musik & theater zum lucerne festival
DESCRIPTION
Die Kulturzeitschrift Musik&Theater mit Interviews, Porträts und Hintergrundberichten zum Lucerne FestivalTRANSCRIPT
«Humor»
SPECIAL ED IT ION LUCERNE FEST IVAL SOMMER 2015
c o m p o s e rTod Machover
Jürg Wyttenbach
a r t i s t sIsabelle Faust
Vojin Kocic
Michael Tilson Thomas
t h e m aPierre Boulez zu Ehren
Beethoven vom Baumarkt
«Fensadense»: «So aufregend anders!»
e d i t o r i a l 3
Das Lucerne Festival konnte schon immer mit einer Reihe illust-
rer Orchestergastspiele auftrumpfen, wie man sie sonst allenfalls
noch in Salzburg vorfand. Das ist heute nicht anders als vor dreis-
sig Jahren. Hingegen hat sich das Festival um dieses Rückgrat der
Sinfoniekonzerte herum so fundamental verändert, dass es sich
kaum noch mit den einstigen Internationalen Musikfestwochen Lu-
zern (IMF) vergleichen lässt. Natürlich ziehen Beethoven und Mah-
ler nach wie vor am meisten Publikum an, doch durchweht heute
eine ganz andere Offenheit das musikalisch enorm weiter gefasste
Geschehen. Wesentlich damit zu tun hat die vor über zehn Jahren
ins Leben gerufene Lucerne Festival Academy. Hier konnte sich die
Lust auf neue Inhalte und Ausdrucksweisen entwickeln und artiku-
lieren. Der Einbezug neuer Medien und ungewohnter künstlerischer
Formen findet in Luzern längst auch sein Publikum. Dieses Jahr
etwa mit dem sensitiven musikalischen Stadterkunder Tod Macho-
ver, der in einem ausgesprochen interaktiven Prozess gesammel-
tes Klangmaterial kompositorisch zu einer «Sinfonie für Luzern»
zusammenfügt, die beim diesjährigen Sommerfestival durch das
Academy-Orchester uraufgeführt wird. Keine Frage, Michael Haefli-
ger und sein Team beziehen die Moderne auf unverkrampfte Weise
in ihre Festivalprogramme ein – spielerisch, neugierig, ernst, heiter.
A propos: Natürlich fehlt diesen Sommer, der unter dem themati-
schen Leitmotiv «Humor» steht, Verdis späte, altersweise Komödie
«Falstaff» nicht. Darin zieht am Schluss der genarrte Titelheld Bi-
lanz: «Tutto nel mondo è burla. L’uom è nato burlone.»
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein heiteres, tiefsinniges, ab-
geklärtes wie aufwühlendes Festival.
Herzlich, Ihr
Andrea Meuli
Liebe Leserin, lieber Leser
i n h a l t 5
Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
c o m p o s e rTod Machover – offene Sinne, offene Ohren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Jürg Wyttenbach: Der Unfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
a r t i s t sIsabelle Faust: «…das Revolutionäre wachzuhalten» . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Michael Tilson Thomas: «Ich bin ein Träumer» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Vojin Kocic: «Mit kühlem Kopf und warmem Herz» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
t h e m aAufregend anders!» Wie interaktive Elektronik und
Musizierlust zueinanderfinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Carolin Widmann: «…ein derart verschmitzter Typ» . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Elisabeth Kulman über den Humor in Verdis «Falstaff» . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Pierre Boulez: Verstand und Sinnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Johannes Willi: Beethoven vom Baumarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
k o l u m n eDen Witz in einem Musikstück zu entdecken – eine Herausforderung . . . 47
s e r v i c eLucerne Festival im Sommer – die Special Events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Titelfoto: Priska Ketterer
Tod Machover bringt Luzern zum
Klingen und lässt uns miterleben,
wie Elektronik und spontanes
Musizieren zueinanderfinden.
S e i t e n 6 / 1 1
Michael Tilson Thomas leitet seit
mehr als zwanzig Jahren das San
Francisco Symphony Orchestra.
Diesen Sommer auch wieder in
zwei Konzerten in Luzern.
S e i t e 2 4
Die Geigerin Isabelle Faust ist eine
Garantin für stilsichere, kritische
Befragungen. Dieses Jahr ist sie
«artiste étoile» beim Lucerne
Festival.
S e i t e 1 6
Die Geigerin Carolin Widmann über
den Humor im Allgemeinen und
bei Jürg Wyttenbach im Beson-
deren.
S e i t e 2 3
Der serbische Gitarrist Vojin Kocic
gewann dieses Jahr den «Prix
Credit Suisse Jeunes Solistes». In
seinem Rezital will er möglichst
viele Facetten seines Könnens
zeigen.
S e i t e 3 0
Mit einem reich befrachteten «Tag für Pierre Boulez» ehrt das Lucerne
Festival den französischen Komponisten und Gründer der Lucerne Festival
Academy.
S e i t e 3 4
Der Berner Komponist Jürg
Wyttenbach ist «composer-
in-residence» und erinnert sich
dabei musikalisch an seine
Freundschaft mit Mani Matter.
S e i t e 4 3
t h e m a6
Der Amerikaner Tod Machover erbringt den Beweis, dass elektronische Experimente und musikalische Forscherlust einen heutigen
Komponisten nicht zwangweise in die Isolation des Elfenbeinturms führen müssen. Sein Projekt einer Sinfonie für Luzern bezieht
viele und vieles ein. Und mit seinen «Hyperinstruments» sucht er innerhalb von Lucerne Festival «Young Performance» nach Kon-
zertformen von morgen. Wie Luzern klingt, wie Elektronik und spontanes Musizieren zueinander finden – dies ist beim diesjährigen
Lucerne Festival zu erleben.
Andrea Meuli
Tod Machover bringt Luzern zum Klingen – und ist «composer-in-residence» beim diesjährigen Lucerne Festival
Offene Sinne, offene Ohren
7c o m p o s e r
M&T: Ihr Projekt einer Stadtsinfonie für Luzern hat viel bewegt. Das liess sich ja auch über verschiedene mediale Kanäle verfolgen. War es schwierig, über eine mehr oder weniger zufäl-lige Klangcollage hinauszukommen, konzeptio-nellem Anspruch zu genügen?Tod Machover: Ich denke, seit wir uns vor
einem Jahr erstmals über dieses Projekt
unterhalten haben, gab es genug Zeit, um
sich in die Stadt und ihre Klänge hinein-
zuhören. Und auch, um darüber nach-
zudenken, wie das Werk einem höheren
Anspruch genügen kann, statt bloss ge-
sammelte Klänge aneinanderzureihen.
M&T: Welche Schwierigkeiten stellten sich im Umgang mit dem gesammelten Klangmaterial? Tod Machover: Schwierig war es vor al-
lem, alle die für Luzern klanglich signifi-
kanten Klänge in eine Form zu bringen,
zumal die Schönheiten und charakteris-
tischen Dinge sehr fein und subtil sind.
Das ist ein grosser Unterschied zu einem
Projekt, welches ich in Detroit begon-
nen habe. Detroit ist gekennzeichnet
durch harte Kontraste und Zerrissenheit
– von der Blüte der Autoindustrie bis zu
Rassenunruhen, die Stadt ging Bank-
rott. Das fordert andere Klänge heraus
als hier in Luzern, so wie ich die Stadt
erfahren habe und verstehe, wie ich mit
den Leuten darüber gesprochen und
wie ich die Kultur hier erlebt habe. Es
gilt hier viel mehr auf die zahlreichen
Details zu achten. Aber wir müssen sie
behutsam entdecken und auf sie hören.
In Luzern drängen sich nicht die gros-
sen Kontraste auf.
M&T: Das klingt fast schon nach einer betuli-chen Idylle…?Tod Machover: Idylle ist nicht der richti-
ge Begriff, ich will nichts romantisieren.
Nehmen wir als Vergleich mein Pro-
jekt in Edinburgh vor zwei Jahren. Die
Stadt ist wohl etwas grösser als Luzern,
hat jedoch eine vergleichbare Dimensi-
on, und es ist ebenfalls eine Stadt, die
durch ganz eigene geographische und
historische Besonderheiten bestimmt
wird. Doch hinter diesem ersten Blick
verbirgt sich eine Wirklichkeit, die völ-
lig verschieden von dem ist, was man
vordergründig sieht. Hinter dem Grün
jedes Hügels verbirgt sich eine dunkle
Seite der Stadt. Das ist die Geschichte,
welche ich aufzunehmen versuchte. In
Luzern hingegen begann ich mehr und
mehr Details zu schätzen, je enger ich
mit der Stadt vertraut wurde. Überall wo
man hinschaut gibt es feine kleine Dinge
zu erkunden, die Leute tragen Sorge zu
ihnen, sei es da ein Brunnen oder dort
ein kleines Geschäft. Und vieles ist nicht
so offensichtlich. Das sind ganz andere
Voraussetzungen um ein Stück zu schrei-
ben, als wenn sich eine einzige starke
Emotion manifestiert. Viele Details erge-
ben hier ein Bild, welches als Ganzes zu
erfassen ist.
M&T: Inspiriert dieser kleingliedrig-urbane Cha-rakter eher zu kammermusikalischen Struktu-ren?Tod Machover: Das ist eine interessante
Feststellung (denkt nach). Ich denke je-
doch, es ist nicht Kammermusik entstan-
8 c o m p o s e r
den. Aber ich hatte die Möglichkeit auf
meinen Gängen durch die Stadt Luzern
– durch die Gassen, dem Fluss entlang –
zahlreiche Gedanken zu sammeln. Dann
ging ich nach Hause und begann sie zu
ordnen. Interessant für mich ist bei-
spielsweise, dass es in Luzern diese nach-
vollziehbare Fülle an Geschichte gibt,
etwa im Gletschergarten. Man blickt
auf die Berge und wird sich gleichzeitig
bewusst, wie hier Millionen von Jahren
etwas gebildet und geformt haben: Die
Gletscher schmelzen, das Wasser fliesst
von den Bergen und bildet den See, da-
raus fliesst der Fluss. Der Weg, wie alle
diese Wassersysteme miteinander ver-
bunden sind, die immense Zeitdimensi-
on – diese Zusammenhänge faszinieren
mich. Wasser ist das Element, welches
die Stadt verbindet. Diese Erscheinun-
gen zu reflektieren war mir wichtig. Sie
können am Ufer der Reuss stehen und
die ganze Stadt fühlen. Dann gehen Sie
– vielleicht früh am Morgen – hoch zu
den Stadtmauern mit ihren Türmen und
hören von dort die Stadt mit all ihren
Glocken. Das alles hat etwas von Harmo-
nie – ganz anders als in Amerika, wo wir
bei Stadtklängen rasch an Ives denken.
Ich liebe diese harmonischen Zusam-
menhänge und möchte Sie in meinem
Stück bewusst machen.
M&T: Haben Sie auch akustische Einbrüche in dieser Harmonie wahrgenommen?
Tod Machover: Ich kam für zwei Tage an
die Fasnacht, jeder hatte mir davon er-
zählt. Faszinierend daran waren nicht die
Klänge allein, sondern ihre eigenartige
Verbindung von Archaik und Organisati-
on. Sie können in der Stadt herumgehen
und erleben überall diese ganz eigenar-
tigen Klangverbindungen. Hinter jeder
Häuserecke in der Altstadt lässt sich eine
eigene Musik zusammenmixen.
«Neben der Arbeit mit den eingereichten Klängen und Kompositionen, habe ich auch meine eigene Musik kreiert – Melodien, Harmonien, Rhythmen, Klangfarben – die durch Luzern inspiriert wurde. Einige dieser Stücke versuchen den echten Klang – zum Beispiel die verschiedenen Formen von Was-ser in Luzern – in instrumentale Klänge zu übersetzen, sodass ein Orchester den Fluss oder See oder einen der vielen Brunnen «spielt». Andere Teile sind dagegen eher metaphorisch, so imitieren melodi-sche Motive das Fliessen des Wassers oder Beats und Stille die Geräusche von Konversationen. Einige der Teile, die ich komponiere, sind einfach nur durch Luzern inspiriert und sind – wie alle Musik – schwierig mit Worten zu beschreiben. Aber ich glaube sie geben einiges von der Schönheit, Einfach-heit, Bescheidenheit und Stabilität wieder, die ich in dieser bemerkenswerten Stadt gefunden habe.»
Grosses, Neues, Wiederentdecktes. 2015/16 VORAUS
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WO
MM
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Andrea Meuli
M&T: Sie gehen als Komponist mit Ihrem MIT Media Lab immer wieder neue, experimentelle Wege und entwickeln dafür eine hoch komple-xe elektronische Technologie. Wie abstrakt und zufällig kann Musik sein, um ein Publikum zu erreichen, zu berühren?Tod Machover: Elektronische Musik
wird oft als abstrakt wahrgenommen,
weil ihr die physische Resonanz, die Ver-
bindung zu unserem Körper fehlt. Das
kann unnatürlich wirken und zum Pro-
blem werden. Andererseits ist es heute
ebenso wahr, dass elektronische Techno-
logie das verbreitetste Medium ist, um
mit Musik zu experimentieren. Sofort
haben wir das Bild von Musikern vor
uns, die mit Kopfhörern auf dem Kopf
spielen, scheinbar ohne unmittelbaren
Kontakt zu einem Publikum. Es gibt
heute einen hohen Anteil an Aufführun-
gen, da sehen wir keine Performers und
hören auch keinen akustisch erzeugten
Klang. Denken wir nur an die ganze DJ-
oder Techno-Pop-Szene. Man mag das
oder nicht, aber es hat seine Wirkung
auf ein breites Publikum, auch wenn
die unmittelbare Beziehung zwischen
dem, was der Performer macht und dem
Klangresultat fehlt. Ich wuchs als Cellist
auf und habe Kammermusik gespielt.
Und seit ich ein Kind bin, denke ich
darüber nach, was es bedeutet, ein Ins-
trument zu berühren, es in der Hand zu
halten. Das Erleben von Klang beschäf-
tigt mich, sowohl wenn du selber spielst,
aber genauso das Gefühl von Klang in
einem Raum.
M&T: Sie haben in der Probe vorhin Lautspre-cher getestet… Tod Machover: …wir versuchen einen
Lautsprecher zu finden, dessen Klang
sich in einem Raum möglichst natürlich
anfühlt. Wenn ich spreche, dann reflek-
tieren die Wände, der Klang vermischt
sich, verschiedene Frequenzen kom-
men aus meinem Mund – all das macht
jenes Gefühl aus, was wir Live erleben.
Lautsprecher hingegen schwingen in
«Fensadense» – wie interaktive Elektronik und spontane Musizierlust agil zueinanderfinden
«So aufregend anders!»
eine Richtung, alle Frequenzen zusam-
men. Darum gibt es diese Differenz
zwischen Live- und Lautsprecher-Klang.
Ich denke, eine gewisse Beschränkung
von elektronisch erzeugtem Klang via
Lautsprecher ist nicht zu vermeiden. An
der Elektronik liebe ich jedoch, wie vie-
le Möglichkeiten sie erlaubt. Das ist wie
ein Kochen mit verschiedenen Zutaten.
Man kann mischen…
M&T: …und experimentieren?Tod Machover: Ja, natürlich. Aber ich
denke eher daran, den Charakter der
einzelnen Zutaten zu verstärken, zu in-
tensivieren als eine undefinierbar neue,
exotische Mischung zu bekommen.
M&T: Die Rolle des Computers dabei?Tod Machover: Er kann hilfreich sein
als ein zusätzlicher Bestandteil, der es
erlaubt, die akustischen Instrumente auf
eine neuartige und verschiedene Weise
zu mischen, die Luft dicker zu machen
für bestimmte Effekte. Der Computer
ermöglicht, akustische Verbindungen
zwischen verschiedenen Dingen herzu-
stellen. Seit Jahren versuche ich einen
Weg zu finden, wie Elektronik mit Live-
Performance verbunden werden kann,
verbunden auch mit dem Körper von
Musikerinnen und Musikern. Das ist der
Anreiz, weshalb wir mit diesem neuen
System so hart arbeiten.
M&T: Kann das mehr sein als ein witziger Ein-fall?Tod Machover: Das ist kein Gag! Tech-
nologie um ihrer selbst willen interes-
siert mich nicht. Auch wenn wir heute
unsere Software ausprobieren: Die Mu-
siker spielen die Musik, man braucht da-
für keine Elektronik!
M&T: Weshalb braucht es dann dieses komple-xe Equipment, um Ihre Komposition erklingen zu lassen?Tod Machover: Ich denke, die Technik
fügt eine zusätzliche Dimension hinzu,
wenn man sie auf eine kluge Weise ein-
setzt. Es ist – um beim Beispiel des Ko-
chens zu bleiben – wie eine zusätzliche
Zutat, um den Geschmack einer Speise
vielfältiger zu machen. In diesem Stück
geht es mir darum, die Beziehung zwi-
schen den einzelnen Spielern zu mes-
sen. Wir experimentieren und versu-
chen herauszufinden, ob die Musiker
einen exakten gemeinsamen Rhythmus
finden, wenn sie gegenseitig aufeinan-
der hören, wie sie ihren Rhythmus leicht
ändern, sich entfernen und wieder zu-
einander finden, wie sich kleine Impul-
Tod Machover
beim Lucerne Festival
23. August, 17.00 Uhr, KKL, Luzerner Saal
Boulez-Hommage 6
Re-Structures für zwei Klaviere und
Live-Elektronik (Uraufführung)
29. August, 22.00 Uhr, KKL, Luzerner Saal
Late Night 3
Lucerne Festival Academy Ensemble
Hyperstring Trilogy
5. September, 11.00 Uhr, KKL, Konzertsaal
Sinfoniekonzert 24
Lucerne Festival Academy Orchestra
Matthias Pintscher (Leitung)
Eine Sinfonie für Luzern (Uraufführung)
12. September, 11.00 Uhr, KKL,
Luzerner Saal
Young Performance
Fensadense für Hyperinstrumente und
interaktive Elektronik (Uraufführung)
12. September, 22.00 Uhr, KKL,
Luzerner Saal
Young Performance
«Fensadense» für Hyperinstrumente und
interaktive Elektronik
t h e m a12
se und Wechsel auswirken. Dies kann
Technologie sogar genauer festhalten,
als es das menschliche Ohr je vermag.
Ich interessiere mich dafür, wie Klang
sich bei exakter Simultaneität zuspitzen
kann, wie kompakt er werden kann; und
wie er umgekehrt schon bei der leises-
ten Verschiebung bröckelt oder zerfällt.
Für die Musiker bedeutet das: Um die
besonderen Dinge geschehen zu lassen,
müssen sie sich darauf konzentrieren zu-
sammenzuspielen.
M&T: Und für Sie als Komponist? Ist das eine Möglichkeit um neue Klangräume zu erschlies-sen, auch geistige Räume für das Publikum?Tod Machover: Ich denke oft darüber
nach, wie Technologie als Hilfsmittel
eingesetzt werden kann. Mit diesem Pro-
jekt geht es mir weniger um das musika-
lische Individuum, sondern darum, das
Ensemble zu aktivieren. Wie sich die ein-
zelnen fühlen, wie sie lernen, aufeinan-
der zu hören und zu reagieren. Wie sie
sich gegenseitig abstimmen. Wie es ge-
lingen kann, durch individuelle Impulse
zusätzliche Elemente in die musikalische
Sprache einzubringen.
M&T: Das Stück, woran Sie hier arbeiten und proben entsteht für das Festival, im Sommer wird es uraufgeführt. Was meint der Name «Fensadense?
Tod Machover: Der Name bedeutet
nichts. Es ist kein richtiger Begriff.
Einen Hintergrund gibt es dennoch:
«Fensadense» war ein Fantasiewort,
welches die kleine Schwester von einem
meiner Studenten als Kind kreierte.
Der Begriff gefiel mir spontan, er lässt
so viel offen. Ich mag die Vorstellung,
dass es ein Begriff mit keiner festen As-
soziation ist. Nachdem das Stück exis-
tiert, eröffnen sich dann doch gewisse
Assoziationen.
M&T: Sie arbeiten in diesem Werk mit soge-nannten Hyperinstrumenten und mit einer inter-aktiven Elektronik, erfasst durch Armband-Sen-soren, welche die Musikerinnen und Musiker tragen. Was hat man sich darunter vorzustellen?Tod Machover: Bisher hatte wir die soge-
nannten «Hyperinstruments» jeweils mit
einem riesigen elektronischen Aufwand
für Solisten oder Sänger als individuelle
Lösungen entwickelt. So entwickelten
wir zum Beispiel für für Yo-Yo Ma einen
Bogen, in dem eine spezielle Elektronik
eingebaut war, mit speziellen Sensoren
an der Hand, die sensibel darauf reagier-
ten, wie der Bogen berührt wurde. Das
alles erforderte eine extrem teure und
individuelle Technologie. Für dieses
Projekt in Luzern war mir wichtig, dass
«Ich versuche die aktuellen technologischen Möglichkeiten zu nutzen, um die verschie-densten Fragen zu erkunden: wie sich eine Ausdrucksgeste umsetzen lässt, was eine Phrase bedeuten kann, wie komplex ein Klang sein kann oder wie die Beziehung zwischen Ausführenden und Publikum einbezogen werden kann.»
t h e m a 13
t h e m a 15
jeder Musiker sein Instrument benutzen
kann, also keine Spezialkonstruktionen
zu spielen hat, ob als Streicher oder als
Tubaspieler. Dazu bekommt jeder ein
Tablet und dieses drahtlose Sensoren-
Armband, was noch nie zuvor verwendet
wurde.
M&T: Damit werden Bewegungen erfasst?Tod Machover: Die Sensoren erfassen
Tausende an Informationen. Das ist an
sich nicht sehr interessant. Das wird es
erst, wenn die Interaktion künstlerisch
genutzt wird. Wenn man beispielsweise
ablesen kann, wie Spannung sich auf-
baut. Wie musikalische und emotionale
Prozesse etwa durch die Bewegung der
Arme nachvollziehbar werden. Was in
der Interaktion zwischen den Musikern
geschieht. Das möchte ich zeigen.
In der Arbeit mit meinem Team im MIT
Media Lab erfinden wir immer neue
technologische Wege. Normalerweise
gehe ich dann nach Hause und schreibe
meine Musik. Das ist sogar mit Stücken
wie der «Sinfonie für Luzern» so. Natür-
lich tausche ich jeweils Informationen
aus, aber der Prozess des Komponierens
geschieht bei mir daheim. Da entsteht
die Partitur, dann gehen wir damit zum
Orchester. Doch in diesem Projekt ist
es ganz anders. So aufregend anders!
Natürlich komme ich mit einer Idee,
aber ich bin offen, sie zu ändern. Die
Idee ist nicht in eine fixe Form gepresst.
Die zehn beteiligten Instrumentalisten
sind herausgefordert, ihre künstlerische
Freiheit kreativ auszureizen und zu nut-
zen.
M&T: Was bevorzugen Sie? Ihre Werke selber zu leiten oder sich auf die Individualität eines anderen Musikers einlassen?Tod Machover: Als ich jünger war, lieb-
te ich es selber zu dirigieren. Ich dachte
meine Vorstellungen so genauer umzu-
setzen. Heute habe ich gute Beziehun-
gen zu einigen sehr guten Dirigenten
und kann entspannt zuhören. Auch dar-
aus kann ein Stück gewinnen.
M&T: Hören Sie in den Interpretationen Ihrer Werke durch Kollegen Dinge, die Ihnen zuvor als Komponist verschlossen geblieben waren?Tod Machover: In einem offenen Pro-
benprozess wie hier zu «Fensadense»
geschieht mir genau das täglich von
Neuem. Generell ist der künstlerische
Prozess des Komponierens jedoch um-
fassender und vielschichtiger als das,
was im Konzert geschieht und umgesetzt
wird. Ich habe kaum je in einer Interpre-
tation etwas gehört was meine Meinung
als Komponist zu einem Stück verändert
hätte. (Lachend) Ich möchte Ihre Frage
gerne mit Ja beantworten, aber ich bin
unsicher ob das wahr wäre…
a r t i s t s16
a r t i s t s 17
Sie zählt zu den spannendsten Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit. Isabelle Faust ist eine Garantin für stilsichere, kritische
Befragungen. Die Interpretationen der deutschen Geigerin sind wohltuend unroutiniert, weil sie abseits der Mainstream-Norm die
Ohren öffnen für andere Perspektiven. Faust, die auch mit Claudio Abbado eng zusammengearbeitet hat, wirkt in diesem Jahr am
Lucerne Festival – als «artiste étoile». Das Gespräch über ihre Programme verrät zugleich viel über ihre Geisteshaltung als Musikerin.
Marco Frei (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Isabelle Faust über ihren Zugang zu Mendelssohn sowie über interpretatorische Offenheit vom Barock bis Kurtág
«…das Revolutionäre wachzuhalten»
a r t i s t s18
M&T: Isabelle Faust, ist Felix Mendelssohn Bartholdy ein Klassiker oder ein Romantiker? Oder ist er beides – ein «Mozart des 19. Jahrhun-derts», wie Robert Schumann einst formulierte?Isabelle Faust: Wow, Sie gehen ja gleich
ans Eingemachte! Die Frage ist natürlich
sehr komplex. Ich denke aber, dass Schu-
mann gar nicht so daneben liegt mit
seiner Einschätzung des Mozart‘schen.
Mendelssohn hat eine klassische Klar-
heit und Leichtigkeit, auch eine «Arti-
kuliertheit». Das höre ich in ihm sehr
deutlich, weniger das Melancholische,
Schwülstige.
M&T: Wenn man aber das bekannte Violinkon-zert von Mendelssohn mit Mozarts Violinkonzert Nr. 5 KV 219 vergleicht, die Sie beide in Luzern spielen, erscheint Mozart kühner. Der Adagio-Einsatz der Solovioline im Kopfsatz, der gar nichts mit der Exposition zu tun hat – das ist doch unfassbar revolutionär, oder?Isabelle Faust: Das stimmt. Wir haben ja
auch nicht schlecht über Mozart gere-
det oder wollten ihn klein machen. Na-
türlich ist Mozart ein Gigant, trotzdem
wird Mendelssohn noch immer gerne zu
klein gehalten – gerade sein Violinkon-
zert. Das ist von A bis Z ein ideales Werk,
auch wenn es mit den revolutionären
Einfällen Mozarts rein formal vielleicht
nicht mithalten kann. Mendelssohns Vi-
olinkonzert spannt einen idealen Bogen
von der ersten bis zur letzten Note, auch
mit der Kadenz, die kohärent aus einem
Fluss herauswächst. Auch das hat etwas
Revolutionäres, finde ich, aber Men-
delssohn hat es sehr elegant und subtil
«verpackt». Man muss sehr achtsam sein,
um das Ungewöhnliche bei ihm wahrzu-
nehmen. Aber ja, dieser Adagio-Einsatz
in Mozarts KV 219 – der ist unglaublich.
M&T: Über weite Strecken wissen die Hörer nicht, wohin die Violine will…Isabelle Faust:: …absolut, und für die
Hörer damals muss das wirklich scho-
ckierend geklungen haben. Heute kennt
man das Stück schon zu gut – leider,
muss ich sagen. Weil es dadurch manch-
mal nicht mehr jenen Schockeffekt
entwickeln kann. Aber da gibt es auch
noch andere Werke, auf die das zutrifft.
Das Paradebeispiel ist die berühmte g-
Moll-Sinfonie KV 550. Wie schon Niko-
laus Harnoncourt betonte, müssten im
Grunde alle von den Stühlen fallen. Wir
haben heute die schwierige Aufgabe, bei
hyperbekannten Stücken das Revoluti-
onäre wachzuhalten und zu vermitteln
– auch wenn man jede Note mitpfeifen
kann.
M&T: Wie machen Sie das, etwa beim besag-ten Adagio-Einsatz im Kopfsatz von Mozarts Konzert KV 219? Halten Sie quasi ohne Vibrato etwas dagegen?
Isabelle Faust: Ach wissen Sie, da gibt es
so unterschiedliche Möglichkeiten! Ich
würde mich nie festlegen wollen. Zumal
es von so vielen Dingen abhängt – auch
von der Orchestergruppe, mit der man
gerade arbeitet und gemeinsam auf der
Bühne steht.
M&T: Dennoch betonten Sie vorhin eine be-stimmte Artikulation bei Mendelssohn, die von Mozart herrühre. Ist also die Romantisierung deplatziert? Isabelle Faust: Herrlich, Sie stellen die
ganz kniffligen Fragen! Aber auch da
muss ich Sie leider «enttäuschen». Im-
mer mehr dringe ich zur Auffassung vor,
dass wir die Werke für ein heutiges Pub-
likum spielen. Das Rad möchte ich nicht
um 100 oder 200 Jahre zurückdrehen.
Wir können nicht die Arroganz besitzen,
dass es alles dazwischen nicht gegeben
hat. Andererseits kann man aber auch
nicht so tun, als ob sich die Musikge-
schichte von rechts kommend entwickelt
hätte – also rückwärts. Alles kam immer
von links, wenn man den Zeitverlauf
betrachtet. Deswegen sollte man Men-
delssohn zunächst aus der Perspektive
Mozarts betrachten. Das hat mir übri-
gens auch beim Schumann-CD-Projekt
mit dem Freiburger Barockorchester
und Pablo Heras-Casado sehr geholfen.
Diese Herangehensweise ist aus meiner
Sicht für eine Interpretation «gesund».
a r t i s t s 19
Isabelle Faust – «artiste étoile»
15. August, 22.00 Uhr («Late Night»), KKL
Strawinsky: «L’Histoire du Soldat».
Solisten des Lucerne Festival Orchestra,
Dominique Horwitz (Sprecher), Isabelle
Faust (Violine)
16. August, 16.00 Uhr, Lukaskirche
J.S. Bach: Sonaten BWV 1014, 1016 und
1019, Cembalo-Partita C-Dur von Froberger:
Cembalo-Partita C-Dur. Biber: «Sonata repre-
sentativa» und Solo-Passacaglia für Violine.
Isabelle Faust (Violine), Kristian Bezuiden-
hout (Cembalo)
25. August, 19:30 Uhr, KKL
Mozart: Violinkonzert A-Dur KV 219
Schubert: Ouvertüre C-Dur D 591 «Im
italienischen Stil», C-Dur-Sinfonie» D 944
«Grosse».
Chamber Orchestra of Europe,
Bernhard Haitink (Leitung) Isabelle Faust
(Violine)
28. August, 19:30 Uhr, KKL
Mendelssohn: Violinkonzert op. 64
Dvorák: «Othello»-Ouvertüre op. 93 und
Sinfonie Nr. 8 op. 88.
Royal Concertgebouw Orchestra
Daniel Harding (Leitung), Isabelle Faust
(Violine)
6. September, 18:30 Uhr, KKL
Szymanowski: Violinkonzert Nr. 1 op. 35
Bartók: «Der wunderbare Mandarin»
Varèse: «Amériques» (zweite Fassung von
1927).
Lucerne Festival Academy Orchestra,
Pablo Heras-Casado (Leitung), Isabelle
Faust (Violine)
12. September, 16.00 Uhr, Lukaskirche
Kurtág: «Kafka-Fragmente»
Isabelle Faust (Violine), Christine Schäfer
(Sopran), Dominique Horwitz (Rezitation)
M&T: Und so haben Sie es auch in München im Violinkonzert von Brahms mit dem Münchener Kammerorchester (MKO) gehalten. Denn auch Brahms lässt sich als ein entschlackter Klassi-ker auffassen, oder?Isabelle Faust: Ja, gerade sein Violinkon-
zert. Eigentlich muss man nur in die Par-
titur schauen und lesen, was da steht. Viel
mehr gehört im Grunde nicht dazu. Der
Solopart ist reihenwiese im Piano gehal-
ten. Wenn man das ernst nimmt, kommt
plötzlich etwas ganz Verwobenes heraus.
Man kann dem Publikum besser vermit-
teln, wie alles ineinander läuft. Selbst
der Finalsatz lautet «giocoso», hat nichts
Kämpferisches – auch wenn es technisch
schwer ist, hier das «Leichtfüssige» dar-
zustellen. Das «giocoso» kommt so selten
zur Geltung, obwohl man sich ein Bei-
spiel an Joseph Joachim nehmen könnte.
M&T: …dem damaligen Solisten und Wid-mungsträger des Violinkonzerts von Brahms, von dem es auch noch Tonaufnahmen gibt.Isabelle Faust: Genau. Es gibt noch Auf-
nahmen von ihm. Er hat mit Brahms das
Violinkonzert konsequent entwickelt
und erarbeitet. Natürlich hat Brahms
unterschiedliche Interpretationen ge-
mocht und seine Metronom-Angaben
auch nie strikt verstanden. Trotzdem
sollte man einfach mal genauer hinse-
hen. Joachims Tempowahl im Finalsatz
wird dem «giocoso» sehr gerecht.
M&T: Dieser Finalsatz ist volkstümlich gefärbt – ähnlich wie im Violinkonzert von Mendelssohn oder das «Alla-Turca»-Element im Finale aus Mozarts KV 219. Manche Musikwissenschaftler meinen, dass Mozarts «Alla Turca» in KV 219 zwar grundsätzlich nicht ungewöhnlich war, sehr wohl aber im Rahmen eines Violinkonzerts.Isabelle Faust: Grundsätzlich war das
Volkstümliche tatsächlich nichts Unge-
wöhnliches. Ob dies auch konkret für
die Konzertgattung zutrifft, kann ich
nicht sagen, aber in der Sonate zum Bei-
spiel war es etabliert. Auf jeden Fall lag
es aber auch im Konzert schon längst in
der Luft. Man sollte das jedoch mit ei-
nem gewissen Humor und mit Leichtig-
keit nehmen, nicht zu schwer.
M&T: Andererseits spielen Sie in Luzern auch die barocke «Sonata representativa» von Hein-rich Ignaz Franz Biber und die zeitgenössischen
«Kafka-Fragmente» von György Kurtág. Obwohl Jahrhunderte dazwischen liegen, ähneln sich manche geräuschhafte Spielweisen. Ist das nicht erstaunlich?Isabelle Faust: Absolut, gerade die Pon-
ticello-Klänge, also die Spielweisen an
dem Steg. Gerne wird übersehen, was
für revolutionäre Spieltechniken im Ba-
rock erprobt wurden. Die Komponisten
waren teilweise so fantasievoll und sahen
sich im Ausdruck durch keine Grenzen
eingeengt. Nicht alles ist klar markiert
beziehungsweise notiert. Man kann sich
richtig austoben, zumal bekannt ist, dass
auch die damaligen Interpreten sehr
weit gegangen sind. Freiheit in der In-
terpretation bedeutete damals generell
eine zentrale Kategorie. Im Grunde ist
Kurtág ein «traditioneller Zeitgenosse».
M&T: Wie meinen Sie das?Isabelle Faust: Er arbeitet mit bekann-
ten, etablierten Spielweisen, um sie aber
ganz neuartig einzusetzen. Darüber hi-
naus wirken seine «Kafka-Fragmente»
wie eine Fortführung der Konzentriert-
heit und Reduktion Weberns. Mit dieser
Kurzform und Miniatur agiert er den-
noch auf einem ganz anderen, eigenen
expressiven Niveau. Kurtág scheut also
grundsätzlich keine Traditionen, son-
dern webt sie mit ein. Bibers «Sonata
representativa» passt natürlich wun-
derbar zum diesjährigen Festivalthema
«Humor», weil in ihr Tierlaute imitiert
werden. Das ist einerseits sehr lustig und
lässt doch andererseits der Fantasie des
Interpreten sehr viel Freiraum bei der
Ausgestaltung.
M&T: In der «Geschichte eines Soldaten» von Igor Strawinsky ist hingegen der Humor buch-stäblich teuflisch...Isabelle Faust: Was übrigens ganz wun-
derbar zu meinem Nachnamen passt –
«Faust».
M&T: Jetzt sinkt das Niveau aber gewaltig…Isabelle Faust: (lacht) …mir ist das erst
kürzlich aufgefallen. Klar ist das total ba-
nal. Aber die Handlung der Geschichte
selber ist ja auch nicht gerade prickelnd,
oder? Die Form der Geschichte jedoch
ist aussergewöhnlich: Im Grunde ist das
Werk eine Mini-Oper, mit der Idee eines
fahrenden Theaters. Noch dazu hat die
Geige einen grandiosen Part, die Instru-
mentation ist generell grossartig – ein
wirklich einmaliges Stück.
M&T: Letztlich bedeutet die Violine die Seele des Soldaten, die er an den Teufel «verkauft». Eine Geigerin zu werden, kann mit vielen Ent-behrungen und Kämpfen einhergehen. Ihre Kol-legin Viktoria Mullova hat sehr darunter gelitten. War das bei Ihnen ähnlich?Isabelle Faust: Natürlich gibt es Ent-
behrungen, man benötigt viel Disziplin.
Aber Mullova hatte einen sehr speziellen
Werdegang. Bei mir war das nicht so.
Ich hatte nie das Gefühl, etwas im Le-
ben verpasst zu haben. Die Geige zählt
zu meinen besten Ausdrucksmitteln. Mit
«Abbados Art zu musizieren ist mir sehr nah»
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a r t i s t s 21
ihr kann ich mich besser ausdrücken als
mit Worten. Das empfinde ich als gros-
ses Glück – weil das mir die Möglichkeit
gibt, tiefer in mich hineinzuhören als
andere es können – oder sich trauen.
Und gleichzeitig kann ich diese Arbeit
im Spiel auch für andere «erledigen».
Ich persönlich habe das Geigenspiel
nicht als Leiden erlebt, aber in gewissen
Ländern werden junge Menschen musi-
kalisch geradezu gedrillt. Ich hatte das
grosse Glück, schon mit elf Jahren im
Kinder-Streichquartett meines Bruders
mitzumachen. Sobald man Kammermu-
sik macht, ist das noch ein ganz anderes
Musikerleben. Das war ein grosses Glück.
M&T: Weil es Ihre Musikauffassung entschieden geprägt hat? Ein Musizieren aus dem Geist der Kammermusik, auch bei grossen Violinkonzer-ten, wie es nicht zuletzt Claudio Abbado als Dirigent pflegte?Isabelle Faust: Ganz genau, das ist mei-
ne Absicht. Und deswegen habe ich
kürzlich mit dem Münchener Kammer-
orchester das Violinkonzert Beethovens
ganz bewusst ohne Dirigent aufgeführt.
Als heranwachsende Geigerin habe ich
fünf Jahre lang einfach nur die zweite
Geige im Streichquartett-Repertoire ge-
spielt. Da geht es nicht um Tonleitern
oder Paganini-Capricen, also die solisti-
sche Perspektive. Mit Abbado habe ich
die Violinkonzerte von Beethoven und
Alban Berg auf CD eingespielt, und wir
haben uns sicherlich auch wegen dieser
spezifischen Haltung – aufeinander zu
hören und gegenseitig aufeinander zu
reagieren – so gut verstanden. Und dass
man nicht stur festhält an einer einmal
getroffenen Interpretation. Abbados Art
zu musizieren ist mir sehr nah.
M&T: In Luzern konzertieren Sie auch mit dem aufregenden Pianisten Kristian Bezuidenhout.Isabelle Faust: Ja, ich picke mir immer
die Kirschen heraus. Und wenn ich sie
gefunden habe, halte ich sie fest (lacht). In Luzern spielen wir unter anderem
Duo-Sonaten von Bach – ein Vorge-
schmack auf die gemeinsame Bach-CD,
die wir im nächsten Sommer für «Har-
monia mundi» aufnehmen. Es ist wirk-
lich eine wunderbare Zusammenarbeit
mit ihm.
M&T: Weil Sie beide eine ähnlich flexible Arti-kulation und Phrasierung pflegen – eine offene Geisteshaltung?Isabelle Faust: Er ist zwar sehr speziali-
siert auf Hammerklavier und Cembalo,
hat jedoch tatsächlich ein unglaubliches
Wissen über das gesamte Musikdasein.
Und er spielt ebenso den modernen
Flügel. Das ist bei mir ähnlich. Ich kann
mich nicht als Barockexpertin bezeich-
nen, und das möchte ich auch nicht. Ich
nehme aber die Sache sehr ernst. Meine
Bach-Solo-CDs habe ich damals nicht
auf Darmsaiten eingespielt. Viele könn-
ten das nicht akzeptieren. Er zählt nicht
dazu. Das Bach- und Biber-Programm in
Luzern werde ich jetzt aber auf einer Ba-
rockgeige spielen, mit Darmsaiten.
M&T: Warum?Isabelle Faust: Bei den Bach-Solo-CDs
musste sich die Geige nicht mit dem
Timbre eines anderen Instruments ver-
mischen. Mit dem Cembalo, wie jetzt
in Luzern, hingegen ist das etwas ande-
res. Der Cembaloklang darf nicht über-
tüncht werden. Für eine Mozart-Aufnah-
me mit «Il giardino armonico» habe ich
unlängst meine Stradivari mit Darmsai-
ten bezogen und mit Klassikbogen ge-
spielt. Das hat funktioniert, aber für das
Projekt in Luzern ist eine Barockgeige
deutlich spannender.
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Lionel Bringuier Chefdirigent
t h e m a 23
Carolin Widmann über den Humor im Allgemeinen und bei Jürg Wyttenbach im Besonderen
Wie viel Wahrheit steckt im Humor?Carolin Widmann: (Lachend) Wenn es
ein guter Humor ist, wahrscheinlich
mehr als in der Realität… Vieles kann
gesagt werden, wenn wir mit Humor
agieren, während es sich ernsthaft kaum
formulieren lässt. Das fällt mir immer
wieder auf, auch in schwierigen Situati-
onen des menschlichen Miteinanders.
Es gibt viele Dinge, die sind schwierig
auszudrücken – zum Beispiel einen Feh-
ler einzugestehen. Doch nehmen wir
uns dabei selber etwas auf die Schippe,
fällt manches leichter: Es charakterisiert
treffender und lässt einen – wenn man
über sich selber mitlachen kann – nicht
so selbstverliebt aufgebläht aussehen.
Ich denke, ohne Ironie und Witz ist man
letzten Endes der Welt nicht gewachsen.
Ist Jürg Wyttenbach ein humoristischer Kom-ponist?Carolin Widmann: Wenn man Jürg Wyt-
tenbach kennt, liegt es nahe, schon mal
vom Humor auszugehen. Er ist ein derart
verschmitzter Typ mit einem bärbeissigen
Humor. Daher hat es mich auch nicht
gewundert als ich vor zwei Jahren als Vi-
olinkonzert ein Werk bekommen habe,
das herkömmlich gar kein übliches Solis-
tenkonzert war, sondern – typisch Wytten-
bach – eine ganz andere Kunstform ver-
körpert. Die Geigerin oder der Geiger ist
gleichzeitig herausgefordert einen Maler
darzustellen und zu spielen, ein Gemälde
auf der Bühne musikalisch zu malen, mit
allen Figuren, inklusive dem Hund! Das
Werk basiert auf Gustave Courbets Bild
«Die Beerdigung von Ornans». Das Bild
wird mit einer Video-Installation an die
Wand gebeamt, damit man die jeweiligen
Figuren erkennen kann, um die es im Text
und in der Musik geht. Das ist unglaublich
humoristisch, allerdings ein sehr dunkler
Humor, es geht schliesslich um eine Beer-
digung. Jeder macht sich seine Gedanken,
wer zu der Beerdigung kommt – vielleicht
sogar zu der eigenen, irgendwann mal.
Wo steht der Humor in dieser Musik da zwi-schen Banalität und Ritual?Carolin Widmann: Jörg Wyttenbach
würde nie im Text einen Witz machen
und den witzig zu instrumentieren ver-
suchen. Es ist alles vielschichtiger bei
ihm. Es könnte beispielsweise etwas ge-
sagt werden, was witzig ist – und dann
erklingt eine martialische Musik dazu.
Das karikiert einen Charakter viel subti-
ler, als wenn die Musik den Text eins zu
eins illustrieren würde. Wyttenbach inte-
«…ein derart verschmitzter Typ»
ressiert diese Vielschichtigkeit: Welchen
Charakter haben denn diese Figuren –
die Sargträger, der Pastor? Und wie kann
man so etwa musikalisch darstellen?
Wenn man genau hinhört, kann man
sehr viel zwischen den Zeilen hören und
so die Charaktere dieser Menschen, wel-
che das Gemälde darstellt, erschliessen.
Kann Musik Humor abbilden, ohne ins Anbie-dernde abzurutschen, ohne verkrampft witzig sein zu wollen?Carolin Widmann: Absolut. Das merkt
man doch in jeder Oper. Zum Beispiel,
wenn sich ein Charakter sozusagen an
eine Situation anschleicht und man
als Zuhörer bereits mehr weiss und das
durchschaut. Noch interessanter wird
es, wenn der Komponist auch die Schwä-
chen eines von ihm gemochten Charak-
ters liebevoll zeigt und erlebbar macht.
Das kann für mich sehr humoristisch wir-
ken – und es geht wunderbar ohne An-
biedern. Allerdings ist das sehr schwie-
rig, so feinsinnig zu komponieren – wohl
noch schwieriger als tragische Momente
musikalisch umzusetzen.
Dieser Anspruch ist in diesem «cortège pour violon» eingelöst?Carolin Widmann: Ja, es ist für mich so
authentisch, wenn man Jürg Wyttenbach
als Menschen kennt. Er ist in seiner Mu-
sik so sehr sich selbst und sucht nie je-
mand anders zu sein. Er sagt alles wie er
es denkt, mit seinem etwas bärbeissigen
ironischen Humor, dem nie etwas Anbie-
derndes anhaftet. Vielleicht ist dies übri-
gens etwas ganz speziell Schweizerisches.
Denken wir nur an Heinz Holliger als
weiteres Beispiel aus dieser Generation.
Ist es ein spröder Humor?Carolin Widmann: Nein, das würde ich
nicht sagen. Es ist ein wissender Hu-
mor. Ich finde Humor immer dann in-
teressant, wenn er mit Wissen und mit
Bildung zu tun hat. Stösst dies bei ei-
nem verstehenden Publikum auf einen
fruchtbaren Boden, ist das natürlich die
perfekte Kombination. Ich glaube nicht,
dass das spröde ist. Ich finde es geistreich
und sehr authentisch. Er will ja gar nicht,
dass wir lachen, darum geht es überhaupt
nicht. Er kann nicht anders sein als er
ist – daraus bezieht dieser Humor seine
authentische Schlagfertigkeit. Bei Schu-
mann steht oft «mit Humor». Doch es
ist ein Humor, den wir überhaupt nicht
nachvollziehen können – manchmal gar
gespenstisch. Der Wyttenbach’sche Hu-
mor mutet hingegen eher «diesseitig»
an, für uns nachvollziehbar und witzig.
Auch in diesem, von Ihnen auch uraufgeführten Werk?Carolin Widmann: Ich finde dieses Violin-
konzert einzigartig. Es ist ein Konzert wie
kein anderes und bedeutet daher auch
eine ganz besondere Herausforderung. So
spielen bildende Künste wie die Malerei
darin eine tragende Rolle. Und ich als Gei-
gerin bin gleichzeitig Schauspieler, Cour-
bet – und auch ein wenig Wyttenbach. Es
ist wie ein kleines Gesamtkunstwerk.
Und wie sieht es mit den rein violinistischen He-rausforderungen darin aus?Carolin Widmann: Es ist ein wunder-
schöner Geigenpart. Nach all den hu-
moristischen und leichten Klängen –
und dieses Konzert ist wie Champagner!
– wird es am Schluss ganz bitterernst.
Das ist für mich der grossartigste Mo-
ment. Und spiegelt eigentlich das Leben
– wie es ganz leicht daherkommt, bevor
am Schluss eine tiefe und erschütternde
Wahrheit hereinbricht, die dann richtig
sitzt. Dadurch wirkt dieser Schluss auch
nicht pathetisch oder falsch: Jetzt sind
wir mal kurz ernst – und eigentlich geht
es die ganze Zeit darum. Das ist der Mo-
ment, da ich mich selber sein kann.
Interview: Andrea Meuli
Carolin Widmann ist die Solistin in Jürg
Wyttenbachs «Cortège pour violon».
22. August, 11.00 Uhr, MaiHof
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a r t i s t s24
Seit mehr als zwanzig Jahren leitet Michael Tilson Thomas das San Francisco Symphony Orchestra – eine künstlerisch überaus
fruchtbare Konstellation, die bereits mehrfach auch beim Lucerne Festival zu bewundern war. Diesen Sommer lotet das amerikani-
sche Spitzenorchester mit seinem amerikanischen Chef das Festivalthema «Humor» von den unterschiedlichsten Rändern her aus
und spannt den Bogen von Beethovens «Eroica» bis zu einem musikalischen Scherz von John Adams, von Charles Ives’ «Decoration
Day» bis zu Gustav Mahlers Erster Sinfonie.
Kai Luehrs-Kaiser
Michael Tilson Thomas über Amerika, die Zukunft der klassischen Musik und das Gebot: Sei nicht langweilig!
«Ich bin ein Träumer»
Michael Tilson Thomas, hier bei seinem letzten
Auftritt mit dem San Francisco beim Lucerne
Festival Symphony: «Man muss das Publikum
als das nehmen, was es werden könnte.»
a r t i s t s 25
M&T: Michael Tilson Thomas, in der Musik exis-tiert eine Art ‚Gipfel-Theorie’, nach der man den Höhepunkt eines Werkes kennen muss, um es dirigieren zu können. Gute Theorie?Michael Tilson Thomas: Absolut! Alles
dreht sich um Form und Struktur. Als
ich jung war, besuchte ich einmal ge-
meinsam mit meinem Lehrer Ingolf
Dahl die Aufführung eines Streich-
quartetts. Er fragte mich: «Na, hat es
dir gefallen?» Und ich antwortete: «Ja.»
Darauf er: «Und welche Form hatte
es?» Diese Frage, die kein Konzertbesu-
cher beantworten können muss, ist in
Wirklichkeit die entscheidende. Auch
der alte Otto Klemperer sagte immer:
«Das wichtigste ist die Form, und die ist
keine intellektuelle Sache, sondern ge-
steigerte Emotionalität.» Er hatte ganz
Recht.
M&T: Wo ist der Höhepunkt von Beethovens «Eroica», einem Werk, das Sie in Luzern dirigie-ren werden?MTT: Am Ende des 4. Satzes! Fast schon
am Schluss. Das Verwirrende an Beetho-
vens Dritter ist ja, dass das ganze Werk
«Eroica» genannt wird. Aber nur der
Schluss ist heroisch. Am Anfang finden
sich wunderbar pastorale Idyllen. Es gibt
verrückt virtuose Stellen, Ballettartiges
und etliche Fantastik. Erst im 4. Satz,
auf dem Höhepunkt, kommt das Werk
zu sich selbst. Ich habe früher oft den
Fehler gemacht, alle vier Sätze heroisch
zu dirigieren – oder den Anfang zu anti-
heroisch. Ich war auf den Titel hereinge-
fallen. Erst vom bebenden Höhepunkt
des Werkes her kann man diese Sinfonie
verstehen. Sie ist übrigens ganz herrlich
zu dirigieren!
M&T: Haben wir zum Heroischen heute über-haupt noch eine Beziehung – abgesehen von seiner Verwendung im Hollywood-Actionfilm?MTT: Nein, aber das gilt ganz genauso
für die ruhigen, stillen und zarten Teile
jedes Werkes. Verletzlichkeit oder auch
Verlangen – zwei in der Musik essenzi-
elle Motive – sind für uns heute etwas
Grundfremdes. Zumindest etwas, das wir
uns offiziell kaum noch zugestehen. Ich
glaube, dass man genau das als Stärke
der klassischen Musik begreifen muss.
Man muss sich zu der Auffassung durch-
ringen, dass klassische Musik eines der
letzten Reservate unzeitgemässer und in
diesem Sinne gefährdeter Gefühle ist.
M&T: Das San Francisco Symphony leiten Sie jetzt seit 20 Jahren – was Sie zu dem derzeit dienstältesten Chefdirigenten in Nordamerika macht. Haben Sie damit gerechnet?MTT: Natürlich nicht! Aber ich lebe
auch in San Francisco. Sie können mich
hier regelmässig auf dem Wochenmarkt
am Ferry Building antreffen. Ich bin ger-
ne hier.
M&T: Was haben Sie geändert, als Sie das Or-chester von Herbert Blomstedt übernahmen, einem legendären, aber völlig andersartigen Dirigenten?MTT: Ich habe vor allem versucht, für
jeden Komponisten, sogar für jedes ein-
zelne Werk, einen eigenen, individuel-
len Klang zu finden. Ich hatte natürlich
auch andere Repertoireschwerpunkte
als Herbert Blomstedt. Bei mir ist es so,
dass mir im Grunde wenig an einem
Personalstil liegt. Ich komme aus einer
alten Theaterfamilie. Da hiess es immer:
Sei vielseitig, sonst wirst du langweilig!
Debussy muss wie Debussy klingen und
Mozart wie Mozart.
M&T: In Europa werden Sie als ein ausgeprägt amerikanischer Dirigent wahrgenommen. Sind Sie es?MTT: Ja. Ich habe zwar viel Zeit in Eu-
ropa verbracht – wenn auch nicht ganz
Bild: Kristen Loken
San Francisco Symphony
Michael Tilson Thomas
9. September, 19.30 Uhr, KKL, Konzertsaal
Schönberg (Thema und Variationen op.
43b), John Adams («Absolute Jest»), Beet-
hoven (Sinfonie Nr. 3 «Eroica»)
11. September, 19.30 Uhr, KKL, Konzertsaal
Charles Ives («Decoration Day»), Bartók
(Klavierkonzert Nr. 2 Sz 95), Mahler (Sinfo-
nie Nr 1 D-Dur)
Yuja Wang (Klavier)
a r t i s t s26
so viel wie man mir nahelegte. Alle Din-
ge, die ich in Amerika auf die Beine ge-
stellt habe, zum Beispiel das New World
Symphony Orchestra in Miami Beach
und Projekte wie «Keeping Score», die
«Sound Box», hier hinter dem Gebäude
der Davies Hall, all das sind typisch ame-
rikanische Projekte.
M&T: Inwiefern?MTT: Amerikanisch daran ist der Glau-
be, dass man Dinge ganz neu und von
Null anfangen kann. Ein Ansatz, durch
den man, denke ich, manchmal mehr
erreichen kann.
M&T: Kann man diesen amerikanischen Ansatz auch hören?
MTT: Ich glaube schon. Es kommt oft
vor, dass ich einzelne Gruppen im Or-
chester ermuntere, etwas mehr zu wagen
oder es völlig anders zu machen. Mehr
aus sich herauszugehen – um tiefer ein-
zudringen. Wenn ich gute Solisten habe,
ist es für mich selbstverständlich, dass sie
auch gross herauskommen dürfen.
M&T: Glauben Sie, dass es – nach Krisen wie dem Bankrott des Philadelphia Orchestra – in Ihrem Heimatland für die Orchester inzwischen wieder bergauf geht?MTT: Ich fürchte, man kann das nicht
generalisieren. Jede Stadt hat ihre ei-
gene Geschichte. Und ihre eigene Be-
ziehung zu kulturellen Organisationen.
In ganz Amerika ist es leider so, dass
die Museen den Musikinstitutionen den
Rang abgelaufen haben. Das ist ein gros-
ses Problem für uns. Museen sind die
neuen Kathedralen. Warum? Weil ein
Kunstwerk von Frank Stella scheinbar
repräsentativer und vor allem leichter
konsumierbar ist als eine Sinfonie von
Brahms. Es bedeutet heute tatsächlich
viel mühsame Kleinarbeit, um ein Or-
chester zu halten. Aber es lohnt sich.
M&T: Haben Sie europäische Orchester schon jemals um ihre gesicherten Subventionen be-neidet?MTT: Ich kann ehrlich sagen: Nein! Und
zwar deswegen, weil alle für mich wich-
tigen Projekte durch private Sponsoren
zustande gekommen sind. Ich persönlich
habe durchgängig gute Erfahrungen mit
dem amerikanischen Modell gemacht.
M&T: Sie müssen regelmässig mit dem Board des Orchesters, aber auch mit Sponsoren um-gehen, um diese von Ihren Zielen zu überzeu-gen. Nimmt diese Tätigkeit tatsächlich einen so grossen Raum ein wie man in Europa denkt?MTT: So schlimm ist das nicht. Aller-
dings gebe ich zu, dass ich zum Beispiel
die meisten der 65 Board-Mitglieder, die
viel Geld für das Orchester aufbringen
und bei Entscheidungen ein Wörtchen
mitzureden haben, namentlich ken-
ne. Auch ihre Geschichten kenne ich
grösstenteils. Ich begrüsse sie, ich kenne
und berücksichtige ihre Interessen, ich
diskutiere mit ihnen, und zwar gerade
dann, wenn ich etwas Neues vorhabe.
Das bedeutet, dass ich als Chefdirigent
die entscheidenden Dinge nicht nur in-
nerhalb meiner ‚Firma’ kommunizieren
muss, sondern sie nachvollziehbar auch
nach ‚draussen’, zu den wichtigen Part-
nern bringen muss.
M&T: Viele europäische Dirigenten fremdeln mit solchen Aufgaben. Sie nicht!?MTT: Schauen Sie, auch ich bin ein
Träumer. Ich möchte am liebsten die
ganze Zeit durch die Natur gehen und
meinen eigenen Vorstellungen nachhän-
gen. Nur will ich meine Träume auch mit
Leuten teilen. Dafür habe ich mit den
Jahren gewisse Fähigkeiten bei mir aus-
bilden müssen, die ich vorher nicht be-
sass. Das war gar nicht so leicht, ein lan-
ger Prozess. Letzte Woche ist er endlich
zu einem Abschluss gekommen… (Lacht)
M&T: Europäische Dirigenten, die viel in den USA arbeiten, sagen, dass es hier immer schwieriger wird, zeitgenössische Komponisten aufs Programm zu setzen. Trifft das zu?MTT: Kommt darauf an, was Sie unter
zeitgenössischer Musik verstehen! In
John Adams, der in Berkeley lebt, ha-
ben wir einen Komponisten, der in San
Francisco geradezu als musikalischer
Held gefeiert und respektiert wird. Wir
haben auch sehr gute Erfahrungen mit
Lou Harrison, ebenso mit Mason Bates
gemacht. Alles einheimische Kompo-
nisten, was als Faktor vielleicht nicht zu
unterschätzen ist. Wahr ist: Wenn wir ein
Werk wie das Requiem von György Ligeti
aufführen wollen, müssen wir sorgfältig
darüber nachdenken, wie wir einen Kon-
text dazu bilden. Aber funktioniert das
in Europa mittlerweile nicht genauso!?
M&T: Das San Francisco Symphony verfügt über das breiteste Education-Angebot aller Or-chester in den USA. Schöne Sache! Kann man mit Education eigentlich inzwischen Geld ver-dienen?MTT: Das ist eine typische Frage des 21.
Jahrhunderts. Alles muss finanziell in-
strumentalisiert und rentabel gemacht
werden. Es gibt zwei Antworten darauf.
Einerseits: Musik ist kein Business. Wer
Geld machen will, soll an die Börse ge-
hen! Andererseits: Education öffnet uns
Türen für Sponsoren und Unterstützer,
die uns eben deswegen Geld geben –
und zwar nicht nur für Education –, son-
dern weil sie dieses Segment für sinnvoll
und für sympathisch halten.
«Sei vielseitig, sonst wirst du langweilig!»
Bild: Priska Ketterer
a r t i s t s 27
M&T: Bei Goethe gibt es den Gedanken: Wenn man die Menschen als das nimmt, was sie sind, wird man sie niemals verbessern, sondern nur verschlechtern. Man muss sie als das nehmen, was sie werden könnten. Stimmen Sie zu?MTT: Absolut! Und ich werde Ihnen was
sagen: Das hat mein Grossvater auch im-
mer gesagt! Er hiess Boris Thomashefs-
ky, war ein Protagonist des Jüdischen
Theaters in New York und befand sich
1910 in der ungewöhnlichen Lage, dass
sein Publikum aus lauter Europäern be-
stand: Feinschmeckern, die aus Wien,
Palermo oder Berlin immigriert waren.
Sie besassen nicht unbedingt die Vorbil-
dung, die mein Grossvater sich erhoffte.
Ich glaube fest daran, dass Goethe und
mein Grossvater Recht hatten: Man
muss das Publikum als das nehmen, was
es werden könnte. Sonst wird man es auf
Dauer langweilen.
M&T: In Luzern führen Sie mit «Absolute Jest» auch ein Werk des amerikanischen Minimalis-ten John Adams auf. Auf Minimal music wird in Europa gern herabgesehen. Warum ist John Adams ein guter Komponist?MTT: Weil er ein so raffinierter Har-
moniker ist. Und weil er nicht bei der
Minimal music stehengeblieben ist. Die
Mitte von «Absolute Jest» – oder um
zum Anfang unseres Gespräches zu-
rückzukehren: sein Höhepunkt – wird
von einem Streichquartett gebildet. Mit
anderen Worten: John Adams schreibt
einfach gute, stets überraschende Musik.
Den Hardcore-Minimalisten weicht er
manchmal sogar zu sehr vom Wege ab...
M&T: Sie sind im vergangenen Dezember, wenn man das sagen darf, 70 Jahre alt geworden. Tatsächlich haben Sie noch mit Igor Strawinsky zusammengearbeitet. Konnte man dabei etwas lernen?MTT: Gewiss doch, von grossen Leuten
kann man immer lernen. Bei Strawinsky
war das Lehrreiche, dass er seine Parti-
turen vorsang, um sie den Musikern klar
zu machen. Ich wäre niemals auf den
Gedanken verfallen, dass man «Les No-
ces» singen kann! Er tat es – und dabei
veränderten sich die Werke von Grund
auf. Sie bekamen eine enorme Emotio-
nalität, büssten aber nicht das Geringste
an gestischer Präzision ein. Sie wurden
fast balletthaft. Sehr spezifisch und sehr
elegant. Very Saint Petersburg!
M&T: Sogar Jascha Heifetz haben Sie noch di-rigiert – ein Mann, von dem es heisst, er habe im Konzert sehr viel anders geklungen als im Studio, wo er sehr dicht am Mikrofon aufnahm. Auch Ihr Eindruck?MTT: Ja. Obwohl ich sagen muss, dass
Heifetz auch live wie ein Laserbeamer
klang. (Lacht) Fantastisch! Ich erinnere
mich auch an eine Kreutzersonate mit
ihm. Im 2. Satz, der für das Klavier, in
diesem Fall für den Pianisten Brooks
Smith, elendig schwer ist, während die
Geige nur kurze, fast triviale Arabesken
spielt, gestaltete Heifetz jede dieser Fi-
guren anders, ungeheuer emphatisch,
mit einem unverschämten Variationen-
reichtum. So toll, dass man nur noch
auf ihn, überhaupt nicht mehr auf
den armen, sich abmühenden Pianis-
ten achtete. Gemein – und grossartig
zugleich! Da spürte man zugleich die
Pranke eines alten, grossen Zirkus-
clowns.
M&T: Sie werden in aller Welt «MTT» genannt. Wer hat sich das eigentlich ausgedacht?MTT: So hiess ich schon innerhalb mei-
ner Familie. Damals, als ich ganz jung
war, gab es neben mir einen ganzen
Haufen von Cousins und anderen Ver-
wandten, die alle in dieser Weise abge-
kürzt wurden. Es gab nicht nur MTT,
sondern auch ATT, VTT und so weiter.
Und dann gab es auch noch den Geiger
Milton Thomas, mit dem ich ständig
durcheinander geworfen wurde. Ein-
mal kam es sogar zu einer Verwechslung
beim Ausstellen eines Schecks! Das ging
zu weit. Da habe ich meinen Frieden mit
den Initialen gemacht. Seitdem bin ich
gern MTT.
Michael Tilson Thomas: «Klassische Musik ist eines der letzten Reservate unzeitgemässer und in diesem Sinne gefährdeter Gefühle.»
Bild: ArtStreiber
t h e m a 29
Die Mezzosopranistin Elisabeth Kulmann ist die Mrs. Quickly in der konzertanten Aufführung von Giuseppe Verdis altersweiser
Komödie «Falstaff» – einem programmatischen Eckpfeiler zum Festivalthema «Humor».
In Luzern singen Sie diesen Sommer die Quickly in Verdis «Falstaff». Wie humorvoll ist dessen altersweises Lebensfazit: «Tutto nel mondo è burla»?Elisabeth Kulman: Verdis «Falstaff» geht
diesen wunderbaren Grat zwischen ab-
grundtiefer Ernsthaftigkeit und höchs-
ter Raffinesse von Humor. Und das Werk
hat beides. Das liegt sowohl am Libretto,
welches wirklich ausgezeichnet ist, wie
auch an der abgeklärten Umsetzung von
Verdi. Beides macht die Meisterschaft
dieses Werkes aus.
In mancher Inszenierung wird die Titelfigur bil-liger Lächerlichkeit preisgegeben. Doch Falstaff ist wohl doch etwas mehr als ein lusttrunkener Tölpel…Elisabeth Kulman: Er trägt immerhin
den Titel «Sir», man darf ihn daher
nicht als ungehobelten Menschen
spielen. Falstaff ist wohl herunterge-
kommen, aber er bleibt ein Herr. Das
ist ganz wichtig. Trotz all seiner Aus-
schweifungen muss Falstaff Haltung
bewahren, seine Erziehung darf man
nicht aublenden. Was man in der Kind-
heit einmal eingetrichtert bekommen
hat, vergisst man schliesslich nie. Et-
was von jener würdevollen Haltung,
bewahrt sich Falstaff bis zum Schluss.
Das spürt man aus dem Text wie aus
der Musik.
Was ist das Besondere Ihrer Rolle in diesem Stück, der Mrs. Quickly?Elisabeth Kulman: Quickly hat durch-
triebenen Spass, die Geschichte in allen
Irrungen und Wirrungen zu leiten. Sie
treibt das Spiel an. Vergleichbar dem
Don Alfonso in «Così fan tutte», der
ja auch die Fäden zieht wie mit Mario-
netten. Gäbe es sie nicht, würde wahr-
scheinlich gar nichts geschehen…
Humor in der Musik: Welche Assoziationen weckt das in Ihnen?Elisabeth Kulman: Die schlimmsten Din-
ge kann man nur mit Humor ertragen.
Im KZ haben die Leute mit Humor über-
lebt. Sonst wäre es unmöglich gewesen.
Das sagt schon alles aus. Ein humorvol-
ler Mensch ist für mich einer, der über
«Die schlimmsten Dinge kann
man nur mit Humor ertragen»
sich lachen kann. Und wenn ein Kom-
ponist Humor in seine Musik einfliessen
lässt, nimmt er immer ein wenig auch
sich selber aufs Korn. Andernfalls wür-
de ihm diese Grösse fehlen, sich selber
durch die Kunst des Humors zu relati-
vieren. Was letztlich die hohe Kunst des
Humors ist.
Dann wäre Verdi selber auch ein wenig Sir John Falstaff…Elisabeth Kulman: Natürlich. Das spie-
gelt sich sehr stark in seiner Musik zu
dieser Komödie.
Hilft Humor dem Menschen, sich selber etwas gelassener zu sehen?Elisabeth Kulman: Es ist nichts unerträg-
licher, als wenn ein Mensch sich so ernst
nimmt, dass er nicht über sich selber la-
chen kann. Über sich selber zu lachen
kann unglaublich erleichternd sein. Es
sollte uns bewusst sein, dass wir immer
auch eine Rolle spielen. Wichtig ist da-
bei, dass wir uns jeweils im Klaren sind:
Jetzt spiele ich eine Rolle, und jetzt ent-
scheide ich mich, authentisch zu sein.
Dabei ist Humor hilfreich?Elisabeth Kulman: Wir haben immer die
Freiheit, uns für das eine oder das ande-
re zu entscheiden. Um diesen Entscheid
immer wieder von Neuen zu treffen,
muss man klar im Kopf sein, braucht es
Bewusstheit.
Mit Humor der Freiheit entgegen?Elisabeth Kulman: Genau!
Interview: Andrea Meuli
Elisabeth Kulmann als Mrs. Quickly in der Inszenierung von Damiano Michieletto an den
Salzburger Festspielen 2013 (mit Ambrogio Maestri in der Titelrolle des Falstaff).
Bild: Salzburger Festspiele/Silvia Lelli
a r t i s t s30
a r t i s t s 31
«Wegen Gary Moore habe
ich überhaupt angefangen,
Gitarre zu spielen.»
Der serbische Gitarrist Vojin Kocic gewann dieses Jahr den «Prix Credit Suisse Jeunes Solistes». In seinem Rezitalkonzert will er
möglichst viele Facetten seines Könnens und seines in der klassischen Musik noch immer nicht sehr präsenten Instruments zeigen.
Reinmar Wagner (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Mit 38 Grad Fieber zum Wettbewerbs-Erfolg: Der Gitarrist Vojin Kocic
«Mit kühlem Kopf und warmem Herz»
a r t i s t s32
Ein bisschen Herzklopfen habe er schon
vor seinem Luzerner Auftritt, gibt Vo-
jin Kocic zu. «Es ist eines der grössten
und wichtigsten Festivals der Welt, das
ist schon ein Podium, das mir Respekt
einflösst. Und es ist fantastisch, meinen
Namen neben all den grossen Musikern,
die ich als Kind im Fernsehen bewunder-
te, zu lesen.» Sonst aber ist Vojin eher
der coole Typ, der vor Wettbewerbsauf-
tritten lieber mit den Kollegen rumal-
bert, als sich von der angespannten
Atmosphäre im Saal nervös machen zu
lassen. «Ich versuche in solchen Situati-
onen möglichst locker zu bleiben und
mich im entscheidenden Moment ge-
hen zu lassen. Meistens probe ich auch
nicht in jenem Raum. Ich werfe einen
Blick hinein, ob er zum Beispiel mit
Plüsch oder Teppichen voll gehängt ist,
wie das in Italien manchmal vorkommt.
Dann wird es für mich als Gitarrist akus-
tisch schwierig. Aber sonst bleibe ich auf
Distanz und hoffe, dass ich im richtigen
Moment das rüberbringen kann, was ich
mir vorgenommen habe.»
Es scheint, dass dieses Rezept für
einen Musiker wie ihn bestens funktio-
niert. Vojin Kocic hat schon einige wich-
tige Wettbewerbe gewonnen, den ersten
mit 14 Jahren. Insgesamt gewann er 15
erste Preise in nationalen serbischen
Wettbewerben, sogar 21 in internationa-
len. Das waren alles reine Gitarren-Wett-
bewerbe. Wie war es für ihn, diesmal
gegen andere Instrumente anzutreten?
«Am Anfang wusste ich nicht so recht,
was mich erwarten würde. Und in der
ersten Runde war ich nicht gut. Ich war
krank, hatte 38 Grad Fieber, und war nur
glücklich, dass ich die Runde überstand.
Dann wurde es besser und besser, ich
hatte immer stärker das Gefühl, dass ich
alles erreichen könnte. Im Finale spielte
ich eines der schwierigsten Stücke für
Gitarre, die Sonate von Antonio José.»
Dieses Pièce de Résistance figuriert
auch im Luzerner Programm von Vojin.
Es wurde erst 1995 wiederentdeckt und
entstand, wie so viele Gitarren-Literatur
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts, für den Übervater der Gitarre,
Anders Segovia, der viele Komponisten
inspirierte und auch die Spieltechnik
erweiterte und auf ein bis dahin uner-
reichtes Niveau anhob. Von Antonio
José gibt es nur wenig Musik, er kam im
spanischen Bürgerkrieg ums Leben.
Trotz seiner Erfolge steht Vojin Ko-
cic den Wettbewerben zunehmend kri-
tisch gegenüber. «Musik ist kein Sport,
das hat nichts mit Kunst zu tun. Aber
klar, ich habe auch keine bessere Idee,
wie man es machen könnte, Talente he-
rauszufinden und Karrieren zu fördern.
Ich war auch schon zweimal in Jurys,
und da fühlte ich mich recht deplaziert.
Jeder Musiker hat seinen Geschmack
und seine Ideen, wie kann ich sagen,
dass das eine oder andere besser ist? Was
ist der Unterschied zwischen 94 und 95
Punkten? Ich spiele im September noch
einen Wettbewerb im italienischen Ales-
sandria. Wenn ich den gewinne, höre
ich auf mit Wettbewerben. Der Sieger
kann garantiert 50 Konzerte spielen, da
habe ich erst einmal meinen Lebensun-
terhalt gesichert. Und ich freue mich,
Zeit zu haben, das Instrument weiter zu
erforschen, das ist doch das Ziel eines je-
den Musikers, denke ich.»
Viele Farben und FacettenSein Programm für das Luzerner Rezital
hat er bewusst farbig gestaltet: «Das Re-
pertoire für klassische Gitarre ist nicht
so riesig. Die meisten Hörer kennen
kaum etwas ausser dem «Concierto de
Aranjuez» von Joaquin Rodrigo oder
den «Asturias» von Isaac Albeniz. Die Gi-
tarre ist innerhalb der Klassik ein junges
Instrument. Erst zu Beginn des 20. Jahr-
hunderts wird sie von den Komponisten
so richtig wahrgenommen. Von all den
Klassik-Grössen haben wir keine Werke
für unser Instrument und müssen uns
mit Transkriptionen begnügen. Ich woll-
te in diesem Programm viele Facetten
von mir und meinem Instrument zeigen.
Einige wichtige Gitarre-Komponisten
sind dabei, wie Fernando Sor oder Joa-
quin Rodrigo, auch Francisco Tarrega
und Giulio Regondi.» Das Generalthe-
ma «Humor» des diesjährigen Lucerne
Festival spiegelt sich auch in diesem
Programm, etwa in den Mozart-Variatio-
nen über ein Papageno-Thema aus der
«Zauberflöte» von Sor, oder auch in den
Paganini-Variationen von Tarrega.
a r t i s t s 33
Mit fünf Bagatellen von William
Walton ist auch zeitgenössische Musik
in diesem Programm zu finden. Vojin
freut sich über die Erweiterung des Re-
pertoires für sein Instrument. «Kompo-
nisten wie Nikita Koshkin in Russland
haben wichtige zeitgenössische Stücke
geschrieben. Es gibt auch Kompositions-
wettbewerbe, durch die ein paar gute
Stücke für Gitarre entstanden sind.»
Selber zu komponieren kann sich Vojin
auch vorstellen, ein paar Fragmente hat
er bereits in der Schublade. «Aber bis-
her fehlte mir die Zeit und die Konzent-
ration für das Komponieren. Ich denke,
man braucht eine Periode im Leben, wo
man sich dafür frei machen kann.»
Das Fokussieren musste Vojin erst
lernen. Als er nach Zürich kam, hätte
er am liebsten parallel zur klassischen
auch Jazz-Gitarre studiert. Die Zulassung
dafür hatte er ebenfalls in der Tasche.
Aber dann hat er eingesehen, dass es
doch sinnvoller ist, Schritt für Schritt
seinen Weg zu gehen. Was nicht heisst,
dass seine vielen Interessen deswegen zu
kurz kommen würden. Hin und wieder
leiht er sich von der Hochschule eine
E-Gitarre und tobt sich aus à la Gary
Moore oder Jimi Hendrix. «Wegen Gary
Moore habe ich überhaupt angefangen,
Gitarre zu spielen, und die Rock-Gitarre
ist heute auch oft ein Ventil für mich».
Aber auch Renaissance- und Barock-
gitarre, ebenso wie Theorbe hat Vojin
ausprobiert und erforscht und ist mit
diesen historischen Instrumenten auch
schon aufgetreten. Eine Vielseitigkeit,
die für ihn selbstverständlich ist: «Wenn
ich mich Gitarrist nennen will, muss ich
mich doch auskennen mit diesem Inst-
rument, und mindestens eine Ahnung
davon haben, welche Musik in der Ge-
schichte dafür komponiert worden ist.»
Jimi Hendrix-ImitatorIn die Wiege gelegt, wurde das Gitarre-
spielen dem 1990 geborenen Knaben
nicht. Aber die Mutter spielte Klavier,
und der Vater war ein grosser Fan von
Rockmusik und spielte ihm die CDs der
Gitarrengrössen vor. Bald imitierte der
kleine Vojin selber Jimi Hendrix und ver-
suchte mit den Zähnen die E-Gitarre zu
bearbeiten. Aber mit acht Jahren bekam
er den ersten Unterricht in klassischer
Gitarre und hat sich in das Instrument
verliebt. Zuerst studierte er in Belgrad,
wechselte aber 2011 zu Anders Miolin
an die Zürcher Hochschule der Künste,
wo er im Juni sein Master-Studium abge-
schlossen hat.
Es gab Phasen, da habe er sehr viel
Technik geübt, sagt Vojin. «Das ist na-
türlich die Grundlage, ohne eine solide
Technik kann man nicht das ausdrücken
auf dem Instrument, was man sagen
möchte. Aber ich war nie fasziniert von
möglichst hoher Virtuosität. Das ist viel-
leicht interessant für das Auge, möglichst
viele Noten, möglichst schnell zu spie-
len. Aber ich bin eher der Typ, der auf
die Musik fokussiert, mit kühlem Kopf
aber warmem Herz. Wenn ich auftrete,
versuche ich, die technischen Schwie-
rigkeiten zu vergessen. Ich schliesse die
Augen und versuche mich nur auf die
Musik zu konzentrieren.»
Welche Rolle spielt bei den Gitarris-
ten eigentlich das Instrument? Gibt es
Marken wie bei den Pianisten, spielt man
möglichst historische Instrumente wie
bei den Streichern? «Gute Gitarren sind
eigentlich immer neu gebaut. Es gibt vie-
le gute Gitarrenbauer heute, einer der
besten ist Greg Smallman aus Australien.
Sehr berühmt, und sehr teuer. Eine gute
Gitarre kostet gerne 25‘000 Franken. Ich
war noch in Serbien und brauchte drin-
gend ein gutes Instrument für zwei an-
stehende Wettbewerbe. Ich fragte Small-
man an, und erfuhr, dass die Warteliste
lang ist, und ich nicht vor vier Jahren
mit einem Instrument rechnen konnte.
Aber ich liess nicht locker, schickte ihm
CDs und Videos, und versuchte ihm klar
zu machen, dass es mir ernst ist mit ei-
ner Karriere als Gitarrist. Und ich konn-
te ihn überzeugen: Nach sechs Monaten
hatte ich mein Instrument. Einen Monat
vor dem Wettbewerb. Das ist sehr kurz,
aber ein neues Instrument ist wie Rü-
ckenwind, man kriegt nicht genug da-
von, seine Möglichkeiten bis ins Letzte
auszuprobieren.»
Und der Gitarrenklang ist sehr varia-
bel, erzählt Vojin. «Segovia sagte: Die Gi-
tarre ist wie ein kleines Orchester. Und
das stimmt. Natürlich sind wir sehr leise,
aber wir haben sehr viele Klangfarben.
Eine kleine Veränderung der Stellung
der rechten Hand macht grosse Unter-
schiede. Man kann einen Ton produzie-
ren, der wie der Anfang eines Trompe-
tentons klingt. Oder im Bass kann eine
Gitarre klingen wie ein Cello. Deswegen
funktionieren auch die vielen Arrange-
ments sehr gut. Man kann fast alles ma-
chen, bis hin zu den impressionistischen
Farben von Debussy.
Vojin – wen wunderts? – hat die bei-
den Wettbewerbe auf seiner Smallman
natürlich gewonnen. Bei einem ande-
ren, 2010 in Paris, bestand ein Teil des
Preises in einer CD-Einspielung. Und
es erstaunt doch, zu hören, dass dieser
Gitarren-Überflieger sich bisher nicht
getraut hat, sein Spiel auf einer CD zu
dokumentieren. Jetzt aber, nach dem
Abschluss des Studiums, nach dem Lu-
zerner Rezital, nach dem grossen (hof-
fentlich letzten) Wettbewerb in Alessan-
dria, nimmt er das Projekt im Winter in
Angriff: «Ich will Liveaufnahmen ma-
chen, es soll keine Studioeinspielung
werden, das heisst, ich muss hundert
Prozent bereit sein. Meistens, wenn ich
die Mitschnitte meiner Konzerte höre,
finde ich immer ganz viele Dinge, die
mir nicht wirklich gefallen, auch wenn
anderes ganz in Ordnung ist. Aber meis-
tens habe ich überhaupt keine Lust, mir
zuzuhören.»
Das CD-Programm steht noch nicht
fest. Vojin schwebt entweder eine Ge-
samteinspielung des Gitarrenwerks von
Giulio Regondi (von dem er auch ein
Stück in Luzern spielt) oder dann ein
Rezital-Programm vor. Das Konzert in Lu-
zern wird auch aufgenommen und veröf-
fentlicht. «Noch ein Grund, hundert Pro-
zent bereit zu sein, damit ich mir selber
dann vielleicht doch zuhören mag.»
Vojin Kocic (Gitarre)
«Ein neues Instrument ist wie Rückenwind»
t h e m a34
Pierre Boulez feiert 2015 seinen 90. Geburtstag. Lucerne Festival nimmt das zum Anlass, den französischen Komponisten und
Dirigenten zu feiern. Als Gründer und künstlerischer Leiter der Lucerne Festival Academy ist Boulez dem Lucerne Festival seit vielen
Jahren eng verbunden. Am 23. August öffnet das Festival die Säle des KKL Luzern und lädt Sie ein zu einem ganztägigen Marathon
der Moderne: Gemeinsam mit Mitgliedern des Ensemble intercontemporain interpretieren die Studierenden der Lucerne Festival
Academy wichtige, schon heute zu «Klassikern» gewordene Meisterwerke des Jubilars. Und weil Boulez nie bloss zurückgeblickt,
sondern immer das Neue gesucht hat, tritt sein Schaffen in einen Dialog mit Uraufführungen zahlreicher Gratulanten.
Reinhard Kager (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Die vielfältigen Facetten des Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez
Verstand und Sinnlichkeit
t h e m a 35
Im Oktober 1951 hatte ein mittleres
Erdbeben die Musikwelt erschüttert
und einige Kritiker so in Rage gebracht,
dass sie von einem Totengräber der Mu-
sik sprachen, dessen Werk in einem
Verwesungsprozess befindlich sei. Dem
solche Schelte galt, war ein damals 26
Jahre junger Schüler von Olivier Mes-
siaen und René Leibowitz, der das bis
dahin übliche musikalische Material
radikal zuspitzte, aufsprengte und auf-
hob. Sein Name: Pierre Boulez; das
Stück: «Polyphonie X» für 18 Soloinst-
rumente.
Was mochte bei der Uraufführung
dieser viertelstündigen Komposition in
Donaueschingen solch einen Schock
verursacht haben? Anknüpfend an Ar-
nold Schönberg, hatte der am 26. März
1925 in Montbrison geborene Boulez
die Zwölftontechnik um einige ent-
scheidende Komponenten bereichert:
Nicht nur die Tonhöhe, sondern auch
die Dauer, Dynamik und Artikulation
der Töne werden von ihm durch Rei-
henkonstruktionen bestimmt. Das war
die Geburtsstunde der seriellen Musik,
an deren Entstehung ausser Boulez
auch der Deutsche Karlheinz Stockhau-
sen und der Italiener Luigi Nono mass-
geblich beteiligt waren.
«Polyphonie X» enthält auf verschie-
denen Ebenen Reihenstrukturen, die ei-
nander kreuzen und in einem Umkehr-
und Austauschvorgang befindlich sind.
Das ,X› im Titel des Werks ist daher auch
als grafisches Symbol zu verstehen, das
den kompositorischen Strukturgedan-
ken versinnbildlichen soll: ein «Kreuz-
spiel» (1951/59), wie Stockhausen eine
nicht minder bedeutsame serielle Kom-
position der ersten Stunde nannte. Das
klangliche Resultat der mit geradezu
mathematischer Genauigkeit konstru-
ierten Komposition ist nüchtern, streng,
puristisch. Diese Nicht-Expressivität er-
hitzte die Gemüter.
Heute, mit neunzig Jahren, sieht
Boulez die einstigen Aufregungen na-
türlich weit gelassener – und kritischer:
«Die teilweise absurd strengen Gesetze,
nach denen man Anfang der 1950er-
Jahre gearbeitet hat», erzählte der fran-
zösische Komponist dem Autor, hätten
tendenziell dazu geführt, «ein Skelett zu
zeigen». Deshalb sei es schon wenig spä-
ter sein Ziel gewesen, «wieder Sponta-
neität, Ausdruck und Freiheit innerhalb
der Disziplin zu finden.» Bereits in den
1950er-Jahren versuchten Boulez, Nono
und Stockhausen auf je eigene Weise,
die Prinzipien des seriellen Denkens in
Kompositionen weiterzuentwickeln, die
nicht nur den Reihenprinzipien, son-
dern auch einer innermusikalischen Lo-
gik folgen.
Zu jenen Stücken aus dieser Über-
gangsphase zählt etwa «Le marteau
sans maître» für Mezzosopran und
sechs Instrumentalisten (1953/55), in
dem Boulez den Gesang nicht bloss
zur musikalischen Illustration des Texts
von René Char zu verwenden, sondern
als gleichberechtigtes Moment in den
«Ein Tag für Pierre Boulez»
Pierre Boulez, der Gründer und Künstlerische Leiter der Lucerne Festival Academy, feiert 2015
seinen 90. Geburtstag. Lucerne Festival nimmt das zum Anlass, Pierre Boulez zu feiern. Am 23.
August öffnen wir die Säle des KKL Luzern und laden Sie ein zu einem ganztägigen Musikma-
rathon: Gemeinsam mit den Mitgliedern des Ensemble intercontemporain interpretieren die
Studierenden der Lucerne Festival Academy wichtige, schon heute zu «Klassikern» gewordene
Meisterwerke des Jubilars. Und weil Boulez nie bloss zurückgeblickt, sondern immer das Neue
gesucht hat, tritt sein Schaffen in einen Dialog mit Uraufführungen zahlreicher Gratulanten.
13.30, 18.00 und 19.00 Uhr, KKL Luzern,
Dachterrasse
Chiaki Tsunaba, Justin Frieh
Boulez Dialogue de l’ombre double für
Klarinette und Tonband
14.00 Uhr, KKL Luzern, Luzerner Saal
Boulez-Hommage 1
Ensemble intercontemporain,
Studierende der Lucerne Festival Academy,
Matthias Pintscher
Boulez Rituel in memoriam Bruno Maderna
Uraufführungen von Pintscher und Mason
15.15 und 16.00 Uhr, Kunstmuseum
Luzern
Boulez-Hommage 2 & 3
Ensembles der Lucerne Festival Academy
Julien Leroy, Yi Wei Angus Lee, Raphaël
Ginzburg, Jaclyn Dorr
Boulez Messagesquisse (zwei Fassungen)
Boulez Mémoriale (… explosante-fixe …
Originel)
15.15 Uhr, KKL Luzern, Terrassensaal
Boulez-Hommage 4 |
Streichquartette der Lucerne Festival
Academy
Berg Lyrische Suite
16.00 Uhr, KKL Luzern, Terrassensaal
Boulez-Hommage 5
Streichquartette der Lucerne Festival
Academy
Boulez Livre pour Quatuor
17.00 Uhr, KKL Luzern, Luzerner Saal
Boulez-Hommage 6
Ensemble intercontemporain,
Studierende der Lucerne Festival Academy,
Matthias Pintscher, Sarah Maria Sun
Boulez Sur Incises
Uraufführungen von Holliger und Machover
18.30 Uhr, KKL Luzern, Konzertsaal
Einführung zum Sinfoniekonzert 10 |
Response-Projekt zu Boulez’ Notations
mit Richard McNicol, Aleksandar Acev und
Luzerner Kindern
19.30 Uhr, KKL Luzern, Konzertsaal
Sinfoniekonzert 10 – Boulez-Hommage 7
Lucerne Festival Academy Orchestra
Mariano Chiacchiarini, Julien Leroy,
Matthias Pintscher
Boulez Notations I–IV und VII (Fassungen
für Klavier und Orchester)
Pintscher Osiris
Uraufführungen von Kurtág, Moussa,
Peszat und Rihm
t h e m a36
musikalischen Gesamtkontext zu integ-
rieren suchte. Wesentliche Schritte auf
dem Weg zu einer neuen Freiheit, setzte
Boulez in den zwischen 1956 und 1961
komponierten «Structures pour deux
pianos, Livre II», die aus dem Material
eines der strengsten je komponierten
seriellen Werkes, den 1951–52 entstan-
denen «Structures I», mittels neuer,
flexiblerer Formen entwickelt wurden.
Dazu liess sich Boulez durch die Aleato-
rik John Cages inspirieren: Die Abfolge
einiger Passagen des rund halbstündi-
gen Stücks sowie die Auswahl der Ar-
tikulationstechniken werden nämlich
den Interpretinnen und Interpreten
überlassen.
Bei der Uraufführung 1961 in Do-
naueschingen, die Boulez selbst ge-
meinsam mit Yvonne Loriod spielte, war
«Chapitre II» der «Structures II» folge-
recht in zwei Versionen zu hören. Womit
eine weitere Facette dieses vielseitigen
Künstlers aufleuchtet: jene als Interpret
seiner eigenen Werke und bald auch
schon als Dirigent von internationalem
Rang. 1959 bei den Donaueschinger
Musiktagen für den erkrankten Hans
Rosbaud eingesprungen, hatte Boulez‘
Auftritt mit dem Südwestfunk-Orches-
ter Baden-Baden solch ein Aufsehen er-
regt, dass zahlreiche Einladungen unter
anderem nach Los Angeles, Cleveland
und New York folgten, wo er von 1971
bis 1977 das New York Philharmonic
Orchestra leitete. Gleichzeitig, von 1971
bis 1975, war Boulez auch Chefdirigent
des BBC Symphony Orchestra in Lon-
don. In die Musikgeschichte eingegan-
gen sind nicht nur seine Deutungen der
Werke Gustav Mahlers und Claude De-
bussys, sondern vor allem auch seine In-
terpretation von Richard Wagners «Ring
des Nibelungen» in der Bayreuther In-
szenierung von Patrice Chéreau Ende
der 1970er-Jahre.
Obwohl Boulez nach den Struc-
tures II nur noch zwei kurze Solokla-
vierwerke komponierte, wirkt die Ge-
dankenwelt dieses Stücks mit seinen
beständigen Verweisen, Querverbin-
dungen und offenen Abfolgen in vie-
len seiner Orchester- und Ensemble-
stücken von «Pli selon pli» (1957/89)
und «Éclat» (1965) bis zu «Répons»
(1981/85) und «…explosante-fixe…»
(1991/93) fort. Wie wichtig für Boulez
selbst sein frühes Klavierschaffen ist,
zeigt sich auch in zahlreichen Bearbei-
tungen: Drei Jahrzehnte nach dem Ent-
stehen seines Opus 1, den «Douze No-
tations», begann er fünf dieser kurzen
Klavierstücke für grosses Orchester um-
zuarbeiten. Auch sein bislang vorletz-
tes Klavierwerk, «Incises» (1994/2001)
fand in dem Ensemblestück «Sur In-
cises» (1996–98/2006) einen auch in
den zeitlichen Dimensionen erheblich
vergrösserten Widerhall.
Boulez› Hang, Stücke einer Revision
zu unterziehen, sie umzuarbeiten und
weiterzudenken, führte 1969 zumin-
dest indirekt zu einer für sein Schaffen
enorm wichtigen Gründung: des Pariser
«Institut de Recherche et de Coordina-
t h e m a 37
tion Acoustique/Musique», kurz IRCAM
genannt. Womit eine dritte Facette die-
ses vielfältigen Künstlers aufblitzt: jene
des Organisators und Initiators Boulez,
der seit der Eröffnung dieses führenden
Elektronik-Instituts im Jahr 1977 ent-
scheidende Impulse für die Entwicklung
der elektronischen Musik in Europa
gab. Ein Jahr davor, 1976, hatte er mit
dem «Ensemble InterContemporain»
auch eines der ersten europäischen
Kammerorchester ins Leben gerufen,
das sich ganz dem Repertoire des zeitge-
nössischen Komponierens verschreibt.
Auf die Gründung des IRCAM
drängte Boulez nicht zuletzt deshalb,
weil er mit seinem ersten elektronischen
Stück 1958 in Donaueschingen geschei-
tert war: Bereits damals hatte sich der
französische Komponist mit der Verbin-
dung von instrumentalen und künstlich
erzeugten Klängen auseinandergesetzt.
Doch war «Poésie pour pouvoir» für
Tonband und drei Orchester gedank-
lich dem Stand der Technik dieser Zeit
so weit voraus, dass Boulez dieses Stück
nach der Uraufführung wieder zurück-
zog. Das Tonband erwies sich als zu un-
flexibel, um eine wirklich fluktuierende
Beziehung zwischen elektronischen und
instrumentalen Klängen herstellen zu
lassen.
Was Boulez vorschwebte, die Verän-
derung der Instrumentalklänge in Echt-
zeit, wurde erst durch die Entwicklung
des Computers möglich gemacht. Die-
ses live-elektronische Verfahren wandte
Boulez erstmals 1981 in seinem Ensem-
blestück «Répons» an – unterstützt vom
«4X», einer leistungsfähigen Worksta-
tion, die Giuseppe di Giugno am IRCAM
entwickelte. Mit Hilfe dieses elektroni-
schen Equipments realisierte Boulez
eine Art modernes Responsorium, in
dem die Klänge räumlich aufgefächert
werden: Durch eine elektronische Steu-
erung wandern diese gleichsam zwi-
schen sechs Lautsprechern im Saal, in
dessen Mitte das 24-köpfige Ensemble
platziert ist, das mit sechs, wechselweise
auch elektronisch verfremdeten Solis-
ten kommuniziert.
Als Weiterentwicklung von «Répons»
war zwischen 1991/93 ein weiteres elek-
tronisches Werk für Ensemble und drei
Soloflöten entstanden: «…explosante-
fixe…» erinnert an ein instrumentales
Tripelkonzert, zumal der Einsatz einer
der drei Soloflöten als MIDI-Instrument
dem Stück an einigen Stellen geradezu
orchestrale Dichte verleiht. Im fiktiven
Zusammenspiel mit ihren eigenen, elek-
tronisch reproduzierten Klängen befin-
det sich wiederum die Soloklarinette in
«Dialogues de l›hombre double» (1984),
in dem die Töne gleichfalls raffiniert im
Raum bewegt werden. Kein Zweifel, mit
Hilfe der Live-Elektronik und neu er-
dachter musikalischer Formen ist Pierre
Boulez seit den 1980er-Jahren an sein
Ziel gelangt: eine komplexe neue Mu-
sik zu schaffen, die dennoch nicht an
ihrem eigenen Regelwerk erstickt und
dadurch zum Vorbild künftiger Genera-
tionen wurde.
t h e m a38
Der Künstler Johannes Willi ist Gewinner des dritten gemeinsamen «Soundzz.z.zzz…z»-Wettbewerbs von Lucerne Festival und
Kunstmuseum Luzern. Im Konzertsaal des KKL lässt er Beethovens Fünfte Sinfonie aufführen – mit Instrumenten, die er selbst aus
Alltagsmaterialien hergestellt hat. Geplant ist eine amüsante, aber auch hintergründige Performance. Ein Atelierbesuch.
Alfred Ziltener (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Johannes Willi – an den Schnittstellen zwischen Leben und Kunst
Beethoven vom Baumarkt
Im Atelier des jungen Basler Künstlers
Johannes Willi ist kaum noch Platz für
Besucher. Man steigt behutsam über die
vielen Musikinstrumente, die über den
ganzen Boden verstreut sind, umkurvt
vorsichtig herumliegende Celli und
Kontrabässe um zu den beiden Stühlen
am Fenster zum Rhein zu gelangen.
Die Instrumente sind Bestandteile des
Johannes Willi: «Wir sind gewohnt, in festen
Kategorien zu denken. Ich möchte diese
starren Vorstellungen aufbrechen und Denk-
räume dazwischen öffnen, in denen komplexe
Fragestellungen möglich sind».
Projekts «Beethovens Fünfte Sinfonie»,
das der Künstler am diesjährigen Lucer-
ne Festival präsentieren wird. Er hat da-
mit den Wettbewerb «Soundzz.z.zzz...z»
gewonnen, den das Festival und das
Kunstmuseum seit 2013 gemeinsam
jedes Jahr ausschreiben. Dabei kann
jeweils ein junger Künstler eine per-
formative Arbeit an der Schnittstelle
von Musik und Bildender Kunst reali-
sieren.
Die Instrumente hat Willi selbst ge-
baut, improvisierend, ohne profundes
musikalisches Wissen. Die «klassische»
Musik sei ihm eigentlich eher fremd,
erzählt er. Die Materialien hat er sich
im Baumarkt besorgt. So besteht der
Korpus der Streichinstrumente aus
t h e m a 39
hat, nimmt denn auch Themen auf, die
ihn in seiner künstlerischen Arbeit im-
mer wieder beschäftigen.
Willi ist auf einem Umweg zur Bil-
denden Kunst gekommen. 1983 in Ba-
sel geboren, im basellandschaftlichen
Lausen aufgewachsen, hat er zunächst
ein Jahr als Moderator und Redaktor
beim damaligen Jugendsender «Viva»
gearbeitet, und anschliessend an der
Zürcher Hochschule der Künste den
Studiengang «Style and Design», mit
dem Schwerpunkt Trendforschung,
belegt. Für seine Bachelor-Arbeit hat
er Handwerker aus unterschiedlichen
Berufen interviewt und mit der Kame-
ra porträtiert. Diese Faszination für das
Handwerk schwingt auch im Projekt
«Beethovens Fünfte Sinfonie» mit, ei-
nerseits für das Handwerk des Instru-
mentenbauers, andererseits für jenes
der Musiker, die er als «Handwerker im
besten Sinn» betrachtet.
Das Studium habe ihm, erzählt er,
neue Wege gewiesen, vor allem jenen
zur Bildenden Kunst. So wechselte er an
das Institut Kunst der Fachhochschule
Nordwestschweiz, wo er 2013 mit dem
Master abschloss. Möglicherweise ist
diese Ausbildung in zwei Sparten mit ein
Grund dafür, dass Willi sich besonders
mit den Schnittstellen zwischen unter-
schiedlichen Bereichen des Lebens und
der Kunst beschäftigt. Ihn interessiert
das Uneindeutige, das dem Denken
Freiheit gibt. «Wir sind gewohnt, in fes-
ten Kategorien zu denken. Ich möchte
diese starren Vorstellungen aufbrechen
und Denkräume dazwischen öffnen, in
denen komplexe Fragestellungen mög-
lich sind», erklärt er im Gespräch. So
hat er vor einigen Jahre als Werbe-Mo-
del für einen Znüni-Snack gearbeitet;
das entsprechende Plakat hat er später
gerahmt und in einer Ausstellung ge-
zeigt: Ist das nun noch Werbung – oder
doch Kunst? Die Frage muss sich wohl
jeder selbst beantworten.
Willi ist auch Initiant und Leiter
der Kunstbuchmesse «I Never Read,
Art Book Fair Basel» die seit vier Jahren
jeweils während der ART Basel statt-
findet – auch das Kunstbuch ist ja ein
Grenzphänomen, einerseits Buch, an-
dererseits Kunstgegenstand. – Das Beet-
hovenprojekt wiederum bewegt sich
zwischen Bildender Kunst und Musik.
Zwar sind Willis Instrumente Kunstob-
jekte und werden ja auch im Museum
gezeigt, aber Musiker erzeugen darauf
Klänge. – Bei unserem Gespräch Mitte
Juli stand das erste Treffen zwischen
Künstler und Musikern noch bevor, bei
dem Willi seine Absichten erklären soll-
te. Er sei gespannt auf ihre Reaktion,
erzählt er. Sie müssten schliesslich ihre
gewohnten Gleise verlassen, denn mit
den erlernten Spieltechniken kämen
sie nicht weiter.«Ich hoffe, dass sie diese
Herausforderung lustvoll und mit einer
Prise Selbstironie annehmen. Die neu-
en Instrumente geben ihnen ja auch die
Freiheit, selber kreativ zu werden und
im Laufe der Aufführung eigene Strate-
gien zu entwickeln, um die Tücken der
Objekte zu überwinden. In diesem Sinn
gebe ich ihnen Carte Blanche. Und
damit entfällt auch der Druck der Kon-
zertsituation; hier braucht für einmal
keiner Angst vor dem Versagen zu ha-
ben.» Willi sieht die Performance auch
als Abenteuertrip, den die Musiker ge-
meinsam bewältigen müssen. Von die-
ser Gemeinschaft nimmt er sich nicht
aus: «Ich bin der Instrumentenbauer
und stehe quasi mit dem Orchester auf
dem Podium.»
Johannes Willi – Beethoven
Beethovens Fünfte Sinfonie – Performance
mit der Lucerne Festival Academy
29. August 2015, 11.00 Uhr, KKL Luzern,
Konzertsaal
Präsentation der gebauten und verwende-
ten Instrumente
14. – 28. August / 30. August –
13. September 2015
Kunstmuseum Luzern
Finissage und LP-Release
13. September 2015, 15.00 Uhr
Kunstmuseum Luzern
«…lustvoll und mit einer Prise Selbstironie»
Pappelholz, das normalerweise für
Laubsägearbeiten verwendet wird, die
Saiten sind aus Stahldraht. Die Bogen,
ebenfalls aus Laubsäge-Holz, sind mit
Bast bespannt, die Pauken aus Kupfer-
blechplatten zusammengenietet. Hör-
ner, Trompeten und Posaunen hat Willi
aus Kupferblech und Sanitär-Rohren
gelötet. Die Grösse ist in etwa jene der
richtigen Instrumente; Willi hat sich
nach den Massangaben bei Wikipedia
gerichtet.
Insgesamt 49 solcher Instrumente
hat der Künstler geschaffen, die Beset-
zung eines kleinen Sinfonieorchesters
also. Am 29. April wird die Lucerne Fes-
tival Academy unter dem jungen argen-
tinischen Dirigenten Mariano Chiacchi-
arini in einer Matinee im Grossen Saal
des KKL mit Willis Kreationen Ludwig
van Beethovens Fünfte Sinfonie auffüh-
ren – besser vielleicht: den Versuch ma-
chen sie aufzuführen. Denn wie diese
Instrumente klingen, ob sie überhaupt
klingen, wird sich erst dann zeigen.
Und natürlich haben sie ihre spieltech-
nischen Tücken, auf welche die Musiker
erst während des Konzerts reagieren
können. Geprobt wird zuvor nämlich
auf den eigenen, konventionellen Ins-
trumenten. Willis Nachbauten werden
dem Orchester erst eine halbe Stunde
vor Konzertbeginn ausgehändigt, so
dass gerade mal Zeit bleibt für ein erstes
Anspielen. Es sei auch nicht sicher, sagt
Willi, dass die teilweise fragilen Konst-
ruktionen das Konzert heil überstehen;
es könne gut sein, dass etwa eine Geige
dem temperamentvollen Bogenstrich
des Interpreten nicht gewachsen sei.
Damit kommen ganz neue Herausfor-
derungen auf die Musiker zu – und das
Publikum wird wohl einiges zu lachen
haben, ganz dem diesjährigen Festival-
motto «Humor» entsprechend.
Das Konzert wird auf Video und
in einer eng limitierten künstlerisch
gestalteten Edition von zehn Acetat-
Schallplatten festgehalten. In den zwei
Wochen vor und nach der Performance
sind die Instrumente im Kunstmuseum
Luzern ausgestellt und zu besichtigen.
Nach dem Konzert werden sie nicht re-
pariert, sondern kehren so, wie sie sind,
ins Museum zurück.
Ist das alles einfach ein sehr auf-
wendiger Gag? Eine Beethoven-Parodie
gar? Nein, erklärt Willi. Auf die «Fünf-
te» hätten sich die Festivalleitung und
er selbst geeinigt, weil sie sehr bekannt
sei; das Publikum wisse, wie sie eigent-
lich klingen müsste, und nur so könne
die Performance ihre Wirkung ent-
falten. Dabei sollen sich die Leute na-
türlich amüsieren, doch es geht dem
Künstler um mehr. Das Projekt, das er
schon lange mit sich herumgetragen
Musiques Suisses – Schweizer Klassik, Neue Volksmusik und Jazz
Urs Bollhalder TrioEventide
MGB Jazz 15
hornroh modern alphorn quartetgletsc
MGB-NV 31 (2 CDs)
David Philip Hefti
Grammont Portrait CTS-M 145 MGB CD 6284
Musiques Suisses/Neue Volksmusik wird getragen von Pro Helvetia, Suisa-Stiftung, Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz, Haus der Volksmusik Altdorf und Migros-Kulturprozent.
Pro Helvetia, Suisa, Suisa-Stiftung, Schweizerischer Tonkünstlerverein, Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft und Migros-Kulturprozent bilden die Trägerschaft von Grammont Portrait.
online shop: www.musiques-suisses.chEin Projekt des
1 Magma2 Lichter Hall3 Beethoven-Resonanzen4 Hamlet-Fragment
5 Klangscherben 6 Interaktionen7 Adagietto
Balthasar Streiff, Alphorn und BüchelMichael Büttler, Alphorn und BüchelJennifer Tauder, Alphorn und StimmeLukas Briggen, AlphornGast: Pit Gutmann, Perkussion und Klangobjekte
Malwina Sosnowski, ViolineRebekka Hartmann, ViolineBenyamin Nuss, Klavier
Urs Bollhalder, KlavierHeiri Känzig, KontrabassKevin Chesham, Schlagzeug
t h e m a 41
c o m p o s e r42
Jürg Wyttenbach ist kein Komponist, der im Abstrakten operiert. Zwar empfing auch er einst serielle Anregungen und experimen-
tierte auf diesem Feld. Aber irgendwann genügte es ihm nicht mehr, die Töne brachen aus und auf, gebärdeten sich, aktionistisch,
theatral – und so entstand Wyttenbachs eigener Stil. Der Berner Komponist und Pianist ist diesen Sommer Composer-in-Residence
beim Lucerne Festival und erinnert sich dabei musikalisch an seine Freundschaft mit Mani Matter.
Thomas Meyer (Text) & Priska Ketterer (Bilder)
Jürg Wyttenbach ist Composer-in-Residence beim Lucerne Festival 2015
Der Unfall
c o m p o s e r 43
«Jetz blased eus i d Schue, jetz heimer
gnue», reimten die beiden zur Matura-
feier 1955 und verabschiedeten sich mit
einem Fusstritt von ihren Lehrern. Die
frechen Verse entsprangen nicht dem
Moment, sondern setzten einen ersten
Punkt hinter eine lange gemeinsame
Zeit. Seit dem Kindergarten waren Jürg
Wyttenbach und Mani Matter befreun-
det, sie gingen gemeinsam zur Schule,
ins Progymnasium am Waisenhausplatz
und ins Gymnasium Kirchenfeld – und
dürften da schon so manchen artisti-
schen Streich geführt haben. Ihre Wege
führten danach auseinander: Matter
begann in Bern Jus zu studieren, was er
auch bis zum Doktor durchzog. Später
unterrichtete er an der dortigen Uni-
versität; daneben begann er mit seinen
Chansons aufzutreten und wurde zum
wohl bekanntesten der Berner Trouba-
dours. Wyttenbach hingegen wählte di-
rekt die künstlerische Laufbahn, studier-
te in Bern bei Kurt von Fischer Klavier,
und wie so viele seiner Altersgenossen
Komposition bei Sándor Veress; dann
ging er nach Paris zu Yvonne Lefébure
und Joseph Calvet, unterrichtete später
und wohnt sein Langem in Basel.
Freilich setzten sie auch nach der
Matura ihre Freundschaft und die Zu-
sammenarbeit fort. Als Wyttenbach für
einen Weihnachtsmarkt Melodien auf
volkstümliche Gedichte komponiert
hatte, mit den Texten aber unzufrieden
war, schrieb ihm Matter neue unter die
bestehende Musik. So entstand, wie Wyt-
tenbach erzählt, «ein Zyklus, in dem wir
die Geschichte weiterzogen»: die zehn
Scherzlieder Sutil und Laar. Weitere Pro-
jekte folgten, diverse Canzonen etwa.
Geplant war vor allem eine Oper, in der
die beiden das Genre auseinanderneh-
men wollten – nach allen Regeln der
Kunst zerlegten sie es in seine Bestand-
teile: Sologesang, Chorgesang, Gestik,
Instrumentalmusik, und setzten sie neu
zusammen. Heraus kam die Geschichte
eines Cellisten, der in dreifacher Person
auftritt: als Pantomime-Clown, als ver-
nünftiger Sprecher und als emotional
reagierender Cellist.
Die Hamburger Staatsoper, gelei-
tet damals vom initiativen Rolf Lieber-
mann, war interessiert. Titel: Der Unfall. Der Text lag vor; Wyttenbach war schon
am Komponieren, da starb Mani Matter
am 24. November 1972 in Kilchberg am
Zürichsee – bei einem Autounfall. «Da-
nach hatte ich keine Lust mehr daran
weiter zu arbeiten», sagt Jürg Wytten-
bach. Und doch liess ihn das Projekt nie
ganz los. Es hat ihn regelrecht verfolgt.
Erst jetzt freilich, nach über vierzig Jah-
ren, konnte er sich wieder daran wagen.
Altes hat er übernommen, neues hin-
zukomponiert; und so wurde Der Unfall als Madrigalspiel für zehn Mitwirkende
vollendet. Beim Lucerne Festival, wo
Wyttenbach heuer neben Tod Machover
als Composer-in-Residence zu Gast ist,
wird es nun uraufgeführt – unter dem
Gesamttitel: «WyttenbachMatterial».
Da haben wir schon vieles beisam-
men, was die Musik dieses Komponis-
ten ausmacht. (Er ist, nebenbei gesagt,
auch ein engagierter Dirigent und ein
hervorragender Pianist: Man höre sich
einmal die Hammerklaviersonate und die
dritte Boulez-Sonate mit ihm an!) Wyt-
tenbach liebt den schrägen Witz in Wort
und Musik, spielt gern mit den Genres,
verdreht sie und führt sie zu ungewohn-
ten Resultaten. Insofern passt er bestens
zum Luzerner Festivalthema «Humor».
Ein Vorbild dafür ist ihm der wortgewal-
tige François Rabelais (1494-1553), des-
sen Riesengestalten Gargantua, Badebec
und Pantagruel immer wieder durch sein
Oeuvre geistern. Die Bücher des franzö-
sischen Arztes, Naturwissenschaftlers,
Diplomaten, Humanisten und Schrift-
stellers hätten ihn sofort in den Bann
gezogen, sagt Wyttenbach. Rabelais
habe alle französischen Dialekte in seine
Sprache einbezogen, über einen giganti-
schen Wortschatz verfügt und dabei mit
«Fortgesetztes Inhalieren von Luftschlössern schadet Ihrer Gesundheit!»
Jürg Wyttenbach –
«Composer-in-Residence»
21. und 22. August, 19.30 Uhr, Luzerner
Theater
«WyttenbachMatterial»
Instrumental- und Vokalwerke. U.a.
«Der Unfall» (UA)
Basler Madrigalisten, Raphael Immoos
(Dirigent).
Désirée Meiser (Szenische Einrichtung)
22. August, 11.00 Uhr, MaiHof
«Moderne 2»
U.a. «Cortège pour violon, accompagné de
…La Fanfare Harmonie du village»
Junge Philharmonie Zentralschweiz,
Jürg Wyttenbach (Leitung)
Carolin Widmann (Violine)
22. August, 16.00 Uhr, MaiHof
«Moderne 3»
«Gargantua chez les Helvètes due Haut-
Valais oder: Was sind das für Sitten?»
UA der Bearbeitung für Ensemble,
Alpini Vernähmlassig,
Franziskus Abgottspon (Sprecher)
c o m p o s e r44
Altes übernommen, neues hinzukomponiert –
Jürg Wyttenbachs einst mit Mani Matter
für Hamburg geplante Oper kommt unter
dem sinnigen Titel «WyttenbachMatterial»
als Madrigalspiel zur späten Uraufführung.
c o m p o s e r 45
literarischen Formen wie der konkreten
Poesie oder dem inneren Monolog ex-
perimentiert, die erst im 20. Jahrhundert
wieder aktuell wurden. «Sein grosser
Freiheitsdrang ist wie ein Strom, der al-
les überschwemmt und in dem alles Platz
hat, das Verrückteste und das Blasphe-
mischste, aber auch das Intelligenteste.
Für mich ist er der erste moderne, auf-
geklärte Mensch, und seine Form des
‘Roman fleuve’ spricht mich sehr an.
Man kann überall einsteigen und immer
wieder etwas Tolles finden, ohne an eine
romantische Geschichte gebunden zu
sein, die von A bis Z abläuft.»
Und er beliess es dabei nicht bei einer
Renaissance-Kopie, sondern transferier-
te Rabelais in die Schweiz. Für die «Deux Chansons burlesques et un Rondeau-Tango suivi d’une Epitaph» hat Wyttenbach die
Texte ins Berndeutsche übertragen. In
«L’ours bernois aprés la défaite à Mari-
gnano» etwa wird der Berner Bär nach
der Niederlage von Marignano 1515
verspottet – und diesen Spott bezieht
der Komponist gewiss nicht nur aufs 16.
Jahrhundert. In der «Badinerie Lamten-
toroso» gerät’s manchmal ins Unflätige.
Wie so oft müssen die Instrumentalisten
dort auch sprechen, singen und agieren.
Für die Oberwalliser Spillit hat Wytten-
bach daraus sogar ein Musiktheaterstück
gemacht: «Gargantua chez les Helvètes du Haut-Valais» oder: «Was sind das für Sit-ten!?» Der Held gerät da unter die Walli-
ser – was nicht ganz trocken abgeht. Er
habe einst als Jugendlicher, so erzählt
Wyttenbach, im Oberwallis zum ersten
Mal in seinem Leben richtige Volksfes-
te im Freien mit Musik und Tanz, aber
auch mit Saufereien und Schlägereien
erlebt. «Auch die Maultiere als Trans-
portmittel sind mir noch in lebendigster
Erinnerung, ebenso die Priester in ihren
schwarzen Röcken, die oft die gewag-
testen Geschichten beim Raclette-Essen
erzählten.» Und «im Militär gab es mit
den Wallisern immer Krawall, wenn sie
etwas zu viel getrunken hatten», – alles
ganz wie in jenem bekannten kleinen
gallischen Dorf in der Bretagne, das er
durchaus gelegentlich zitiert.
Das Rabelais’sche schwappt aber
auch in die anderen Stücke über. Ein
Violinkonzert ist da kein Konzert mehr,
sondern wird zum kuriosen Cortège pour violon, accompagné de «La Fanfare Harmo-nie du village». Die Solistin Carolin Wid-
mann führt darin als «Harlekin des To-
des» eine imaginäre Dorfmusik an, die
Basstuba wird zum übergewichtigen Bür-
germeister, die Trompeten sind zwei Ve-
teranen der Revolution. Inspiriert wurde
Wyttenbach dabei von Gustave Courbets
Gemälde Ein Begräbnis in Ornans. All das zeigt uns auch: Wyttenbach
ist kein Komponist, der im Abstrakten
operiert. Wie seine Altergenossen Heinz
Holliger und Hans Ulrich Lehmann hat
er zwar einst in Basel von Pierre Boulez
und Karlheinz Stockhausen wichtige An-
regungen empfangen, und er hat eine
Zeit lang auch im Seriellen komponiert,
aber irgendwann genügte das nicht
mehr, da brachen die Töne aus und auf,
gebärdeten sich, aktionistisch, theatral
– und so entstand Wyttenbachs eigener
Stil. Einen «Anreger neuer Vermittlungs-
formen und Erfinder hintersinnig skur-
riler Stücke des instrumentalen Thea-
ters», nannte ihn der Musikschriftsteller
Ulrich Dibelius in seinem Buch Moderne Musik II – 1965-1985 und schrieb: «Seit
1969, nachdem er Serielles und Postse-
rielles mit wacher Intelligenz erprobt
hatte, sind für Wyttenbach musikalische
Verhältnisse und existenzielles Verhal-
ten, besonders in Zuständen von Not,
Exaltation, Sinnverfall und Alpträumen,
unlöslich aneinander gebunden.» Seine
«aufschreckende clowneske Doppelbö-
digkeit», wie sie etwa in den Matter-Stü-
cken aufscheint, ist zum Beispiel thema-
tisiert in den Trois chansons violées pour
une violoniste chantante oder in den
Posaunensolo D‘(h)ommage oder: Freu(n)de, nicht…, wo Beethovens Neunte ausei-
nander zitiert wird. Mit diesem Klassiker
hat sich Wyttenbach ohnehin zeitlebens
auseinandergesetzt, und das auf kreative
Weise: Nicht nur interpretierend, son-
dern auch den Fragmenten und Skizzen
aus den späten Klaviersonaten nachkom-
ponierend und sie weitertreibend – was
zu überraschenden Ergebnissen führte.
Beethoven: Sacré – Sacré Beethoven? hiess
eine andere Hommage von 1977. Sein
Schaffen nämlich entzündete sich – ge-
rade auch in der pädagogischen Arbeit
an der Musikhochschule – immer wie-
der an der Vergangenheit. Mozarts Fa-
schingspantomime verwandelte sich so
in eine Harlekinade; Arnold Schönberg
und Charles Ives gerieten in neue musik-
theatrale Zusammenhänge, etwa in der
Ives-Collage Patchwork an der Wäschelei-ne. Und Wyttenbach orchestrierte auch
den Liederzyklus Kinderstube von Modest
Mussorgski. Sein Umgang ist – bei allem
Respekt – stets ein schöpferischer. Dabei
bleibt halt manchmal kein Stein auf dem
anderen. Bezüglich seiner Serenade in Luftschlössern warnt der Komponist denn
auch: «Fortgesetztes Inhalieren von Luft-
schlössern schadet Ihrer Gesundheit!
Wer den Staub von meiner Serenade und
den anderen Stücken bläst und dadurch
bewirkt, dass das Luftschloss über ihm
einstürzt, ist selber schuld.»
21. August 2015 UA
WyttenbachMatterialKompositionen von Jürg Wyttenbach
Musikalische Leitung Raphael Immoos | Inszenierung Désirée Meiser
29. August 2015 UA
Orpheus. Factory.Elektronische Kammeroper von Jacob Suske
Inszenierung Jacob Suske
5. September 2015
Albert HerringComic Opera von Benjamin Britten
Musikalische Leitung Howard Arman | Inszenierung Tobias Heyder
25. September 2015 UA
Tanz 19: GiselleMusik von Adolphe Adam
Musikalische Leitung Boris Schäfer
Choreografie Gustavo Ramírez Sansano
1. Oktober 2015 SE
Bin nebenanStück von Ingrid Lausund
Inszenierung Maxime Mourot
9. Oktober 2015
HamletTragödie von William Shakespeare
Inszenierung Andreas Herrmann
25. Oktober 2015
Sweeney ToddMusical Thriller von Stephen Sondheim
Musikalische Leitung Florian Pestell
Inszenierung Johannes Pölzgutter
18. November 2015 SE
Undine – Die kleine MeerjungfrauKinderstück von Franziska Steiof
Inszenierung Claudia Brier
21. November 2015 WA
Tanz 20: NUTS! «Der Nussknacker»
Choreografie Kinsun Chan
10. Dezember 2015
Onkel WanjaSchauspiel von Anton Tschechow
Inszenierung Ueli Jäggi
23. Januar 2016
Béatrice et BénédictOpéra comique von Hector Berlioz
Musikalische Leitung Boris Schäfer
Inszenierung Béatrice Lachaussée
13. Februar 2016
Dantons Tod Drama von Georg Büchner
Inszenierung Andreas Herrmann
18. Februar 2016
Venus and AdonisOper von John Blow
Musikalische Leitung Johannes Strobl
Inszenierung Wolfgang Berthold
20. Februar 2016 SE
MonsterJugendstück von David Greig
Inszenierung Annina Dullin-Witschi
12. März 2016
NormaMelodramma von Vincenzo Bellini
Musikalische Leitung Howard Arman | Inszenierung Nadja Loschky
20. März 2016
Bastien und Bastienne Kinderkonzert
Singspiel von Wolfgang Amadé Mozart
Musikalische Leitung Florian Pestell
Szenische Einrichtung Dominique Mentha
24. März 2016 UA, SE
Tanz 21: Bolero plus 2Stephan Thoss | Didy Veldman | Idan Sharabi
8. April 2016 UA
BuschFehrKoch (Arbeitstitel)
Uraufführung von Dominik Busch, Michael Fehr und
Ariane Koch
In Zusammenarbeit mit Stück Labor Basel und
Zürcher Hochschule der Künste
15. April 2016 SE
Lehman Brothers.Schauspiel von Stefano Massini
Inszenierung Matthias Kaschig
1. Mai 2016
Il viaggio a ReimsDramma giocoso von Gioacchino Rossini
Musikalische Leitung Howard Arman
Inszenierung Dominique Mentha
20. Mai 2016
Über die Kunst seinen Chef anzusprechen und ihn um eine Gehaltserhöhung zu bittenKleine Katastrophen von Georges Perec und anderen
Inszenierung Andreas Herrmann
25. Mai 2016 UA
Dancemakers Series #7Choreografien aus dem Tanzensemble
3. Juni 2016
A Child of Our TimeOratorium für Soli,
Chor und Orchester von Michael Tippett
Musikalische Leitung Howard Arman
PREMIEREN SPIELZEIT 2015/16
UA UraufführungSE Schweizer ErstaufführungWA Wiederaufnahme
www.luzernertheater.ch
k o l u m n e 47
Komm raus!Den Witz in einem Musikstück zu entdecken, das ist eine Herausforderung. Sie macht uns zu Wissenden. Und das ist erst einmal ein
ziemliches Stück Arbeit.
Benjamin Herzog
Bayreuth, Sommer 2015. In der Pau-
se von «Tristan und Isolde» setzt sich
Bundeskanzlerin Angela Merkel im
Festspielrestaurant zum Kaffee nieder.
Ihr Stuhl bricht zusammen. Merkel auf
dem Boden. Ein unfreiwilliger Slapstick.
Spass an hehrem Orte. Bayreuth sonst
habe ihr dieses Jahr «gut gefallen», liess
die Kanzlerin nach der Premiere ver-
lauten. Oder, verschiedentlich schon
beobachtet: Dem Geiger eines Streich-
quartetts platzt eine Saite. Beim Frei-
luftkonzert weht der Wind einen Noten-
ständer um. Ein Handy klingelt zufällig
in der gleichen Tonart wie die Musik, die
so gestört wird. Ein bisschen peinlich.
Ein bisschen lustig.
Aber: Haben Sie schon mal im klas-
sischen Konzert über die Musik selbst
gelacht, innerlich geschmunzelt wenigs-
tens? Und das nicht wegen einer geplatz-
ten Saite, sondern wegen der Musik per
se. Ich behaupte, «nein»!
Versailles, März 1745. In der Gran-
de Ecurie wird Jean-Philippe Rameaus
Comédie Lyrique «Platée» vor royalem
Publikum aufgeführt. Komisch genug,
dass König und Konsorten sich Rameaus
neue Oper in einem Pferdestall anhö-
ren. Die Opernhandlung dreht sich um
die hässliche Wassernymphe Platée, wel-
che von sich glaubt, sie sei ästhetisch un-
widerstehlich. Rameaus eitel gurgelnde
Opernkröte war eine mehr als deutliche
Anspielung auf die neue Gattin des Dau-
phins, die spanische Infantin Maria The-
resia. Ihrerseits offenbar keine Schön-
heit. Lacher im Publikum waren dieser
Musik gewiss. Damals.
Wer lachen will, muss verstehen.
Braucht Kontext. Braucht eine Königin
mit Warzen im Gesicht, die er in einer
komischen Gesangsnummer wieder-
erkennt. Wenn diese Königin aber 250
Jahre alt ist, wo, pardon, ist da der Witz?
Im Witz solidarisieren wir uns mit
Gleichgesinnten. Mucken auf gegen Au-
toritäten, schiessen gegen Minoritäten.
Witz, komm raus! Der Witz bestärkt die
Gruppe. Bratschisten sind faul, darum
findet der Bratschist, der seinen Inst-
rumentenkoffer öffnet, eine verschim-
melte Bratsche vor und murmelt zer-
knirscht: «schon wieder». Haha.
Einer der letzten, der das begriffen
hat, war Loriot. Unvergessen, wie er als
fliegenfangender Abwart die Berliner
Philharmoniker dirigiert. Beethovens
Fünfte aus dem Geist der Fliegenklat-
sche.
Loriot konnte mit einem Bewusstsein
rechnen. Für Musik, für den Betrieb,
für deren Strukturen. Beethoven, der
wildlockige Komponist auf dem Sockel.
Der Dirigent als Oberlehrer, als Chef
d’Orchestre – und eben nicht als dessen
Abwart. Das funktioniert sogar noch im-
mer. Das Bewusstsein eines Systems und
somit auch das Erkennen eines Regel-
verstosses innerhalb dieses Systems.
Seminare sind dazu schon abge-
halten worden: «Deformation auf der
Struktur-Ebene als Merkmal verschleier-
ten Humors in Mozarts instrumentalen
Rondos». Oder: «Kitsch als unfreiwillig
komischer Moment in Zemlinskys See-
jungfrau». Die Titel dieser im Frühling
an der Musikhochschule Leipzig abge-
haltenen Vorlesungen machen es deut-
lich: Ohne Wissen kein Witz. Sich dieses
Wissen anzueignen, das ist erst einmal
ein ziemliches Stück Arbeit.
Musik kann sehr wohl witzig sein. Aus
sich selbst heraus, ohne hässliche Königin.
Wenn Joseph Haydn in seinen Rondi fal-
sche Zielgeraden einbaut. Wenn Mozart
die Dorfmusikanten seines entsprechen-
den Sextetts KV 522 in «falschen» Tonar-
ten spielen lässt. Ja selbst, wenn Richard
Strauss’ Alter Ego im «Heldenleben» vor
Musikkritikern und Ehefrauen einknickt.
Lustig. Wenn man’s denn versteht.
Und das ist die Herausforderung.
«Komische Musikstücke sind Verstösse»,
sagt der Pianist Alfred Brendel. Verstösse
bedingen Kenntnis der Regeln. Also nicht
das «Schön», wie es uns das Ohr noch so
gerne einflüstert. Oder das schmerzhafte
Sehnen (nach einer besseren Welt, nach
Verschmelzung, nach Gott?), das der Mu-
sik seit dem Mittelalter innewohnt und –
vielleicht am stärksten – in den Sinfonien
Bruckners gipfelt. Wo Inhalt also über
das Gefühl transportiert wird.
Der Witz bedingt, dass wir uns aus-
kennen. Achtung, jetzt müsste die To-
nika kommen! Dass wir Wissende sind
oder es werden. Das ist ein hoher An-
spruch. Viel Glück! Denn: Alles andere
wäre gelacht.
Ein heiteres Lachen für ein ernstes Geschehen: Jonathan Nott dirigierte vor zwei Jahren bei
Lucerne Festival Wagners «Ring». Dieses Jahr steht Verdis «Falstaff» auf dem Programm.
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WIR BRINGEN EUCH KLASSIK
Valery Gergiev
Grosse Orchester. Grosse Solisten. Grosse Entdeckungen. Kleine Preise.Orchester-Tourneen in Bern, Genf, Luzern, St. Gallen, Zürich
MIGROS-KULTURPROZENT-CLASSICS, SAISON 2015/2016
MARIINSKY ORCHESTER
Valery Gergiev (Leitung)
Werke von Prokofjew und Tschaikowski
Genf Victoria Hall, Mittwoch, 9. September 2015
Konzertkarten und Informationen: www.migros-kulturprozent-classics.ch
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LUCERNE FESTIVAL im Sommer14. August – 13. September 2015
LUCERNE FESTIVAL 40MINBevor der Abend so richtig beginnt, präsentiert
die Reihe «LUCERNE FESTIVAL 40min» abwechs-
lungsreiche moderierte Programme, die länger
sind als ein blosser Appetizer und doch nicht so
lang wie ein komplettes Konzert – und das ganz
casual: Einen Dresscode gibt es nicht, Vorwissen
ist nicht nötig, und auch der Eintritt ist frei. Hier
können Sie einfach mal Festivalluft schnuppern,
Sie können sich auf den Konzertabend einstimmen
oder prägende Künstler und Werke des Sommers
kennenlernen. Nehmen Sie sich 40 Minuten Zeit
für Musik!
10x während des Festivals | jeweils 18.20 –
19.00 Uhr | KKL Luzern, Luzerner Saal
Mittwoch, 19. August |
LUCERNE FESTIVAL 40min 1
Aus Klein mach Gross. Pierre Boulez’ Notations –
für Klavier und Orchester
(mit dem LUCERNE FESTIVAL ACADEMY Orchestra
und Matthias Pintscher)
Montag, 24. August |
LUCERNE FESTIVAL 40min 2
Alla turca. Mozarts «türkisches» Violinkonzert
(mit Isabelle Faust und dem Chamber Orchestra of
Europe unter Bernard Haitink)
Mittwoch, 26. August |
LUCERNE FESTIVAL 40min 3
Ohren auf! Musikalische Entdeckungen mit der
LUCERNE FESTIVAL ACADEMY, Folge 1
Donnerstag, 27. August |
LUCERNE FESTIVAL 40min 4
Ohren auf! Musikalische Entdeckungen mit der
LUCERNE FESTIVAL ACADEMY, Folge 2
Montag, 31. August |
LUCERNE FESTIVAL 40min 5
Nebelhörner und Sirenen. Edgard Varèse kompo-
niert New York
(mit dem LUCERNE FESTIVAL ACADEMY Orchestra
und Pablo Heras-Casado)
Mittwoch, 2. September |
LUCERNE FESTIVAL 40min 6
Halt auf halber Strecke. Eine musikalische Reise
mit vier Schurken
Donnerstag, 3. September |
LUCERNE FESTIVAL 40min 7
Kinder komponieren, Matthias Pintscher dirigiert.
Auf dem Weg zur Sinfonie für Luzern
Dienstag, 8. September |
LUCERNE FESTIVAL 40min 8
Das Konzert der Zukunft: Fensadense macht den
Tönen Bewegung
(mit LUCERNE FESTIVAL Young Performance)
Mittwoch, 9. September |
LUCERNE FESTIVAL 40min 9
Klassik meets Comedy: Igudesman & Joo and
Friends
Donnerstag, 10. September |
LUCERNE FESTIVAL 40min 10
The Joke. Mitglieder des San Francisco
Symphony spielen Kammermusik
LUCERNE FESTIVAL LOUNGEUnd was passiert nach dem Schlussapplaus?
Immer freitags läutet die LUCERNE FESTIVAL
Lounge das Wochenende ein:
mit Live-Performances zwischen Klassik
und Clubkultur.
LUCERNE FESTIVAL Lounge 1
21. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Three Men Riding Horses
LUCERNE FESTIVAL Lounge 2
28. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Isabelle Faust | egopusher
LUCERNE FESTIVAL Lounge 3
4. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Alumni der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY
LUCERNE FESTIVAL Lounge 4
11. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki
Ensemble HELIX der Hochschule Luzern – Musik
ZU GAST BEI DER BUVETTEAbwechslungsreiche Open-Air-Konzerte am Ufer
des Vierwaldstättersees, gestaltet von Festival-
Künstlern, die sich abseits der grossen Bühne
und in ungezwungener Atmosphäre mit eigenen
Projekten präsentieren: Auch diesen Sommer ist
LUCERNE FESTIVAL wieder zu Gast bei der Buvette,
der Freiluft-Bar auf dem Luzerner Inseli.
Die Konzerte finden an insgesamt drei Donners-
tagen – am 20. und 27. August sowie am
3. September − jeweils von 18.00 bis 19.00 Uhr
statt; der Eintritt ist frei. Bei schlechtem Wetter
bleibt die Buvette geschlossen.
Aktuelle Angaben zum Programm erhalten Sie
während des Festivals auf www.lucernefestival.ch.
SOUNDZZ.Z.ZZZ…ZDer Schweizer Künstler Johannes Willi, Gewinner
des dritten «Soundzz.z.zzz…z»-Wettbewerbs,
hat mit Baumarktmaterialien 49 Instrumente
nach gebaut, mit denen das LUCERNE FESTIVAL
ACADEMY Orchester Beethovens Fünfte Sinfonie
musizieren: ein humorvolles Experiment im
Spannungsfeld von Kunst und Können.
Sämtliche Termine:
14. – 28. August | 30. August – 13. September |
10.00 – 19.00 Uhr | Kunstmuseum Luzern
Beethovens Fünfte Sinfonie – Präsentation der
Instrumente
Samstag, 29. August | 11.00 Uhr |
KKL Luzern, Konzertsaal | Eintritt frei
Beethovens Fünfte Sinfonie – Performance mit
der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY
Sonntag, 13. September | 15.00 Uhr |
Kunstmuseum Luzern
Beethovens Fünfte Sinfonie – Finissage und
LP-Release
IN DEN STRASSENDienstag, 25. August – Sonntag, 30. August |
18.00 – 22.00 Uhr (anschliessend im Sentitreff) |
Strassen und Plätze der Stadt Luzern
Musik kennt viele Spielarten – und so ist es zu
einer schönen Tradition geworden, dass LUCERNE
FESTIVAL im Sommer die Strassen und Plätze
der Luzerner Altstadt mit Musikgruppen aus aller
Welt bevölkert: ein faszinierendes musikalisches
Panorama unseres Planeten.
Brönnimann/Cissokho | Classycool | Cobario |
Egschiglen | Kolchika | Molotow Brass Orkestar |
Palo Santo | Le Pélican Frisé
Eröffnungsveranstaltung mit allen Gruppen:
Dienstag, 25. August | 17.30 Uhr |
Europaplatz beim KKL Luzern
Abschlussfest mit allen Gruppen:
Sonntag, 30. August | ab 14.00 Uhr an der See-
promenade | ab 16.00 Uhr auf dem Europaplatz
beim KKL Luzern
Karten und Informationen
www.lucernefestival.ch
+41 41 226 44 80
FESTIVAL-TERMINE | VORSCHAULUCERNE FESTIVAL am Piano
21. – 29. November 2015
Piotr Anderszewski | Angela Hewitt, Festival
Strings Lucerne | Pavel Kolesnikov |
Denis Kozhukhin | Radu Lupu | Pierre Pincemaille
| Maurizio Pollini | Lise de la Salle |
Olga Scheps | András Schiff | Jean-Yves
Thibaudet u. a.
Online-Direktbuchung ab Montag, 3. August 2015,
12.00 Uhr | Schriftlicher Kartenverkauf ab Montag,
10. August 2015 | Schalterverkauf im KKL Luzern
ab Samstag, 14. August 2015 | Telefonischer
Kartenverkauf ab Mittwoch, 16. September 2015
ALLGEMEINE INFORMATIONENIhre Konzertkarte gilt als Fahrschein!
Freie Fahrt im Tarifverbund Passepartout
In Luzern gilt die Konzertkarte am Veranstaltungs-
tag auch für die Hin- und Rückfahrt zum und vom
Spielort innerhalb der Passepartout-Zone 10
(2. Klasse). Gültig ab 3 Stunden vor Beginn und bis
3 Stunden nach Veranstaltungsende.
An- und Abreise mit dem Zug: Der 50%-Rabatt
im SBB-Netz
Gegen Vorweisen Ihrer Konzertkarte erhalten
Sie an jedem Schweizer Bahnschalter 50%
Er mässigung auf eine Hin- und Rückfahrt nach
Luzern in der 1. oder 2. Klasse (Konzertticket muss
im Zug bei einer Kontrolle vorgewiesen werden).
Mit dem Halbtax kostet die Fahrt lediglich 25%
des Volltarifs. Das Spezial-Billett muss vor Reise-
antritt an einem Schweizer Bahnschalter, beim
Rail Service unter 0900 300 300 (CHF 1.19/Min
vom Schweizer Festnetz) oder online im SBB
Ticketshop (www.sbb.ch/lucernefestival.ch)
bezogen werden.
Ermässigungen
Studenten, Schüler und KulturLegi-Inhaber
Studenten, Schüler, Berufsschüler und Mitglieder
JTC bis zum 30. Altersjahr sowie KulturLegi-
Inhaber erhalten bei Vorweisen eines gültigen
Ausweises ab einer Stunde vor Konzertbeginn
für nicht ausverkaufte Veranstaltungen Karten zu
CHF 20. Nachträglich können keine Vergünstigun-
gen gewährt werden. Der Ausweis ist auch bei
allfälligen Kontrollen an den Türen des jeweiligen
Veranstaltungsorts vorzuweisen. Spezielle Studen-
tenangebote sind unter www.lucernefestival.ch
ausgewiesen.
Aktion «Mit dem Nachwuchs ins Konzert»
Beim Kauf einer Eintrittskarte für ausgewählte
Veranstaltungen erhalten Erwachsene eine
gleichwertige Freikarte für ihre jugendliche
Begleitung dazu. Die Konzertauswahl finden
Sie auf www.lucernefestival.ch.
i m p r e s s u m50
i m p r e s s u m36. Jahrgang, August/September 2015Special Edition Lucerne Festival Edition Sommer 2015
Redaktionsanschrift:Musik&TheaterNeugasse 10, CH-8005 Zürich Tel. +41 44 491 71 88, Telefax 044 493 11 76http://[email protected]
HerausgeberinSomedia AG (Südostschweiz Presse und Print AG)Sommeraustrasse 32Postfach 491, CH-7007 Chur
VerlagsleitungRalf SeeligTel. +41 81 255 54 [email protected]
ChefredaktorAndrea Meuli
RedaktionReinmar Wagner, Werner Pfister
Autorinnen und Autoren dieser AusgabeMarco Frei, Benjamin Herzog, Reinhard Kager, Kai Luehrs-Kaiser, Andrea Meuli, Thomas Meyer, Reinmar Wagner, Alfred Ziltener
AnzeigenMusik&Theater +41 44 491 71 [email protected]
Abonnementverwaltung Kundenservice/AboSommeraustrasse 32Postfach 491, CH-7007 ChurTel. 0844 226 [email protected]
HerstellungSomedia Production AG
KorrektoratErnst Jenny
CopyrightMusik&Theater, Somedia AGAlle Rechte vorbehalten
Abonnementspreise und -bedingungen1 Jahr CHF 120.–2 Jahre CHF 230.–
Studenten (mit beigelegter Legitimation): CHF 78.–
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Ausland Luftpost:1 Jahr CHF 200.–
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Musik&Theater erscheint sechsmal jährlich + Specials
Abonnementspreise sind inkl. MwST.
Das Abonnement ist mit einer Frist von 2 Monaten vor seinem Ablauf kündbar. Ohne schriftliche Kündigung erneuert es sich automatisch um ein Jahr.
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ISSN 0931-8194
ABO
[email protected] 062 834 70 00
Chefdirigent: Douglas Bostock
KONZERTE2015 I 2016
AARAU - BADEN
5 ABO-KONZERTE
SONNTAG - DIENSTAG - FREITAG
DOUGLAS BOSTOCK
SASCHA GOETZEL
LOUIS SCHWIZGEBEL
ALINA IBRAGIMOVA
RADU LUPU
REBEKKA LÖW
LAWRENCE POWER
www.argoviaphil.ch
20%** 20% Rabatt auf den Einzelkartenpreis und weitere Vorteile!
Wie macht Engagement junge Talente gross?
zum Prix Credit Suisse Jeunes Solistes 2015.
Seit 1993 ist die Credit Suisse Hauptsponsor von Lucerne Festival.
credit-suisse.com/sponsorship