nicolas kutscher · 2018. 7. 13. · but_kutscher_4081-9.indd 4 06.07.17 07:30! meinen großeltern...

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Organhaftung als Instrument der aktienrechtlichen Corporate Governance Nicolas Kutscher Deutsches, Europäisches und Vergleichendes Wirtschaftsrecht 103 Nomos

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  • Organhaftung als Instrument der aktienrechtlichen Corporate Governance

    Nicolas Kutscher

    Deutsches, Europäisches und Vergleichendes Wirtschaftsrecht 103

    Nomos

  • Deutsches, Europäisches und Vergleichendes Wirtschaftsrecht

    herausgegeben von Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Dr. iur. h.c. Werner F. Ebke,LL.M. (UC Berkeley)

    Band 103

    BUT_Kutscher_4081-9.indd 2 06.07.17 07:30

  • Nicolas Kutscher

    Organhaftung als Instrument der aktienrechtlichen Corporate Governance

    Nomos

    BUT_Kutscher_4081-9.indd 3 06.07.17 07:30

  • Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Zugl.: Freiburg, Univ., Diss., 2017

    ISBN 978-3-8487-4081-9 (Print)ISBN 978-3-8452-8390-6 (ePDF)

    1. Auflage 2017© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2017. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

    BUT_Kutscher_4081-9.indd 4 06.07.17 07:30

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    Meinen Großeltern

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    Geleitwort des Herausgebers

    Der Verfasser beschäftigt sich in seiner im Wintersemester 2016/2017 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertationsschrift angenommenen Monographie mit der ebenso bedeutsamen wie aktuellen Fragestellung, ob und wie die Sankti-onsandrohung einer aktienrechtlichen Organinnenhaftung (auf der Grund-lage und am Maßstab von – insbesondere – §§ 93 Abs. 2 Satz 1, 116 AktG) im Spannungsfeld von Risikobereitschaft und Risikoaversion zu einem pflichtgemäßen Handeln der Organmitglieder beitragen kann. Grundsätzlich soll die Androhung einer persönlichen Haftung in diesem Zusammenhang als Steuerungsinstrument auf die Vorstands- und Auf-sichtsratsmitglieder bereits präventiv verhaltenssteuernd einwirken, ohne dabei jedoch überzogene und gegebenenfalls sogar abträgliche Absiche-rungs- bzw. Verminderungsstrategien zu befördern.

    Anlass für die Untersuchung über den Reformbedarf im gegenwärtigen normativen Haftungsregime haben in jüngerer Zeit mehrere viel beachtete Organhaftungsfälle gegeben. Im rechtswissenschaftlichen Diskurs lässt sich hierbei beobachten, dass mitunter eine hinreichend differenzierte Un-tersuchung der konkreten, (rechts-)tatsächlich problematischen Normtat-bestände unterbleibt und Lösungsvorschläge in der Folge weder ein klares Ziel verfolgen noch die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Aspekten des Organhaftungsrechts angemessen berücksichtigen. Die Ar-beit hat vor diesem Hintergrund den Anspruch, einen ganzheitlichen Blick auf die Thematik zu eröffnen. Zudem soll eine Verbindung hergestellt werden zu einem anderen, der Organhaftung verwandten Instrument der Corporate Governance, nämlich dem aktienrechtlichen Organstreit. Es darf festgehalten werden, dass die vorgelegte Untersuchung die vorbe-nannten (und weitere) Fragestellungen in sehr erfreulicher Weise adres-siert und die hiermit verbundenen Erwartungen (ein)löst.

    Der Gang der Untersuchung folgt dem Konzept einer kontinuierlichen Gegenüberstellung von Problemerkennung und Problembehebung: Jeweils für den materiellen Haftungstatbestand und das System zur Durchsetzung der Haftungsansprüche werden die Möglichkeiten und Grenzen der ge-genwärtigen Rechtslage analysiert. Hierauf auftretend werden sodann Lö-sungsvorschläge zu einer zielgerichteten Verbesserung unterbreitet. Prä-sentiert wird zudem ein Überblick über die rechtstatsächlichen Entwick-

  • Geleitwort des Herausgebers !

    !8

    lungen des Organhaftungsrechts, bevor eine Befassung mit dem der Or-ganhaftung eng verbundenen Organstreit die Untersuchung abrundet.

    Insgesamt hat der Verfasser mit „Organhaftung als Instrument der ak-tienrechtlichen Corporate Governance“ ein gelungenes wissenschaftliches Erstlingswerk vorgelegt, das die aufgeworfenen Fragestellungen umsichtig ausleuchtet; neben überzeugend vermittelten Einsichten werden vor allem auch eigenständige, weiterführende Vorschläge sowie Ansätze zu diesen Themenkomplexen präsentiert. Das Werk von Herrn Kutscher verdient breite Beachtung und Rezeption.

    Heidelberg, im März 2017 Werner F. Ebke

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    ! 9

    Vorwort

    Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universtät Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Anfang August 2016 berücksichtigt werden.

    Besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Boris P. Paal, M.Jur. (Oxford), für seine engagierte Unterstützung, sachkundige Beratung und den stets wohlwollenden Zuspruch, nicht nur während der Promotionszeit, sondern auch schon während meines Studi-ums und darüber hinaus. Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago) danke ich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutach-tens. Weiterhin gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Werner F. Ebke, LL.M. (UC Berkeley) für die Aufnahme meiner Arbeit in die von ihm herausgegebene Schriftenreihe zum Deutschen, Europäischen und Vergleichenden Wirtschaftsrecht.

    Danken möchte ich zudem der FAZIT-Stiftung für ihre großzügige fi-nanzielle Unterstützung meines Vorhabens sowohl durch ein Promotions-stipendium als auch durch die Gewährung eines Druckkostenzuschusses.

    Diese Arbeit hätte nicht entstehen können ohne die bedingungslose Un-terstützung meiner Eltern, nicht nur im Zusammenhang mit meiner Pro-motion, sondern in schlichtweg jeder Lebenslage. Euer Verdienst kann kaum hinreichend gewürdigt werden. Ich danke Euch dafür, dass Ihr mich zu jemandem gemacht habt, der diese Arbeit schreiben konnte. Ebenso danke ich von Herzen meinen Geschwistern Karlotta, Florentine und Kon-stantin, die nicht weniger zuverlässige und bedeutsame Pfeiler meiner Vergangenheit und Zukunft sind.

    Dank gebührt zudem meinen Freunden, die mich mit inhaltlicher Aus-einandersetzung, verständnisvollem Rückhalt und der notwendigen Zer-streuung aus nah und fern unterstützt haben. Besonders hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang mein Doktorbruder, Mitbewohner und Freund Patrick Steinmetz.

  • Vorwort !

    !10

    Schließlich danke ich von Herzen meinen Großeltern, Ellen und Eckard Wolf, die meinen Werdegang nicht nur als erfolgreiche und passionierte Juristen, sondern auch als Musik- und Literaturkenner, Schwimm- und Fahrradlehrer, als Geschichtszeugen und insbesondere als warmherzige Großeltern maßgeblich mitgeprägt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewid-met.

    Berlin, im Mai 2017

    Nicolas Kutscher

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    !11

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1!!!!!!!Einleitung 23!

    A.! Problemaufriss 23!B.! Ziel und Gang der Untersuchung 26!

    Kapitel 2! Corporate Governance als Zielvorgabe 28!

    A.! Der Begriff der Corporate Governance 28!B.! Ökonomische Ziele der Organhaftung 30!

    I.! Funktionen der Organhaftung 31!II.! Gewinn- und Verlustpartizipation des Agenten 32!III.!Erwartungswerte aus Sicht des Prinzipals und Agenten 33!

    C.! Zusammenfassung 35!

    Kapitel 3! Kasuistik 36!

    A.! Siemens ./. Neubürger 36!B.! Deutsche Bank ./. Breuer 37!C.! Arcandor ./. Middelhoff 38!D.! Sonstige Fälle und Entwicklung 39!E.! Kategorisierung 39!

    I.! Rechtsprechung zur Business Judgment Rule (BJR) 40!II.! Beweislastverteilung und Bußgeldregress 41!

    F.! Andere Anzeichen für die Entwicklung der Organhaftungspraxis 42!G.! Zusammenfassung 42!

    Kapitel 4! Defizite des materiellen Haftungstatbestands 44!

    A.! Der materielle Haftungstatbestand 45!B.! Verschuldensmaßstab und Schadenshöhe 47!

    I.! Arbeitnehmerhaftung 48!II.! Haftung des Einzelkaufmanns 50!III.!Zusammenfassung 51!

    C.! Business Judgment Rule (BJR), § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG 52!I.! Vermeidung von Erfolgshaftung und Rückschaufehlern 53!II.! Spezielle Haftungsprivilegierung der BJR 55!

  • Inhaltsverzeichnis !

    !12

    III.!Anwendungsbereich der BJR: Unternehmerisches Handeln 67!D.! Versicherbarkeit: Die Rolle der D&O-Versicherungen 71!

    I.! Selbstbehalt 72!II.! Deckungsgrenzen und Anreizverschiebung 73!III.! Interessenkonflikte und Schutzlücken aufgrund

    Gruppenversicherung 75!IV.!Anspruchserhebungsprinzip 76!V.! Zusammenfassung 77!

    E.! Verjährung 77!F.! Beweislastverteilung 80!

    I.! Ausgangslage 81!II.! Rechtfertigung 81!III.!Zusammenfassung 86!

    G.! Mittelbare Nachteile der Haftung 87!H.! Allgemeine Grenzen einer existenzbedrohlichen Haftung 88!

    I.! Verfassungsrechtliche Implikationen des Haftungsrechts 89!II.! Einfachgesetzliche Ausgestaltung 89!III.!Zusammenfassung 93!

    I.! Zusammenfassung der Defizite des materiell-rechtlichen Haftungstatbestands 93!

    Kapitel 5! Defizite bei der Anspruchsdurchsetzung 95!

    A.! „Back-scratching“ zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern 95!

    B.! Die Verfolgungspflicht nach ARAG/Garmenbeck 98!I.! Vorgaben des BGH 98!II.! Rezeption der Literatur 99!III.! Stellungnahme 104!IV.!Zusammenfassung 107!

    C.! Die Aktionärsklage nach § 148 AktG 108!I.! Eignung einer Aktionärsminderheit zur

    Anspruchsverfolgung 110!II.! Kosten 111!III.!Entgegenstehende „überwiegende Gründe des

    Gesellschaftswohls“ 112!IV.!Das Quorum und die Qualifizierung der Pflichtverletzung 115!V.! Substitutionsrecht der Gesellschaft 117!VI.!Trittbrettfahrerproblematik 118!VII.!Zusammenfassung 119!

    D.! Erzwingungsrechte der Hauptversammlung nach § 147 AktG 119!

  • Inhaltsverzeichnis

    ! 13

    I.! Erzwingungsbeschluss der Hauptversammlung, § 147 Abs. 1 AktG 121!

    II.! Der besondere Vertreter, § 147 Abs. 2 AktG 122!III.!Zusammenfassung 129!

    E.! Aufsichtsrechtliches Enforcement 130!F.! Zusammenfassung der Defizite bei der Anspruchsdurchsetzung 130!G.! Auswirkungen auf die Entscheidungsmentalität der Organmitglieder 131!

    Kapitel 6! Lösungsvorschläge bezüglich des materiellen Haftungstatbestands 133!

    A.! Anwendung und Ausgestaltung der Business Judgment Rule (BJR) 133!

    I.! Die BJR de lege lata – Auslegung und Anwendung 134!II.! Die BJR de lege ferenda 138!III.!Zusammenfassung 150!

    B.! Änderungen im Recht der D&O-Versicherung 150!I.! Wirksamkeit des claims-made-Prinzips 151!II.! Der Selbstbehalt gem. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG 158!

    C.! Verjährung 181!D.! Beweislastverteilung 183!

    I.! Beweislastverteilung de lege lata 183!II.! Beweislastverteilung de lege ferenda 189!

    E.! Beschränkungen der Regresshöhe 190!I.! Haftungsbeschränkung aufgrund gesellschaftlicher

    Fürsorgepflicht 190!II.! Vorteilsanrechnung bei nützlichen Pflichtverletzungen 211!III.!Exkurs: Regresshaftung bei Kartellrechtsverstößen 214!IV.!Haftungsbeschränkung aufgrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, Art. 20 Abs. 1 GG 221!V.! Gesetzliche Haftungshöchstgrenzen 231!VI.!Satzungsmäßige Haftungsbeschränkung 235!

    F.! Organhaftung in der Schiedsgerichtsbarkeit 246!I.! Vor- und Nachteile des Schiedsverfahrens 246!II.! Wirksamkeitsvoraussetzungen 249!III.! Statutarische Schiedsverfügungen 255!

    G.! Gesamtverantwortung und Vertrauensgrundsatz 259!I.! Gesamtverantwortung und Vertrauensgrundsatz de lege lata 260!II.! Reformbedarf de lege ferenda 263!

  • Inhaltsverzeichnis !

    !14

    H.! Verzicht und Vergleich 266!I.! Abschaffung der Dreijahresfrist 267!II.! Analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf die

    Nichtverfolgung von Ansprüchen 270!I.! Ergebnisse zur Verbesserung des materiellen

    Haftungstatbestands 271!

    Kapitel 7! Lösungsvorschläge bezüglich der Haftungsdurchsetzung 273!

    A.! Effektuierung des Aufsichtsrats 274!I.! Minderheitenvertreter 274!II.! Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder 275!III.!Verfolgungsausschuss 279!IV.!Berichtspflicht des Aufsichtsrats gegenüber der

    Hauptversammlung 280!V.! Zusammenfassung 281!

    B.! Erleichterung der Aktionärsklage, § 148 AktG 282!I.! Missbrauchspotential der Aktionärsklage 283!II.! Kostenstruktur 285!III.!Das Quorum 295!IV.!Das Tatbestandsmerkmal der entgegenstehenden Gründe des Unternehmenswohls 302!V.! Substitutionsrecht der Gesellschaft 303!VI.!Tatbestandliche Qualifizierung der Pflichtverletzung 305!VII.!Sonstige Anpassungen 309!VIII.Verhältnis zur Sonderprüfung nach § 142 AktG 316!IX.!Zusammenfassung: Reform der Aktionärsklage 320!

    C.! Erzwingungsrechte der Hauptversammlung 322!I.! Verfolgung konzernrechtlicher Haftungsansprüche im

    Wege des § 147 AktG 323!II.! Verhältnis zur Sonderprüfung 332!III.!Gesetzliche Fixierung der Befugnisse des besonderen

    Vertreters 335!IV.!Zusammenfassung 337!V.! Abschließende Wertungskontrolle: Stimmverbot als

    Weichensteller 337!D.! Externe Haftungsdurchsetzung 338!

    I.! Zuständigkeit externer Institutionen für die Klagezulassung 338!II.! Anspruchsverfolgung durch externe Institutionen 340!

    E.! Ergebnisse zur Haftungsdurchsetzung 354!

  • Inhaltsverzeichnis

    ! 15

    Kapitel 8! Organstreit und Organhaftung 356!

    A.! Vorüberlegungen zur dogmatischen Zulässigkeit des Organstreits 357!

    I.! Interorganstreit 357!II.! Intraorganstreit 363!

    B.! Organstreitverfahren im Zusammenhang mit der Organhaftung 364!I.! Interorganstreit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand 364!II.! Intraorganstreit im Aufsichtsrat 379!III.!Aktionärsklage auf Vornahme oder Unterlassen einer

    Geschäftsführungsmaßnahme 386!C.! Zusammenfassung zum Organstreit 398!

    Kapitel 9! Thesen 400!

    Kapitel 10! Fazit 403!

    Anhang - Rechtsprechungsübersicht 405!

    Literaturverzeichnis 407!

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    Abkürzungsverzeichnis

    a.A. andere Ansicht AcP Archiv für die civilistische Praxis a.F. alte Fassung Abs. Absatz AG Amtsgericht/Die Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AktG Aktiengesetz AktG-E Entwurf eines Aktiengesetzes ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Anm. Anmerkung Art. Artikel AReG Abschlussprüfungsreformgesetz Aufl. Auflage BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebs-Berater Bd. Band BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Begr. Begründung/Begründer Beil. Beilage BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGB-E Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BJR business judgment rule BJR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BR Bundesrat BReg Bundesregierung BT Bundestag BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise CCZ Corporate Compliance Zeitschrift CRR Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und

    des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der

  • Abkürzungsverzeichnis !

    !18

    Verordnung Nr. 646/2012 DAV Deutscher Anwaltsverein DB Der Betrieb DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex ders. derselbe d.h. das heißt dies. dieselbe/n Diss. Dissertation DJT Deutscher Juristentag D&O Director’s & Officer’s (Liabilty Insurance) Drucks. Drucksache DStR Deutsches Steuerrecht DZWir Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht EFSF European Financial Stability Facility EG Europäische Gemeinschaft EGAktG Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einl. Einleitung ESM European Stability Mechanism etc. et cetera EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuGVVO Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000

    über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

    EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EZB Europäische Zentralbank f., ff. folgende FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den

    Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FinDAG Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Fn. Fußnote FS Festschrift GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHR Die GmbH Rundschau GroßKomm Großkommentar GS Gedächtnisschrift

  • Abkürzungsverzeichnis

    ! 19

    Habil. Habilitationsschrift Hdb. Handbuch HGB Handelsgesetzbuch h.M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben HS Halbsatz i.e. id est InsO Insolvenzordnung idR. in der Regel iRd. im Rahmen des/der iSd. im Sinne der /des iSe. im Sinne einer/s iVm. in Verbindung mit JuS Juristische Schulung JZ Juristen Zeitung KölnKomm Kölner Kommentar KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich KWG Gesetz über das Kreditwesen LAG Landesarbeitsgericht lit. litera MünchKomm Münchener Kommentar mwN. mit weiteren Nachweisen n.F. neue Fassung NJOZ Neue Juristische Online Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-Beil. Neue Juristische Wochenschrift - Beilage NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. Nummer(n) NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht NZWiSt Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstraf- recht OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf

  • Abkürzungsverzeichnis !

    !20

    RG Reichsgericht RGZ Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen RL Richtlinie Rn. Randnummer(n) ROHG Reichsoberhandelsgericht Rspr. Rechtsprechung S. Seite SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren Sec Section sog. sogenannte/r SSM Single Supervisory Mechanism SSM-VO Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013

    zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank

    StRspr. Ständige Rechtsprechung StV Der Strafverteidiger TransPuG Transparenz- und Publizitätsgesetz u.a. unter anderem UMAG Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des

    Anfechtungsrechts US, USA United States (of America) u.U. unter Umständen v. von/vom VAG Versicherungsaufsichtsgesetz Verf. Verfasser VersR Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht vgl. vergleiche VGR Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und

    Gesellschaftsrecht VorstAG Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vs. versus VVG Versicherungsvertragsgesetz VW Volkswagen/Versicherungswirtschaft VwGO Verwaltungsgerichtsordnung WM Wertpapier-Mitteilungen WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung

  • Abkürzungsverzeichnis

    ! 21

    ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

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    !23

    Kapitel 1! Einleitung

    Die Frage nach dem richtigen Maß einer aktienrechtlichen Regulierung bezieht sich in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion zuneh-mend auf die Reichweite von Rechten und Pflichten der Organmitglie-der1.2 Die gesetzliche Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten, insbe-sondere des Vorstands, bewegt sich dabei in einem diffizilen Spannungs-feld zwischen Risikoneigung und Risikoaversion. Ein erfolgreiches Un-ternehmen bedarf austarierter rechtlicher Rahmenbedingungen für ge-schäftliche Entscheidungen: Das Leitungspersonal soll dazu gebracht wer-den, eine Handlung (nur) dann vorzunehmen, wenn die geschäftlichen Chancen die jeweiligen Risiken überwiegen und die Handlung sich zudem innerhalb der Grenzen von Gesetz und Satzung bewegt.

    A.! Problemaufriss

    Dass dieses Ideal nicht immer durch die ausgleichende Kraft der Privatau-tonomie gleichsam automatisch erreicht wird, ist (vor allem) auf die Tren-nung von Eigentum und Management zurückzuführen, welche dem Ak-tienrecht eigen ist (Prinzipal-Agenten-Problematik3). Da der Vorstand die Konsequenzen seiner Entscheidungen nicht unmittelbar selbst trägt, son-dern etwaige Verluste und Gewinne auf die Gesellschaft externalisiert, ____________________!1 Zur Terminologie dieser Arbeit: Mit den Begriffen „Vorstand“ und „Aufsichts-

    rat“, die umgangssprachlich mitunter doppeldeutig verwendet werden, sind die Kollektivorgane der Aktiengesellschaft angesprochen. Geht es um die einzelnen Mitglieder der Organe, werden diese im Sinne terminlogischer Klarheit als „Vor-stands-“ oder „Aufsichtsratsmitglied“ oder gremiumsübergreifend als „Organ-mitglieder“ bzw. „Manager“ bezeichnet.

    2 Dies zeigen etwa die vielfältigen Anpassungen der den Vorstand und den Auf-sichtsrat betreffenden Vorschriften des Deutschen Corporate Governance Kodex der letzten Jahre, abrufbar unter http://www.dcgk.de/de/kodex/archiv.html (mit änderungsmarkierten Textversionen). Auch die wirtschaftsrechtliche Abteilung der letzten beiden Deutschen Juristentage beschäftigte sich mit dem Thema, vgl. Bachmann Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag 2014 und Habersack Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag 2012.

    3 Eingehend etwa Decker Prinzipal-Agenten-theoretische Betrachtung von Eigner-Manager-Konflikten, 1994.

  • Kapitel 1: Einleitung !

    !24

    kann die Risikobewertung unerwünschten Parametern, nämlich den ganz persönlichen des Vorstands, unterliegen. Ähnliches gilt für die Überwa-chungstätigkeit des Aufsichtsrats. Es bedarf daher spezieller Anreizsyste-me und Mechanismen, um die Handlungen des Managements in die (ins-besondere aus Aktionärssicht4) gewünschte Richtung zu kanalisieren. Für dieses Unterfangen hat sich der aus dem anglo-amerikanischen Rechts-kreis5 stammende Begriff der Corporate Governance etabliert.6 Der Be-griff der Corporate Governance beschreibt zugleich die Zielvorstellung ei-ner „guten“ Unternehmensführung, wie auch die Instrumente, mittels de-rer eine solche erreicht werden kann. Die vorliegende Untersuchung be-schäftigt sich mit der Frage, wie die Innenhaftung von Organmitgliedern gegenüber der Aktiengesellschaft, ihre Durchsetzbarkeit sowie mit der Organhaftung verwandte Instrumente der Corporate Governance einge-setzt und ausgestaltet werden können, um einer von Profitabilität, Solidität und Seriosität geprägten Unternehmungsleitung nahezukommen.

    Die aktienrechtliche Organhaftung steht seit dem 70. Deutschen Juris-tentag 2014 erneut7 im Fokus des aktienrechtlichen Diskurses8, wobei hiermit und für die Zwecke dieser Untersuchung die Organinnenhaftung angesprochen ist. Nachdem unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 zunächst eine Verschärfung der Managerhaftung im Raum stand9, haben jüngere Urteile dazu geführt, dass die Organhaftung

    ____________________!4 Zur Frage des Maßstabs des Unternehmenserfolgs näher unten Kapitel 2A. 5 Eingehend Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2013, S. 91 Rn. 136 ff.;

    Carl in Spahlinger/Wegen Rn. 1496. 6 Vgl. etwa die umfangreichen Nachweise zum Thema Corporate Governance bei

    Kort in GroßKomm AktG § 76 vor Rn. 1 (S. 77). 7 Zuvor beschäftigten sich bereits der 63. Deutsche Juristentag 2000 sowie der 69.

    Deutsche Juristentag 2012 mit der Thematik. 8 Vgl. nur Beschlüsse des 70. Deutschen Juristentages 2014 in Verhandlungen und

    Beschlüsse des 70. Deutschen Juristentags 2015, Bd. II/1, S. N61 ff.; außerdem u.a. Bachmann Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag, 2014; Wagner ZHR 178 (2014), 227; Seibt/Cziupka DB 2014, 1598; Habersack ZHR 177 (2013), 782; Reichert ZHR 177 (2013), 756; Goette in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 377; Peltzer in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861; Thole ZHR 173 (2009), 504; Spindler AG 2013, 889; Brommer AG 2013, 121; Casper ZHR 176 (2012), 617; Schöne/Petersen AG 2012, 700; Hoffmann NJW 2012, 1393; Koch in Liber amicorum M. Winter, 2011, sowie in AG 2012, 429; Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85. Für weitere Nachweise vgl. das Literaturverzeichnis.

    9 Eine von der Bild am Sonntag in Auftrag gegebene Studie des Meinungsfor-schungsinstituts TNS Emnid vom 01. Oktober 2008 ergab, dass über 75 % der Bundesbürger der Meinung waren, Manager sollten auch mit ihrem Privatvermö-

    !

  • A. Problemaufriss

    ! 25

    von der Wissenschaft aus einer veränderten, breiteren und ambivalenten Perspektive betrachtet wird. Getrieben werden die Beiträge aus dem Schrifttum einerseits davon, ein aus Sicht der Manager angemessenes, man könnte auch sagen „gerechtes“ Maß der Haftung zu erreichen und andererseits von dem Ziel, mit Hilfe der verhaltenssteuernden Organhaf-tung ein volkswirtschaftlich optimales Ergebnis der Unternehmensführung zu erzielen. Der im Gange befindlichen Diskussion kann weder die grund-legende Tendenz einer Entschärfung des Organhaftungsrechts, noch die einer Verschärfung pauschal unterstellt werden. Vielmehr besteht in der analytischen Betrachtung des status quo10 bereits Uneinigkeit über die Prämissen, unter denen Verbesserungvorschläge zu entwickeln sind.11 Dies führt zu einem fragmentierten, unzusammenhängenden Literatur-stand, der die Frage, wie ein gesamtheitliches Reformkonzept aussehen könnte, noch immer unbeantwortet lässt.12 Erst langsam tritt richtiger-weise in den Vordergrund, wie der materiell-rechtliche Tatbestand für eine Innenhaftung und die Durchsetzungsmöglichkeiten der Gesellschaftsan-sprüche ineinander greifen müssen, um ein ausgewogenes Gesamtsystem zu schaffen.13 Nicht selten wird dabei allerdings die pragmatische Fokus-sierung auf die Steuerungsanreize der Organhaftung durch kaum zu be-antwortende Gerechtigkeitserwägungen beeinträchtigt.14 Diese Gerechtig-

    ____________________!gen haften, wenn ihre Institute in Schieflage geraten. Trotz der diffusen Formu-lierung der Fragestellung, lässt sich ein entsprechendes allgemeines öffentliches Stimmungsbild hieran erkennen.

    10 Dazu sogleich Kapitel 1. 11 Vgl. die Beschlüsse des DJT 2014 in Verhandlungen und Beschlüsse des Deut-

    schen Juristentages 2014, Bd. II/1, S. N61; Wagner ZHR 178 (2014), 227; Ha-bersack ZHR 177 (2013), 782.

    12 Beispielhaft Seibt/Cziupka DB 2014, 1598; Habersack ZHR 177 (2013), 782; Reichert ZHR 177 (2013), 756; Tröger ZHR 179 (2015), 453; Goette in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 377; Albers CCZ 2009, 222; Bachmann ZHR 177 (2013), 1; Baums ZHR 174, (2010), 593; ders. Gutachten F zum 63. Deutschen Juristentag 2000; Bayreuther NZG 2014, 1239; Peltzer in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861; Thole ZHR 173 (2009), 504; Spindler AG 2013, 889; Brommer AG 2013, 121; Casper ZHR 176 (2012), 617; Schöne/Petersen AG 2012, 700; Hoff-mann NJW 2012, 1393; Koch in Liber amicorum M. Winter, 2011, sowie in AG 2012, 429; Bayer in FS K. Schmidt, 2009, S. 85. Vgl. im Übrigen das Literatur-verzeichnis zu dieser Arbeit.

    13 Mahnend bereits Ulmer ZHR 163 (1999), 290, der einen „Gleichklang von mate-riellem Recht und Rechtsverfolgung“ forderte. Dies wieder aufnehmend insbe-sondere Bachmann Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag 2014.

    14 Etwa Hoffmann NJW 2012, 1393; Haarmann/Weiß BB 2014, 2115.

  • Kapitel 1: Einleitung !

    !26

    keitserwägungen stützen sich oftmals auf spektakuläre Einzelfälle aus der Praxis, welche allerdings entsprechende Rückschlüsse auf die Gesamtlage nicht unbedingt zulassen.15 Die Verästelungen des Haftungssystems rei-chen zudem so weit, dass umfassende Lösungsansätze bislang kaum exis-tieren.16 Auf diese Weise wächst das Schrifttum zur Thematik laufend an, ohne dass eine Verbesserung tatsächlich zu erkennen wäre.

    Einen besonderen rechtswissenschaftlichen Reiz erhält die Thematik ebenso wie ihre rechtspolitische Relevanz dadurch, dass der gesetzgeberi-sche Spielraum zur Regelung des Organhaftungsrechts sehr begrenzt ist. Im Umfeld einer noch immer unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise stehenden potentiellen Wählerschaft sind Regelungen zur Reform der Or-ganhaftung politisch zur Zeit nur schwer durchzusetzen, wenn dabei (we-nigstens vordergründig) der Eindruck einer Begünstigung der Manager entsteht. Den Reformbemühungen de lege ferenda sind also Grenzen ge-setzt. Der Schwerpunkt der Untersuchung muss daher auf Verbesserungs-möglichkeiten in der Rechtsanwendung liegen.

    Schließlich ist bislang unberücksichtigt geblieben, wie andere Mittel der Corporate Governance im Zusammenspiel mit der Organhaftung ein-gesetzt werden können, um dem Ideal einer guten Unternehmensführung näher zu kommen. Solche Instrumente können ihrerseits zur Stärkung der Pflichtentreue der Organmitglieder beitragen und auf diese Weise den Re-formdruck auf das Organhaftungsrecht unmittelbar verringern. Eine be-sondere Verwandtschaft zum Haftungsrecht weist insoweit der aktien-rechtliche Organstreit auf. Hierbei stellt sich die Frage, ob und inwieweit Pflichtverstöße der Organmitglieder bereits präventiv verhindert werden können, um die Probleme einer nachträglichen Haftung zu umgehen.

    B.! Ziel und Gang der Untersuchung

    Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, ausgehend von einer Analyse der Stärken und Schwächen des gegenwärtigen Haftungssystems, einen Vorschlag zu unterbreiten, mit dem die Führung von Aktiengesellschaften durch ein anreizorientiertes Organhaftungsrecht und verwandte Instrumen-

    ____________________!15 Dazu sogleich Kapitel 1. 16 In die richtige Richtung gehend insofern Bachmann Gutachten E zum 70. Deut-

    schen Juristentag 2014. Auch hierbei bleiben allerdings einige Aspekte unbe-rücksichtigt.

  • B. Ziel und Gang der Untersuchung

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    te der Corporate Governance bedarfsgerecht verbessert werden kann. Die Untersuchung wird im Wesentlichen in folgende Kapitel unterteilt: Nach dieser Einleitung (Kapitel 1) folgt in Kapitel 2 zunächst eine Annäherung an den Begriff der Corporate Governance und die ökonomischen Ziele der Organhaftung. Zudem soll die Kasuistik zur Problematik vorgestellt wer-den (Kapitel 3). Sodann enthält Kapitel 4 eine Analyse des materiellen Haftungstatbestands, die von dem Ziel geleitet ist, den teils verworrenen Literaturstand zu strukturieren, zu erhellen und zu verschlanken. Im Zuge dessen sollen bedeutsame Anknüpfungspunkte von eher nebensächlichen Aspekten getrennt und die Prämissen geklärt werden, unter denen ein Re-formkonzept schließlich zu entwickeln ist. Kapitel 5 erstreckt dieses Vor-gehen auf die Durchsetzbarkeit von Organhaftungsansprüchen. Davon ausgehend werden in den Kapiteln 6 und 7 Lösungsvorschläge unterbrei-tet, bewertet, erweitert und miteinander verknüpft. In Kapitel 8 wird schließlich untersucht, ob und inwieweit Organstreitverfahren in der Akti-engesellschaft die Defizite der Organhaftung kompensieren und den Re-formdruck auf das Haftungsrecht damit verringern können. Die wesentli-chen Erkenntnisse der Untersuchung werden zuletzt in Gestalt von Thesen (Kapitel 9) zusammengefasst und durch ein Gesamtfazit (Kapitel 10) ab-gerundet.

    Der Arbeit wird das Bild einer klassischen, nicht-börsennotierten Akti-engesellschaft zugrunde gelegt. Nur am Rande werden Besonderheiten für regulierte Unternehmen (Finanzdienstleistungs- und Kreditinstitute) und börsennotierte Aktiengesellschaften thematisiert. Auch das aktienrechtli-che Konzerrecht, öffentliche Unternehmen und andere Gesellschafts-rechtsformen stellen allenfalls randseitige Aspekte des Untersuchungsauf-trages dar. Die Analyse der Organhaftung beschränkt sich auf die Innen-haftung der Organe. Die Haftung leitender Angestellter und strafrechtliche sowie steuerrechtliche Implikationen sollen ebenfalls nicht dargestellt werden.

  • !

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    Kapitel 2! Corporate Governance als Zielvorgabe

    Die Organhaftung ist als Teilbereich des Wirtschaftsrechts stets in einem ökonomischen Kontext zu betrachten und zu bewerten.17 Die Rechtsord-nung hat diejenigen Interessen zu fördern, welche dem Wohl der Volks-wirtschaft am stärksten nützen und schädliche Wirkungen effektiv unter-binden. Das im Bereich des Managerhandelns vorherrschende Leitprinzip wird unter dem Begriff der Corporate Governance beschrieben. Um Wir-kung und Zielrichtung der einschlägigen Rechtssätze einordnen und be-werten zu können, ist es unerlässlich, diesen Begriff zu konkretisieren.

    A.! Der Begriff der Corporate Governance

    Das Schrifttum betrachtet Corporate Governance als System guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung und Überwachung18, wobei sich anstelle des Wortes „System“ auch die Ausdrücke „Führungsgrund-sätze“19, „allgemeiner Ordnungsrahmen“20 oder „materielle Unterneh-mensverfassung“21 anführen lassen. Ausgangspunkt für das Konfliktpoten-tial, welches einen solchen Ordnungsrahmen erforderlich macht, ist ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis: Die Aktionäre (als Prinzipal) übertragen zur Nutzenmaximierung ihres Kapitals bestimmte Aufgaben und Verfü-gungsrechte auf Vorstand und Aufsichtsrat (als Agent). Das Streben nach Kapitalzuwachs stellt sich aus Sicht des Managements als femdnützige Aufgabe dar, der eigene, persönliche Interessen mitunter entgegen laufen können. Denn die Handlungsmotivation der Organmitglieder wird ihrer-

    ____________________!17 Eingehend insbesondere zur hier relevanten Funktion des Schadensrechts aus

    wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive Schäfer/Ott, 2012, Lehrbuch der öko-nomischen Analyse des Zivilrechts, S. 145 ff.

    18 Aus der Kommentarliteratur jeweils mwN: Spindler in MünchKomm AktG Vor § 76; Koch in Hüffer AktG § 76 Rn. 37; Fleischer in Spindler/Stilz AktG § 76Rn. 40; Kort in GroßKomm AktG Vor § 76 Rn. 35 ff.; v. Werder in Ring-leb//Kremer/Lutter/v. Werder DCGK, S. 17; siehe auch Simon NZG 2013, 19.

    19 Koch in Hüffer AktG § 76 Rn. 37 20 Wohlmannstetter in Hopt/Wohlmannstetter, S. 33. 21 Wellhöfer in Wellhöfer/Peltzer/Müller § 4 Rn. 124; Carl in Spahlinger/Wegen

    Rn. 1497.

  • A. Der Begriff der Corporate Governance

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    seits geprägt durch die Abwägung zwischen genuinen Nachteilen des ei-genen Leistungsbeitrags (i.e. Zeitverlust, Arbeitsleid, Kosten, Haftungsri-siken etc.) und den damit einhergehenden Vorteilen (i.e. Vergütung, Repu-tation, Karriere).22 Greifbar wird diese Problemlage insbesondere dadurch, dass das Führungspersonal einer Aktiengesellschaft die Risiken seines Handelns grundsätzlich nicht selbst trägt, sondern auf die Aktionäre exter-nalisieren kann. Um ein allzu sorgloses Verhalten der Organmitglieder zu verhindern und sie dazu zu bringen, lediglich solche Entscheidungen zu treffen, die für das Unternehmen und damit auch für die Volkswirtschaft nützlich sind, bedarf es des genannten rechtlichen und faktischen Ord-nungsrahmens der Corporate Governance.

    Die Aussage, durch Corporate Governance werde die Unternehmens-führung am Interesse der Aktionäre und der Volkswirtschaft ausgerichtet, ist konkretisierungsbedürftig. Welche Interessen zu berücksichtigen und in welcher Rangfolge sie zu gewichten sind, ist Gegenstand einer langandau-ernden Debatte23, deren widerstreitende Positionen durch die Begriffe shareholder value vs. stakeholder value bezeichnet sind.24 In Konkurrenz steht in diesem Zusammenhang die Ausrichtung des Unternehmenswohls (allein) an den Interessen der Anteilseigner25 mit einer Ausrichtung an den Interessen auch anderer Anspruchsgruppen, wie etwa Arbeitnehmern,

    ____________________!22 Ebers/Gotsch in Kieser/Ebers Organisationstheorien, 2014, S. 247 (261). 23 Zur historischen Entwicklung der Diskussion ausführlich Groh DB 2000, 2153. 24 Seibt in K. Schmidt/Lutter AktG § 76 Rn. 23; Groh DB 2000, 2153; Fleischer in

    Spindler/Stilz AktG § 76 Rn. 29 ff. ; Zöllner AG 2003, 2 (7); von Bonin Die Lei-tung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen, 2004; Spindler in MünchKomm AktG § 76 Rn. 71 ff. mwN. Rechts-vergleichend und mit Hinweisen zur historischen Entwicklung Merkt AG 2003, 126 (127).

    25 Das Interesse der Aktionäre materialisiert sich im Wert ihrer Anteile, welche in ihrer Gesamtheit den Unternehmenswert ergeben. Der Unternehmenswert und seine Steigerung sind also die entscheidenden Zielparameter. Um den Unterneh-menswert zu ermitteln werden die Unternehmenshandlungen als eine Reihe von Zahlungen betrachtet. Die Bewertung ergibt sich aus den zum Bewertungszeit-punkt diskontierten freien Cashflows, also der Differenz zwischen abgezinsten betrieblichen Einzahlungen und Auszahlungen (die Abzinsung erfolgt, um die Ein- und Auszahlungen, die zeitlich gestreckt anfallen, mittels einen fiktiven Ge-genwartswertes auf eine zeitliche Ebene zu bannen und somit eine vom Zinsni-veau unabhängige Bewertung zu erlangen). Zieht man von dem so ermittelten Unternehmenswert den Marktwert des Fremdkapitals ab, erhält man den share-holder value. Ausführlich dazu Schilling BB 1997, 373 sowie Busse v. Colbe ZGR 1997, 271 (272).

  • Kapitel 2: Corporate Governance als Zielvorgabe !

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    Gläubigern, Kunden, der Öffentlichkeit und dem Allgemeinwohl. Durch-gesetzt hat sich in jüngerer Zeit die vermittelnde Position eines „modera-ten shareholder value-Konzepts“, nach welchem im Grundsatz eine Über-ordnung der Anteilseignerinteressen vorgesehen ist, die jedoch nicht ver-langt, dass andere Belange gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten.26 Dieser Ansatz steht im Einklang mit den Vorgaben des Deutschen Corpo-rate Governance Kodex (DCGK): In dessen Präambel wird „die Verpflich-tung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und für seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen“ hervorgehoben. Ferner heißt es in Ziffer 4.1.1. DCGK: „Der Vorstand leitet das Unternehmen {...} unter Be-rücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder).“ Aus-gehend davon wird der nachfolgenden Untersuchung das moderate share-holder value-Konzept zugrunde gelegt. Für die Frage, wie das Organhaf-tungsrecht ausgestaltet werden sollte, können die Belange der stakeholder daher zumindest auch in die Wertung einbezogen werden.

    B.! Ökonomische Ziele der Organhaftung

    Auch beim moderaten shareholder value-Konzept steht als ökonomisches Ziel zunächst die Steigerung des Unternehmenswertes im Vordergrund. Eine solche Steigerung gelingt durch das Erwirtschaften von Gewinnen. Eigen- und Fremdkapital müssen von der Geschäftsführung so eingesetzt werden, dass eine Rendite erzielt wird.27 Der Aufsichtsrat hat seine Kon-trolle mit der entsprechenden Zielsetzung auszuüben. Da unternehmeri-sche Entscheidungen stark von prognostischen Elementen geprägt sind, müssen die Chancen und Risiken eines Geschäfts ermittelt und bewertet werden. Der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen diese Kosten-Nutzen-Abwägung erfolgt, muss Anreize für ein Verhalten setzen, durch welches der Gesellschaft eine optimale Gewinnerzielung ermöglicht wird. Die Or-

    ____________________!26 R. H. Schmidt/Spindler Freundesgabe Kübler 1997, S. 515 (516); Fleischer in

    Spindler/Stiz AktG § 76 Rn. 38; Spindler in MünchKomm AktG § 76 Rn. 79; be-fürwortend wohl auch Hopt in Hopt/Wohlmannstetter, 2011, S. 10.

    27 Die Pflicht zur Gewinnerzielung ergibt sich mittelbar aus § 90 Abs. 1 Nr. 2 AktG, nach dem der Vorstand dem Aufsichtsrat über die Rentabilität der Gesell-schaft, insbesondere über die Rentabilität des Eigenkapitals berichten muss, vgl. auch Spindler in MünchKomm AktG Vor Vierter Teil Rn. 47.