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Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika KASA im WeltHaus Heidelberg Willy-Brandt-Platz 5 | 69115 Heidelberg | Germany 06221-4333612 | www.kasa.woek.de | [email protected] Simone Knapp I Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika I Heidelberg I November 2015 Namibia im Kampf gegen Armut Der neue namibische Präsident Dr. Hage Geingob, der am 25. Jahrestag der Unabhängig- keit Namibias als dritter Präsident in sein Amt eingeführt wurde, hat mit der Schaffung eines neuen Ministeriums zur Beseitigung der Armut und für Sozialhilfe Hoffnungen geschürt, dass Namibia bald das erste Land sein könnte, das ein universelles Grundeinkommen (BIG) ein- führt. Laut eines Berichts der Nationalen Planungskommission NPC vom April 2015 sind mehr als die Hälfte der 2,1 Millionen Namibier*innen als arm einzustufen. Und Umfragen des Afroba- rometers zufolge, befürwortet die überwiegende Mehrheit (78%) der Namibier*innen die Ein- führung eines bedingungslosen und universellen Grundeinkommens als Instrument zur Be- seitigung der absoluten Armut. 1 Eine der ersten Amtshandlungen Geingobs war, die staatli- che Rente um 400N$ von 600N$ auf 1000N$ (65€) zu erhöhen, wohl wissend, dass Renten in vielen Familien das einzige Einkommen überhaupt ist und somit vor allem auch den dort lebenden Kindern zugutekommt. Mit Präsident Geingob, der von Anfang an zu den Befürwortern des BIG zählte und einer der ersten Privatpersonen in Namibia war, die für das Pilotprojekt in Otjivero 2 spendete, und der Er- nennung des ehemaligen lutherischen Bischofs Zephania Ka- meeta, der wie kein anderer in Namibia für das BIG steht, zum ersten Minister des neu geschaffenen Ministeriums, rückt die Einführung des BIGs in greifbare Nähe. Im Juni diesen Jahres sprach Kameeta öffentlich ganz explizit von der Einführung eines Grundeinkommens für arme Bevöl- kerungsgruppen, die weder von der staatlichen Rente noch von Sozialleistungen für Waisen oder für Menschen mit Behinderung profitieren würden. Das Ministerium ist sich aber durch- aus der Tatsache bewusst, dass die Vielschichtigkeit von Armut eines multi-sektoralen An- satzes zur Lösung bedarf: “Wenn wir Armut ausrotten wollen, müssen wir sowohl universell als auch umfassend agieren. Diejenigen, die keinen Zugang zu Sozialhilfeleistungen haben und in tiefster Armut leben – nicht nur Kinder, sondern auch junge Erwachsene oder die El- tern der Kinder - müssen ein Grundeinkommen erhalten, um die Unterernährung bei Kindern zu beseitigen, denn diese macht sie zu Behinderten, obwohl sie gesund geboren wurden. Für junge Menschen würde dies Hoffnung auf Bildung, berufliche Selbständigkeit, ein Haus und ein menschenwürdiges Leben bedeuten, “ so Kameeta. 3 1 http://www.afrobarometer.org/countries/namibia-0 2 Mehr zum Pilotprojekt unter http://woek.de/web/cms/front_content.php?idart=1972&lang=1 3 http://www.confidente.com.na/2015/07/kameeta-reignites-big-option/ Minister Dr. Zephania Kameeta

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Page 1: Namibia im Kampf gegen Armut - KASA€¦ · Namibia bald das erste Land sein könnte, das ein universelles Grundeinkommen (BIG) ein-führt. Laut eines Berichts der Nationalen Planungskommission

Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

KASA im WeltHaus Heidelberg Willy-Brandt-Platz 5 | 69115 Heidelberg | Germany

06221-4333612 | www.kasa.woek.de | [email protected]

Simone Knapp I Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika I Heidelberg I November 2015

Namibia im Kampf gegen Armut

Der neue namibische Präsident Dr. Hage Geingob, der am 25. Jahrestag der Unabhängig-keit Namibias als dritter Präsident in sein Amt eingeführt wurde, hat mit der Schaffung eines neuen Ministeriums zur Beseitigung der Armut und für Sozialhilfe Hoffnungen geschürt, dass Namibia bald das erste Land sein könnte, das ein universelles Grundeinkommen (BIG) ein-führt. Laut eines Berichts der Nationalen Planungskommission NPC vom April 2015 sind mehr als die Hälfte der 2,1 Millionen Namibier*innen als arm einzustufen. Und Umfragen des Afroba-rometers zufolge, befürwortet die überwiegende Mehrheit (78%) der Namibier*innen die Ein-führung eines bedingungslosen und universellen Grundeinkommens als Instrument zur Be-seitigung der absoluten Armut.1 Eine der ersten Amtshandlungen Geingobs war, die staatli-che Rente um 400N$ von 600N$ auf 1000N$ (65€) zu erhöhen, wohl wissend, dass Renten in vielen Familien das einzige Einkommen überhaupt ist und somit vor allem auch den dort lebenden Kindern zugutekommt.

Mit Präsident Geingob, der von Anfang an zu den Befürwortern des BIG zählte und einer der ersten Privatpersonen in Namibia war, die für das Pilotprojekt in Otjivero2 spendete, und der Er-nennung des ehemaligen lutherischen Bischofs Zephania Ka-meeta, der wie kein anderer in Namibia für das BIG steht, zum ersten Minister des neu geschaffenen Ministeriums, rückt die Einführung des BIGs in greifbare Nähe.

Im Juni diesen Jahres sprach Kameeta öffentlich ganz explizit von der Einführung eines Grundeinkommens für arme Bevöl-

kerungsgruppen, die weder von der staatlichen Rente noch von Sozialleistungen für Waisen oder für Menschen mit Behinderung profitieren würden. Das Ministerium ist sich aber durch-aus der Tatsache bewusst, dass die Vielschichtigkeit von Armut eines multi-sektoralen An-satzes zur Lösung bedarf: “Wenn wir Armut ausrotten wollen, müssen wir sowohl universell als auch umfassend agieren. Diejenigen, die keinen Zugang zu Sozialhilfeleistungen haben und in tiefster Armut leben – nicht nur Kinder, sondern auch junge Erwachsene oder die El-tern der Kinder - müssen ein Grundeinkommen erhalten, um die Unterernährung bei Kindern zu beseitigen, denn diese macht sie zu Behinderten, obwohl sie gesund geboren wurden. Für junge Menschen würde dies Hoffnung auf Bildung, berufliche Selbständigkeit, ein Haus und ein menschenwürdiges Leben bedeuten, “ so Kameeta.3

1 http://www.afrobarometer.org/countries/namibia-0 2 Mehr zum Pilotprojekt unter http://woek.de/web/cms/front_content.php?idart=1972&lang=1 3 http://www.confidente.com.na/2015/07/kameeta-reignites-big-option/

Minister Dr. Zephania Kameeta

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Auch die BIG-Koalition reagiert im Juni auf die wieder aufkeimende Diskussion um die Ein-führung eines Grundeinkommens und forderte die Regierung auf, ab Januar 2016 pro Per-son 200N$ auszuzahlen. Die Verdoppelung von der im Jahr 2008 geforderten 100N$ auf jetzt 200N$ begründete sie mit dem Verlust der Kaufkraft. „Dies würde sich im Jahr auf rund drei Milliarden Namibia-Dollar oder fünf bis sechs Prozent des Staatshaushaltes summieren. Dieser Betrag kann einfach durch eine Mischung aus Steuer- und Haushaltsanpassungen aufgebracht werden“, so der neu gewählte Vorsitzende der BIG-Koalition Wilfred Diergaardt.4

Als eine der ersten konkreten Maßnahmen des Ministeriums will Kameeta Tafeln (food banks) in Städten einrichten, die von Komitees selbst verwaltet werden sollen und bei deren Umsetzung arbeitslose Jugendliche sich bei der Verteilung von Lebensmitteln etwas Geld verdienen könnten. Kameeta setzt auf freiwillige Lebensmittelspenden von Privathaushalten aber auch von Unternehmen, die ebenfalls bereit seien, sich zu beteiligen.

Außerdem wird ein landesweiter Konsultationsprozess eingelei-tet, der am 26. Oktober mit der “National Conference on Wealth Redistribution and Poverty Eradication” begann. Geingob kün-digte dort eine Solidaritätssteuer ab dem kommenden Haus-haltsjahr an, damit all diejenigen, die über einem bestimmten Einkommen verdienen, sich finanziell an der Abschaffung von Armut beteiligen könnten. Außerdem solle auch die Privatwirt-schaft ihren Teil dazu beitragen, indem zum Beispiel weniger Gewinne an Aktionäre sondern stattdessen mehr an die Arbei-ter*innen ausgezahlt werden könnten.5 “Wir müssen über die

bisherige Praxis der freiwilligen Unternehmensverantwortung (CSR) hinaus und hin zu Me-chanismen gehen, die die Armen als Teil der Wertschöpfungskette sehen: entweder als An-bieter, Lieferanten oder Händler im Kerngeschäft von Unternehmen, “ so Kameeta6.

Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf die Stipendien, die künftig auf Zuwendungsbasis lau-fen und nicht mehr als Darlehn ausgezahlt werden sollen, damit Studierende nach ihrem Abschluss nicht bereits in der Schuldenfalle stecken würden.

Noch steht alles lediglich auf dem Papier, bleibt es eine große Wunschliste. Allerdings gab es im unabhängigen Namibia bisher weder eine Konferenz, die sich explizit mit den Fragen von Wohlstand, also Reichtum und dessen Umverteilung, beschäftigte, noch gab es einen nationalen Konsultationsprozess. Insgesamt ist daher das Klima in Bezug auf die Grundein-kommensdebatte ein völlig anderes als noch zur Einführung des Pilotprojekts in 2008. Denn inzwischen haben neben der UN auch die Weltbank sowie der IWF zugegeben, dass Geld-transfers und soziale Sicherheit wichtige Instrumente im Kampf gegen Armut und Hunger sind.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

4 http://www.az.com.na/soziales/200-dollar-f-r-jeden-namibier.425589 5 http://southernafrican.news/2015/11/02/namibia-to-introduce-solidarity-tax/ 6 http://www.thevillager.com.na/articles/8937/Wealth-distribution-should-not-overlook-private-sector--Kameeta/

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