bruchdehnung

Als Ma fr die Duktilitt dient die Bruchdehnung, A, die sich aus einem Anteil gleichmiger Dehnung der Melnge und nach Erreichen der Maximallast einer lokalen Einschnrdehnung zusammensetzt. Dadurch ergibt sich eine Melngenabhngigkeit der Bruchdehnung, die je nach Wahl des Probestabes als A5 oder A10 (kurzer bzw. langer Proportionalstab nach DIN 50145 (alt)), bzw. als A50 oder A80 (Melnge 50 mm bzw. 80 mm nach DIN EN 10002-1) bezeichnet wird und unterschiedliche Wertangaben beinhaltet. Durch die Melngenabhngigkeit ist die Bruchdehnung folglich kein grundlegender Duktilittswert, kann aber als Verformbarkeitsmerkmal fr vergleichende Qualittsbeurteilung herangezogen werden. In den einschlgigen Normen ber Aluminium und Aluminiumlegierungen s. Anhang Tabelle A.3 findet man garantierte Mindestwerte fr 0,2-Dehngrenze, Zugfestigkeit und Bruchdehnung der handelsblichen Aluminiumlegierungen, Formate und Halbzeuge, die als Grundlage fr konstruktive Berechnungen und fr Regelwerke herangezogen werden mssen. Die Mindestwerte ergeben sich durch Auswertung einer statistisch signifikanten Anzahl von Prfungen verschiedenster Chargen, die auch den Einflu der Materialdicke und der unterschiedlichen Produktionsablufe bei verschiedenen Herstellern bercksichtigen. Gegenber den Mindestwerten sind die Mittelwerte oder typischen Werte aussagefhiger fr das Werkstoffverhalten, da sie die gegenlufige Abhngigkeit von Festigkeit und Duktilitt richtiger wiedergeben. Typische Festigkeitseigenschaften fr zahlreiche handelsbliche Knetlegierungen enthlt Tabelle A.1.2 (Anhang).Gleichmadehnung

Die Gleichmadehnung, Ag, stellt das Werkstoffverhalten unter definiertem einachsigen Spannungszustand dar. Als Werkstoffkennwert fr die

282

6 Mechanische Eigenschaften

Verformbarkeit ist die Gleichmadehnung deshalb aussagefhiger als die Bruchdehnung, die die lokale Dehnungskonzentration im Einschnrbereich unter dem dort herrschenden mehrachsigen Spannungszustand enthlt. Der Wert der Gleichmadehnung aus dem einachsigen Zugversuch ndert sich jedoch mit dem Spannungs- und Dehnungszustand, s. Verlauf der Grenzformnderungskurve in Abschn. 6.7.3. Die Gleichmadehnung, Ag, wird entsprechend den Definitionen in Bild 6.1.1 bei Maximallast (dP = 0) erreicht. Moderne Zugprfmaschinen erlauben die automatische, rechnergesttzte Auswertung des Zugversuchs und ergeben zuverlssige Werte fr die Gleichmadehnung, sofern entsprechende Filter zum Ausgleich von dynamischen Reckalterungserscheinungen im Rechnerprogramm vorgesehen sind (Aegerter et al. 2003). Wie unter Abschn. 6.2 beschrieben ist die Gleichmadehnung auch Ausdruck des Verfestigungsvermgens des Werkstoffs. Die Gleichmadehnung erreicht bei Aluminiumknetlegierungen hchste Werte in den Zustnden lsungsgeglht und weichgeglht und nimmt mit zunehmender Kaltverfestigung und Aushrtung ab.Brucheinschnrung

Die Brucheinschnrung, Z, wird hufig als grundlegender Duktilittswert oder als Ma fr die Grenzverformbarkeit des Werkstoffs betrachtet, da sie die Verformbarkeit im Augenblick des Trennbruchs darstellt. Der Wert der Brucheinschnrung enthlt die Auswirkungen der mikrostrukturellen Vorgnge der Bruchbildung und gibt Hinweise auf das Bruchverhalten. Als Brucharten treten der Einschnrbruch (Tasse-Kegel-Bruch), der Scherbruch oder ein Mischbruch beider Arten auf. Fr die Aussagefhigkeit und Vergleichbarkeit der Brucheinschnrung sind die Probenform sowie die Bruchart und -lage zu bercksichtigen, s.a. Abschn. 6.3. Durch die bei duktilen Werkstoffen auftretende Einschnrung unterliegen die Bruchmechanismen dem Einflu des Spannungszustands, der zur Probenachse hin an Mehrachsigkeit zunimmt. Die Ermittlung der Brucheinschnrung erfolgt durch das manuelle Ausmessen der Bruchflche, Fbr, des Zugstabes mit blicher Metechnik, lichtmikroskopisch oder mit Tastern. Die Brucheinschnrung, Z, errechnet sich durch Bezug der Querschnittsnderung F0 Fbr auf den Ausgangsquerschnitt, F0, nach der Beziehung Z = (F0 Fbr)/F0.100 [%] (6.1.1)

Die sog. wahre Bruchdehnung br errechnet man aus Z als logarithmische Formnderung wie folgt:

6.1 Statische mechanische Kennwerte

283

br = ln(1/1-Z) = ln(F0/Fbr)

(6.1.2)

Whrend bei zylindrischen Probenquerschnitten und miger Anisotropie die Ermittlung von Z relativ zuverlssige Mewerte ergibt, ist bei dnnen Flachproben dieser Duktilittswert mit einer gewissen Meunsicherheit behaftet. Hinzu kommt, da die Einschnrzone bei Flachproben normalerweise nicht senkrecht zur Probenachse verluft, sondern unter einem Winkel, der theoretisch bei einem isotropen Werkstoff 54,7 betrgt (Hill 1950, McClintock et al. 1966). Abweichungen vom theoretischen Winkel lassen auf Textureinflsse schlieen. In der Praxis streuen die Winkel der Einschnrung bei Flachproben zwischen 52 und 66 (Webernig et al. 1986). Durch Ermittlung der Brucheinschnrung kann man die wahre Bruchfestigkeit, br, bestimmen. Wenn die Bruchlast, Pbr, im Zugversuch mit ausreichender Genauigkeit ermittelt werden kann, ergibt sich die Bruchfestigkeit (Reifestigkeit), Rbr, durch Bezug auf die Bruchflche Fbr. Allerdings wird die Bruchlast durch den mehrachsigen Spannungszustand erhht. Die Korrektur der experimentellen Mewerte auf den einachsigen Spannungszustand wird blicherweise nach dem Vorschlag von Bridgman (Bridgman 1952) anhand der halbempirischen Formel br = Pbr / Fbr (1 + 2R/rn ) ln(1 + rn /2R )

(6.1.3)

vorgenommen, indem das Verhltnis des Radius des Probenquerschnitts, rn, zum Radius der Einschnrzone, R, ermittelt wird, s. Bild 6.1.2. Fr die Bridgman-Korrektur ist daher die Ermittlung des kleinsten Einschnrradius, R, erforderlich.

Bild 6.1.2 Bezeichnungsweise zur Korrektur nach Bridgman

284

6 Mechanische Eigenschaften

Kennwerte des Torsionsversuchs

Der Torsionsversuch eignet sich vornehmlich fr die Ermittlung von Fliekurven s. Abschn. 6.2 , liefert aber auch zuverlssige Informationen ber die wahre Duktilitt des Materials, da bis zum Bruch keine Einschnrung entsteht und deshalb der reine Scherspannungszustand unverndert bleibt. Er wird an Probestben mit zylindrischer Melnge durchgefhrt, s. Bild 6.1.3. Problematisch ist der Gradient der Scherung und Schubspannung ber dem Probenradius R, dem bei der Auswertung des Versuchs Rechnung getragen werden mu. Die Scherbruchdehnung max beim Probenbruch bezieht sich auf den Durchmesser der Probe. Nach Umrechnung ber ein Fliekriterium in die Vergleichsdehnung entspricht sie der wahren Bruchdehnung max des Materials bei einem Mehrachsigkeitsgrad T = 0 (s. Abschn. 6.7.1). Der Torsionsversuch ist vor allem dann sinnvoll, wenn einerseits eine vollstndige Fliekurve des Materials bestimmt werden soll und andererseits gengende Materialdicke vorliegt (Schmiedeteile, Strangpreteile, Platten). Die Torsionsfliekurven eignen sich besonders fr die Berechnung oder Abschtzung des Kraft- und Arbeitsbedarfs beim Kaltfliepressen, bei dem hohe Umformgrade auftreten knnen, s. Kap. 11. Im Anh. A.1.7 sind Fliekurven fr verschiedene Legierungen in unterschiedlichen duktilen Ausgangszustnden dargestellt, die im Torsionsversuch ermittelt wurden.

Bild 6.1.3 Zur Definition der Gren im Torsionsversuch

Fr die Umrechnung von Drehmoment Mt in Schubspannung kann der Ansatz von Ludwik und Scheu (Ludwik et al 1925) gewhlt werden=1 2 R3 d Mt 3M t + R d R

(6.1.4)

mit = Schubspannung [N/mm], R = Radius der Probenmelnge, L =

6.1 Statische mechanische Kennwerte

285

Melnge der Probe, Mt = Drehmoment [Nm], R = Scherung bei Radius R und = Verdrehwinkel. Die Scherung R errechnet sich aus

R =

RL

=

2 U R L

(6.1.5)

mit U = Zahl der Umdrehungen. Die Umrechnung von Schubspannung in Normalspannung kf (Fliespannung) erfolgt mit Hilfe eines geeigneten Fliekriteriums, z.B. der Schubspannungshypothese von Tresca oder der Gestaltnderungsenergiehypothese von v. Mises, s. Abschn. 6.7.1. Der Vergleich der Fliekurven aus Legierung EN AW-6082-T4 mit der aus dem Zugversuch ermittelten Fliekurve in Bild 6.1.4 zeigt eine bessere bereinstimmung mit der nach v. Mises berechneten Fliekurve. Welches Fliekriterium die bessere bereinstimmung mit den Zugversuchsergebnissen liefert, hngt u.a. von der Legierungszusammensetzung und dem Werkstoffzustand ab. Die unter reiner Scherung im Torsionsversuch ermittelten wahren Bruchdehnungswerte sind deutlich hher als die Werte aus der Einschnrung im Zugversuch. Tabelle 6.1.1 enthlt Vergleichsangaben fr verschiedene Aluminiumlegierungen im Zustand weich.

Bild 6.1.4 Fliekurven der Legierung EN AW-6082-T4 (Schmiedeteil) in doppellogarithmischer Darstellung ermittelt im Torsionsversuch mit d/dt = 8.10-3 s-1 und ausgewertet nach verschiedenen Fliekriterien sowie im Zugversuch (Rp0,2 = 181 N/mm, Rm = 271 N/mm, Ag = 13,9 %, A5 = 18,2 %, Z = 40 %) mit d/dt = 5.10-4 s-1

286

6 Mechanische Eigenschaften

Tabelle 6.1.1 Wahre Bruchdehnung im Zug- und Torsionsversuch Legierung EN AW1050A-0 2017A-0 3003-0 5754-0 5049-0 6060-0 6061-0 6082-0 7020-0 7075-0*)

Rm Rp0,2 [N/mm] [N/mm] 62 105 120 206 77 141 78 203 80 213 65 100 44 115 84 140 76 180 82 212

A5 [%] 48 19,5 32 29 30 27 35 29 27 25

Z [%] 95 57 84 81 53 77 63 70 51 45

Br [] 2,99 0,84 1,83 1,66 0,76 1,46 0,99 1,20 0,71 0,59

*)

max *) [] 3,65 1,24 3,12 1,89 2,10 2,45 1,92 2,25 1,85 1,20

max = max /2 (n. Tresca)

Duktilitt im Zugversuch Br = ln(1/(1-Z); Duktilitt im Torsionsversuch

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, VerformbarkeitDas plastische Verhalten der Aluminiumwerkstoffe wird bestimmt durch Verfestigungs- und Entfestigungsvorgnge, s. Abschn. 3.1.2. Beide Prozesse werden entscheidend von der Legierungszusammensetzung und vom Gefgezustand beeinflut. Als Ausgangszustand fr die Betrachtungen zum plastischen Verhalten wird blicherweise der unverformte, rekristallisierter Zustand gewhlt, der sich durch eine geringe Anfangsdichte an Versetzungen auszeichnet. Dieser Zustand wird durch Weichglhen oder bei aushrtbaren Legierungen durch eine Lsungsglhung und anschlieende Kalt- oder Warmaushrtung erzeugt. Das fr das plastische Verhalten verantwortliche Versetzungsverhalten kann sich jedoch im Weichzustand deutlich vom Versetzungsverhalten im Aushrtungszustand unterscheiden und dadurch letztlich auch den Bruchvorgang unter statischen und zyklischen Beanspruchungen beeinflussen. Abgesehen von den zuvor genannten Festigkeits- und Duktilittswerten knnen aus dem Zugversuch zwei weitere Werkstoffangaben entnommen werden, die fr die Beschreibung des plastischen Verhaltens bei greren Formnderungen von erheblicher Bedeutung sind, nmlich das Verfestigungsvermgen und die Anisotropie der mechanischen Eigenschaften. Wegen der greren plastischen Formnderungen werden Spannungen und Dehnungen nicht auf die Ausgangsdimensionen (Melnge L0 und Melngenquerschnitt F0), sondern auf die momentanen Probenquerschnitte und -lngen (F, L) bezogen und als wahre Spannungen und Dehnungen (oder Formnderungen) bezeichnet. Die Beziehung zwischen den auf die

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, Verformbarkeit

287

Ausgangsdimensionen bezogenen Spannungen, = P/F0, und Dehnungen, = (L L0)/L0, und den wahren Spannungen, w, und Dehnungen, , wurde zuerst (1909) von Ludwik (Ludwik 1909) vorgeschlagen:

w = ( + 1) (= kf) = ln( + 1)

(6.2.1) (6.2.2)

Die Gren w und werden in der Umformtechnik als Fliespannung, kf, und als logarithmische Formnderung bezeichnet. Die logarithmische Formnderung ergibt sich aus der Integration aller auf die momentane Melnge, L, bezogenen Dehnungsinkremente, dL, ber der Gesamtlngennderung L - L0:=

L0

L

dL L = ln = ln( + 1) L L0

(6.2.3)

Fliekurve

Durch Umrechnung der Spannungs-Dehnungskurve ( = f()) ber dem Bereich der Gleichmadehnung in die wahre Spannungs-Dehnungskurve erhlt man die sog. Fliekurve kf = f() des Werkstoffs. Die Beziehung zwischen Fliespannung und logarithmischer Formnderung kann nherungsweise durch eine parabolische Funktion ausgedrckt werden: kf = 0 + K. n bzw. kf = K. n (6.2.4b) (6.2.4a)

Hierin bedeuten n der Verfestigungsexponent, 0 die Fliegrenze bei = 0 und K eine Konstante (Verfestigungskoeffizient). Diese P. Ludwik bzw. J.H. Hollomon zugeschriebenen Fliegesetze bilden sich bei doppelt logarithmischer Auftragung als Gerade mit der Steigung n ab. Der Verfestigungsexponent, n, ist jedoch bei genauerer Analyse ber der gesamten Fliekurve nicht konstant. Der n-Wert wird daher je nach bereinkunft fr einen bestimmten Dehnungsbereich ausgewertet, z.B. zwischen = 5 und 15% plastischer Dehnung oder zwischen = 2% und (Ag 1) %. Zu Vergleichszwecken sollte daher der n-Wert mit dem Dehnungsbereich der Auswertung gekennzeichnet werden. Empfehlungen fr die Auswertung

288

6 Mechanische Eigenschaften

des Verfestigungsexponenten enthlt z.B. ISO 10 275. Je nach Aluminiumlegierung und Werkstoffzustand ergeben sich n-Werte zwischen 0,05 und 0,4. Der n-Wert beschreibt das Verfestigungsvermgen des Materials und beeinflut die Gleichmadehnung, Ag. Unterstellt man der SpannungsDehnungskurve in Bild 6.1.1 das Ludwik-Hollomonsche Fliegesetz, (Gl. (6.2.4b)), erhlt man bei Hchstlast (dP = 0) eine quivalenz zwischen nWert und (logarithmischer) Gleichmadehnung (Dieter 1961): P = w . F (6.2.5)

mit F = momentanem Probenquerschnitt bei Hchstlast P, L = momentaner Melnge, w = wahre Spannung (Fliespannung, kf) und g = wahre (logarithmische) Gleichmadehnung bei Hchstlast gilt: dP = w.dF + F.dw = 0 bzw. dw/w = dF/F = dL/L = d bzw. dw/d = w Aus Gl. (6.1.4) und dw/d = n.K. n-1 ergibt sich n = = g bzw. Ag = en 1 (e = Eulersche Zahl) (6.2.6c) (6.2.6b) (6.2.6a)

Ein hoher n-Wert entspricht also einer hohen Gleichmadehnung, ist gnstig fr alle Umformvorgnge und verzgert die plastische Instabilitt, d.h. das Versagen durch Einschnrung und Bruch. Weiche Werkstoffzustnde liefern gnstige n-Werte. Kaltverfestigungen, auch geringe Verfestigungsgrade, vermindern den n-Wert deutlich. Abgesehen vom Werk-

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, Verformbarkeit

289

stoffzustand wird der n-Wert von der Legierungszusammensetzung und der Korngre beeinflut. Die mathematische Modellierung des Fliegesetzes ermglicht die Extrapolation der Fliekurve ber die Gleichmadehnung des Zugversuchs hinaus, was fr hhere Umformgrade sowie fr FEM-Rechnungen von Verformungsprozessen erforderlich sein kann, s. Bild 6.2.1. Die Zuverlssigkeit der Extrapolation setzt jedoch eine mglichst genaue mathematische bereinstimmung mit der experimentellen Fliekurve voraus. Unter den verschiedenen alternativen, aber gegenber dem Fliegesetz von Ludwik-Hollomon komplexeren Funktionsanstzen hat sich der Ansatz von Voce (Voce 1948) fr Aluminiumlegierungen als besonders geeignet herausgestellt, s. Bild 6.2.2. Bild 6.2.1.a und b zeigt beispielhaft Fliekurven von Walzblechen der Aluminiumlegierungen EN AW-5754-O und EN AW-6016-T4, wobei die Zugproben in drei verschiedenen Orientierungen zur Walzrichtung entnommen wurden. Die Fliekurven wurden mit Hilfe der Ludwik-Beziehung extrapoliert. Wie die Fliekurven in Bild 6.2.1 zeigen, ist das Flieverhalten Orientierungseinflssen in der Blechebene unterworfen, die auf Textureinflu beruhen. Die Intensitt des Orientierungseinflusses ist abhngig von der Legierungszusammensetzung und vom Werkstoffzustand sowie von den Herstellungsbedingungen (Walzen, Strangpressen, Schmieden). Darber hinaus haben Korngre und -form globulitisch, gestreckt oder Fasergefge Einflu auf die Orientierungsabhngigkeit der Fliekurve.

Bild 6.2.1.a

290

6 Mechanische Eigenschaften

Bild 6.2.1.b Bild 6.2.1 Fliekurven von Blechwerkstoffen der Legierungen a) EN AW-5754-0 und b) EN AW-6016-T4 in verschiedenen Orientierungen zur Walzrichtung. Die Fliekurven wurden mit Hilfe der Ludwik-Beziehung extrapoliert (Quelle: Keller, S., Hydro Aluminium Deutschland GmbH)

Bild 6.2.2 Extrapolation der Fliekurve der Blechlegierung EN AW-5754-0 mit den Fliegesetzen von Ludwik, Hockett-Sherby und Voce. Koeffizienten s. Tabelle 6.2.1 (Quelle: Keller, S., Hydro Aluminium Deutschland GmbH)

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, Verformbarkeit

291

Tabelle 6.2.1 Koeffizienten der verschiedenen Fliekurvenextrapolationen in Bild 6.2.2 nach Ludwik, Hockett-Sherby und Voce am Beispiel der Legierung EN AW-5754-O (Quelle: Keller, S., Hydro Aluminium Deutschland GmbH)Legierung Orientierung Ludwik Rp0,2 MPa * K MPa n Hockett-Sherby kf0 MPa kfS MPa m n Voce (modifiziert) kf0 MPa kf1 MPa 1 MPa 0 MPa AlMg3-O/H111 0 zur WR 45 zur WR 90 zur WR < *: Rp0,2; > *: kf = K. n 97 93 95 0,006 0,006 0,006 451,7 432,3 427,7 0,297 0,300 0,293 kf = kfS - (kfS - kf0). exp(-m . n) 89,6 85,9 86,9 275,7 263,9 264,2 12,15 12,09 12,30 0,938 0,948 0,947 kf = kf0 + (kf1 + 1. ). (1 - exp(-0. / kf1)) 91,2 87,0 88,1 140,4 134,4 138,6 193,9 186,0 160,5 2829 2616 2641

Von besonderem Interesse fr die Beschreibung des plastischen Verhaltens ist die sog. senkrechte Anisotropie, r. Sie ist definiert als das Verhltnis der logarithmischen Formnderungen in Breitenrichtung, b, zur Dickenrichtung, t, eines Zerreistabes bei einer bestimmten Lngsdehnung, l , im Bereich der Gleichmadehnung:r= b t

(6.2.7)

In modernen Prfmaschinen kann der r-Wert kontinuierlich oder bei bestimmten Verformungsgraden ermittelt werden. Prfbestimmungen enthlt die Norm ISO 10 113. Bei einem Wert von r = 1 liegt isotropes Verhalten vor. Gut umformbare Aluminiumwerkstoffe liegen meistens in geglhten, rekristallisierten Zustnden vor, haben allerdings in diesen Zustnden rWerte < 1. In diesem Fall ist der Fliewiderstand in Blechdickenrichtung geringer als in Breitenrichtung, wodurch bei Streckziehvorgngen plastische Instabilitt durch Einschnrung begnstigt wird. Der r-Wert ist texturabhngig und ndert sich folglich mit der Orientierung in der Blechebene. Er wird daher sowohl in Walzrichtung (WR, 0), quer zur Walzrichtung (QR, 90) als auch unter 45 zur Walzrichtung ermittelt. Den mittleren r-Wert, rm, erhlt man gem

292rm =

6 Mechanische Eigenschaftenr0 + 2 r45 + r90 4

(6.2.8)

Beispiele fr die Orientierungsabhngigkeit der senkrechten Anisotropie zeigt Bild 6.2.3. Kaltverfestigte Legierungen haben allgemein eine strkere Orientierungsabhngigkeit als Legierungen in weich- oder lsungsgeglhten Zustnden. Allerdings hngt der r-Wert stark von den thermo-mechanischen Parametern des verwendeten Walzprozesses ab und ist deshalb produkt- bzw. herstellerabhngig, vgl. Tabelle A.1.6.

Bild 6.2.3 Senkrechte Anisotropie r in Abhngigkeit von der Orientierung zur Walzrichtung fr verschiedene Legierungen bzw. Werkstoffzustnde. Die r-Werte wurden bei der jeweiligen Gleichmadehnung ermittelt. WR = Walzrichtung, QR = quer zur Walzrichtung

Allgemein ist ein mglichst hoher und gleichmiger r-Wert in der Blechebene fr gutes Umformverhalten vorzuziehen. Die Hhe und Verteilung des r-Wertes in der Blechebene hat Auswirkungen auf die Form der Flieortkurve und kann zur groben Bestimmung der Flieortkurve herangezogen werden. Bei greren r-Wertunterschieden bilden sich beim Tiefziehen von Npfen Zipfel und mebare Schwankungen in der Wanddicke aus. Die Variation des r-Wertes in der Blechebene wird als ebene Anisotropie, r, bezeichnet und ausgedrckt durch:

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, Verformbarkeit

293

r =

r0 2 r45 + r90 2

(6.2.9)

Die ebene Anisotropie r kann positive oder negative Werte annehmen, wodurch die Lage der Zipfel zur Walzrichtung bestimmt wird. Nheres hierzu s. einschlgige Fachliteratur, z.B. (Phlandt et al. 1990, Knig et al. 1995). Tabelle A.1.6 (Anhang) enthlt r-, rm- und r-Werte sowie die zugehrigen charakteristischen Werte der Fliekurven von einer Reihe verschiedener Aluminiumblechlegierungen.Verfestigungsverhalten

Verformungsverfestigung ist das Ergebnis von Versetzungsmultiplikation und der Anordnung der Versetzungen in bestimmten Strukturen. Mit der Zunahme der Versetzungsdichte und der Reaktion der Versetzungen untereinander wird der Fliewiderstand erhht, gleichzeitig kommt es zu energetisch gnstiger Anordnung und gegenseitiger Auslschung von Versetzungen, was sich in einer Abflachung der Fliekurve uert. Der Verfestigungsproze wird daher zunehmend berlagert von einem dynamischen Erholungsproze, s. a. Abschn. 3.1. ber die Evolution des Gefges im Verlauf der Fliekurve von unlegiertem und niedriglegiertem Aluminium gibt es relativ gesicherte Vorstellungen, mit denen mathematische Modellierungen entwickelt werden konnten (Zehetbauer 1993, Nes et al. 2002). In Reinaluminium arrangieren sich bereits bei geringen Verformungsgraden die Versetzungen in einer Zellstruktur mit diskreter Zellgre und Versetzungsdichte der Zellwnde sowie mit einer geringen Versetzungsdichte im Zellinneren, s. a. Bild 3.1.6. Die Bildung von Versetzungszellen wird durch Quergleiten von Versetzungen begnstigt, das bei Aluminium aufgrund seiner hohen Stapelfehlerenergie besonders ausgeprgt ist. Mit zunehmender Verformung verringert sich die Zellgre, die Versetzungsdichte im Zellinneren nimmt zu, bis durch dynamische Erholung ein Sttigungszustand eintritt. Im weiteren Verlauf erhht sich die Versetzungsdichte der Zellwnde und die Miorientierung zwischen den Zellen nimmt bis zu einem Sttigungswert von 34 zu. Schlielich wandeln sich die Zellwnde in konkrete Subkorngrenzen um. Der spezifische Vorgang der Umwandlung von Zellwnden in Subkorngrenzen ist umstritten, wird aber vermutlich durch Versetzungsklettern gesteuert, das durch die Zunahme der Leerstellendichte begnstigt wird. Abhngig von der Art der Kaltverformung bildet sich bei hohen Verformungsgraden eine diskrete Verformungstextur heraus. Durch Zulegieren von substitutionsmischkristallbildenden Elementen, z.B. in AlMg-Legierungen, wird das Verfestigungsverhalten deutlich ver-

294

6 Mechanische Eigenschaften

ndert, s. Bild 3.2.4. Verantwortlich hierfr ist eine Reihe von Faktoren. Als wichtigste werden die Bremswirkung der gelsten Fremdatome auf die Versetzungsbewegung, die Verringerung der freien Weglnge der Versetzungsbewegung und das planare Gleitverhalten trotz hoher Stapelfehlerenergie angesehen, wodurch gleichzeitig der dynamische Entfestigungsproze erschwert wird, Nheres s. Abschn. 3.1.2. In Gegenwart von Sekundrausscheidungsphasen hngt das Verfestigungsverhalten stark vom Kohrenzgrad und der Stabilitt der Partikel ab (Cheng et al. 2003). Bei vollstndiger Kohrenz (Cluster und GP-Zonen bei der Kaltaushrtung oder bei unvollstndiger Warmaushrtung) schneiden Versetzungen die Ausscheidungszonen in der Gleitebene und vernichten dadurch deren blockierende Wirkung. Das Verfestigungsvermgen sollte dadurch abnehmen, was aber im Gegensatz zu dem tatschlich beobachteten hohen Verfestigungsvermgen nach Kaltaushrtung (T4-Zustand) steht. Deshalb wird vermutet, da bei der plastischen Verformung eine dynamische Ausscheidung an Versetzungen verursacht wird, die deren Bewegung behindert und auerdem die dynamische Entfestigung unterbindet (Deschamps et al. 1999). Im Kaltaushrtungszustand bzw. bei Teilaushrtung ist auerdem noch ein deutlicher Grad an bersttigung gelster Fremdatome vorhanden, wodurch der Fliewiderstand erhht wird. Mglicherweise kann neben dem Versetzungsschneiden der Aushrtungszonen auch die Bindung von eingeschreckten Leerstellen an Cluster und GP-Zonen ein mehr planares Gleitverhalten erzeugen, s. Abschn. 3.1.2, Abschn. Versetzungszellen. Die Folge dieser Einflsse ist ein hohes Verfestigungsvermgen sowie eine hohe Gleichmadehnung im Zustand T4. Mit zunehmendem Aushrtungs- und Entmischungsgrad nehmen diese Einflsse ab. Im vollwarmausgehrteten Zustand (T6) ist das Verfestigungsvermgen am geringsten, obwohl die Ausscheidungsphasen noch schneidfhig sind. Mit dem teilweisen oder vollstndigen Verlust der Kohrenz bei beralterung (Zustand T7) wird der bersttigungsgrad des Mischkristalls gering. Dadurch wird das Quergleitverhalten begnstigt, was wiederum dazu beitrgt, da Versetzungen die Ausscheidungspartikel nun leichter umgehen knnen. Dieser Vorgang erzeugt zunchst eine grere Versetzungsdichte, und der Fliewiderstand erhht sich im frhen Stadium der Verformung, aber das Verfestigungsvermgen nimmt bei weiterer Verformung infolge des frhzeitigeren Einsetzens von dynamischer Entfestigung ab (Dumont et al. 2003). Ein Anzeichen hierfr ist die hufig berproportionale Abnahme der Zugfestigkeit im Verhltnis zur 0,2%Dehngrenze im Bereich der berhrtung. Typisch fr die Zunahme der dynamischen Entfestigung in berhrtetem Material ist auch die verringerte Gleichmadehnung, was durch einen

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, Verformbarkeit

295

Vergleich der Spannungs-Dehnungskurven in Bild 6.2.4 deutlich wird und sich auch in dem niedrigeren Verfestigungsexponenten n in Bild 6.2.5 widerspiegelt. Die deutliche Zunahme der Brucheinschnrung Z bzw. der

Bild 6.2.4 Einflu von Teilaushrtung (Zustand T64), Vollaushrtung (Zustand T6) und berhrtung (Zustand T7X) auf die Spannungs-Dehnungskurve fr AlMgSi0,5 (6060)-Legierungen. Whrend im Verlauf der Aushrtung die Brucheinschnrung zunimmt, verringern sich Gleichmadehnung und Bruchdehnung

Bild 6.2.5 Einflu des Aushrtungsverlaufs auf die Abhngigkeit der wahren Bruchdehnung Br und des Verfestigungsexponenten n von der 0,2%-Dehngrenze bei der Legierung 7075. Rundproben in Walzrichtung aus 35 mm dicken Walzplatten (Ostermann 1975)

296

6 Mechanische Eigenschaften

wahren Bruchdehnung Br bei beralterung steht in Gegensatz zum Verhalten der Gleichmadehnung oder des Verfestigungsvermgens. Verglichen bei gleicher 0,2%-Dehngrenze nimmt die Duktilitt durch berhrtung gegenber dem kalt- bzw. teilausgehrtetem Werkstoffzustand erheblich zu. Hierbei handelt es sich um ein generelles Verhalten von aushrtbaren Legierungen, wie die Bilder 6.2.5 bis 6.2.7 zeigen. Die hhere Duktilitt von berhrtetem Material als Folge der frhzeitig einsetzenden und verstrkten dynamischen Entfestigung wird jedoch begleitet durch eine plastische Instabilitt, d.h. die Verformung konzentriert sich zunehmend auf kleinere Materialbereiche (nicht zu Verwechseln mit Dehnungslokalisierung in Gleitbndern) bis zum Eintritt des Bruchs. Man erkennt dieses Verhalten deutlich an der Spur der Melngenmarkierung auf der Probe D der beralterten Torsionsprobe aus Legierung EN AW-7075 in Bild 6.2.8. Die vorstehende Betrachtung der Verfestigungs- und Entfestigungsvorgnge bei der plastischen Verformung und ihre Abhngigkeit vom vorliegenden Feingefge ist die Grundlage fr die richtige Wahl des Werkstoffzustands fr die Kaltumformung, aber auch fr das Verstndnis des Versagensverhaltens bei quasi-statischer, dynamischer und schwingender Beanspruchung. Die Behinderung des Quergleitmechanismus in AlMgLegierungen oder in kalt- bzw. teilausgehrteten Legierungen frdert die Lokalisierung der Verformung in Gleitbnder und verzgert das Eintreten dynamischer Erholung. Die Folgen sind ein strkeres Verfestigungsvermgen und eine hhere Gleichmadehnung. Umgekehrt verringert ver-

Bild 6.2.6 Einflu von Aushrtung und berhrtung auf die Brucheinschnrung der Legierung AA6061 (AlMgSiCu) im Zugversuch; aus Daten von (Liu et al. 2004)

6.2 Fliekurve, Verfestigung, Anisotropie, Verformbarkeit

297

Bild 6.2.7 Brucheinschnrung Z = (F0 F)/F0 in Abhngigkeit von der 0,2%Dehngrenze bei Kalt- und Warmaushrtung der Legierung AA6111, gemessen im Zugversuch an 1 mm dicken Blechproben. Punktierte Linien deuten eine lineare Skalierung fr den jeweiligen Aushrtungsbereich an. Nach D.J. Lloyd (Lloyd 2003)

Bild 6.2.8 Torsionsproben (Melnge 120 mm, Durchmesser 7 mm) aus Walzplatten der Legierung EN AW-7075 in unterschiedlichen Aushrtungszustnden. A: teilausgehrtet bei 120 C (~T63), B: voll ausgehrtet bei 120 C (~T6), C: leicht berhrtet durch Stufenaushrtung 120/175C (~T79), D: stark berhrtet durch Stufenaushrtung 120/175 C (~T73). max entspricht der Vergleichsdehnung beim Probenbruch

298

6 Mechanische Eigenschaften

strktes Quergleitverhalten das Verfestigungsvermgen, und der Proze der dynamischen Entfestigung beginnt frhzeitiger. Als Folge tritt lokal plastische Instabilitt mit diffuser Dehnungskonzentration (Einschnrung) ein, und die Duktilitt (definiert als Brucheinschnrung) nimmt zu.

6.3 Bruchvorgang und BruchverhaltenDas allgemeine Bruchverhalten von Aluminium und seinen Legierungen entspricht dem fr Metalle mit kfz-Gitter typischen duktilen Verhalten, d.h. der Bruchvorgang erfolgt nach einer plastischen Verformung und verluft transkristallin. Die plastische Verformung kann zuvor das Gesamtvolumen erfassen oder unmittelbar vor dem Bruch in einer starken Lokalisierung auftreten. Transkristalliner sprder Spaltbruch tritt bei Aluminium wie bei den meisten Metallen mit kfz-Gitter unabhngig von der Temperatur nicht auf. Verformungsarmer, sprder Bruch kann bei stark heterogenem Gugefge auftreten, ist aber bei Knetlegierungen ausnahmslos auf interkristalline Bruchform oder Bruchanteile zurckzufhren und beruht in der Regel auf vermeidbaren Anomalien des Gefges, z.B. infolge von groben Korngrenzenausscheidungen, ausgeprgten ausscheidungsfreien Korngrenzensumen, Spannungsrikorrosionsempfindlichkeit, Bleisprdigkeit oder Lotbrchigkeit (Jiang et al. 2003, Deschamps et al. 2001). Zwischen den duktilen verformungsreichen und verformungsarmen Bruchformen gibt es jedoch gleitende bergnge, die neben der Legierungsfestigkeit von zahlreichen Einflufaktoren bestimmt werden. Im konkreten Fall ist das Bruchverhalten der Aluminiumwerkstoffe daher ein sehr komplexes Thema, da die vorablaufenden plastischen Prozesse, der Bruchvorgang selbst und der Energieverzehr beim Rifortschritt (Bruchzhigkeit) von zahlreichen Einflufaktoren abhngig sind: vom Spannungs- und Dehnungszustand, von Temperatur und Verformungsgeschwindigkeit, von der Zusammensetzung sowie vom Makro- und Mikrogefge und vom Verfestigungs- bzw. Aushrtungszustand.

Bei ungnstigem Zusammenwirken dieser Faktoren kann ein quasisprder, verformungsarmer Bruch auftreten. Aus anwendungstechnischer Sicht wird blicherweise ein verformungsreicher, energieverzehrender Bruch gefordert. Sicherheitsteile z.B. im Fahrwerksbereich mssen Mibrauch durch globale Verformung ertragen knnen und nicht durch sprdes Bruchverhalten versagen. Die Kenntnis der vorstehenden Einflufaktoren auf das Bruchverhalten hat daher Bedeutung sowohl fr die

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

299

Formgebung und Verarbeitung als auch fr die Anwendung und das Einsatzverhalten von Aluminiumbauteilen. Im folgenden wird zunchst eine bersicht ber die wichtigsten makroskopischen und mikroskopischen Phnomene des Gewaltbruchs von Aluminiumlegierungen gegeben, die beim einachsigen Zugversuch auftreten und mit Legierungen, Gefge und Zustand in Zusammenhang gebracht werden. Der Zugversuch ist die wichtigste praktische mechanische Werkstoffprfung und die auftretenden Erscheinungen knnen zumindest qualitativ auf andere Beanspruchungsarten, z.B. auf den Biegevorgang oder die Blechverformung, bertragen werden. Das mechanische und Bruchverhalten unter mehrachsigen Spannungszustnden sowie unter erhhten Beanspruchungsgeschwindigkeiten wird in den Abschn. 6.5 bzw. 6.7 beschrieben. Das Bruchverhalten aus der Sicht der quantitativen, linear-elastischen und elastisch-plastischen Ribruchmechanik wird nur am Rande behandelt und geht ber den vorgesehenen Rahmen des Buches hinaus.Makroskopische Bruchphnomene

Makroskopisch kann das Bruchverhalten der Aluminiumwerkstoffen nach verschiedenen Bruchtypen unterteilt werden, die sich in unterschiedlichen Bruchflchenausbildungen an Zerreiproben im normalen einachsigen Zugversuch darstellen, deren grundstzliche Merkmale aber auch bei anderen quasi-statischen Bruchzhigkeitsuntersuchungen auftreten. Die verschiedenen Brucharten sind schematisch in Bild 6.3.1 dargestellt: Typ A ist der klassische duktile Trennbruch, der sog. Trichter- oder Tassen-Kegel-Bruch (Cup-and-cone fracture), und wird berwiegend an Rundproben mit deutlicher Einschnrzone beobachtet. Dieser Einschnrbruch ist makroskopisch gekennzeichnet durch eine innere rauhe Bruchflche senkrecht zur Zugrichtung (Richtung der Hauptnormalspannung), umgeben von glattflchigen Scherlippen mit ca. 45 Neigung zur Zugrichtung (Richtung der maximalen Schubspannung). Der Anri beginnt in Probenmitte der Einschnrzone und breitet sich radial aus. Als auslsendes Bruchkriterium wird gemeinhin die maximal ertragbare Normalspannung angenommen. Die Bildung des Scherlippenrandes unterliegt einem maximalen Schubspannungskriterium. Beim Tassen-Kegelbruch handelt sich also um einen Mischbruch, der charakteristisch fr niedrig legierte und sehr reine Werkstoffe sowie fr warmausgehrtetes und berhrtetes Material mit handelsblicher Reinheit ist, s. Bild 6.3.5. Typ B ist der Scherbruch mit ca. 45 Neigung der Scherbruchflche zur Probenachse. Dieser Bruchtyp entsteht hufig bei dnnwandigen Proben

300

6 Mechanische Eigenschaften

und nach nur schwacher Einschnrung. Als Bruchkriterium wird die maximal ertragbare Schubspannung zugrunde gelegt. Der Scherbruch ist typisch fr das Verhalten von mittelfesten naturharten und von kaltausgehrteten bzw. teilausgehrteten Legierungen, s. Bilder 6.3.9 und 6.3.12. Typ C entsteht infolge nahezu vollstndiger Abgleitung bzw. Einschnrung und beschrnkt sich auf Reinstaluminium oder sehr reine, niedrig legierte Werkstoffe. Typ D ist charakteristisch fr sprdes Bruchverhalten mit geringer Dehnung und hchstens geringfgiger Einschnrung. Dieser Bruchtyp tritt hufig bei sehr heterogenen Gulegierungen auf oder bei Walzplatten aus hochfesten Legierungen in Dickenrichtung (ST-Richtung). Der Bruchtyp D ist ein Extremfall des normalen Trennbruchs, Typ A.

Bild 6.3.1 Schematische Darstellung der bei Aluminiumknetlegierungen und Gulegierungen vorkommenden Brucharten. Typ A: Normalbruch (Tassen-Kegelbruch), Typ B: Scherbruch, Typ C: Abschnrbruch, Typ D: Sprdbruch

Der duktile Trennbruch wird durch eine lokale Einschnrung des Materialquerschnitts eingeleitet. Die Einschnrung beginnt in der Zugprobe bei Hchstlast und wird durch eine rtliche geometrische oder bei technischen Werkstoffen durch eine werkstoffliche Inhomogenitt ausgelst (Considre 1885, Havner 2004). Nach einem Vorschlag von Considre aus dem Jahre 1885 beginnt die Einschnrung von Zugproben, wenn die Verfestigung w/d den Wert der Fliespannung w (wahre Spannung, kf) erreicht (s. Abschn. 6.2, Gl. (6.2.6a) w/d = w ). Eine geringfgige geometrische oder werkstoffliche Inhomogenitt fhrt dann zu einer plastischen Instabilitt, da das Verfestigungsvermgen die Querschnittsminderung nicht mehr ausgleicht.

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

301

Lokalisierung der plastischen Verformung als Vorstufe zum duktilen Bruch

Der duktile Trennbruch durchluft mehrere Stadien. Der Ausgangspunkt ist bei Beginn der Einschnrung die Lokalisierung der plastischen Verformung, die auf unterschiedlichen Skalierungsebenen entstehen kann: auf der mikroskopischen Skala als kristallographisch orientierte Gleitbnder in einzelnen Krnern, auf der makroskopischen Skala als Scherband ber mehrere Krner und Kornlagen hinweg. Bild 6.3.2 zeigt grobe Gleitstufen an der Oberflche der hochfesten Legierung EN AW-7075 auf Reinstbasis und in handelsblicher Reinheit. Die Orientierung der intensiven Scherbnder ber grere Materialquerschnitte hinweg mu nicht explizit mit der kristallographischen Natur der individuellen Krner in Beziehung stehen, sondern wird durch die makroskopischen Gesetze der Mechanik (Schmidsches Schubspannungsgesetz) gesteuert. Die Entwicklung solcher Scherbnder wurde an AlMg-Werkstoffen von Korbel et al. eingehend untersucht (Korbel et al. 1986-a, Korbel et al. 1986-b).

a)

b)

Bild 6.3.2 Lokalisierung von Verformung (Gleitstufen und Scherbnder) in der Einschnrzone von zuvor chemisch polierten Zerreiproben aus Legierung AlZn5,5MgCu-TMT (7075) in zwei Reinheitsvarianten. a) Legierung auf Reinheitsbasis 99,99%, b) technische Legierung (Probenachse vertikal) (Ostermann 1975)

Lochbildung und Lochwachstum

Die Bildung grober Gleitbnder hngt urschlich mit dynamischer Entfestigung zusammen (s. Abschn. 6.2) und hat in technischen Legierungen ihren Ursprung an eingebetteten intermetallischen Phasen, die durch die Verformung der umgebenden Matrix zertrmmert werden oder deren Bindung zur Matrix aufgebrochen werden. Hierunter zhlen die grberen Primr-

302

6 Mechanische Eigenschaften

phasen (140 m) und die feineren Sekundrphasen bzw. Dispersionsphasen (20 nm0,2 m). Die sprden Primrphasenpartikel brechen je nach Gre, Art und Form bereits bei geringer Kaltverformung. Untersuchungen haben gezeigt, da bereits nach 5 bis 10 % Verformung etwa 40 bis 50 % aller Primrphasenpartikel in ausgehrteten Legierungen fragmentiert sind, wobei die grberen bereits nach 1 bis 2 % Verformung gebrochen sind (Stone et al. 1974). Fr die Intensitt des Partikelbruchs spielen die Legierungsart und -festigkeit eine Rolle. Nach neueren Vorstellungen wird der Schdigungsproze durch die Matrixfestigkeit bestimmt: bei weichen, niedrig festen Legierungen findet hauptschlich eine Trennung der Bindung Partikel/Matrix statt, dagegen bei mittel- und hochfesten Legierungen berwiegend ein Bruch der sprden Partikel (Balasundaram et al. 2003, Franciosi et al. 2004). Durch weitere Verformung kommt es in beiden Fllen zur Bildung von Hohlrumen und zu deren Wachstum. Das laterale Wachsen der Hohlrume wird durch einen mehrachsigen Spannungszustand z.B. im Kern der Einschnrzone einer glatten Zugprobe, im Einflubereich von Kerbspannungen oder vor einer Rifront beschleunigt. Bei einer ungekerbten oder schwach gekerbten Zugprobe beginnt die Lochbildung daher in Probenmitte, wo sich innerhalb der Einschnrzone ein hydrostatischer Zugspannungszustand ausbildet. Die Hohlraumbildung beginnt bei den grbsten Partikeln bzw. der grten Partikelanhufung. Danach folgt eine Auswahlphase, bei der die jeweils grte Schdigung durch das Partikelfeld fortschreitet und sich die Hohlrume zum Trennbruch vereinigen. Je grber diese intermetallischen Phasen vorliegen, desto grer sind die Lochdurchmesser und um so frher beginnt das Reien der dazwischen liegenden Ligamente. Das Reien der Ligamente geschieht bei duktilen Werkstoffen durch Abschnren, bei hochfesten, weniger duktilen Legierungen auch durch Abscheren entlang von Gleitebenen, wodurch das Lochwachstum bei weiterer Dehnungszunahme gestrt wird, und der Bruch vorzeitig einsetzt. Als kritische Faktoren fr das Lochwachstum haben sich weiterhin die Form und die Art der Verteilung der Partikel erwiesen. Die Brucheinschnrung ist daher nicht nur vom Volumenanteil an intermetallischen Fremdphasen, sondern auch von der Anordnung und Grenverteilung und insbesondere von der Zahl der grbsten Partikel im kritischen Probenquerschnitt abhngig. Durch die jeweiligen Warm- und Kaltumformprozesse bei der Halbzeugherstellung sind die aus der Erstarrungsseigerung stammenden Primrphasen zeilenfrmig gestreckt, s. Beispiel in Bild 6.3.3. Die unterschiedliche Anordnung dieser Phasen in den Orientierungsrichtungen des Halbzeugs oder Bauteils ist Ursache fr eine Anisotropie der Bruchdehnungs- und Brucheinschnrungswerte in Lngs- (L-), Quer- (T- bzw. TL- oder LT-) und Kurzquer- (ST-) Richtung.

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

303

Bild 6.3.3 Lngsschliff durch den Faserverlauf eines Schmiedeteils aus Legierung EN AW-6082-T6 mit zeilenfrmiger Anordnung von AlFeSi und Mg2Si Primrphasen

Mikroskopisch ist fr den duktilen Bruch die Waben- oder Grbchenstruktur der Bruchflche charakteristisch, s. Bild 6.3.4a, die makroskopisch ein rauhes Bruchbild ergibt. Am Grunde der einzelnen Waben kann man die lochbildenden, z.T. fragmentierten Phasenpartikel erkennen, Bild 6.3.4b.

a)

b)

Bild 6.3.4 Stereoelektronenmikroskopische (REM) Aufnahme des duktilen Wabenbruchs an Zerreiproben aus einem Schmiedeteil der Legierung EN AW-6082T6. Im Innern der Waben sind die teilweise zertrmmerten intermetallischen Primrphasenpartikel erkennbar

Die Grbchengre ist kennzeichnend fr die Gre der Fremdphasenpartikel, aber auch fr die Duktilitt der Matrix und die Bruchart. Feinere, flache und gestreckte Grbchen charakterisieren den Scherbruch von Scherbndern, da bei der Hohlraumbildung die hydrostatische Komponente gering ist. Sehr feine, etwa 1 m groe Grbchen ergeben sich beim

304

6 Mechanische Eigenschaften

Bruch von Gleitebenen und Gleitbndern auf kristallographisch orientierten Bruchflchen. Bild 6.3.5 zeigt einen solchen Fall bei der hochreinen und hochfesten Legierung X7075-T6. Gegenber den technisch reinen Qualitten ist die Wabenstruktur der Bruchflche um mehr als eine Grenordnung feiner (Grbchendurchmesser zwischen 0,5 und 1 m) und wird wahrscheinlich durch die Lochbildung der wesentlich feineren Dispersionsphasen (z.B. Al6Mn, Al7Cr und Al3Zr) bestimmt.

a)

b)

Bild 6.3.5 Hochreine und hochfeste Legierung X7075-T6. a) Gleitbandri an der Oberflche in der Nhe der Scherlippe einer Zerreiprobe (Lichtoptische Aufnahme). b) Feine Wabenbildung auf den Scherbruchflchen (REM Aufnahme) (Ostermann 1975)

Mittel- und hherfeste Aluminiumwerkstoffe mit erheblichen Korngrenzenausscheidungen z.B. bei hher legierten AlMgSi-Legierungen nach unzureichender Abkhlung von der Lsungsglhtemperatur neigen zu einem Mischbruch mit transkristallinen und interkristallinen Bruchanteilen. Fraktographisch zeichnen sich auf der Bruchflche neben duktiler Wabenstruktur Ausscheidungsphasen auf den glatten Korngrenzenflchen ab, vgl. Bild 6.3.6.a und b. Bei hochfesten, warmausgehrteten Legierungen und nach berhrtung nimmt die Neigung zu Korngrenzenbruch zu, s. Bild 6.3.6.c. Mit zunehmendem interkristallinem Bruchanteil wird die Brucheinschnrung eingeschrnkt. Ausscheidungsfreie Zonen (AFZ, s. Abschn. 3.1.6) an Korngrenzen begleiten meistens den Proze der Korngrenzenausscheidung bei aushrtbaren Legierungen und erhhen ebenfalls den interkristallinen Bruchanteil. Man findet fraktographisch eine sehr feine flache Wabenstruktur auf den

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

305

a)

b)

c)

Bild 6.3.6 Stereoelektronenmikroskopische Aufnahmen typischer Bruchflchen von duktilen und sprden Werkstoffzustnden: a) duktiler, fast vollstndig transkristalliner Wabenbruch (AlMg1Si0,5Mn0,5-T6), b) verformungsarmer Mischbruch mit transkristallinen und interkristallinen Anteilen (AlMg1Si0,5-T6), c) verformungsarmer Mischbruch mit hohen interkristallinen Anteilen (hochfeste Legierung EN AW-7075-T6) (Quelle der Bilder a. und b. Scharf et al. 1982)

Korngrenzen, s. Bild 6.3.7, hnlich wie beim Gleitbandbruch. Es handelt sich hierbei um einen grundstzlich duktilen, jedoch wegen des geringen Verformungsvolumens um einen energiearmen Bruchvorgang, der sich auch negativ auf die Verformbarkeit und die Zhigkeitseigenschaften auswirkt. Die negative Wirkung ausscheidungsfreier Zonen ist um so grer, je schmaler die Zone und je hrter die Kornmatrix ist. Demnach wirkt sich eine ungengende Abschreckung nach der Lsungsglhung besonders negativ auf das Bruchverhalten bei maximaler Warmaushrtung (T6 Zu-

Bild 6.3.7 Duktiler Korngrenzenbruch entlang ausscheidungsfreier Zonen bei Mn-freier AlMg1Si0,5-T6 Legierung. Das Material fr die verwendeten Kerbschlagproben wurde lsungsgeglht und an Luft abgekhlt, wodurch ein relativ breiter ausscheidungsfreier Saum entlang der Korngrenzen entsteht (Scharf et al. 1982)

306

6 Mechanische Eigenschaften

stand) aus. Bei starker berhartung (T7 Zustand) nimmt die Matrixhrte ab, und die Dicke der ausscheidungsfreien, weichen Korngrenzenzonen zu, was zusammengenommen die Brucheinschnrung verbessert, s. Bilder 6.2.4 bis 6.2.7 in Abschn. 6.2. Der interkristalline Bruchanteil verringert sich dadurch tendenziell, ist aber deutlich hher als im teilausgehrteten Zustand bei gleicher Streckgrenze. Der bei Aluminiumlegierungen untypische sprde, verformungslose Bruch ist meistens gekennzeichnet durch vollstndig interkristalline Bruchverlufe. Ein Beispiel fr diese Versagensart ist der Spannungsrikorrosionsbruch von Legierungen der Gattung AlZnMg(Cu), bei dem die Kohrenz der Krner durch die gleichzeitige Wirkung von Zugspannungen und eindiffundierendem Wasserstoff aufgehoben wird. Bild 6.3.8 stellt einen solchen interkristallinen Bruch von einer SpRK-empfindlichen, hochreinen AlZnMg-Variante dar.

Bild 6.3.8. Verformungsloser interkristalliner Sprdbruch bei AlZn5Mg3 (Basis Al99,9) als Folge von Spannungsrikorrosion) (Quelle: B. Grzemba, VAW aluminium AG, Bonn)

Der Einschnrbruch

Der Einschnrbruch, Typ A in Bild 6.3.1, entsteht durch Bildung, Wachstum und Koaleszenz der Hohlrume, d.h. durch Einschnren oder Abscheren der Matrixligamente zwischen den Hohlrumen. Die dadurch rauh bis faserig erscheinende Bruchflche verluft senkrecht zur Hauptnormalspannung. Die Bildung der Scherlippen beim Tassen-Kegel-Bruch geschieht in dem Moment, in dem sich ausgehend von dem inneren Trennbruch intensive Scherbnder unter ca. 45 Neigung bilden, einen kritischen Wert der Schubspannung berschreiten und unter der Wirkung der Normalspan-

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

307

nungskomponente aufreien. Der kritische Dehnungsbetrag fr das Auslsen des Scherbruchs ist abhngig vom Werkstoffzustand und Gefge sowie von geometrischen Einflssen und vom Spannungszustand. Der Einschnrbruch kennzeichnet den duktilen Trennbruch und herrscht bei hherfestem, warmausgehrtetem und berhrtetem Material (Legierungen der Gruppen 2xxx, 6xxx, 7xxx) vor. Charakteristisch ist die Lochbildung an sprden Fremdphasen, sowie Lochwachstum und Koaleszenz. Bei der Warmaushrtung und berhrtung erreicht das Verfestigungsvermgen ein Minimum. Nach (Tetelmann et al. 1967) begnstigt geringes Verfestigungsvermgen das Lochwachstum. Geringere Phasenanteile und Partikelgren, gleichmige Verteilung sowie groe Partikelabstnde verbessern die Brucheinschnrung. Bei hochfesten, voll warmausgehrteten Legierungen (T6 Zustand) wird das Lochwachstum durch Gleitbandbruch der Matrixligamente zwischen den Hohlrumen begrenzt. Auch interkristalline Bruchanteile wirken sich beim Einschnrbruch aus und reduzieren die Brucheinschnrung. Der quantitative Wert der Brucheinschnrung reagiert bei vergleichbarer Legierungsfestigkeit und Zustand sensibler auf die Qualitt der Gefgeausbildung als die Bruchdehnung. Problematisch fr die Aussagekraft der Brucheinschnrung ist, da der Energieverzehr beim Einschnrbruch sehr unterschiedlich ausfallen kann. Korngrenzenbruch erfolgt je nach Anteil und Art (vgl. Bilder 6.3.6 und 6.3.7) energiearm und wird durch den Wert der Brucheinschnrung nur ungengend angezeigt. Auch der Gleitbandbruch ist energiearm. Auerdem frdert ein mehrachsiger Spannungszustand den interkristallinen Bruchanteil (Pardoen et al. 2003) und evtl. auch den Gleitbandbruchmodus. So ist es mglich, da trotz normgerechter Bruchdehnung, befriedigender Gleichmadehnung und deutlich vorhandener Einschnrung der Energieverzehr des eigentlichen Bruchvorgangs gering ist und der Rifortschritt in einem Konstruktionsbauteil verformungsarm bis sprde verlaufen kann. Der Grund ist, da der Energieverzehr des lokalen Bruchvorgangs durch die Gre der plastischen Zone an der Rifront bestimmt und dadurch in seiner Wirkung beim Rifortschritt vervielfacht wird (Zehnder et al. 2000). Bessere Auskunft ber den Energieverzehr beim Gewaltbruch gibt daher die Messung eines Bruchenergiewertes, z. B. durch einen Schlagbiegeversuch oder Kerbschlagbiegeversuch (Scharf et al. 1982), den Aufreiversuch (Navy Tear Test nach Kahn), s. Bild 6.3.15, oder auch linearelastische (KIc, Kc) und elastisch-plastische Bruchzhigkeitswerte, z.B. die Messung des J-Integrals, letztere allerdings mit einem hheren Prfaufwand. Die Rizhigkeit, KIc, von 2xxx und 7xxx Legierungen ist bei vergleichbarer 0,2%-Dehngrenze hher fr teilausgehrtete Zustnde als fr berhrtete Zustnde (Develay 1972), in denen diese Legierungen eine

308

6 Mechanische Eigenschaften

deutliche Tendenz zu interkristallinen Bruchanteilen haben (Rosenfield et al. 1973). Dieses Verhalten wrde sich nicht als Schlufolgerung aus den hheren Brucheinschnrungswerten im T7 Zustand ableiten lassen, vgl. z.B. Bild 6.2.5 in Abschn. 6.2. Im Gegensatz zu warmausgehrteten Legierungen haben kaltausgehrtete Legierungen weniger Korngrenzenausscheidungen und geringere Neigung zu interkristallinen Bruchanteilen. Sie sind auch aus diesem Grunde duktiler bzw. besitzen eine hohe Rizhigkeit.Der Scherbruch

Der Scherbruch, Bild 6.3.9, bei Zugproben unter 45 wird ebenfalls durch Lochbildung und Lochwachstum ausgelst, die sich nach dem Beginn der Einschnrung durch Lokalisierung der Verformung in einem kritischen Scherbandbereich entwickeln (engl. void sheeting) (Sarkar et al. 2004, Bron et al. 2004). Allerdings sind gegenber dem duktilen Trennbruch bei vergleichbaren Fremdphasenanteilen und Grenverteilungen der Partikel die Lcher kleiner und in Abscherrichtung teilweise elliptisch ausgezogen. Die geringere Wabengre ist vermutlich mit dem geringeren hydrostatischen Spannungszustand und mit der Lokalisierung der Verformung in dem relativ schmalen kritischen Scherband zu erklren.

Bild 6.3.9 Scherbruch einer Zugprobe aus 2mm dickem Blech der Legierung AA6111-T4. Die Probe wurde getzt, um die Scherbandbildung im Korngefge sichtbar zu machen (Quelle: Sarkar et al. 2004)

Der Scherbruch ist typisch fr das Versagen von mittelfesten naturharten AlMg-Legierungen, z.B. EN AW-5754-0 und EN AW-5182-0, sowie von kaltausgehrteten bzw. teilausgehrteten Legierungen und entsteht nach vergleichsweise hoher Gleichmadehnung, Ag, die in diesen Fllen auf behinderte dynamische Entfestigung zurckgefhrt wird (s. Abschn.

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

309

6.2). Nachdem die Gleichmadehnungsgrenze berschritten ist und die Einschnrung beginnt, setzt dynamische Entfestigung ein und es kommt zur Bildung von groben Gleitbndern und von Scherbndern. Bei AlMgLegierungen werden durch dynamische Reckalterung (PLC-Effekt, s. Abschn. 3.2.3) diffuse Scherbnder ber dem Probenquerschnitt ausgelst, die als werkstoffliche und geometrische Inhomogenitt den Einschnrvorgang und gleichzeitig den Scherbruch einleiten. Das durch hohe Gleichmadehnung gekennzeichnete hhere Verfestigungsvermgen hemmt zudem Lochwachstum und -koaleszenz (Tetelmann et al. 1967), wodurch das Scherbruchkriterium als Bruchkriterium bevorzugt wird. Auerdem haben kaltausgehrtete Legierungen eine geringere Neigung zu interkristallinem Bruch als warmausgehrtete. Diese Merkmale erklren, da bei aushrtbaren Legierungen im T6- und T7-Zustand der Tassen-Kegel-Bruch, jedoch im T4-Zustand und bei mittelfesten AlMg-Legierungen der Scherbruch vorherrschen. Bei geringerem Volumenanteil von Fremdpartikeln, z.B. in Legierungen mit reinerer Metallbasis, tritt bei niedrig legierten Werkstoffen der Bruch als eine vollstndige Abgleitung bzw. als Tassen-Kegelbruch mit hoher Einschnrung ein (Sarkar et al. 2001). Bei aushrtbaren Legierungen im Zustand T4, z.B. 2024-T4, ist weniger das geringere Partikelvolumen als der grere Partikelabstand fr die verbesserte Duktilitt magebend, wodurch ein greres Lochwachstum mglich ist, bevor Koaleszenz durch Abschnren oder Mikroscherbruch einsetzt (Nakai et al. 2000). In jedem Fall wird auch in Legierungen mit Scherbruchmodus durch geringere Anteile an Fremdphasen die Duktilitt und Bruchzhigkeit verbessert, s. z.B. (Staley et al. 1977).bergang vom Normalbruch zum Scherbruch

Wenn auch vorstehend die Zuordnung der beiden Brucharten zu Legierungsgruppen und werkstofflichen Zustnden vorgenommen wurde, ist festzustellen, da beide Brucharten in ein und demselben Material auftreten knnen. Teirlinck et al. (Teirlinck et al. 1988) haben gezeigt, da durch berlagerung des Bruchvorgangs mit entsprechend hohem hydrostatischen Druck der Bruchmodus von einem vollkommen sprden, interkristallinen Bruch ber den verformungsreichen Scherbruch bis zum vllig duktilen, plastischen Abschnrbruch verndert werden kann. Wichtige Einflugren, die einen bergang von einem zum anderen Bruchmodus verursachen knnen, sind Spannungszustand, Primrphasenanteil,

310

6 Mechanische Eigenschaften

Temperatur und Verformungsgeschwindigkeit.

Spannungszustand. Bei scharf gekerbten Zugproben herrscht im Kerbgrund ein mehrachsiger Spannungszustand. Es entsteht im Kerbgrund zunchst ein Anri senkrecht zur Hauptnormalspannung. Bei weiterem Riverlauf wechselt der Bruchmodus zu einem Scherbruch unter 45, s. z.B. (El-Magd et al. 2001). Bild 6.3.10 zeigt schematisch den bergang zwischen den beiden Brucharten bei einer scharf gekerbten Flachprobe. Die Rifront wechselt dabei aus einem ebenem Dehnungszustand (Normalbruchflche) in einen ebenen Spannungszustand (Scherbruchflche). Dieser bergang ist abhngig vom Verhltnis der Gre der plastischen Zone im Rigrund zur Materialdicke. Bei Legierungen der Festigkeits- und Bruchzhigkeitsklasse EN AW-2024-T4 findet der bergang bei einer Materialdicke von etwa 5 bis 10 mm statt.

Bild 6.3.10 bergang zwischen Normalbruch und Scherbruch am Beispiel einer scharf gekerbten Blechprobe aus einer mittel- bis hochfesten Legierung (schematisch). REM Bilder zeigen die grbere und feinere Wabenstruktur in den beiden Bruchzonen

Primrphasenanteil. Der Gehalt an Primrphasen hat Einflu auf den Bruchmodus. Bei niedrigem Partikelgehalt und groem Partikelabstand berwiegt bei niedrig- bis mittelfesten Legierungen der Einschnrbruch, bei hohem Partikelgehalt und geringem Partikelabstand der Scherbruch-

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

311

modus, wie Untersuchungen an der Legierung AlMg3 mit niedrigem und hohen Fe-Gehalt zeigen (Sarkar et al. 2001), s. Bild 6.3.11.

Bild 6.3.11 Einflu von Kaltverformung auf die Brucheinschnrung von 2mm dickem Walzmaterial aus Legierung AlMg3 (AA5754-0) mit unterschiedlichem FeGehalt nach (Sarkar et al. 2001)

Temperatureinflu. Bei Temperaturen ber 100 C nehmen die 0,2Dehngrenze und das Verfestigungsvermgen ab, der dynamische Entfestigungsproze nimmt zu. Gleichzeitig werden aber Bruchdehnung und Brucheinschnrung durch den stabilisierenden Einflu der Verformungsgeschwindigkeit auf die Fliespannung deutlich erhht, vgl. Abschn. 6.6. Als Folge ndert sich der bei niedrigen Temperaturen typische Scherbruch in einen Einschnrbruch. Dieses Verhalten ist in Bild 6.3.12 fr die naturharte, kaltverfestigte Legierung EN AW-5083-H116 dargestellt (Clausen et al. 2004), gilt jedoch auch fr deren weiche Zustnde (Heller 1988).

Bild 6.3.12 Wechsel von Scherbruch zu Einschnrbruch bei unterschiedlichen Temperaturen bei Legierung EN AW-5083-H116, nach (Clausen et al. 2004)

312

6 Mechanische Eigenschaften

Verformungsgeschwindigkeit. Bei hoher Verformungsgeschwindigkeit nimmt die Duktilitt von Aluminiumlegierungen generell zu. (Eine Ausnahme sind einige hochfeste AlZnMgCu-Legierungen). Bei mittelfesten AlMg-Legierungen geschieht eine signifikante Zunahme der Brucheinschnrung allerdings erst bei Verformungsgeschwindigkeiten deutlich ber 1 s-1, s. Bild 6.5.7. Gleichzeitig wechselt der Bruchmodus von Scherbruch zu Einschnrbruch, s. Bild 6.3.13 (Clausen et al. 2004). El-Magd et al. (ElMagd et al. 2001) und Hooputra et al. (Hooputra et al. 2004) ermittelten Fliekurven im Hochgeschwindigkeitszug- und -stauchversuch an den Legierungen EN AW-6061-T6, EN AW-6082-T6 und EN AW-7108-T6 und fanden bei Dehnraten ber 25 s-1 nach anfnglich positiver Dehnratenempfindlichkeit, s. Abschn. 6.7, eine negative Dehnratenempfindlichkeit bei hheren Verformungsgraden und damit eine abnehmende Fliespannung, was sie auf adiabatische Erwrmung durch die plastische Arbeit zurckfhrten. Der bergang von positiver zu negativer Dehnratenempfindlichkeit entlangt der Fliekurve scheint abhngig von der Dehngeschwindigkeit zu sein, d.h. > 0,5 bei 30 s-1 und > 0,2 bei 100 s-1.

Bild 6.3.13 Wechsel von Scherbruch zu Einschnrbruch durch hohe Dehngeschwindigkeit bei Legierung EN AW-5083-H116, nach (Clausen et al. 2004)

Zusammenfassend ist festzuhalten, da die Bruchform (duktiler Trennbruch, Scherbruch) und das Bruchverhalten (transkristallin, interkristallin) sowie der Bruchmechanismus (Lochbildung, Gleitbandbruch) im einachsigen Zugversuch mit unterschiedlichen Legierungen und Werkstoffzustnden beobachtet werden

6.3 Bruchvorgang und Bruchverhalten

313

knnen und wichtige Hinweise fr die qualitative Beurteilungen bzgl. Duktilitt und Verformbarkeit geben, da die Duktilittswerte des einachsigen Zugversuchs aber nicht auf die Verhltnisse bei mehrachsigen Spannungszustnden bertragbar sind hierzu wren Kerbzug- oder Kerbbiegeversuche und elastisch-plastische Bruchmechanikversuche aussagekrftiger , da die Einflsse von Temperatur und Verformungsgeschwindigkeit bei der bertragung der unter normalen Bedingungen gemessenen Brucheigenschaften auf praktische Anwendungsflle bercksichtigt werden mssen, da die Verwendung von Bruchkriterien (kritische Normalspannung, maximale Schubspannung, Brucheinschnrung) aus dem Zugversuch fr die FE-Berechnung von Sicherheitskomponenten problematisch ist.Versagenskriterien

Die Festlegung und Ermittlung des jeweils zutreffenden Versagenskriteriums ist nach den vorstehenden Betrachtungen noch problematisch. Fr den duktilen Trennbruch sind mittlerweile zahlreiche rechnerische Modellierungen verfgbar. Die rechnerischen Anstze gehen zurck auf die Modellierung von Lochbildung und -wachstum von McClintock (McClintock 1968), Gurson (Gurson 1977), Needlemann und Tvergaard (Needleman et al. 1984, Needleman et al. 1987, Tvergaard 1990), die viele der metallurgischen und mechanischen Einflugren bercksichtigen. Verfeinerungen durch Bercksichtigung der Partikelform, Grenverteilung, interkristalliner Rianteile sowie ausscheidungsfreier Zonen wurden entwickelt (Agarwal et al. 2003, Zehnder et al. 2000, Jain et al. 1999, Pardoen et al. 2003, Dumont et al. 2004, Wen et al. 2005). Die eingehende Behandlung dieser Thematik geht jedoch ber den Rahmen dieses Buches hinaus, und es wird auf die angegebene Fachliteratur verwiesen. Fr den Fall des Scherbruchs, der bei vielen praktisch eingesetzten, duktilen Aluminiumlegierungen den vorherrschende Bruchmodus darstellt, gibt es noch deutliche Ambivalenzen. Der Stand der Anwendbarkeit der verschiedenen Bruchkriterien fr die FE-Modellierung nach heutigen Design Codes (ABAQUS, LS-DYNA, PAM-CRASH, CrachFEM) wurde von Wierzbicki et al. (Wierzbicki et al. 2005) analysiert. Sie untersuchten sieben verschiedene Bruchkriterien und kalibrierten sie durch Untersuchungen an Plattenmaterial der Legierung AA2024-T351. Fr mehr Sicherheit in den Schlufolgerungen wre es wnschenswert, die gleichen Untersuchungen und Analysen auch an einer mittelfesten Legierung, z.B. EN AW5754-0 zu wiederholen.

314

6 Mechanische Eigenschaften

Da viele Leichtbaustrukturen aus dnnwandigen Bauteilen bestehen, ist die zuverlssige Bestimmung eines Bruchkriteriums mit Flachzugproben von erheblicher Bedeutung fr die FE-Modellierung. Aus diesem Grunde wurde vorgeschlagen, mit Hilfe der Bruchfestigkeit, Rbr, und der Gleichmadehnung, Ag, s. Bild 6.1.1 aus Werten des Spannungs-Dehnungsdiagramms ein Bruchkriterium, CFS (critical fracture strain), zu berechnen, das die wahre Bruchdehnung in Dickenrichtung wiedergibt. Es wurde dabei angenommen, da im Bereich der Gleichmadehnung die Dehnungen in Breiten- und Dickenrichtung proportional sind, die wahre Fliespannung und die Breitendehnung nach beginnender Einschnrung konstant bleiben (Yeh et al. 1999).Ag R CFS = ln br (1 ) 2 Rm

(6.3.1)

mit Rbr, Rm und Ag als Bruchfestigkeit, Zugfestigkeit und Gleichmadehnung entsprechend den Definitionen in Bild 6.1.1, Abschn. 6.1. Eine modifizierte Form unter Bercksichtigung von Breiten- zu Dickeneinschnrung entsprechend dem Anisotropiewert, r, fhrt zu folgender Beziehung: R /R CFS = ln br m 1 1+ r (1 + Ag )

(6.3.2)

Beide Beziehungen, Gl. (6.3.1) und (6.3.2), ergeben annhernd die gleichen Werte. Bei vernachlssigbarer Anisotropie (r 1) sowie bei geringem Wert von Ag (Ag 107 LW) wurden bei glatten Proben jedoch systematisch auch Riausgangsorte unterhalb der Oberflche festgestellt (Pyttel et al. 2006). Ermdungsschdigung durch wechselnde Lasten werden hufig verschrft durch rtliche berbeanspruchung, z.B. an konstruktiven, fertigungs- oder korrosionsbedingten Kerben, sowie durch Unregelmigkeiten einer Schweinahtausfhrung, s. Kap. 16. Fr die ingenieurmige Berechnung der Lebensdauer von Bauteilen oder Konstruktionen unter wechselnder oder schwingender Beanspruchung wurden Konzepte und Regelwerke entwickelt, die in Kap. 20 unter Bercksichtigung konstruktiver

6.4 Schwingfestigkeitsverhalten von Aluminiumwerkstoffen

319

Manahmen behandelt werden. Als Grundlage dafr sollen im vorliegenden Kapitel die werkstofflichen Grundlagen der Schwingfestigkeit im Vordergrund stehen. Fr Berechnungen der Lebensdauer von Komponenten oder Konstruktionen werden einerseits die mglichst genaue Festlegung der Betriebsbeanspruchung bentigt und andererseits Angaben fr die betreffende Legierung, die die Lebensdauer in Abhngigkeit von der Beanspruchungshhe und -art wiedergeben. Hierzu werden sog. Whlerkurven an Proben oder Bauteilen ermittelt, die je nach Beanspruchungsart entweder als spannungskontrollierte oder als dehnungskontrollierte Whlerkurven ermittelt werden (benannt nach August Whler, 18191914, Begrnder der Schwingfestigkeitsprfung im Eisenbahnwesen). Wegen der meistens geringen Querschnittsabmessungen der Prfkrper wird die im Whlerversuch ermittelte Bruchlastwechselzahl hauptschlich durch die Anribildung bestimmt. Dies gilt besonders im Bereich hoher Lastwechselzahlen, wo bis zu 99% der Lebensdauer durch die Vorgnge der Anribildung bestritten werden. Bei hohen Spannungsausschlgen und folglich krzerer Lebensdauer ist der Anteil der Anriphase an der Gesamtlebensdauer krzer als bei geringen Spannungsausschlgen und hoher Bruchlastwechselzahl. Auerdem bilden sich bei hheren Spannungsausschlgen gewhnlich mehrere Anrisse, von denen sich einige zu einem Hauptri vereinigen knnen. Bei greren Bauteilquerschnitten oder Konstruktionen und auch bei Material mit scharfen Oberflchenkerben kann jedoch weniger die Anribildung als die Dauer des stabilen Rifortschritts fr die Lebensdauer ausschlaggebend sein. Neben der Whlerkurve ist daher die Ermittlung des Rifortschrittsverhaltens fr die Lebensdauerberechnung wichtig, die heute blicherweise auf der Grundlage der linear-elastischen Bruchmechanik durchgefhrt wird, s. Abschn. 6.4.3. Fr die Bestimmung der noch ertrglichen Gre eines Anrisses in einer Konstruktion (engl. damage tolerant design) mit Hilfe der Methoden der linear-elastischen und elastisch-plastischen Bruchmechanik geben die Rizhigkeitseigenschaften der Werkstoffe Auskunft. Im Rahmen dieses Buches mu allerdings auf eine eingehende Behandlung dieser Thematik verzichtet und der Leser auf die einschlgige Fachliteratur und bestimmte Regelwerke (prEN 1999-1-3: 2005. Bemessung und Konstruktion von Aluminiumtragwerken, Teil 1-3: Ermdungsbeanspruchte Tragwerke] verwiesen werden Die Entstehung des Schwingfestigkeitsversagens ist also durch zwei Stadien gekennzeichnet: die Anriphase und die stabile Rifortschrittsphase, die schlielich in den (instabilen, pltzlichen) Restbruch mndet. Nach Forsyth wird diese Einteilung des Schwingungsbruchvorgangs als

320

6 Mechanische Eigenschaften

Stage I und Stage II Crack Growth bezeichnet (Forsyth 1962). Die Unterteilung des Ermdungsbruchvorgangs in die beiden Stadien ist in sofern von Bedeutung, als ihnen unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen und diese durch die metallurgischen Eigenschaften des Materials, die Dimensionen des Bauteils, durch die Art der Beanspruchung und die Lage des Anrisses zur Hauptbeanspruchungsrichtung auf unterschiedliche und manchmal gegenlufige Weise zum Bruchvorgang und damit zur Lebensdauer des Bauteils beitragen. Bild 6.4.1 illustriert nach Laird schematisch diese Stadienfolge des Ermdungsbruchs von Metallen (Laird 1967). Merkmal des Stadium I ist eine kristallographisch orientierte Rilage auf Ebenen, die in einem definierten Zusammenhang mit den primren Gleitsystemen des Materials stehen. Im Stadium II folgt der Ri berwiegend einer Richtung senkrecht zur Hauptnormalspannung und ist bei duktilen Werkstoffen auf der Bruchflche durch charakteristische Rastlinien gekennzeichnet. Der bergang vom Stadium I (Anriphase) zum Stadium II (Rifortschritt) ist hauptschlich von der Hhe des Spannungsausschlags (= 2a, a = Spannungsamplitude) bzw. der auf den Anri wirkenden Spannungsintensitt K abhngig, aber auch vom spezifischen, durch das Gefge beeinfluten Gleitverhalten.

Bild 6.4.1 Die Stadien des Ermdungsbruchs nach C. Laird (Laird 1967)

Um das Schwingfestigkeitsverhalten der verschiedenen Aluminiumlegierungen und Werkstoffzustnde sowie Einflsse durch Verarbeitungsmanahmen besser einordnen zu knnen und um eine Verstndnisgrund-

6.4 Schwingfestigkeitsverhalten von Aluminiumwerkstoffen

321

lage fr die verschiedenen Lebensdauerberechnungskonzepte zu haben, werden zunchst in Abschn. 6.4.1 die charakteristischen Merkmale des Ermdungsverhalten von Aluminium zusammengefat und eine Verbindung zwischen den zugrundeliegenden Mechanismen und charakteristischen Gefgemerkmalen aufgezeigt. Die Grundlage der Anribildung und des Rifortschritts bildet das zyklische Verformungsverhalten des Werkstoffs, das sich vom quasi-statischen Dehnungsverhalten hinsichtlich der Versetzungsreaktionen unterscheidet und blicherweise durch die zyklische Spannungs-Dehnungskurve dargestellt wird, s. Abschn. 6.4.2. Die zyklische Spannungs-Dehnungskurve bildet die Verbindung zwischen der Spannungs- und Dehnungswhlerlinie des Werkstoffs. 6.4.1 Phnomenologie der Ermdungsschdigung Das zyklische Verformungsverhalten von Aluminium und seinen Legierungen ist in zahlreichen grundlegenden Untersuchungen an Einkristallund Bikristallproben untersucht worden, da sich hierdurch sekundre Einflsse von Korngrenzen, Textur, Dispersions- und Verunreinigungsphasen ausschalten lassen. Die bertragung dieser Erkenntnisse auf polykristalline, technische Legierungen ist jedoch wegen der zahlreichen Einflufaktoren sehr komplex. Es mssen sowohl die Hhe der Spannungs- oder Dehnungsamplituden als auch die gegebene Legierungszusammensetzung, Korngre, Textur, Warmverformungsgefge, Grad der Vorverfestigung, Gegenwart verschiedener Gefgeelemente und bei aushrtbaren Legierungen der Ausscheidungszustand bercksichtigt werden. Alle diese Faktoren haben Auswirkung auf das spezifische Gleitverhalten und auf die Art von Versetzungsreaktionen, die das rtlich eintretende Ereignis der Anribildung vorbereiten. In reinem, unlegiertem Aluminium und in einphasigen Legierungen ist das zyklische Verformungsverhalten bei niedrigen Dehnungs- oder Spannungsamplituden gekennzeichnet durch Reaktionen von Versetzungen mit Punktfehlern (Leerstellen, Legierungsatome) in den aktiven, primren Gleitsystemen, bei hheren Amplituden dominiert die Wechselwirkung zwischen Versetzungen (Chicois et al. 1986). In ausgehrteten Legierungen treten dazu die Versetzungsreaktionen mit den Ausscheidungsphasen und verndern sich mit dem Ausscheidungszustand (Starke et al. 1989). In technischen Legierungen werden diese lokalen plastischen Vorgnge in aller Regel durch Primrphasen oder andere Spannungs- oder Dehnungskonzentrationen ausgelst (s. unten). Im folgenden werden die grundstzlichen Vorgnge und die einwirkenden Gefgeeinflsse betrachtet, um eine

322

6 Mechanische Eigenschaften

qualitative Beurteilung der Auswirkungen von Wrmebehandlungen und Verarbeitungsschritten zu ermglichen.Grundlegende zyklische Verformungsvorgnge in Aluminium und Aluminiumlegierungen

Unter der Wirkung von wechselnden Zug- und Druckspannungen werden zunchst diejenigen Gleitsysteme aktiviert, in denen durch gnstige Orientierung zur Hauptbeanspruchungsrichtung die kritische Schubspannung fr Versetzungsgleiten berschritten wird. Die dadurch erzeugten Gleitvorgnge sind besonders an der freien Proben- oder Bauteiloberflche wegen der nur partiellen Verformungsbehinderung ausgeprgt. Die Hin- und Herbewegung von Versetzungen durch die Dehnungsumkehr verursacht in der ueren Kornlage Versetzungsreaktionen und -vervielfltigung, die in den aktivierten Gleitebenen dichte Ansammlung von Versetzungsringen, Versetzungsdipolen und Leerstellen hinterlassen. Schlielich kommt es zu Versetzungsaufstauungen an Hindernissen, wie Versetzungswllen, Korngrenzen sowie Dispersions- und Primrphasenpartikeln. Durch die ausgeprgte Neigung des Aluminiums zum Versetzungsquergleiten werden im unlegierten und niedrig legierten Werkstoff Versetzungszellstrukturen erzeugt, die in Reinaluminium bereits nach ersten Lastwechseln nachweisbar sind und nach einem geringen Prozentsatz der Bruchlastwechselzahl eine stabile Gre annehmen. Ihre Abmessungen nehmen in einphasigen Legierungen mit wachsender Dehnungsamplitude ab. Die Zellwnde werden mit zunehmender Zahl von Dehnungswechseln diskreter. Gleichzeitig frdern die erzeugten Leerstellen das Klettern von Versetzungen und deren energetisch gnstigere Anordnung in Subkorngrenzen. Somit finden neben zyklischen Verfestigungsvorgngen zunehmend auch dynamische Erholungsvorgnge statt. Einigkeit herrscht darber, da die Anribildung durch Erreichen eines kritischen Zustandes in den zyklisch erzeugten Zellwnden oder Subkorngrenzen den grundstzlichen Schdigungsmechanismus der Materialermdung von unlegiertem, homogenen Aluminium darstellt (Zhai et al. 1996). Der Bruchverlauf ist demnach grundstzlich transkristallin. Mit hherem Legierungsgehalt, z.B. bei mittelfesten AlMg-Legierungen, und besonders bei ausscheidungsgehrteten Legierungen wird die Versetzungszellbildung dadurch verzgert, da durch niedrigere Stapelfehlerenergie oder durch Versetzungsschneiden von kohrenten Ausscheidungen das Quergleiten behindert wird. Es herrscht ein mehr (quasi-)planares Gleitverhalten vor. Das Schneiden von kohrenten Ausscheidungen fhrt zu deren Rckbildung. Der Gleitwiderstand verringert sich, wodurch die Versetzungsreaktionen in der aktiven Gleitebene zunehmen. Die Kine-

6.4 Schwingfestigkeitsverhalten von Aluminiumwerkstoffen

323

tik der Versetzungsbewegung in den Gleitbndern wird durch die Interaktion von Versetzungen mit gelsten Legierungselementen beeinflut (Kaschner et al. 2002). Das Hin- und Hergleiten von Versetzungen in den aktivierten Gleitebenen erhht die Versetzungsdichte, verursacht Verfestigung und lst Gleitvorgnge in benachbarten Gleitebenen aus, die sich zu Gleitbndern mit hoher Versetzungsdichte vereinigen, s. die nachfolgende Beschreibung des Phnomens der persistenten Gleitbnder. In diesen Gleitbndern laufen zyklische Verfestigungs- und Entfestigungsprozesse ab, und man beobachtet eine dafr typische Zellstruktur in diesen bis zu wenigen m dicken Gleitbndern (Forsyth 1963, Stubbington et al. 1966). Die Konzentration von Versetzungen in Gleitbndern wird als Vorstufe fr die Bildung von Schwingungsanrissen angesehen. Die Riausbreitung erfolgt in den Gleitbndern (Lindigkeit 1979). Der insbesondere bei ausgehrteten Legierungen hufig auch beobachtete interkristalline Anri im Stadium I weist eher auf eine geschwchte Konstitution der Korngrenzen hin. Auch durch korrosiven Einflu in diesem Stadium kann der Riverlauf interkristallinen Charakter haben.Persistente Gleitbnder

Anfnglich zyklische Verfestigung mit anschlieender Entfestigung wurde bei zahlreichen Untersuchungen von unverformten Ein- und Vielkristallen aus Reinaluminium, u.a. von (Snowden 1963, Ryum et al. 1996, Ryum et al. 1996, El-Madhoun et al. 2003) und aus aushrtbaren AlCu-Legierungen (Abel et al. I 1966, Abel et alt. II 1966, Morris et al. 1989) im Kurzzeitund Langzeitfestigkeitsbereich festgestellt. Die Gleitbnder treten in der ueren Kornlage an die Oberflche und erzeugen Extrusionen und Intrusionen, die als persistente Gleitbnder bezeichnet werden (PSB, engl. persistent slip bands). Das Auftreten solcher PSB ist jedoch abhngig von Legierungsart, Legierungsgehalt und Werkstoffzustand. Wie bereits erwhnt, entwickelt unlegiertes, weichgeglhtes Aluminium infolge seines ausgeprgten Quergleitverhaltens sehr schnell eine mehr oder weniger grobe Versetzungszellstruktur, die bereits nach wenigen Lastwechseln abgeschlossen ist. Persistente Gleitbnder sind bei Reinaluminium nicht so ausgeprgt wie bei Legierungen und werden wenn berhaupt erst gegen Ende der Lebensdauer beobachtet. Im Gegensatz dazu bilden sich in ausscheidungsgehrteten Legierungen ausgeprgte PSB, wie Bild 6.4.2 am Beispiel einer AlZnMg-Legierung illustriert (Forsyth 1963). Die Mikrostruktur solcher PSB zeigt eine charakteristische Versetzungsstruktur, die durch eine leiternartige Anordnung von parallelen Zellwnden beschrieben werden kann. Das Zellinnere ist gefllt mit unregel-

324

6 Mechanische Eigenschaften

mig angeordneten Versetzungen. Whrend sich die zyklische Verformung in den PSB konzentriert, weist die umgebende Matrix kaum Verformungsmerkmale auf. Dichte und Intensitt der Dehnungskonzentration in den Gleitbndern sind abhngig vom Ausscheidungszustand. (Fr einen weitergehenden, allgemeinen berblick ber charakteristische Eigenschaften und ber Reaktionen von Versetzungen und Punktdefekten innerhalb von persistenten Gleitbndern bei Metallen sei auf die einschlgige Literatur verwiesen, z.B. (Basinski et al. 1992, Emann et al. 1996).

Bild 6.4.2 Lichtmikroskopische Aufnahme von persistenten Gleitbndern auf der Oberflche einer ausgehrteten AlZn7,5Mg2,5-Legierung (Quelle: P.J.E. Forsyth, 1963)

Einflu des Aushrtungszustands auf die Schdigungsentwicklung

Verschiedene Aushrtungszustnde (z.B. T4, T6, T7) haben je nach Grad der Kohrenz der Ausscheidungen unterschiedliche Einflsse auf das zyklische Verformungs- und Schwingfestigkeitsverhalten. In Legierungen mit kohrenten Ausscheidungen (z.B. T4 Zustand) schneiden Versetzungen die Zonen und lsen diese durch weitere Hin- und Herbewegung auf. Dadurch verlieren die Ausscheidungen ihre gleitbehindernde Wirkung, die jedoch durch zunehmende Verfestigung bis zum Erreichen eines Sttigungswertes kompensiert wird. Aus der anfnglich dichten Schar feiner Gleitbnder entwickeln sich zum Ende der Lebensdauer hin grobe, persistente Gleitbnder. Durch die Rckbildung der GP-Zonen in den Gleitbndern drfte sich das Gleitverhalten jedoch innerhalb der Gleitbnder dem des Reinaluminiums angleichen, d.h. die Rckstellkrfte der Versetzungshindernisse sind gering. Diese Vermutung scheint sich durch den hnlich

6.4 Schwingfestigkeitsverhalten von Aluminiumwerkstoffen

325

geringen Bauschinger-Effekt von weichgeglhtem Reinaluminium und von kaltausgehrteten Legierungen zu besttigen (Abel et al. I 1966, Sonsino 1983). Planares Gleitverhalten ist theoretisch verbunden mit strkeren Rckstellkrften an Versetzungshindernissen und bewirkt eine intensivere Reversibilitt der Versetzungsbewegung, wodurch der Aufbau einer stabilen, nicht reversiblen Versetzungsstruktur verzgert wird (Starke et al. 1989). Man erwartet in diesem Fall einen verstrkten Bauschinger-Effekt. Der nur gering ausgeprgte Bauschinger-Effekt von GP-Zonen-gehrtetem Aluminium steht dazu im Widerspruch und lt vermuten, da die Reversibilitt der Versetzungsbewegung in den Gleitbndern durch Versetzungsreaktionen mit den gelsten Legierungselementen eingeschrnkt wird. Eine Analogie mit dem planaren Gleitverhalten von Metallen mit niedriger Stapelfehlerenergie ist daher problematisch. Durch Kaltaushrtung (T4 Zustand) entstandene GP(I)-Zonen sind kleiner (12 nm) und leichter von Versetzungen zu schneiden als durch Warmaushrtung (T6 Zustand) erzeugte GP(II)-Zonen oder teilkohrente Ausscheidungen mit Gren von 1020 nm (s. Abschn. 3.1). Als Folge davon ist mit zunehmendem Aushrtungsgrad das zyklische Verformungsverhalten durch eine Vergrberung und hhere Versetzungsdichte der Gleitbnder gekennzeichnet (Clark et al. 1964, Duva et al. 1988). Die Heterogenitt des erzwungenen quasi-planaren Gleitverhaltens hngt vom Grad der Kohrenz, von der Zonen- oder Partikelgre und vom Volumenanteil ab. Die feine Gleitbandstruktur im T4-Zustand wird mit zunehmender Warmaushrtung grber. Verschiedene Autoren berichten von ausscheidungsfreien Zonen in den groben Gleitbndern in warmausgehrteten Legierungen, die durch erneutes Aushrten wieder mit Ausscheidungen gefllt werden knnen. Die Vergrberung der Gleitbandstruktur, d.h. die strkere Lokalisierung der Verformung infolge von Teil- oder Vollaushrtung bei der Warmauslagerung ist demnach eher gradueller Natur und beruht nicht auf einer grundlegenden nderung des Mechanismus. Die Auswirkungen auf die Anribildung und letztlich auf die Schwingfestigkeit hngen von der Verteilung, Zahl und Feinheit der sich bildenden PSB und vom Entfestigungsproze innerhalb der PSB ab. Das feinere quasi-planare Gleitverhalten von kaltausgehrtetem Material uert sich in einer hohen zyklischen Verfestigung und in einer graduellen Entfestigung vor Beginn der Anribildung. Dagegen setzt bei voll warmausgehrtetem Material die Entfestigung sehr spt ein, lst aber wegen der hheren Versetzungsdichte in den grberen Gleitbndern eine frhzeitigere plastische Instabilitt aus als bei kaltausgehrtetem Material. Diese plastische Instabilitt in den groben Gleitbndern fhrt dann unmittelbar zur Anribildung. Durch volle Warmaushrtung (T66 Zustand) nimmt zwar sowohl die

326

6 Mechanische Eigenschaften

statische Festigkeit als auch die Schwingfestigkeit gegenber dem kaltbzw. teilausgehrteten Material zu, allerdings verringert sich das Verhltnis von ertragbarer Schwingfestigkeitsamplitude zur statischen Zugfestigkeit, z.B. fr Legierungen EN AW-6063 und 6082 bei 5x105 LW und R = 1 von a/Rm 0,4 fr den Zustand T64 (teilausgehrtet) auf a/Rm 0,3 fr den Zustand T66 (Jiang et al. 2003). Die Instabilitt der Ausscheidungen in aushrtbaren Aluminiumlegierungen wird hufig als Begrndung fr das gegenber anderen Werkstoffen niedrigere Verhltnis der Schwingfestigkeit zur Zugfestigkeit angefhrt. Bei mechanistischer Betrachtungsweise sind jedoch die kinetischen Ablufe der Vorgnge von zyklischer Verfestigung und plastischer Instabilitt in den Gleitbndern bestimmend fr den zeitlichen Beginn der Ribildung und unterliegen den Einflssen des Gefgezustandes. Mit dem Verlust der Ausscheidungskohrenz durch beralterung (T7 Zustand) nimmt die Partikelgre zu und der Partikelabstand vergrert sich (bleibt aber um ein Mehrfaches geringer als der Abstand zwischen den sog. Dispersionsphasen, s. unten). Der bersttigungsgrad gelster Legierungselemente hat sich deutlich verringert. Dichte und Aufstauung von Versetzungen an den nicht mehr schneidfhigen Ausscheidungsphasen verstrken sich, die Rckstellkrfte dieser Versetzungshindernisse nehmen zunchst zu, was sich in einem hheren Bauschinger-Effekt zeigt (Abel et al. I 1966). Versetzungen werden an den Hindernissen zu verstrktem Quergleiten gezwungen, wodurch die Versetzungsdichte zunimmt. Nach Untersuchungen an Al-4%Cu Einkristallen verstrkt sich dadurch anfnglich die Verfestigungsrate (Abel et al. II 1966). Das Verformungsverhalten wird homogener, und dynamische Entfestigung sowie die Entwicklung nicht reversibler Versetzungsstrukturen drften sich beschleunigen. Im Ergebnis sollte demnach eine berhrtung (T7 Zustand) die Anribildung verzgern und sich positiv auf die Lebensdauer auswirken. Schwingfestigkeitsergebnisse, ermittelt an 150 mm dicken Platten aus Legierung 7050T6 und -T7 in ST-Richtung (Lin et al. 1998), scheinen diese Schlufolgerung zu besttigen, wenn auch die Effekte relativ gering sind. Allerdings wurden auch gegenteilige Trends gefunden. Diese knnen damit in Zusammenhang stehen, da durch beralterung weichere ausscheidungsfreie Sume an den Korngrenzen entstehen knnen oder sich verbreitern, die bei entsprechend gnstiger Lage zur Hauptbeanspruchungsrichtung zustzliche Orte fr Dehnungslokalisierung und Anribildung darstellen. Da dieser Effekt entscheidend durch Rekristallisationsgrad und Korngre mitbestimmt wird, sind Voraussagen ber den Einflu des Aushrtungszustandes auf den Ermdungsvorgang allein auf der Basis von Versetzungsmechanismen problematisch, sondern mssen den tatschlich vorliegenden Gefgezustand mitbercksichtigen.

6.4 Schwingfestigkeitsverhalten von Aluminiumwerkstoffen

327

Einflu von Dispersionsphasen

Die bei der Barrenglhung entstehenden, thermisch stabilen Dispersionsphasen in Mn-, Cr- und Zr-haltigen Legierungen bewirken ebenfalls ein homogeneres Verformungsverhalten. Sie knnen von Versetzungen nicht geschnitten, sondern nur umgangen werde. Die in Bild 6.4.2 dargestellten groben PSB in AlZnMg-Legierungen knnen durch MnAl6-Dispersionen sehr stark verfeinert werden, wodurch sich signifikante Verbesserungen der Lebensdauer ergeben (Kim et al. 1998). Auf gleiche Weise wirken die Dispersionsphasen in der AlMgSi-Legierung EN AW-6082-T6, wo die Bildung von groben Gleitbndern wirksam unterdrckt wird (Jiang et al. 2003).Einflu von Primrphasen

Eine weitere Ursache fr die Entwicklung von lokalen Dehnungskonzentrationen stellen sprde, intermetallische Phasen in technischen Legierungen dar, die in ihrem unmittelbaren Umfeld Spannungskonzentrationen erzeugen, s. Bild 6.4.6. Auf diese Weise beschleunigen Primrphasen das Erreichen eines kritischen Gleitbandzustandes und verringern dadurch die Lebensdauer. Hinzu kommt, da grbere Primrphasen durch die vorhergehende Warm- und Kaltverformung aufbrechen, die Fragmente durch die Schwingbeanspruchung sich gegeneinander in der Matrix verschieben und so zu verschrfter Gleitbandbildung beitragen oder bereits Anrisse darstellen knnen. Bekanntlich wirken sich feinere, homogen verteilte Primrphasen, die z.B. durch schnellere Erstarrung des Guvormaterials, durch hhere Durchknetung bei der Warmumformung oder auf pulvermetallurgischem Wege erzielt werden knnen, sowie geringere Volumenanteile an Primrphasen in Legierungen auf reinerer Basis positiv auf die Schwingfestigkeit oder Lebensdauer aus.Einflu von Kaltverfestigung Bauschinger-Effekt

Die Wirkung einer mechanischen Vorverfestigung auf das zyklische Spannungs-Dehnungsverhalten hngt von der Stabilitt der erzeugten Versetzungsstruktur ab. Alle Metalle zeigen bei Dehnungsumkehr im statischen Versuch eine mehr oder weniger starke Erniedrigung der Fliegrenze der sog. Bauschinger-Effekt. Dieser erstreckt sich ber die gesamte Fliekurve und bedeutet, da die durch einsinnige Verformung erzeugte Versetzungsanordnung bei einer Dehnungsumkehr nicht stabil ist (Haasen 1994). Es findet eine Versetzungsbewegung in entgegengesetzter Richtung statt, die eine Umordnung der Versetzungsstruktur ermglicht. Selbst eine stabile Sttigungshysterese (s. Abschn. 6.4.2) bedeutet nicht, da es in einem ge-

328

6 Mechanische Eigenschaften

gebenen Dehnungszyklus keine verfestigenden Versetzungsreaktionen mehr gibt; es bedeutet nur, da Bauschinger-Effekt und dynamische Entfestigung stark genug sind, um die Verfestigung zu kompensieren (Avery et al. 1963). Obwohl die grundlegenden Versetzungsmechanismen bei statischer und zyklischer Verformung gleich sind, unterscheiden sich die resultierenden Versetzungsstrukturen deutlich. Bei hohen plastischen Dehnungsamplituden (a,p > 0,002) entwickeln sich Zellstrukturen, die bei vergleichbarer plastischer Gesamtdehnung grbere Dimensionen haben als nach einsinniger, quasi-statischer Verformung (Plumbridge 1970). Versetzungsstrukturen in kaltverfestigtem, niedrig legiertem bzw. unlegiertem Aluminium gleichen sich bei Dehnungsumkehr denen von weichgeglhtem Material an. Die durch hhere Kaltverformungsgrade erreichte Verfestigung wird bis zum Erreichen der Sttigungshysterese (s. Bild 6.4.7) weitgehend rckgngig gemacht. Kaltverfestigte Aluminiumlegierungen unterliegen daher einer zyklischen Entfestigung. Ein solches Verhalten ist typisch fr naturharte Aluminiumlegierungen. Die Gegenwart von Dispersionsphasen scheint jedoch das sich einstellende Versetzungszellgefge und damit den Grad der Entfestigung zu beeinflussen. Bei Legierungen mit MnAl6-Dispersionen wird ein positiver Effekt der Kaltverfestigung auf die Schwingfestigkeit oder Lebensdauer erzielt, wie aus der Lage der Whlerkurven der Legierung EN AW-3004 (AlMn1Mg1) in den Zustnden weich und halbhart in Bild 6.4.3 zu ent-

Bild 6.4.3 Einflu von Kaltverfestigung auf das Umlaufbiegeverhalten ungekerbter und gekerbter Proben aus einer AlMn1Mg1-Legierung (AA3004) (n. Alcoa)

6.4 Schwingfestigkeitsverhalten von Aluminiumwerkstoffen

329

nehmen ist. Der gleiche Effekt, eine ca. 3-fache Lebensdauersteigerung durch Kaltverfestigung, wurde auch bei der AlMg4,5Mn-Legierung (AA5083, Mn-Gehalt des Versuchsmaterials 0,3%) beobachtet, wobei die Hhe des Kaltverfestigungsgrades zwischen 10 und 70% praktisch keine Rolle spielte. Bei dem kaltverfestigten Material fanden Laird und Krause zudem nach anfnglicher zyklischer Entfestigung eine zyklische Verfestigung, die sie auf dynamische Reckalterung durch den Mg-Gehalt der Legierung zurckfhrten (Laird et al. 1970). Die dynamische Reckalterung wirkte sich besonders bei hohen Lastwechselzahlen und mit zunehmendem Kaltverfestigungsgrad