move simep2 2014

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www.move-magazin.eu Berlin, Montag, 01. Dezember 2014 SIMEP 2 Spezial » GEMEINSAMES EUROPA HEISST GEMEINSAME VERANTWORTUNG. « Z u Beginn der SIMEP treffe ich den 19-jährigen Schüler Agyman Amoore, um ihn einen Tag lang zu be- gleiten. Er erzählt mir, er sei froh darü- ber, in der Partei seiner Wahl gelandet zu sein. Von Lena Skrotzki. Heute ist er für uns der Abge- ordnete Agyman, Italiener und Teil der linken/sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments, der KVEL/NGL. Sein politischer Fokus in der EU liegt auf der Asylpolitik. Nach der Eröffnung der SIMEP steht für ihn, und damit auch mich, die ihn heute begleitet, die Beratung in den Ländergruppen an. Hier wird vor allem über die ersten Assoziati- onen und Vorkenntnisse über die jeweiligen Länder gesprochen. Als es politisch wird, ist Agyman sofort zur Stelle und scheut nicht, seine Ideen mit seinen italienischen Landsfrauen und Landsmännern zu teilen. Kurzer Flashback: Oktober 2013. Vor der Insel Lampedusa ster- ben hunderte Menschen auf ihrer Flucht nach Europa. Und das ist nur eines vieler Unglücke dieser Art im Das ganze Portrait auf Seite 3. Festliche Eröffnung der SIMEP 2014 (Foto: Nick Jaussi & Benjamin Richter) Alles Bio, oder was? B io-Kaffee in der Mensa, Öko-Karot- ten auf dem Wochenmarkt – und selbst Bio-Fertigpizza im Kaiser‘s ne- benan. Überall wo man hinschaut, sieht man sie, die grünen Lebensmittel. Doch was steht hinter dem Aufstieg dieses sehr jungen landwirtschaftlichen Sek- tors und wie fand er seine Verbreitung in Europa? Weiter gehts auf Seite 13. „Ich bin überzeugte Europäerin!“ F all des Eisernen Vorhangs, plötzli- cher beschleunigter Integrations- prozess in Europa, Restaurierung des EU Binnenmarktes – dies sind nur ei- nige Punkte, die Ursula Braun-Moser in ihrer neunjährigen Karriere im Eu- ropäischen Parlament erlebt hat. Das ganze Interview auf Seite 8. „Die EU ist kein Kindergeburtstag.“ Z um wiederholten Mal nahm sich Rainer Wieland am ersten Advent Zeit, die SIMEP zu besuchen. Er enga- giert sich für ein starkes Europa und hofft auf verstärktes Interesse junger Menschen, die die Zukunft aktiv mit- gestalten wollen. Das ganze Interview auf Seite 6.

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Page 1: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu Berlin, Montag, 01. Dezember 2014 SIMEP2 Spezial

»Gemeinsames europa heisstGemeinsame VerantwortunG.«Z u Beginn der SIMEP treffe ich

den 19-jährigen Schüler Agyman Amoore, um ihn einen Tag lang zu be-gleiten. Er erzählt mir, er sei froh darü-ber, in der Partei seiner Wahl gelandet zu sein. Von Lena Skrotzki.

Heute ist er für uns der Abge-ordnete Agyman, Italiener und Teil der linken/sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments, der KVEL/NGL. Sein politischer Fokus in der EU liegt auf der Asylpolitik.

Nach der Eröffnung der SIMEP steht für ihn, und damit auch mich, die ihn heute begleitet, die Beratung in den Ländergruppen an. Hier wird vor allem über die ersten Assoziati-onen und Vorkenntnisse über die jeweiligen Länder gesprochen. Als es politisch wird, ist Agyman sofort zur Stelle und scheut nicht, seine Ideen mit seinen italienischen Landsfrauen und Landsmännern zu teilen.

Kurzer Flashback: Oktober 2013. Vor der Insel Lampedusa ster-ben hunderte Menschen auf ihrer Flucht nach Europa. Und das ist nur eines vieler Unglücke dieser Art im

Das ganze Portrait auf Seite 3.Festliche Eröffnung der SIMEP 2014 (Foto: Nick Jaussi & Benjamin Richter)

alles Bio, oder was?

B io-Kaffee in der Mensa, Öko-Karot-ten auf dem Wochenmarkt – und

selbst Bio-Fertigpizza im Kaiser‘s ne-benan. Überall wo man hinschaut, sieht man sie, die grünen Lebensmittel. Doch was steht hinter dem Aufstieg dieses sehr jungen landwirtschaftlichen Sek-tors und wie fand er seine Verbreitung in Europa?

Weiter gehts auf Seite 13.

„ich bin überzeugte europäerin!“F all des Eisernen Vorhangs, plötzli-

cher beschleunigter Integrations-prozess in Europa, Restaurierung des EU Binnenmarktes – dies sind nur ei-nige Punkte, die Ursula Braun-Moser in ihrer neunjährigen Karriere im Eu-ropäischen Parlament erlebt hat.

Das ganze Interview auf Seite 8.

„Die eu ist kein Kindergeburtstag.“Z um wiederholten Mal nahm sich

Rainer Wieland am ersten Advent Zeit, die SIMEP zu besuchen. Er enga-giert sich für ein starkes Europa und hofft auf verstärktes Interesse junger Menschen, die die Zukunft aktiv mit-gestalten wollen.

Das ganze Interview auf Seite 6.

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Liebe Leserin, lieber Leser,schon wieder ist ein Jahr ver-

gangen und das Move-Magazin gibt ein Spezial zur SIMEP heraus. Doch wieder einmal hat sich viel in Euro-pa getan: Von den Wahlen im Mai bis hin zur Wahl des Kommissions-präsidenten Anfang November. Mit TTIP und CETA gehen noch immer zwei Abkommen durch die Medien, bei denen sich Europa unter seinen Möglichkeiten zeigt.

Doch warum simulieren wir hartnäckig einmal im Jahr das Eu-ropäische Parlament? Ganz klar: Wir wollen die Welt vorwärts be-wegen. Europa ist stärker, als es sich zeigt. Es ist die beste Zukunft, die wir hier haben können.

Zwischen Ländergruppen-treffen und Fraktionssitzungen in Brüssel – äääh im Bundestag – und Ausschussitzungen und Plenarde-batten in Straßburg – ach ne, dem Abgeordnetenhaus – sind unsere Reporter ausgeschwärmt und ha-ben ein Potpourri an Artikeln zu-rückgebracht. Auch 2014 ist das Themenspektrum der SIMEP un-glaublich weit:

Asyl- und Migrationspolitik wird durch Frontex immer weiter an die Außengrenzen der EU ver-lagert und so aus dem vornehmli-chen Blickfeld der Mitgliedsstaaten gerückt. Doch ist eine Abschottung vor Flüchtlingen der richtige Weg?

Das Thema der Ökoverord-nung ist zwar leichter zu greifen, doch mindestens genauso wichtig! Wie kann es sein, dass wir Bio kau-fen, aber nicht bekommen? Eine Novelle der Verordnung ist also dringend notwendig!

Wie soll die Zukunft der Eu-ropäischen Union aussehen? Bei dieser Frage spielt die Klima- und Energiepolitik der EU eine ent-scheidende Rolle. Bleiben die Staa-ten beim Energiemix souverän oder weht Europa neuen Wind in die Debatte?

Nach der unglücklich ausge-gangenen Wahl im Mai spielt aber auch der Rechtsruck im Europäi-schen Parlament eine große Rolle

für die Entwicklung der Union. Wie kann es weitergehen und wie kann der Bürger wieder mitgenommen werden, sind hier Themen, die uns beschäftigt haben.Ich wünsche euch viel Spaß beim Le-sen und Durchblättern und verspre-che, dass für jeden etwas dabei ist.

Euer

Maximilian GensRedaktionsleiter

eDitorial

impressumHerausgeber Jugendpresseverband Brandenburg e.V. Schulstraße 9, 14482 Potsdam | www.jpvb.de

Chefredakteur Alexander Steinfeldt (Junge Europäische Bewegung)

Leitung & Layout Maximilian Gens ([email protected] | V.i.S.d.P.)

Betreuung Fátima González-Torres, Christopher Henry Ruff, Yulia Yarina

Redaktion Maria Judajewa, Caroline Hecker, Lenard I. Schauhoff, Alexandra Schubert, Lena Strotzki, Lea Taube, Leonard Wolf

Auflage 350 Stück Druck Copy House / dbusiness.de GmbH

move-magazin.eu | facebook.com/movemagazin | [email protected]

Die Betreuerinnen und Betreuer der SIMEP2 2014 (O. Freier & A. Pannicke)

inhaltImpressum S. 2Teilnehmerportrait S. 3FC SIMEP S. 4EP-Wahlen 2014 S. 5Interview mit Rainer Wieland S. 6Lobbyismus bei der SIMEP S. 7Ursula Braun Moser im Interview S. 8Willkommen auf Deutsch S. 10Europäische Energie S. 11Europäische Klimazukunft S. 12Alles Bio oder was? S. 13Vertrauen in Öko S. 14Informelle Verhandlungen S. 15Impressionen S. 16

Die simep ist ein projekt der gefördert vom

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Mittelmeerraum in den letzten Jah-ren. Die politische Debatte zur Asyl-politik ist dringlicher und erhitzter als je zuvor.

Auch auf der diesjährigen SIMEP stellt die Asyl- und Migrationspolitik eines der drei großen Themen dar.Auf die Frage nach seinem ganz per-sönlichen Ziel für den Tag antwor-tet Agyman: „Ich will mich auf jeden Fall in der Asylpolitik stark machen. Und dort vor allem versuchen die Zusammenhänge von Wirtschaftspo-litik und Asylbewerbern in Italien – ich bin nämlich Italiener – anderen SIMEP-Abgeordneten im Parlament aufzuzeigen und dazu zu motivieren, überall in Europa Verantwortung zu übernehmen.

Die einzelnen Positionen der Mitgliedstaaten werden nach einer stärkenden Essenspause im Plenum vorgestellt, bei dem SIMEP-Abge-ordneter Agyman ein kurzes Plädo-yer für sein Heimatland Italien hält. Der Saal gibt tosenden Beifall – Agy-man hat sich offensichtlich schon Freunde unter seinen Kollegen ge-macht.

Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland, stellte sich nach der Präsentation der Län-derpositionen den Fragen der SIMEP-Abgeordneten. Auch Agyman nutzte die Debatte und wollte von Rainer Wieland wissen, wie die EU von pro-fitorientierter Entwicklungshilfe weg-kommen könnte und ob es nicht sinn-voller wäre, sich komplett von ihr zu lösen und das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Westen und Entwick-lungsländern zu verringern, weil man sie andernfalls noch tiefer ins Verder-ben stürzen würde. Außerdem fordert Agyman, dass man im Europäischen Parlament Rahmenbeschlüsse, wie zum Beispiel das Verbot von Land-Grabbing, an die Europäische Kommis-sion herantragen könnte.

Die konkreten Beratungen in den Fraktionen beginnen

Die inhaltliche Auseinandersetzung beginnt dann in Gesprächen inner-halb der Fraktionsgruppen am späten Nachmittag. Gelöst von seinen italie-nischen Politiker-Kollegen begibt sich

Agyman in die Beratungen mit seiner Fraktions-Arbeitsgruppe über die Ent-würfe der Kommission zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Ich treffe ihn an-schließend wieder und möchte wis-sen, ob schon Anträge der Kommissi-on abgelehnt wurden.

„Ein Entwurf ist zum Beispiel die Abwehrpolitik gegen Zuwanderer. Da wurde einstimmig beschlossen, dass man Menschen, die vor Krieg oder Ähnlichem flüchten, nicht einfach im Meer vor einer künstlichen Mauer ste-hen lässt.“ Er persönlich versteht ein-fach nicht, warum sich Länder, wie das Vereinigte Königreich oder Dänemark, der Verantwortung bei Asylfragen entziehen, tragen sie doch schließlich eine große Mitschuld an der Situation vieler Flüchtlinge in dieser Welt. Agy-man erinnert daran, dass England vor noch nicht allzu langer Zeit eine der stärksten Kolonialmächte war. Sich dann aus der Verantwortung zu zie-hen, wenn sich Folgen auftun, findet er „unmenschlich“ und „eine Frech-heit“.

Ich möchte von ihm wissen, wel-che Chancen ein Asyl-und Migrations-fonds in der EU seiner Meinung nach bringen kann. „Es ist wichtig, dass sich Migranten und Flüchtlinge stärker in die Gesellschaft einbringen können und dass man Einwanderern Unter-kunft gewährt, man ihnen bei der Job-suche hilft und Sprachkurse anbietet, sodass sie erst mal eine Startgrundlage haben. Und bei Flüchtlingsheimen von 6m2 pro Person kann es nicht bleiben.“

Agyman Amoore zieht nach die-sem ersten Tag ein durchaus positives Fazit: „Ich bin echt überrascht, wie viel ich heute gelernt habe und das macht echt Spaß. Ich bin jetzt Landesgrup-penvorsitzender und Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Asylrecht und den Asyl-und Migrantenfond KVEL/NGL. Und unsere SIMEP-Kollegen und Betreuer sind alle echt super und ich freue mich auf morgen.“

Ich persönlich muss sagen, dass ich im Laufe des Tages komplett ver-gessen habe, dass ich es nicht mit einem ‚echten‘, sondern einem ‚Hob-bypolitiker‘ zu tun habe. Dieser Tag war für ihn nicht nur eine Simulation, sondern das reale Erleben politischer Fragen und eventuell auch schon das Entwickeln von Antworten.Agyman im Gespräch mit Rainer Wieland (Foto: O. Freier & A. Pannicke)

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D er FC SIMEP ist um einiges koor-dinierter als der BVB und spielt

beinahe besser als der FC Bayern. Doch was Farisa und Charlotte in den letz-ten Monaten noch mehr als Fußball beschäftigte, haben die beiden SIMEP-Projektkoordinatoren unserem Redak-teur Maximilian Gens im Interview erzählt.

Farisa ist 26, hat Politikwissen-schaften auf Diplom studiert und ist seit dem Sommer fertig. Nach dem Studium wollte sie nicht direkt in die harte fach-liche Arbeit einsteigen und so kam ihr der Job bei der SIMEP sehr gelegen.

Charlotte dagegen kam im Win-ter aus ihrem Auslandssemester aus Polen wieder. Sie studiert European Studies und schreibt eigentlich an ih-rer Bachelorarbeit. Für die SIMEP hat sie eine Pause eingelegt.

Was ist die SIMEP für euch?

Farisa: Ich finde die SIMEP ist auf eine gewisse Art und Weise Selbstver-wirklichung, weil wir und die Schüler an Grenzen kommen und diese auch übertreten. Man geht bei der SIMEP über den eigenen Horizont hinaus…Charlotte: … und wächst unglaublich an seinen Aufgaben. Man bereitet so viele, unterschiedliche Dinge vor und lernt für sich selbst viel dazu. Gerade für die Schüler scheint Europa am An-fang extrem komplex und sie durch-dringen noch nicht, wie es im Euro-päischen Parlament so abläuft. Doch während der SIMEP erhalten sie die Möglichkeit, sich innerhalb von zwei Tagen sehr detailliert in die Themen einzuarbeiten…Farisa: … und dazu auch sprechen müssen. Sie werden ins kalte Wasser geworfen und müssen ganz früh im Planspiel schon ihre Länderpositionen vorstellen – daran kann man wirklich wachsen.Charlotte: Aber auch gerade die Teamarbeit spielt eine große Rolle. Speziell in kleinen Ländern mit 3 bis 4 Vertretern, beispielsweise Malta, müssen sich viel weniger Leute ab-sprechen, können sich aber auch un-glaublich gut unterstützen.

Was habt ihr bei der SIMEP gemacht?

Charlotte: Wir waren selbst er-staunt, was für Aufgaben angefallen sind. Wir hatten ja beide zuvor noch keine SIMEP-Erfahrung und haben in unseren ersten Arbeitstagen pri-mär das Projekt kennengelernt. Aber in den 3 Monaten vor dem Projekt merkt man wirklich, wie vielfältig die anfallenden Aufgaben sind.Farisa: Wir haben im Grunde alles gemacht. Von E-Mails schreiben über Homepage pflegen und Betreuer fin-den und schulen bis hin zur Referen-tenkommunikation war alles dabei.Charlotte: Aber auch Aufgaben, die nach außen hin total klein klingen, wie die Einteilung der Schüler in Länder und Fraktionen, hat mit dem Schreiben der E-Mails wirklich eine ganze Woche gedauert. Wobei man echt wahnsinnig werden kann. Nicht nur, weil es so viele sind, sondern weil Absagen einen immer wieder zurückwerfen und man mit jedem Nachrücker von vorne anfängt.

Farisa: Aber wenn man das gut ma-chen möchte – was unser Ziel ist – dann dauert das ganze seine Zeit. Aber auch das Telefon ist ein guter Freund geworden – nicht nur um mit Teilnehmern zu telefonieren, sondern auch um intern alle mög-lichen Fragen zu beantworten. (Bei Farisa klingelt plötzlich das Tele-fon, beide lachen.)Charlotte: Wir sind eben die Haupt-ansprechpartner für die SIMEP, was einerseits sehr viel Spaß macht, aber gleichzeitig auch anstrengend sein kann. Man hat dabei aber auch ein riesiges Team hinter sich. Die JEB ist ein wirklich gut funktio-nierendes geschlossenes Team, das uns echt viel abgenommen hat. So hat eine Arbeitsgruppe die inhalt-liche Arbeit übernommen – was ein wirklich großer Aufwand war. Aber auch im Bereich Öffentlich-keitsarbeit konnten wir uns auf die JEB-Aktiven verlassen. Wenn Not am Mann war, waren die SIMEP-Betreuer eine große Hilfe, ob beim Mappen packen oder Briefe tüteln.

FC simep

SIMEP im Bundestag macht Spaß! (Foto: Maximilian Gens)

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A s the final results came in on the 26th May from the European elec-

tions, the sigh of relief across Brussels was almost audible. For the first time since the inaugural continent-wide ballot in 1979 the turnout seemed to have stabilised, triggering a wave of cautious optimism amongst EU of-ficials about a European democratic revival. By Christopher Henry Ruff

However, the cork was scarcely out of the champagne bottle before the celebrations were brought to a standstill. A quiet correction in Au-gust brought the figure down from 43.09 % to 42.54 %, meaning that the 2014 election will go down as the lo-west turnout ever.

To put this into context, the US Presidential election of 2012 attracted a turnout of 59.3 %, whereas an im-pressive 71.5 % of eligible German vo-ters elected Merkel as Chancellor in 2013.

The European Parliament figures are also somewhat inflated by the fact that in Belgium and Luxembourg vo-ting is compulsory and they therefo-re achieved results well above the EU average.

At the other end of the scale, the turnout in some of the newer mem-ber states was frankly shocking. Does the fact that only 18.2 % of Czechs and 13.05 % of Slovaks bothered to go out and vote a sign of a failing EU gover-nance system where they don’t feel their voices are being heard, or a sign of deep-seated apathy on a national level?

Whatever the cause, the num-bers do not look good. Whilst it is true that all Western countries have seen their turnouts fall in recent years, the EU seems to have a particular prob-lem in persuading the citizens that their vote really matters.

The European Parliament it-self recognised this issue, and in 2014 sought to do something about it. For the first time, before the elections each party chose a Spitzenkandidat (or two in the case of the Greens)

for the post of European Commission President. They then participated in a number of televised debates in or-der to push the programmes of their respective groups and bring more Eu-ropean issues to the attention of the wider public. In the end the European People’s Party won the most seats, and so their candidate Jean-Claude Juncker was named as President after a messy confirmation process with the national leaders.

In many ways, the experiment was a success. The strategy of ‘giving Europe a face’ can broadly be seen as being an effective one – for better or for worse, Mr Juncker is already more well-known than his predecessor. The Commission – long a technocratic body with little public accountability –suddenly became a political animal. The current political pressure on Mr Juncker following revelations of tax avoidance in Luxembourg (the coun-try he led for almost twenty years), only serves to reinforce this point.

Furthermore the Parliament has greater leverage than ever before be-cause of Juncker’s close connection to the European election process. It is thought that he was forced to make deals in various areas of legislation in order to gain the support of his politi-cal rivals in Strasbourg.

And so we come to the great Eu-ropean democratic paradox: Despite the fact that over the last forty years the Parliament has increased its po-wer and now plays a critical role in most areas of legislation, the number of citizens actually voting for it has si-multaneously dropped to record lows.

Although the answers to this co-nundrum are by no means clear, we can be sure that complacency is not the answer. Over the next five years it is critical that the EU finds innova-tive ways of reconnecting with its ci-tizens so that they are inspired to get out and vote in 2019. Let’s make sure we look back on 2014 as the low point and that Brussels has some good news next time around.

mixeD results Foreuropean DemoCraCyFarisa: Und wir sind halt die, die den

Überblick behalten.

Hattet ihr überhaupt noch Freizeit?

Farisa: Am Anfang der Arbeit schon noch, aber ab Oktober wurde das schon wesentlich weniger und seit Anfang November mussten unsere Freunde schon ganz schön zurückste-cken.Charlotte: Aber dafür hatten wir wirklich viel Spaß mit dem JEB-Team, das einfach super nett und sympa-tisch ist. Deswegen war es auch kein Problem mal länger im Büro zu blei-ben.Farisa: Wir machen es sehr gerne!

Und welche Highlights gab es für euch im Laufe der Organisation?

Charlotte: Jede Zusage war ein riesi-ges Highlight.Farisa: Schüler können sehr witzige E-Mails schreiben und das ist so erfri-schend diese zu lesen. Aber insgesamt auch jeder Erfolg, das ist einfach so: YES!

Und wie geht es nach der SIMEP für euch weiter?

Farisa: Ich muss mir erstmal nen neuen Job suchen…Charlotte: … und ich meine Bachelor-arbeit schreiben – also definitiv lang-weiliger als jetzt.Farisa: Ja, das trifft es. SIMEP ist na-türlich in kurzer Zeit viel Action und danach wird es sich so anfühlen, dass man ins echte Leben zurück muss.Charlotte: Aber ich denke auch, dass nach der SIMEP nicht gleich unsere JEB-Zeit vorbei ist, weil man ja gera-de so viele tolle Leute kennengelernt hat. Und die SIMEP gibt es in den nächsten Jahren auch wieder.Farisa: Um dazu immer auf dem ak-tuellsten Stand zu bleiben, könnt ihr euch jederzeit auf Facebook oder un-ter www.jeb-bb.de informieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Z um wiederholten Mal nahm sich Rainer Wieland am ersten Advent

Zeit, die SIMEP zu besuchen. Er enga-giert sich für ein starkes Europa und hofft auf verstärktes Interesse junger Menschen, die die Zukunft aktiv mit-gestalten wollen. Ein Interview von Caroline Hecker.

Warum ist es so wichtig junge Leute für Europapolitik zu begeis-tern? Besteht in diesem Bereich aktuell ein Defizit?

Da es Veranstaltungen, wie die SIMEP in meiner Jugend nicht gab, bin ich heute immer ein wenig wehmütig, wenn ich als Redner eingeladen wer-de. Ich beneide Sie, dass Ihnen sol-che Möglichkeiten gegeben werden. Aber auch Debatten-Wettbewerbe sind gute Projekte, um jungen Men-schen EU-Politik näher zu bringen.

Gerade die SIMEP begeistert mich sehr. Als ich vor 5 Jahren zum ersten Mal hier war, stellten die-se 200 jungen, politikinteressierten Menschen ein wahres Schlüsseler-lebnis für mich dar. Damals war ich noch Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und habe nach diesem Erlebnis gefordert, ein solches Event auch dort einzuführen. Außer-dem beschloss ich, mir, soweit mög-lich, Zeit für die SIMEP zu nehmen.

In meiner Jugend habe ich oft an Schüleraustauschen teilgenom-men und war dadurch von Anfang an vom Thema Europa angetan. Auch als gewählter Gemeinderat wusste ich noch nicht, ob ich über-haupt noch hauptberuflich Politik machen will, aber mir war klar, wenn es dazu kommt, dann mit Eu-ropa. Ich fühle mich privilegiert, an einer Stelle arbeiten zu können, an der man das europäische Projekt unterstützen und Europa gestal-ten kann. Wir haben die einmalige Chance, ein Jahrhundert des Frie-dens zu erleben.

Was lässt Sie als Politiker opti-mistisch bleiben, obwohl Ihnen doch auch öfter die Hände ge-bunden sind?

Ich bin einfach generell der Mei-nung, dass man Politik nicht ma-chen kann, wenn man Menschen nicht mag. Gerade diese Woche hat mich jemand gefragt, ob ich zur Zeit noch ruhig schlafen könne, obwohl wir so schwierige Entscheidungen bezüglich der Flüchtlingspolitik treffen müssen. Ich sagte ihm, dass man diese Dinge nicht an sich her-anlassen darf. Wenn ich im Bett bin, dann bin ich im Bett und nicht im Parlament.

Wo sehen Sie Zukunftsprobleme der Politik?

Bei der Politik sind wir an einem Scheideweg. Es wird immer schwie-riger, Leute für Politik zu begeistern. Schauen Sie sich die Zahlen der Ver-eine, Gewerkschaften, Kirchen und auch die der Parteien an. Dort wird diese Tendenz deutlich. Aber das En-gagement in die eigene Zukunft muss wieder attraktiver werden. Deshalb ist es auch so wichtig, überparteiliche Formate zu haben, auf denen die Leu-te ihre Meinung sagen können, ohne dass ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird. Ob man dann als po-litisch interessierter Ingenieur oder Lehrer durchs Leben geht oder weiter in Richtung Politik geht, das sei dann dahingestellt.

Haben Sie das Gefühl, dass die EU-Skepsis steigt?

Das ist eine schwierige Frage. Ehr-lich gesagt glaube ich, dass die Zahlen stimmen, die sagen, dass Deutsche noch pro-europäisch sind. Jedoch ist zu beobachten, dass die Antworten der Bürger zögerlicher werden, je detaillierter die Fragen gestellt werden.Das zeigt schon eine Unsicherheit im Volk. Da brauchen wir Akteure, jenseits der Abgeordneten, die ihre Stimme erheben und Kritikpunkte klarstellen. Nehmen Sie zum Bei-spiel die Staatsschuldenkrise oder die Steuerdebatte, die vor Herrn Juncker aufgebrochen ist. Diese De-fizite sind auf das Versagen von Na-tionalstaaten zurückzuführen.

Außerdem kann ich den Vor-wurf des Demokratiedefizits nicht bestätigen. Wir haben in Brüssel ein von allen Europäern gewähltes Par-lament und einen Kommisstions-präsidenten, der von diesem Parla-ment bestätigt wird. Das finden Sie in keinem Mitgliedsstaat der EU. Wenn Frau Merkel gewählt ist, dann zieht sie ihre Kabinettsliste aus der Mappe und dann hat der Bundestag überhaupt nichts mehr zu sagen.

»Die eu ist Kein KinDerGeBurtstaG«

Rainer Wieland bei seiner Rede im Bundestag (Foto: O. Freier & A. Pannicke)

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F ür die einen das größte Defizit un-serer Demokratie, für andere ein

konstituierender Bestandteil dieser. „Das Europa der Lobbyisten“ wird vie-lerlei kritisiert. Lenard I. Schauhoff er-lebt die Branche hautnah und berich-tet von möglichen Gefahren, aber auch Chancen.

Während die Parlamentarier in den Ländergruppen das erste Mal den Gesetzesentwurf zu sehen bekom-men, bereiten sich die Lobbyisten mit fertig verfassten Pressemitteilungen, Koffern voller Argumente und jeder Menge rhetorischem Schnickschnack auf ihre Stunde vor: das Mittagessen. Hier werfen sie sich in die Meute der arglosen SIMEP-Abgeordneten und bearbeiten diese, querbeet zu jedem Thema, zu jedem Artikel. Sie reden schnell, viel und möglichst selbstsi-cher. Der Satz: „Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein!“, durch-pflügt immer wieder die einzelnen Unterhaltungen. Am Ende der Pause kann jeder Abgeordnete den Slogan im Schlaf. Hilft denn das bei der Mei-nungsbildung? In einer Phase, wo die Abgeordneten grade erst anfangen selbst über die Vorschläge zu reflek-tieren, bombardiert der Lobbyismus mit ganzer Wortgewalt. Einem fairen Kampf gleicht das nicht, mehr einem Hinterhalt. Ein Teil der Demokratie?

Spätzle mit Geschmäckle?

Vor mir auf dem Ledersofa, in der großen Halle, aufrecht, schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, braune Schuhe. Er wirkt smart, gewitzt, sei-ner Sache verschrieben. Dr. Wolfgang Spätzle ist Lobbyist für Business Euro-pe. Bei der SIMEP ist es seine Aufga-be, die Abgeordneten von bezahlba-ren Energiepreisen für die Industrie zu überzeugen. Er tut das nebenbei, beim Mittagessen. Für ihn ist das ein Prozess der Meinungsbildung. Deter-miniert bearbeitet er Tisch für Tisch die einzelnen Volksvertreter. Er er-klärt es so: „Das wichtigste ist, einen Draht aufzubauen.“ Nicht nur seine „Partikularinteressen“ an den Mann zu bringen, sondern „das Spannungs-verhältnis des Abgeordneten zu ver-

stehen“, um dann langsam, mit den richtigen Argumenten, in möglichst vielen Punkten zu überzeugen, ist das Ziel des Lobbyisten. Das sei, so Spätz-le, kein Gespräch auf Augenhöhe. Der „Prozess des Beschwatzen“ geht oft in einen leeren Raum. Der Lobbyist, ge-schult in seiner Argumentation, trifft selten auf kompetente Gegenwehr. Ich frage ihn, ob er von den eigenen Punkten überzeugt sei, als Antwort breitet er erneut seine Argumentati-on vor mir aus. Eine klare Antwort kriege ich nicht.

„Wenn es keine Lobbyisten gäbe, müsste die Politik sie erfinden“, meint Spätzle. Sind Lobbyisten denn zu mächtig in Europa? Natürlich nicht. Der Doktor aus Baden-Würt-temberg kann aber verstehen, dass dies so scheint. Wahrscheinlich, weil so wenig über Lobbyismus bekannt ist. Dabei handelt es sich nur um In-teressenvertreter, bei den Politikern um bloße Adressaten. Lobbyismus ist ein notwendiger Prozess und (das un-terstreicht Spätzle gestenreich) eine Stärkung der Demokratie.

Meinungsbau in unter drei Minuten

Erik Sonntag ist Abgeordneter bei der SIMEP für die S&D. Lange Haa-re, Bart, sitzt selbstsicher auf dem Sofa, aber nicht entspannt. Er hatte

Weiter gehts auf Seite 9.

loBByismus – maCht oDer meinunG?

Aggressive Lobbyarbeit beim Mittagessen (Fotos auf dieser Seite: Titus Lienen)

Lobbyarbeit fruchtet – zum Mittag eingeladen und mit Papieren gebrieft.

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www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 8asyl und migration

F all des Eisernen Vorhangs, plötzli-cher beschleunigter Integrations-

prozess in Europa, Restaurierung des EU Binnenmarktes – dies sind nur ei-nige Punkte, die Ursula Braun-Moser in ihrer neunjährigen Karriere im Eu-ropäischen Parlament erlebt hat. Ma-ximilian Gens hat einmal nachgefragt, warum eine gestandene Frau mit 76 Jahren noch einmal von der CDU in den Bundesvorstand der Alternative

für Deutschland. wechselt und wie sie Europas Zukunft sieht.

Sie waren von 1984 bis 1994, mit einem Jahr Pause, für die CDU im Europäischem Parlament tätig. Von einer sehr angespannten eu-ropäischen Situation bis hin zum Mauerfall war dabei alles vertre-ten. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Es waren sehr aufregende Jahre. Wir mussten den Binnenmarkt neu struk-turieren. Dabei waren gerade die Liberalisierung der Telekommunika-tion, Post sowie des Bahn- und Luft-verkehrs zentrale Themen. Ich war schon 1990 als Professorin in Stettin tätig. In dieser Zeit bin ich regelmä-ßig von Frankfurt a.M. nach Berlin geflogen und von dort ging es mit dem Mietwagen weiter nach Stettin.

Die Polen wollten mir damals nicht glauben, dass sich Europa so entwi-ckeln wird. Kurz danach wurde ich dann auch Professorin an der Uni-versität Budapest. Schon vor 50 Jah-ren bin ich den Jungen Europäischen Föderalisten beigetreten und hatte – schon damals – eine Art SIMEP in Budapest organisiert. Der ungarische Ministerpräsident bezahlte den 500 Teilnehmern 2 Übernachtungen. Das war sehr beispielhaft, da die jungen

Menschen aus ganz Europa ja noch gar nicht wussten, was das alles ist.

Angefangen mit dem Beitritt in die JEF über Ihren Sitz im EP, bis hin zum Lehrstuhl für Europä-ische Regionalpolitik in Stettin und die Fortsetzung Ihrer Lehrtä-tigkeit in Budapest – wie kam es zum Wechsel zur Alternative für Deutschland?

Die CDU hat die Reformen aus dem Auge verloren und ist zu sehr auf die politische Union und den Fiskalpakt fixiert. Ich finde es schade, wie die Menschen leiden, obwohl es doch so einfach wäre, den Euro neben natio-nalen Währungen als Abrechnungs-einheit zu führen. Eine gemeinsa-me Währung ist einfach für Europa nicht richtig, wie ich schon in den 70ern in Studien belegt habe. Es werden schon ganz einfache Kriteri-

»iCh Bin eine üBerzeuGte europäerin!«

Ursula Braun Moser im Interview mit Maximilian Gens (Foto: O. Freier & A. Pannicke)

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www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 9

en wie der OCA („optimal currency area“ Anm. d. Red.) verletzt. Meiner Meinung nach muss die Inflations-mentalität innerhalb einer Währung zumindest ähnlich sein, was zurzeit nicht der Fall ist.

Innerhalb der EU versucht die AfD nun zu reformieren. Uns stört zum Beispiel die Kommission, die einfach Geld ausgibt und dann um-legt und den Mitgliedsstaaten dik-tiert, das sie mitzuzahlen haben.

Nach der erfolgreichen Europa-wahl hat sich die AfD ja der EKR-Fraktion angeschlossen, obwohl diese ja keinen guten Ruf hat. Wie kommt das?

Die EKR versucht als einzige Partei Reformen anzusteuern – genauso, wie die AfD. Bis vor kurzem habe ich ja auch noch mit den Konservativen in einer Bank gesessen. Und Came-ron versucht jetzt als einziger, die Kosten des Zuzugs im Interesse der dort lebenden Menschen zu mini-mieren. Wir haben ja hier auch das Problem mit fast 200 000 Asylanträ-gen im Jahr und viele, die nicht so weltoffen sind, haben das Gefühl, dass sie nur noch mit Fremden zu tun haben. Ich kann jeden Bürger-meister verstehen, der Angst vor Überfremdung hat – es stiftet ein-fach Unruhe. Vor allem wollen die Syrer hier bleiben und nicht wieder zurückgehen.

Und was ist der Masterplan der AfD zum Thema Asylpolitik?

Die AfD steht für ganz klare Zuwan-derungsregelungen. Sie ist für Zu-wanderung von Menschen, die be-ruflich etwas leisten können. Dabei ist es egal, ob es niedrige oder hohe Jobs sind. Erst gestern habe ich in der Zeitung gelesen, dass wir mit 44 000 Euro rechnen müssen, die wir pro Immigrant für Sozialleistungen draufzahlen. Deswegen steht die AfD gegen Einwanderung von nicht mehr leistungsfähigen Menschen, die hier ein schönes Leben verbringen möch-ten.

Es gibt also gute und schlechte Asylbewerber?

Natürlich gibt es einen ganzen Pulk an Asylanten und Kriegsflüchtlingen, die müssen wir ja aufnehmen. Dane-ben gibt es aber auch die Zuwande-rer. Diese sollten Anreize haben, sich zu integrieren und Deutsch zu ler-nen. Wenn sie das tun, dann sollen sie auch Sozialpunkte als Entlohnung erhalten.

Ein Zuwanderer wird also belohnt, wenn er sich integrationsbereit zeigt?

Ja, weil es ja nicht anders geht.

Die EKR wird von außen oft als rechtspopulistisch verschrien…

Im Vergleich zur UKIP ist die EKR ja noch gemäßigt.

… aber trotzdem ist die AfD der Fraktion beigetreten. Stimmt die Partei mit der Fraktion überein?

Natürlich sucht sich eine Partei eine Fraktion, damit sie stärker ver-treten ist. Beim Misstrauensvotum gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, haben wir mal mit dem Front National gestimmt. Im Europäischen Parlament sitzen aber rund 160 Parteien. Für jede Abstim-mung sucht man sich also eine neue Mehrheit. Dabei verwischen die Fraktionsgrenzen für die Abgeord-neten. Es geht mehr um Themen, als um Fronten.

Die EKR sieht sich als Beschütze-rin und Reformistin der EU von 2050. Was denken Sie dazu?

Ich bin als gute Europäerin dafür, die EU zu verändern, weil sie sonst ka-putt geht. Darunter verstehe ich, dass ich den jetzigen Weg nicht weiterge-hen kann. Noch immer ist das Euro-päische Parlament nicht das Zentrum der EU, sondern die Kommission. Die-se darf dafür alles machen, was sie will. Ich empfinde das als undemo-kratisch.

Vielen Dank, Ursula Braun-Moser.

asyl und migration

Fortsetzung von Seite 7.mit der „Attacke“ der Lobbyisten, wie er es nennt, beim Mittagessen nicht gerechnet. Getroffen von einer Kette an Argumenten, nicht fähig, die vie-len Informationen zu verarbeiten, steht er in der Schlange vor der Es-sensausgabe. Schnell noch ein Blatt in die Hand gedrückt und schon glei-tet der Lobbyist zum nächsten in der Reihe. Meinungsbildung in unter drei Minuten. Sonntag ist „offen für alle Meinungen“ und durchaus gewillt, sie sich anzuhören. Sich jedoch ein Werturteil zu erlauben, in der kurzen Zeit, unvorbereitet, ist nicht möglich. Geschweige denn, sich ein Gegenar-gument auszudenken. Es fehlt die Di-stanz. Trotzdem bleibt etwas hängen. Argument für Argument, ohne Con-tra. Ein bisschen wie Gehirnwäsche. Was seine erste Assoziation mit Lob-byismus sei, frage ich. Eher schlecht. „Das meiste Geld hat auch den meis-ten Einfluss.“, erklärt Sonntag. Er per-sönlich fürchtet immer den Macht-missbrauch und der scheint ihm bei Lobbyisten vorhanden. Jedoch müs-sen Parlamentarier die Informatio-nen der Interessenvertreter erhalten. Dies sei für die Demokratie essentiell.

Siegeszug des Lobbyismus?

Lobbyismus ist eines der umstrit-tensten Gebiete der Europapolitik. Auch bei der SIMEP empfangen die Abgeordneten die Lobbyisten mit viel Skepsis. Und wahrscheinlich ist das die klügste Herangehensweise, denn eins kann man Lobbyisten nicht absprechen: ihren Erfolg. Betrach-tet man z.B. die von den Fraktionen beschlossenen Änderungsanträge, so scheint die Mittagspause der flei-ßigen Interessenvertreter trotz al-lem nicht vergeudet: Die EKR wie auch die S&D folgen gleichermaßen den Empfehlungen der Verbraucher-schutzorganisation Fortuna Emptoris Europaei, zum Teil sogar mit selbem Wortlaut. Und fast alle Fraktionen setzen die Vorschläge der Vereini-gung der Europäischen Öko-Bäuerin-nen und Öko-Bauern zumindest teil-weise um. Vor diesem Hintergrund scheint es ersichtlich, dass entweder die Argumentation oder die Rhetorik der Lobbyisten unglaublich überzeu-gend gewesen sein muss.

Page 10: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 10asyl und migration

A m 09. November 2014 feierte Deutschland das 25-jährige Ju-

biläum des Falls der Berliner Mauer 1989. Höhepunkt der zahlreichen Veranstaltungen war eine Mauer aus beleuchteten Ballons, die den Mauerverlauf kennzeichneten. Bun-deskanzlerin Angela Merkel betonte bei der Eröffnung der Falling Walls Conference: „Der menschliche Drang nach Freiheit lässt sich nicht auf Dauer unterdrücken.“Ein Kommentar zur Asylpolitik in Deutschland von Maria Judajewa und Lea Taube.

Doch ist es nicht scheinheilig, wenn wir mit dem Mauerfall die errun-gene Freiheit feiern, und sobald es um die Freiheit anderer geht, eine Mauer um die Europäischen Union errichten?

Derzeit sind so viele Menschen auf der Flucht, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Zahl der Asylanträge steigt stetig und die Po-litiker geben sich sichtlich besorgt. Aber wie genau sagt man eigentlich Willkommen auf Deutsch? Schon in

der bayrischen Asyldurchführungs-verordnung vom 04.06.2002 (§7 Abs. 5) heißt es: „Die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern soll die Bereitschaft zur Rückkehr ins Hei-matland fördern.“

Protest gegen Zustände

Auch in anderen deutschen Bundeslän-dern bestätigt sich die Annahme, dass sich Deutschland der Verantwortung gegenüber den Fliehenden immer öfter entzieht. In Berlin besetzten bis vor kur-zem Flüchtlinge – aus Protest gegen die miserablen Zustände, mit denen sie in Deutschland konfrontiert wurden – die leer stehende Gerhardt-Hauptmann-Schule und den Oranienplatz. Im Laufe der Auseinandersetzungen versprach der Berliner Senat den Flüchtlingen eine faire Prüfung ihrer Asylanträge und eine sichere Unterkunft, sofern sie die Schule und den Platz räumen würden.

Doch das Vertrauen der Asylbe-werber wurde schamlos ausgenutzt, die Versprechen wurden nicht ein-

gehalten und die Flüchtlinge auf die Straße gesetzt. Wenn dann von Politik und Presse ein Bild von der bedrohli-chen Asylflut geschaffen wird, obwohl im Jahr 2013 beinahe die Hälfte aller gestellten Asylanträge abgelehnt wur-den, kann man nur noch von schein-heiligem Anstacheln sprechen.

Auch Bernd Lucke, Bundesvor-sitzender der Partei Alternative für Deutschland, betonte, man solle doch unbedingt zur Kenntnis nehmen „dass es den Menschen Angst macht, was an Aufnahmebereitschaft von ihnen verlangt wird.“ Dass bei sol-chen Aussagen gezielt die Sichtweise der Menschen auf diese Problematik hin beeinflusst wird und absichtlich falsche Ängste und Abneigungen ge-schürt werden, ist dabei nicht immer jedem bewusst.

Dennoch ist es grundfalsch, die-se nicht in jedem Fall zu hinterfragen und sich selbst ein Urteil zu bilden. Denn wer soll uns noch helfen, wenn unser Land einmal in eine solche Si-tuation geraten sollte?

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Die Lichtgrenze zum 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls. (Foto: Maximilian Gens)

Page 11: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 11Klima und energie

W ir brauchen EUROPÄISCHE Lö-sungen für eine wirtschaftliche,

sichere und saubere Energieversor-gung.“ Der ehemalige EU-Energieko-mmissar Günther Oettinger macht in seinem Tweet aus dem letzten Jahr die Komplexität energiepolitischer Fragen deutlich. Doch ob sich die 28 Staaten bald einigen werden, steht noch in den Sternen. Von Alexander Steinfeldt.

Energiepolitik ist komplex und wird vor allem auf nationaler Ebene entschieden, aber nicht nur dort. Au-ßerdem soll Energie, also Strom und Wärme, bestimmte Anforderungen er-füllen. Nicht zu teuer für Wirtschaft und Verbraucher darf Strom sein. Auch sind wir darauf angewiesen, dass Strom Tag und Nacht fließt – ohne Un-terbrechung, und zusätzlich müssen wir verstärkt auf unsere Umwelt und das Klima achten, wenn wir unsere Le-bensgrundlagen nicht zerstören wol-len. Wir müssen uns also auch fragen, wie sehr wir es verantworten können, weiterhin Energie aus Atomkraft und Kohle zu gewinnen.

Die europäischen Staaten ge-hörten weltweit zu den ersten, die gehandelt haben, um bei der Energie-produktion weniger klimaschädliche Kraftwerke zu fördern. Deutschland galt mit seinem EEG, einem Gesetz, welches die Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen finanziert, als Vorbild und Spitzenreiter. Auch auf Ebene der EU hat man sich bald auf verbindliche Ziele geeinigt: Bis 2020 wollte man europaweit sowohl den CO2-Ausstoß um 20 % verringern, als auch den Anteil der Erneuerbaren Energie an der Stromproduktion wie auch die Energieeffizienz um jeweils 20 % erhöhen (jeweils ausgehend von den Werten von 1990).

Auch wenn man diese Beschlüs-se schon 2007 gefasst hatte und im-mer wieder erweiterte, musste 2013 Energiekommissar Oettinger noch ermahnen und zu europäischen Lö-sungen aufrufen.

EU Energiepolitik: National umgesetzt

Diese sind notwendig geworden, da die Umsetzung der 2020-Ziele zwar auf nationaler Ebene erfolgen muss, doch die 28 Mitgliedsstaaten eige-ne Vorstellungen von einer wirt-schaftlichen, sicheren und sauberen Energieversorgung haben und somit teilweise die EU-Zielen missachten. In Frankreich spielen zum Beispiel Atomkraftwerke traditionell eine große Rolle und auch in Polen sowie im Baltikum will man mit Kernener-gie Strom produzieren – Atomkraft stößt nämlich keine Treibhausgase aus. Ähnlich sieht es bei der Pro-duktion mit Erdgas aus. Dies geht zwar auch mit Erneuerbaren Ener-gien, wie Wind- und Solarenergie, diese sind jedoch teurer und unsi-cherer in der Produktion. Solarener-gie wird eben nur dann produziert, wenn die Sonne scheint, Windener-gie nur bei Wind.

Eine europaweite Energiepoli-tik könnte einige Nachteile der Er-neuerbaren Energien verringern. Ein europäischer Energiebinnenmarkt

ermöglicht den Handel mit Strom über die Ländergrenzen hinweg, kann somit Engpässe an einigen Stellen ausgleichen. Auch grenz-überschreitende Stromtrassen bzw. Seekabel helfen, den Strom dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird. Eine europäische Förderpo-litik für Erneuerbare Energien wie in Deutschland kann außerdem an-dere Länder dazu ermuntern, mehr in Wind- und Solarkraftanlagen zu investieren.

Doch von einer gemeinsa-men Energiepolitik sind die EU-Staaten noch weit entfernt, auch in Deutschland, einst Vorbild, wird das EEG immer wieder gestutzt und die Stromproduktion aus Kohle soll weiterhin gefördert werden. In an-deren Ländern sind Maßnahmen für eine höhere Energieeffizienz und Erneuerbare Energien unbeliebt, so-lange sie Geld kosten. Doch es wer-den Investitionen und verstärkte Zusammenarbeit in der Energiepo-litik notwendig werden, wenn Eu-ropa in Zukunft grüne Energie pro-duzieren und von Energieimporten aus Russland unabhängig sein will.

Von europäisCher enerGienoCh liChtjahre entFernt

Die Energiewende funktioniert nur mit europäischen Lösungen!

(Foto: Stefan Franke / jugendfotos.de)

Page 12: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 12Klima und energie

Ein Ende der Kohle- und Atommeiler ist noch nicht in Sicht.

(Foto: Robert S. Donovan / jugendfotos.de)

E ines der drei SIMEP-Themen behan-delt die Klima- und Energiepolitik

der EU bis 2030. Mit diesem Entwurf und den energiepolitischen Positionen von Schweden und Polen beschäftigt sich SIMEP-Redakteur Leonard Wolf.

30 % Erneuerbare Energien, das ist neben der Senkung der Treibhaus-gasemissionen und der Verbesserung der Energieeffizienz eine der Forde-rungen des Ausschusses für Umwelt-fragen, die bis 2030 umgesetzt werden soll. Somit ist dies eine der Nachfolge-forderungen der bis 2020 verbindlich geltenden 20 %-Ziele, welche allerdings Prognosen zufolge nicht eingehalten werden können. Dabei setzen sich die Teilnehmerländer unterschiedliche Marken, die sich aus der Betrachtung der Ausgangssituationen, des Poten-zials im Bereich der nicht fossilen Brennstoffe und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zusammensetzen.

Der Ausschuss erhofft sich mit der Realisierung der Energiewende mehr Wachstum und Unabhängig-keit in der Energieversorgung. Den-noch herrscht zu diesem Thema kein Konsens innerhalb der Mitgliedslän-der. Dabei divergieren die bisherigen Errungenschaften der Länder stark. Zwischen Polen, welches an seiner

traditionellen Kohlekraft festhält, und Schweden, das das gewünschte Ergeb-nis für 2030 bereits jetzt erreicht hat, besteht ein erheblicher Unterschied.

Schweden vertritt die Meinung, dass Europa bezüglich der Klimapolitik an einem Strang ziehen sollte. „Es ist nötig, dass Europa gemeinsam nach-haltige Klimapolitik betreibt”, lässt die SIMEP-Abgeordnete der S&D-Fraktion Samantha Klug verlauten.

Als Vorreiter in puncto Erneuer-bare Energien hat Schweden bereits 1994 erste Schritte in Richtung um-weltfreundliche Klimapolitik unter-nommen. Sie führten beispielsweise eine CO2-Steuer ein, die zu einer im-mer stärker klimaneutralen Energie-produktion führte.

Dem gegenüber steht Polen, das laut aktuellen Zahlen des Thinktanks Agora Energiewende etwa 90 % seiner Energie durch staatlich subventionier-te Kohleverbrennung in Kraftwerken gewinnt. Dabei gibt es einen steigen-den Energiebedarf, da die polnische Wirtschaft in den letzten Jahren ge-wachsen ist, wohingegen der Ausbau Erneuerbarer Energien stagniert.

Die Angst der polnischen Politik vor solch ambitionierten Klimaschutz-zielen basiert auf dem großen Anteil

konventioneller Energieträger. Dies ist auch einer der Gründe ist, weshalb sie sich gegen eine Beschränkung der Subventionen für fossile Brennstoffe aussprechen.

Die mit dem Ausbau der Erneu-erbaren Energien verbundenen Kosten, sind einer der Gründe, weshalb sich Polen für ein gemeinsames EU-Energie-netzwerk ausspricht, um die Kosten im Falle einer Energiereform auf die ande-ren Länder verteilen zu können. Dies entspricht der Zielempfehlung des Aus-schusses, dass es neben dem Wachs-tum des Anteils Erneuerbarer Energien, auch ein einheitlicheres System auf Ebene des EU-Energiebinnenmarktes geben soll. Dadurch sollen nationale Förderprogramme ersetzt werden. Der Entwurf hebt dabei hervor, dass ener-gieintensive Unternehmen von Mehr-belastungen ausgenommen sind. Der gemeinsame Energiebinnenmarkt un-terstützt Schwedens Forderungen für ein gemeinsames Fortsetzen der Klima-politik innerhalb der EU.

Die in Schweden bereits existie-renden Werte liegen über den am-bitionierten Zielen des WWF. Dieser fordert eine Verringerung der Treib-hausgasemmission um 55 % und eine Senkung des Energieverbrauchs um 40 % sowie einen Anteil der Erneuer-baren Energien von mindestens 45 %. Dies sei die einzige Möglichkeit, um „die hart errungenen Erfolge im Be-reich der Energie- und Klimapolitik nicht zu verspielen” meint Herman de Germont, EU-Klimaschutzreferent des WWF. Außerdem plädiert er für ver-bindliche festgelegte Ziele, als einzi-gen Weg den Klimaschutz konsequent umzusetzen.

Der Anteil Erneuerbarer Energi-en innerhalb der EU lag 2012 bei rund 14 %. In den letzten vier Jahren wuchs dieser Wert um sechs Prozent. Dies deutet darauf hin, dass die bisher an-gepeilten 20 % zu erreichen sind und ein Weiterführen des Vorhabens bis 2030, mit einer Steigerung auf 30 %, durchaus zu schaffen ist.

»KlimapolitiK maCht annationalen Grenzen niCht halt«

Page 13: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 13Öko-Verordnung

B io-Kaffee in der Mensa, Öko-Karot-ten auf dem Wochenmarkt – und

selbst Bio-Fertigpizza im Kaiser‘s ne-benan. Überall wo man hinschaut, sieht man sie, die grünen Lebensmittel. Doch was steht hinter dem Aufstieg dieses sehr jungen landwirtschaftlichen Sek-tors und wie fand er seine Verbreitung in Europa? Von Yulia Yarina

Die Begriffe „Bio“ oder „Öko“ bezeichnen die Herstellungsart von Lebensmitteln oder anderen land-wirtschaftlichen Erzeugnissen, bei denen ein besonderes Augenmerk auf die Beibehaltung größtmöglicher Natürlichkeit gelegt wird. Künstli-che Einflüsse auf die Umwelt sollen dabei vermieden werden und die Produktion, Weiterverarbeitung und Vermarktung unterliegen strengen Regeln. So spielt zum Beispiel die Erhaltung der biologischen Vielfalt und des ökologischen Gleichgewich-tes, die verantwortungsvolle Nut-zung von natürlichen Ressourcen und Energie wie auch die Förderung von artgerechter Haltung und Tier-gesundheit eine bedeutende Rolle. Auch bestmögliche Transparenz be-züglich der Erzeugung, Verarbeitung und Herkunft der Lebensmittel stellt einen Schwerpunkt der ökologischen Landwirtschaft dar.

Die Auswahl an sogenannten „Bio-Produkten“ ist heutzutage so groß wie nie. Sie reicht vom traditi-onellen Obst- und Gemüseangebot, Fleisch- und Milcherzeugnissen, Müs-li, Brot, Kaffee und Tee, sogar bis hin zu Babynahrung und Fertiggerichten.

Ihre Anfänge fand die ökologi-sche Landwirtschaft in der sogenann-ten Lebensreformbewegung Europas um 1920. Diese galt als Antwort auf die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung der Jahrhundert-wende als Gegenpol zur sog. „Unna-türlichkeit der urbanen Lebensver-hältnisse“ und propagierte somit die Rückkehr zur natürlichen Lebenswei-se. Im Vordergrund stand damals das Umsiedeln aufs Land, die Selbstversor-

gung mit Obst und Gemüse, aber auch ein vegetarischer Lebensstil und hochwert ige E r z eugn i s s e durch den Verzicht auf i n du s t r i e l l e Hilfs mittel.

Auf die-sem Grund-gerüst auf-bauend sowie durch die in den 1950ern aufblühende Schweizer „Heimatbe-wegung“, eine bäuerliche Organisati-on, die als Vorreiter der biologischen Landwirtschaft angesehen wird, entstand der organisch-biologische Landbau, der heute allgemein mit der gängigen ökologischen Landwirt-schaft gleichgesetzt wird.

Seitdem entwickeln sich Ver-fahrenstechniken, Organisation wie auch der politische und rechtliche Rahmen der Ökobranche fortlaufend weiter. Bereits 1991 erließ die EG ihre erste Verordnung zur ökologischen Landwirtschaft, welche in den Folge-jahren mehrmals erneuert bzw. abge-löst wurde.

EU-weit wird somit die Herstel-lung, die Verarbeitung, der Handel und die Einfuhr von Bio-Produkten geregelt. Dabei definiert die Verord-nung bestimmte Mindeststandards für die landwirtschaftliche Erzeugung und Verarbeitung von Bioprodukten. So findet u.a. eine Beschränkung der Pflanzenschutz-, Dünge-, und Futter-mittel sowie weiterer synthetischer Verarbeitungszutaten wie auch das Verbot des Einsatzes von gentech-nisch veränderten Organismen, den GVOs, statt.

Die Kennzeichnung von Ökole-bensmitteln durch das EU-Biosiegel war zudem ein wichtiger Schritt Richtung Verbraucher- und Erzeu-

gerschutz. Einerseits wird der Schutz der Verbraucher vor Irreführungen sichergestellt, aber auch Erzeuger, Verarbeiter und Händler werden vor unlauterem Wettbewerb bewahrt. Eine erhöhte Transparenz von Erzeu-gungs- und Verarbeitungsprozessen steigert zusätzlich die Attraktivität von Bioprodukten für die Konsumen-ten.

Der Erfolg der ökologischen Landwirtschaft besonders in den letz-ten Jahren ist nicht von der Hand zu weisen. Der Anteil der ökologisch be-bauten Fläche an der gesamten An-baufläche der EU wächst ständig, 2011 betrug er zwischen 5 und 6 %. Auch die Nachfrage an Bio-Lebensmitteln erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Laut Umfragen ist besonders die Qualität der Lebens-mittel, der Umweltschutz aber auch die Sicherheit zu wissen, woher die Produkte stammen und in welcher Form und von wem sie gewonnen und verarbeitet werden, für die Ver-braucher entscheidend. Der Vor-marsch des Ökosektors ist durchaus nachvollziehbar und auch die nähe-ren Zukunftsprognosen für den grü-nen Zweig der Landwirtschaft schei-nen durchaus positiv.

alles Bio, oDer was?Die erfolgsgeschichte der nachhaltigen landwirtschaft

Das EU-Biosiegel

Page 14: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 14Öko-Verordnung

W ie erreicht die Ökoverordnung das Vertrauen europäischer Bio-

Kunden? Von Alexandra Schubert.Es ist der Biotrend, der die

Nachfrage nach Bioprodukten immer mehr wachsen lässt. In den letzten Jahren hat sich der Markt für Bio-Er-zeugnisse beinahe vervierfacht. Wie kann die EU den Handel mit Biopro-dukten innerhalb und zwischen den Staaten schützen? Wie schützt die EU den Verbraucher und sein Vertrauen in Bio-Lebensmittel? Auf der SIMEP verhandeln heute die Abgeordneten eine neue Ökoverordnung.

Ziele der Ökoverordnung sind sowohl die Festlegung einer EU-weiten Definition von Bio und so-mit auch einheitliche Standards für Bioprodukte. Allgemein wird der Vorschlag der Ökoverordnung nicht als optimal angesehen. Der Verord-nungsvorschlag der SIMEP sei, was den Verbraucherschutz angehe, noch nicht weitreichend genug, so der

SIMEP-Abgeordnete der ALDE für Frankreich.“Was noch wichtig ist, ist auf jeden Fall mehr Transparenz.“

„Was uns wichtig ist, ist, dass wir die Einfuhr von Biolebensmit-teln aus Drittländern durch die Ver-ordnung stärken können. Außerdem muss die Ökoverordnung für den Verbraucherschutz stehen“, so ein SIMEP-Abgeordneter der S&D.

Hat die EU die Pflicht zur Einrichtung eines Umwelt-managementsystems?

Natürlich hat sie das, doch ein auf-tretendes Problem entsteht auf-grund der vielen unterschiedlichen Standortfaktoren, denn die Quellen der Bio-Produkte hängen stark von Klima, Boden und der Dringlichkeit von Bewässerung und Düngung ab, die aufgrund der geografischen Lage entsprechend immer unterschiedlich hoch sind.

Eine ebenso große Rolle bei der ein-heitlichen Definition von Bio spielt die Frage der Kultur in den Mitgliedsstaa-ten. Andere Konflikte entstehen bei der Tierhaltung und der Gesundheit der Tiere. „Antibiotika sollten dem Tier nur gegeben werden, wenn ein Arzt das im Einzelfall verordnet hat“, so die Abgeordnete der Grünen für Luxemburg. In den Reihen der EVP hingegen, wird diese Idee deutlich ab-gelehnt. „Zu teuer“ ist eines der wich-tigsten Argumente, die sie hier gegen die Meinung der Grünen nennen.

Fazit ist also, dass der Entwurf zur Ökoverordnung gute Ansätze ent-hält, aber von einigen SIMEP-Abge-ordneten appelliert wird, an manchen Stellen nachzubessern. Wo und wie, das entscheidet sich heute Abend bei den Debatten und Abstimmungen im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses. Davon, dass die Ökoverordnung das Vertrauen der Kunden in Bioprodukte verstärkt, sind jedoch alle überzeugt.

Die simep wirD Bio

Sind diese Äpfel wirklich biologisch angebaut? (Foto: Michael Loeper / pixelio.de)

Page 15: Move SIMEP2 2014

www.move-magazin.eu move SIMEP2 Spezial 15

I nformelle Verhandlungen, ein Format der parlamentarischen Arbeit, das

den meisten unbekannt gar suspekt erscheint. Für die effiziente Konsens-findung ist er jedoch unerlässlich. Lea Taube und Maria Judajewa

Wir, die Reporterinnen des SIMEP-Journalisten-Teams, haben uns fünf Abgeordnete aus fünf verschiede-nen Fraktionen geschnappt, um sie zu diesem Thema zu befragen.

Bei informellen Verhandlungen setzen sich einzelne Sprecher aus den jeweiligen Fraktionen zusammen und tauschen sich über die verschiedenen Änderungsvorschläge aus, die vorher in den Fraktionen besprochen wurden. Dabei geht es in erster Linie darum, den anderen von seinen Ansichten zu überzeugen und gegebenenfalls Kom-promisse zu schließen. Anschließend geht es dann zurück in die Fraktionen, um diese über die Ergebnisse zu infor-mieren.

Ein EVP-Abgeordneter empfand die informellen Verhandlungen als sehr locker. „Man fand sich in einer kleinen Runde zusammen und konn-te so besser und schneller aufeinander eingehen“, berichtete er. Zudem seien sie sehr intensiv gewesen, da jeder mit „vollem Einsatz dabei war“, um sein Gegenüber zu überzeugen. Auch wenn man nicht allzu sehr in die Tiefe gehen konnte und sich nicht immer einig wurde, bereiteten ihm die informel-len Verhandlungen eine Menge Spaß. So bekam der Abgeordnete auch eine Bestätigung für die vorher ausdisku-tierten Themen und konnte erfolgreich aus der Verhandlung hervorgehen.

Ganz anders verhielt es sich mit der EKR-Abgeordneten. Dies waren in den Verhandlungen nicht besonders erfolgreich, da ihre Ansichten in vielen Punkten von denen der anderen Frak-tionen abwichen. So konnten die EKR, die sich eher Nationalstaaten wünscht, die unabhängig von der EU agieren, beispielsweise keinen Konsens mit der ALDE oder der EVP finden. Allerdings sei es ihnen gelungen, einen bereits verworfenen Antrag wieder einzubrin-gen.

Auch ein Abgeordneter der ALDE- Fraktion hatte so seine Proble-me, Anklang zu finden.

Er empfand die Verhandlungen teilweise als sehr schwierig, da er auf viele Abgeordnete traf, die wenig kompromissbereit waren. Dabei kam es oft zu Meinungsverschiedenhei-ten. Dennoch konnte er sich in vie-len Punkten größtenteils durchsetzen und so auch Diskussionen für sich entscheiden, was ihm sehr gut gefiel.

Für die Abgeordnete der Grüne/EFA-Fraktion waren die Verhandlun-gen oftmals sehr anstrengend und er-müdend, da es in ihrem Fall meistens darum ging, gegen die Positionen der anderen gegen zu halten und sich auch nach endlosen Diskussionen trotzdem nicht klein kriegen zu lassen. Somit konnte auch sie im Laufe der Gesprä-che einige Erfolge erzielen und auch selbst neue Ideen einbringen.

Ganz anders als bei ihren Vor-gängern verhielt es sich bei der Ge-sandten der KVEL/NGL-Fraktion.Sie machte sehr positive Erfahrungen. Zwar empfand die die ALDE und EKR als uneinsichtig, womit sie sich aber

später „nur selber schaden wür-den.“ Sie konnte bei vielen Parteien Zustimmung finden, was man ihrer Meinung nach im weiteren Verlauf der Plenarsitzungen „zu spüren be-kommen würde.“ Viel mehr noch würden sie sich über ihre Erwar-tungen hinaus „übertreffen.“ Insge-samt sei die KVEL größtenteils mit anderen Fraktionen einig geworden. Auch die EVP hätte begriffen, dass „Menschenrechte über der Wirt-schaft stehen.“

Im Großen und Ganzen konn-ten alle fünf Abgeordnete viele kostbare Erfahrungen sammeln und alle vorhandenen Kapazitäten ihrer Überzeugungskraft ausschöpfen. Viele der Aufgaben ermöglichten den Abgeordneten, verschiedens-te Herausforderungen zu bewälti-gen und über sich selbst hinaus zu wachsen.

hinter VersChlossenen türeninformelle Verhandlungen während der simep

Letzte Absprachen vor der Abstimmung (Foto: Philip Gunkel)

Page 16: Move SIMEP2 2014

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