modul b: wer trÄgt die verantwortung? · rundgangs werden die aufgeführten fragen im plenum...

44
MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? Unterrichtseinheiten zur Frage der Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten HOLZ

Upload: others

Post on 12-Jul-2020

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

M O D U L B :W E R T R Ä G T D I E V E R A N T W O R T U N G ?

Unterrichtseinheiten zur Frage der Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten

H O L Z

Page 2: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Dr. Jürgen Meyer StiftungKaiser-Wilhelm-Ring 27 – 29

50672 Köln

[email protected]

www.Juergen-Meyer-Stiftung.de

Hamburger Stiftung für WirtschaftsethikMax-Brauer-Allee 22

22765 Hamburg

Telefon +49 (0)40 8 78 79 05-70

[email protected]

www.stiftung-wirtschaftsethik.de

Autorinnen: Silke Stahn & Lisa Probst (Konzept),

Simone Meinke (Thema Holz)

Gestaltung: IconScreen.de

Schrift: Open Sans/Open Sans Condensed,

Google Fonts, Designer: Steve Matteson,

Apache License 2.0

März 2019

Herausgeber:

2 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 3: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

L E R N Z I E L E U N D K O M P E T E N Z E N

Die gesamte Lernentwicklung soll im Bereich der morali-

schen und politischen Urteilsbildung stattfinden. Die da-

für nötigen Kompetenzen sind in die drei Bereiche

„Selbstkompetenz“, „Soziale Kompetenz“ und „Lernme-

thodische Kompetenz“ unterteilt, wobei viele Kompeten-

zen nicht allein einem der Bereiche zugeordnet werden

können.

Die SuS1 erkennen ein Dilemma, eine Zwangslage oder

einen Konfliktfall. Dafür benötigen sie die Fähigkeit, sich

geeignete Informationen oder Grundlagenwissen darü-

ber zu beschaffen, dieses Wissen zu analysieren und zu

strukturieren und es gegebenenfalls zielgerichtet zur Lö-

sung von Aufgaben anzuwenden oder als Orientierungs-

hilfe dafür zu verwenden.

In einem weiteren Schritt bewerten die SuS das Dilem-

ma, die Zwangslage oder den Konfliktfall, indem sie die

gesichteten Informationen und das erworbene Wissen

darüber kritisch reflektieren. Dazu benötigen sie die Fä-

higkeit, die eigenen Werte und Leitbilder überhaupt ab-

zufragen und ein eigenes Urteil daraus zu entwickeln.

Außerdem erlernen sie die Fähigkeit, die eigenen Urteile

sowie die Urteile anderer zu hinterfragen und möglicher-

weise auch zu revidieren. Dafür ist die Fähigkeit des Per-

spektivwechsels zentral. Auch lernen die SuS, das eigene

Urteil zu begründen und die Begründungen anderer zu

bewerten.

E I N F Ü H R U N GDie Sensibilisierung für moralische Probleme und die

Stärkung ethischer Diskurs- und Urteilsfähigkeit sind we-

sentliche Ziele wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher

Fächer, spielen aber in der Unterrichtspraxis oftmals nur

eine untergeordnete Rolle. Viele Lehrerinnen und Lehrer

beklagen diese geringe Relevanz der ethischen Reflexion

und Diskussion in ökonomisch-gesellschaftlichen Fä-

chern vor allem in Berufsschulen und sehen gleichzeitig

didaktische und lernpsychologische Defizite auch in der

(eigenen) Ausbildung, die durch einen Mangel an Materi-

alien und Fortbildung zusätzlich verstärkt werden.

Das vorliegende Unterrichtskonzept VIEW! Verantwor-tung in Wirtschaft setzt an dieser Stelle an: Es besteht

aus einem Grundmodul sowie weiteren branchen- bzw.

problemspezifischen Modulen und kann sofort im Un-

terricht eingesetzt werden. Lernpsychologisch baut

VIEW! auf einem (u. a. von Lind, Reinhardt und Retzmann)

weiterentwickelten Stufenmodell Kohlbergs auf und legt

seinen Schwerpunkt auf die Reflexion der Begründungen

moralischer Urteile aus unterschiedlichen Perspektiven.

Den einzelnen Themen- bzw. Branchenmodulen ist kon-

zeptionell gemein, dass sie bei der Bewertung der jewei-

ligen Problemlage stets die Sachanalyse eng mit der mo-

ralischen Urteilsbildung verknüpfen, sodass keine

isolierte Moralwertung stattfindet, sondern eine inte-

grierte Reflexion moralischer Aspekte bei ökonomischen

Problemen ermöglicht wird.

Einführung

1 SuS steht im folgenden Text für Schüler und Schülerinnen.

V I E W ! V E R A N T W O R T U N G I N W I R T S C H A F T

Ein didaktisches Konzept zur Förderung der moralischen Urteilsbildung

im politischen und ökonomischen Kontext

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 3

Page 4: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Einführung

Schließlich handeln2 die SuS, nachdem sie ein Dilemma

erkannt und die Situation bewertet haben, indem sie dis-

kutieren und Lösungswege erarbeiten. Sie lernen dabei,

das eigene Handeln und Verhalten als mündige Ent-

scheidung argumentativ zu vertreten. Außerdem erlan-

gen sie die Fähigkeit und Bereitschaft, zwischen verschie-

denen Handlungsweisen bewusst zu wählen und

Werte- und Interessenkonflikte im Zusammenwirken mit

anderen zu klären. Und sie üben sich darin, die direkten

und indirekten Folgen von Handlungen abzuschätzen.

In Modul A liegt der Fokus auf Erkennen und Bewerten,

in Modul B auf Bewerten und Handeln.

Die Zielgruppe sind Schüler*innen beruflicher und allge-

meinbildender Schulen (Sek. I und II).

2 Handeln ist hier im eingeschränkten Sinne gemeint: Die Lernenden handeln, indem sie etwas miteinander aus bestimmten Rollen heraus aushandeln und sich mögliche Lösungswege erarbeiten.

4 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 5: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

M O D U L B

6 L E I T F A D E N F Ü R L E H R E R I N N E N U N D L E H R E R

20 M AT E R I A L F Ü R D E N U N T E R R I C H T

21 B1 Verantwortung: Wer ist wofür, weswegen verantwortlich?

22 B2 Einführung in die Branche und den Problemfall

28 B3 Rollenkarten und Expert*innenrunde

41 B4 Hebel der Veränderung in drei Bereichen

Inhaltsverzeichnis

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 5

Page 6: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden Modul B

M O D U L B :L E I T F A D E N F Ü R L E H R E R I N N E N U N D L E H R E R

Didaktische Handreichungen und Hinweise für die Vertiefung

Quellen / Recherche Vertiefung Literatur Arbeitsauftrag Recht Information

6 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 7: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B 1 D I E F R A G E D E R V E R A N T W O R T U N G

Ein komplexer, globaler Konflikt- oder Problemfall ist Ge-

genstand des Moduls und wird einer Sachanalyse unter-

zogen, um anschließend zu einem fundierten Sach- und

Werturteil zu gelangen. Die Schüler*innen werden zur

Fragestellung des Moduls geführt:

»Wer ist verantwortlich für die Abholzung der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

Z I E L E D E R S E Q U E N Z B 1

1. Die Schülerinnen und Schüler aktivieren ihr

Vorwissen zum Konflikt- oder Problemfall.

2. Sie lernen den Begriff der Verantwortung kennen.

A B L A U F P L A N / C A . 3 0 M I N U T E N

Einstieg

Museumsgang: Aktivierung von Vorwissen und

Hinführung zur Fragestellung von Modul B.

Inputphase

Der Begriff Verantwortung wird durch einen

Kurzvortrag der Lehrkraft erklärt. Die SuS

bekommen dazu das Arbeitsblatt B1.

Dieses Modul ist in die folgenden Sequenzen aufgeteilt.

B1. DIE FRAGE DER VERANTWORTUNG: Einstieg in

das Thema und Input zum Begriff Verantwortung.

B2. KONFLIKT- ODER PROBLEMANALYSE: Die Se-

quenz beinhaltet einen Einführungstext/-film in den Kon-

flikt- oder Problemfall sowie die Darstellung der Wert-

schöpfungskette.

B3. DIE EXPERT*INNENRUNDE: In der

Expert*innenrunde nehmen die Schüler*innen die Pers-

pektive eines Akteurs im Konfliktfall ein und diskutieren

aus dessen Position vor einem Gremium die Vielschich-

tigkeit des Konflikts/Problems hinsichtlich der Verant-

wortung. Am Ende der Expert*innenrunde soll von allen

Akteuren ein Punkte-Plan mit möglichen Hebeln der Ver-

änderung formuliert werden. Danach verlassen die

Schüler*innen wieder ihre spezifische Akteursperspekti-

ve und reflektieren die jeweilige Argumentation und die

dahinterstehenden Werte, Prinzipien und Normen.

B4. HEBEL DER VERÄNDERUNG: In der letzten Se-

quenz lernen die Schüler*innen bereits existierende He-

bel der Veränderung kennen, die sie am runden Tisch

vorstellen und mit ihrem eigenen Punkte-Plan verglei-

chen.

Leitfaden – B1 Die Frage der Verantwortung

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 7

Page 8: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B1 Die Frage der Verantwortung

pinnt werden, die den Urteilsbildungsprozess im Verlauf

von Modul B dokumentiert.4 Um ein Sach- und Werturteil

bilden zu können, benötigen die Lernenden Faktenwis-

sen, das über den bis dato zusammengetragenen Wis-

senspool der Schüler*innen hinausgeht. Diese Sachana-

lyse bezieht sich nicht nur auf den politisch-ökonomischen

Konflikt- oder Problemfall, der Betrachtungsgegenstand

ist, sondern auch auf die Begrifflichkeiten, die in diesem

Zusammenhang auftauchen. Wenn man gemeinsam die

Frage der Verantwortung klären will, sollte zunächst eine

Definition von „Verantwortung“ in einer kleinen Input-phase betrachtet und ggf. diskutiert werden. Das dazu

gereichte Informationsblatt B1 beinhaltet eine Auswahl

an Erläuterungen zu diesem Begriff. Unter Rückbezug

auf Modul A kann wiederholt werden, dass Verantwor-

tung universell, aus einer Rolle heraus oder individuell

getragen werden kann. Ob eine Gruppe oder ein Unter-

nehmen für eine Handlung, Handlungsfolgen oder einen

Zustand Verantwortung tragen muss, ist in der wissen-

schaftlichen Debatte nach wie vor umstritten. Dass es

dazu unterschiedliche Auffassungen gibt und noch keine

verbindliche Einigung erzielt wurde, sollte auch gegen-

über den Schüler*innen dargestellt werden.

Bevor die Klasse zum Lesen des Einführungstextes

kommt, sollten für alle das Thema, die Fragestellung zum

Konflikt- oder Problemfall, der Begriff Verantwortung

und das Ziel des Moduls klar sein: Es gilt, die Frage der

Verantwortung zu diskutieren und mögliche Hebel der

Veränderung für den Konflikt- oder Problemfall zu be-

trachten. Ein Ablaufplan für die Schüler*innen ermög-

licht an dieser Stelle Transparenz und Struktur.

G U T Z U W I S S E N

ALS EINSTIEG IN DAS THEMA wurde der Museums-

gang ausgewählt, eine Methode, die sonst zur Ergebnis-

präsentation von Schüler*innen eingesetzt wird.3 Dazu

muss die Lehrkraft vor Unterrichtsbeginn entweder im

Klassenraum selbst, auf dem Flur oder in einem Extra-

Raum Bilder aufhängen, die wie in einem Museum be-

trachtet werden können. Um Emotionalisierung nicht als

Mittel zum Zweck zu degradieren und dennoch die Rea-

lität darzustellen, liegt die Kunst darin, in der Bildauswahl

den Mittelweg zu wählen: die Darstellung des Konfliktes,

ohne dabei einen Dualismus von Opfer und Täter in den

Köpfen der Lernenden zu produzieren. Die Bilder sollten

viele Facetten eines Themas zeigen. Zum Thema Holz

bietet es sich z. B. an, sowohl Fotos von einzelnen Mö-

beln oder Holzprodukten, Werbung und Slogans der Mö-

belkaufhäuser sowie von Ureinwohner*innen Sibiriens

als auch von Produktionsschritten oder abgeholzten

Wäldern zu zeigen. Nach Beendigung des Museums-

rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum

besprochen:

„Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch

hinterlassen?“

„Was assoziiert ihr mit den Bildern?“

„Erinnert ihr diesbezüglich Nachrichtenmeldungen?“

„Wer trägt eurer ersten Einschätzung nach die

Verantwortung für die Zerstörung der Lebensräume

von Ureinwohner*innen in Sibirien?“

Die „Schuldfrage“ wird meist ohne explizite Aufforderung

im Gesprächsverlauf thematisiert und leitet damit zur

Fragestellung des Moduls über, die sich wie ein roter Fa-

den durch alle Sequenzen zieht: Wer trägt die Verant-

wortung für den Konflikt oder das Problem? Die ersten

intuitiven Antworten einzelner Schüler*innen sollten auf

weißen Moderationskarten festgehalten und gut sicht-

bar unter der Fragestellung auf eine Metaplanwand ge-

3 Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, online unter: www.bpb.de/lernen/unterrichten/grafstat/148881/museumsgang [29.05.17].

4 Auf dieser Metaplanwand sollte als Überschrift die Fragestellung des Moduls stehen (siehe Einführungstexte zu Themen). Darunter befinden sich mögliche Antworten auf diese Frage in unterschiedli-chen Farben. Auf weißen Moderationskarten stehen die Verantwor-tungsträger, die die Schüler*innen nach der Museumsrunde benennen, ohne tiefergehende Informationen. Auf gelben Karten werden die Urteile festgehalten, die nach dem Lesen des Einführungstextes und der Besprechung der Wertschöpfungskette gefällt werden. Nach der Expertenrunde sollten die benannten Verantwortungsträger noch einmal hinterfragt und ein abschließen-des Urteil gefällt werden. Zu betonen ist, dass jeder für sich ein eigenes Urteil fällen kann und darüber nicht Konsens herrschen muss. Die Lernenden können mit Hilfe der Metaplanwand beobachten, wie sich ein anfänglich getroffenes Urteil mit dem Zugewinn an Sachkenntnis verändern kann.

8 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 9: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

A B L A U F P L A N / C A . 4 5 – 6 0 M I N U T E N

Sachanalyse

Mit Hilfe des Einführungstextes B2, der eine

Übersicht zum Konflikt/Problem ermöglicht und

wichtige Akteure nennt, beginnt die vertiefende

Sachanalyse. Der Arbeitsauftrag im Text B2 sollte

zunächst in Kleingruppen bearbeitet und an-

schließend im Plenum diskutiert werden. Die

erste Spalte auf dem Arbeitsblatt B2 (B2 „Fragen

zur Konflikt- und Problemanalyse“) soll von den

SuS ausgefüllt werden. Der Begriff Wertschöp-

fungskette wird ggf. geklärt.

Reflexion

Falls ein Filmbeitrag gezeigt wird, sollte im

Anschluss besprochen werden, aus welcher

Perspektive der Beitrag gemacht wurde und

wem darin die Verantwortung oder Schuld

zugeschrieben wird.

Überleitung in die Expertenrunde

Bevor die SuS in die Gruppenarbeitsphasen

gehen, sollte die erste Frage des Arbeitsblattes B2

(Fragen zur Konflikt- und Fallanalyse) bearbeitet

werden. Die SuS ordnen sich einem der Akteure

für die Expert*innenrunde zu.

B 2 K O N F L I K T - O D E R P R O B L E M A N A L Y S E

Die Lehrkraft kann entscheiden, ob sie vertiefende Infor-

mationen zum Konflikt- oder Problemfall nur durch den

Einführungstext erarbeiten lässt oder zusätzlich einen

Filmbeitrag zeigt. Wird sich für einen Filmbeitrag ent-

schieden, wird diese Sequenz um das zweite Ziel ergänzt.

Z I E L E D E R S E Q U E N Z B 2

1. Die Lernenden erarbeiten sich einen Überblick

zum Konflikt- oder Problemfall mit Hilfe vertiefen-

der Informationen und der Wertschöpfungskette.

2. Sie reflektieren den Filmbeitrag hinsichtlich seiner

Perspektive auf den Konflikt oder das Problem.

Leitfaden – B2 Konfl ikt- oder Problemanalyse

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 9

Page 10: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B2 Konfl ikt- oder Problemanalyse

Nach dem Filmbeitrag sollten folgende Fragen im Ple-

num kurz beantwortet und ggf. diskutiert werden:

1. Welche Akteure wurden im Film genannt?

2. Aus welcher Perspektive (meist kritische, zivilgesell-

schaftliche Perspektive) wird das Geschehen im Film

hauptsächlich dargestellt?

3. Wem wird die Verantwortung/Schuld zugewiesen?

Es ist wichtig, den Schüler*innen ins Bewusstsein zu ru-

fen, dass Journalist*innen in erster Linie die Bürger*innen

aufklären sollen. Um Interesse an einem Geschehen

(meist fernab der eigenen Lebenswelt) zu wecken, wer-

den diese komplexen Ereignisse häufig in eine Geschich-

te verpackt. Eine Geschichte lässt sich wesentlich besser

mit einer Person (meist das Opfer) im Mittelpunkt erzäh-

len. Dadurch entsteht bei Zuschauer*innen eine Emotio-

nalisierung, die in der Reflexion bewusst gemacht wer-

den sollte.

DIE SACHANALYSE beginnt mit dem Arbeitsblatt B2,

das eine detailliertere Einsicht in den Konflikt liefert,

ohne dabei zu tief in die Perspektive der einzelnen Ak-

teure einzutauchen – vergleichbar mit der Vogelperspek-

tive. In das Arbeitsblatt B2 tragen die Schüler*innen be-

reits die genannten Akteure ein.5 Die restlichen Spalten

werden erst in der Vorbereitungsphase für die

Expert*innenrunde ausgefüllt. Je nach Vorwissen der

Lerngruppe muss an dieser Stelle der Begriff Wertschöp-

fungskette6 geklärt werden. Wird ein Filmbeitrag genutzt,

sollte bei der Auswahl beachtet werden, dass darin meh-

rere Akteure Erwähnung finden, die auch in der Wert-

schöpfungskette auf dem Arbeitsblatt B2 aufgeführt

sind.

Der Einführungstext und auch die Rollenkarten

können durch Zeitungsberichte ergänzt werden.

Hier würde sich die Sachanalyse durch die Übung,

Informationen aus Medienberichten zu filtern und

zu reflektieren, ergänzen.

Es kann auch eine Dokumentation oder ein Nach-

richtenbeitrag gezeigt werden. Je nach Thema

lassen sich informierende und sachliche Beiträge

finden. Es sollte in jedem Fall darauf geachtet

werden, dass der Film nicht zu stark mit einer

Täter-Opfer-Perspektive oder Dramatisierung

arbeitet, sondern mehrere Akteure darstellt. Ein

gelungenes Beispiel zum Thema Holz:

https://www.youtube.com/watch?v=tw_g21P8ab4.

Auch die ARD-Reportage „Die Ausbeutung der

Urwälder“ (https://www.ardmediathek.de/ard/

player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9ydGFnZS-

BfIGRva3VtZW50YXRpb24gaW0gZXJzdGVuL2EyZWN-

lYTExLWM5NmYtNDRhZC05MmVkLWY5MzA5OD-

FiMWE0MA/die-ausbeutung-der-urwaelder) bietet

einen guten Überblick, dauert jedoch 45 Minuten.

5 Die Fragen zur Text- und Filmanalyse orientieren sich an den sechs Kategorien für einen konflikt- und problemorientierten Ansatz im PGW-Unterricht nach Hermann Giesecke: 1. Welche unterschiedli-chen Perspektiven gibt es auf einen Konfliktfall?, 2. Welche verschiedenen Interessen sind erkennbar?, 3. Welche Ursachen werden für den Konflikt genannt, 4.Welche Folgen (für wen?) hat diese oder jene Handlungsstrategie, wenn sie sich durchsetzt?, 5. Wie ist die Rechtslage?, 6. Wie könnte eine Lösung des Konfliktes aussehen, die die Beteiligten zu befriedigen vermag? Ausführlichere Darstellung und kritische Auseinandersetzung mit diesem Ansatz in: Giesecke 2000, S. 122–130.

6 Die Wertschöpfungskette bezeichnet „[…] die gesamte Kette von Produktionen und Dienstleistungen für ein Produkt oder ein Unternehmen. Die Wertschöpfungskette beginnt beim Anbau eines Rohstoffes (z. B. Landwirtschaft) oder Abbau eines Rohstoffes (Bergbau) und reicht über die Weiterverarbeitung und Produktions-stufen bei Zulieferern oder dem Unternehmen selbst sowie über den Handel und Zwischenhandel bis hin zur Nutzungsphase bei Geschäftskunden oder privaten Verbraucher/innen. Der Begriff schließt seit neuestem überdies die Wiederverwendung und/oder Entsorgung abgenutzter Produkte ein, weil diese wiederum Rohstoffe für andere Produkte im selben Unternehmen oder in anderen Unternehmen darstellen. Die Wertschöpfungskette umfasst folglich sämtliche Aspekte des Lebenszyklus eines Produktes“. Lexikon der Nachhaltigkeit, online unter: https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/wertschoepfungsketten_1738.htm [29.05.17]. Diese Definition wird hier zugrunde gelegt, für den Unterricht wird jedoch eine vereinfachte und auf den Konfliktfall reduzierte Wertschöpfungskette genutzt. Die Auswahl der Akteure in der Produktionskette ist daher nur eine mögliche Auswahl und kann nach Bedarf verändert werden.

10 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 11: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

G U T Z U W I S S E N

Die beteiligten Akteure am Konfliktfall sind nun

bekannt. Bevor die Vorbereitungsphase auf die

Expert*innenrunde beginnt, sollte die Lehrkraft die

didaktische Reduktion transparent machen.7 Meist

werden in der vorherigen Sequenz mehr Akteure

genannt, als in der Expert*innenrunde vertreten

sind. Die Auswahl der Akteure wird durch die

folgenden zwei Fragen bestimmt:

1. Wer ist Teil des Konfliktes oder des Problems?

2. Wer ist Teil der Lösung dieses Konfliktes oder des Problems? Dabei wird von der Annahme ausgegan-

gen, dass Lösungen arbeitsteilig erfolgen, d. h. sie sind in

den Bereichen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu fin-

den und überschneiden sich häufig oder bedingen ein-

ander. Für VIEW! wurde sich bewusst dagegen entschie-

den, dass „klassische Opfer“8 an der Expert*innenrunde

teilnehmen. Ureinwohner*innen, deren Lebensgrundla-

ge zerstört wird, sind ein Beispiel für solche Akteure.

Je nach Schwerpunkt und gewünschtem Schwierig-

keitsgrad kann die Lehrkraft andere Akteure

auswählen, Akteure hinzuzufügen oder die Anzahl

der Akteure reduzieren. So würde ein Verzicht auf

die Rolle des Fortstwirtschaftsunternehmens zur

Vereinfachung führen, der Sektor Wirtschaft wäre in

der Expert*innenrunde durch den Möbelkonzern

aber weiterhin präsent. Um die Ziele des Projektes

zu erreichen, sollten unbedingt die bereits vorge-

stellten Fragen für die Auswahl der Akteure und

anschließend die Fragen von Giesecke aus der

Perspektive des Akteurs beantwortet werden.

B 3 D I E E X P E R T * I N N E N R U N D EDie bereits begonnene Sachanalyse wird hinsichtlich un-

terschiedlicher Perspektiven auf den Konflikt- oder Prob-

lemfall durch ausgewählte Akteure vertieft. Die

Expert*innenrunde dient dem Austausch von Argumen-

ten und die Reflexion der Analyse der geäußerten Sach-

und Werturteile aus der Expert*innenrunde.

Z I E L E D E R S E Q U E N Z B 3

1. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten sich in

ihre Rolle ein.

2. Die Lernenden diskutieren die Frage der Verant-

wortung als Akteure in einer Expert*innenrunde.

3. Sie reflektieren die Argumentationsstruktur mit

Hilfe des Reflexionshauses.

A B L A U F P L A N / 9 0 M I N U T E N

Vorbereitungsphase

In den Akteursgruppen bearbeiten die SuS die

Fragen auf den Rollenkarten und füllen die

restlichen Felder des Arbeitsblattes B2 zu ihrem

Akteur aus. Jede Gruppe formuliert einen

Lösungsvorschlag für den Punkte-Plan.

Expert*innenrunde

Im Fishbowl diskutieren die Akteure die Frage der

Verantwortung. Am Ende steht die Verabschie-

dung eines Punkte-Plans.

Reflexionshaus

Die gesammelten Argumente der

Beobachter*innen werden im Plenum in das

Reflexionshaus sortiert.

Leitfaden – B3 Die Expert*innenrunde

8 Unter „klassischen Opfern“ werden hier Personen verstanden, die aufgrund der Rahmenbedingungen vor Ort oder anderen Gegebenheiten keinen Handlungsspielraum haben, selbst ihre Rechte und Interessen zu vertreten, da es z. B. gesetzlich keine Möglichkeit gibt, eine Gewerkschaft zu gründen oder jegliche Form des Protestes niedergeschlagen wird. Diese Umstände erfordern eine Interessenvertretung von außen, damit der Konflikt oder das Problem gelöst werden kann.

7 Die didaktische Reduktion aller Fälle erfolgte nach dem konflikt- oder problemorientierten Ansatz von Hermann Giesecke. Vgl.: Giesecke 2000, S. 123 ff.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 11

Page 12: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B3 Die Expert*innenrunde

einzelner Schüler*innen erhalten, dass sie es besonders

bereichernd fanden, eine Person oder ein Unternehmen

zu vertreten, dessen Meinung und Sichtweise sie per-

sönlich nicht befürworten. Bevor es in die Gruppenar-

beitsphase geht, müssen bei Gruppen ohne Erfahrung

mit dem „Fishbowl“ die Methode und der Ablauf genauer

erklärt werden. Die Schüler*innen sollen in jeder Ak-

teursgruppe eine*n „Beobachter*in“ auswählen, die*der

nicht als Expert*in in den Fishbowl muss, sondern die

Aufgabe hat, die in der Diskussion genannten Argumente

ihrer*seiner Gruppe zu notieren. Die Aufzeichnungen

werden in der anschließenden Reflexion genutzt. Zusätz-

lich stehen der Arbeitsauftrag und hilfreiche Fragestel-

lungen zum Kern der Aufgabe ebenfalls auf den Rollen-

karten. Wenn möglich, können Laptop-Stationen

aufgebaut werden, die den Schüler*innen bei der Re-

cherche ergänzender Informationen zur Verfügung ste-

hen. Internetlinks finden sich ebenfalls auf den Rollen-

karten.

DIE MODERATOR*INNEN haben während der Vor-

bereitungsphase auf die Expertenrunde den Auftrag,

sich Informationen zu den jeweiligen Standpunkten der

Akteure einzuholen. Diese Rolle ist sehr anspruchsvoll,

da die Positionen der Akteure erkannt und zueinander in

Beziehung gesetzt werden müssen. Außerdem sind die

Moderator*innen für die Verlesung der Gesprächsre-

geln und deren Einhaltung während der

Expert*innenrunde zuständig. Um diese Aufgabe gut

und in der entsprechenden Zeit lösen zu können, sollte

die Lehrkraft Verständnisfragen oder Unsicherheiten mit

den Moderator*innen besprechen, bevor das Rollenspiel

beginnt. Selbstverständlich steht sie auch für Fragen in den

Akteursgruppen zur Verfügung.

Dagegen kann man einwenden, dass doch gerade diese

Personen mit in die Expert*innenrunde geladen werden

müssten, um ihrer Meinung Gehör zu verschaffen, denn

um sie gehe es schließlich. Das stimmt zwar, jedoch er-

füllt dieser Akteur aufgrund der Umstände nicht das

zweite Kriterium für die Auswahl, nämlich dass er Teil der

Lösung ist. Zudem löst diese Rolle bei manchen Lernen-

den eine starke Betroffenheit aus. Daher sollen solche

Akteure, statt selbst vertreten zu sein, eine Stimme in

Gestalt einer NGO oder einer anderen zivilgesellschaftli-

chen Organisation erhalten, die einen etwas distanzier-

teren Blick ermöglicht und gleichzeitig auf die Bedürfnis-

se, Rechte und Schwierigkeiten der Betroffenen

aufmerksam macht.

Je nach Thema kann es ebenfalls schwierig sein, die Rolle

des Staates in der Expert*innenrunde zu repräsentie-

ren. Die Rollen von diktatorisch regierten Staaten, Solda-

ten, Milizen oder religiösen Fundamentalist*innen sind

in einer Expert*innenrunde schwer zu vertreten, da die-

se schnell als alleinige Täter*innen dastehen, was die

Gefahr birgt, dass die Expert*innenrunde hauptsächlich

aus Anschuldigungen und Rechtfertigungen besteht.

Ähnlich verhält es sich mit der Rolle privatwirtschaftlicher

Akteure, wenn diese sich in rücksichtsloser Weise geset-

zeswidrig verhalten.9 Andererseits birgt die Repräsentati-

on solcher Akteure die Chance, den Faktor der Machtver-

teilung in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu begreifen

und anhand ihrer Argumentationsstruktur für

Schüler*innen sichtbar zu machen.10 Wir haben uns für

dieses Unterrichtsmaterial nach Abwägung der Vor- und

Nachteile dafür entschieden, dass der Staat Russland in

der Expert*innenrunde vertreten ist, weil er trotz der im

Land verbreiteten Probleme mit Korruption ein Verant-

wortungsträger ist, der über Veränderungspotenzial ver-

fügt. Die indigene Bevölkerung wird dagegen von der

(fiktiven) NGO „Weltweit Wälder retten“ vertreten, die ih-

rerseits als Mitglied in dem standardsetzenden Zertifizie-

rungsgremium ein Spiegel der verschiedenen und zum

Teil gegenläufigen Interessen der Stakeholder ist.

NUN BEGINNT DIE VORBEREITUNGSPHASE: Die

Schüler*innen sollen sich nach Interesse einem Akteur

zuordnen. Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, dass es

spannend sein kann, einen Akteur zu vertreten, der zu-

nächst unattraktiv wirkt oder gegen den man einen mög-

lichen Vorbehalt hat. Während der Durchführung von

VIEW!-Einheiten haben wir mehrfach die Rückmeldung

9 Ein Beispiel dafür ist der Besitzer der eingestürzten Textilfabrik Rana Plaza, der durch Korruption Bauvorschriften umgangen hat (siehe dazu zum Beispiel: Der Spiegel, online unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-101368207.html [17.01.15]).

10 Machtverteilung ist häufig ein Grund, warum letztlich eine oder mehrere Lösungen für einen Konflikt oder ein Problem in der Realität nicht greifen. Viele Schüler*innen finden es zu Recht seltsam, dass es scheinbar viele Lösungsansätze (im Unterricht) gibt, aber der Konflikt oder das Problem in der Realität weiterhin bestehen bleibt. Hier liegt die Kritik an der starken Handlungsorien-tierung von Unterricht begründet. Sie kann ein Gefühl von Irritation, Realitätsferne, bis hin zur Ablehnung bei den Lernenden hervorru-fen, ist aber zu lösen, indem Machtverteilung als Einflussfaktor bei Entscheidungen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit beleuchtet wird. Dafür bietet das Reflexionshaus ein gutes Instrument. Vgl.: Gagel 2000, S. 310 ff.

12 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 13: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

D A S R E F L E X I O N S H A U S

Zuvor findet jedoch der wichtigste Teil des Moduls statt –

die Reflexion. Der Austritt aus den Rollen sollte von der

Lehrerin oder dem Lehrer deutlich angekündigt werden.

Fürs Erste erfolgt eine Reflexion auf der Metaebene, um

den Schüler*innen Raum zu geben, über ihre Empfin-

dungen, die rollenunabhängige Meinung, zu sprechen

und den Gesprächsverlauf insgesamt zu bewerten. Eine

Auswahl an Fragestellungen, die eine emotionale (E), methodische (M) und inhaltliche (I) (an der Oberflä-

che) Reflexion abdecken:

E: Wie haben Sie sich in Ihrer Rolle gefühlt?

E: Teilen Sie die Argumentationsweise des gespielten

Akteurs oder haben Sie eine ganz andere Meinung

dazu? Hat sich Ihre Meinung während des Spiels

verändert?

E: Wie war die Stimmung während des Spiels?

M: Was hat mir die Methode Fishbowl gebracht?

M: Was hat gut, was hat nicht so gut funktioniert?

I: Zu welchem Ergebnis hat die Expert*innenrunde ge

führt?

I: Was ist unklar geblieben, wo brauchen wir

vertiefende Informationen, Begriffsdefinitionen?12

Nachdem diese erste Reflexion abgeschlossen ist,

kommt das Reflexionshaus aus Modul A erneut zum Ein-

satz. Falls Sie nur Modul B verwenden, schauen Sie sich

bitte die umfangreicheren Erläuterungen zum Umgang

mit dem Reflexionshaus im Leitfaden zu Modul A an. Die

Argumente aus der Expert*innenrunde wurden von den

Beobachter*innen notiert und sollen nun gemeinsam

nach ihrer Reichweite in das Haus sortiert werden. Dies

ermöglicht auch hier eine Sichtbarmachung der dahin-

terliegenden Werte, Prinzipien und Normen, die als Be-

zugspunkt für die Argumentation genutzt werden. Mit

Hilfe des Analyseinstruments lassen sich die Argumente

erneut überprüfen und gegebenenfalls revidieren.

Man darf jedoch nicht unterschätzen, wie schwierig es

teilweise ist, Argumente als solche aus dem Diskussions-

verlauf während der Expert*innenrunde zu filtern und

diese dann im zweiten Schritt einer Ebene im Haus zuzu-

ordnen. Eine mögliche Entlastung für die Schüler*innen

ist die Auflistung der Argumente während der Vorberei-

tungsphase auf die Expert*innenrunde, die dann wäh-

renddessen nur noch ergänzt werden müssen.

DIE EXPERT*INNENRUNDE11 findet im Fishbowl

statt. Sie verläuft idealerweise ohne Eingreifen der Lehr-

person. Nur zu passenden Gelegenheiten sollte sie ei-

nen Gong oder eine Glocke läuten, bei der dann die

Expert*innen im inneren Fishbowlkreis ausgetauscht

werden. Bis auf die Beobachter*innen sitzt jede Person

möglichst einmal im Innenkreis, die Moderator*innen

bleiben die gesamte Zeit über dort sitzen. Im Verlauf der

Diskussion ergibt sich meist eine Patt-Situation: Die Ak-

teure schreiben sich gegenseitig die Verantwortung zu

oder weisen diese grundsätzlich zurück. Es geht darum,

diesen Prozess empathisch auszuhalten. Am Ende der

Expert*innenrunde soll dennoch der sogenannte Punk-

te-Plan beschlossen werden, um somit einer möglichen

Frustration der Lernenden vorzubeugen. Dafür hatte

jede Akteursgruppe in der Vorbereitungsphase unter an-

derem den Auftrag, einen Hebel der Veränderung zu for-

mulieren, der aus ihrer Sicht realistisch ist. Diese Vor-

schläge werden nun ausgetauscht und drei finale Punkte

festgelegt. Um die Moderator*innen in ihrer Rolle zu

entlasten, kann dieser Punkte-Plan von der Lehrkraft no-

tiert und gut sichtbar im Klassenzimmer aufgehängt wer-

den. In der Sequenz B3 kommt der Punkte-Plan zum Ein-

satz.

Mögliche Methodenübersicht zur Interaktion im

Unterricht und deren Vor- und Nachteilen:

S. Reinhardt: Politik Methodik. Handbuch für die

Sekundarstufe I und II, Cornelsen Verlag 2007.

J. Detjen: Politische Bildung, Oldenbourg Verlag

2007.

Leitfaden – B3 Die Expert*innenrunde

11 Die Expert*innenrunde ist an die Methode der Podiumsdiskussion angelehnt. Es steht dabei ein kontrovers diskutiertes Thema zur Debatte, bei dem das Ergebnis noch nicht feststeht. „Das Ziel ist, mit einer lebendigen Abbildung eines örtlichen, regionalen oder gesamtgesellschaftlichen ‚Reizthemas‘ die unterschiedlichen Ansichten, Einsichten, Begründungen, Empfehlungen und – viel-leicht auch konsensfähigen – Lösungsvorschläge kennenzulernen.“ Reinhardt 2007, S. 132.

12 Vgl.: Reinhardt 1999, S. 115.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 13

Page 14: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B3 Die Expert*innenrunde

Die*der Geschäftsführer*in des Möbelhauses argumen-

tiert mit ihrer*seiner Aufgabe, Gewinnvorgaben des Ar-

beitgebers erfüllen zu müssen, um seinen eigenen Job

langfristig zu sichern. Das Möbelunternehmen selbst

könnte auf den wirtschaftlichen Druck verweisen,

dem es sich ausgesetzt sieht. Es muss Rohstoffe günstig

erwerben, um gegen seine Konkurrenten bestehen zu

können, denn das Kaufverhalten der Konsument*innen orientiert sich stark am Preis. Der

Forstbetrieb sieht sich auf dem russischen Markt be-

nachteiligt, weil er sich selbst an alle Gesetze hält, wäh-

rend Mitbewerber Korruption und mangelhafte Kontrol-

len ausnutzen und sich so Vorteile verschaffen. NGOs

argumentieren beispielsweise mit universellen Werten

wie der Würde des Menschen. Der Staat kann aber

ebenfalls diese universellen Prinzipien als Bezugspunkt

nehmen und erklären, warum er deren Einhaltung noch

nicht gewährleisten kann.

14 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 15: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B3 Reflexionshaus

R E F L E X I O N S H A U S – E R L Ä U T E R U N G

ZU A: DIE ENTSCHEIDUNG/HANDLUNG

BERÜCKSICHTIGT NUR MICH ALS PERSON.

— Ich habe einen Nachteil zu erwarten,

wenn ich anders entscheide.

— Mein Arbeitsplatz/meine Wohnung etc. ist in Gefahr.

— Meine Familie ist direkt betroffen.

Geschäftsführer*in des Möbelkonzerns: „Wenn ich die

Gewinnvorgaben des Unternehmens nicht erreiche, verliere

ich meinen Arbeitsplatz.“

ZU B: DIE ENTSCHEIDUNG/HANDLUNG

ERFÜLLT NORMEN UND REGELN, DIE

DIE UMWELT/ROLLE/SITUATION VON MIR

ERFORDERT/ ERWARTET.

— Ich handle so, wie es meine Rolle erfordert.

— Ich handle so, wie ich es auch von anderen

in meiner Gemeinschaft erwarten würde.

Forstbetrieb: „Wenn wir in Russland keine Abnehmer*innen

finden, müssen wir unser Holz exportieren. Andernfalls stün-

den 500 Arbeitsplätze auf dem Spiel.“

Möbelkonzern: „Wir verwenden nur Holz aus zertifizierter

Forstwirtschaft. Zugleich verlangen unsere Kund*innen

günstige Produkte.“

ZU C: ICH ENTSCHEIDE/HANDLE SO, WEIL

ES SICH UM EINE UNIVERSELLE, FÜR ALLE

MENSCHEN IMMER GÜLTIGE REGEL HANDELT.

(KANT)

— Die Würde des Menschen erfordert genau dieses

Handeln. (Menschenrechte)

NGO: „Es ist moralisch nicht in Ordnung, wenn wir auf Kos-

ten der Menschen in Sibirien billig Holz und Möbel kaufen.“

Staat: „Der Schutz unserer Lebensräume und Wälder ist sehr

wichtig, flächendeckende Kontrollen wären jedoch zu teuer.

Auf die Einnahmen aus der Forstwirtschaft sind wir angewie-

sen, um wichtige staatliche Aufgaben erfüllen zu können.“

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 15

Page 16: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B3 Die Expert*innenrunde

S T O L P E R S T E I N E I N D E R D U R C H F Ü H R U N G

Wenn es besondere kommunikative Dynamiken gab,

sollte die Lehrkraft explizit thematisieren und erörtern,

was in den Gesprächsabschnitten passiert ist, wozu es

im weiteren Verlauf geführt hat und warum. Ein Beispiel

aus einer Durchführung des VIEW!-Moduls zu Handys:

Ein sehr redegewandter und schauspielerisch talentierter

Schüler hatte die Rolle eines NGO-Vertreters, der auf die

Bedingungen in den Coltan-Minen des Kongos aufmerk-

sam machte. In seinem Redebeitrag zählte

er viele Missstände mit Hilfe von Fakten auf und

klagte einzelne Akteure an, um bei ihnen Empörung her-

vorzurufen.

„Sie wissen doch, dass die Mineralien in Ihren Handys

aus den Krisengebieten des Kongos stammen. Sie wissen

auch um die Kinderarbeit dort und dass viele aufgrund

der schlecht ausgebauten Stollen sterben. Können Sie

damit leben, das Blut dieser Kinder in Ihren Handys zu

haben? Würden Sie Ihre Kinder dort in diesen Minen ar-

beiten lassen? Sie sind doch nur geldgierig und auf Ihren

Profit aus – warum kostet denn sonst ein Handy von Ih-

nen 700 Euro und bei den Menschen im Kongo kommen

fünf Cent an?“

Der Schüler rutschte in die Rolle des Moralisten und pro-

duzierte dadurch einerseits betretenes und beschämtes

Schweigen, andererseits Zynismus und Widerstand. Die

vermeintlichen Täter – Vertreter des Handykonzerns –

wehrten sich als Einzige gegen die Beschuldigungen:

„Haben Sie denn etwa kein Handy? Oder glauben Sie an-

dere Konzerne vertreiben Handys ohne Konfliktminerali-

en? Außerdem können wir doch nichts dafür, dass da

Bürgerkrieg herrscht. Gründen Sie doch eine Fair-Trade-

Coltan-Mine, dann kaufen wir von Ihnen!“

Die Expert*innenrunde verkam zu einer Talkshowrun-

de13, in der keine Diskussion über Inhalt auf sachlicher

Ebene stattfand, sondern die Performance im Vorder-

grund stand. Eine Dynamik, die den gleichen Effekt hatte,

wie es Wolf Wagner in seiner „Verelendungstheorie“14

beschreibt. Da die Rolle der Moderator*innen die Regel-

einhaltung und Lenkung des Gesprächs beinhaltet, ge-

hört es zu ihren Aufgaben, darauf zu achten, dass das

Gespräch konstruktiv bleibt. Wenn es trotzdem zur be-

schriebenen Dynamik kommt, sollte die Lehrkraft entwe-

der eine kurze Ansage zur Methode (Expert*innenrunde,

kein Talkshowformat) machen oder aber den Ablauf

nicht unterbrechen und in der Reflexion auf den Ge-

sprächsverlauf eingehen.

13 Bei der Methode Talkshow verteidigen die Schüler*innen konträre Positionen zu einem Streitthema in zugespitzter Argumentation. „Talkshows bergen das Problem, dass sie von vielen Lernenden häufig eher als reines Unterhaltungsereignis (‚Krawall-Talk‘) und weniger als sachliche Diskussionsrunde verstanden werden“. Bei dieser Methode liegt der Unterhaltungswert im Fokus, für VIEW! ist es aber von Bedeutung, dass das Gespräch nicht in einem Schlagabtausch von polemischen Argumenten endet, sondern unterschiedliche Ansichten des Konflikt- oder Problemfalls mit entsprechender Expertise ausgetauscht werden, an dessen Ende der Punkte-Plan steht. Reinhardt 2007, S. 131

14 „Die Vertreter der Verelendungstheorie brandmarken meist die niederdrückenden Wirkungen des Kapitalismus richtig. Weil sie sich dabei aber immer auf die übelsten und existenzbedrohenden Fälle konzentrieren, denn an ihnen wird die zerstörerische Kraft des Kapitalismus am deutlichsten, entsteht der asketische und moralische Eindruck, daß alle, denen es besser geht, bereits privilegiert sind und sich ihrer Besserstellung eigentlich schämen müßten […]“. Hier fokussiert sich die (Kapitalismus-)Kritik ausschließlich auf das Leiden der Opfer und blendet die positiven Aspekte aus. Wagner: Verelendungstheorie. Die hilflose Kapitalismuskritik, Frankfurt/Main 1976, S. 234 ff.

16 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 17: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B4 Hebel der Veränderung

G U T Z U W I S S E N

Wenn man einen Konflikt- oder Problemfall hat, der die

drei Bereiche Politik, Gesellschaft und Wirtschaft betrifft

und noch dazu aufgrund der Wertschöpfungskette glo-

bal verstrickt ist, fällt es aufgrund seiner Komplexität

schwer, die Frage der Verantwortung zu klären. In der

Wirtschaft, in der Unternehmen die Handlungsträger

sind, wird diese Frage besonders umstritten diskutiert.

Meist wird dies in der Expertenrunde dann deutlich,

wenn Unternehmensvertreter*innen z. B. argumentie-

ren, sie hätten die Produktion an einen Subunternehmer

abgegeben und seien nicht für die Bedingungen dort

verantwortlich oder aber sie seien für nichts von all dem

verantwortlich. Da die Bereiche Wirtschaft und Ethik (in

der Konkretisierung u. a. die Verantwortung) nicht selbst-

verständlich ineinandergreifen und auch in der Wissen-

schaft über die Verbindung dieser beiden Sphären dis-

kutiert wird, sollte dies den Lernenden ebenfalls

transparent gemacht werden.

Wenn man nun mögliche Hebel der Veränderung be-

trachtet, können je nach Bereich unterschiedliche Ver-

antwortungsträger15 benannt und zu einem Handlungs-

träger gemacht werden:

1. DIE GESELLSCHAFT in Form von Individuen, z. B.

westliche*r Konsument*in, Farmbesitzer*in, Beamt*in

im Produktionsland, aber auch Organisationen wie NGOs

oder Gewerkschaften.

2. DIE WIRTSCHAFT in Form von Unternehmen.

3. DIE POLITIK, repräsentiert durch den Staat,

Staatsvertreter*innen, staatliche Institutionen und in

dem jeweiligen Land bestehende Gesetzgebung.

Eine Sonderrolle nehmen Presse und überstaatliche Ak-

teure ein, sie lassen sich nicht den drei Bereichen zuord-

nen. Dennoch können sich auch hier Hebel der Verände-

rung befinden, z. B. indem die Presse über einen

B 4 H E B E L D E R V E R Ä N D E R U N G

Wie löst man nun den Konflikt bzw. das Problem? Die

Frage wurde bereits innerhalb des Punkte-Plans von den

Schüler*innen beantwortet, soll jedoch im letzten Teil

des Projektes vertieft werden.

Z I E L E D E R S E Q U E N Z B 4

1. Die Schülerinnen und Schüler lernen verschiede-

ne Bereiche kennen, in denen Hebel der Verän-

derung angesetzt werden können.

2. Die Lernenden ordnen Beispiele aus der Realität

diesen Bereichen zu.

3. Sie bewerten die zusammengetragenen Hebel

der Veränderung hinsichtlich ihrer Durchsetzbar-

keit und ihrer Folgen für die Beteiligten.

4. Sie vergleichen den Punkte-Plan mit bereits

bestehenden Lösungsansätzen.

A B L A U F P L A N / 9 0 M I N U T E N

Input „Hebel der Veränderung“

Im Plenum wird gemeinsam das Arbeitsblatt B4

mit den drei sich überschneidenden Bereichen

gelesen und Fragen dazu beantwortet.

Gruppenarbeitsphase „Hebel der Veränderung“

Die SuS lernen bereits bestehende Hebel der

Veränderung kennen. Mit Hilfe von Texten und

Filmen tragen sie Informationen zusammen. Dazu

bekommen sie das Arbeitsblatt B4 mit dem

Arbeitsauftrag und der Link-Liste. Die Ergebnisse

ihrer Recherche sollen an einer Wandzeitung

visualisiert werden.

Runder Tisch

Die Hebel der Veränderung werden von den SuS

am runden Tisch mit Hilfe der Wandzeitung

vorgestellt. Zuletzt werden die Lösungsmöglich-

keiten mit dem eigenen Punkte-Plan verglichen.15 Die Auswahl der Lösungsansätze folgt ebenfalls der in B2

genannten Frage, wer Teil der Lösung des Konflikts/Problems ist, unter der Annahme, dass die Lösung arbeitsteilig erfolgt.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 17

Page 18: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B4 Hebel der Veränderung

Missstand informiert und auf diese Weise einen Diskurs

anstößt oder die Vereinten Nationen Empfehlungen

oder Mahnungen vergeben.

An die Sequenz B4 lässt sich vielfältig anknüpfen

und vertiefen:

— Welches politische System herrscht

in dem relevanten Land?

— Was sind Interessensvertretungen,

warum sind sie wichtig?

— Was sind die Vereinten Nationen,

wie arbeiten sie?

— Was für eine Rolle spielen die OECD oder die

WTO bei globalen Handelsbeziehungen?

— Wie ist die Rechtslage in der EU bezüglich

Handelsbeziehungen?

Zu den drei Bereichen lernen die Schüler*innen nun He-

bel der Veränderung kennen. Bevor sie

in die Gruppenarbeitsphase gehen, sollte für alle

verständlich sein, welches Ziel mit dem Arbeitsauftrag

verfolgt wird.16 Die Auswahl an Links zu Texten und Film-

material über bereits bestehende Hebel der Verände-

rung sollen von den Lernenden an Laptop-Stationen

oder im Computerraum bearbeitet werden.

1) Was fällt Ihnen auf?

2) Wo liegen Gemeinsamkeiten/Unterschiede?

3) Welche Kritikpunkte haben Sie?

4) Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen,

damit sich langfristig etwas ändert?

Des Weiteren sollen die Schüler*innen ihre Recherche-

ergebnisse so aufbereiten, dass sie an einer Wandzei-

tung von allen anderen Lernenden nachvollzogen und

verstanden werden können. Diese Wandzeitung könnte

die Überschrift „Bereits bestehende Hebel der Verände-

rung für den/das Konflikt/Problem xy“ tragen und zeigt

folgende Abbildung:

An die Pfeile oder dahinter können die Ergebnisse der

Schüler*innen gepinnt werden. Nach 20 Minuten kom-

men die Gruppen zu einem großen „runden Tisch“17 zu-

sammen, stellen ihre Hebel der Veränderung vor und

diskutieren die Fragen aus dem Arbeitsauftrag B4.

16 Siehe Arbeitsblatt mit Arbeitsauftrag für B4.

17 „R. T“. ist eine pol.-ugs. Bezeichnung für den Versuch, politische Problemlösungen zu erarbeiten, wobei die gegebenen (verfas-sungs-)politischen Einrichtungen und Entscheidungsmechanismen (z. B. Parlamente und parlamentarische Beratung) zunächst nicht eingeschaltet werden. Vielmehr soll durch die Beteiligung aller (aktiven, betroffenen) Gruppen und der Vertreter der entscheiden-den politischen Kräfte eine möglichst einvernehmliche Lösung (»am runden Tisch«) erzielt werden, die möglicherweise dann den politisch zuständigen Entscheidungsgremien vorgelegt wird.“ Die Methode „runder Tisch“ ist an diese Definition angelehnt, wobei es hier nicht zentral ist, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, sondern die vorgestellten Lösungen kennenzulernen und hinsichtlich ihrer Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile zu diskutieren. Bundeszentrale für politische Bildung, online unter: http://www.bpb.de/nachschlagen/ lexika/18160/runder-tisch [20.01.15].

Abbildung 3

18 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 19: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden – B4 Hebel der Veränderung

Machtgefälle kann ein Faktor sein: Die großen Möbelkon-

zerne nutzen ihre finanzielle und politische Macht, um

sich auf russischem Boden große Waldgebiete für ihre

Produktion zu sichern. Durch die Möglichkeit der Korrup-

tion werden rechtliche Vorschriften umgangen.

Ein anderer Stolperstein ist in der häufigen Nennung der

Konsument*innen als Hebel der Veränderung versteckt.

Dies zeigte sich bisher in jeder Durchführung des Projek-

tes daran, dass die Schüler*innen darüber diskutierten,

ob es „etwas bringt“, wenn sie zum Beispiel weniger oder

keine billig produzierten Möbel kaufen. Ob dies eine Aus-

wirkung auf Politik, Wirtschaft oder den Rest der Gesell-

schaft hat, wird kritisch gesehen, sollte jedoch von dem

Wunsch, eine persönliche und bewusste Haltung zu be-

ziehen (auf Rückbezug von Werten und Prinzipien, die

man vertritt), unterschieden werden. Es wird kontrovers

diskutiert, ob Konsumveränderung oder -verzicht über-

haupt eine politische Handlung darstellt und eine Wir-

kung erzielt oder nicht. Die einzelnen Bürger*innen als

Akteure werden trotzdem als Hebel der Veränderung

einbezogen, da ein starker Lebensweltbezug zu den

Schüler*innen vorliegt.

Bestenfalls werden für die Recherche der Schüler*innen

zu möglichen Hebeln der Veränderung drei bis vier Texte

und / oder Filmmaterialien angeboten. Bei der Auswahl

sollte sich an den drei Bereichen aus Abbildung 3 orientiert

werden. Exemplarisch folgen drei Beispiele für das Thema

Holz:

1. Artikel aus der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschich-

te: „Grundlagen der supranationalen Waldpolitik.“

Siehe: http://www.bpb.de/apuz/260684/grundlagen-

der-supranationalen-waldpolitik?p=all

2. Audiobeitrag des Bayerischen Rundfunks: „Über den

Möbelkonsum in der westlichen Gesellschaft.“ Siehe:

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/

notizbuch/ueber-den-moebelkonsum-in-der-westli-

chen-gesellschaft-100.html

3. Filmbeitrag „Klimaschutz in Russland – der Wert der

Wildnis.“ Siehe: https://www.youtube.com/

watch?v=lYNp5KluHr4

S T O L P E R S T E I N E I N D E R D U R C H F Ü H R U N G

Die Hebel der Veränderung den entsprechenden Berei-

chen zuzuordnen, kann bisweilen schwerfallen, da diese

Bereiche ineinandergreifen und auch voneinander ab-

hängig sind.

Daher die Idee der sich überlappenden Bereiche für die

ineinander verflochtenen Beziehungen von Politik, Ge-

sellschaft und Wirtschaft. Ein Hebel der Veränderung in

einem Bereich zieht Konsequenzen für die jeweils ande-

ren Bereiche nach sich, die mit den Schüler*innen disku-

tiert werden können.18 Die Wahl der Visualisierung sollte

den Schüler*innen transparent und verständlich ge-

macht werden. Wie bereits bei der didaktischen Redukti-

on zu B2 beschrieben, erfolgt die Lösung arbeitsteilig. Es

herrscht häufig eine Interessenabhängigkeit zwischen

den Bereichen, was einer der Faktoren ist, warum be-

stimmte Hebel der Veränderung nicht in Bewegung ge-

setzt werden und andere schon. Beispielweise hat der

russische Staat als Eigentümer der Waldflächen ein Inte-

resse daran, seine Einnahmen zu steigern. Das ist nur

dann möglich, wenn die Holzindustrie ertragreich ist.

Diese Konstellation könnte ein Grund dafür sein, dass

der Staat seine Bevölkerung nicht in dem Maße schützt,

wie es die Verfassung (Artikel 69) vorschreibt. Auch das 18 Vgl.: Giesecke 2000, S. 126–127.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 19

Page 20: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Leitfaden Modul B

M O D U L B :M AT E R I A L F Ü R D E N U N T E R R I C H T

B1 Wer ist wofür, weswegen verantwortlich?B2 Einführung in die Branche

B3 Rollenkarten und Expert*innenrundeB4 Lösungsansätze und Hebel der Veränderung

20 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 21: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

W E R ?

— Individuen (individuell)

— Gruppen/Unternehmen (korporativ):

Es ist strittig, ob neben Individuen auch Korporatio-

nen (Unternehmen) oder Gruppen Verantwortung

tragen können. Dabei spricht eine mögliche Nicht-

verantwortung von Unternehmen nicht die im

Unternehmen agierenden Mitarbeiter*innen von

ihrer individuellen Verantwortung frei.

W O F Ü R ?

— Handlungen und Unterlassungen:

Es ist strittig, ob Individuen/Unternehmen für den

Missbrauch hergestellter Produkte Verantwortung

tragen können. Müssen z. B. Unternehmen Verant-

wortung übernehmen, wenn ihr Klebstoff als Droge

missbraucht wird?

— Es ist strittig, ob Individuen/Unternehmen Verantwor-

tung für die einzelnen Unternehmen in ihrer Liefer-

kette tragen können, z. B. „Subsubsubunternehmen“.

P R O B L E M / K O N F L I K T

— Die zunehmende Arbeitsteilung und die Verlagerung

von Produktionsabläufen in alle Teile der Welt haben

den Radius von möglicher Verantwortung in den

letzten Jahrzehnten stark vergrößert.

— Es gibt viele Interessengruppen (Stakeholder), die

einbezogen werden sollten: Eigentümer*innen und

Mitarbeiter*innen des Unternehmens, Kund*innen,

Bürger*innen und Gemeinden im direkten Umfeld,

Menschen, die weltweit betroffen sind, Zulieferer,

Subunternehmen, Staat und Umwelt.

Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen unterneh-merischer Verantwortung und wirtschaftlichem Erfolg (auch eine Verantwortung des Unternehmens),

das sogar zum Konflikt werden kann, wenn die Gewinn-

erzielung des Unternehmens und die Übernahme von

Verantwortung gegenüber einzelnen Interessengruppen

sich entgegenstehen. Es ist strittig, was die „richtigen“

moralischen Normen sind. Dies muss in einer Gesell-

schaft ausgehandelt werden.

B 1 W E R I S T W O F Ü R , W E S W E G E N

V E R A N T W O R T L I C H ?

V E R A N T W O R T U N G K A N N

— universell bestehen: Jeder Mensch trägt die Verantwortung, Menschen in

Not zu helfen.

— aufgrund einer bestimmten Rolle bestehen: Bademeister*innen sind verantwortlich für die

Sicherheit im Schwimmbad.

— aufgrund von Handlungsfolgen bestehen: Mir kippt die Kaffeekanne auf dem Tisch um. Ich bin

verantwortlich dafür.

— freiwillig übernommen werden: Ich helfe der alten blinden Dame über die Straße.

Z U S C H R E I B U N G V O N V E R A N T W O R T U N G

— kann in zwei Richtungen stattfinden

1. prospektiv (zukünftig) Verantwortung in Bezug auf:

Person (Eltern)

Zustand (Polizei)

Gegenstand (Journalist*in)

2. retrospektiv (rückwirkend)Verantwortung in Bezug auf:

Handlung

Handlungsfolgen

B1 Verantwortung: Wer ist wofür, weswegen, verantwortl ich?

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 21

Page 22: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B2 Einführung – Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten

F A K T E N Z U M U R W A L D

— Rund 31 Prozent der Landoberfläche der Erde sind

mit Wäldern bedeckt. Weltweit sind die Waldflächen

sehr unterschiedlich verteilt. Nach den jüngsten Daten

der Food and Agriculture Organization (FAO) der

Vereinten Nationen entfielen im Jahr 2015 rund

54 Prozent des Bestandes auf nur fünf Staaten.

Russland verfügt demnach mit einer Waldfläche von

815 Millionen Hektar über einen Anteil von einem

Fünftel.

— Alle zwei Sekunden wird ein Stück Wald von der

Größe eines Fußballplatzes vernichtet. Inzwischen

existieren in Europa fast gar keine natürlichen

Urwälder mehr. Bereits in zwei Jahrzehnten könnte

ein Drittel der heute noch bestehenden Urwälder

abgeholzt sein.19

— Auch die sibirischen Urwälder sind in den Fokus der

Holzindustrie geraten. Dort lebten einst indigene

Völker von der Jagd und der Rentierzucht. Von einst

zwei Millionen Menschen sind ca. 200.000 in den

sibirischen Wäldern geblieben, ihre Zukunft ist durch

die Abholzung des Waldes jedoch gefährdet.

— Der russische Staat verabschiedete 2006 ein Gesetz

(Wald-Kodex) im russischen Unterhaus (Duma) zur

privatwirtschaftlichen Nutzung der Urwälder. Es

sieht vor, dass die Wälder in Parzellen aufgeteilt und

diese dann versteigert werden. Die Pächter erwer-

ben so das Recht, die Flächen für bis zu 99 Jahre zu

nutzen. So wurde internationalen Großkonzernen

der Holzindustrie die Möglichkeit eröffnet, die

Urwälder forstwirtschaftlich zu erschließen. Die

indigenen Völker hatten in dem Bieterverfahren

keine Chance, weil ihnen die finanziellen Mittel

fehlen.

— Durch Rodung und Abholzung der Wälder kommt es

nicht nur zur Zerstörung der Lebensräume der

einheimischen Bevölkerung. Auch die Folgen für das

Klima und die Artenvielfalt sind erheblich. 20 Pro-

zent der klimaschädlichen CO2-Emissionen werden

durch die Abholzung der Wälder verursacht.

B 2 E I N F Ü H R U N G –V E R A N T W O R T U N G

I N G L O B A L E N W E R T S C H Ö P F U N G S K E T T E N

Die weltweite Nachfrage nach Holz als Rohstoff steigt

stetig an. Russland verfügt über ein Fünftel der weltwei-

ten Waldfläche, Forstbetriebe sind ein wesentlicher Wirt-

schaftsfaktor des Landes. Doch durch die teils illegale

Abholzung von Urwäldern verlieren vielerorts

Ureinwohner*innen ihren Lebensraum und ihre Lebens-

grundlage.

Fragestellung: »Wer ist verantwortlich für die Abholzung

der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bitte überlegen Sie in Kleingruppen (zwei bis drei

Teilnehmer*innen), wo in der beschriebenen

Wertschöpfungskette Ihrer Meinung nach die

Verantwortung für die Abholzung sibirischen

Urwalds und die Zerstörung von Lebensräumen

der Ureinwohner*innen anzusiedeln wäre.

Beziehen Sie dabei auch die Beteiligten ein, die

im Text beschrieben werden und nicht in der

Grafik (Wertschöpfungskette) auftauchen.

Versuchen Sie, Ihre Einschätzung zu begründen.

2. Gerne können Sie Markierungen in der Grafik

dafür vornehmen.

19 Quelle: https://dgvn.de/inhaltsarchiv/themenschwerpunkte/waelder-abholzung/.

22 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 23: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

— In den Böden der Wälder sind große Mengen

Kohlenstoff gespeichert, die bei der Abholzung als

Treibhausgas (Kohlendioxid) in die Atmosphäre

abgegeben werden.

— Schätzungen zufolge leben weltweit 60 Millionen

Menschen in Abhängigkeit von Wäldern. Sie leben in

enger Symbiose mit der Natur und nutzen den Wald

nachhaltig für ihr Überleben.

B2 Einführung – Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten

F A K T E N Z U R H O L Z I N D U S T R I E

— Die gesamte deutsche Holzindustrie (inklusive

Möbelindustrie) erwirtschaftete im Jahr 2017 mit

151.917 Beschäftigten in mehr als 900 Betrieben

einen Umsatz von 35,6 Milliarden Euro.20 Der Bedarf

an Holz hat in den vergangenen Jahren stark zuge-

nommen. Nicht nur Möbel werden aus Holz herge-

stellt, sondern auch Bauholz, Spielzeug und Dekoarti-

kel. Zudem wird Holz vermehrt als Energiequelle

genutzt. Mit dem weltweiten Anstieg der Bevölkerung

nimmt auch der Holzverbrauch zu.

— Allein in Deutschland hat sich der Gesamt-Holzver-

brauch zwischen 2007 und 2011 von 134 auf

140 Millionen Kubikmeter erhöht. In der deutschen

Forstwirtschaft werden jedoch nur zwischen 70 und

80 Millionen Kubikmeter geerntet. Somit steigen

zwangsläufig die Importe nach Deutschland. Durch

die hohe Nachfrage ist Holz zu einem gefragten

Rohstoff geworden, und der Holzhandel ist ein

lohnendes Geschäft.

— Durch die gestiegene Nachfrage nach dem Rohstoff

Holz boomt auch der illegale Holzhandel. Der WWF

berichtet in einer Studie aus dem Jahr 2008, dass

knapp die Hälfte des aus Russland exportierten

Holzes illegal geschlagen wurde. Da die Einfuhr von

illegal geschlagenem Holz in die EU verboten ist,

wird das Holz nach China oder Südkorea verkauft. In

China wird es dann weiterverarbeitet, um als fertiges

oder halbfertiges Holzprodukt schließlich doch auf

dem europäischen Markt zu landen. Um die illegale

Abholzung zu verhindern, müssten weltweit mehr

Kontrollen durchgeführt werden. Dies wird er-

schwert durch Korruption und Personalmangel bei

den Behörden der Herkunftsländer. Um Kontrollme-

chanismen zu verbessern und Korruption einzudäm-

men, wurde in Russland auf Initiative des WWF für

die Einführung von Forst-Zertifikaten geworben.

2008 wurde die erste Fassung zur Umsetzung eines

nationalen Standards21 zur Zertifizierung22 von

Forstbetrieben in Russland veröffentlicht. Diese

Zertifizierungen haben das Ziel, Forstwirtschaft

ökologisch nachhaltig, ökonomisch und sozial zu

gestalten. Um diese Ziele zu erreichen, sitzen

staatliche Akteure, Vertreter*innen der Holz- und

Möbelindustrie sowie NGOs in einem Gremium

zusammen.

21 Jedes Land setzt die Standards für seine Zertifizierung selbst. Maßgebend dafür sind die internationalen Standards. Abweichun-gen sind möglich, wenn beispielsweise wie in Russland traditionell große Waldflächen abgeholzt werden. Dies kann dann in den nationalen Standard übertragen werden (Quelle: https://www.greenpeace.de/themen/walder/waldnutzung/der-fsc-siegel-fur-guten-wald-und-gutes-holz).

22 Ein weltweit bekanntes Zertifikat ist FSC (Forest Stewardship Council). Die konkrete Entwicklung wurde maßgeblich durch das Engagement von WWF, Greenpeace, Gewerkschaften und Interessensvertreter*innen indigener Völker (NGOs) vorangebracht. Um das Zertifikat zu bekommen, müssen die Forstbetriebe festgelegte Standards erfüllen. Ziel und Herausforderung des FSC ist eine ökologisch nachhaltige, sozial förderliche und ökonomisch rentable Bewirtschaftung von Wäldern weltweit. Um diese drei recht unterschiedlichen Anforderungen an das Zertifizierungssys-tem zu berücksichtigen, besteht der FSC aus drei Kammern, einer Umweltkammer, einer Sozialkammer und einer Wirtschaftskammer, in denen Umweltorganisationen, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, Mitglieder indigener Völker und Unternehmen vertreten sind, um gemeinsam über die Standards des FSC zu diskutieren. Der FSC hat zehn international verbindliche Prinzipien und 56 Kriterien für die Forstwirtschaft entwickelt, die bei der Bewirtschaftung der Wälder berücksichtigt werden. Unabhängige Kontrolleur*innen und Zertifizierer*innen prüfen vor Ort, ob die Forstbetriebe ihre Standards einhalten. Das Gütesiegel bekommen nicht nur die Forstbetriebe, sondern es wird die ganze Produktions-kette zertifiziert. So können auch Unternehmen das FSC-Zertifikat bekommen, wenn sie in ihrer Produktionskette zu jedem Zeitpunkt nachweisen können, dass ihre Produkte aus zertifizierten Forstbetrieben kommen. Ein Zertifikat wird für fünf Jahre ausgestellt, dann erfolgt eine erneute Überprüfung (Quelle: http://www.fsc-deutschland.de/preview.waldzertifizierung-unterscheiden.a-829.pdf; https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/fsc-siegel-20151118-green-peace_0.pdf).

20 Quelle: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-holz-und-moebelindustrie.html.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 23

Page 24: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B2 Einführung – Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten

F A K T E N Z U R M Ö B E L I N D U S T R I E

— Sich nach individuellen Wünschen einzurichten, ist

zum Trend geworden. Daher steigt die Nachfrage

nach Möbeln stetig an.

— Viele große Möbelhäuser weltweit bieten ihre Produk-

te im unteren Preissegment an und wollen so auch

Konsument*innen mit kleinerem Budget die Möglich-

keit bieten, ihre Wohnungen nach eigenen Vorstellun-

gen zu gestalten.

— Zugleich haben sich die Kund*innenansprüche

gewandelt: Wurden früher Maßanfertigungen in der

Tischlerei beauftragt, dominiert heute günstige

Massenware für die Selbstmontage. Design und

Preis haben an Stellenwert gewonnen, die Ansprü-

che an die Haltbarkeit der Produkte sind hingegen

weniger hoch – Möbel müssen nicht mehr ein

halbes Leben lang halten, sondern werden häufiger

ausgetauscht.

— Um konkurrenzfähige Preise anbieten zu können,

müssen Möbelhersteller ihre Kosten für die Produk-

tion möglichst gering halten. Weil sich die steigende

Nachfrage nach dem Rohstoff Holz jedoch auch auf

die Preise auswirkt, unterhalten große Möbelhäuser

oft eigene Forstbetriebe. Diese Subunternehmen

pachten große Waldgebiete, zum Beispiel in Sibirien,

und verfügen dort dann auch über Abholzrechte.

— Beispielsweise hat Ikea im Nordosten Sibiriens eine

Fläche von 295.000 Hektar Wald gepachtet, darunter

befinden sich schützenswerte Urwälder. Aus diesem

Grund wird immer wieder Kritik laut. Umweltorgani-

sationen prangern an, dass trotz Zertifizierungen,

die eine nachhaltige Forstwirtschaft versprechen,

großflächig Abholzung in den letzten intakten

Urwäldern Sibiriens durchgeführt wird.

Wandel im Konsumverhalten beim Möbelkauf nach Preissegmenten (Marktanteil in Prozent). Quelle: Udo Kiel/Anja Henke: Branchenanalyse Möbelindustrie 2018

24 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 25: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

F A K T E N Z U R U S S L A N D

— Russland ist mit etwa 17 Millionen Quadratkilome-

tern flächenmäßig der größte Staat der Erde.

— Mehr als ein Achtel der bewohnten Landmasse der

Erde gehört zu Russland.

— Zwar hat Russland 144 Millionen Einwohner*innen,

gehört aber zu den am dünnsten besiedelten

Ländern (ca. acht Einwohner*innen pro Quadratkilo-

meter).

— Russland ist unter anderem Mitglied des UN-Sicher-

heitsrates, aller UN-Unterorganisationen, der OSZE

(Organisation für die Sicherheit und Zusammenar-

beit in Europa) und des Europarates.

B2 Einführung – Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten

— Wenngleich Russland als Schwellenland eingestuft

wird, ist es die sechstgrößte Volkswirtschaft der

Welt.

— Expert*innen schätzen, dass Russland 20 bis

30 Prozent der weltweiten Rohstoffreserven besitzt.

— Im internationalen Vergleich liegt Russland auf Platz

135 von 180 Staaten, die auf Korruption geprüft

wurden (Korruptionswahrnehmungsindex 2017).

— Die Arbeit von NGOs wird in Russland eingeschränkt.

Seit 2015 ist es der Regierung per Gesetz erlaubt,

NGOs auf „schwarze Listen“ zu setzen. Wer mit

diesen Organisationen zusammenarbeitet, muss mit

hohen Strafen rechnen.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 25

Page 26: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Q U E L L E N U N D R E C H E R C H E

— http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-

fakten/globalisierung/52727/waldbestaende

— https://dgvn.de/inhaltsarchiv/themenschwer-

punkte/waelder-abholzung/

— https://www.greenpeace.de/themen/waelder/

urwaelder-sibiriens

— https://www.researchgate.net/publica-

tion/260552383_Forstpolitik_in_Russland_im_

Rahmen_der_Reformprozesse

— https://www.gfbv.de/de/news/internationaler-

tag-der-indigenen-voelker-9-august-2832/

— http://www.faszination-regenwald.de/info-cen-

ter/zerstoerung/klimawandel.htm

— https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/

schutzgebiete/waldschutz/

— https://de.wikipedia.org/wiki/Russland

— https://www.2030report.de/sites/default/files/

bericht2030/Kapitel_2-18-1_Maraz-Holz.pdf

— http://www.wwf.de/fileadmin/user_upload/PDF/

WWF_Holzimporte_April2008.pdf

— https://www.greenpeace.de/themen/walder/

waldnutzung/der-fsc-siegel-fur-guten-wald-und-

gutes-holz

— https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_

WP_082_2018.pdf

— https://www.moebelindustrie.de/presse/index.

html?NID=2442

— https://www.youtube.com/watch?v=tcxerSyTDNg

V E R E I N F A C H T E W E R T S C H Ö P F U N G S K E T T E H O L Z

Der Forstbetrieb ist der Rohstofflieferant für die weiter-

verarbeitende Industrie. Er ist für den Umfang der Abhol-

zung verantwortlich, für eine nachhaltige Bewirtschaf-

tung und Aufforstung. Die Weiterverarbeitung des

Rohholzes aus den Forstbetrieben findet in Sägewerken

oder in Schälwerken statt. Hier wird das Holz für die Mö-

belindustrie weiterverarbeitet. Ein anderer Teil des Roh-

holzes wird direkt in der Holzwerkstoffindustrie zu Span-

platten o. ä. verarbeitet. Auch solche Produkte werden

wiederum an die Möbelindustrie verkauft, die aus Mas-

sivholz und Holzwerkstoffen Möbel für den Handel her-

stellt. Möbelhäuser bieten die fertigen Produkte in ihren

Filialen oder im Internet an. Am Ende der Wertschöp-

fungskette stehen die Konsument*innen, die das ferti-

ge Produkt kaufen.

B2 Einführung – Verantwortung in globalen Wertschöpfungsketten

Forstbetrieb

Weiterverarbeitung

Möbelindustrie

Handel

Konsument*in

26 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 27: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B2 Fragen zur Konfl ikt- und Fal lanalyse

F R A G E N Z U R K O N F L I K T- U N D F A L L A N A LY S E

Bitte lesen Sie Ihre Rollenkarte und gegebenenfalls auch den Einführungstext noch einmal genau durch und beantworten in Ihrer Gruppe die folgenden Fragen:

1. Wer ist beteiligt?

2. Welche Interessen und Ziele hat Ihr Akteur?

3. Welche Ursachen werden für das Problem oder

den Konflikt genannt?

4. Trägt Ihr Akteur Verantwortung?Wenn ja, wofür?

5. Was könnte Ihr Akteur tun? Welche Veränderungen

könnte er bewirken?

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 27

Page 28: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Die anderen Teilnehmer*innen an der

Expert*innenrunde sind:

— Geschäftsführer*in eines Möbelkonzerns

— Geschäftsführer*in eines Unternehmens der

Holz- und Forstwirtschaft

— Mitglied der NGO „Weltweit Wälder retten“

— Vertreter*in des Staates Russland

F A K T E N Z U I H R E R R O L L E

DAS UN-WALDFORUM: Im Januar 2017 einigten sich

die Mitgliedstaaten des UN-Waldforums (United Nations

Forum on Forests) erstmals auf einen strategischen Plan

für Wälder (United Nations Strategic Plan for Forests).

Die nachhaltige Waldbewirtschaftung ist somit ein von

der gesamten internationalen Staatengemeinschaft an-

erkanntes Ziel und erreicht dadurch einen hohen politi-

schen Status.

Im Jahr 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen

die Agenda 2030. Alle Mitgliedstaaten verpflichten sich

darin, die Umgestaltung zu einer ökologisch verträgli-

chen, sozial gerechten und wirtschaftlich leistungsfähi-

gen Weltgemeinschaft zu unterstützen. Die Agenda um-

fasst 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die

Sustainable Development Goals (SDGs).

Laut dem Ziel Nr. 15 der Agenda 2030 wollen die Mit-

gliedstaaten „terrestrische Ökosysteme bewahren und

wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern,

Wälder nachhaltig bewirtschaften, die Wüstenbildung

bekämpfen, Landdegradation und den Verlust der Arten-

Die weltweite Nachfrage nach Holz als Rohstoff steigt ste-

tig an. Russland verfügt über ein Fünftel der weltweiten

Waldfläche, Forstbetriebe sind ein wesentlicher Wirt-

schaftsfaktor des Landes. Doch durch die teils illegale

Abholzung von Urwäldern verlieren vielerorts

Ureinwohner*innen ihren Lebensraum und ihre Lebens-

grundlage.

Fragestellung: »Wer ist verantwortlich für die Abholzung

der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bitte lesen Sie sich die unten stehenden Fakten

für Ihre Rolle genau durch. Gerne können Sie

kurze, weitergehende Recherchen unternehmen.

2. Sie bekommen kurze Texte über die

Teilnehmer*innen der Expert*innenrunde. Wenn

Sie noch weitere Informationen benötigen,

bitten Sie auch die einzelnen Gruppen, Ihnen

etwas über ihre Rolle mitzuteilen. Verwenden Sie

diese Informationen für Ihre Moderation. Bitte

arbeiten Sie auch mit den untenstehenden Tipps

für die Moderation.

B3 Rollenkarte Moderation UN-Waldforum

B 3 R O L L E N K A R T E N U N D E X P E R T * I N N E N R U N D E

R O L L E N K A R T E M O D E R AT I O N U N - W A L D F O R U M

Sie sind Vertreter*in des Waldforums der Vereinten Nationen.Sie berufen eine Expert*innenrunde mit verschiedenen Akteurenaus der Holz- und Forstwirtschaft sowie der Möbelindustrie ein,

um über die Ursachen und Folgen der Abholzungsibirischer Urwälder zu diskutieren.

28 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 29: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Moderation UN-Waldforum

DIE VEREINTEN NATIONEN (englisch: United Na-

tions, UN) sind ein zwischenstaatliches Bündnis von

193 Mitgliedstaaten. Sie haben sich zur Einhaltung der in

ihrer Charta festgehaltenen Ziele und Prinzipien ver-

pflichtet. Vor dem Hintergrund zweier Weltkriege und

des Scheiterns des Völkerbundes wollten die Unterzeich-

nenden ein Staatenbündnis schaffen, das künftige Kriege

verhindert und Kooperation ermöglichen soll. Dieser Rol-

le wurden die UN im Laufe ihrer Geschichte nicht immer

gerecht. Dennoch sind die UN die erste Organi sation, die

die über 200 Jahre alte Idee eines Staatenbundes wir-

kungsvoll umgesetzt hat. Die zentralen Ziele der UN sind

im ersten Kapitel der Charta aufgelistet:

— Weltfrieden und internationale Sicherheit wahren

— friedliche Schlichtung aller Streitigkeiten

— Verzicht auf Gewaltanwendung

— Gleichheit und nationale Souveränität aller Staaten

achten

— freundschaftliche Zusammenarbeit zur Friedens-

sicherung fördern

— internationale Zusammenarbeit fördern, um

wirtschaftliche, soziale, kulturelle und humanitäre

Probleme zu lösen

— Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten

ungeachtet der Rasse, des Geschlechts, der Sprache

oder der Religion

Alle Mitgliedstaaten, also auch Russland, sind

zugleich Mitglieder des UN-Waldforums.

Q U E L L E N U N D R E C H E R C H E

— http://www.bpb.de/internationales/weltweit/

vereinte-nationen/48577/ziele-und-grundsaetze

— http://www.menschenrechtsabkommen.de/

hoher-kommissar-fuer-menschenrechte-1299/

— https://www.bmel.de/DE/Wald-Fischerei/

Waldpolitik/_texte/UNFF7-Resolution-a.html#1

— https://www.bmel.de/DE/Wald-Fischerei/

Waldpolitik/_texte/2030-Agenda.html

— http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_

agenda/index.html?follow=adword

vielfalt beenden und umkehren“. Auf dieser Basis soll die

globale Waldfläche bis 2030 um drei Prozent vergrößert

werden – das entspricht 120 Millionen Hektar. Zudem

setzen die UN das Ziel, dass alle Wälder weltweit nach-

haltig bewirtschaftet werden. Das UN-Waldforum hat da-

mit eine globale Waldstrategie geschaffen.

Weltweit steigt die Nachfrage nach Holz. Die nachhaltige

Bewirtschaftung der Wälder sollte daher auch im Inter-

esse der Unternehmen sein, um zukünftig über ausrei-

chende Mengen des Rohstoffs verfügen zu können.

DIE GLOBALEN ZIELE FÜR WÄLDER: Das UN-Wald-

forum diskutiert mit seinen Mitgliedstaaten sowie exter-

nen Akteuren wie Unternehmen und NGOs, wie sich die

globalen Ziele für Wälder erreichen lassen. Auf dem Weg

dorthin gibt es zahlreiche Herausforderungen, wie die

immer kürzere Lebensdauer von Möbeln als Folge der

Niedrigpreispolitik; illegale Abholzung als Folge von Kor-

ruption sowie unzureichender Kontrollen; die Vergabe

von Zertifikaten, die sich an Standards orientieren, deren

Kriterien nicht immer gleichgewichtet nach ökologischen,

nachhaltigen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten ge-

staltet werden, sondern oft stark von den Interessen ein-

zelner Akteure geprägt sind.

Die globalen Ziele für Wälder lauten:

— Umkehr des weltweiten Waldverlusts durch nachhal-

tige Waldbewirtschaftung, einschließlich Schutz,

Wiederherstellung, Aufforstung und Wiederauffors-

tung, und erhöhte Bestrebungen, eine Degradation

der Wälder zu verhindern.

— Steigerung des von den Wäldern ausgehenden

ökonomischen, sozialen und ökologischen Nutzens,

unter anderem durch Verbesserung der Lebens-

grundlagen für die Menschen, die vom Wald

abhängig sind.

— Deutliche Vergrößerung der Fläche der geschützten

Wälder weltweit und anderer nachhaltig bewirtschaf-

teter Waldflächen sowie des Anteils von Waldpro-

dukten aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.

— Umkehr des Rückgangs offizieller Entwicklungshilfe

für nachhaltige Waldbewirtschaftung und Mobilisie-

rung deutlich erhöhter, neuer und zusätzlicher

finanzieller Mittel aus allen Bereichen für die

Umsetzung nachhaltiger Waldbewirtschaftung.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 29

Page 30: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Moderation UN-Waldforum

M O D E R AT I O N

BEGRÜSSUNG/EINFÜHRUNG

— Allgemeine Begrüßung der Gäste; kurze Einführung,

Fragestellung der Expert*innenrunde vorstellen.

— Alle Gäste kurz einzeln vorstellen (Infos aus Stich-

punkten aus den Gruppen).

— Zeitplan vorstellen (ca. 20–30 Minuten).

— Einstieg in die Diskussion: ersten Gast mit Frage

konfrontieren und um sein Statement bitten. Dann

freundlich zum nächsten Gast wechseln: Es muss in

der ersten Runde jeder Gast kurz (max. zwei bis drei

Minuten!) Zeit haben, etwas zu sagen. Ist die Runde

abgeschlossen, wird die allgemeine Diskussion

eröffnet: Falls es nicht „von selbst“ weitergeht, den

ersten Gast bitten, auf einen Punkt näher einzuge-

hen (Tipp: dafür Stichpunkte während der Einfüh-

rungsrunde machen).

— Während der Diskussion mindestens ein bis zwei

Mal kurz Zwischenergebnis zusammenfassen und

dann neue Frage stellen.

— Zum Abschluss bitten Sie die Teilnehmenden, dass sie ihren Vorschlag für eine mögliche Lösung des Falls vorstellen sollen. Auch hier

muss jeder Gast kurz zu Wort kommen. Die Vorstel-

lung soll kurz und knapp sein.

GESPRÄCHSREGELN

— Auf allgemeine Diskussionsregeln verweisen!

Nicht einfach unterbrechen; ausreden lassen (falls

Handzeichen gemacht werden, muss die Reihen-

folge notiert werden).

— Erst mal frei sprechen lassen, aber wenn es häufig

Unterbrechungen gibt oder immer nur dieselben

Personen sprechen, dann:

– freundlich einhaken und steuern

– merken, wer sich wann zu Wort meldet und

dann „aufrufen“

– Redezeiten begrenzen

– stillere Teilnehmer*innen ermutigen und mit

gezielter Frage wieder in Diskussion einbinden

– auch mal jemanden bitten, sich kurz zu fassen.

30 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 31: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte NGO (Nichtregierungsorganisation)

Die anderen Teilnehmer*innen an der

Expert*innenrunde sind:

— Geschäftsführer*in eines Möbelkonzerns

— Geschäftsführer*in eines Unternehmens der

Holz- und Forstwirtschaft

— Vertreter*in des Staates Russland

F A K T E N Z U I H R E R R O L L E

— Die NGO „Weltweit Wälder retten“, für die Sie tätig

sind, ist seit Ende der 1990er-Jahre Mitglied eines

Gremiums, das Standards für die Zertifizierung von

Holz aus russischen Urwäldern erarbeitet. Dabei

arbeiten Sie eng mit der indigenen Bevölkerung, der

russischen Waldwirtschaft und der Möbel industrie

zusammen. Das zertifizierte Holz soll bestimmte

ökologische und soziale Anforderungen erfüllen,

also zum Beispiel aus nachhaltig bewirtschafteten

Wäldern stammen und unter Bedingungen geerntet

worden sein, die Menschenrechte und bestimmte

Arbeitsrechte nicht verletzen.

— Ihre Organisation steht in einem Konflikt, da sie auf

der einen Seite mit der Holzindustrie zusammen-

arbeitet und sich auf der anderen Seite für die

Rechte der indigenen Bevölkerung und den Schutz

der Wälder einsetzt. Auf die massive Kritik an ihrer

Arbeit im Zertifizierungs-Gremium reagiert sie mit

folgendem Statement: „Der nationale russische

Zertifizierungsstandard sieht vor, dass Kahlschläge,

wie sie traditionell üblich sind, nicht im Konflikt mit

dem Zertifikat stehen. Diese Regelung mag ökolo-

gisch vielleicht fragwürdig sein, ist aber der Konsens

der Verhandlungen mit den anderen Mitgliedern des

Gremiums und wird somit von uns mitgetragen.“

Die weltweite Nachfrage nach Holz als Rohstoff steigt ste-

tig an. Russland verfügt über ein Fünftel der weltweiten

Waldfläche, Forstbetriebe sind ein wesentlicher Wirt-

schaftsfaktor des Landes. Doch durch die teils illegale

Abholzung von Urwäldern verlieren vielerorts

Ureinwohner*innen ihren Lebensraum und ihre Lebens-

grundlage.

Fragestellung: »Wer ist verantwortlich für die Abholzung

der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bitte lesen Sie sich die unten stehenden Fakten

für Ihre Rolle genau durch. Gerne können Sie auch

kurze, weitergehende Recherchen unternehmen.

2. Bearbeiten Sie die Tabelle B2 mit Hilfe Ihrer

Rollenkarte und mit dem Einleitungstext B1.

3. Bereiten Sie sich mit Argumenten für die

anschließende Expert*innenrunde vor.

4. Notieren Sie sich einen denkbaren Lösungsvor-

schlag für das Problem der Abholzung sibiri-

schen Urwalds und die Zerstörung von Lebens-

räumen der Ureinwohner*innen, der aus Ihrer

Rolle heraus sinnvoll und machbar wäre.

R O L L E N K A R T E N G O ( N I C H T R E G I E R U N G S O R G A N I S AT I O N )

Sie sind Mitglied der NGO „Weltweit Wälder retten“. Ihre Organisationtritt für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein,

gibt ihr eine Stimme und versucht Lösungen zu finden,um das Überleben dieser Völker zu sichern.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 31

Page 32: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte NGO (Nichtregierungsorganisation)

— Während andere NGOs aufgrund der Kritik bereits

ausgetreten sind, will Ihre Organisation weiter in

dem Gremium mitarbeiten und sich dort dafür

einsetzen, Verbesserungen an den Standards zu

erzielen. „Weltweit Wälder retten“ ist auch mit

Vertreter*innen in Sibirien vor Ort, um mit Unter-

stützung westlicher Regierungen Waldflächen zu

pachten, die ausschließlich der indigenen Bevölke-

rung zur Verfügung stehen sollen. Sie helfen den

Einheimischen, ihre Waldflächen vor illegaler

Abholzung zu schützen, indem Sie zusammen mit

Ihren Partnern Kontrolleur*innen einsetzen und

Aufklärungsarbeit leisten.

— Um den Menschen vor Ort auch nach dem Auslau-

fen der Förderprogramme die Finanzierung der

Pacht zu ermöglichen, planen Sie derzeit verschiede-

ne Projekte. So arbeiten Sie mit einer russischen

Universität zusammen, um das Kohlenstoffspeicher-

volumen der gepachteten Waldflächen zu ermitteln

und anschließend zum Beispiel über den Verkauf

von CO2-Zertifikaten23 Einnahmen zu generieren. In

den kommenden Jahren wollen Sie außerdem den

Ökotourismus ausbauen und so Erlöse für die

Begleichung der Pacht erzielen.

— Ihre Organisation kritisiert die Gesetzgebung der

russischen Regierung, die durch die Privatisierung

der Waldflächen die Zerstörung der Lebensräume

der Menschen mit zu verantworten hat. Sie berufen

sich dabei auf den strategischen Plan des UN-Wald-

forums, in dem sich die 197 Mitgliedstaaten dafür

ausgesprochen haben, nachhaltige Waldbewirt-

schaftung zu fördern und die Menschen, die vom

Wald abhängig sind, zu schützen.

— Im Artikel 69 der russischen Verfassung heißt es:

„Die Russländische Föderation garantiert die Rechte

der kleinen Urvölker in Übereinstimmung mit den

allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des

Völkerrechts und den völkerrechtlichen Verträgen

der Russländischen Föderation.“ Nach Ansicht Ihrer

Organisation lässt sich dieser Artikel kaum mit dem

Raubbau in Sibirien vereinbaren.

K R I T I K A N I H R E R O R G A N I S AT I O N

— Ihnen wird zuweilen vorgeworfen, zu eng mit

Konzernen und dem russischen Staat zusammenzu-

arbeiten, die gleichzeitig an der Finanzierung des

Nachhaltigkeitsstandards beteiligt sind.

— Verschiedentlich werden Sie auch dafür kritisiert,

durch die Mitarbeit in dem Gremium einen zu

schwachen Nachhaltigkeitsstandard zu unterstützen,

statt für strengere Kriterien einzutreten.

Q U E L L E N U N D R E C H E R C H E

— https://www.youtube.com/watch?v=lYNp5KluHr4

— http://www.bpb.de/internationales/europa/

russland/analysen/138758/analyse-fsc-wald-

zertifizierung-in-russland?p=all

— https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/

verantwortungsvollere-waldnutzung/fsc-was- ist-

das/studie-waldzertifizierung-nach-fsc-in-nord-

westrussland/

— https://www.greenpeace.de/themen/waelder/

maengelexemplar-qualitaetssiegel

— https://de.wikipedia.org/wiki/Indigene_kleine_

Völker_des_russischen_Nordens

— http://www.constitution.ru/de/part3.htm

23 Ein CO2-Zertifikat entspricht der Einsparung von einer Tonne CO2 durch ein Klimaschutzprojekt. Das Kyoto-Abkommen ermöglicht, durch Erwerb und Stilllegung eines solchen Zertifikates eine Tonne CO2 auszugleichen, die an anderer Stelle emittiert wird (Quelle: https://www.arktik.de/CO2-ausgleich/CO2-zertifikate).

32 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 33: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Die anderen Teilnehmer*innen an der

Expert*innenrunde sind:

— Geschäftsführer*in eines Möbelkonzerns

— Geschäftsführer*in eines Unternehmens der

Holz- und Forstwirtschaft

— Mitglied der NGO „Weltweit Wälder retten“

F A K T E N Z U I H R E R R O L L E

— Als Abgeordnete*r der Duma24 gehören Sie zu den

Mitinitiator*innen des russischen Wald-Kodex (siehe

Einleitungstext).

— Russlands Wirtschaft basiert zum größten Teil auf

Exporten von Rohstoffen. Dabei ist der russische

Staat meist an Firmen beteiligt, die Exportgeschäfte

betreiben. Mit dem neuen Wald-Kodex möchte die

Regierung den Anteil der Exporte der russischen

Forstindustrie erhöhen. Russlands Waldbestände

erstrecken sich über einen großen Teil des Landes,

jedoch werden sie wirtschaftlich noch kaum genutzt.

Um dies zu ändern, können seit der Verabschiedung

des Wald-Kodex ausländische und inländische

Firmen russische Wälder pachten und bewirtschaf-

ten. Davon erhofft sich der russische Staat hohe

Einnahmen.

— Damit das Holz aber nicht in großen Mengen einfach

nur exportiert und im Ausland weiterverarbeitet

wird, erhebt der Staat hohe Ausfuhrzölle auf

unbearbeitetes Rundholz. Der erhobene Exportzoll

ist in etwa so hoch wie der Einkaufswert. Die

Ausfuhrzölle für Rundholz werden allerdings

umgangen, indem das Holz schon dann als bearbei-

tet gilt, wenn es lediglich geschält wurde. So kann

Die weltweite Nachfrage nach Holz als Rohstoff steigt ste-

tig an. Russland verfügt über ein Fünftel der weltweiten

Waldfläche, Forstbetriebe sind ein wesentlicher Wirt-

schaftsfaktor des Landes. Doch durch die teils illegale

Abholzung von Urwäldern verlieren vielerorts

Ureinwohner*innen ihren Lebensraum und ihre Lebens-

grundlage.

Fragestellung: »Wer ist verantwortlich für die Abholzung

der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bitte lesen Sie sich die unten stehenden Fakten

für Ihre Rolle genau durch. Gerne können Sie auch

kurze, weitergehende Recherchen unternehmen.

2. Bearbeiten Sie die Tabelle B2 mit Hilfe Ihrer

Rollenkarte und mit dem Einleitungstext B1.

3. Bereiten Sie sich mit Argumenten für die

anschließende Expert*innenrunde vor.

4. Notieren Sie sich einen denkbaren Lösungsvor-

schlag für das Problem der Abholzung sibiri-

schen Urwalds und die Zerstörung von Lebens-

räumen der Ureinwohner*innen, der aus Ihrer

Rolle heraus sinnvoll und machbar wäre.

B3 Rollenkarte Staat Russland

R O L L E N K A R T E S TA AT R U S S L A N D

Sie vertreten den russischen Staat in Ihrer Funktion alsVorsitzende*r des Duma-Komitees für Rohstoffe,

Natur und Umweltschutz.

24 Die Duma ist das Unterhaus, die direkt vom Volk gewählte 2. Parlamentskammer der Föderationsversammlung von Russland. Das Wort Duma (dt.: Gedanke) leitet sich vom altslawischen und russischen dumat’ (dt.: nachdenken) her und bezeichnet generell eine beratende Versammlung oder Körperschaft, z. B. einen Stadtrat, aber auch deren Versammlungshaus (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Duma).

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 33

Page 34: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Staat Russland

das Holz zu günstigen Preisen ins Ausland transpor-

tiert werden, auch ohne dass es in Russland

weiterverarbeitet wurde.

— Russland hat zudem ein Förderprogramm ins Leben

gerufen. Es wurden knapp 30 Milliarden Euro zur

Verfügung gestellt, um die heimische Holz- und

Möbelindustrie zu unterstützen. Die Binnennachfra-

ge auf dem russischen Markt bleibt jedoch verhal-

ten, trotz der Förderung. Deshalb hat das Industrie-

ministerium an einige Firmen Quoten zum Export

von Holz vergeben. Diese Quoten sind begehrt und

bergen somit die Gefahr der Korruption.

— Die russische Forstwirtschaft hat in den vergange-

nen Jahren massive Einsparungen beim Personal in

der Forstwirtschaft betrieben. So gestaltet sich die

Aufforstung der Wälder und damit eine nachhaltige

Entwicklung schwierig. Die ausländischen Pächter

sind zwar zur Aufforstung angehalten, es fehlt

jedoch an Kontrollen, um die Einhaltung der Regeln

sicherzustellen.

K R I T I K A M R U S S I S C H E N S TA AT

— Als Folge von Einsparungen gibt es kaum noch

Kontrolleure, die den illegalen Holzeinschlag

verhindern können.

— Das russische System aus Regulierung und Kontrolle

ist so lückenhaft, dass internationale Forstbetriebe

viel Holz ins Ausland transferieren können.

— Seitens des Staates werden zu wenige Maßnahmen

ergriffen, um die im Land verbreitete Korruption

einzudämmen.

Q U E L L E N U N D R E C H E R C H E

— https://eia-international.org/our-work/forests/

— https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/

Maerkte/suche,t=russische-holzverarbeiter-

investieren-ueber-13-milliarden-euro-in-neue-

anlagen,did=1799570.html

— https://de.wikipedia.org/wiki/Natalja_Wladimi-

rowna_Komarowa

— https://www.dw.com/de/russischer-wirtschaft-

fehlen-reformen/av-43680050

— https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/

dn053483.pdf

— https://www.researchgate.net/publica-

tion/260552383_Forstpolitik_in_Russland_im_

Rahmen_der_Reformprozesse

— http://www.bpb.de/internationales/europa/

russland/analysen/138758/analyse-fsc-wald-

zertifizierung-in-russland?p=all

34 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 35: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Möbelkonzern

Die weltweite Nachfrage nach Holz als Rohstoff steigt ste-

tig an. Russland verfügt über ein Fünftel der weltweiten

Waldfläche, Forstbetriebe sind ein wesentlicher Wirt-

schaftsfaktor des Landes. Doch durch die teils illegale

Abholzung von Urwäldern verlieren vielerorts

Ureinwohner*innen ihren Lebensraum und ihre Lebens-

grundlage.

Fragestellung: »Wer ist verantwortlich für die Abholzung

der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bitte lesen Sie sich die unten stehenden Fakten

für Ihre Rolle genau durch. Gerne können Sie auch

kurze, weitergehende Recherchen unternehmen.

2. Bearbeiten Sie die Tabelle B2 mit Hilfe Ihrer

Rollenkarte und mit dem Einleitungstext B1.

3. Bereiten Sie sich mit Argumenten für die

anschließende Expert*innenrunde vor.

4. Notieren Sie sich einen denkbaren Lösungsvor-

schlag für das Problem der Abholzung sibiri-

schen Urwalds und die Zerstörung von Lebens-

räumen der Ureinwohner*innen, der aus Ihrer

Rolle heraus sinnvoll und machbar wäre.

R O L L E N K A R T E M Ö B E L K O N Z E R N

Sie sind Geschäftsführer*in eines international tätigen Konzerns.In Ihren Möbelhäusern bieten Sie Einrichtungsgegenstände

zu günstigen Preisen an. Das Credo des Unternehmens lautet:„Designermöbel, die sich jeder leisten kann.“

Die anderen Teilnehmer*innen an der

Expert*innenrunde sind:

— Geschäftsführer*in eines Unternehmens der

Holz- und Forstwirtschaft

— Mitglied der NGO „Weltweit Wälder retten“

— Vertreter*in des Staates Russland

F A K T E N Z U I H R E R R O L L E

— Die gesamte Möbelindustrie erzielte 2017 in

Deutschland einen Umsatz von knapp 18 Milliarden

Euro. Als Marktführer kam ihr Unternehmen

allein in Deutschland auf 5 und weltweit auf 30 Milli-

arden Euro Umsatz. Sie beschäftigen

120.000 Mitarbeiter*innen und unterhalten 320 Fili-

alen in 25 Ländern.

— Sie möchten vielen Menschen die Möglichkeit geben,

ihr Zuhause individuell einzurichten. Daher arbeiten

Sie ständig daran, Ihre Produkte zu niedrigen

Preisen anbieten zu können.

— Um weiter wachsen zu können, setzt Ihr Unterneh-

men auf steigende Konsumraten, also darauf, dass

die Menschen künftig einen größeren Teil ihres

Einkommens für Möbel ausgeben.

— Die Produktion Ihrer Möbel findet weltweit statt.

Zudem pachten eigene Tochterunternehmen

Waldflächen, um dort Holz zu ernten. Dies ist im

Norden Russlands besonders attraktiv, weil die

Regierung Waldgebiete für mehrere Jahrzehnte an

private Unternehmen verpachtet.

— Trotz negativer Berichterstattung über Kahlschläge

sind Ihr Unternehmen sowie seine Tochterfirmen für

nachhaltige Forstwirtschaft und die Nutzung

entsprechender Rohstoffe zertifiziert. Sie halten sich

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 35

Page 36: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Möbelkonzern

— Als Mitglied und Geldgeber im Gremium zur

Festlegung des Nachhaltigkeits-Standards wird

Ihrem Unternehmen oftmals vorgeworfen, sich mehr

im Sinne Ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen

einzusetzen und weniger für eine nachhaltige

Forst- und Holzwirtschaft sowie die Rechte der

indigenen Völker.

— Ihr Unternehmen wirbt damit, dass sich Kund*innen

immer nach neuesten Trends einrichten sollten, und

ermöglicht durch niedrige Preise die Erfüllung von

Konsumwünschen. Mit diesem Geschäftsmodell,

sagen Ihre Kritiker*innen, trage der Konzern zur Ver-

kürzung der Lebensdauer von Produkten bei. Möbel

würden somit zu Wegwerfartikeln.

Q U E L L E N U N D R E C H E R C H E

— https://www.nachhaltigkeitspreis.de/wettbewer-

be/unternehmen/preistraeger- unterneh-

men/2017/ikea-deutschland-gmbh-co-kg/

— https://www.youtube.com/watch?v=bQlASv_gq3s

— https://www.fsc-deutschland.de/de-de/wald-

wahrheiten/wie-werden-fsc-wlder-in-ihrem-land-

bewirtschaftet/fsc-aus-den-lndern/russland-

karelien

— http://www.bpb.de/internationales/europa/

russland/analysen/138758/analyse-fsc-wald-

zertifizierung-in-russland?p=all

— https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/

notizbuch/ueber-den-moebelkonsum-in-der-

westlichen-gesellschaft-100.html

streng an die nationalen Standards in Russland.

Kahlschläge gehören dort in einem bestimmten

Umfang zur üblichen Bewirtschaftung. 30 Prozent

des vom Unternehmen bewirtschafteten Waldes

sind gesetzlich gegen Kahlschläge geschützt.

— Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle im Konzern,

denn die Möbelproduktion ist sehr ressourceninten-

siv. Sie sind Mitglied eines Gremiums, das die

Standards für den Erwerb von Nachhaltigkeits-Zerti-

fikaten festlegt, und arbeiten dort eng mit NGOs

zusammen. Sie setzen sich für die nachhaltige

Bewirtschaftung von Wäldern ein und fordern den

Erhalt schützenswerter Urwälder und damit auch

den Schutz des Lebensraums indigener Völker. Um

illegal geschlagenes Holz in Ihrer Lieferkette zu

vermeiden, beauftragen Sie Kontrolleur*innen, die

Herkunft zugekauften Holzes zu überprüfen.

— Ihr Unternehmen wurde 2018 für den Sonderpreis

„Ressourceneffizienz“ der Stiftung Deutscher

Nachhaltigkeitspreis25 in die Top drei gewählt – unter

anderem weil Sie in Ihren Kaufhäusern auf erneuer-

bare Energien setzen, Abfälle möglichst vollständig

recyclen und Produkte aus recycelten Materialien

herstellen.

K R I T I K A M M Ö B E L K O N Z E R N

— Trotz Nachhaltigkeits-Zertifikats werden für Ihre

Möbel im Norden Sibiriens großflächig Waldgebiete

abgeholzt. Zwar handelt Ihr Unternehmen nach dem

nationalen Zertifizierungsstandard, aber großflächi-

ge Kahlschläge können nach Ansicht vieler NGOs

letztlich nicht für eine nachhaltige Forstwirtschaft

stehen.

25 Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis zeichnet – laut Eigendarstellung – jedes Jahr kreative Lösungen für die Herausforderungen von morgen aus: „Europas größte Auszeichnung für ökologisches und soziales Engagement würdigt Spitzenleistungen der Nachhaltigkeit – in so unterschiedlichen Kategorien wie Wirtschaft, Forschung, Architektur und Kommunen. Mit dem Preis fördert die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e. V. gemeinsam mit der Bundes-regierung und weiteren Partnern mutige Akteure und Ideen mit Vorbildfunktion.“ (Quelle: https://www.nachhaltigkeitspreis.de/ueber-uns/).

36 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 37: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Unternehmen der Holz- und Forstwirtschaft

Die anderen Teilnehmer*innen an der

Expert*innenrunde sind:

— Geschäftsführer*in eines Möbelkonzerns

— Mitglied der NGO „Weltweit Wälder retten“

— Vertreter*in des Staates Russland

F A K T E N Z U I H R E R R O L L E

— Das Familienunternehmen hat seinen Stammsitz in

Deutschland und beschäftigt insgesamt ungefähr

3000 Mitarbeiter*innen weltweit. Seit Anfang der

1990er-Jahre ist das Unternehmen in der Branche

tätig und wächst kontinuierlich. Die gefertigten

Produkte finden ihre Abnehmer in der Möbelindust-

rie, im Holzfachhandel sowie in Baumärkten.

— Das Unternehmen hat kürzlich einen großen

russischen Holz- und Forstwirtschaftsbetrieb

übernommen. Durch die Fusion stehen Ihnen nun

rund 100.000 Hektar gepachtete Waldfläche zur

Rohstoffgewinnung im Norden Sibiriens zur Verfü-

gung. Als zertifiziertes Unternehmen halten Sie sich

streng an die vorgegebenen nationalen Standards

zur Abholzung.

— Durch die Fusion sichern Sie rund 500 Arbeitsplätze

vor Ort und ermöglichen durch Ihr Kapital dringend

notwendige Investitionen.

— Russlands Forstwirtschaft hat für die Zukunft sehr

gute Prognosen als Wachstumsmarkt, so dass Ihr

Unternehmen mit guten Geschäften in den kom-

menden Jahren rechnet.

— Der russische Staat hat der Fusion auch deshalb

zugestimmt, weil er an der Produktion für den

heimsichen Markt interesiert ist. Allerdings stellt sich

Die weltweite Nachfrage nach Holz als Rohstoff steigt ste-

tig an. Russland verfügt über ein Fünftel der weltweiten

Waldfläche, Forstbetriebe sind ein wesentlicher Wirt-

schaftsfaktor des Landes. Doch durch die teils illegale

Abholzung von Urwäldern verlieren vielerorts

Ureinwohner*innen ihren Lebensraum und ihre Lebens-

grundlage.

Fragestellung: »Wer ist verantwortlich für die Abholzung

der Urwälder und damit die Zerstörung des Lebensraums sibirischer Ureinwohnerinnen

und Ureinwohner?«

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bitte lesen Sie sich die unten stehenden Fakten

für Ihre Rolle genau durch. Gerne können Sie auch

kurze, weitergehende Recherchen unternehmen.

2. Bearbeiten Sie die Tabelle B2 mit Hilfe Ihrer

Rollenkarte und mit dem Einleitungstext B1.

3. Bereiten Sie sich mit Argumenten für die

anschließende Expert*innenrunde vor.

4. Notieren Sie sich einen denkbaren Lösungsvor-

schlag für das Problem der Abholzung sibiri-

schen Urwalds und die Zerstörung von Lebens-

räumen der Ureinwohner*innen, der aus Ihrer

Rolle heraus sinnvoll und machbar wäre.

R O L L E N K A R T E H O L Z - U N D F O R S T W I R T S C H A F T

Sie sind Geschäftsführer*in eines Unternehmens in derHolz- und Forstwirtschaft. Für Ihren Arbeitgeber suchen Sie weltweit

nach neuen Märkten und Investitionsmöglichkeiten.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 37

Page 38: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Rollenkarte Unternehmen der Holz- und Forstwirtschaft

Q U E L L E N U N D R E C H E R C H E

— https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/

Maerkte/suche,t=russische-holzverarbeiter-

investieren-ueber-13-milliarden-euro-in-neue-

anlagen,did=1799570.html

— https://www.nzz.ch/articleEN6DG-1.74287

— https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/

Maerkte/suche,t=so-importieren-deutsche-fir-

men-russisches-rundholz,did=1464838.html

der Absatz durch die geringe Binnenmarktnachfrage

in Russland als schwierig dar. Sie nutzen deshalb die

Möglichkeit, geschlagenes Rundholz als bearbeitetes

Holz zu deklarieren, um es dann unter Wegfall der

hohen Ausfuhrzölle günstig nach Deutschland zu

exportieren.

— Das Problem der illegalen Abholzung ist Ihnen

bekannt und ist auch für Ihren Forstbetrieb relevant.

Sie kritisieren, dass der Staat zu wenig unternehme,

um der illegalen Abholzung entgegenzuwirken. Als

Folge von Einsparmaßnahmen gebe es nicht

ausreichend Personal, um Kontrollen durchzufüh-

ren. Daher entstehe Unternehmen, die sich an die

Regeln hielten, gegenüber Wettbewerbern ein

Nachteil. Auch seien behördliche Abläufe sehr

langwierig, um beispielsweise legal an Quoten für

die Ausfuhr von Holz zu kommen. Korruption

scheine hier oft der einzige Weg, um erfolgreich zu

sein.

— Da Ihr Unternehmen nun schon einige Zeit in

Russland tätig ist, fällt immer öfter auf, dass zwar die

meisten anderen Unternehmen vor Ort auch

zertifiziert sind, diese sich jedoch aus Ihrer Sicht

nicht konsequent an die vereinbarten Standards

halten. Sie fordern deshalb das Zertifizierungsgremi-

um und den Staat auf, bessere Kontrollen einzufüh-

ren und die Korruption zu bekämpfen.

K R I T I K A M U N T E R N E H M E N

— NGOs kritisieren, Ihr Unternehmen trage dazu bei,

dass der Urwald als günstiger Rohstofflieferant

ausgenutzt werde.

— Statt die heimische russische Wirtschaft zu unter-

stützen, werden die Betriebe im Ausland für die

Weiterverarbeitung beliefert.

— Immer wieder wird behauptet, Ihr Unternehmen

beteilige sich an korrupten Geschäften um die

Vergabe von Quoten für den Export von Holz aus

Russland.

38 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 39: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B3 Beobachter*in während der Expertenrunde

B E O B A C H T E R * I N W Ä H R E N D D E R E X P E R T E N R U N D E

Bitte wählen Sie eine*n Teilnehmer*in aus, die*der in-

nerhalb Ihrer Akteursgruppe ebenfalls den Einführungs-

text und die Rollenkarte liest, sich aber danach nicht auf

die aktive Diskussion in der Expertenrunde vorbereitet,

sondern die wichtigsten Argumente ihres*seines Akteurs

während der Diskussion mitschreibt. Die Argumente sol-

len anschließend analysiert werden und werden dafür in

die Kopie B2 Haus/Reflexionstabelle eingetragen.

A B L A U F W Ä H R E N D U N D N A C H D E R E X P E R T * I N N E N R U N D E

1. Bitte nehmen Sie die Kopie des Reflexionshauses

und lesen Sie sich den Text gut durch. Klären Sie

eventuelle Fragen mit der Kursleitung.

2. Nehmen Sie sich einen kleinen Stapel Moderati-

onskarten und einen Flipchart-Marker.

3. Wenn die Expert*innenrunde beginnt, notieren

Sie bitte in Stichworten die Hauptargumente der

Vertreter*innen Ihrer Akteursgruppe. Wiederho-

lungen müssen nicht mitgeschrieben werden!

Wählen Sie für sich die drei wichtigsten Argu-

mente aus.

4. Wenn die Expert*innenrunde beendet ist,

werden Sie im Plenum gemeinsam mit den

anderen Beobachter*innen die gesammelten

Argumente vorstellen und in das Reflexionshaus

an der Metaplanwand pinnen.

5. Das Plenum ist beteiligt – es kann diskutiert

werden.

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 39

Page 40: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

Reflexionshaus

R E F L E X I O N S H A U S

ZU A: DIE ENTSCHEIDUNG/HANDLUNG

BERÜCKSICHTIGT NUR MICH ALS PERSON.

— Ich habe einen Nachteil zu erwarten,

wenn ich anders entscheide.

— Mein Arbeitsplatz/meine Wohnung etc. ist in Gefahr.

— Meine Familie ist direkt betroffen.

ZU B: DIE ENTSCHEIDUNG/HANDLUNG

ERFÜLLT NORMEN UND REGELN, DIE

DIE UMWELT/ROLLE/SITUATION VON MIR

ERFORDERT/ERWARTET.

— Ich handle so, wie es meine Rolle erfordert.

— Ich handle so, wie ich es auch von anderen

in meiner Gemeinschaft erwarten würde.

ZU C: ICH ENTSCHEIDE/HANDLE SO, WEIL

ES SICH UM EINE UNIVERSELLE, FÜR ALLE

MENSCHEN IMMER GÜLTIGE REGEL HANDELT.

(KANT)

— Die Würde des Menschen erfordert genau dieses

Handeln. (Menschenrechte)

40 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 41: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

2. BEREICH WIRTSCHAFT

2.1 Unternehmen — Risikomanagement, d. h. Reaktionen der Unterneh-

men auf Skandale oder Kritik (Reputation/Image).

— Unternehmerische Sozialverantwortung (Corporate

Social Responsibility), umschreibt den freiwilligen

Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen

Entwicklung, die über die gesetzlichen Forderungen

(Compliance) hinausgeht.

2.2 Standardgebende Organisationen (Zertifizierer etc. …)

— Zertifizierung zum Nachweis der Einhaltung von

Umwelt- und Sozialstandards, z. B. Zertifizierung von

nachhaltig erzeugtem Kakao.

2.3 Handelsabkommen — Abkommen zwischen Staaten, die den Handel

regeln, z. B. Freihandelszonen, Zollunion oder

multilaterale Handelsabkommen (GATT).

3. BEREICH GESELLSCHAFT

3.1 NGOs (Nichtregierungsorganisationen) — Sie vereinen Interessen für ein spezielles Thema

(z. B. bessere Löhne für Kakaobäuerinnen und

-bauern) und versuchen durch Druck, Kampagnen

oder Kooperationen (auch mit Unternehmen) ihre

Ziele zu erreichen.

3.2 Bürgerinnen und Bürger — Als Konsument*in.

— Als Arbeitnehmer*in, als Unternehmer*in,

als Aktionär*in.

B 4 L Ö S U N G S A N S Ä T Z E U N D H E B E L D E R V E R Ä N D E R U N G

Jeder Bereich beinhaltet verschiedene Akteure, die in

ihrem Handeln aufeinander einwirken. Deshalb über-

schneiden sich die Bereiche und sind nicht voneinander

getrennt zu betrachten. Beispielsweise können Nicht-

regierungsorganisationen mit Unternehmen und/oder

Politik zusammenarbeiten, indem sie Verträge oder

Abkommen schließen.

1. BEREICH POLITIK

1.1 Globale über- bzw. zwischenstaatliche Akteure — UN: hat meist eine empfehlende bis mahnende Rolle.

— Organisationen wie die OECD oder WTO: Sie regeln

im Wesentlichen die wirtschaftliche Beziehungen

ihrer Mitglieder (Welthandel).

1.2 Staatlicher Verbund EU — Ein über die wirtschaftlichen Beziehungen hinaus-

gehender Verbund von Staaten.

1.3 Nationale Rahmenbedingungen — Darunter fallen vor allem gesetzliche Rahmenbedin-

gungen (z. B. das deutsche Grundgesetz). Darüber

hinaus gibt es politische Steuerungsmechanismen,

z. B. Schwerpunkte und Ziele setzen, Arbeitskreise

bilden, Kooperationen mit Wissenschaft, Wirtschaft

etc. eingehen.

B4 Hebel der Veränderung in drei Bereichen

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 41

Page 42: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

B4 Hebel der Veränderung in drei Bereichen

A R B E I T S A U F T R A G

1. Bilden Sie Kleingruppen von vier bis fünf Perso-

nen und ordnen Sie sich einem Hebel der

Veränderung (Text- oder Filmmaterial) zu.

2. Bereiten Sie die Informationen so auf, dass sie

an einer Wandzeitung veröffentlicht werden und

vor der restlichen Gruppe verständlich vorge-

stellt werden können.

A R B E I T S A U F T R A G R U N D E R T I S C H

1. Nachdem eine Gruppe ihren Hebel der Verände-

rung vorgestellt hat, diskutieren Sie bitte

folgende Frage: Welche Konsequenzen hat

dieser Hebel für die beteiligten Akteure?

2. Wenn alle Gruppen vorgestellt haben, verglei-

chen Sie die vorgestellten Hebel mit Ihren

eigenen Lösungsvorschlägen aus der

Expert*innenrunde. Welche Gemeinsamkeiten/

Unterschiede gibt es?

3. Abschließend diskutieren Sie bitte folgende

Frage: Warum gestaltet sich die Umsetzung der

Hebel der Veränderung schwierig?

42 V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft

Page 43: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was

F A Z I T – A U S B L I C K

1. FREIWILLIGE ABKOMMEN haben kaum Sanktionen oder gelten als zu

schwach, da sie häufig in ähnlicher Form bereits in der nationalen Rechtspre-

chung verankert sind. Beispiele:

— ILO-Kernarbeitsnormen der UN

— UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von John Ruggie

— UN Global Compact

2. NATIONALE REGIERUNGEN haben zwar umfangreiche rechtliche Rah-

menbedingungen, doch häufig mangelt es an der Fähigkeit oder dem Willen,

diese umzusetzen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig, z. B. Überlastung des

Justizsystems, Armut, Bürgerkriege oder Korruption.

3. UNTERNEHMEN befinden sich im Zwiespalt zwischen ihren eigenen Rege-

lungen (CSR) oder z. B. einer Verpflichtung des Global Compact und den gesetz-

lichen Rahmenbedingungen in den Produktionsländern. Lange und komplexe

Wertschöpfungsketten können Kontrollen und Veränderungen für Unterneh-

men schwierig und langwierig machen.

4. DIE MACHT- UND INTERESSENVERTEILUNGEN zwischen den betei-

ligten Akteuren können sehr unterschiedlich gelagert sein und Prozesse stark

beeinflussen oder sogar ganz behindern.

B4 Hebel der Veränderung in drei Bereichen

V I E W ! Verantwortung in Wirtschaft 43

Page 44: MODUL B: WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG? · rundgangs werden die aufgeführten Fragen im Plenum besprochen: „Welche Eindrücke hat der Museumsgang bei euch hinterlassen?“ „Was