migros magazin 49 2015 d vs
DESCRIPTION
ÂTRANSCRIPT
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Fahrplanwechsel 2015
SBB-Chef Andreas
Meyer verspricht
pnktlichere Zge.
Seite 40
Advents-
kalender
Attraktive Preise,
Tag fr Tag!
Seite 36
MM49, 30.11.2015 | www.migrosmagazin.ch
Was treibt
junge Schweizer
in die Arme
von Terroristen?
Seite 19
BitteWohnungswechsel der Postmelden oder dem regionalenMitgliederdienst: Tel. 027 - 720 42 59
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GEditorial
Der grosse
Tag
Grosse Ehre, grosses Lob:Eine internationale
Jury hat demMigros-Magazin und denMigros-
Medien insgesamt vier renommierte Auszeich-
nungen verliehen. Der International Creative
Media Award geht jedes Jahr an besonders
schn gestaltete Zeitschriften, Zeitungen oder
andereMedienprodukte. DasMigros-Magazin
erhlt 2016 je einen Award of Excellence
fr die herausragend gestaltete Ausgabe
Nachbarn sowie fr das Dossier Islam in
Nummer 38. Gar die goldene Auszeichnung
erhielt das Green-Gourmet-Kochbuch, das die
Saisonkche imAuftrag desMigros-Genos-
senschafts-Bundes gestaltet hat. Herzlichen
Dank allen Beteiligten, allen voran Art
Directorin Doris Oberneder!
Etwas weniger Grund zumFeiern hat
SBB-Chef AndreasMeyer. DemHerrn ber
28000Bhnlerinnen und Bhnler steht ein
heikler Tag bevor: Am 13. Dezember wird in
Zrich die Durchmesserlinie erffnet und
der umfassendsteWechsel der SBB-Fahrplne
der letzten 20 Jahre durchexerziert. Die
Durchmesserlinie verkrzt die
Fahrzeiten in Ost-West-Richtung
noch einmal deutlich und bindet
gleichzeitig die Ostschweiz nher
an den Rest des Landes.
Doch das ist noch lange nicht
alles:GleichzeitigmussAndreas
Meyer, der sein erstesGeld bei
den SBB in derWagenreinigung
verdient hat, bis 2020 rund 550
MillionenFranken einsparen.
Im Interviewmit Andrea
Freiermuth undRemoLeupin
erklrt er, wie er die Pendler bei
der Stange und denVater bei
Launehaltenwill.
Hans Schneeberger, Chefredaktor
xx
xx
xx
xx
10
24
Manche rztlichen
Kollegen wandten sich von
mir ab. Adel Abdel-Latif
Bild:DanielAufderMauer
Portrt
Adel Abdel-Latif
(44)
Arzt,Verhandlungs-
berater,Mister
Schweiz 1996
Fragtemanmichvor
zehn Jahren,ob ich als
Muslim vonDiskrimi-
nierung betroffen sei,
warmeineAntwort ein
klaresNein. Heute ist es
anders. Als 2009 ber
dieMinarette abge-
stimmtwurde,war ich
als Radiologe an der
Hirslanden-Klinik
St.Anna in Luzern ttig.
Manche rztlichen
Kollegenwandten sich
vonmir ab, nachdem
ichmich in denMedien
gegen diese Initiative
ausgesprochenhatte.
Ausserdemerfuhr ich,
dassmehrereChemo-
therapiepatientinnen,
die aufgrund ihres
Haarausfalls Kopf-
tcher trugen, auf der
Strasse verbal angegrif-
fenwurden, daman sie
frMusliminnen hielt.
Es stimmtmich trau-
rig, dass ichmich an-
dauernd fr die furcht-
barenVerbrechen eini-
gerweniger Verrckter
rechtfertigenmuss.
Ein Katholikmuss auch
nicht beweisen, dass er
nicht pdophil ist, nur
weilmanche katho-
lischenPriester Kinder
missbraucht haben.
Aufgeheiztwirddie
StimmungvonRechts-
populisten, die auf
Stimmenfang sind. Aber
viele Schweizer Brger
lassen sich nichtmehr
sooffensichtlichmani-
pulieren.Wie das jngs-
te Beispiel zeigt, stellen
sie Fragen und entlar-
ven PolitikerwieChris-
tophMrgeli, diemit
aus demZusammen-
hang gerissenen Bildern
negative Stimmungund
Werbung in eigener
Sachemachenwollen.
Aufgezeichnet von:
Andrea Freiermuth
DOSSIER ISLAM | MM38, 14.9.2015 | 11
MM22, 26.5.2015 | www.migrosmagazin.ch
Nachbarn
Eine Sonderausgabe
ber die Menschen in unserer Nhe
BitteWohnungswechsel der Postmelden oder dem regionalenMitgliederdienst: Tel. 058 565 84 01, E-Mail: [email protected]
AusgabeAare,AZA1953SionResponseZentral,PsdgDPAG,Ent.bez.A44631
Illustration:Badoux
4 | MM49, 30.11.2015
-
M-Infoline: Tel. 0800 840848oder Fax 0041 44 277 20 09
(Ausland). www.migros.ch/kundendienst; www.migros.ch
Cumulus:Tel. 0848 85 0848* oder +41 44 444 88 44 (Ausland).
[email protected]; www.migros.ch/cumulus
RedaktionMigros-Magazin: Limmatstrasse 152,
Postfach 1766, 8031 Zrich, Tel. 058 577 12 12, Fax 058 577 12 08.
[email protected]; www.migrosmagazin.ch
*Normaltarif
14
40
59
84
Das
Vertrauen
derKunden
ist das
hchste
Gut.
AndreasMeyer,CEOder SBB
Menschen
8DieseWoche
Beim 21. Klimagipfel in Paris
geht es umneueKlimaziele
nach demKyoto-Protokoll.
10Portrt
Schmutzli verzweifelt gesucht:
Ein spezieller Personalmangel
in der Adventszeit.
14 E-Sports
Kampf der Spielgiganten:
Computerspieler Dennis Berg
tritt an derWM in Seoul an.
19Analyse
Vonder Eulach andenEuphrat:
Wenn jungeSchweizer sich der
Terrormiliz IS anschliessen.
22Portrt
Erziehungswissenschaftlerin
Melanie Bolz ber denAlltag in
denBildungskrippen.
24Reportage
NeueNutzung bewahrt alte
Schulhuser vor demAbriss.
32Portrt
Allein unterNonnen: Fridolin
Schwitter tritt im Frhjahr ins
KlosterNotkersegg SG ein.
35 Leserforum
36Adventskalender
Vom 1. bis 24. 12. verlost das
Migros-Magazin tglich Preise.
39Bnz Friedli
40 Interview
SBB-Chef AndreasMeyer ber
Sparen, Sicherheit und den
neuen Fahrplan.
Migros-Welt
51 Spendenaktion
Ferien fr bedrftige Familien.
54Samichlausgaben
57 Schoggi ganz inGold
59Saisonkche
WrzigeWeihnachtsbckerei.
69Gewrzleitfaden
71 Sirup:AprozChai gewinnt
72Poulet einmal anders
75Allround-Bratbutter
77BouillonvonBonChef
78 Feine Flans undCremes
79Knuspriges zumApro
81Gut fr die Zhne
82Power fr diePutzfee
84 10Dinge, die Zeit sparen
86Mega-Jackpot
Vier glcklicheGewinner.
88Soja
Nachhaltiger Anbau in Italien.
95Neues aus derRegion
Aktionen, Reportagen,News
aus denGenossenschaften
Leben
103Bewegung inder Schule
Im Stehen lufts besser.
105 Finanzwort des Jahres
Frankenschock.
107Burn-out-Syndrom
Wieman sich schtzen kann.
109Sauerkrautzeit
111 Pflege fr dieHnde
114Kinder
Mimosen: Die schreckhaften
unter den Pflanzen.
117Glcksgriff
119Rtsel/Impressum
124Cumulus
126MeineWelt
Das Komikerduo Lapsus
alias PeterWinkler und
ChristianHhener.
Bilder:Kuster&Frey,TinaSteinauer,ClaudiaLinsi,BasilStcheli
MM49, 30.11.2015 | 5
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Eine Aktion der Migros fr:
migros.ch/weihnachten
Jedes zehnte Kind in der Schweiz leidet unter Armut. Die Migros sammelt fr
bedrftige Kinder in der Schweiz und verdoppelt die Gesamtspendensumme um
bis zu 1 Million Franken. Helfen Sie mit und spenden Sie mit den Schoggi-Herzen
in Ihrer Migros.
-
Darauf freuenwir uns
JubilumSeit 40 Jahren enga-
giert sich die Eidgenssische
Kommission fr Frauenfragen
(EKF) fr die Rechte von Frauen
undMdchen.
SamichlausAmSonntag bringen
Samichlaus und Schmutzli pfel,
Birnen,Mandarinen undNsse.
UnntzesWissen
Aus derWelt
der Adligen
Der Knig des
3-Millionen-Volks
der Ewe inGhana
heisst Cphas
Bansah und
betreibt eine
Autowerkstatt in
Ludwigshafen (D).
Es dauerteweni-
ger als einen
Monat, bis nach
derHochzeit von
PrinzWilliamund
KateMiddleton
exakte Replika von
KatesHochzeits-
kleid zu kaufen
waren.
DieQueen be-
nutzt ihreHand-
tasche, um ihren
Angestellten
Zeichen zu
geben. Stellt sie
die Tasche auf den
Tisch, heisst das:
Mir reichts. Ich
mchte gehen.
Quelle: Stern/Neon
Menschen
MM49
Mein Bild derWoche Wir werden ins Bild gesetzt. Uns wird Bescheid gesagt. Wir
werden ber Ereignisse auf dem Laufenden gehalten. Pausenlos berfluten uns
Bilder, Fotos, Schnappschsse in Zeitungen, im Internet, im Fernsehen. Unser
Hirn ist permanent damit beschftigt, visuelle Eindrcke zu verarbeiten. Auch
diese Frau hier wurde ins Bild gesetzt wortwrtlich. Das Foto irritiert, weil es
wie eine Tuschung daherkommt. Man muss ein zweites Mal hinsehen: Die rus-
sische Knstlerin Maria Gasanova bemalt Krper und stellt diese in eine Szene-
rie, die wie ein Gemlde aussieht. So spielt sie mit unserer Wahrnehmung, die
vor lauter Impulsen manchmal am liebsten die Augen schliessen wrde.
Leseprobe
Entschuldigen Sie, was lesen Sie gerade?
ClaudiaGraf (36),Assistentin ausHerisauAR
a) Ein ganz neues Leben von JojoMoyes
b) Verschwrung vonDavid Lagercrantz
c) Urfaust vonGoethe
Auflsung:a)WeilichFrauenbchereinfachliebe.
BettinaOberli
(42) ist Autorin
undRegisseurin
von erfolgreichen
Filmenwie Die
Herbstzeitlosen,
Tannd und
Lovely Louise.
Bilder:Keystone,IlyaNaymushin/Reuters,DanielAmmann
-
DieseWoche
Die Schweiz macht sich
frsWeltklima stark
Diese Woche beginnt in Paris der 21. Klimagipfel. ber 170 Staaten haben
bereits verbindliche Klimamassnahmen versprochen, darunter die USA
und China. Auch die Schweiz engagiert sich fr einen neuen Klimavertrag.
Text: Anne-Sophie Keller
V
om 30.November bis
11.Dezember debattie-
ren 196 Lnder in Paris
ber das Klima. Die
Uno-Klimakonferenz soll zu einem
Nachfolgevertrag zumKyoto-
Protokoll fhren, in dem 1997
verbindliche Ziele zumTreibhaus-
gasausstoss der Industrielnder
festgelegt wurden. Schon imVor-
feld der Konferenz haben bis jetzt
176 Staaten schriftlich Klimaziele
festgelegt, darunter die grossen
KlimasnderUSA und China.
Damit auch die Entwicklungs-
und Schwellenlnder ihre Ziele er-
reichen knnen, haben die Indus-
trielnder an Treffen vonWelt-
bank und Internationalem
Whrungsfonds 65Milliarden
US-Dollar zugesagt.
DenGipfel in Paris habenDiplo-
maten sorgsam vorbereitet, und
Beobachter gehen derzeit davon
aus, dass ein Klimaschutzabkom-
men zustande kommt obwohl es
eineMammutaufgabe ist, bei 196
Staatenmit 196 verschiedenen
Interessen einenKonsens zu fin-
den. Umweltorganisationen be-
zweifeln, dass dieMassnahmen des
neuenKlimavertrags reichenwer-
den, um eine globale Erwrmung
von ber zwei Grad zu verhindern.
Auch die Schweiz ist durch den
fortschreitendenGletscher-
schwund stark vomKlimawandel
betroffen. Zudem verursacht die
Schweiz rund 50Millionen Tonnen
Treibhausgase pro Jahr, was
einemPro-Kopf-Verbrauch von
rund fnf Tonnen entspricht
der klimavertrgliche Ausstoss
betrgt eine Tonne. Sie wird
sich deshalb unter der Leitung
von Bundesrtin Doris Leuthard
fr einen neuenKlimavertrag
einsetzen. MM
Das Klima in Zahlen
0,74
GradCelsiuswrmer
ist das globale Klima
in den vergangenen
100 Jahren geworden.
325
derweltweit insgesamt
351Naturkatastrophen
im Jahr 2009 hingen
mit demKlimawandel
zusammen.
10
Meter imDurchschnitt
sind dieGletscher seit
1980 kleiner geworden.
Quelle: Climatecentre.org
Umfrage
VergangeneWoche
wolltenwirwissen:
Haben Sie nach den
Anschlgen in Paris
(mehr) Angst?
42%Nein, frmich hat
sich nichts gendert.
Es gibt bei uns grssere
Risiken als Terror.
41%Hchstens an
ffentlichenOrtenmit
vielenMenschen.
16% Ja, ich habe generell
mehr Angst, denn neu
nimmt der IS nicht bloss
Gegner ins Visier.
Bizarrer Versuch, die Eisschmelze zu verlangsamen: Planen auf demRhonegletscher.
Bilder:PeterKlaunzer/Keystone,SaskiaWidmer,zVg
8 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
Welchen
Einfluss hat
die/der Einzel-
ne aufs Klima?
Migrosmagazin.ch
-
Experteninterview
Kein Land hat Freude am
Energiesparen, darumbraucht
es ein gemeinsames Ziel
Strassenumfrage
Was tun Sie, um unser
Klima zu schtzen?
NadineCaflisch (21), Fachan
gestellteGesundheit, LaaxGR:
DasThemaKlimaschutz ist beimir
malmehr,malwenigerprsent. Abund
zudusche ich zu lange, dannhabe ich
schonein schlechtesGewissen.
RobertRiesen (40), auf Stellen
suche, BachenblachZH: Ich habe
seit Lngeremkein Automehr und
benutze bei BedarfMobility. Zudem
esse ich regionale Produkte auch
damit die Bauern berleben knnen.
VincentBtscher (24), Student,
ErlenbachZH: Ich trenne zum
BeispielmeinenMll und recycle.
Wenn jeder etwas Kleines beitragen
wrde, htte das bestimmt einen
positiven Effekt auf das Klima.
Gabi Hildesheimer, am Pariser
Klimagipfel soll ein neuer Klima-
vertrag verabschiedet werden.
Welches sind die grsstenHrden?
Die Emissionenmssten bis 2050
global ummindestens 50 Prozent
sinken. Das geht nur, wenn alle Ver-
antwortung bernehmen. Kein Land
hat Freude amEnergiesparen, darum
braucht es ein gemeinsames Ziel. Das
Kyoto-Protokoll hat nur die Indus-
trielnder in die Pflicht genommen;
das Pariser Abkommen ldt nun alle
Lnder ein, einen Beitrag zu leisten.
Zahlreiche Industrielnder haben
bereits ber 64Milliarden US-
Dollar Untersttzungsgelder fr
die Entwicklungslnder zugesagt.
Wie werden diese eingesetzt?
Die Beitrge sollen Entwicklungs-
und Schwellenlnder dazu bewegen,
ihreMassnahmen auch tatschlich
umzusetzen. Diese Lnder brauchen
Untersttzung, damit Umweltschutz
ihre Entwicklung nicht behindert.
Die Industrielnder stehen in einer
historischen Verantwortung im
Hinblick auf die aktuelle Situation.
Bis 2020will die Schweiz die Treib-
hausgas-Emissionen um 20 Prozent
reduzieren.Was ntzt das dem
globalen Klima, wenn ein Landwie
China 23,4 Prozent der Emissionen
verantwortet?
Die Schweiz ist fr die Emissionen
in Chinamitverantwortlich.Wir
importieren sehr viele Gter und
verursachen dieHlfte unserer Emis-
sionen imAusland, etwa durch die
Produktion unserer iPhones und
Autos. Zudem ist es fr die Glaubwr-
digkeit in der internationalen Politik
essenziell, dass wir auch die Emissio-
nen im eigenen Land reduzieren.
Laut einer GfK-Umfrage frchten
sich 11 Prozent der Befragten vor
Umweltproblemen 1988waren es
noch 74 Prozent.Was bedeutet das
fr die Schweizer Umweltpolitik?
Das Thema leidet unter einemAb-
ntzungseffekt. Klimaprobleme sind
schon so lange so dringend, dass die
Leute allmhlich das Interesse am
Thema verlieren. AuchMeldungen
ber stets neue Temperaturrekorde
wie in den vergangenenWochen
verlieren an Bedeutung, wenn eine
Nachricht die andere jagt. Zudem
hat dieWelt derzeit durch die
Flchtlingsdebatte andere Priorit-
ten.Wrde in Paris ein neues Abkom-
men geschlossen, knnte das neuen
Schwung in die Debatte bringen.
Der Stnderat hat am 23.September
das ersteMassnahmenpaket zur
Energiestrategie 2050 angenom-
men.Welches sind die wichtigsten
Schritte in den nchsten Jahren?
Ein erster wichtiger Schritt ist die
Erhhung der Energieeffizienz.
40 Prozent des Stroms gehen ohne
Nutzen verloren, beispielsweise beim
Transport. Zudemmssten erneuer-
bare Energien ausgebaut werden.
AmDienstag dieserWoche befasst
sich das Parlamentmit der Vorlage
GrneWirtschaft. Der Bundes-
rat will, dass natrliche Ressourcen
effizienter genutzt werden.
Welchen Stand hat die Vorlage?
Keinen leichten. Ich frchte, das neu-
gewhlte, eher wirtschaftlich orien-
tierte Parlament wird die positive
Wirkung aufWirtschaft undUmwelt
nochweniger erkennen als das alte.
Schadet Umweltschutz derWirt-
schaft?
Nein. Umweltschutz erfordert zwar
Investitionen, je nach den politischen
Rahmenbedingungen rechnen sich
diese aber frher oder spter.Wenn
die Unternehmen sich frhzeitigmit
Umweltschutz befassen, schaffen sie
sich sogar einenWettbewerbsvorteil.
Was tun Sie privat fr das Klima?
Ich ernhremichmglichst saisonal,
regional und verzichte auf Fleisch.
Und ichwerfe keine Lebensmittel
weg. So kannman den kologischen
Fussabdruck halbieren. Zudemheize
ichmit 100 Prozent Biogas, und krz-
lich bin ich erstmals seit 30 Jahren
wieder privat geflogen. MM
GabiHildes
heimer (59)nahm
alsMitglied der
SchweizerDelega-
tion anmehreren
Klimakonferenzen
teil und leitete
16 Jahre lang
dasNetzwerk fr
nachhaltigesWirt-
schaften (bu).
Heute arbeitet
sie bei FehrAdvice
& Partners.
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 9
-
Lustig ist das
Schmutzli-Leben
undmanchmal
bedrckend.
ThomasFetz und
seinChlaus
machendasBeste
daraus.
10 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
-
Portrt
Schmutzli,
verzweifelt
gesucht
Um Leute wie Thomas Fetz reissen sich Klausgesellschaften
im ganzen Land: Es herrscht ein akuter Mangel an
Samichlausgehilfen. Der 51-jhrige Schmutzli bestreitet in
der Adventszeit mehrere Auftritte pro Abend.
Text: Yvette Hettinger Bilder: Tina Steinauer
S
amichlauszeit ist, wenn der Luft
schutzkeller beimStrassenverkehrs
amt Zrich in festlicher Dekoration
erstrahlt.Wenn Tannenastgirlanden
die Betonwnde schmcken und Sami
chluse und Schmutzli durch die verwinkel
ten Rumewuseln. Lmpli, Laternen und
Lebkuchen an jeder Ecke, und ber der gan
zenGemtlichkeit der Duft vonHackbraten.
In der Einsatzzentrale der St.Nikolaus
gesellschaft der Stadt Zrich hat sich Tho
mas Fetz (51) gerademit einemwarmen
Essen gestrkt und steht kaffeeschlrfend in
mitten des emsigenTreibens, umdiemeter
langenEinsatzplne an einerWand zu stu
dieren. Er hat sich noch nicht umgekleidet
und siehtmit seinemwildenBart trotzdem
schon auswie der Schmutzli, in den er sich
wenigeMinuten spter verwandelnwird.
Es ist der 6.Dezember 2014 und Fetz
erste Saison. Ein paar Tage zuvor hat der
Speditionskaufmann aus Dielsdorf ZH das
Rekrutierungsverfahren der St.Nikolaus
gesellschaft bestanden und ist zum Schmutz
li ernannt worden. Nun gilt es ernst.
Umhalb vier sind Samichlaus, Schmutzli
und Eseli bereit. Das Eseli von heute ist auf
vier Rdern unterwegs und trgt eine rote
Strickjacke. Immerhin, Haare und Schnauz
sind eselsgrau. Das Trio quetscht sich in
einen silberfarbenenKleinwagen das Eseli
ans Steuer und dst los in Richtung Zrich
Hngg. Der Rest des Tages istminutis
geplant, und dasmuss so sein, denn Chlaus
undGehilfen haben Einstze im Stunden
takt vor sich.
Eshat nie genugSchmutzli undSamichluse
fr alleAnfragen
Auch zum diesjhrigen Samichlaus sind
die Stadtzrcher Samichluse und ihre
Gehilfen gefordert. ber 30Chluse,
50Schmutzli und ebenso viele Chauffeure
leisten gegen 1000Einstze.NurKunden,
die zeitlich flexibel sind, haben die Chance,
jetzt noch einen Chlaus buchen zu knnen.
Doch trotz aller Flexibilittmssen auch
heuer wieder gut 150Anfragen negativ
beantwortet werden, deshalb suchtman in
Zrich schon seit Jahren dringendNach
1
1Vorbereitung ist
alles: Neo-Schmutzli
Fetz (vorne) studiert
den Einsatzplan.
2 Titelgeschichte
Dipl. Schmutzli.
Vor einem Jahr
begleitete das
3
4
5
Migros-Magazin
Thomas Fetz zum
Aufnahmetest.
3Bei den dementen
Damen ist Schmutzli
Fetz noch etwas un-
sicher und verhalten.
4 ImSeniorenheim
beginnt der
gemtliche Teil
des Schmutzli-
nachmittags.
5 LausbubDimitri
zwischenHerzklop-
fen undbermut.
Aber das Versli sitzt.
2
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 11
-
Wettbewerbsfrage:
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Wer kennt die richtige Antwort?
Bis Sonntag, 13. Dezember 2015, im Internet auf
www.lilibiggs.ch/verlosung anklicken. Viel Glck!
Teilnahmeberechtigt sind Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Preise werden nicht bar ausbezahlt.
Detaillierte Teilnahmebedingungen unter www.lilibiggs.ch.
Wettbewerbsfrage:
Sternfrmig
Herzfrmig
Kreisfrmig
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paysafecard:
Immer mehr Menschen sind im Internet
unterwegs. Sie kaufen ein und bezahlen
ihre Einkufe gleich online. Das ist praktisch.
Aber auf die Sicherheit sollte man keinesfalls
verzichten!
Wenn Sie im Internet so sicher wie mglich
bezahlen wollen, kommt die Eingabe von
Kontonummer oder Kreditkartennummer
nicht in Frage. Sie brauchen ein
Zahlungsmittel, das ganz ohne solche
sensiblen, persnlichen Daten auskommt.
Dafr wurde im Jahr 2000 das Prepaid-
Zahlungsmittel paysafecard geschaffen.
Inzwischen zahlen Millionen Menschen rund
um die Welt Tag fr Tag mit paysafecard
wie mit barem Geld: Sie kaufen einen
16-stelligen PIN-Code (z.B. am Kiosk oder
am Postschalter). Diesen PIN geben Sie
dann beim Bezahlen im Internet ein fertig!
paysafecard verrechnet keine zustzlichen
Gebhren und Ihre Daten sind absolut
sicher, denn es werden schlicht keine
persnlichen Daten bei der Bezahlung
eingegeben.
Ihr
Marc Riedi
CEO paysafecard Schweiz
Tipp frs Internet
Online-Bezahlen wie mit Bargeld
Mehr dazu unter
www.paysafecard.com/security
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Anzeige
wuchschluse und -schmutzli. Ein Blick
ber die Stadtgrenze hinaus zeigt: Anderen
geht es nicht besser. Die Samichlausgesell-
schaft in Baar ZG sucht alle Arten vonHel-
fern und Dienerinnen und rechnet vor,
dass pro Abend nicht weniger als 40Men-
schen gebraucht werden. In Ebikon LU
nimmtman schon 13-jhrige Chluse und
Schmutzli auf. InWinterthur ZH hat ein
dreifacher Vater aus der Not heraus die eige-
ne kleine Klausgesellschaft ins Leben geru-
fen und sorgtmit seiner Aktion Rent-a-
Chlaus dafr, dass wenigstens ein paar Kin-
dermehrHerzklopfen bekommen.
Das will auch Thomas Fetz: fr Freude
sorgen und natrlich fr ein bisschen
Aufregung. An diesemDezembernachmittag
sitzt er in voller Schmutzlimontur im
Wagen, spht durch die beschlagenen Schei-
ben in die Dmmerung hinaus und zupft
seine Kapuze zurecht.
Er sei demChauffeur dankbar, dass er die
Heizung abgestellt habe, sagt er. Der Chauf-
feur seinerseits schimpft leise ber andere
Verkehrsteilnehmer.Der Samichlaus auf
demBeifahrersitz studiert ein paar Blt-
termit Informationen zum ersten Ziel.
Umvier trifft die Truppe in der Demenz-
abteilung eines Seniorenheims ein. Die
Stimmung in der kleinen Cafeteria ist heiter
bis ruhig. Eine ltere Dame sitzt scheinbar
unbeteiligt amTisch, eine andere schkert
bermtigmit demBesuch. Chlaus und
Schmutzli schtteln jeder einzelnen Frau
dieHand, lcheln und bemhen sich, Hei-
terkeit zu verbreiten. Nicht ganz einfach.
Kaum eine Stunde spter sitzt das Trio
wieder imAuto undmacht eine Art De-
briefing. Ambesten kannst dumich unter-
sttzen, wenn dumir die Namen der Leute
zuflsterst, erklrt der Samichlaus. Dann
diskutiertman berHandy-Abos und
Zeitungen. Der Chauffeur rgert sich ber
eine Frau, diemit Kopfhrer ber die Strasse
huscht. Fetz ist still. SolcheBesuchemachen
mich nachdenklich, sagt er.
Der Einsatz im zweiten Altersheim
fllt ihm schon leichter. Er hat alle Namen
imGriff und scherztmit den Senioren.
Eine Dame fragt keck: Chmed er immer
z zweit? Ja! Werum, hnd er Angscht
elleige? Alle lachen, und Fetz gert so sehr
ins Plaudern, dass der Samichlaus zweimal
mahnenmuss: Schmutzli, ezmuesch echli
ruig sii. Dann gibts Brunsli undGersten-
suppe zumProbieren, undweiter gehts.
NachdenerstenAuftritten ist das Eis
gebrochenundder Schmutzli entspannt
In Dbendorf ZHwartet der kleine Dimitri.
Im Licht einer grossenKerze vor derHaus-
tr stecken Samichlaus und Schmutzli noch-
mals die Kpfe zusammen und lesen, was sie
in ihremBuch ber den kleinen Lausbuben
notiert haben. Drinnen hampelt der blonde
Knabe aufgeregt herum. Er ist ganz schn
beeindruckt, besonders vom grossenMann
in der braunenKutte. Allerdings nicht so
sehr, dass er sein Sprchli nicht tadellos
vortragen knnte. ZumAbschied klatscht er
Samichlaus und Schmutzli kumpelhaft ab.
Thomas Fetz entspannt sich.
Besuchewie bei Dimitri seien ein unter-
haltsamer Ausgleich zu anderen Auftrgen,
resmiert er.Wobei ja auch die Vielfalt
spannend sei. Bis zumEnde seiner ersten
Schmutzlisaisonwird er in der Strafanstalt
Pschwies schwere Jungs gesehen, im
Waldhsli Dutzende von Familien emp-
fangen, Vereinsfeiern undweitere Kinder
besucht haben. Zurck bleiben ein wenig
Stolz auf den gelungenen Einstieg ins
Schmutzlidasein und eine tiefe Befriedi-
gung, wie er sagt. Und die Gewissheit, dass
er auch in diesem Jahr wieder als Schmutzli
unterwegs sein will. MM
Samichlaustage sind
krftezehrend. In der
Einsatzzentrale strken
sich dieHelfer.
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 13
Wie sich
Thomas Fetz
2014 als
Schmutzli
bewarb.
Migrosmagazin.ch
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E-Sports-WM
Der Kampf der
Spielgiganten
Spitzen-Gamer und ihre Fans fllen heute ganze Stadien. Diese Woche treten die
weltbesten Computerspieler an der E-Sports-WM in Sdkorea an. Einer von ihnen ist
der Informatiker Dennis Berg, Captain des Schweizer League of Legends-Teams.
Text: Ralf Kaminski
Bilder:RiotGames,BasilStcheli,zVg
14 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
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Ein Raunen geht durch den
Saal, dann anerkennender
Jubel und schliesslich freudi-
ger Applaus. Auf der Leinwand
imZrcherKino Stssihof haben sich
eben die fnf Kmpfer derKOOTigers
in einem cleverenManver auf jene
der SKTelecom gestrzt, siemit
diversen fantastischenComputer-
spielwaffen niedergemacht und damit
berraschend die Runde gewonnen.
Nun steht es 2zu1 zwischen den
beiden sdkoreanischen Teams zur
Freude vonDennis Berg (22) und sei-
nenKollegen, die an jenem Samstag
EndeOktober gemeinsammit rund
50 anderen Fans und Spielern zum
Public Viewing des League of
Legends-World Championship
Finals in Berlin gekommen sind.
Htte sich das favorisierte SK-Team
durchgesetzt, wre der Final bereits
zu Ende gewesen (wer als Erstes drei
von fnf Runden gewinnt, siegt), so
geht esmindestens nochmals eine
Rundeweiter.
Computerspiele imTeam
WasBergda sobegeistert schaut,
nennt sichE-Sportsnichts anderes
als zweiMannschaften, die ineinem
Computerspiel gegeneinanderan-
treten, vorPublikum. Inzwischenfin-
dendieseTurniere ingewaltigenAre-
nenstatt, diesehier inderBerliner
Mercedes-Benz-Arena, deren17000
Pltze innertSekundenausverkauft
waren.Parallel dazuknnendieFans
anunzhligenPublicViewings rund
umdieWeltdieLivebertragungauf
Grossleinwndenmitverfolgen, in
Sportarenen,KinosoderPubs.
Wie im klassischen Sport gibts
Moderatoren, die atemlos jeden
Zug kommentieren und einordnen,
es gibt Fangemeinschaften, Spon
soren, Preisgelder: ESports ist zu
einemMilliardengeschft geworden.
Online-Kanle wie Twitch.tv sind
entstanden, auf denenman pausenlos
solche Spiele verfolgen kann; die Seite
hat hnlich viele Zugriffe wie die Fifa.
Beobachter der Szene erwarten, dass
E-Sports in 10 bis 20 Jahren klassi-
sche Sportartenwie Fussball berholt
haben und zumFreizeitsport Num-
mer eins aufsteigenwird.
Dennis Berg ist aber nicht einfach
ein x-beliebiger Fan, er gehrt selbst
zu den besten League of Legends-
Spielern (LoL) der Schweiz und tritt
als Captain seines Teams Anfang
Dezember an der E-Sports-WM in
Sdkorea fr die Schweiz an. Auch
deshalb interessiert ihn das Duell in
Grosse Show in
der Berliner
Mercedes-Benz-Arena:
Das SK-Telecom-Team
triumphiert im League
of Legends-Final am
31.Oktober.
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 15
-
Berlin, denn dort treten drei Super-
stars der Szene an, junge Sdkorea-
nermit globaler Fangemeinde, die
von E-Sports leben knnen. In der
Schweiz kanndas praktisch niemand,
sagt Berg, aber in Sdkorea ist es ein
gewaltiges Geschft.
Die Prsenz der drei sdkoreani-
schen Stars in Berlin ist ein bisschen
so, wie wenn Federer, Djokovic und
Nadal gleichzeitig in einemTennis-
match imEinsatz stnden. Die Fans
in Sdkorea hngen sich Poster ihrer
Gamer-Idole zuHause bers Bett,
und das Siegerteam in Berlin kann
sich auf eineMillion Franken freuen.
Bis imHalbfinal waren auch noch
zwei europischeMannschaften im
Rennen, die hatten aber, wie so oft,
keine Chance gegen die Sdkoreaner.
Und amEnde gewinnt das SK-Team
3zu1.
Seine ersten Computergames hat
Dennis Bergmit fnf Jahren gespielt,
seit vier Jahren spielt er LoL, seit gut
zwei Jahren nationale und interna-
tionale Turniere. Heute gehrt er zu
den Top Ten in der Schweiz. Dass er
sich auf LoL spezialisiert hat, sei Zu-
fall, aber das Spielmache immer noch
Spass. Dabei treten zwei fnfkpfige
Teams gegeneinander an, jeder steu-
ert einen Spielcharaktermit unter-
schiedlichen Fhigkeiten undWaffen
durch ein Fantasy-Spielsetting. Ziel
ist es, die gegnerische Festung zu
erobern, dazu braucht es einerseits
strategisches Geschick, andererseits
aber auch flinke Finger, um in den un-
vermeidlichenKmpfen zu bestehen.
LoL ist nur eines von diversen
E-Sports-Spielen fast alle erfordern
eine hnlicheMischung aus Strategie,
Konzentration undGeschwindigkeit.
In Seoul werden neben LoL auch
Hearthstone und StarCraft II gespielt.
EntwicklungslandSchweiz
Mir liegt strategischesDenken,und
ichbinehrgeizig, daswar schon frher
beimMonopoly so, sagtBergaufdie
Frage,weshalber indiesemSpiel so
erfolgreich ist.Hinzukommt: spielen,
spielen, spielen. InVorbereitungauf
dieWMtrainiertder Informatikeraus
DietikonZHrundzweiStunden tg-
lichalleinundetwavierStundenpro
WochemitdemTeam.DieTrainings
undAbsprachensindextremwichtig,
dennLoL ist einTeamsport.Ein idea-
lesTraining ist zumBeispiel, sich in
schwierigeSituationenzubringen,die
mannormalerweisevermeidetund
dannzuversuchen,daheilwieder
rauszukommen.Manmuss laufend
neueStrategienentwickeln, das
machtes so interessant.
Berg gehrt zwar zu den Besten in
der Schweiz, aber die Schweiz ist im
E-Sport nicht sehr bedeutend. Die
Lebenshaltungskosten hier sind so
hoch, dass Gamer es sich nicht leisten
knnen, nur zu spielen. In Osteuropa
hingegen gibt es einige, die neben
E-Sports keinen Job brauchen und
viel mehr Zeit haben zu trainieren.
Die spielen dann natrlich auf einem
anderenNiveau. Einsam an der
Spitze steht jedoch Sdkorea, wo
manE-Sports schon seit ber zehn
Jahren betreibt.
Die Schweiz sei demgegenber
geradezu ein Entwicklungsland, sagt
Vinzenz Kgler, Prsident des
Schweizerischen E-Sports-Verbands.
Der Stellenwert von E-Sports ist
hier imVergleichmit traditionellen
Sportarten relativ gering, denmeis-
ten ist gar nicht bewusst, dass es fr
Videospiele berhaupt einen profes-
sionellenWettkampf gibt. Generell
haben Computerspieler im deutsch-
sprachigen Raumnicht das beste
Image. Doch das verndert sich lang-
sam, denn unter Jugendlichen ist
Gaming sehr beliebt, zunehmend
auch bei weiblichen.
DopingundSexismus
Berg schtzt, dass 10 bis 20 Prozent
imE-Sports Frauen sind. Aber die
meisten spielen nicht gut genug, um
ganz vornemit dabei zu sein. Auch
im Schweizer Team fr Sdkorea gibt
es keine Frau. Zudem sind die Gamer
auch immerwiedermalmit Sexis-
musvorwrfen konfrontiert. Berg
relativiert: Der Ton ist berall rau
und sexistisch, wo viele 14-jhrige
mnnliche Jugendliche unterwegs
sind. Auch ichmussmir immerwie-
dermal Beschimpfungen anhren,
Sprchewie Mann, bist du hsslich
E-Sports-Fans
im Zrcher Kino
Stssihof. Unter
ihnen auch
Dennis Berg, der
in Seoul fr die
Schweiz antritt
(Bild rechts).
16 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
-
DasWM-Team
Sie treten fr die Schweiz in Seoul an
Dennis Berg aliasKoala
(22), Informatiker aus
DietikonZH
Spiel: League of Legends
Turniere: seit 3 Jahren
Training proMonat:
ca. 40 Stunden
Spieleigenschaften: strate
gischesDenken und Ehrgeiz
AdrianAebischer alias
Yama (27), Informatiker
aus Freiburg
Spiel: League of Legends
Turniere: seit 8 Jahren
Training proMonat: Ist eher
einHobby, praktisch tglich
Spieleigenschaften: Zeit
management, gttliches
Makro undMikrospiel
Joshua LimaliasWild
Joshy (19), Informatiker
aus SeonAG
Spiel: League of Legends
Turniere: seit 2 Jahren
Training proMonat: schwer
zu beziffern. Ich lese viel
undmache auch Fitness,
den ganzenRest der Freizeit
bin ich amGamen, teils zum
Spass, teils als Training
Spieleigenschaften: Ehrgeiz,
Fhigkeit zur Selbstkritik,
Fleiss und die richtige
Mentalitt
AliN. alias Lagyli (21),
Informatiker aus Zrich
Spiel: League of Legends
Turniere: seit 1 Jahr
Training proMonat:
ca. 25 Stunden
Spieleigenschaften:
Intelligenz, Flair fr
das Spiel
YannickWidmer alias
younTheory (23),
Informatik-Student aus
St-LgierVD
Spiel: Hearthstone
Turniere: seit knapp 1 Jahr
Training proMonat:
ca. 150 Stunden
Spieleigenschaften:
Liebe zumSpiel, viel Erfah
rung, guteUntersttzung
durchmein TeamQualitas
Helvetica
EloiMinh-DaoQuach
alias Elroye (19),
MaturandausGenf
Spiel: StarCraft II
Turniere: seit knapp3 Jahren
Training proMonat:
seit Schulende 8 bis 12 Stun
den pro Tag in Vorbereitung
auf ein Turnier, ohne Turnier
aber deutlichweniger
Spieleigenschaften: viel
Spielerfahrung, viel Training
oder so was.Mit der Zeit ignoriert
man das einfach. Und ganz wie im
klassischen Sport ist auchDoping ein
Thema. Der Counter-Strike-Spieler
Kory Friesen liess sich vor Kurzem
zitieren, dass alle Spitzenspieler im
E-Sports gedopt seien, mit konzen-
trationssteigerndenMedikamenten
wie Ritalin oder Adderall.
Berg sagt, Doping sei im Schweizer
E-Sports kein grosses Thema. Ich
glaube nicht, dass wir hier ein Prob-
lem damit haben. Dennochwird in
der Branche derzeit diskutiert, ob
knftig vor grossen Turnieren Tests
stattfinden sollen.
Tatschlich ist eine gute Konzen-
tration extremwichtig bei E-Sports.
Berg sieht zu, dass er vor Turnieren
gengend schlft, etwas gegessen hat,
aber nicht zu viel und nicht zu fettig.
Und er analysiert Verhalten und
Strategien der gegnerischen Teams.
Die Gegner der Schweiz in Sdkorea
werden vorOrt ausgelost es nehmen
23Nationen teil. Beim letzten grossen
Turnier in Bukarest 2014 schaffte
Berg esmit seinemTeambis ins Vier-
telfinal, dort scheiterten sie dann an
Sdkorea. Diesmal hofft er, dass sie es
bis insHalbfinal schaffen. Zu gewin-
nen gibts auf den ersten drei Pltzen
insgesamt rund 20 000Franken.
Natrlich steht in Seoul dasTur-
nier imMittelpunkt, aber Bergwar
nochnie in Sdkorea, und dieMann-
schaftwird schon ein paarTage vorher
anreisen. Ein bisschen Sightseeing
machenundmit anderen Spielern um
dieHuser ziehen, sagt Berg. Denn
das ist ein netterNebeneffekt dieses
Hobbys. Man lernt viele Leute aus
der ganzenWelt kennenund geht sich
dann auch gegenseitig besuchen.Das
ist schon sehr cool. MM
7th E-SportsWorldChampionship
in Seoul, Sdkorea: 2. bis 5. Dezember.
Infos zumSchweizerNationalteam: Sesf.ch
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 17
Faszinierende
Welt des
E-Sports im
Video:
Migrosmagazin.ch
-
7.95
Bio Rindsentrecte
Schweiz, per 100 g
8.30
Bio Limonen-Rauchlachs
Zucht aus Irland, 100 g
2.35 statt 2.95
Alle Migros-Bio Kontren oder Honige
20% gnstiger, z.B. Extra Heidelbeerkonfitre,
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per 100 g, 20% gnstiger
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2 x 75 g
2.35
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20% gnstiger,
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Genossenschaft Migros Wallis
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Dschihad
Von der
Eulach an den
Euphrat
Junge Leute aus dem Umfeld einer Winterthurer Moschee
haben sich der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und im
Irak angeschlossen. Wie sie radikalisiert wurden, ist ungeklrt.
Eine Schlsselrolle drfte der inzwischen verstorbene
Thaibox-Weltmeister Valdet Gashi gespielt haben.
Text: Peter Aeschlimann
DerDeutsche Valdet Gashi war ein erfolgreicher Thaiboxer, ehe er sich dem IS anschloss.
InWinterthur bot er Kampfsporttrainings fr jungeMuslime an. Im Sommer dieses Jahres soll er
bei einemamerikanischen Luftangriff bei Kobane ums Leben gekommen sein.
E
ins der letzten Bilder, das der 18-jh-
rige Christian auf seinemFace-
book-Profil gepostet hat, zeigt ihn
mit grner Sturmmaske und zwei
Sturmgewehren imAnschlag.
Der jungeMannwar, was der Schweizer
Nachrichtendienst als dschihadistisch
motivierten Reisenden bezeichnet eine
Person, die nach Syrien reist, um sich dort
der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzu-
schliessen. Doch hinter dem technokra-
tischen Begriff verbergen sich persnliche
Dramen.Wie das umChristian. Der junge
Winterthurermit italienischenWurzeln
kehrte seinerHeimat imFebruar dieses
Jahres den Rcken. Inzwischen soll er
tot sein, vermutlich wurde er Opfer eines
US-Raketen-Angriffs.
Noch vor einem Jahr deutete nichts dar-
auf hin, dass Christians Leben ein gewalt-
sames Ende findenwrde. Der Teenager galt
unter Freunden als sympathisch und lebens-
lustig. Er brachte gute Schulnoten nach
Hause, spielte in der Freizeit Fussball.Bilder:ScreenshotSRF,Facebook
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 19
-
PltzlichDschihadist: Der 18-jhrige Christian
ausWinterthur prsentiert sich auf Facebook
in Kriegermontur und -pose.
Der Lehrmeister warmit dem angehenden
Polymechaniker zufrieden.
Dann, irgendwann imHerbst 2014, nach
einer Sportverletzung und einigenWochen
Arbeitsunfhigkeit, war alles anders: Chris-
tian verkaufte seine Playstation und konver-
tierte zum Islam. Er besuchte fortan regel-
mssig dieMoschee, betete fnfmal amTag.
Seinemuslimischen Freundewaren zuerst
begeistert vomneuenGlaubensbruder. Doch
bald wandten sie sich von ihm ab. Er war
ihnen fremd geworden, zu extrem.Chris
tian brach die Lehre ab. Er liess sich einen
Bart wachsen, hrtemit demTrinken auf
und vertrat immer radikalere Ansichten.
DerVater, einKatholik, stellte seinen Sohn
schliesslich vor die Tr.Nach einigen
Nchten imHotel fandChristianUnter-
schlupf bei einer Person aus demUmfeld der
Moschee unddannwar er pltzlichweg,
ber die Trkei nach Syrien abgereist, wo er
sich unter demNamenAbdulMalik al-Itali
dem IS anschloss.
Was bringt einen jungenMenschen dazu,
von der sicheren Eulach an den brandge-
fhrlichen Euphrat zu reisen? Kurt Pelda,
Kriegsreporter und Trger des Schweizer
Menschenrechtspreises, hlt sich regel-
mssig in Syrien auf und hatte via Facebook
Kontaktmit Christian. Er nenntmehrere
Faktoren, die zu einer Radikalisierung fh-
ren knnen: Auffallend sei, dass es sich bei
den jungenDschihadreisenden oft um
Schul- oder Lehrabbrecher handle, um No-
bodys, die von falschen Freunden Respekt
erhalten, der ihnen sonst verwehrt bleibt.
DieManipulatoren trichterten ihnen ein,
dass es ihre heilige Pflicht sei, denMuslimen
in Syrien oder im Irak zu helfen. Und dann
spielt auch die Abenteuerlust eine Rolle. Die
IS-Propaganda im Internet verfngt.
ErschreckendesUnwissen
Es sei erschreckend, sagt Kurt Pelda, wie
wenig dieseMenschen ber die tatschliche
Situation in Syrien oder im Irak wssten.
So staune er immerwieder ber den
Schwachsinn, den dieMchtegern-
Gotteskrieger in den sozialenMedien teil-
ten: meistens Verschwrungstheorien, die
eigentlich leicht zu durchschauenwren.
Nur: Oft sind die Leute intellektuell nicht
dazu in der Lage, so Pelda. Hinzu kommt,
dass es bequemer sei, imNetz nach einer
Besttigung der eigenen Ansichten zu
suchen statt nach einemWiderspruch.
EinenMonat eher als Christian verschwand
auch Valdet Gashi, 27-jhrig, und bekann-
tester Dschihadreisender aus demUmfeld
der AnNur-Moschee inWinterthur. Als
zweifacherWeltmeister imThaiboxenwar
der Deutschemit kosovarischenWurzeln
ein gefeierterMedienstar in Asien. Hier
lernte er auch seine sptere Frau kennen.
Der zweifache Vater leitete inWinterthur
muslimische Kampfsporttrainings, an denen
auch Christian teilgenommen hatte. Nach-
dem dieMedien Valdet Gashis Sympathien
fr den IS aufgedeckt hatten, brach er seine
Projekte inWinterthur ab.Wie sein Zgling
Christian soll er im Sommer bei einem
amerikanischen Luftangriff in Syrien ums
Leben gekommen sein.
Rund ein halbes Dutzend jungerMen
schen ist vonWinterthur aus in Richtung
Wste aufgebrochen, um den IS zu unter
sttzen.Auf deren Schicksale konzentriert
sich die derzeitige Berichterstattung. Um-
stritten ist, ob es inWinterthur eine IS-Zelle
gibt. Kurt Pelda ist von deren Existenz ber-
zeugt undmoniert, dass der Staat zuwenig
dagegen unternehme. Das ist Panikmache,
widerspricht Extremismusexperte Samuel
Althof:Wer ohne Beweise Gerchte kol-
portiere, vergrssere die Angst undVerun-
sicherung in der Bevlkerung. Das ist
kontraproduktiv imKampf gegen den Ter-
rorismus. Seit den Terroranschlgen vom
13.November in Paris verzeichnet Althof
als Leiter der Fachstelle Extremismus- und
Gewaltprvention einen leichten Anstieg
bei entsprechenden Anfragen. Ein Berufs-
schullehrer etwa suchte Rat, nachdem ein
Schler imUnterricht damit geprahlt hatte,
wie toll er die Anschlge von Paris fnde.
Ein dummer Spruch, umbei denKollegen
zu punkten, sagt Althof.
Dochwann ist die Sorge berechtigt?
Wenn sich jemand abschotte, sein soziales
Umfeld austausche und Beziehungen
beende, so Althof, oder wenn sich jemand
usserlich verndere, sich einen Bart wach-
sen lasse und pltzlich Gewalt gutheisse.
Aber selbst dann bedeutet das noch lange
nicht, dass eine Person auf demWeg zum
IS ist. Falls der Verdacht begrndet sei,
mssemanmit den Betroffenen intensiv
das Gesprch suchen und derenUmfeld
ausleuchten. Den grssten Fehler, denman
machen knne, sei ein Ausschluss. Also
genau das, was Christian widerfahren ist,
als er vomVater rausgeworfenwurde.
Das ist die tiefste und am strksten chroni-
fizierbare Verletzung, dieman einer Tochter
oder einem Sohn zufgen kann, sagt
Samuel Althof, dann kann alles verloren
sein. Sein Tipp: auf keinen Fall die elterlich
liebende Position aufgeben, sondern die
eigenenWerte weitergeben, damit eine
Person keinenGrund hat, abzureisen.
Teenager aufAbwegen
Nichts von ihren Plnen abhalten konnte
das Geschwisterpaar Visar (17) und Edita
(15) ausWinterthur. Beide besuchten die
Moscheen inWinterthur und Embrach;
auch Visar nahm anGashis Trainings teil.
ImWinter vor einem Jahr schmiss er das
KV und seine Schwester die Schule, um
sich in Syrien dem IS anzuschliessen. Die
Suche des Vaters nach denKindern verlief
bisher erfolglos. Es heisst, die Teenager
hielten sich im syrischen Rakka auf, Edita
sei inzwischen verheiratet.
NebenChristian, Gashi, Visar undEdita
sind dreiweitere Personen bekannt, die
zuerst inWinterthur gebetet und spterKon-
takte zum IS aufgebaut haben.Der dortige
Moscheeverein lsst aber ber diverse
Medien verlauten: Damit habenwir nichts
zu tun. In einem Interviewmit dem
Tages-Anzeiger sagte der Prsident:
ValdetGashi steckt hinter allem.
Es sei nicht primr die Gewalt, die auf
Jugendliche anziehendwirke, sagt Kriegs-
reporter Kurt Pelda. AmAnfang htten
Dschihadreisende vermutlich den aufrich-
tigenWunsch zu helfen, als Sanitter oder
Journalisten etwa. DieMotive, nach Syrien
oder in den Irak zu reisen, seien also nicht
unbedingt bse. Dass sie dann etwas ande-
resmachenmssen, lernen sie in der Regel
erst vor Ort. Doch dann ist es zu spt. MM
Bild:ScreenshotSRF/Rundschau
20 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
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Melanie Bolz, wie sehe ich einer
Kindertagessttte an, dass
sie eine Bildungskrippe ist?
Auf den ersten Blick vielleicht
an den Rumlichkeiten. Es kn
nen ungewhnliche Dinge an
denWnden hngen, etwa Zei
tungsartikel aus verschiedenen
Lndern oder ein Bild vom
TajMahal.Wasman nicht sieht:
Esgibt eine intensive und lange
Eingewhnung des Kindes, bei
der ein Elternteil dabei ist.
Sind die Spielsachen aufs
Lernen angelegt?
Natrlich gibt es bei uns die
obligaten Legosteine und Bau
kltze. Daneben aber vielleicht
auch ein paar unfrmige ste,
die sich nicht stapeln lassen.
Was ist das Ziel der Bildungs
krippe? Eine steilere Schul
karriere?
Nein.Wirwollen, dass die Kin
der Freude amLernen haben
und sich diese erhalten knnen.
Denn jedes Kindwill lernen.
Dafr braucht es eine anregende
Umgebung und Erwachsene, die
sich aufs Kind einlassen und es
nicht zum Singen zwingen, wenn
es liebermalenwill.
Schweizer Schulpreis 2015
Kinder sollen
entscheiden
Bildung beginne vor demKindergarten, betonen die Organisatoren
des Schweizer Schulpreises. Wie das imAlltag der 55 Bildungskrippen
aussieht, erklrt die ErziehungswissenschaftlerinMelanie Bolz.
Text:Yvette Hettinger
Schulpreis 2015
Auszeichnung
fr frhkindliche
Bildung
ZumzweitenMalwerden
am2.Dezember Schulen
mit demSchweizer
Schulpreis ausge
zeichnet. Erwurde 2013
erstmals vergebenund
ging in denHauptkatego
rien andieOberstufen
schuleWdenswilZH
unddieGemeindeschu
len vonMartignyVS.
Neuwirddieses Jahr eine
Institutionmit dem
SchweizerPreis fr
FrhkindlicheBildung
2015gekrt. DerVerein
ForumBildunghat diese
Auszeichnungmit der
Untersttzungdes
MigrosKulturprozents
ins Leben gerufen.
Finalisten: siehe Seite 23
Das geht doch in normalen
Krippen auch.
Natrlich wrde kein Erwach
sener je sagen, dass er nicht auf
dieWnsche des Kindes eingeht.
Dennoch gibt esmancherorts
ein Programm. Dann heisst es:
Heutemachenwir dies und
das. Stellt sich die Frage:
Wessen Bedrfnis wird damit
befriedigt? Bei fixen Program
men oft das der Erwachsenen.
In der Bildungskrippe gilt
derWunsch des Kindes?
Dort hat es so weit wiemglich
dieWahl, zumBeispiel zwischen
demMal, demBau und dem
Bewegungsraum. Klar, gibt es
auch Ausflge in denWald oder
in den Park. Aber auch dort
knnen die Kinder whlen,
womit sie sich befassenwollen.
brigens wird das in einzelnen
Kindergrten und Schulen auch
schon so gehandhabt.
Undworin besteht die Rolle
der Betreuer?
Sie begleiten die Kinder und
geben ihnenHilfestellung oder
Anregung, wenn sie das brau
chen. Vielleicht sieht es so aus,
als ob die Betreuer nur in einer
Melanie Bolz (37) ist Erziehungs
wissenschaftlerin und Projekt
leiterin von Bildungskrippen.ch.
22 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
Schulpreis-
Finalisten
und ihre
Strken:
Migrosmagazin.ch
-
In der Bildungskrippe
knnen Kleinkinder
lesen lernen,mssen
aber nicht.
Neuer Preis fr
Kindertagessttten
Die Finalisten
und was die Jury
ber sie sagt
1. Kindertagessttte
Frechdachs, Zrich:
Diese Kita geht sehr
kreativmit den beeng-
tenVerhltnissen der
Stadt um.Den tollen,
wilden Kinderspielplatz
im ansonsten cleanen
Quartier hat sich die Kita
hart erkmpft.
2.Kinderhaus Imago,
Dbendorf ZH:
Uns hat die individuelle
Betreuung gefallen, die
teilweise eins zu eins
stattfindet.
3. Kindertagessttte
Leuehhli,Winter
thur ZH: Die Leuehhli
ist auf die Betreuung
vonKleinstkindern spe-
zialisiert. Uns hat unter
anderemdie gemtliche
Atmosphrebegeistert.
4.KSAZwrglihus,
KantonsspitalAarau:
Das Zwrglihus hat
viel Umschwung und
passt seine Einsatzplne
so an die Schichten
der Eltern an, dass die
Kinder von ihren
Bezugspersonen be-
treutwerden knnen.
5. Crche intercom
munale Lle aux
Mmes,VsenazGE:
Hier ist die Architektur
besonders,mit einer
offenen Treppe ohne
Schranken.
www.schweizerschulpreis.ch
Ecke sitzen und nichts tun.
Doch sie schauen genau hin und
notieren ihre Beobachtungen.
Ist ein Kind nicht berfordert,
wenn es keine Anleitung
bekommt?
Nicht, wenn seine Signale rich
tig gedeutet werden. UndKinder
zeigen sehr klar, was sie wollen
undwas nicht.
Was passiert mit denNotizen
ber die Kinder?
Die Betreuer tauschen sich ber
ihre Beobachtungen aus, um
herauszufinden, was sie dem ein
zelnenKind noch zustzlich an
bieten knnen.Manchmal sucht
man aufgrund derNotizen auch
dasGesprchmit denEltern.
Etwa, wennman findet, einKind
fhle sich nicht wohl in derKita.
Was fr Eltern bringen
ihre Sprsslinge in die
Bildungskrippe?
Allemglichen, auch solchemit
Migrationshintergrund. Ihnen
sind primr die ffnungszeiten
wichtig, die Erreichbarkeit und
die Atmosphre. Kriterien, die
auch bei allen anderenKinder
tagessttten relevant sind.
Was ist das Prinzip von
infans, demKonzept der
Bildungskrippen?
Der wichtigste Leitsatz lautet
Keine Bildung ohne Bindung
und Beziehung.
Was fr Personal arbeitet
in einer Bildungskrippe?
Das gleiche wie in allen Krippen:
Ein Teil hat den anerkannten
eidgenssischen Abschluss,
ein Teil ist in der Ausbildung.
Bildungskrippen haben nicht
mehr Betreuer und auch nicht
mehr Geld als andere, zumal sie
auch nichtmehr kosten. MM
Das Kinderhaus Imago
betreut behinderte und
nicht behinderte Kinder.
Bild:ChristineBrlocher/Ex-Press
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 23
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Eine gute Idee macht S
Das schne Gebude einfach abreissen, wenn fr immer Schulschluss ist? In Davos,
Amriswil, Drstelen und Hottwil haben ehemalige Schulhuser eine neue Bestimmung
gefunden: als wissenschaftliches Institut, Museum, Wohnhaus oder Gsteunterkunft.
Text: Franziska Hidber Bilder: Kuster & Frey
Alte Schulhuser
24 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
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t Schule
Schulmuseum in Amriswil TG
Wo die Schulgeschichte lebt
HansWeber (76) ist kein ngstlicherMann.Aber um
Mitternacht wrde er das Schulmuseumnie aufsuchen.
Er senkt die Stimme zu einemFlstern: Man sagt, das
Frulein Brauchli treibe dann ihr Unwesen!Weber
lacht herzhaft. Er istMuseumsleiter und Prsident der
privaten Stiftung SchulmuseumMhlebach. Aline
Brauchli auf das Frulein legte sie grossenWert!
war Lehrerin und unterrichtete 44 Jahre lang im Schul-
zimmer im ersten Stock, 66 Jahre verbrachte sie in der
Lehrerwohnung imErdgeschoss; ihr Foto hngt noch
immer an derWand.Hinter denMauern aus dem Jahr
1846 schlummern unzhlige Geschichten, undHans
Weber weiss sie zu erzhlen.
Wodas Frulein Brauchli frher kochte und schlief,
finden seit 2002 interaktiveWechselausstellungen
statt, aktuell zumThema Ansichtssache das Bild in
der Schule. Und zu sehen gibt es vieles, zumBeispiel
im historischen Schulzimmer. Hier knnenKinder und
Erwachsene in den altenHolzbnken die Feder ins
Tintenfass tunken odermitMilchgriffeln auf Schiefer-
tafeln schreiben, Texte in historischer Schulschrift
lesen, dasHarmonium testen oder gar eine Lektionwie
anno dazumal erleben.WennWeber erzhlt, dass in
diesemRaum einst bis zu 100Kinder sassen, erntet er
oft unglubiges Staunen. Undmanchmal bekommt er
danach Post.Wie das Krtchen, auf das ein Schlermit
Tinte und in schnster Kurrentschrift schrieb: Ich
fand das Schulmuseum saugeil. Das Frulein Brauchli
htte bestimmt seine helle Freude daran gehabt.
www.schulmuseum.ch
Das Schulmuseum im ehemaligen Schulhaus
Mhlebach in Amriswil TG versetzt Besucher
in lngst vergangene Zeiten.
1 Thurgauer Schul-
geschichten sam-
meln und erzhlen:
die grosse Passion
von Museumsleiter
Hans Weber.
2 Einst fast abgeris-
sen, gilt das heutige
Museumsgebude
mit dem seltenen
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Wohnhaus in Drstelen ZH
Von der Schul- zurWohnstube
Lck, habt ihr eine grosse Stube! Das bekommt
Giana (10) fters zu hren,wenn sie ein Gspnli mit
nachHause bringt. GianasMutter, Jeanette Val (47),
sitzt am langenHolztisch. Frher spielten die Kinder
hiermanchmal Versteckis.Mit hier ist das ehe
malige Klassenzimmer gemeint. Vomunvernderten
Grundriss zeugt dieWandtafel, clever als Schranktr
genutzt. VaterMichael Helbling (48) zeigt auf den
Billardtisch im hellen, loftartigen Raummit Original
holzboden, vielen Fenstern undmoderner Kche: Wer
kann schon so ein Ding in denWohnbereich stellen?
Als der Kundenmaurer das ersteMal ber diese
Schwelle trat, verliebte er sich sofort. Ich weiss noch,
wie ich dachte:Wow, hiermchte ich wohnen!Das
war kurz nach der Schulschliessung 1998. Dann ging
alles schnell: Im Jahr 2000 zogenMichael Helbling und
Jeanette Valmit Yannik (heute 21) undMaurice (heute
18) alsMieter in die ehemaligeHauswartswohnung im
ersten Stock ein. 2003 konnte die Familie das Schulhaus
erwerben, 2004 begann siemit demUmbau es war der
Auftakt zu einer turbulenten Zeit. Wirmachten so viel
wiemglich selber, sagt Helbling. Jeanette Val scht
telt denKopf, wenn sie daran denkt: Zwischendurch
bestand die Kche aus einer einzigenHerdplatte, und
dasmit vier Kindern!Mary (15) undGianawuchsen
von Anfang an im Schulhaus auf. Das Gebude aus dem
Jahr 1892 gilt als schutzwrdig, es gab gesetzliche Auf
lagen. Meine Trume von einer Terrasse oder einem
Balkon blieben Schume, sagt Jeanette Val.
Haben turbulente Jahre des Umbaus hinter sich: Jeanette
Val (l.) und Michael Helbling (r.) mit den Kindern Maurice,
Giana (u. l.) und Mary (nicht auf dem Bild: Tochter Yannik).
1 Das ehemalige Klassenzimmer der Gesamt-
schule ist heute Zentrum des Familienlebens:
Hier wird gekocht, gegessen und gespielt.
2 Das Atelier im Dachstock nutzt die
vierfache Mutter Jeanette Val, um ihre
Hg, ihre Hftgrtel, zu fertigen.
3 Aus dem Schulhaus in Drstelen ist
ein charmantes Bijou geworden, aus dem
Pausenplatz ein grosszgiger Garten.
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1. Tag, Dienstag 5. Juli 2016 Anreise Hannover
Fahrt im komfortablen Extrabus nach Hannover.
2. Tag, Mittwoch 6. Juli 2016 Dnisches Seeland
Via die sonnige Ostseeinsel Fehlmarn, die Farb-
rcke und das wunderbare dnische Seeland er-
reichen wir am Abend Schweden. bernachtung
in Vxj.
3. Tag, Donnerstag 7. Juli 2016 - Stockholm
Fahrt nach Stockholm mit tollen Landschaften
und Inga Lindstrm-Romantik. Danach zeigen wir
Ihnen die Hhepunkte Stockholms. Am Abend
legt unsere moderne Fhre Richtung Finnland ab.
bernachtung an Bord.
4.Tag, Freitag 8. Juli 2016 Helsinki & finnische
Seenplatte
Von Turku geht es in die finnische Hauptstadt Hel-
sinki, wo wir zu einer eindrcklichen Stadtfhrung
erwartet werden. Spter Fahrt durch die finnische
Seenplatte - Traumlandschaften in grn und blau!
bernachtung im Raum Kuopio.
5. Tag, Samstag 9. Juli 2016 Rovaniemi & Lappland
Durch die unendlichenWeiten der finnischenWl-
der erreichen wir Rovaniemi, Stadt am Polarkreis
und Heimat des Weihnachtsmanns. bernach-
tung im Raum Levi.
6. Tag, Sonntag 10. Juli 2016 - Nordkap
Wir erreichen Norwegen und die legendre Nord-
kapinsel. Am Abend erleben wir hier den Hhe-
punkt unserer Reise wir stehen am Nordkap und
geniessen den Ausblick aufs ewige Eismeer bei
nchtlicher Mitternachtssonne!
7. Tag, Montag 11. Juli 2016 Nordkap - Alta
- Kiruna
Die Samenstadt Alta mit den berhmten Fels-
zeichnungen und der Nordlicht Kathedrale sumt
heute unseren Weg durch Norwegen, Finnland
und Schwedisch Lappland. bernachtung im
Raum Kiruna.
8. Tag, Dienstag 12. Juli 2016 - Umea
Nach der erneuten berquerung des Polarkreises
heisst unser heutiges Etappenziel Umea, die Stadt
der Birken.
9. Tag, Mittwoch 13. Juli 2016 Hohe Kste & Falun
Das UNESCOWeltkulturerbeHohe Kste mit den
fantastischen Granitklippen und die Kupferberg-
werkstadt Falun begeistern uns heute. bernach-
tung im Raum Falun.
10. Tag, Donnerstag 14. Juli 2016 Dalarna &
Vtternsee
Durch die Provinz Dalarna erreichen wir am Nach-
mittag den wunderschnen Vtternsee mit sei-
nem klarenWasser. bernachtung in Jnkping.
11. Tag, Freitag 15. Juli 2016- Kopenhagen
Nach letzten Eindrcken vom Bilderbuchland
Schweden fahrenwir via Kopenhagen zurck nach
Hannover.
12. Tag, Samstag 16. Juli 2016 Heimreise
Mit vielen unvergesslichen Eindrcken im Gepck
treten wir heute die Heimreise an.
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1Gasthaus Bren, Hottwil AG
bernachten im Schulhaus
Geri Keller (55) ist ein Hiesiger. In der Turnhalle,
wo immermal wieder Theater gespielt oder Pilates
gemacht wird, hat er selbst als Bub geturnt, in den
Schulzimmern im ersten Stock das Einmaleins und
die Schnrlischrift gelernt wie seine beiden lteren
Kinder. Der Jngste aber hat hier nur noch ein Schul-
jahr erlebt, dannwurde die Schule im Sommer 2006
geschlossen es gab zuwenige Schulkinder im
270-Seelen-Dorf zwischen Laufenburg und Brugg
imMettauertal. Geri Keller hatte von Anfang an eine
Vision, wasmit demGebude geschehen knnte: Das
Schulhaus liegt mitten in der Natur und direkt am
Flsserweg ideal fr eine Gruppenunterkunft.
Der Flsserweg ist quasi Kellers viertes Kind: Der
Hottwiler hat den Anstoss zum beliebten Themen-
Wanderweg gegeben. Bis Ende des 19. Jahrhunderts
diente er als Heimweg der Flsser zurck nach Stilli,
nachdem sie ihre Flosse via Aare und Rhein nach Lau-
fenburg gebracht hatten. Damals wie heute strken sich
dieWanderer im Bren: Hier ist Keller aufgewachsen,
hier wirtet er heutemit seiner Frau Esther (49). Das
Paar betreibt imAuftrag der GemeindeMettauertal
auch das Gstehaus Flssermit fnf Zimmern und
30Betten: Aus der Vision ist Realitt geworden.
Seit der Einweihung im Juni 2013 luft es rund.
Allein im letzten Jahr hattenwir 25Gruppen hier,
sagt Geri Keller und zhlt auf: Schulen, Vereine, Sport-
klubs, Jodelchrli, Biker. Guggenmusiken, Jugendgrup-
pen, Firmen. Studenten kamen zumLernen, Radfahrer
zumTrainieren, Familien zumFeiern. Keller gefllt,
wie die Gste das Dorf beleben: Es gab bereits Turnie-
re zwischen auswrtigen und einheimischenGruppen.
www.baeren-hottwil.ch
1 Hast du in der
Schule geschla-
fen? In Hottwil AG
ist diese Frage
frei von Ironie: Aus
dem ehemaligen
Schulhaus ist eine
Gsteunterkunft
geworden.
2Geri Keller
ist in Hottwil
aufgewachsen.
Gemeinsam mit
Ehefrau Esther
betreibt er mit
viel Herzblut das
Gstehaus Flsser.
3 Turnhalle und
Sportplatz stehen
Einheimischen
und Gsten
gleichermassen
zur Verfgung.
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MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 29
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Auf dem Dach der ehemaligen Schule
untersucht das Physikalisch-Meteorolo-
gische Observatorium in Davos seit
1976 die natrlichen Einflsse aufs Klima.
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Fridolin und die
sieben Schwestern
Als Wirtschaftsfrderer machte Fridolin Schwitter Karriere. Dann suchte er nach einem neuen
Sinn im Leben und trat auf Zeit dem Kapuzinerorden bei. Das geistliche Dasein liess ihn nicht mehr
los: Nun versucht er sein Glck im Kloster Notkersegg in St. Gallen bei sieben Ordensschwestern.
Text: Andreas Bttig Bild: Herbert Zimmermann
B
ruder desKapuzinerordens zu sein,
hat fr Fridolin Schwitter (55) nicht
nur geistliche, sondern auchwelt
liche Vorteile. Auf Zugfahrten ge
niesst er gelegentlich imSpeisewagen ein
Glas Fendant. Dabeimacht ermit seiner
braunenKapuzinerkutte offenbar Eindruck,
zahlenmusste er jedenfalls bislang nicht oft.
Einmal batmich das Servicepersonal, als
Gegenleistung den Speisewagen zu segnen.
Daswar kein Problem: Eine Segnung ist kein
Sakrament. Also konnte ich das auch als
Laienbruder tun, sagt Schwitter.
ZuwenigWelt imKloster
Schwitter sitzt an einem altenHolztisch in
einem der vielen Rume des Klosters
Wesemlin in Luzern. Er trgt seine braune
Kapuzinerkutte. Darunter lugt der Kragen
eines Businesshemds hervor. Seinen Job als
Wirtschaftsfrderer der Stadt Luzern gab er
vor sechs Jahren auf, um als Bruder auf
Zeit in denKapuzinerorden einzutreten.
Ichwar damals 49. Mir war bewusst, dass
ichmehr als die ersteHlftemeines Lebens
hintermir hatte. Ich wollte umsteigen,
etwas anderesmachen.
Schon alsManager hatte er sich Auszeiten
gegnnt und sichmonatelang auf Reisen
begeben. Eine solche Reise sollte seinen
weiteren Lebensweg bestimmen. In Laos
war ich zu Besuch in einemKloster. Ich sah,
wie wichtig solche Einrichtungen in diesem
Land sind. Das interessiertemich. Er be
gann, sich auch in Europamit Klosterorden
zu befassen. Die Kapuziner sind ein sehr
weltoffener Orden. Ich fand das Angebot gut,
als Bruder auf Zeit eintreten zu knnen, be
vor ichmich definitiv verpflichtenmusste.
Als bekannt wurde, dass derWirtschafts
frderer Schwitter Bruder Fridolin wird, war
der Rummel um seine Person gross. Es gab
Portrt
einige Vorurteile. Vielemeinten, dassman
quasi eingesperrt sei, wennman ins Kloster
gehe. Das ist nicht der Fall, sagt Schwitter,
er habe seine Zeit imKloster frei gestalten
knnen. Er lebte in denKapuzinerklstern
Brig, Rapperswil, Fribourg und Luzern. Bei
Letzterem leitete er die Spendenkampagne
zur Sanierung des KlostersWesemlin.
Schwitter nahm also ein bisschen von sei
nem alten Lebenmit ins Kloster.
Der Tag der Entscheidung, ob er nach der
Zeitbruderschaft definitiv ins Kloster ein
tretenwill, kam; Schwitter entschied sich
dagegen. ImHerzen htte ichmir einen
Eintritt eigentlich gewnscht. Die Ordens
ausbildung bei den Kapuzinern ist in
meinen Augen aber leider nicht auf der
Hhe der Zeit, begrndet er seinen Ent
schluss. Orden, die bekanntlich von der
Kirche unabhngig sind,mssten sich zwin
gendmit gesellschaftsrelevanten Fragen
befassen und ihre Ttigkeit und Ausrich
tung, auch in der Ausbildung, an diesen
orientieren. Damitmeint Schwitter bei
spielsweise die Frage nach demVerhltnis
des Christentums zu den anderen vierWelt
religionen. Oder auchwie in der Kirchemit
Geschiedenen und gleichgeschlechtlichen
Paaren umgegangenwerden soll.
Trotzdemwird Fridolin Schwitter dem
Klosterleben nicht den Rcken kehren. Er
wird ab Frhjahr 2016 imKapuzinerinnen
kloster Notkersegg in St. Gallen zuHause
sein. Natrlich kann ich aus kirchenrecht
licher Sicht dort nicht in denOrden ein
treten. Aber ich werde die Klosterschwes
tern imAlltag als Frater Familiaris zum
Beispiel imGarten oder bei sonstigen hand
werklichen Ttigkeiten und auch bei admi
nistrativen Arbeiten untersttzen. Er wolle
mithelfen, dass solche Institutionen die
Gegenwart bewltigen knnen, um so die
Zukunft zu gestalten.
Mit denSchwestern indiePensionierung
Ursprnglich waren imKloster Notkersegg
40 Schwestern zuHause. Heute sind es
noch 7, mit einemhohenDurchschnitts
alter, wie Schwitter sagt. Die Schwestern
leben ein sehr einfaches Leben. Das hat
mich beeindruckt. Finanziell ist die Ent
lhnung daher eher gering, die Lebensquali
tt demgegenber aber sehr hoch.
Ein kommerzieller Job sei fr ihn nicht
mehr infrage gekommen, sagt Schwitter.
Ichmachemir keine Illusionen. Auf einen
55Jhrigen hat niemand gewartet. Im
Frauenkloster knne er sogar ber das
Pensionsalter hinaus bleiben. Das ist ein
Thema,mit dem ich als Kapuzinerbruder
des fteren konfrontiert wurde. Manche
Menschenwissen nach der Pensionierung
nicht, was siemit ihremLeben anfangen
sollen, und suchen Rat, sagt Schwitter.
Viele sindmit ihremBeruf verheiratet.
Er selber hatte vor sechs Jahren denMut,
sich aus dieser beruflichen Ehe scheiden
zu lassen. Bereut habe ich dies bis heute
nicht. MM
WasmachenSie anWeihnachten?
Weihnachtenverbringe ichunter anderem
hier imKloster. Da gehrt natrlich das
Kirchlichemit denMessen dazu. Dann bin
ich beimeiner Familie, beimeinen Eltern,
zuGast. AnWeihnachten bin ich sehr
gerne draussen, gehe imNapfgebiet oder
rund umdenPilatuswandern.
32 | MM49, 30.11.2015 | MENSCHEN
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Ist ab Frhjahr 2016
imFrauenkloster
Notkersegg zuHause:
Bruder Fridolin.
MENSCHEN | MM49, 30.11.2015 | 33
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