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Leitthema Ophthalmologe DOI 10.1007/s00347-016-0411-9 © Springer Medizin Verlag Berlin 2016 N. Domdei 1,2 · J. L. Reiniger 1 · M. Pfau 1 · P. Charbel Issa 1,3 · F. G. Holz 1 · W. M. Harmening 1 1 Universitäts-Augenklinik Bonn, Bonn, Deutschland 2 Institut für Zoologie und Tierphysiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland 3 Oxford Eye Hospital, OUH NHS Foundation Trust, University of Oxford, Oxford, UK Histologie im lebenden Auge Nichtinvasive mikroskopische Struktur- und Funktionsanalyse der Netzhaut mit adaptiven Optiken Adaptive Optiken (AO) in der Ophthal- moskopie ermöglichen eine Bildgebung der Netzhaut auf mikroskopischem Ni- veau. Zum ersten Mal kann so senso- risches Gewebe auf zellulärer Ebene im lebenden Auge direkt und nichtinvasiv untersucht werden. Eine detaillierte Be- schreibung der Funktionsweise von AO finden Sie im Leitthemenbeitrag „Tech- nische Grundlagen adaptiver Optiken in der Ophthalmologie“ von Reiniger et al. im selben Heſt. Diese technologische Innovation ist insbesondere für die Ophthalmologie von Interesse, da viele Erkrankungen der Netzhaut mit einer Veränderung retinaler Zellen und Strukturen einher- gehen. So sind z. B. bei der altersab- hängigen Makuladegeneration und der Retinitis pigmentosa im Wesentlichen retinale Pigmentepithelzellen und die Photorezeptoren betroffen. Beim Glau- kom findet eine Schädigung der Axone retinaler Ganglienzellen statt. Diese ty- pischen pathologischen Veränderungen sind auf zellulärer Ebene kaum beschrie- ben, und eine mikroskopische Analyse kann bislang nur durch eine ex vivo his- tologische Untersuchung des Gewebes erfolgen. Durch den Einsatz von AO in der Ophthalmoskopie wird eine in vivo His- tologie auf Einzelzellniveau ermöglicht, sodass erstmalig das Schicksal einzel- ner Zellen im Verlauf einer Krankheit undunterpharmakologischerInterventi- on untersucht und verfolgt werden kann. Es besteht die berechtigte Hoffnung, die Lücke zwischen weiter Verbreitung von Augenkrankheiten und fehlendem Ver- ständnis für die Ursachen und Abläu- fe pathologischer Netzhautveränderun- gen nun schließen zu können. In der vorliegenden Übersichtsar- beit werden die klinischen Einsatzmög- lichkeiten der AO-gestützten Bildge- Abb. 1 8 Nervenfaserschicht. Neben den Nervenfaserbündeln sind auch immer Blutgefäße nahe der Fokusebene zu erkennen. a Konfokales AO (adaptive Optiken)-SLO (Scanning-Laser-Ophthalmoskop), ca. 5° nasal der Fovea. b AO-Funduskamera (rtx1, Imagine Eyes), Aufnahme im Randbereich der Papil- le (rechtes Bilddrittel). c Glaukomstudie mit AO-SLO-Bildgebung. Peripapilläre AO-SLO-Montage auf Fundusfotografie. Intakte Nervenfaserbündel erscheinen als parallele Strukturen, in dystrophiertem Gewebe fehlen diese Strukturen. Pfeil intakte Nervenfaserbündel innerhalb pathologischer NFS-Be- reiche. (Teilabbildungen mit freundl. Genehmigung von Marco Lombardo [b] und Donald Hood, ver- ändert nach [17][c]) bung der Netzhaut vorgestellt. Hierzu werden im Folgenden die abbildbaren Schichten der Netzhaut von innen (Ner- venfaserschicht) nach außen (retinales Pigmentepithel) in den Fokus gerückt und entsprechendes Bildmaterial der verschiedenen mit AO ausgerüsteten Systeme präsentiert. Ergänzend wurde Der Ophthalmologe

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Leitthema

OphthalmologeDOI 10.1007/s00347-016-0411-9

© Springer Medizin Verlag Berlin 2016

N. Domdei1,2 · J. L. Reiniger1 · M. Pfau1 · P. Charbel Issa1,3 · F. G. Holz1 ·W. M. Harmening1

1 Universitäts-Augenklinik Bonn, Bonn, Deutschland2 Institut für Zoologie und Tierphysiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland3Oxford Eye Hospital, OUH NHS Foundation Trust, University of Oxford, Oxford, UK

Histologie im lebenden AugeNichtinvasive mikroskopische Struktur- undFunktionsanalyse der Netzhaut mitadaptiven Optiken

Adaptive Optiken (AO) in der Ophthal-moskopie ermöglichen eine Bildgebungder Netzhaut auf mikroskopischem Ni-veau. Zum ersten Mal kann so senso-risches Gewebe auf zellulärer Ebene imlebenden Auge direkt und nichtinvasivuntersucht werden. Eine detaillierte Be-schreibung der Funktionsweise von AOfinden Sie im Leitthemenbeitrag „Tech-nische Grundlagen adaptiver Optiken inder Ophthalmologie“ von Reiniger et al.im selben Heft.

Diese technologische Innovation istinsbesondere für die Ophthalmologievon Interesse, da viele Erkrankungender Netzhaut mit einer Veränderungretinaler Zellen und Strukturen einher-gehen. So sind z. B. bei der altersab-hängigen Makuladegeneration und derRetinitis pigmentosa im Wesentlichenretinale Pigmentepithelzellen und diePhotorezeptoren betroffen. Beim Glau-kom findet eine Schädigung der Axoneretinaler Ganglienzellen statt. Diese ty-pischen pathologischen Veränderungensind auf zellulärer Ebene kaum beschrie-ben, und eine mikroskopische Analysekann bislang nur durch eine ex vivo his-tologische Untersuchung des Gewebeserfolgen.

Durch den Einsatz von AO in derOphthalmoskopie wird eine in vivo His-tologie auf Einzelzellniveau ermöglicht,sodass erstmalig das Schicksal einzel-ner Zellen im Verlauf einer KrankheitundunterpharmakologischerInterventi-on untersucht und verfolgt werden kann.Es besteht die berechtigte Hoffnung, die

Lücke zwischen weiter Verbreitung vonAugenkrankheiten und fehlendem Ver-ständnis für die Ursachen und Abläu-fe pathologischer Netzhautveränderun-gen nun schließen zu können.

In der vorliegenden Übersichtsar-beit werden die klinischen Einsatzmög-lichkeiten der AO-gestützten Bildge-

Abb. 18 Nervenfaserschicht.NebendenNervenfaserbündeln sindauch immerBlutgefäße nahederFokusebenezuerkennen.aKonfokalesAO(adaptiveOptiken)-SLO(Scanning-Laser-Ophthalmoskop),ca. 5° nasal der Fovea.bAO-Funduskamera (rtx1, Imagine Eyes), Aufnahme imRandbereichder Papil-le (rechtes Bilddrittel). cGlaukomstudiemit AO-SLO-Bildgebung. Peripapilläre AO-SLO-Montage aufFundusfotografie. Intakte Nervenfaserbündel erscheinen als parallele Strukturen, in dystrophiertemGewebe fehlen diese Strukturen. Pfeil intakteNervenfaserbündel innerhalb pathologischer NFS-Be-reiche. (Teilabbildungenmit freundl. Genehmigung vonMarco Lombardo [b] undDonaldHood, ver-ändert nach [17] [c])

bung der Netzhaut vorgestellt. Hierzuwerden im Folgenden die abbildbarenSchichten der Netzhaut von innen (Ner-venfaserschicht) nach außen (retinalesPigmentepithel) in den Fokus gerücktund entsprechendes Bildmaterial derverschiedenen mit AO ausgerüstetenSysteme präsentiert. Ergänzend wurde

Der Ophthalmologe

Leitthema

Tab. 1 In dieser Übersicht exemplarisch angeführte Studien. Die vollständige Zusammenstellung ist abrufbar unter: https://www.experimental-ophthalmology.uni-bonn.de/research/group-harmening/group-w.-harmening

Erkrankung Modalität Retinale Struktur Zentraler Befund Referenz

Achromatopsie AO-SLO Rezeptorzellen Foveale und parafoveale Zapfenmit scheinbar intakten Innen-segmenten

[37]

AltersbedingteMakuladegeneration

rtx1 Rezeptorzellen Axiale Länge und Alter korrelierenmit parafovealer Zapfenver-teilung

[29]

AO-SLO RPE Neue Methode zur Analyse der RPE-Morphologie [35]

AIBSE AO-SLO Rezeptorzellen Geschädigte Zapfen bilden neue Außensegmente [18]

Bilaterale progressiveMakulopathie

AO-SLO RPE Ungleichmäßiges Zapfenmosaik; RPE-Zellen sichtbar in großenTeilen der Makula

[34]

Chorioideremie AO-SLO Rezeptorzellen, RPE,Blutgefäße

Kombination von AO-SLO und OCT für Einzelzellanalysen [28]

AO-SLO, AO-Ka-mera

Rezeptorzellen, RPE Unregelmäßiger Zapfenverlust in 2 symptomatischenÜberträ-gern. Unterbrochenes Zapfenmosaik bei 2 Betroffenen

[41]

DiabetischeRetinopathie

FA-AO-SLO Mikrovaskulatur,Mikro-aneurysmen

In-vivo-Klassifikation retinaler Mikroaneurysmen (MA).MA-Rückbildung bei Anti-VEGF-Injektion

[10]

rtx1 Rezeptorzellen Auffälligkeiten im parafovealen Zapfenmosaik identifiziertdurch AO-Bildgebungsbiomarker

[25]

AO-SLO Mikrovaskulatur Bisher unbemerkte intraretinale Gefäßremodellierung undVeränderung im Blutflussmuster

[2]

AO-SLO Mikrovaskulatur Wiederholte Bildgebung ermöglicht In-vivo-Beobachtung vonvaskulopathischenVeränderungen

[6]

Glaukom AO-SLO Nervenfasern Struktur von abnormalen peripapillären RNF-Bündeln variiertinterindividuell

[3]

AO-SLO Nervenfasern RNFL-Dicke korreliert nicht mit RNF-Bündelschädigung [17]

Hypertonie rtx1 Gefäßwände Das Gefäßwand-Lumen-Verhältnis korreliert positiv mit mittle-rem Blutdruck und Alter

[22]

Makuläre Teleangiek-tasien

AO-SLO Rezeptorzellen Normale visuelle Empfindlichkeit und erneute Zapfensichtbar-keit in ehemalig beschädigten Arealen

[46]

Morbus Stargardt AO-SLO Rezeptorzellen Foveale Zapfendichte kann verringert sein, bevor Veränderun-gen imOCT oder Visus auftreten

[32]

AO-SLO Rezeptorzellen Signifikant dünnere Schichten der äußeren Retina. In schein-behandelten Augen ist der Zapfenabstand erhöht und dieZapfendichte verringert, verglichenmit CNTF-Behandlung

[39]

Retinitis pigmentosa AO-SLO Rezeptorzellen Fusion von AO-SLO, OCT und Mikroperimetrie als Analyseme-thode der Struktur-Funktionsrelation

[40]

AO-SLO Rezeptorzellen Erhöhte Zapfen- und Stäbchenabstände in klinisch unauffälli-gen Bereichen

[42]

Unterschwellige Laser-therapie

AO-SLO Rezeptorzellen, RPE Weder Zapfen noch RPE-Schädigung durch Laserbehandlung [47]

AIBSE akute idiopathische Vergrößerung des blinden Flecks, AO adaptive Optiken, CNTF ziliarer neurotropher Faktor, FA Fluoreszenzangiographie, OCT op-tische Kohärenztomographie, RNF(L) retinale Nervenfaser(schicht), RPE retinales Pigmentepithel, rtx1Modellbezeichnung einer kommerziellen AO-Fun-duskamera (Imagine Eyes, Frankreich), SLO Scanning-Laser-Ophthalmoskop, VEGF vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren

eine Auswahl an bereits veröffentlichtenStudienmitAO-gestütztenbildgebendenVerfahren getroffen, die als Stellvertreterfür die jeweilige untersuchte Netzhaut-struktur und ihrer Pathologie vorgestelltwerden. Insgesamt ist die Anzahl derwissenschaftlichen Veröffentlichungen,die Netzhauterkrankungen mit AO-Sys-temen untersuchen, in den letzten Jah-ren rasant gestiegen, sodass inzwischenneue Erkenntnisse zu fast allen Netz-

hauterkrankungen beschrieben werdenkonnten. Die in diesem Übersichtsbei-trag verwendete Auswahl ist in . Tab. 1aufgelistet. Eine aktuelle und vollstän-dige Tabelle, die sämtliche der bisherpublizierten AO-unterstützten Studienenthält, findet man im Internet (https://www.experimental-ophthalmology.uni-bonn.de/research/group-harmening/group-w.-harmening).

Zum Abschluss dieses Reviews wirdeine noch sehr junge Methode zur Funk-tionstestung von individuellen Photo-rezeptorzellen vorgestellt. Bei dieserAO-basierten Mikroperimetrie werdenkleinste visuelle Stimuli wiederholbarnur einer einzelnen Sehzelle präsentiert,sodass unter anderem der Einfluss dereinzelnen Photorezeptorzelle auf dievisuelle Wahrnehmung in vivo studiertwerden kann. DiesesVerfahren bietet die

Der Ophthalmologe

einmalige Gelegenheit, retinale Strukturund ihre visuelle Funktion direkt undauf mikroskopischer Ebene miteinanderzu korrelieren.

MikroskopischeStrukturanalyse

Die Netzhaut desMenschen gliedert sichvon der Glaskörperseite zur Sklera inNervenfaserschicht,Ganglienzellschicht,innere plexiforme Schicht, innere Kör-nerschicht, äußere plexiforme Schicht,äußere Körnerschicht, Photorezeptor-schicht und die Pigmentepithelschicht.Hiervon konnten bisher die Nervenfa-serschicht, die Blutgefäße der innerenNetzhaut, die Photorezeptorzellen unddas retinale Pigmentepithel in AO-en-face-Aufnahmen abgebildet werden.

Nervenfaserschicht

Auf der Innenseite der Retina verlaufendie Axone der Ganglienzellen und bil-den die Nervenfaserschicht (NFS). DieNFS liefert aufgrund ihrer relativ starkenLichtstreuungseigenschaften ein deutli-ches Lichtreflektionssignal [48], das mitallen AO-Systemen im lebenden Augedetektiert werden kann (. Abb. 1).

Charakteristisch für die NFS sinddie im AO-Ophthalmoskop deutlichsichtbaren parallel verlaufenden Axon-bündel. Außerhalb der Fovea, ab unge-fähr 2° Exzentrizität, sind Blutgefäße inder Nähe dieser Fokusebene zu sehen(. Abb. 1a, b). Während im AO-Scan-ning-Laser-Ophthalmoskop (AO-SLO)undderAO-Funduskamera tiefer liegen-de Strukturen ebenfalls zum Bildsignal –in diesem Fall als Störsignal – beitragen,können für ein En-face-Bild mit der AO-optischen Kohärenztomographie (AO-OCT) tiefer liegende Schichten aus-geblendet werden [21]. Dadurch kanndie NFS, bei geeigneter vertikaler Seg-mentierung, nahezu isoliert betrachtetwerden (s. Leitthemenbeitrag „Techni-sche Grundlagen adaptiver Optiken inder Ophthalmologie“ von Reiniger et al.im selben Heft).

Das Sichtbarmachen der NFS ist fürGlaukomstudien von besonderem Inte-resse. Eine kürzlich veröffentlichte Un-tersuchung von Glaukompatienten ver-glich OCT- und AO-SLO-Aufnahmen

Zusammenfassung · Abstract

Ophthalmologe DOI 10.1007/s00347-016-0411-9© Springer Medizin Verlag Berlin 2016

N. Domdei · J. L. Reiniger · M. Pfau · P. Charbel Issa · F. G. Holz · W. M. Harmening

Histologie im lebenden Auge. NichtinvasivemikroskopischeStruktur- und Funktionsanalyse der Netzhaut mit adaptivenOptiken

ZusammenfassungAdaptive Optiken (AO) ermöglichen im leben-den Auge eine Untersuchung der Netzhautauf zellulärer Ebene. Mittels AO könnendie Nervenfaserschicht, kleinste Blutgefäßeder inneren Netzhaut, Photorezeptorzellen(Zapfen und Stäbchen) und das Mosaikdes retinalen Pigmentepithels in gesunderund erkrankter Netzhaut direkt beobachtetwerden. Eine Vielzahl wissenschaftlicherUntersuchungen bei verschiedenen Erkran-kungen der Netzhaut zeigt schon jetzt, dassdiese neugewonnenen strukturellen DetailsKrankheitsverläufe präziser beschreibenund in einigen Fällen eine Früherkennung

ermöglichen können. Die Koppelung mithochaufgelöster AO-Stimulation zeigt,dass auch visuelle Funktion auf zellulärerEbene untersuchbar ist. Daraus ergebensich völlig neue Wege für die klinische undinterventionelle Ophthalmologie, und für diegrundlagenwissenschaftliche Untersuchungdes Sehens und der zugrunde liegendenneuronalen Strukturen.

SchlüsselwörterBildgebung · Ophthalmoskopie · Neuroretina ·Mikrostimulation · Psychophysik

Histology of the living eye. Noninvasive microscopic structure andfunctional analysis of the retina with adaptive optics

AbstractEquipping an ophthalmoscopewith adaptiveoptics (AO) offers access to the living humanretina with unprecedented spatial resolution.With AO, cellular structures such as thenerve fiber layer, the microvasculature ofthe smallest retinal capillaries, rod and conephotoreceptors and the mosaic of the retinalpigment epithelium are directly observable.A large number of studies in the normal anddiseased retina have already shown thatthis level of detail offers new insights intodisease mechanisms and progression, andpromises to identify early disease markers.

In conjunction with functional testing ofsingle photoreceptors that is possible withAO microstimulation, a structure–functionrelationship on the cellular scale is withinreach. These technological advances offernew avenues for clinical ophthalmology,interventional efforts, and basic research ofthe function and dysfunction of vision.

KeywordsImaging · Ophthalmoscopy · Neuroretina ·Microstimulation · Psychophysics

von peripapillären Nervenfaserbündeln(. Abb. 1c; [17]). Dabei beobachtetenHood et al. [17] eine Diskrepanz zwi-schen den Aufnahmen der beiden bild-gebenden Verfahren: Während im OCTeine ähnliche, abnormal dünne Schicht-dicke der NFS bestimmt wurde, zeigtesich im AO-SLO ein wesentlich diffe-renzierteres Bild für diese Bereiche derNFS. Bei 5 von 6 untersuchten Patientenwurde im AO-SLO-Bild ein Defizit fürNFS-Bündel erkennbar. Bei allen Patien-ten zeigte sich ein verminderter KontrastderNFS innerhalb der abnormal dünnenBereiche, allerdings wurden bei 2 von6 Patienten innerhalb dieser kritischen

Zonen auch normal erscheinende NFS-Bündel beobachtet. Eine weitere Studieunterstützte die Schlussfolgerung, dassVeränderungen der NFS im herkömm-lichen OCT bei einer glaukomatösenPathologie nur schwer oder gar nichtzu erkennen sind: Offensichtlich kanndie AO-SLO-Bildgebung bei dieser Er-krankung z. B. bei der Nachverfolgungdes Therapieverlaufes einen wichtigenBeitrag leisten [3].

Retinale Blutgefäße

Ein intaktes retinales Gefäßnetzwerk ge-währleistet die ausreichende Nährstoff-

Der Ophthalmologe

Leitthema

Abb. 28 Blutgefäße der inneren Retina. a Konfokales (kf ) AO (adaptiveOptiken)-SLO (Scanning-La-ser-Ophthalmoskop) (identischer Ausschnittwie.Abb. 1a).bNichtkonfokale AO-SLO-Bildgebung,7° superior nasal der Fovea. c Konfokales AO-SLOmit Bewegungskorrelationsanalyse:Mikroaneurys-men (rot) undweitere pathologische Veränderungen (gelb).dNichtkommerzielle AO-Funduskameramit doppelterWellenfrontkorrektur. Isolation des Kapillarnetzwerks durch digitale Bildnachbearbei-tung(hieralsFalschfarbendarstellung, rot). (Teilabbildungenmit freundl.GenehmigungvonTocoChuiund Richard Rosen, vgl. [5] [b], Vincent Liu, Brandon Lujan und Johnny Tam, vgl. [44] [c], sowie ZoranPopovic, vgl. [31] [d])

versorgung der Netzhautzellen, sodasspathologische Veränderungen der Ge-fäße einen unmittelbaren Einfluss auf dieFunktionalität der Netzhaut haben. Ge-nerell sind die größeren Blutgefäße derinnerenRetina in allenAO-Systemen guterkennbar (. Abb. 2). Da die Blutgefäß-wände optisch nahezu transparent sindund hauptsächlich die Lichtstreuung anden Blutzellen zur Bildgebung beiträgt,ist die Darstellung der feinsten Veräste-lungen des Gefäßnetzwerkes – der Ka-pillaren – nicht ohne weitere Hilfsmittelmöglich [26].

Eine optische Lösung zur Darstel-lung der Kapillaren ergibt sich durchnicht-konfokal Bilderzeugung. Hierbeiwerden Teile des paraxialen Streulichtsebenfalls für die Bilderzeugung ausge-wertet (. Abb. 2b; [7]). Alternativ kannüber eine softwarebasierte Methodeder Bewegungskontrast in Bildsequen-zen zur Detektion kleinster Kapilla-ren genutzt werden, z. B. im AO-SLO

(. Abb. 2c). Hierbei wird durch eineBildnachbearbeitung die Bewegung vonlichtstreuenden Partikeln wie Erythro-zyten und Leukozyten ermittelt undsomit das zugrunde liegende Kapillar-netzwerk aufgedeckt [5, 44]. Der Vorteildieser beiden Methoden ist, dass sienicht invasiv sind. Von Nachteil ist, imFalle der Perfusionskartierung, dass einenachträgliche Bildbearbeitung der Vi-deosequenzen erforderlich ist und diekleineren Blutgefäße während der Bild-aufnahme nicht unmittelbar sichtbarsind.

Im AO-OCT wiederum kann das Ka-pillarnetz durch die entsprechendeWahlder horizontalen Betrachtungsebene di-rekt erfasst werden [19]. Mit einer nicht-kommerziellen AO-Funduskamera, beider über 2 verformbare Spiegel einedoppelte Wellenfrontkorrektur durch-geführt wird, und mit anschließenderBildnachbearbeitung, konnte das Ka-

pillarnetzwerk digital isoliert werden(. Abb. 2d; [31]).

» Pathologische Verände-rungen der Gefäße habenEinfluss auf die Funktionalität derNetzhaut

Für alle AO-gestützten bildgebendenVerfahren gilt, dass vaskulodynamischeEreignisse wie Pooling oder Leckagenbisher nur invasivmittels Fluoreszenzan-giographie (FA)sichtbargemachtwerdenkönnen. Die Kombination von farbstoff-assoziierter und AO-Bildgebung stelltzurzeit die sensitivste Methode dar, umz. B. Mikroaneurysmen im lebendenAuge zu untersuchen [10].

Eine Analyse der Gefäßwände ist abeinem Gefäßdurchmesser von ca. 10 μmmöglich [4]. In einer Studie mit 30normotensiven und 19 hypertensivenProbanden konnte durch AO-gestütztehochauflösende Fundusfotografie einequantitative mikrovaskuläre Phänotypi-sierung durchgeführt werden und somitdas Verständnis und letztendlich auchdie Behandlungsmethoden bei hyper-tensiver Retinopathie verbessert werden[22]. Unter Anwendung einer nichtkon-fokalen Detektorkonfiguration konntegezeigt werden, dass bei Patienten mitmilder bis moderater nichtproliferativerdiabetischer Retinopathie der Kapil-lardurchmesser, sowie die Wanddickesignifikant vergrößert sind [2].

Durch die kombinierte Anwendungnichtkonfokaler AO-Bildgebung undBewegungskontrastanalyse war es jüngstmöglich, mikroskopische vaskulopa-thische Veränderungen wie Kapillarver-schlüsse,Rekanalisation undAusbildungvon Mikroaneurysmen im longitudina-lenVerlauf beiDiabetesmellitus Typ 2 zudokumentieren [6]. Bei einem Patientenmit Zentralvenenverschluss (CRVO)konnte, aufgrund der beobachtetenRückbildung von Mikroaneurysmen,der positive Therapieverlauf mit Anti-VEGF (vaskuläre endotheliale Wachs-tumsfaktoren) beschrieben werden [10].

Der Ophthalmologe

Abb. 38 Zapfenphotorezeptoren. a Konfokales AO (adaptive Optiken)-SLO (Scanning-Laser-Ophthalmoskop) bei ca. 5° Ex-zentrizität (identischer Ausschnittwie.Abb. 1a und2a).bAO-OCT (optische Kohärenztomographie), ca. 0,5° Exzentrizität.cAO-Funduskamera (rtx1, Imagine Eyes), ca. 1,5° Exzentrizität. (Teilabbildungenmit freundl. Genehmigung vonDonaldMil-ler [b] undMarco Lombardo [c])

Abb. 48 Retinales Pigmentepithel. aKonfokales AO (adaptiveOptiken)-SLO (Scanning-Laser-Oph-thalmoskop), ca. 3° inferior, Patientmit Retinitis pigmentosa. Erst durch das Fehlen eines Photorezep-torsignalswirddasRPE (retinalesPigmentepithel)-Mosaik sichtbar.bKonfokalesAO-SLOmitRPE-spe-zifischer Autofluoreszenz (AF), gesundeNetzhaut. c Konfokales AO-SLO, perifoveal (Fovea = *). Netz-hauteinesPatientenmitmakulärenTeleangiektasien (MacTel)Typ2.GrüneUmrandungundaußerhalbder gelben: intakterscheinendesPhotorezeptormosaik. Innerhalb der gelbenUmrandung: Photorezep-torenmit gestörterWellenleiterfunktion. RoteUmrandung: transparente Photorezeptorenmit darun-terliegendemRPE-Mosaik. (Teilabbildungenmit freundl. GenehmigungvonAustinRoorda, verändertnach [33] [a], JessicaMorgan, vgl. [27] [b], und Jacque Duncan, verändert nach [46] [c])

Photorezeptorzellen

Die Photorezeptorzellen waren die ers-ten Strukturen, die mithilfe von AO imlebenden Auge abgebildet wurden [23].Sie liegen wegen ihrer das Licht stark re-flektierenden Eigenschaften bis heute imFokus der AO-Ophthalmoskopie. Sämt-licheAO-bildgebendenVerfahrensind inder Lage, Zapfenphotorezeptoren aufzu-lösen (. Abb. 3), wobei das Auflösungs-vermögen vieler Systeme auf die Darstel-

lung der größeren, parafovealen Zapfenbeschränktist.Dadietheoretischerreich-bare laterale Auflösungsgrenze im Augebei ungefähr 2 μm liegt (s. Leitthemen-beitrag „Technische Grundlagen adapti-ver Optiken in der Ophthalmologie“ vonReiniger et al. im selben Heft), konn-ten die kleineren Stäbchen und fovealenZapfen bisher fast ausschließlich in AO-SLO-SystemenmitneuesterAO-Techno-logie und bei Probanden mit günstigenokulären Optiken gezeigt werden [11].

Bisher war nur eine nichtkommerzielleAO-Funduskamera inderLage, Stäbchendarzustellen [9].

Obwohl die konfokale AO-SLO-Bild-gebung die beste räumliche Auflösungbietet, wird durch die Konfokalität diezur Verfügung stehende Bildinforma-tion eingeschränkt. Bisher wird ange-nommen, dass das im Ophthalmoskopdetektierte Licht in den Außensegmen-ten der Photorezeptoren reflektiert unddurch die Wellenleitereigenschaften derInnensegmente zurückgestrahlt wurde[20, 30]. Typischerweise erscheinenZap-fen und Stäbchen im konfokalen AO-Ophthalmoskop als dicht gepacktes Mo-saik nahezu kreisförmiger Strukturen.Nicht abschließend geklärt ist die Frage,warum die Helligkeit der Photorezep-torzellen imAO-Reflektionsbild variabelist. Als Hauptursache wird angenom-men, dass die Länge der Außensegmenteaufgrund des stetigen Auf- und Abbausendständiger Membranstapel variiertund es somit in Abhängigkeit der Au-ßensegmentlänge zu konstruktiver oderdestruktiver Interferenz des Lichtsigna-les kommt [20].

Zapfen bzw. Stäbchen, deren Außen-segmente z. B. durch pathologische Ver-änderungen beschädigt oder gegenüberder Pupillenachse verkippt sind, sindim konfokalen bildgebenden Verfahrennicht sichtbar [37]. Jedoch können dieZapfeninnensegmente – auf Kosten desAuflösungsvermögens – mittels „splitdetection“ (s. Leitthemenbeitrag „Tech-nische Grundlagen adaptiver Optikenin der Ophthalmologie“ von Reinigeret al. im selben Heft) sichtbar gemacht

Der Ophthalmologe

Leitthema

Abb. 58 AO (adaptive Optiken)-Mikroperimetriemittels AO-SLO (Scanning-Laser-Ophthalmoskop).a Kleinste Lichtstimuli (Intensitätsverteilung als farbige Konturen relativ zumPhotorezeptormosaik)wurden zentriert oder abseits eines Zapfens platziert undwiederholt Detektionsschwellenpsycho-physikalischgemessen.bLichtdetektionsschwellenwarenfüralleProbandenbeizentralerStimulationniedriger (rot signifikant). X- und Y-Achse in arbiträrer Einheit (engl., a.u.: „arbitrary units“). c Paarwei-se Funktionstestung in normalen und sog. Dunkelzapfen (gestrichelt).dDetektionsschwellenwarenfür beide Fälle nicht unterscheidbar undDunkelzapfen zeigten normale visuelle Funktion. Y-Achsezeigt die Schwellenwertsdifferenz in arbiträren Einheiten (engl., a.u.: „arbitrary units“ ).eAO-Mikrope-rimetrie der erkranktenNetzhaut (wie.Abb. 4c, makuläre Teleangiektasie Typ 2, normale Photore-zeptorstruktur nur außerhalb von rotundgelb).Quadrate zeigen Testort undStimulusgröße.Der Sternmarkiert die Fovea. Detektionsschwellenwaren trotz auffälliger Bildunterschiede vergleichbar undnormal. (Teilabbildung emit freundl. Genehmigung von Jacque Duncan, verändert nach [46]. Teilab-bildung a undb verändert nach [15], c undd nach [1])

werden. Diese Technik konnte unteranderem erfolgreich bei 4 Achromat-opsiepatienten (CNGA3- bzw. CNGB3-assoziiert), angewendet werden, indemdie Innensegmente von im konfokalenAO-SLO-Bild unsichtbaren Zapfen indieser nichtkonfokalen Detektorkonfi-guration dargestellt wurden [37].

Da das Mosaik der Rezeptorzellenräumlich stabil ist, ist es möglich, diestrukturelle Integrität mehrerer odereinzelner Zellen über längere Zeiträumezu verfolgen. Inzwischen existieren Al-gorithmen, die aus einer automatischenZelldetektion Parameter wie Zapfen-dichte, -abstand und Mosaikregularität

extrahieren können [8]. In ersten Ansät-zen konnten bereits einzelne dieser dasZapfenmosaik beschreibenden Parame-ter erfolgreich in Korrelation zu einergesundenbzw. pathologischenRetina ge-setzt werden [25]. Bei Morbus Stargardt,aus klinischer Sicht beschrieben durcheine Dysfunktion des retinalen Pigmen-tepithels (RPE), konnten durch AO-unterstützte Bildgebung VeränderungenimRezeptorzellenmosaik detektiert wer-den, bevor eine sichtbare Schädigung desRPEs auftritt [32, 39]. In einer Studiemit 60 von früher altersabhängiger Ma-kuladegeneration (AMD) betroffenenPatienten ergab sich eine signifikante re-ziproke Korrelation zwischen Alter undparafovealer Zapfendichte. DesWeiterenkonnte kein negativer Einfluss auf diePhotorezeptorzelldichte außerhalb vonArealen mit Drusen oder Pigmente-pithelstörungen gefunden werden [29].Sowohl bei Retinitis pigmentosa als auchbei Usher-Syndrom weicht die fovealeZapfendichte bereits signifikant vom ge-sunden Zustand ab, bevor pathologischeVeränderungen im OCT oder bei einerVisusüberprüfung sichtbar werden [40].Bei einem Patienten mit akuter idio-pathischer Vergrößerung des blindenFlecks (AIBSE) konnte die Regenerationvon Zapfenaußensegmenten im Verlaufvon 1 Jahr im AO-SLO beobachtet unddokumentiert werden. Der Befund gingeinhermit derVerkleinerungdesblindenFlecks im Sichtfeld [18].

Durch die Evaluation der Zapfen-dichte bei gleichzeitiger VerabreichungvonCNTF (ziliarer neurotropher Faktor)konnte in der bisher einzigen longitudi-nalen und interventionellen Studie überden Beobachtungszeitraum von 3 Jah-ren hinweg ein neuroprotektiver Effektdurch CNTF bei Patienten mit Retinitispigmentosa nachgewiesen werden [42].

Retinales Pigmentepithel

Die funktionale Integrität der Zellen desRPE steht im engen Zusammenhang mitverschiedenen retinalen Erkrankungen,allen voran der AMD. Obwohl RPE-Zellen relativ groß sind (. Abb. 4), sindsie schwierig abzubilden: Im konfokalenAO-SLO oder der AO-Funduskameraüberlagert das starke Signal der Pho-

Der Ophthalmologe

torezeptorzellen das relativ schwacheSignal der RPE-Zellen [33]. Erst wenndie Wellenleitereigenschaft der Photo-rezeptorzellen gestört ist, wie z. B. beimakulären Teleangiektasien (MacTel)oder Zapfen-Stäbchen-Dystrophie, istder Blick im konfokalen AO-Ophthal-moskop auf die Zellen des RPE ohneweitere Modifizierungen der Bildgebungmöglich [34, 46].

Für das AO-SLO existieren gegen-wärtig 3 verschiedene Techniken, umdie RPE-Zellen auch bei intakten Photo-rezeptoren sichtbar zu machen: Bei derAutofluoreszenztechnikwird das imRPEangereicherte Lipofuszin mit 568 nm-Licht angeregt, das daraufhin Photo-nen mit 624 nm Wellenlänge abstrahlt(. Abb. 4b; [27]). Die zweite Technikbasiert auf systemischer Verabreichungvon Indocyaningrün (ICG).Dieser Farb-stoff akkumuliert im späteren Verlauf(zwischen 20min und 2 h) in den Zellendes RPE. Bei Anregung mit Infrarotlichtkann somit wiederum ein RPE-Zellen-spezifisches Signal für die Bildgebunggenutzt werden [43]. Eine nichtkon-fokale Detektorkonfiguration stellt diedritte Technik dar. Hier wird das starkekonfokale Signal der Photorezeptorenoptisch ausgeblendet und ausschließlichStreulicht zur Bilderstellung verwendet(. Abb. 4c; [36]). Diese als Dunkelfeld(engl., „darkfield“) bezeichnete Bildge-bung hat den großen Vorteil gegenüberder Autofluoreszenzmethode, dass we-sentlich geringere und für den Proban-den komfortablere Lichtmengen genutztwerden.

Im AO-OCT ist die Betrachtung derRPE-Zellen ohne solche Methoden so-wohl in der pathologischen als auchder gesunden Retina erreichbar. Außer-dem liegt in einem OCT-Scan zusätzlichdie gesamte Volumeninformation vor,sodass hier sogar eine zellgenaue drei-dimensionale Darstellung des RPE mitden darüberliegenden Außen- und In-nensegmenten der Photorezeptorzellenmöglich ist [24].

Insbesondere fürUntersuchungenderAMD könnte eine solche detailgenaueAnalyse der RPE-Zellen von großem In-teresse sein. So wurden bereits Hinweiseauf eine gestörte Morphologie der RPE-Zellen bei AMD gefunden [35]. Auf der

anderen Seite scheint die unterschwel-lige Lasertherapie bei unterschiedlichenretinovaskulären Pathologien eine siche-re Behandlungsmethode zu sein, da kei-ne Schädigung des RPE im Verlauf einer9-monatigen Studie zu beobachten war[47]. Bei Chorioideremie waren bishe-rigeTheorien widersprüchlich bezüglichderprimärbetroffenenStruktur.AktuelleStudien unter Verwendung von AO-ge-stützten bildgebenden Verfahren weisennun darauf hin, dass das RPE die primärebetroffene Struktur darstellt und Photo-rezeptorzellen unabhängig degenerierenkönnen [28, 41].

Mikroskopische Funktions-analyse

Wie in den oben beschriebenen Struk-turanalysen deutlich geworden ist, gehtein fehlendes Bildsignal nicht immermiteinem visuellen Funktionsverlust einher.Um diesen Zusammenhang auf zellulä-rer Ebene besser untersuchen zu können,ist in den letzten Jahren eine höchstauf-gelöste AO-Mikrostimulation entwickeltworden (. Abb. 5), die bishernur fürAO-SLO-Plattformen zugänglich ist.

Bei der AO-Mikroperimetrie wird einStimulationslicht über die Wellenfront-korrektur und schnelle optische Schal-ter auf die Netzhaut fokussiert [45]. Derso erzeugte Lichtpunkt ist idealerweisekleiner als die funktionelle Apertur ei-ner einzelnen Zapfenphotorezeptorzel-le [16]. Eine repetitive Funktionstestungeinzelner Zellen bei gleichzeitiger Bild-gebung ist heutzutage durch die Kom-pensation der chromatischen Aberratio-nen [14] und die Korrektur von kleinstenAugenbewegungen möglich. Solche Fi-xationsaugenbewegungen, derenhöchst-frequente Bewegungskomponenten beica. 100Hz liegen [12], werden mit einerAbtastrate von bis zu 1 kHz im retinalenBild gemessen und in nahezu Echtzeitdurch eine zeitlich angepasste Stimulati-on ausgeglichen [13, 38].

Kürzlich konnte in einem psychophy-sischen Experiment gezeigt werden, dassder Einfluss der einzelnen Photorezep-torzelle auf den visuellen Seheindruckuntersuchbar ist [15]. Dazu wurde einquadratischer Stimulus (ca. 4 μm Seiten-länge) entweder auf das Zentrum eines

Zapfens oder den Zwischenraum zwi-schen den Zapfen platziert. Die mittle-re Detektionsschwelle für eine zentra-le Positionierung war für alle getestetenProbanden und Exzentrizitäten geringer(. Abb.5a,b).Diesdemonstriert, dassdieräumliche Auflösung der Stimulation imangewendetenVerfahren höher ist als diedes retinalen Mosaiks.

» Der Einfluss der einzelnenPhotorezeptorzelle auf denvisuellen Seheindruck istuntersuchbar

In einemweiteren psychophysischen Ex-periment wurde die Empfindlichkeit vonsog. Dunkelzapfen (engl., „dark cones“)getestet [1]. Dunkelzapfen sind solche,die imAO-SLO-BilddergesundenRetinaaus bisher unbekannten Gründen nichtsichtbar sind. Eswurde kein signifikanterfunktioneller Unterschied zwischen De-tektionsschwellen von normal reflektie-renden Zapfenphotorezeptorzellen undDunkelzapfen gefunden (. Abb. 5c, d).In einer der ersten Studien unter An-wendung der AO-Mikroperimetrie wur-de ein Funktionstest bei Patienten mitidiopathischermakulärerTeleangiektasieTyp 2 durchgeführt [46]. In Netzhautbe-reichen, in denen die Zapfen dunkel odertransparent erschienen, konnte teilweiseeine nahezu normale Sensitivität gemes-sen werden (. Abb. 5e). Zusammenfas-send ergibt sich daraus ein nichttrivialerZusammenhang zwischenhochaufgelös-ter AO-Bildgebung und zellulärer Funk-tionsanalyse, und eine klinische Bewer-tungvonAO-Bildmaterial solltenochmitVorsicht vorgenommen werden.

Fazit für die Praxis

4 Mit adaptiven Optiken ausgestattetebildgebende Systeme ermöglichendie In-vivo-Untersuchung der Retinaauf mikroskopischem Niveau.

4 Kommerzielle AO-Systeme sind dazuin der Lage, die Nervenfaserschicht,die Blutgefäße und Photorezeptor-zellen aufzulösen.

4 Nichtkommerzielle Spezialsystemesind darüber hinaus in der Lage, das

Der Ophthalmologe

Leitthema

gesamte Kapillarnetz und das RPE-Mosaik darzustellen.

4 Viele Netzhauterkrankungen begin-nen mit mikroskopischen Struktur-veränderungen der Netzhaut, diemit AO-Systemen schon frühzeitigerkannt werden können.

4 Auch die Evaluierung von Thera-pieansätzen profitiert durch vonAO-Systemen ermöglichter In-vivo-Nachverfolgung der betroffenenZellen.

4 Mikroskopische Funktionstestungauf Einzelzellebene kann bei derInterpretation neugewonnenerBilddaten unterstützend eingesetztwerden.

Korrespondenzadresse

N. Domdei, M.Sc.Institut für Zoologie und Tierphysiologie, RWTHAachenAachen, [email protected]

Danksagung. Wir danken Toco Y.P. Chui (New YorkEye and Ear Infirmary of Mount Sinai, NY, USA),Jacque L. Duncan (University of California SanFrancisco, CA, USA), Donald C. Hood (ColumbiaUniversity, NY, USA), Marco Lombardo (VisionEngineering Italy srl, Rom, Italien), Donald T. Miller(Indiana University Bloomington, IN, USA),Jessica I.W. Morgan (University of Pennsylvania, PA,USA), Zoran Popovic (University of Gothenburg,Sweden), Austin Roorda (University of California,Berkeley, CA, USA), Lawrence Sincich (University ofAlabama at Birmingham, AL, USA), Johnny Tam(University of California, Berkeley, CA, USA) für dieunkomplizierte und kurzfristige Bereitstellung vonBildmaterial sowie Moritz Lindner(Universitätsaugenklinik Bonn, Deutschland) fürfachliche Beratung.

Förderung. Emmy Noether-Programm derDeutschen Forschungsgemeinschaft (DFG Ha5323/5-1) und Carl Zeiss Wissenschaftsfonds.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. N.Domdei, J.L. Reiniger,M. Pfau,P. Charbel Issa, F.G. Holz undW.M. Harmeninggebenan, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitragbeinhaltet keine vondenAutorendurchgeführten Studien anMenschenoder Tieren.

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