migros magazin 39 2015 d lu
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ÂTRANSCRIPT
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LCHELN
Hier ist es zu Hause.
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Auf einen Tee
in dieWste
Zu Gast bei Freunden abseits der Glitzerwelt
auf der Arabischen Halbinsel.
MM39
Extra
Reisen
10 tolle
Tipps
Traumstrnde
in Europa
Seite 18
Bild:RetoE.Wild
Mnner-Freundschaften
Pascal Schellenberg
undLucasZeller
sind unzertrennlich.
WennMnnerwie
Brder sind. Seite 10
MM39, 21.9.2015 | www.migrosmagazin.ch
Extra Reisen
Sand und Strand oder
Schnee undGlhwein?
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Wynencenter Samstag, 3.10.2015; 8.00 20.00 Uhr
Shoppy Spreitenbach Mittwoch, 14.10.2015; 9.00 20.00 Uhr Donnerstag, 15.10.2015; 9.00 20.00 Uhr
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Paradies Freitag, 9.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 10.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
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Porte de Nyon Mittwoch, 23.9.2015; 10.00 19.00 Uhr Donnerstag, 24.9.2015; 10.00 19.00 Uhr
Freitag, 25.9.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 26.9.2015; 8.00 16.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT LUZERN
MMM Zugerland Freitag, 9.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 10.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT NEUENBURG / FREIBURG
Avry Centre Freitag, 23.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 24.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT OSTSCHWEIZ
MM Frauenfeld (Passage) Freitag, 9.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 10.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
MM Sntispark Freitag, 16.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 17.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
MM Romanshorn (Hubzelg) Freitag, 16.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 17.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT TESSIN
San Antonino Mittwoch, 16.9.2015; 10.00 19.00 Uhr Donnerstag, 17.9.2015; 10.00 19.00 Uhr
Serfontana Mittwoch, 14.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Donnerstag, 15.10.2015; 10.00 19.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT VAUD
Crissier Freitag, 23.10.2015; 10.00 20.00 Uhr Samstag, 24.10.2015; 8.00 17.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT WALLIS
Simplon Center Glis Freitag, 2.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 3.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
Forum des Alpes Freitag, 16.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 17.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
GENOSSENSCHAFT ZRICH
MMM Blach Sd Samstag, 19.9.2015; 10.00 18.00 Uhr
MMM Uster Mittwoch, 23.9.2015; 10.00 19.00 Uhr Donnerstag, 24.9.2015; 10.00 19.00 Uhr
MMM Altstetten Freitag, 9.10.2015; 10.00 19.00 Uhr Samstag, 10.10.2015; 8.00 16.00 Uhr
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nderungen vorbehalten.
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IEditorial
WennHnde
sprechen
Ich darf das hier jetzt mal verraten: Ich bin
behindert. Imwortwrtlichen Sinn: Die IV
attestiertmir eineHrbehinderung von gegen
40 Prozent auf beidenOhren und hatmir
deshalb vor Jahren einen relativ bescheidenen
Beitrag anmeine ohrenbetubend teuren
Hrgerte bezahlt. Solltenwir unsmal be
gegnen, darf es Sie nicht irritieren, wenn ich
bestndig auf IhrenMund statt in Ihre Augen
schaue. Das ist bei Schwerhrigen normal. Sie
lesen von den Lippen ab. Undwenn ich nicht
reagiere: nicht irritiert sein! Auf Distanz krie
gen Schwerhrige einiges nichtmit.
Eines aber kann ich nicht: Gebrden
sprache.Mit Schwerhrigen bermeine
Hnde zu kommunizieren, war inmeiner
Kindheit noch nicht ntig, da ich gengend
Resthrfhigkeit besass. Viele Schwerhrige
oder Gehrlose haben die Gebrdensprache
wieder fr sich entdeckt. Sie ist Ausdruck
eines gewachsenen Selbstbewusstseins.Wir
haben es nicht ntig, uns der brigenWelt
anzupassen, wir haben unsere eigene Sprache
so ihre Argumentation. Dass dabei aber die
Gefahr besteht, auch einen Teil der Integra
tion in dieWelt derHrenden zu verpassen,
kann durchaus sein. ZumTag der Gebrden
sprache zeigt uns UeliMatter, der Sohn des
verstorbenen LiedermachersManiMatter,
wiemanmit der Gebrdensprache durchs
Leben kommt.
Ein ganz anderes Thema: Still und
heimlich hat sich im Schatten
unseresHausmanns Bnz Friedli
eine neueKolumne zum leisen
Hit entwickelt. Bettina Leinen
bach hat sichmit ihrer
MammaMiaKolumne auf
Migrosmagazin.ch eine
mehrtausendfache, treue
Lesergemeinde erschrieben.
Etwas vorlauter als Bnz,
etwas schrfer auch, aber nicht
minder engagiert, schreibt sie,
wiemanmit zweiMdchen,
Ida (7) und Eva (5), den ganz
normalen Arbeits undMtter
alltag berlebt. Aus Anlass ihrer
150.Kolumne hat sie uns einige
Fragen zuKind undKegel be
antwortet.
Hans Schneeberger, Chefredaktor
16
98
Bilder:DanielAufderMauer,GabiVogt,TanjaDemarmels,DanielWinkler,ChristineBenz
4 | MM39, 21.9.2015
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32
DasGrund
einkommen
wrde
dieMacht
strukturen
verndern.
Menschen
8DieseWoche
Stress amArbeitsplatz:
Wie viel Belastung liegt drin?
10Portrt
Wasmacht eine guteMnner
freundschaft aus? Sechs beste
Freunde imPortrt.
16 Serie:Wahlen 2015
Teil 4:Wahlkampfhelfer was
motiviert die Frondienstler?
20Portrt
Wie lebenHrbehinderte?
Zwei Betroffene erzhlen.
23Bnz Friedli
24 ZahlenundFakten
WissenswertesberHaustiere.
26 Interview
Zwei Frsprecher der
Initiative fr ein bedingungs
losesGrundeinkommen.
32Portrt
Samira Thomenhat ihr erstes
Buch verffentlicht mit 15.
35 Leserforum
Migros-Welt
41Preisdruckbeim
Schweinefleisch
43NeuesausderM-Industrie
49Durstlscher frKids
53 Saisonkche
Feine Rezeptemit Auberginen.
69Hugo jetzt als Sirup
70Fr starkeMuskeln
71Knackige Joghurts
72 Flchtlingsdrama
MarieLouise prmierter
Film in der Retrospektive.
76Alle sind imSammelfieber
79Exotisches fr denKrper
81 SowirddasHaar krftig
82 Fr eine saubere Sache
85 SchonendeWschepflege
86Alles fr helleKpfchen
89Neues aus derRegion
Aktionen, Reportagen
und interessanteNews aus
denGenossenschaften.
Leben
97 Mammamia zum150.!
98 Familie
SpterNachwuchs:Musiker
Pierre Favrewurdemit 74Vater.
103Migros-Bank-Ratgeber
105Beauty
106Kinder
109Glcksgriff
111 Rtsel/Impressum
116Cumulus
118MeineWelt
Die BernerMarathonluferin
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Cumulus:Tel. 0848 85 0848* oder +41 44 444 88 44 (Ausland).
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Darauf freuenwir uns
Bunte SteineAbdem 25. Sep-
tember zeigt Knstler Nathan
Sawaya seine Lego-Skulpturen
(Art of Brick) im Zrcher Puls 5.
RoterMondEine totaleMond-
finsternis gibts nchstenMontag
um3Uhr. Frhaufsteher knnen
das Spektakel etwa in der Stern-
warte Kreuzlingen TG verfolgen.
UnntzesWissen
Tierisch!
In Alaska ist es
gesetzlich
verboten, Elche
betrunken zu
machen oder sie
aus dem Flugzeug
zu schubsen.
Delfinebentzen
eine individuelle
Abfolge von
Pfeiftnen als
Namen.Mit diesen
sprechen sie sich
gegenseitig an.
EinChamleon
weibchen errtet,
umeinemMnn-
chen zu signali-
sieren, dass es
kein Interesse hat.
Der Tyranno
saurusRex ist
nhermit heutigen
Hhnern alsmit
Echsen verwandt.
Der Schokoriegel
Snickers ist
nach dem Lieb
lingspferdder
Herstellerfamilie
Mars benannt.
Quelle: Neon/Stern
Mein Bild derWoche Am Strand liegt ein kleiner Junge, die dunklen Haare von
Wellen umsplt, das Gesicht in den Sand eingesunken. Als schlafe er friedlich auf
dem Bauch, in seinen Kinderschuhen, der blauen Hose, dem roten T-Shirt. Doch
die nach hinten verdrehten Arme und der kraftlose Krper zeigen eine andere,
traurige Gewissheit: Das Kind ist tot. Sehen Sie das Bild, ohne dass Sie es hier
sehen? Hat es sich Ihnen auch als Symbol fr das Flchtlingsdrama eingebrannt?
Das Foto oben zeigt ein anderes Ende einer Flucht: Lebendig, die Arme um den
Vater gelegt, kommt ein Kind inWien an. Es hat die Hoffnung auf eine Zukunft,
die der erst dreijhrige Aylan Kurdi aus Syrien nun nicht mehr hat.
Leseprobe
Entschuldigung, was lesen Sie gerade?
BatriceVandezande (56),Seminarleiterin
ausOrtschwabenBE
a) Die Kunst des klarenDenkens vonRolf Dobelli
b) Engelskalt von Samuel Bjrk
c) Training emotionaler Kompetenzen vonMatthias Berking
Auflsung:c)WeilichnebenbeiinderPersonalentwicklung
arbeiteunddasBuchmirdabeispannendeInputsliefert.
BettinaOberli
(42) ist Autorin
undRegisseurin
von erfolgreichen
Filmenwie Die
Herbstzeitlosen,
Tannd und
Lovely Louise.
Bilder:RolandSchlager/EPA/Keystone,MarcoZanoni
-
DieseWoche
Wenn der Gang ins Bro
zur Belastung wird
Schweizer Arbeitnehmer machen sich Sorgen um Job und Gesundheit. Gemss einer
neuen Studie von Travailsuisse nimmt jeder Dritte die Arbeit als psychische Belastung
wahr. Unzufrieden machen auch fehlende Weiterbildungsangebote.
Text: Peter Aeschlimann
D
ie Schweiz hat ein Prob-
lemmit lteren Arbeit-
nehmenden. Den Schluss
legt eine neue Studie von
Travailsuisse nahe. Darin heisst es:
Beinahe zwei Drittel der 46- bis
64-Jhrigen glauben kaumdaran,
bei freiwilligem oder unfreiwilli-
gemArbeitsplatzverlust eine ver-
gleichbare Stelle zu finden.
Der Verband der Schweizer
Arbeitnehmer fordert deshalb eine
Anpassung der Anstellungspolitik
und bessere Laufbahnberatungen
fr ltere Semester. Auch sonst
zeichnet das Barometer Gute
Arbeit ein dsteres Bild. So fhlen
sich 40Prozent der Beschftigten
oft oder hufig durch ihre Arbeit
gestresst. EinemDrittel schlgt die
Arbeit gar auf die Psyche.
Mit der Aufwertung des
Frankens hat der Druck noch
zugenommen.Die Folgenwird die
Allgemeinheit zu spren bekom-
men: Die Produktionspeitsche
fhrt zu einer berbelastungmit
negativen Auswirkungen auf die
Gesundheit, aber auchmit hohen
Kosten fr die Volkswirtschaft,
sagt AdrianWthrich (35), der
designierte Prsident von Travail-
suisse. Unzufrieden sind die
Arbeitnehmer zudemmit der Ge-
sundheitsfrderung und denWei-
terbildungsmglichkeiten in ihren
Betrieben. Fast dieHlfte wird
kaumoder gar nicht untersttzt bei
derKarriereplanung. ber 70Pro-
zent sehen keine oder nur geringe
Aufstiegschancen in ihremUnter-
nehmen. Gerademit Blick auf den
Fachkrftemangel sei dies ein gros-
ses Problem, heisst es bei Travail-
suisse. Relativ positiv bewerteten
die 1500 fr die Studie befragten
Personen einzig die Identifikation
mit der eigenenArbeit. MM
Zahlen & Fakten
200
Millionenberstunden
leisten Schweizerinnen
und Schweizer jedes
Jahr. Dies entspricht
ber 100000Vollzeit
stellen.
300
TausendArbeitnehmer
sind so stark belastet,
dass sie amRande einer
Erschpfungsdepres
sion (Burnout) stehen.
5,58
Milliarden Franken be
trgt das konomische
Potenzial frMass
nahmen gegen Stress in
Schweizer Betrieben.
Quellen: Bundesamt fr Statistik,
Gesundheitsfrderung Schweiz
Bild:GettyImages
8 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
Was stresst
Sie im Job am
meisten?
Migrosmagazin.ch
-
Experteninterview
Wer heute amArbeitsplatz
nicht gestresst wirkt, gilt fast
schon als Faulenzer
Strassenumfrage
Wasmotiviert Sie
an Ihrem Arbeitsplatz?
ChristineBaumgartner (33),rztin,
Bern: Der Kontakt zu unterschied
lichenMenschen in allen Lebenslagen,
die detektivischeArbeit, umden
Diagnosen auf die Spur zu kommen,
dieDankbarkeit der Patienten.
MarcelOchsner (21), Finanzberater,
Oberhasli ZH: Wennmanmit der
Brse zu tunhat, istman stetsmit der
ganzenWelt verbunden.Manweiss,
waswirtschaftlich luft.Das finde ich,
bei allemDruck, spannend.
TatjanaDiGennaro (27),
Speditionskauffrau, Zrich: Lssig
ist ein tolles Teamund ein bisschen
Fun beimArbeiten. Bei uns ist immer
was los und so gehen die Tage oft
schneller vorbei, als einem lieb ist.
TheoWehner, 4 von 10 Schweizern
fhlen sich im Job gestresst.Was
machen diese Leute falsch?
Schuld sind primr die Arbeitsbedin
gungen. Zu einemTeil ist das Prob
lem aber auch hausgemacht:Wir
kommenmit demKaffeebecher
ins Bro, dieMittagspause erledigen
wir am PC. UndMails werden am
Sonntagabendwhrend des Tatorts
auf dem Smartphone beantwortet.
Wer amArbeitsplatz nicht gestresst
wirkt, gilt ja fast schon als Faulenzer.
Woher kommt dieser Hang zur
Selbstausbeutung?
Das Selbst war noch nie so wichtig
wie heute. Frher war die Personal
abteilung fr dieMitarbeiter zu
stndig, heute sagt sie: Du selbst bist
fr dich zustndig. Das klingt vor
dergrndig nach Freiheit und Auto
nomie.Tatschlich ist das Selbst
management eine perfide Strategie,
die zur Selbstausbeutung fhrt.
Viele Arbeitnehmer schleppen
sich auchmit einer Grippe ins Bro.
Ist das nicht krank?
Schlimmer sind psychische Erkran
kungen. Die geben zu reden. Es gibt
viele, diemit einer ausgewachsenen
Depression ihrer Arbeit nachgehen.
Immer noch besser, als zehn Stunden
imBett zu liegen. Dennoch braucht es
eine Diagnose und eine Therapie.
Wer bis zumUmfallen arbeitet,
wird von den Kollegen bewundert.
Absurderweise ist der Begriff Burn
out positiv besetzt. Dabei ist er fr
die Betroffenen eine Katastrophe.
In den 70ern und 80ern galt jemand,
der noch keinenHerzinfarkt hatte,
als schlechterManager. Schreiner
musstenmindestens einen Finger
verloren haben. Das Burnout hat die
krperlichen Blessuren von frher
als Trophe abgelst. Jetzt heisst es:
KeinWunder, dass der depressiv
geworden ist, bei der Arbeit!
Nehmenwir die Arbeit zu wichtig?
Ja, wir sind bereit, unser ganzes
Lebenmit demBro zu synchronisie
ren. Dabei herrscht bei der Arbeit
ziemlich viel Sinnfinsternis.
Wiemeinen Sie das?
Einer Ttigkeit nachzugehen und
dafrGeld zu bekommen, ntztmir
zwar undmeinemArbeitgeber. Die
Sinnfrage bleibt aber unbeantwortet.
Nurwenn etwasmitmeinenWerten
bereinstimmt,macht es Sinn.
Viele Leute erleben das zumBeispiel
erst bei der Freiwilligenarbeit.
Schon ab 40 realisieren viele
Arbeitnehmer: Ich bin ersetzbar.
Wie gehtmanmit dieser
permanenten Unsicherheit um?
Eine Gesellschaft, die nichtmehr in
der Lage ist, Erfahrung zuwrdigen,
ist der Roboterisierung sehr nahe.
Damit das Alter nicht zu einem bio
logischen Risiko wird, ist eine gute
Personalentwicklung ntig. VieleHR
Abteilungen beschrnken sich heute
aufs Verwalten und Rekrutieren.
Moderne Firmenwie Google bieten
ihrenMitarbeiternWeinbars, Chill
outLounges oder Spielzimmermit
Rutschbahnen.Wie sinnvoll ist das?
Mich erinnert das anKlster oder ans
Militr, wo alles unter einemDach ist.
Es gibt Leute bei Google, die wissen
nicht, dass die Limmat durch Zrich
fliesst. Dawird die Trennung vonf
fentlichemund Privatem aufgehoben,
die wichtig wre fr eine Gesellschaft.
Der ffentliche Raum ist eine ffentli
che Telefonzelle geworden.Unswird
vorgegaukelt, dass so Synergien
entstehen, doch inWahrheit ist es
ein immenser Verlust von Kultur.
Wer auf TeambuildingEvents
verzichtet, gilt bald als asozial.
Dabei sind auch sie ein Auslser fr
Stress.Man sollte sich da sehen las
sen. Jedermuss in denKletterpark
oder zumRiver Rafting. Dabei werden
aber keineGrenzen ausgelotet, son
dern im schlimmsten Fall derKollege
blossgestellt, der beimMittagessen
immer die grssten Portionen auf den
Teller legt und es deshalb nicht allein
aus demSchlauchboot schafft. MM
TheoWehner (66)
Professor fr
Arbeits und
Organisations
psychologie
an der ETHZrich
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 9
-
Wasmacht einen
Menschen
zumFreund?
Wo ziehen
wir die Grenze zwischen einem
Freund und einem guten
Freund? Undwas ist ein bes
ter Freund? Fr die einen ist es
die Person, die regelmssig beim
Umzug hilft, ihr Auto bereit
willig ausleiht undmit derman
einfach das Leben geniessen und
Spass haben kann. Anderen ist
wichtig, dass ein Freund diesel
benWertvorstellungen teilt und
stets fr einen da ist auch
wenn die Treffen eher rar sind.
Freundschaften haben so
unterschiedliche Gesichter wie
dieMenschen dahinter.
DerkleineUnterschied
Freundschaften unterscheiden
sich in der Anzahl der Freunde,
den gemeinsamenThemen,
denAktivitten, in derHufigkeit
der Treffen oder derRelevanz.
Die Bedrfnisse variieren je nach
Alter, Beziehungsstatus oder
Geschlecht. Zu diesemSchluss
kommt die Studie Freunde frs
Leben der deutschen JacobsAG
von 2014 (sieheGrafik Seite 13).
Was die Geschlechter be
trifft, sind sichMnner und
Frauen einig, dass sie Freund
schaften unterschiedlich leben.
Gemss Studie ist Frauen die
Kommunikationwichtiger,
whrendMnner auchmal
zusammen schweigen knnen.
Ja, sie knnen zusammen Zeit
verbringen, ohnewirklich etwas
zu tun. Die Forschung hat
herausgefunden, dassMnner
mit Berberaffen einige Fhig
keiten teilen. Nein,Mnner
putzen sich zwar nicht gegen
seitig. AberMnner knnen
durch enge Freundschaften
resistent werden gegen jeglichen
Stress von aussen.
Das ist wohl auch der Grund,
weshalb sichMnner bisweilen
leichter tun als Frauen,
neue Freunde zu finden: Tragen
zweiMnner an einer Party
das gleiche Outfit, werden sie
zuKumpels. Bestellen zwei
Mnner in einer Bar das gleiche
Getrnk, werden sie zuKumpels.
Undwarten zweiMnner
auf den gleichen verspteten
Zug nawas wohl? , werden
sie zu Kumpels.
Mnnermgen Ergnzungen
Sechs ltere und jngere
Mnner erzhlen auf den fol
genden Seiten, warum ihre
Definition einer guten Freund
schaft weit ber das gemein
same Biertrinken hinausgeht.
Alle rumen dem jeweiligen
besten Freund einen speziellen
Stellenwert ein und stren
sich nicht an ihren Ander
sartigkeiten. Im Gegenteil:
Sie schtzen ihre Unterschiede
Stichwort Ergnzung.
Leben und leben lassen: eine
mnnliche Tugend?
Portrt
Beste
Freunde
Mnner leben Freundschaften anders als
Frauen. Sie verstehen sich ohne Worte, mgen
Unterschiede. Sechs unzertrennliche Freunde
erzhlen, warum sie sich nicht missen mchten.
Text: Laila Schlfli Bilder: Gabi Vogt
10 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
-
WennMnner Freud und
Trauer teilen
Xaver Pfister (68) und Markus Bitterli (75)
aus Basel sind seit 1976 befreundet.
ZwischenMnnern und Frauen gibt esmehr als den kleinen
Unterschied:Davon sind Xaver Pfister undMarkus Bitterli ber
zeugt. Mnnergesprche verlaufen eher rational, sagt Bitterli.
undweniger ausschweifend, fgt Pfister an. Bitterli weiter:
Frauen gehen eher auf die psychologischen, sinnlichen Sachen
ein. ber Gefhle und Emotionen redenwir nicht so viel.
Sie seien nichtminder sensibel, nur halt anders. Ihre Themen
sind: dieWelt verbessern und Religion. Obwohl Xaver Pfister
Theologe ist, finden sie sich im kritischenDenken gegenber der
Kirche. Das Schne an unserer Freundschaft ist:Wir haben
andere Schwerpunkte, aber treffen uns auf der gleichen
Ebene. Ichwarmal in einerMnnergruppe, sagtMarkus
Bitterli. Nach vier Tagen gab ich auf. Themawar immer: diese
Scheissweiber. Pfister: Da fllt mir ein:Wir reden nie darber,
was wirmit unseren Frauen besprechen.Wir lstern nicht.
Kennengelernt haben sie sich 1976, als der kirchliche Jugend
arbeiter Xaver Pfister eine Projekteingabe fr einen Spielplatz
machte und diese beiMarkus Bitterli auf demTisch landete, der
als Sozialpdagoge die Kontaktstelle fr Quartierarbeit innehatte.
Wir waren aus dem gleichenHolz geschnitzt, sagt Bitterli.
Er und seine Frau luden Pfisters zumZnacht ein. Aus der Freund
schaft zweier Prchen kristallisierte sich die Freundschaft der
beidenMnner heraus, geprgt von einschneidenden Erlebnis
sen: demTod vonMarkus Bitterlis Nichte und spter von seiner
ersten Frau sowie Xaver Pfisters Depression. Als dieser in der
Klinik war, hatte er ausser der Familie nurmit seinemFreund
engenKontakt. Ich dachte: Gopf, der Typ ist so gut!, sagt
Bitterli. Xavers Buch Der vergessene dritte Klang ffnetemir
viele Augen zumEvangelium. Unverstndlich, wiemanmit so
einemErfolg in eine Depression rutschen kann.
Solche Ereignisse seien auch Zeiten der Klrung, sagt Xaver
Pfister: Wer ist wirklich wichtig frmich?Markus und ich
haben uns auf der Gesprchsebene getroffen. Sein Freund
ergnzt: Bei dir konnte ich einfach rauslassen. Duwarst einer
der wenigen, der zugehrt hat. Bei niemandem sonst kann ich
so unzensiert erzhlen.Da sein, wenn es schwierig ist, das
sei der wertvollste Punkt einer Freundschaft.Xaver Pfister
sagt: Und es darf nicht von einer Laune abhngen. Im Sinne von:
Ah, dem chnti au widrmal aalte.
EinNachtessen proMonat planen sie fix ein, plus eine
Woche gemeinsame Ferien in Frankreichmit den Ehefrauen.
Dort bewirtet Hobbygrtner und kochMarkus Bitterli mit
selbst gekeltertemWein. So schliesst sich ihr Interessenkreis:
Wein und Rebstock kommt berall imEvangelium vor, sagt er.
Die verstandenwas von Lebensqualitt.
Mnnergesprche
verlaufen eher rational,
sagtMarkus Bitterli
(rechts), ... undweniger
ausschweifend, ergnzt
Xaver Pfister.
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 11
Mein bester
Freund:
Senden Sie uns
ein Portrt.
Migrosmagazin.ch
-
Wenn Pascal einen schlechten
Tag hat, lsst er die Schultern
mehr hngen als sonst. Und
er schlurft, sagt Lucas Zeller
(links). Und Pascal Schellenberg
weiss: Ist Lucasmies drauf, ist er
deutlich ruhiger.
12 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
-
WennMnner sich in-
und auswendig kennen
Pascal Schellenberg (18) und Lucas Zeller (17)
aus Zrich sind zusammen aufgewachsen.
In ihrer gemeinsamenBiografie gibt es nur eine
Lcke von zwei Jahren: als ihr Schulhaus umgebaut
und Pascal Schellenberg und Lucas Zeller auf
zwei Schulen aufgeteilt wurden. Doch dawar der
Grundbaustein fr ihre Freundschaft lngst gelegt.
Lucas erste Erinnerung ist die Spielgruppe:
Wir bewarfen die Leiterin immerwiedermit diesen
quadratischenKissen. So flogenwirmehrmals raus.
Krach hatten die beiden Zrcher in den 17 Jahren
nie. Es gab keinenGrund. Da sind sich beide einig.
Nett sein zueinander bedeutet noch lange keine
Freundschaft.GenausowieMiteinanderschimpfen
nicht dagegenspricht, sagt Pascal. Wir haben
die gleicheWellenlnge, sind uns aber nicht wirklich
hnlich. Lucas ist eher der logischDenkende, ich
bin eher vertrumt. Er hatmehr denDurchblick.
Lucas przisiert: Wir selber sind unterschiedlich,
aber wir haben die gleichenWeltansichten.
Undwir kommen aus hnlichen Elternhusern.
Unsere Vter sind befreundet, Pascals Vater istmein
Gtti. Die Erziehung Anstand undRespekt ist
bei uns genau gleich. Sogar dieHobbys glichen sich
mit der Zeit an. Bei vielem ist unklar, wer damit
zuerst war. Pascal berlegt: ZumLesenmusste ich
michmega berwinden. Lucas ermuntertemich.
Umgekehrt bernahmLucas von Pascal das Gamen
und somit ein bisschen sein ruhigeres Gemt.
AnGeburtstagen nehmen sie sich ein, zwei Stunden
Zeit nur freinander, wie bei Pascals 18.:Lucas
berraschte ihnmit einer Grillade und einem selbst
gebackenenKuchen.Heute lernen die beiden
Elektorinstallateur imgleichenBetrieb. Seither ist ihre
Freundschaft auf einem anderen Level: zusammen
arbeiten, Ausgang mal bisschen lnger als frher,
sagt Pascal und lacht. Und gemeinsameFerien
in Schweden, immer am selbenOrt, schon dreiMal.
Gegen Schluss dieser ein bis zweiWochenwird es
jeweils ruhiger bei den beiden. Die Art vonRuhe,
diemanunterVertrauten geniesst. Pascal drfte aber
schon ein bisschenmehr reden, sagt Lucas. Pascal
lsst das kalt:WennLucasUnterhaltung brauche, rede
er einfach selber.
Niemandweissmehr ber den andern als sie.
Deine Schultern sagen alles, glaubmir!, sagt Lucas.
Wenn du einen schlechtenTag gehabt hast, lsst du
sie nochmehr hngen als sonst. Und du schlurfst.
Pascal weiss: Hat Lucas einen schlechtenTag gehabt,
ist er deutlich ruhiger.Andere Freunde kamen und
gingen. Die Vertrautheit aus Kindertagen schweisst
die beiden zusammen.Doch sie wren auch sonst
so gut befreundet, davon sind sie berzeugt. Nach der
Lehremchten sie eine Zweier-WGgrnden, und
irgendwann wird Pascal der GttimeinerKinder,
so Lucas. Die Frauenmssen dann einfachmit-
einander auskommen. Aber auch da sehen die beiden
kein Problem.
Studie Mnnerfreundschaft
Was passiert unter Freunden? Und was geht gar nicht?
Das geht in einer Freund-
schaftgarnicht:Andere
politische Ansichten sind
kein grosses Problem. Aber
Vertraulichesweitererzh-
len solltemanbesser nicht.
Mnner lebenFreundschaftenanders als Frauen:
Mnnerwollen Spass haben und teilen oft ein
gemeinsamesHobby. Frauen suchen dasGesprch.
Frauen
Mnner
In Prozent
Mir den Partner/die
Partnerin ausspannen
5 1
94
Quellen: Jacobs-Studie 2014, Institut fr Demoskopie Allensbach
73
53
Wir sprechen sehr offen ber das, was uns
bedrckt beziehungsweise beschftigt.
80
65
Wennwir zusammen sind,wird viel und
ausgiebig geredet.
61
38
Wir sprechen hufig ber unsere Familien,
unsere Kinder.
59
44
Wir sprechen auchmal ber unsere Partner und
Partnerinnen oder ber Beziehungsprobleme.
54
34
Auchwennwir uns nicht sehen,
versuchenwir, engen Kontakt zu halten;
wir rufen uns an oder schreiben uns.
32
40
Wennwir zusammen sind,wollenwir vor
allem viel Spass haben.
27
36
Wir sprechen viel ber unsere Arbeit,
die Ausbildung beziehungsweise die Schule.
26
47
Wir teilen einHobbymiteinander, das uns
verbindet.
22
35
Wir knnen auch lange zusammen sein,
ohne dass viel geredetwerdenmuss.
18
33
Wirmachen schonmal einen drauf,
schlagen ber die Strnge.
0% 50% 100%
Daswrdemeine
Freundschaft:
aushalten
beschdigen
keine Angabe
In Prozent
12
88
Vertrauliches vonmir
anderenweitererzhlen
13 1
86
Schlecht bermich
reden, bermich lstern
1 23
76
Sich sehr lange nicht
melden
2 18
80
Weit
wegziehen
1 10
89
Ganz andere politische
Ansichten vertreten
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 13
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WennMnner sich gegenseitig
inspirieren
Stefan Goekbas (31) und Giulio Falcone (24)
aus Zrich sind seit dreieinhalb Jahren unzertrennlich.
Als Stefan Goekbas Giulio Falcone erblickte, ging er direkt auf
ihn zu und ksste ihn. Ich sah dieses Gesicht, ichmusste es
einfach tun, sagt er. Wir sahen uns, und esmachte grad: bumm!,
ergnzt Giulio und schnipptmit den Fingern.Was wie eine
Liebesgeschichte klingt, ist der Anfang einer innigen Freundschaft.
Eigentlich ist es wie eine Ehe ohne Sex, sagt Giulio. Beide
stehen aufMnner, aber nicht aufeinander. Stefan ist wie ein
Bruder, ich knnte nichtsmit ihm haben. Seit demKennenlernen
an einerHairshowparty vor dreieinhalb Jahren verbrachten die bei-
den Coiffeure fast jedesWochenende zusammen. Es folgten sieben
Monate im selben Salon, danach htten sie nichtmehr nicht
zusammenarbeiten knnen, sagt Stefan. Vor zwei Jahren grnde-
ten sie in Zrich ihr eigenes Geschft: sisters. Der Name entstand
auf einer Party, als sie sich ironisch hey, sista nannten das blieb.
Stefan ist mehr so der Draufgnger und Kreative, der weniger
ber Konsequenzen nachdenkt, sagt Giulio. Ich bin eher Realist
und organisiere und kaufe ein. Beide schtzen ihre Unterschiede.
Stefan sagt: AnGiulio bewundere ich seine Prsenz undwie er im
Geschft Alltagssituationen bewltigt. Er ist stark. Sich selber sein
knnen sie auch bei guten Freunden. Bei ihnen kommt die Inspirati-
on hinzu: dieses Sich-gegenseitig-Hochschaukeln, das Aus-dem an-
dern-das beste-Rausholen. Ihre Energie ist fr andere schnell zu viel
auch fr potenzielle Partner. Wir geben immer Vollgas. Da ist es
schwierig, als Aussenstehender reinzukommen, sagt Stefan.
Freundschaft ist beiden wichtiger als Partnerschaft. Wir haben
immer erste Prioritt, fgt Giulio an. Ichweiss nicht, was passie-
renmsste, damit diese Freundschaft kaputtginge. KeinenKontakt
haben sie nur, wenn sie schlafen. MM
StefanGoekbas (stehend): Er hat
Prsenz, ist stark. Giulio Falcone:
Er ist ein kreativer Draufgnger.
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 15
-
Mit demVelo auf Stimmenfang:
RetoWeibel vor der SP-Zentrale
in der Basler Altstadt.
RetoWeibel
(33, SP/BS)
Unter Freunden
Dienstagabendam
Claraplatz Basel.
Herbstanfang, es
regnet, vomFeier-
abendlrm istwenig
zu spren. BeimGe-
bude, in demsichdie
SPBasel-Stadt befin-
det,merktman schnell,
welchePartei hier zu
Hause ist: EinVelomit
knallrotemSP-An-
hnger steht neben
demLift.Obenhaben
sich zwischenKisten,
geflltmit Flyern und
Plakaten, dreiWahlhel-
fer umBedaBaumgart-
ner (23) versammelt,
denPrsidentender
JusoBasel-Stadt.
Einer von ihnen ist
RetoWeibel. Er ist
seit zwlf Jahren
SP-Mitglied und hat
sich heute fr einen
Telefonanlass an-
gemeldet. Wir rufen
andereMitglieder
an und versuchen, sie
fr Parteianlsse zu
mobilisieren oder von
einer Spende zu
berzeugen, sagt der
Finanzfachmann. Er
hat an diesemTag zwei
Stunden telefoniert,
das Tagesfazit istmit
21abgeschlossenen
Gesprchen und 7 Zu-
sagen positiv. Das ist
quasi sein Lohn.
Die Stimmung ist
kollegial undgemt-
lich. Aktionenwie
heutemachenSpass,
auch,weilman alte
Freundemalwieder-
sieht, sagtWeibel.
DenWahlen sieht er
gelassen entgegen:
Wennwir es schaffen,
gengend Leute zu
erreichen, bin ich
zuversichtlich, dasswir
ein paar Prozente
zulegen und in Basel
einendritten Sitz holen
knnen. Ichwerde
immer optimistischer.
16 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
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ie sprechen stundenlang
fremdeMenschen auf
der Strasse an, telefo
nieren in ihrer Freizeit
Whlerlisten ab oder unter
sttzen die Kandidierenden
moralisch. DieHelferinnen und
Helfer sind ein entscheidender
Faktor desWahlkampfs. Bis
zum 18.Oktober wird noch viel
ehrenamtliche Arbeit geleistet
aus politischer berzeugung
oder als Freundschaftsdienst.
Der persnlicheKontakt ist
dabei entscheidend: In der
Romandie sindwir nahe an den
Leuten und gehen beispielsweise
inGenf vonTr zuTr, sagt
CVPGeneralsekretrin Batrice
Wertli. Die SVP zhlt auf alle
90000Mitglieder alsWahlkampf
helfer; sie sollen Verwandte und
Bekannte impersnlichen
Umfeld bearbeiten. Bei derFDP
machen viele derKandidieren
den zuFuss odermit dem
Fahrrad eine Tour durch ihren
Kanton und kommen so ins
Gesprchmit der Bevlkerung.
Die Sozialdemokraten haben
ber den Sommer landesweit
rund 400 sogenannteKchen
tischgesprche organisiert
und setzen erstmals im grossen
Stil auf Telefonate.
TiereundKugelschreiber
Bereits im Sommer versperrten
Wahlhelfer die Trottoirs und
drckten PassantenGiveaways
in dieHand. Tiere bleiben bei
den 50. eidgenssischenWahlen
seit 1848 verschont: Die SVP hat
Geissbock Zottel nach dessen
spektakulrer Entfhrung vor
vier Jahren durch Plsch
SennenhundWilly ersetzt. Und
die SP hat ihreKlamaukvideos
Mach das Zebra nicht hssig
von 2011nicht neu lanciert.
Laut Bundesamt fr Statistik
hoffen derzeit 3802 Personen
auf einen Platz im Parlament
ein Rekord. Die Kandidierenden
akquirieren ihreHelferteams
meist selber. In der Regel kn
nen die Parteien die Kandidaten
nicht genug untersttzen, sagt
der Schweizer Politologe
Andreas Ladner (57). Im Ideal-
fall hatman eine Lokalsektion
hinter sich. Ansonsten ist es
der Bekannten- oder Familien-
kreis, dermitmacht. Oderman
schafft es, ein Komitee zu
grnden.EineHerausforde
rung sind dabei die sinkenden
Mitgliederzahlen der Parteien.
Frher hatteman durch die
Parteizugehrigkeit noch einen
gewissen Informationsvor
sprung, sagt Ladner. Heute
erfhrtman dasmeiste aus
der Presse. Ausserdemhaben
die Leute noch viele andere
Verpflichtungen.
Hier rollt derRubel
Trotz aller ehrenamtlichenAr
beitwird 2015wohl der teuerste
Wahlkampf aller Zeiten. Eine
Studie der Forschungsstelle
Sotomobesagt, dass allein fr
Inserate, Plakate undKinospots
2011 bereits 42Millionen
Frankenflossen.Heuerwerden
die Zahlennoch hher sein.
Die nationalenBudgets der
Parteien belaufen sich nach
eigenenAngaben auf zwischen
200000 (Grne) und 3,5Millio
nenFranken (FDP). DieUnter
Frondienst aus
berzeugung
Kein Wahlkampf geht ohne sie ber die Bhne: Tausende Helfer und
Helferinnen stehen seit Wochen unermdlich fr ihre Parteien im
Einsatz. Wer sind sie? Was treibt sie an? Drei Frondienstler im Portrt.
Text: Anne-Sophie Keller Bilder: Gabi Vogt
Wahlen 2015
nehmen spielen bei der Finanzie
rung zunehmend einewichtige
Rolle oft nicht nur ausGood
will, sondern in derHoffnung auf
eineGegenleistung. In vierWo
chenwird sich zeigen,welche In
vestitionen sich auszahlen. MM
Serie (4/5)
Wahlen 2015
Am 18.Oktober
whlt die Schweiz
200 National- und
46 Stnderte. Das
Migros-Magazin
begleitet den
Wahlkampf.
Teil 1:DieNeulinge
von 2011
Teil 2:Wahlkampf via
SocialMedia
Teil 3:Die Jungwhler
DieseWoche:
Wahlkampfhelfer
wasmotiviert sie?
Teil 5:Chancenlose
warum treten sie an?
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 17
-
DasAngenehmemit dem
Ntzlichen verbinden:
DerGrnliberale
Thierry Li-Marchetti ber
denDchern Luzerns.
Thierry Li-Marchetti
(30, GLP/LU)
Debattieren
statt feiern
StattAusgangwar
bei den zehnNatio-
nalratskandidatinnen
und -kandidaten der
JungenGrnliberalen
(GLP) Luzern am
Abenddes 3.Septem-
ber Politik angesagt: In
einerWG in derNhe
des Bahnhofs traf
man sich zu Bier und
Debatte.Mittendrin:
Thierry Li-Marchetti.
Bei derGLP ist er
fr dieKommunika-
tionskanle verant-
wortlich.Konkret
heisst das: Social
Media, Blogs,Website.
Zudemkmmert er
sich umdieMarketing-
arbeit das alles ohne
Lohn, nur aus politi-
scherberzeugung.
Wir betreiben Sach-
politik und beschf-
tigen uns nichtmit
irgendwelchenGra-
benkmpfen, sagt er
ber seine Partei. Vie-
le junge Leute haben in
der Schweiz eigentlich
keine grossen Pro-
bleme. Dasswir Politik
machen, ist eher Luxus
als Notwendigkeit,
sagt der Kommunika-
tionsspezialist.
DasDurchschnitts-
alter andiesem
Abend liegt bei
24 Jahren. Alle studie-
ren oder haben das
Studiumbereits
abgeschlossen. Das
wird uns ja oft auch
vorgeworfen, sagt
Li-Marchetti, dasswir
zu akademisch sind.
Schlecht sei das aber
nicht: Innerhalb der
Partei gibt es zumTeil
recht unterschiedliche
Meinungen. AmEnde
findetman aber immer
einen sinnvollen
Konsens.
18 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
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Frnzi Schmid (66, SVP/ZH)
Wahlkampf bei Zpfe und Lndler
Bisikon ist ein beschaulicher
Flecken imZrcherOberland.
Am 30. August jedoch fahren statt
TraktorenMinivans durch die
400-Seelen-Idylle. Eifrig schleppen
Helfer Kistenmit SVP-Tisch-
tchern, SVP-Servietten und
SVP-Visitenkarten in die ehemalige
Tabakscheune. Die Volkspartei ldt
zumBuurezmorge. Frnzi Schmid
hat untersttzt von ihremTeam
die Zgel fest in derHand. Ichwar
45 Jahre lang Reisefachfrau, das
Organisieren liegtmir, sagt sie.
150Leutewerden erwartet; bereit
stehen zwlf Kilo hausgemachte
Zpfe. Das Budget ist geheim. Zur
SVP kamFrnzi Schmid vor 20 Jah-
ren. IhrMann sei damals schon in
der Partei gewesen.Whrend sie
amBuurezmorge herumwirbelt,
sagtNationalratskandidat Stefan
Krebs auf demPodium, er vermis-
se die Bodenhaftung der Politiker.
Durch dieMenge geht ein zu-
stimmendes Raunen. Dazwischen
spielt das Lndlertrio Alpenblick
Wallisellen. An der SVP schtzt
Schmid, dass sich die Partei fr
die Bauern einsetzt. Ihr Umfeld sei
politisch durchmischt, doch in
Asylfragen seiman sich einig: Das
Elendmacht betroffen. Aberman
muss die Problemedort unten l-
sen. Dannmuss sieweiter: An der
Kasse fehltMnz, eine Besucherin
sucht die Toilette, und Tochter Rita
sagt, es brauchemehr Konfi. MM
Die ehemalige Reisefachfrau Frnzi Schmid organisiert in Bisikon fr die
SVP den Buurezmorge. 150 Leutewerden erwartet.
Rund90Prozent derAusgaben kommen aus denKassen der FDP
und SVP. Letztere stieg frher in denWahlkampf ein und verdreifachte
ihre Investitionen imVergleich zum letztenWahlkampf. Quelle:Media Focus / SRG
Kosten
So teuer wie noch nie
Dies sind lautMedia Focus die Ausgaben frWahlwerbung
zwischenApril und Juli 2015:
SVP
FDP
CVP
SP
Grne
1732788 Fr.
(2011: 548799 Franken)
1084078Fr.
(2011: 889283 Franken)
145893 Fr.
(2011: 841067 Franken)
70790 Fr.
(2011: 127902 Franken)
52780 Fr.
(2011: 37372 Franken)
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 19
Zottel
und die etwas
anderen
Wahlhelfer.
Migrosmagazin.ch
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Wasmache ichmit den
Hnden? Brauche ich
sie, oder halte ich sie
still? Die Frage ist bei
Barbara Bucher (44) immer prsent,
wenn sie amReden ist. ImMoment
sind dieHnde in Bewegung, undwie.
Blitzschnell krmmen und strecken
sich ihre Finger, die Hnde zeichnen
Wellen in die Luft, Daumen gehen
nach oben, Handflchen nach unten.
Mit diesen raschen, geschmeidigen
Bewegungen unterhlt sich Barbara
Buchermit UeliMatter (47). Zu
hren ist nur ein Flstern. Die beiden
kommunizieren berHandzeichen,
Mimik und fast lautlos gesprochene
Wrter. Denn der eine ist praktisch
gehrlos und die andere Dolmetsche
rin fr Gebrdensprache die ge
meinsame Sprache der beiden.
UeliMatter, Sohn des Berner
LiedermachersManiMatter, kam
1967 dreiMonate vor demTermin zur
Welt. Der Stadtberner kann deshalb
seit Geburt nur 20 Prozent
aller Geruschewahrnehmen,mit
Hrgert 40. Fr seinen Traumberuf
Pilot reichte das nicht, er wurde
Automechaniker. Als sich das nach
ein paar Jahren als Stressjob heraus
stellte, sattelte er um auf Taxifahrer.
Inzwischen gondelt er seit 23 Jahren
durch die belebten Strassen der
Berner Innenstadt und geniesst die
Stille in seinemAuto auchwenn das
Hrgert an ist. Mehr Gerusche
wrdenmich nur ablenken, sagt er.
DasMartinshorn hrt er allemal. Und
wenn die Verstndigungmit denFahr
gsten nicht klappt,macht er sie auf
seineHrbehinderung aufmerksam.
Diebesondere Zweisprachigkeit
Ideal ist, wenn dieseHochdeutsch
mitMatter sprechen und deutlich
artikulieren, sodass er von den Lippen
lesen kann.DennMatter beherrscht
neben der Gebrden- auch die
Lautsprache etwas, das sich der
Gehrlosenbund fr alle 8000Men-
schen in der Schweiz wnscht,
die hrbehindert zurWelt kamen
oder gehrlos sind.Betroffene sollen
schon als Kinder beide Sprachen
lernen, so das Ziel. Denn die
Gebrdensprache steht einemKind
praktisch sofort als Kommunika
tionsmittel zur Verfgung, whrend
die gesprochene Sprache und das
Hrenmit technischenMitteln zuerst
aufwendig gelerntwerdenmssen.
Gebrden und Lautsprache er
geben zusammen eine besondere
Art von Zweisprachigkeit. Dass
gehrlose Kinder damit aufwachsen,
ist beispielsweise in skandinavischen
Lndern bereits die Regel. In der
Schweizmuss sich die Idee noch ge
genKritiker durchsetzen. Sie finden,
dass Kindermit einerHrbehinde
rung ber rein lautsprachlichen
Unterricht besser in die hrende Ge
sellschaft integriert werden.
Ueli Matter,
Sohn des Berner
Liedermachers
ManiMatter, ist
vonGeburt an
stark hrbehindert.
Er hat sich damit
arrangiert und
schtzt sogar die
stillenMomente.
Gestenreich
durchs Leben
Portrt
20 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
Drei Hr
behinderte
erzhlen aus
ihrem Alltag.
Migrosmagazin.ch
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Barbara
Bucher hat
hrbehinderte
Eltern und
schon als Kind
Gebrden
sprache
gelernt.
Immerhin ist die Gebrdensprache
heute erlaubt.Vor 40 Jahren war
sie in der Schule noch verboten und
in der ffentlichkeit verpnt, weil
man befrchtete, Gehrlose wrden
sich durch eine eigene Sprache
vomRest der Gesellschaft abgren-
zen.Die Eltern von Barbara Bucher
der Vater taub, dieMutter schwer
hrig verwendeten die Sprache nur
zuHause.
Inzwischen verdient die Dolmet
scherin aus Thalwil ZH damit ihr
Geld. Sie doziert an derHochschule
frHeilpdagogik in Zrich, ber
setzt die Tagesschau am Schweizer
Fernsehen sowie an Sitzungen, Ge
sprchen undKongressen, bei denen
Hrbehinderte anwesend sind.
Von der Geburt bis zur Beerdigung
sind alle Themen des Lebens dabei,
sagt sie, und dazwischen geht es um
Schulgesprche,Weiterbildung, Arzt
besuche und Fachkurse zu allenmg
lichen Themen von der Elektronik bis
zumBaumschneiden. Gefragt sind
also ein grosses Allgemeinwissen und
breit gefcherte Interessen, aber auch
die Bereitschaft, sich zu exponieren.
BeimGebrden stehtman optisch
immer imMittelpunkt, sagt Bucher,
damitmussman umgehen knnen.
Eine Tagesschaumit all ihren
Kriegs, Hunger undKatastrophen
meldungen lsst die Dolmetscherin
emotional praktisch unberhrt:
Diese Sendungenwerden textlich
Experteninterview
Russische
Gebrdensprache
verstehe ich nicht
Psycholinguistin Penny Boyes
Braem erforscht seit ber 30 Jah
ren die Gebrdensprache und
grndete 1982 das Forschungs
zentrum fr Gebrdensprache in
Basel (Fzgresearch.org). 2014 ver
lieh ihr die Universitt Zrich ein
Ehrendoktorat.
Penny Boyes Braem, was ist
das Besondere an der Gebrden-
sprache?
Sie hat wie die Lautsprache eine
eigene Struktur undGrammatik
regeln. ZumBeispiel kommt es bei
jeder Gebrde auf die richtige
Handform undHandstellung an,
und darauf, mit welcher Bewegung
undwo sie ausgefhrt wird.
Ist es eine universelle Sprache?
Nein. Ich zumBeispiel habe die
amerikanische undDeutschschwei
zerGebrdensprache gelernt, ver
stehe hingegen die russische oder
britische nicht. EinigeGebrden
sehen in verschiedenenLndern
hnlich aus etwa jene fr Baum
oder Stuhl.Aber einHaus
wird bei den Inuit ganz anders
dargestellt als in der Schweiz.
Macht das Cochlea-Implantat
(siehe Box auf folgender Seite)
die Gebrdensprache eines Tages
berflssig?
Es kommtdarauf an,wannder
Hrverlust eingetreten undwie
ausgeprgt er ist. NachMeinung
vielerMedizinermssenGehrlose
nur dieWrter hren, umfliessend
sprechen zu knnen. Aber es
gibt auchGehrlosemit Cochlea
Implantat, die ganz bewusst die
Gebrdensprache lernenwollen,
da es fr sie die einzige Sprache ist,
in der sie sichwirklich differenziert
ausdrcken knnen.
Text:EvelinHartmann
Hrbehinderte leben anders.
Wie, erfhrt man am Samstag in Bern
zumWelttag der Gebrdensprache.
Auch Ueli Matter und Barbara Bucher
kennen die Herausforderungen
der Gehrlosigkeit. Und deren Vorzge.
Text: Yvette Hettinger Bilder: Simon Iannelli
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Schmetterlingsorchidee
Phalaenopsis mit zwei Bltentrieben,
in diversen Farben, im 12-cm-Topf
3001.083
5
0
%
8.40
vorher 16.90
Calluna
In diversen Farben, im 10-cm-Topf
3020.855
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B
O
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1.25
Grser
Z.B. Miscanthus oder Pennisetum, im 23-cm-Topf
3082.512
2
5
%
24.60
vorher 32.90
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bewusst nchtern gehalten. Geht es aber
darum, in einemDialog zu bersetzen,
schlpft Bucher in die Rolle des jeweiligen
Gesprchsteilnehmers und spricht in der
Ichform. Da bleibt schonmal das eine oder
andere Gefhl hngen, das sie nach demEin
satz bewusst wieder abstreift ein Glcks
erlebnis ebensowie einen Frust.Was aber
jedesMal bleibt: ein gesteigertes Verstndnis
fr die Situation derMenschen. Etwa fr
einen Sozialarbeiter, der seine Formulare
genau ausgefllt habenwill und auf den ersten
Blick vielleicht einfach nur pingelig erscheint.
Bucher versteht sich als Brcke zwischen
derWelt der Gehrlosen und jener der
Hrenden.Die beiden zusammenzubringen,
ist gar nicht so einfach, wie sie festgestellt hat.
Einst hat sie zumEssen eingeladen: Da sassen
die hrenden Freunde am einen Ende des
Tisches und die Gehrlosen am anderen. Die
Berhrungspunkte waren gering, der Aus
tausch beschrnkt. Macht aber nichts, sagt
Bucher und zuckt die Achseln. Das knne auch
unterHrenden passieren. Sie selber ist in
beidenWelten zuHause. Ein Teil von ihr sei
irgendwie gehrlos, erklrt sie. So kommuni
ziert sie praktisch nie von Raum zuRaum,
sondern stets von Angesicht zu Angesicht,
auchmit Hrenden. Von ihren Eltern lernte
sie, die Reaktionen vonMenschen zu beobach
ten und zu interpretieren. Krzlich war sie in
Sdamerika unterwegs, und obwohl sie kein
Spanisch versteht, begriff sie sofort, was ein
Einheimischer zu ihr sagte noch bevor ihr
Spanisch sprechender Partner ihn verstand.
Dass die Gehrlosigkeit durchaus Vorteile
hat, insbesondere auf Reisen, hat auchUeli
Matter festgestellt. Wenn ich dasHrgert
ausschalte, schlafe ich immer gut, egal,
wie laut es an einemOrt ist, sagt ermit einem
Schmunzeln. Das ist gbig. MM
BarbaraBucherundUeliMatter sind nebenweiteren
achtMenschen in demBuch Augenmenschen von Johanna
Krapf portrtiert; Rotpunkt Verlag, Fr. 28. bei Ex Libris.
Beide sprechen am29.Oktober in der Stadtbibliothek
Rapperswil berGehrlosigkeit, Stadtbibliothek-rj.ch
Am26.September informiert der Schweizerische
Gehrlosenbund in Bern anlsslich desWelttages der
Gebrdensprache berGehrlosigkeit: Sbg-fss.ch
Medizinisches
Hrbehinderung bei
Kindern
Hrscreeningbei Suglingen
Jedes Jahr kommen in der Schweiz
100Kinder fast taub zurWelt. Deshalb
wird bei Neugeborenen schon imSpital
einHrtest gemacht. 90Prozent der
Kinderwerden so erfasst. Den anderen
Eltern empfiehltman einen Test inner-
halb einesMonats.
DasCochlea-Implantat
Fllt das Ergebnis schlecht aus, ist eine
angeborene Schwerhrigkeit anzuneh-
men. Da derHrnerv selten betroffen
ist, kommenmeist zwei Therapien in
Frage: Hrgerte oder Cochlea-Implan-
tate, eine hoch entwickelteHrhilfe.
Sie besteht aus einer Elektrode, die in
dieHrschnecke implantiertwird, und
einemusserlichen Sprachprozessor.
Kinder sind dann zwar beimSingen und
Musizieren noch benachteiligt, knnen
aber so gut sprechen lernen, dassman
dieHrbehinderung kaumbemerkt.
22 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
-
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Patrizia Monier (33),
Alleinerziehende in der Schweiz
Das Richtige tun
Wenn Armut
ihr Gesicht zeigt
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singtmit.
U
Bnz Friedli
ImBrockenhausdesLebens
Unversehens pfeife ichmit, es ist mir
anfnglich gar nicht bewusst. Erst als ein
Wildfremdermit Schirmmtze pfeifend ein
fllt und auchmeine Liebstemitzusummen
beginnt, merke ich:Wir alle sind imBann von
JoeDassin. Von irgendwoher Lautsprecher
sind keine zu sehen erklingt sein Salut.
Ein Klavier, ein Pfeifen, schliesslich dieWor
te: Salut, cest encoremoi. Salut, comment
tu vas?Wir sind en famille imBrockenhaus
und bestaunen alte Stehlampen, Vitrinen
voller Kristallglser, Fnfzigerjahresthle
und Salontischlein. Und dann pltzlich dieser
Dassin, in bester Tonqualitt, glasklar! Das
Chanson springtmich an, als wrs gestern
gewesen, dass ich als Schler diese LP kaufte,
aber es war von neununddreissig Jahren.
Wie unbeschadet dochMelodien in unserem
Kopf die Zeit berstehen, derweil man
sich partout nicht erinnern kann, wasman
gestern zumAbendessen gekocht hat! Ganze
Strophen sind noch da: Le tempsma paru
trs long, loin de lamaisonUnd erst jetzt,
da ich auch noch lautmitsinge, scheint es
unserenKindern allmhlich peinlich zu sein.
Auf der Ablage eines getnchten Buffet
schranks entdecke ich dann den Platten
spieler, der das ganze Brockenhaus beschallt,
daneben die LPHllemit dem ewig jungen
Dassin. Jai pens toi
Am selbenNachmittag noch stichtmir ins
Auge,wie ein Telekommunikationsanbieter
seinGlasfasernetz bewirbt: Whrend Sie
Ihren Lieblingssong hren, knnten Sie 300
Alben in IhremOnline Store runterladen,
steht da, daneben ist ein Riesenstapel Lang
spielplatten abgebildet. DieseWerbung ist ein
grossesMissverstndnis. Der hurtige Slogan
unterschlgt, dassLPGrafikenKunstwerke
sind, dieman inHnden haltenmuss. Die
wollen frGeschwindigkeit undKapazitt
ihresNetzeswerben, gut und recht. Aber dies
ausgerechnetmit einer BeigeLPs zu ver
anschaulichen derenHllen zwar angejahrt
sind, aber das tut demKlang keinenAbbruch,
er bertrifft ein digitales File umLngen ,
setzt zwei Dinge gleich, die nicht dasselbe
sind: Das rasche Beschaffen vonDaten liefert
noch lange nicht die Geschichtenmit, die
Erinnerungen undGerche, dieWachsflecken
undRotweinringe auf derKartonhlle, die
von jener einenNacht kndenUnd das zer
knitterte Textblatt von damals, als du im
Schneidersitz amStubenboden sassest und
JoeDassins Lieder auswendig lerntest:
Il tait une fois quelquunAll dies lsst
sich nicht binnen Sekunden runterladen.
Im Brockenhaus entschied sich unsere
17-Jhrige brigens fr einen uralten
Holztisch,mit Schrammen undKratzern,
einen, der schon reichlich gelebt hat.
Fr ihr eigenes Zimmer. Soll noch jemand
sagen, die jungen Leute htten keinen Sinn
fr Echtheitmehr. MM
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 23
-
Rde
Rde
Hndin
Hndin
Zahlen und Fakten
Bsis top,
Wachteln
im Trend
542 809
Hunde
369 718
Katzen
1164
Frettchen
944
Hasen
501
Papageien
496
Schildkrten
Die in der Schweiz
am hufigsten
registrierten Tiere
Insgesamt, 2014
Die Schweizer sind ganz vernarrt inHaustiere. Unangefochten
auf dem Thron sitzen die Katzen, die einen Viertel der
hiesigen Haushalte mit ihrem Schnurren beglcken. Neu in
unserer Gunst stehenWachteln und exotische Tiere.
Unabhngig von der Tierart sind die Besitzer hufig bereit, ein
kleines Vermgen fr ihre Lieblinge auszugeben. Interessantes
aus der Welt von Rocky, Luna und Co.
Text: Vronique Kipfer Illustration: LargeNetwork
Quellen: Schweizer Tierschutz, Animal
Identity Service AG, Tierwelt,
Bundesamt fr Lebensmittelsicherheit
undVeterinrwesen, Schweizerische
KynologischeGesellschaft,Hausinfo.ch
Kater
Kater
Katze
Katze
In derDeutschschweiz
1 Rocky 2976
2 Lucky 2224
3 Nero 1882
1 Luna 5958
2 Kira 3117
3 Gina 2551
In der Romandie
1 Snoopy 1244
2 Rocky 1153
3 Lucky 1012
1 Luna 1930
2 Lola 1168
3 Laika 942
Hitparade der
Katzennamen (2014)
Hitparade der
Hundenamen (2014)
DieWachtel!
In derDeutschschweiz
1 Simba 2251
2 Leo 2138
3 Felix 1543
1 Luna 3903
2 Nala 1446
3 Mia 1381
In der Romandie
1 Chaton 606
2 Simba 463
3 Caramel 401
1 Luna 630
2 Cline 557
3 Chaton 537
Das neueste Modetier
Die Japanwachtel (Coturnix japonica)wird seit
1910 in Japan gezchtet. 1950wurde sie in Europa
eingefhrt, und seither steigt deren Beliebtheitsgrad
stetig an. Gut zuwissen: Die Japanwachtel
lebt inGruppen (ausmindestens zwei Tieren) und
bevorzugt grosse Kfige undAussenvolieren.
24 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
-
Die am hufigsten
registrierten
Hunderassen
Insgesamt, 2014
Die Schweizer bevorzugenkleineHunde.
Per Ende 2014 fielen 13der 25beliebtesten Rassen
in diese Kategorie.
Bei diesen Schtzungen sind
die Tierarztkostennicht
bercksichtigt. Eine Zahn
behandlung oder eineOperation
nach einemUnfall kann sehr
teuer sein und sich schnell je
nach Behandlungsart aufmeh
rere Tausend Franken belaufen.
Jhrliche Ausgaben
in der Schweiz
InMillionen Franken
Ausgesetzte
Tiere
Insgesamt,
in Tausend
Konfiszierte
Arten*
* VomWashingtoner Artenschutzbereinkommen
(Cities) geschtzte Lebewesen, die in den letzten
Jahren vomBundesamt fr Lebensmittelsicherheit
undVeterinrwesen konfisziertwurden.
Diese Zahlen beziehen sich auf Betrugsflle und
sind daher relativ.
Tiere, die
Gesellschaft brauchen
Wachteln
Kanarienvgel
Meerschweinchen
Frettchen
Wstenrennmuse
Lamas*
Wellensittiche
Hhner
Ratten
Allen anderen Tierenmuss der
tgliche und regelmssige
Kontaktmit Artgenossen sowiemit
Menschen ermglichtwerden.
*mit Ausnahmedermnnlichen Lamas,
welche dieGeschlechtsreife erreicht haben.
2013 2014
Anzahl der auf
genommenenHunde
2013 2014
Anzahl der auf
genommenenNager
2013 2014
Anzahl der aufgenom
menenReptilien
2013 2014
Anzahl der auf
genommenenKatzen
Labrador Retriever 38 395
Yorkshire Terrier 21 994
Chihuahua 21 920
Border Collie 21 017
Jack Russell 20 692
3052
2900
2419
2545
747
656
11583
10842
Budget
300
10
50
70
115
FrKatzen
FrHunde
FrNagetiere
FrVgel
FrFische
Referenztext:TSchV=Tierschutzverordnung
vom23.April2008,SR455.1
Fr einenHund
Kauf
ab 600 Fr.
Je nach Rasse,
Preis auf Anfrage in den
Tierheimen
Gebhren
ca. 1000 Fr.
Chip, Kurs, diverses
Zubehr undKastration
Unterhalt pro Jahr
ca. 2000 Fr.
Je nachGrsse
Fr eineKatze
0 bis 1500 Fr.
Fr eine Rassekatze
ca. 500 Fr.
Transportbox,
Npfe, Kastration usw.
ca. 1000 Fr.
2015
6 Knigspythons
1 Kakadu
1 Graupapagei
1 Mexikanische RotknieVogelspinne
(Brachypelma smithi)
1 Griechische Landschildkrte
2014
54 Schildkrten
44 Eigentliche Papageien
(Papageien, Sittiche usw.)
7 Pythons
5 Erdbeerfrschchen (Oophaga pumilio)
2 Boa constrictor
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 25
-
Interview
Wir sollten
die Trennung von
Arbeit und
Freizeit
ganz aufgeben
Nchstes Jahr stimmt die Schweiz ber ein bedingungsloses Grundeinkommen ab.
Sind wir darauf angewiesen, weil uns Roboter bald die Arbeit wegnehmen?
Oder weil wir endlich die Knstlerin oder denWissenschaftler in uns entdecken
wollen? Oder weil wir ganz einfach faul sind? In ihremBuch
Was fehlt, wenn alles da ist? gebenDaniel Hni und Philip Kovce auf diese
Fragen berraschende Antworten.
Text: Philipp Lpfe, Yvette Hettinger Bilder:KostasMaros
26 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
-
Umverteilung oder Suche nach
neuenQuellen: Daniel Hni (links)
und Philip Kovce imTresorraum
des Kaffee- und Kulturhauses
unternehmenmitte in Basel, das
Hnimitbegrndet hat.
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 27
-
Daniel Hni, Philip Kovce,
wenn es ums Grundeinkom-
men geht, wirdmeist ber
Geld gesprochen. Ihr Buch
beschftigt sich vor allemmit
Philosophie.Weshalb?
Kovce:Das bedingungslose
Grundeinkommenwirft fr den
Einzelnen nichtmehr Geld ab,
aber viele Fragen auf. Deshalb
habenwir kein Zahlen-, sondern
ein Fragebuch geschrieben.
Sie zweifeln selbst daran, dass
die Initiative Fr ein bedin-
gungsloses Grundeinkommen
vomVolk angenommenwird.
Lohnt sich der Aufwand, nur
umFragen zu stellen?
Hni:Demokratie ist kein
Gewinnspiel, sondern eine Bil-
dungsveranstaltung. Es wre
vermessen, bei dieser Ab-
stimmung auf Anhiebmit einer
Mehrheit zu rechnen.Wir sind
jedoch davon berzeugt, dass
ein Grundeinkommen frher
oder spter kommenwird. Umso
wichtiger ist es, die Fragen jetzt
zu stellen.
Warum sollte das Grundein-
kommen ohnehin kommen?
Hni:DieWirtschaft ist
darauf angewiesen, dass die
Menschen konsumieren.Wenn
jedoch immermehr Jobs von
Maschinen erledigt werden,
dannmussman denMenschen
ein Grundeinkommen gewh-
ren, damit sie sich weiterhin
Gter undDienstleistungen
kaufen knnen.Mit der Volks-
initiative wollenwir dafr sor-
gen, dass das Grundeinkommen
nicht durch dieHintertr ein-
gefhrt, sondern von uns demo-
kratischmitgestaltet wird.
Geld sei gar nicht das Problem,
schreiben Sie, sondern
die Bedingungslosigkeit.Was
meinen Sie damit?
Hni:Bedingungslosigkeit
bedeutetMachtumverteilung.
Wer gegen das bedingungslose
Grundeinkommen ist, der ist
dagegen, dass andere selbst-
bestimmter leben knnen. Nur
ist dieses Argument nicht so
populr. Stattdessenwird lieber
behauptet, das Grundeinkom-
men sei nicht finanzierbar
Kovce:oder die Gegner kom-
menmit der Verschwrungs-
theorie, dass derMensch ja
ohnehin vonNatur aus faul sei
und sichmit einem bedingungs-
losen Grundeinkommen bloss
in dieHngematte legenwrde.
Dabei werdenMenschen nur
faul, wenn sie dauerhaft fremd-
bestimmt Aufgaben zu erledigen
DasGrundeinkommenwrde
eineMachtumverteilung
bedeuten, sagen Philip Kovce
(links) undDaniel Hni.
Die Initiative
DieSchweiz stimmt 2016
alsweltweit erstes Land
ber einbedingungs
losesGrundeinkommen
ab.DieseWochewird
derNationalrat darber
diskutieren. Alle,
die rechtmssig inder
Schweiz leben, sollen
vomStaateinenmo-
natlichenBetragbe-
kommen,unabhngig
davon,obsieerwerbs-
ttig sindodernicht.
DiesesEinkommen ist
als Existenzminimumge
dacht und soll etwa2500
FrankenproMonatbe
tragen.Der Initiativtext
sieht keinenfixenBetrag
vor, sondernwill damit
ein menschenwrdiges
Dasein ermglichen.
Alle Erwerbseinkommen
undSozialleistungen,
diehher als dasGrund
einkommensind, blei
benbestehen. Bei Er
werbsttigenersetzt das
Grundeinkommeneinen
Teil des Lohns. Bei einem
Monatslohnvon 7500
Franken sinddas 2500
FrankenGrundeinkom
menplus 5000Franken
Lohn.DasGesamt
einkommenbleibt gleich.
Die Befrworter
DanielHni (49),
Unternehmer,CoLeiter
desBaslerKultur und
Kaffeehauses unter
nehmenmitte sowie
MitinitiatorderVolks
initiative Fr einbedin
gungslosesGrund
einkommen. Er lebt in
Basel, ist Vater und
Grossvater.
PhilipKovce (28)
stammt ausGttingen
(D) und hatWirtschafts
wissenschaften, Philo
sophie undKulturrefle
xion studiert. Er forscht
amBasler Philosophi
cum und schreibt als
freier Autor fr Presse
undRundfunk. Er lebt in
Basel undBerlin.
28 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
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haben, die ihnen eigentlich
zuwider sind.
Habenwir dank des Sozial
staats nicht heute bereits
de facto ein bedingungsloses
Grundeinkommen?
Kovce: Ja, aber der Sozialstaat
droht immermehr zu einem
Schmierentheater zu verkom-
men. Die einenmssen so tun,
als ob sie nicht arbeiten knn-
ten, obwohl sie arbeitenwollten.
Und gleichzeitigmssen andere
begutachten, ob dieseMenschen
ihr Nichtknnen glaubwrdig
darstellen. Das Ganze ist hoch-
gradig absurd
Hni:zumal es keinen Sinn
macht zu berprfen, ob jemand
ein Existenzminimumbraucht.
Was jeder unbedingt braucht,
gewhrt ihm das Grundeinkom-
men bedingungslos.
Undwas sagen Sie den Gegnern
der Initiative, die behaupten,
das sei gar nicht finanzierbar?
Hni:Die Finanzierung ist ein
Nullsummenspiel.Was der
Staat fr das Grundeinkommen
ausgibt, sparen er und die Unter-
nehmen anderswo ein. Die
Gesamtkosten bleiben gleich.
Schn und gut. Aber wer wrde
dann nochmorgens um 4Uhr
aufstehen, umBrtchen zu
backen?Wer wird die Toiletten
reinigen?
Hni:Wenn diese Arbeiten
fr die Gesellschaft wichtig sind
und davon gehe ich aus ,
dannmssenwir dafr sorgen,
dass sie auch die ntigeWert-
schtzung erhalten.
MehrWertschtzung heisst:
Sie werden besser bezahlt?
Kovce:Entweder bezahlen
wir diese Jobs besser, oder wir
findenMittel undWege, sie
durchMaschinen zu ersetzen
oder wirmssen sie dann eben
selbst verrichten.Ein Grund
einkommenwrde schlagartig
aufzeigen, wie wichtig viele
dieser Arbeiten sind.
Wrde das nicht zu einer
Lohnexplosion fhren, die
wiederum viele Produkte
unbezahlbarmachenwrde?
Hni:Eswrde ganz einfach ein
freierMarkt entstehen. Und
dabei kme dann heraus, welche
Ttigkeiten heute unter- oder
berbezahlt sind. Damit kann
ich als Unternehmer sehr gut
leben. berhaupt: Ein bedin-
gungsloses Grundeinkommen
wrde die Unternehmen
ganz entscheidend verndern.
Inwiefern?
Hni:Unternehmenwrden
weniger Geld frWerbung
undMarketing ihrer Produkte
aufwenden undmehr frs
Anwerben guterMitarbeiter.
Dazuwren sie durch den freien
Markt gezwungen.Was knnte
uns Besseres passieren, als dass
sich Unternehmen frMitarbei-
ter attraktivmachenmssen?
Wir haben ein zwiespltiges
Verhltnis zum technischen
Fortschritt: Einerseits freuen
wir uns ber unsere klugen
Smartphones, andererseits ha
ben wir Angst vor Big Brother.
Aber ohne technischen
Fortschritt ist ein Grundein
kommen kaum denkbar, oder?
Hni:Der technische Fortschritt
ist eine Erfolgsgeschichte, wenn
wir daraus die richtigen Schlsse
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 29
Die Initianten
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%
2
0
%
2
0
%
2
0
%
ziehen. Alles, was sich berechnen lsst, wird
ber kurz oder lang auch automatisiert.
Deshalbmssenwir uns fragen:Wo bin ich
alsMensch gefragt und nicht alsMaschine?
DankWaschmaschine, Reiskocher und
Staubsaugroboter ist auch die Hausarbeit
effizienter geworden.Warum nutzen wir
diese frei gewordene Zeit nicht heute
schon?
Hni:Wir sollten nicht die Freizeit besser
nutzen, sondern die Trennung von Arbeit
und Freizeit ganz aufgeben.Was wir frei
willig wollen, sollten wir whrend der Arbeit
tun. Nur so werdenwir die Aufgaben der
Zukunft lsen knnen.
Kovce:Work-Life-Balance ist ein Schlag-
wort, das auf demgeistigenNiveau des
Mittelalters erfundenwurde. Es tnt so
modern, ist jedoch in denBegriffen einer
Sklavengesellschaft gedacht.Nur Sklaven
oder ausgebeutete Landarbeitermussten sich
berlegen,was sie in denwenigen Stunden
Freizeit, die sie hatten, eigentlichmachen
wollten.DasGrundeinkommenhingegen
fhrt dazu, dass es niemehrFreizeit
gibt, weil alle Zeit frei gestaltetwerden kann.
Das wiederum fhrt zurck zur Frage:
Wermacht die Drecksarbeit, wenn alle
tpfern odermusizieren?
Hni:Wer sagt eigentlich, dass alleMen
schen gern tpfern odermusizieren? Die
Menschenwollen etwas tun, worin sie einen
Sinn sehen undWertschtzung erfahren.
Kovce:Damuss ich zumindest vorder
grndig meinemKollegenwidersprechen.
VieleMenschen haben tatschlich das
Gefhl, sie wrden am liebsten tpfern,
grtnern,musizieren oder was auch immer.
Sie leben in einer Illusionsblase, in der
sich alles Kreative ansammelt und als
Ausrede fr die unbefriedigende Erwerbs
biografie herhaltenmuss.
Waswrde das Grundeinkommen
daran ndern?
Kovce: Jeder, dermeint, beispielsweise ein
grosserMusiker zu sein, htte die Chance,
es tatschlich auszuprobieren mit
demRisiko, dass er erkennenmuss, dass er
es eben nicht ist.
Das Grundeinkommenwrde somit die
Lebenslge von vielen zertrmmern?
Kovce:Nicht wenigemsstenwahrschein
lich erkennen, dass sie einer falschen
Vorstellung aufgesessen sind, von der sie das
bedingungslose Grundeinkommen nun
befreit.Wir haben also bloss gemeint, dass
in uns ein JimiHendrix oder ein Albert Ein
stein schlummert. Aber ohne die berhmten
10000 Stundenben luft gar nichts.
Kovce:Wenn es ein Grundeinkommen gibt,
dannwerden aus den 10000bungsstunden
20000.
Weil derWettbewerb unter Knstlern
undWissenschaftlern dadurch viel
intensiver wird?
Kovce: Ja, undweil wir keinenKultursektor
subventionierenmssen, in dem jeder
30 | MM39, 21.9.2015 | MENSCHEN
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z.B. Orangina Regular
6 1,5 Liter
Orangina gibts in Ihrer Migros
Knstler glaubt, das Anrecht zu haben, von
seiner Arbeit leben zu knnen. Das Grund-
einkommen lst denKunstmarkt als Exis-
tenzsicherungsbrse auf, erhht den inne-
ren Leidensdruck und fhrt endlich dazu,
dass wir Kunst allein aus knstlerischen
Gesichtspunkten begutachten knnen.
Hni:Das konstruktive Leiden der Knstler
und Erfinder hngtmit der Sache selbst zu-
sammen, nicht damit, dass sie kein Geld ha-
ben. Existenzangst wiederum fhrt in den
allermeisten Fllen zu destruktivemLeiden.
Das wollenwir beenden.
Heute ist einmittelstndischer Haushalt
darauf angewiesen, dassMann und Frau
erwerbsttig sind.Mit dem bedingungs
losen Grundeinkommen knnte derMann
versucht sein, seine Frau wieder an den
Herd zu binden.
Hni:Das Grundeinkommen bezieht sich
nicht auf die Familie, sondern auf die einzel-
nen Personen. NichtMann oder Frau erhal-
ten es, sondern jeder und jede Einzelne.
Knnte das Grundeinkommen nicht als
eine Art Hausfrauenlohnmissverstanden
werden und so die traditionelle
Geschlechterteilung zementieren?
Hni:Das Grundeinkommen als Haus
frauenlohn oder Herdprmie zu deuten,
ist ein irresManver emanzipations
resistenterMnner und paradoxerweise
auch extremer Feministinnen, die eine
Abhngigkeit beschwren, die das Grund-
einkommen eben gerade auflst.
Kovce:Die Frage ist doch:Wie haltenwir es
mit der Emanzipation? Verstehenwir dar-
unter ein bestimmtes Verhalten der Frau,
oder glaubenwir, dass sie dank des Grund-
einkommens selbstbestimmt entscheiden
kann, wie sie sich verhaltenwill? Letztlich
geht es darum, dass wir unser eigenes,
selbstbestimmtes Leben fhren knnen.
Wann, glauben Sie, werdenwir ein
Grundeinkommen haben?
Hni: Ich hoffe, es kommt sptestensmit der
Puberttmeiner Enkelkinder.
Kovce:Das Grundeinkommenwird nicht
mit einer Revolution, sondern pragmatisch
und in kleinen Schritten kommen. Irgend-
wannwerdenwir einsehen, dass es anders
gar nichtmehr geht. Sei es, weil dieWirt-
schaft ohneKaufkraft kollabiert. Sei es, weil
die Kreativitt ohne Existenzsicherung
stockt. Oder aufgrund irgendeines anderen
Phnomens.Wann dies der Fall sein wird,
lsst sich ebensowenig vorhersagenwie der
Zeitpunkt des BerlinerMauerfalls 1989.
Waswerden Sie an IhremLeben
ndern, sollten wir tatschlich ein
Grundeinkommen haben?
Kovce: Ich htte dann dieses Buch nicht
geschrieben.
Hni: Ichwrde das Gleiche tun einfach
besser. MM
DanielHni undPhilipKovce haben zusammen
das Buch zumGrundeinkommen geschrieben:
Was fehlt, wenn alles da ist?Warumdas bedingungslose
Grundeinkommendie richtigen Fragen stellt.
Es erscheint am22.September und ist fr 14.65 Franken
bei Ex Libris erhltlich. Grundeinkommen.ch
MENSCHEN | MM39, 21.9.2015 | 31
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Ein lauter Freudenschrei hallt durchs
ganzeHaus. Samira Thomen steht
imWohnzimmer, ein Buch in den
Hnden, neben ihr ein ausgepacktes
Paket. Der Roman ist ihr eigener, Der Pla-
netenmacher, mit Cover und allemDrum-
herum, ein richtiges, echtes Buch! Das war
ein fantastisches Gefhl, sagt sie und
lchelt beimGedanken an die Szene, die sich
imFrhling imHaus der Familie Thomen in
Niederwenigen ZH abgespielt hat.
Samira ist gerademal 15 Jahre alt, schreibt
aber schon, seit sie zehn ist. Fr sich, aber
auch fr ihre Familie undFreundinnen.
Seit knapp einemJahr betreibt sie eine
eigeneWebsite, auf der ihreGeschichten zu
finden sind.Mit der Publikation ihrer
250 Seiten starkenFantasy-Story hat sich
nun ihre Leserschaft deutlich vergrssert.
120 von 150 gedruckten Bchern sind ver-
kauft, die zweite Auflage bereits gedruckt.
Samira liebt Bcher. Gedruckte Bcher
einen E-Reader hat sie nicht. Ichmag es,
etwas in denHnden zu halten und zu
blttern. Schon imKindergarten konnte sie
lesen, in der Primarschule verschlang sie
alles, was ihr in der kleinen lokalen Biblio-
thek in die Finger kam: zuerst Krimis, spter
Fantasy- und Young-Adult-Geschichten.
Als ich zehnwar, verbrachte ich einen Tag
mit einer Freundin, undwir langweilten
uns. Da fand sie: Komm,wir schreiben ein
Buch! Ihre Freundinmusste dann irgend-
wann gehen, Samira schrieb weiter und
weiter, und so entstand ihre erste Geschich-
te, ein Krimi um eine Jugendbande.
Ich habe dabei ein bisschen von Thomas
Brezina abgekupfert, rumt sie ein, einem
Jugendbuchautor, den sie zu der Zeit gern
las. Aber siemerkte: Schreibenmacht Spass.
Und anders als jene Freundin, die sie
ursprnglich auf die Idee gebracht hatte,
schrieb sie weiter. Es istmeine Art zu
verarbeiten, was ich erlebe, was ich denke
und fhle, sagt sie.Manche Texte sind auch
so persnlich, dass sie niemand anders zu
sehen bekommt, andere stellt sie auf ihre
Homepage und freut sich ber Feedback.
Meist schreibt sie in ihremZimmer, auf
demBett, demflauschigen Teppich oder
ganz klassisch amTisch. Und in der Regel
abends nach der Schule, amWochenende
oder in den Ferien, halt dann, wenn ich Zeit
habe. Seit sie amGymnasiumBlach ZH
zur Schule geht, gibt es allerdings immer
wiedermalWochen, wo sie vor lauter Haus-
aufgaben und Lernen kaumdazu kommt.
Manchmal kommt sie so richtig schlecht
gelaunt nachHause, erzhlt ihreMutter
Maja Thomen (47), dann sage ich: Geh doch
was schreiben. Das tut sie, und danach geht
es ihr gleich besser. Thomen ist Primar-
lehrerin und sichtlich stolz auf ihre Tochter.
Mich hat vor allem beeindruckt, dass
sie an ihremBuch drangeblieben ist. Das ist
ja in demAlter gar nicht selbstverstndlich.
Mit 11 begannSamiradasBuch zu schreiben
Der Planetenmacher ist eine klassische
Young-Adult-Story: Ein zunchst ganz
normales, wenn auch etwas zickiges Teen-
agermdchen entdeckt, dass ihre Familie
ursprnglich von der Venus kommt und der
Nachbarplanet in seiner Existenz bedroht
ist. Einzig sie und ein anderesMdchen
knnen die Venus retten. Und ganz neben-
bei lernt dieHeldin dabei auch, dass es
Wichtigeres im Leben gibt, als die richtige
Frisur,Mode und knackige Jungs.
Samira war 11, als sie die Geschichte zu
schreiben begann,mit 13war sie fertig, mit
14 berarbeitete sie sie nochmals komplett,
weil sie gewisse Passagen nichtmehr ber-
zeugend fand. Zudemholte sie sich Feed-
back von ihrerMutter, ihremVater, einer
Schreibfreundin und ihremGrossvater. Er
war es auch, der die Idee ins Spiel brachte,
dafr einen Verlag zu suchen. Ich habe
dann sechs angeschrieben, ein paar gaben
nichtmal eine Antwort, andere lehnten ab.
Schliesslich jedoch bekam sie aus der
Nachbarschaft eine Zusage, vom kleinen
Vicon-Verlag in Niederhasli ZH. Ich fand
die Geschichte toll, sagt Conny Vischer
(50), die den Verlag imAlleingang neben
ihrem eigentlichen Job als Pflegefachfrau
betreibt undmittlerweile ein gutes Dutzend
Bcher publiziert hat. Vor allemwar ich
beeindruckt, weil Samira noch so jung ist.
Vischer sieht bei ihr Potenzial undwrde
gern auchweitere Romane der Jungautorin
verffentlichen.
Das trifft sich gut, denn Samiras Traum
ist es, eine richtige Schriftstellerin zuwer-
den. Sie ist auch schon an diversen Lesungen
vor jugendlichemPublikumaufgetreten,
immermit grossemLampenfieber, aber doch
auch ein bisschen stolz. Samira ist jedoch
nicht nur selbstbewusst, sie ist auch realis-
tisch: Ichweiss natrlich, wie schwierig
es ist, von der Schriftstellerei zu leben,
deshalb habe ich einen Plan B. Siemchte
Journalistinwerden, in derHoffnung, dies
dannmit demSchreiben vonRomanen
kombinieren zu knnen. Sie weiss aber auch,
dass es bis zur Berufswahl noch ein paar
Jahre dauert. Werweiss, vielleicht ist ja bis
dahin schonwieder alles ganz anders. MM
Samira Thomen
Buch: Der Planetenmacher, Vicon-Verlag 2015,
bei Ex Libris fr 13.25 Franken;
Lesung: 4.Oktober, Bcheler-Hus, Kloten ZH
Woerterzauber.jimdo.com; Vicon-verlag.ch
Portrt
Die Retterin
der Venus
Samira Thomen schreibt Geschichten, um sich zu entspannen. Nach einem nervigen Schultag
zum Beispiel. Im Frhling hat ein kleiner Verlag das erste Buch der 15-Jhrigen publiziert.
Der Planetenmacher, in dem ein Mdchen der Venus zu Hilfe eilt, soll nur der Anfang sein.
Text: Ralf Kaminski Bild: Tanja Demarmels
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In der kleinen Bibliothek von
Niederweningen ZHhat Samira
Thomen von klein auf alles
gelesen, was ihr in die Finger kam.
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Conny Vischer
und ihr
Vicon-Verlag:
Migrosmagazin.ch
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Beispiel-Frhstck