mobile applikationen: apps und das recht
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Mobile Applikationen halten nun auch Einzug in die Geschäftswelt: Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden können mobil in Unternehmensprozesse eingebunden werden, Kunden greifen auf Daten und Services zu, Neukunden werden durch attraktive mobile Applikationen auf das Unternehmen aufmerksam.TRANSCRIPT
…und es ist so einfach! Oder?
Rechtliche Fußangeln beim Vertrieb von Software, Content
und Produkten über Appstores am Beispiel Apple
Übersicht
Appstores – ein neues Vertriebsmodell?
Wer bestimmt die Spielregeln?
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Datenschutz oder „Privacy“?
Die Milchkuh schlägt zurück – Urheberrecht ist nicht nur des Entwicklers Freund
Appstores – ein neues Vertriebsmodell?
Was ist gleich?
Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließ-licher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abge-schlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Entwickler
Nutzer
Apple
Appstores – ein neues Vertriebsmodell?
Was ist anders?
Es ist ein Dritter im Spiel – es bestehen verschiedene Verträge zwischen gleich drei Personen:
Appstores – ein neues Vertriebsmodell?
Wirklich anders?
Auch Verkaufsplattformen wie eBay oder Amazon unterhalten separate Verträge mit Anbietern und Kunden.
Software zum Download ist als Rechtskauf zu qualifizieren (so der Bundesgerichtshof bereits 1989: BGH, Urt. v. 18.10.1989, VIII ZR 325/88).
Auch andere mobile Absatzmodelle werden nach allgemeinen Regeln behandelt, so z.B. der Vertrieb über ein WAP-Portal (vgl. LG Köln, Urt. v. 06.08.09, 31 O 33/09 - Kirschkernkissen I; rechtskräftig).
Wer bestimmt die Spielregeln?
Entscheidend für die Frage des anwendbaren Rechts: welcher Vertrag ist betroffen? Zunächst: Verhältnis von Apple und Entwicklern
Developervertrag und iDPLA zwischen Entwickler und Apple unterliegt kraft Rechtswahlklausel US-amerikanischem (konkret: kalifornischem) Recht.
Gerichtsstand ist „U.S.District Court for the Northern District of California, California Superior Court for Santa Clara County, Santa Clara County Municipal Court, or any other forum in Santa Clara County“
Wer bestimmt die Spielregeln?
Folge: Apple ist ausgesprochen frei in der Aufnahme von Knebelklauseln; ein AGB-Recht, das besonders kritische Einschränkungen zum Nachteil von Entwicklern ausnimmt, existiert nicht.
Aus den „AppStore Guidelines“ von Apple:
„We have over 250,000 apps in the App Store. We don't need any more Fart apps. If your app doesn't do something useful or provide some form of lasting entertainment, it may not be accepted.“
Wer bestimmt die Spielregeln?
Ergo: im Verhältnis zwischen Apple und Entwickler bestimmt allein Apple:
Es dürfte keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in den AppStore geben.
Selbst wenn das nach kalifornischem Recht der Fall wäre, käme eine Rechtsdurchsetzung wirtschaftlich nicht in Betracht.
Amerikanische Moralvorstellungen erschließen sich für Europäer nicht auf den ersten Blick – wie der „Stern“ schmerzhaft erfahren musste.
Wer bestimmt die Spielregeln?
Das Verhältnis zwischen User und Apple
Das Verhältnis zwischen User und Apple richtet sich nach den Lizenzbestimmungen, die die Geltung kalifornischen Rechts vorsehen.
Ein Mindestschutz wird über das deutsche AGB-Recht gewährleistet, das auf Verbraucherverträge anwendbar bleibt, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Rom-I-VO (vgl. BGH, Urt. v. 11. 02. 2010, I ZR 178/ 08 - Half-Life 2).
Wer bestimmt die Spielregeln?
Das wichtigste Verhältnis: Entwickler und Nutzer
Ohne vertragliche Regelung gilt gegenüber Verbrauchern wie Unternehmern deutsches Recht, Art. 4, Art. 6 Rom-I-VO – jedenfalls ist nämlich das Recht des Staates anwendbar, zu dem der Vertrag die engste Bindung aufweist. Das ist nach den anerkannten Kriterien (Sprache, Sitz der Parteien, Währung etc.) regelmäßig Deutschland
Eine andere Rechtswahl grundsätzlich möglich, aber nicht sinnvoll
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Nochmals: es kommen Verträge (vor allem auch) mit Verbrauchern zustande – und es müssen damit ganz erhebliche Informations- und sonstige Pflichten erfüllt werden.
Apple darf Vieles, wenn auch nicht alles: das Unternehmen ist „too big to fail“ und wird schlicht nicht angegriffen. Keine Verbraucher-zentrale riskiert Schadensersatzansprüche, weil das Deutschlandgeschäft vorübergehend lahm gelegt wurde, etwa aus § 945 ZPO.
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Ergo: deutsches Fernabsatzrecht ist anwendbar, das wissen auch Ihre Mitbewerber (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.05.10, I-4 U 225/09 – Kirschkernkissen IV).
Schlimmer noch: die iDPLA erlegt die vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung gesetzlicher Regelungen auf. Wird Apple daher von Dritten in Anspruch genommen, besteht unter Umständen ein Freistellungsanspruch
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Exkurs: Haftung von Apple für Rechtsverletzung im Rahmen von Apps?
„Beauftragter“ im Sinne der §§ 100 UrhG, 14 Abs. 7 MarkenG, 8 Abs. 2 UWG etc. sind…
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
„…auch selbständige Unternehmer, wenn sie in die betriebliche Organisation des Betriebinhabers in der Weise eingegliedert sind, dass einerseits der Betriebsinhaber auf den Beauftragten einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss hat und andererseits die Geschäftstätigkeit des Beauftragten dem Betriebsinhaber zugute kommt.“
Vgl. BGH, Urt. v. 07.04.05, I ZR 221/02 – Meißener Dekor II).
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Der „bestimmende Einfluss“ dürfte in der Möglichkeit liegen, die App aus dem Store zu entfernen oder den Vertrag mit dem Entwickler zu kündigen
Die Tätigkeit von Apple kommt (selbstverständlich) auch dem Entwickler zu Gute.
Ergo: Die zur Haftung von Merchant und Affiliate entwickelten Grundsätze dürften auf das Geschäftsmodell AppStore anwendbar sein. Haftet Apple, dürfte ein Freistellungsanspruch gegen den Entwickler im Innenverhältnis bestehen.
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Welche Pflichten bestehen nun also im Fernabsatz – mit anderen Worten: was tun?
Im Mindestmaß die Verpflichtungen aus den §§ 312b ff. BGB, also insbesondere Informationspflichten nach Art. 246 EGBGB (Identität, ladungsfähige Anschrift, wesentliche Merkmale der Software, Gesamtpreis der Software, Einzelheiten zu Zahlung und Erfüllung u.v.m.)
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Es muss kein Widerrufsrecht eingeräumt werden, da die Software nicht zur Rücksendung geeignet ist – sie könnte zwar etwa per Mail oder auf CD übersandt werden, das aber nicht „rückstandslos“ (so die etwas erstaunliche Gesetzesbegründung, BT-Drs 14/2658, S. 44).
Weitere wichtige Verpflichtungen ergeben sich aus der PAngV, TextilkennzeichnungsG, Batterieverordnung, ElektroG… - alles abhängig vom konkreten Geschäftsmodell
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Besonderheit bei Verkauf von Content: bei redaktionellen Inhalten sind die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags (Benennung eines inhaltlich Verantwortlichen) vorgeschrieben.
Problematisch: die Pflichten des § 312g BGB. Hierzu im Einzelnen:
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
§ 312g Abs. 1 Nr. 1 BGB: „angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel“ zur Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern
Rückbestätigung („…wollen Sie wirklich..?“) im AppStore vorgesehen, keine anderen Angaben erforderlich.
Allerdings: über dieses „technische Mittel“ muss belehrt werden, Art. 246 § 3 EGBGB. Nicht vergessen!
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
§ 312g Abs. 1 Nr. 2 BGB: die Bestellbestätigung
Im Appstore nicht vorgesehen.
Möglicherweise entbehrlich, da in der Lieferung die Bestätigung liegen kann?
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
§ 312g Abs. 1 Nr. 4 BGB: Möglichkeit der Speicherung der Vertragsbedingungen und der AGB in „wiedergabefähiger Form“
Im AppStore nicht vorgesehen
Spätestens hier droht Ungemach in Form wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen, § 4 Nr. 11 UWG.
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Besonderheiten bei Finanzdienstleistungen: erhöhte Anforderungen an Belehrungspflichten, wobei eine Information „unmittelbar nach Vertragsschluss“ erfolgen kann
Praktikabel: Werbung und Kreditvermittlung, da hier der eigentliche Vertragsschluss nachgelagert ist
Bei Verbraucherdarlehensverträgen extensive vorvertragliche Informationspflichten; nur „in-app“ umsetzbar
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und Spielverderbern
Datenschutz oder „Privacy“?
Deutsches Datenschutzrecht ist anwendbar; die Sondervorschriften des Telemediengesetzes beim Vertrieb von Content sogar dann, wenn die Telemedien (bei Sitz des Anbieters in Deutschland) nur in anderen Ländern der EU angeboten werden (so genanntes Herkunftslandprinzip, § 3 TMG).
Anwendbarkeit des BDSG folgt aus § 1 BDSG; Ausnahme allein für den Fall eines Sitzes in anderem EU-Staat
Datenschutz oder „Privacy“?
Die von Apple vorgesehenen Belehrungen genügen in aller Regel nicht den deutschen Anforderungen
Das gilt insbesondere für fingierte Einwilligungserklärungen, die bisweilen im Fließtext auftauchen; diese bedürfen nach § 4a BDSG regelmäßig der Schriftform.
Etwas anderes kann gelten, wenn die App als Telemedium zu qualifizieren ist, was etwa bei Spielen regelmäßig nicht der Fall sein wird. Dann ist erforderlich, dass:
Datenschutz oder „Privacy“?
der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat,
die Einwilligung protokolliert wird,
der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen kann und
der Nutzer die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann, vgl. § 13 Abs. 2 TMG.
Datenschutz oder „Privacy“?
Folge: Apps, die - was im Zeitalter des „2.0“ regelmäßig der Fall sein wird – personenbezo-gene Daten verwenden, verstoßen mit einiger Wahrscheinlichkeit gegen deutsches Datenschutzrecht
Abhilfe nur möglich durch entsprechende Einwilligungserklärung nach dem Kauf; allerdings:
Datenschutz oder „Privacy“?
wohl unzulässig, soweit die Funkionalität der App bei Verweigerung eingeschränkt ist, da darin regelmäßig ein Sachmangel liegen wird und daher
ein Verstoß gegen das vertragliche Gebot gegenüber Apple zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften
In Betracht kommen allerdings Ausnahmevorschriften, die eine Einwilligung entbehrlich machen, insbesondere § 28 BDSG; genaue Einzelfallprüfung ist allerdings unerlässlich.
Urheberrecht ist nicht nur des Entwicklers Freund
Sonderproblem: Open-Source-Bestandteile und Open-Source-Apps Die populärsten Lizenzen, (L)GPL und Apache,
sehen die freie Veränderbarkeit von Applikationen vor
Dem steht möglicherweise das iDPLA entgegen, die eine Modifikation durch Dritte gerade ausschließt
Lösung: der Urheber bestimmt, was mit seinem Werk geschieht – eine Doppellizenzierung (Open Source und Closed) ist möglich
Urheberrecht ist nicht nur des Entwicklers Freund
Ganze Apps können daher zur Vermarktung im AppStore unter eine proprietäre Lizenz gestellt werden. Soll Dritten die Weiterentwicklung ermöglicht werden, kann im Rahmen der Nutzungsrechtseinräumung für Drittentwickler vorgesehen werden, dass dem ursprünglichen Urheber das Recht vorbehalten wird, das Ergebnis AUCH unter einer Closed-Source-Lizenz zu veröffentlichen.
Urheberrecht ist nicht nur des Entwicklers Freund
Problematisch bleiben einzelne Bestandteile einer App – hier wird wohl ein Verstoß gegen die jeweilige Open-Source-Lizenz zu bejahen sein.
Fazit
Der Samurai ist einsam wie der Tiger im Dschungel.
Unseren Vortrag finden Sie unter iks-gmbh.com sowie zd-recht.de.