mitteilungen aus dem wissenschaftlichen laboratorium des sächsischen serumwerks

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86 Reiehert und Becker: Mitteilungen 2. Aktive and passive Immunisierung gegen Stamm Hiibner. Von Dr. Becker. Zur Gewinnung passiver Immunstoffe gegen den Stamm Hfibner wurden zun~chst Hammeln und sparer Pferden abget/Jtete Kultur- aufschwemmungen in steigenden Dosen subcutan und intravenSs ein- gespritzt. Lebende Aufschwemmungen wurden sehr schlecht vertragen. Es zeigte sich, daft die subcutane Injektion abgetSteter Hfibner-Kultur eine Toxinreaktion gab, ahnlich derjenigen, welche man bei Diphtherie- toxineinspritzungen sieht. Deshalb wurde versucht, in Bouillonkulturfiltraten diese Toxinw~r- kung nhher zu studieren, wobei sich zeigte, dab der Stamm Hiibner ein fluoreseierend gef/~rbtes Filtrat yon leimartigem Geruche lielerte, das tebhaft an Pyocyaneusfiltrate erinnerte. Subcutan erzeugte es in der rasierten Meerschweinchenhaut starke 0dembildung yon eigenartigem Charakter. Dieser starken Lokalwirkung geht eine nicht tSdliehe All- gemeinwirkung bei Dosen his zu 10 ecru pro Meerschweinehen parallel. Das Pferd ist empfindlicher als das Meersehweinehen und reagiert auf Einspritzungen yon Mengen fiber 50 ccm mit Fieber und Lokalreaktion in Gestalt auBerordentlich heftiger 0deme (vgl. hierzu die gleiche sub- cutane Wirkung der Pyoeyanase, die Kren besehrieb, Wien. Klin. Woehensehr. 1908, S. 251). -- M~use sind wenig empfindlich. Bei Pferden konnte ich w~hrend der subcutanen Immunisierung mit Hfibner-Filtrat regelm~l~ige starke Abnahme der roten BlutkSrperchen feststellen, weleher nach dem Abklingen der Fieber- usw. Wirkung eine aul~er- ordentlieh starke Hyperleukoeytose folgte. Die intravenSse Anwendung yon Hfibner-Filtraten ruft bei Pferden yon 1 ccm ab deutliche, etwa 18 Stunden anhaltende Fieberreaktionen hervor, wobei sich die l~ektaltemperatur hSehstens 1,5--2 ~ fiber das nor- male Niveau zu erheben pflegt. Die sonstige Einwirkung auf das Blutbild ist gering. Die roten BlutkSrperehenzahlen sehwanken an den folgenden Tagen nut wenig, wahrend die Leukoeyten deutlich vermehrt sind. Ver- wendet man dagegen Filtratdosen yon 5--10 ecru intravenOs, so bekommt man erheblich kr~ftigere Ausschl~ige. 1--2 Stunden nach der Injektion beobachtet man Temperaturanstiege auf 40--41~ die zwar in dieser t{She nut wenige Stunden anhalten, abet mit Anstieg und Abfall doch immerhin mindestens 24 Stunden eine fieberhaft erhShte Temperatur bedingen. Sie lassen sich beliebig oft wiederholen und maehten bei den Pferden keine anhaltenden Folgen yon Naehteil. Die Einwirkung auf das Blutbild besteht w~e bei der subeutanen Injektion nur in verstarktem

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86 Reiehert und Becker: Mitteilungen

2. Akt ive and passive I m m u n i s i e r u n g gegen S t a m m Hiibner .

Von Dr. Becker.

Zur Gewinnung passiver Immunstoffe gegen den S tamm Hfibner wurden zun~chst Hammeln und sparer Pferden abget/Jtete Kultur- aufschwemmungen in steigenden Dosen subcutan und intravenSs ein- gespritzt. Lebende Aufschwemmungen wurden sehr schlecht vertragen.

Es zeigte sich, daft die subcutane Injekt ion abgetSteter Hfibner-Kultur eine Toxinreaktion gab, ahnlich derjenigen, welche man bei Diphtherie- toxineinspritzungen sieht.

Deshalb wurde versucht, in Bouillonkulturfiltraten diese Toxinw~r- kung nhher zu studieren, wobei sich zeigte, dab der S tamm Hiibner ein fluoreseierend gef/~rbtes Fi l t ra t yon leimartigem Geruche lielerte, das tebhaft an Pyocyaneusfi l trate erinnerte. Subcutan erzeugte es in der rasierten Meerschweinchenhaut starke 0dembildung yon eigenartigem Charakter. Dieser starken Lokalwirkung geht eine nicht tSdliehe All- gemeinwirkung bei Dosen his zu 10 ecru pro Meerschweinehen parallel. Das Pferd ist empfindlicher als das Meersehweinehen und reagiert auf Einspritzungen yon Mengen fiber 50 ccm mit Fieber und Lokalreakt ion in Gestalt auBerordentlich heftiger 0deme (vgl. hierzu die gleiche sub- cutane Wirkung der Pyoeyanase, die Kren besehrieb, Wien. Klin. Woehensehr. 1908, S. 251). - - M~use sind wenig empfindlich. Bei Pferden konnte ich w~hrend der subcutanen Immunisierung mi t Hfibner-Fil trat regelm~l~ige starke Abnahme der roten BlutkSrperchen feststellen, weleher nach dem Abklingen der Fieber- usw. Wirkung eine aul~er- ordentlieh starke Hyperleukoeytose folgte.

Die intravenSse Anwendung yon Hfibner-Fil t raten ruft bei Pferden yon 1 ccm ab deutliche, etwa 18 Stunden anhaltende Fieberreaktionen hervor, wobei sich die l~ektal temperatur hSehstens 1,5--2 ~ fiber das nor- male Niveau zu erheben pflegt. Die sonstige Einwirkung auf das Blutbild ist gering. Die roten BlutkSrperehenzahlen sehwanken an den folgenden Tagen nut wenig, wahrend die Leukoeyten deutlich vermehr t sind. Ver- wendet man dagegen Fil t ratdosen yon 5--10 ecru intravenOs, so bekommt man erheblich kr~ftigere Ausschl~ige. 1--2 Stunden nach der In jekt ion beobachtet man Temperaturanst iege auf 40--41~ die zwar in dieser t{She nut wenige Stunden anhalten, abet mit Anstieg und Abfall doch immerhin mindestens 24 Stunden eine fieberhaft erhShte Temperatur bedingen. Sie lassen sich beliebig oft wiederholen und maehten bei den Pferden keine anhaltenden Folgen yon Naehteil. Die Einwirkung auf das Blutbild besteht w~e bei der subeutanen Injekt ion nur in vers tark tem

a u s dem wissensehaftlichen Laboratorium des S~ehsisehen Serumwerks. 87

MaBe binnen der ersten 8 Stunden post inj., bei den Erythrocyten in einer wesentlichen Verminderung ihrer Gesamtzahl, die sich aber binnen 24 Stunden meist rasch wieder auf das alte Niveau erhebt, wahrend die .weiBen BlutkSrperchen sieh meist in allmahlichem Anstieg binnen 2--3 Tagen auf ganz betraehtliehe Werte vermehren. Diese Hyperleuko- cytose halt oft langer als eine Woehe an. Ieh konnte bei einer ganzen Anzahl yon Pferden diese Erscheinung als gleichartig und regelmaBig feststellen. Mit im Vakuum eingeengtem Filtrat fiel die Wirkung ent- sprechend dem Cone. Grade starker aus.

In Analogie zu unseren Erfahrungen bei der Herstellung der Pyoey- .anase erhielten wir die wirksamsten Hfibner-Filtrate ebenfalls naeh .mehrwSchigem Wachstum, wobei wie bei Pyoeyanase die auBerordent- liche Steigerung der Alkalesung von PH 7,3 auf 8 bis 8,5 hervorzu- heben ist.

Ich versuchte, auch den Farb- und Geruchsstoff zu isolieren, ebenso die Lipoide und ihre Wirksamkeit einzeln zu priifen. Es gelang uns abet nur, die Lipoide zu gewinnen. Bei diesen Versuehen kounten wir jeden- falls mit Sicherheit feststellen, dab der Hiibner kein Pyocyaneus ist, da er nicht einmal bei Sauerstoffdurchleitung Pyocyanin bildet (Ledder- hose, Zeitschr. f. Chir., 28, 201). Er gehSrt zur Gruppe Bacillus Fluoreseenz liquefaciens. Raubilschek und Russ (Zentralbl. f. Bakt., 1. Abt. Originale 46, 508 und 48, 114, Wien. Klin. Wochen- schrift 1908. S. 250 usw.) hat ten seinerzeit ffir die Pyocyaneusfiltrate Lipoide als Trager ihrer toxischen Wirkung verantwortlich gemaeht. Unsere entsprechenden Versuche mit Hiibner-Filtratlipoiden ergaben jedoch keine wesentliehe Konzentrat ion der Giftwirkung.

Wir immunisierten nun mit Hiibner-Filtraten Pferde mit steigenden Dosen und gewannen dadurch das antitoxische Hiibner-Serum. Um zu einem Auswertungsmodus zu gelangen, machten wir nach dem Vorbilde der RSmerschen Intracutanmethode bci der Diphtherie-Antitoxin- auswertung, mit Misehungen aus Toxin und Serum unter Kontrolle yon Diphtherie- und Normalserum, Intracutaninjekti0nen in die rasierte Meersehweinchenhaut, um eine AuslSschwirkung des ToxinSdems durch das Serum zu erhalten. Dieses glfickte auch ganz gut, wenn das Serum nicht starker als 20faeh verdiinnt wurde. Die Antitoxine waren also im Verhaltnis zum Diphtherieserum nur in schwacher Konzentrat ion vor- handen bzw. meBbar. Auch subcutan konnte man bei Verwendung grSl]erer Mischdosen die Antitoxinwirkung g u t verdeutlichen. Zur Kontrolle mit Pyoeyaneus und Fluorescenzfiltraten angestellte Injek- tionen ergaben, dab das Hiibner-Antitoxin stammspezifisch wirktc, wahrend das Diphtherieserum stets eine gewisse AuslSschwirkung ent- faltete. Naehdem Herr Dr. Reichert die Komplementbindungsmethode zur Auswertung. des Serums verwendet hatte, die ebenfalls streng

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stammspezif ische Ausschl~ge feststellte, haben wir die Auswer tung an Meerschweinchen n ich t welter verfolgt ,da diese Methode unseren Zwecken

geniigte. Entspreehende Versuehe zur Hers te l lung yon Tox i ne n mi t dem Tumor .

stature P. M. schlugen vol ls t~ndig fehl, weder in aeroben, noch in anaeroben Kult .uren bildete dieser S t~mm Gift. Aueh hochkonzent r ie r te L6sungen yon mi t Ammonsu l f a t ausgef~llten Trockengif~en ver t rugen M~use und

Meerschweinchen in gr6 f3ten Dosen. Tro tzdem mi t K u l t u r f i l t r a t e n veto H a m m e l gewonnene ][mmunseren erwiesen s ichkl inisch als unwirksam.

U m passive Immuns to f fe pro- teolyt ischer N a t u r gegen R a t t e n . t u m o r e n ( Jensen -Tumor ) zu ge- winnen , wurde ein Schimmel - - Melanosarkomneigung -- mi t leben. dem frischen Jensen -Tumorb re i im- munis ie r t . Das yon diesem Tier ge- wonnene Serum ist bisher klinisch n ich t wi rksam be funden worden.

E in seit l~nger als 2 J ah ren ~n s p o n ~ n e m H~utc~rc inom des rechten Vorderfessels (Pla t ten- epi~helcarcinom) e rkranktes Pferd, das 2 m a l operiert worden war, wobei nach 1/2 u n d 1/a J ah r die Geschwulst rasch wieder nach- wuchs u n d schlieBlich Blumenkohl- gr6i.~e besaB, wurde zu Heilungs- zwecken wie folgt benutz-~:

Abb. 1. 1, Es wurden in 8--14ti~gigem Abstand 4 Injcktionen yon frischem

Jenscn-Tumorbrei intramuskul~r gespritzt, wobei es zu heftigen Reaktionen kam. Nach der ersten Injekt.ion erfolgtc mchrere Tage eine starke Sekretion aus dem Tumor, der anfing, sich zu zersetzen (F~ulnis), dann begann der Tumor rasch zu trocknen und sich ctwas zu verkleinern. Die weiteren Injektionen verbesserten das Bild jedoch nicht mehr, sondcrn fiihrtcn wieder zu weiterem Fortschreiten des Tumorwachstums. Das yon dem ]Pferd gewonnenc Serum ist bei therapeutischer Anwendung am Menschen bisher erfolglos gewesen.

2. Naeh einer Ruhcpause erhielt das obenerwahnte Pferd l0 Tage lang hinter- einander t/iglich 250 ccm Hfibner-Serum intraven6s und Vcrb~nde damit auf die Geschwulst. Der Erfolg war vollkommen negativ.

3. Nach einer erneuten Ruhepause durchspritzte, umspritzte und unter- spritzte ich die ganze Geschwulst mit ca. 60 ecm Hiibnerfiltrat. Es trat eine starke Lokal- und Allgemeinreaktion ein und nach "~enigen Tagen zcrfiel der Tumor unter F~ulniserscheinungen (vgl. hierzu die iihnlichen Erfahrungen yon Beck mit

aus dem wissenschaftlichen Laboratorium des S~chsischen Serumwerks. 89

Pyoeyanase, Zeitschr. f. Krebsforsch. 10, H. 2). Nach 4 Wochen war an seiner Stelle eine deutliche Grube da, deren Grund noch einige Geschwulstrcste zeigte. Deshalb wurde eine nochmalige Durchspritzung mit ca. 80 ccnl H(ibner-Filtrat mit dam gleichen Ergebnis vorgenommen. Es f ielder Rest der Geschwulst unter Fiiulniserschelnungen ~b. Innerhalb 4 Monaten hatte sich ca. zwei Drittel der ehemaligen Gesehwulst wieder mit narbiger Haut eingedeckt, w/ihrend der Rest noch mine muldenartige Vertiefung bildet. Das Allgemeinbefinden des Tieres hob sich, und es ging auch nicht mehr lahm. Nach dieser Zcit, als schon Aussicht zu bestehen schien, dab der Tumor vSllig verschwunden sci, begann cr plStzlich wieder aus der fast geschlossenen Narbe erneut zu wachsen. Die intravenSse Heil- fiebertherapie mit Hfibner-Filtrat beeinfluBte das Tumorwachstum bei diesem Pferde nicht wesentlich.

Ich habe deshalb mi t 10 fach konzent r ie r tem Hf ibner -Toxin eine dr i t te Durchspr i t zung usw. des Rezidivs vorgenom- men, deren Ergebnis eine enorme Lokal- und Allgemein- reaktion war, die b i n n e n 24 bis 48 S tunden zu einer voll- stitndigen Nekrot is ierung des Tumors u n d seiner Umge- bung fiihrte, wobei die Glied- maBe bis 5ber den Carpus hinauf s tark anschwoll. I n

den folgenden Wochen reinigte sich die kolossale Wunde , die nach dem Ausfall der Ge- Abb. 2. Das Bild zeigt im Vergleich zu Abb. l, wie schwulst zuri ickgeblieben war, der zerfallene Tumor eine tiefe Grube hinterlassen

hat, aus tier noch nekrotislqle (;esehwulstreste heraus und es b i ldeten sich nach und h~tngen. Rings um die Grube sieht man die narbige naeh in ihrer Umgebung eine Hant. die besonders oberhalb und vorn bereits an

Stelle des Tllmors getreten ist. ganze Anzahl yon spon tanen Abscessen, welche eine blutig, mi t Carcinomgewebe gcfiillte Fliissigkeit entleerten. Gleichzeitig mi t diesen Abscedierungen ging dic Schwelhmg der Gliedmasse mehr und mehr zuriick, und hcutc sieht sowohl die W u n d e als aueh ihre U m g e b u n g durchaus gutar t ig aus, wird fast taglieh kleiner, so dal~ ieh wieder e inmal die Hof fnung hege, dab es doch noch mSglich sein dfirfte, das Tier wiederherzustel len. Jedcnfal ls geht mi t Evidenz aus der d r i t t en I n j e k t i o n yon konzen t r i e r t em Hi ibner -Gi f t hervor, welche au[~erordentlich starke, zell tStende W i r k u n g dieses zu en t fa l ten vermag, wenn m a n bedenkt , dab durch die wiederhol ten In j ck t ionen im ganzen Gefiil3system der Gliedmai3e schon Vergnderungen bestehen mul~ten, die Hei lungsvorgangen ungi ins t ig sind. U m so grSl3er ist die regclmii$ige

Wirkung des Hf ibner -F i l t ra tes in diesem Falle zu schiitzen.