objektive audiometrie

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Archiv Ohr- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heilk., Bd. 164, S. 477--486 (1954). Objektive Audiometrie*. Von TATO. Mit 8 Textabbfldungen. (Eingegangen am 7. August 1953.) Um den Zust~nd des GehSres zu ermitteln, war bisher die Mitwirkung des zu Untersuchenden erforderlich. Diese Art des Messens wird auf Grund der sinnesphysiologischen Mitwirkung des zu prfifenden P~tienten als ,,subjektive Audiometrie" bezeichnet. Die Mitwirkung des Prfiflings, gleichsam seine Mitarbeit bei der GehSrpriifung, setzt dieser yon vorn- herein bestimmte Grenzen, die auf das UnvermSgen des Priiflings, sich an dieser GehSrpriifung aktiv zu beteiligen, zuriiekgef'dhrt werden miissen. Das gilt z. B. vor ~llem fiir Untersuchungen yon Kindern unter 6 Jahren. Ebenfalls trifft es zu bei Personen, die absichtlich falsche An- gaben machen, also bei Simulanten und bei Dissimulanten. Dieselbe Schwierigkeit besteht bei psychiseher StSrung. Wir benStigen daher ein Verfahren, das auf die Mitwirkung des Priif- lings verzichtet, das aber trotzdem geeignet ist, den Zustand des Ge- hSres exakt zu erforsehen. Dazu miissen wir uns bestimmter Reaktionen bedienen, die der akustische Reiz im 0rganismus hervorrufen kann. Diese Reaktionen mfissen so ausgewertet werden, dal~ sie die aktive Mitwirkung des Priiflings bei der GehSrpriifung iiberflfissig machen. Zur Feststellung des HSrvermSgens bedienen wir ups bestimmter Reaktionen. Es handelt sich in der Mehrzahl um einfache oder bedingte Reflexe oder um die Existenz oder die StSrung eines Selbstkontroll- reflexes. Unter anderen Bedingungen werten wir die Registrierung bio- elektrischer Aktivit~ten aus. Die schon immer bekann~en einf~chen Reflexe, wie z. B. jene, die auf Beuge-Muskeln wirken, gestatten nicht die Bestimmung der Geh6r- schwelle, denn sie haben ihre eigene Schwelle. So hat z. ]3. der Reflex der Mittelohr-Muskeln, der neuerdings yon KOB~AX erforscht worden ist im Hinbliek auf die klinisehe Anwendbarkeit und auf Grund seiner Methode der Durchsichtigmachung des Trommelfelles, eine Schwelle yon 70 db. oberhalb der normalen HSrsehwelle. Dieser gleiche Reflex hat n~ch den Forschungen auf Grund der Methode yon OTTO METZ und auf der Grund- lage der akustischen Imped~nz eine Feststellungsschwelle yon 70--80 db. Keines dieser beiden Verfahren eignet sich ffir eine praktische, kliniseh einfache Auswertung. * Vortrag yon Prof. TATO, Buenos-Aires, gehalten an der Universitat Miinster. Arch. Ohr- usw. tteilk, u. Z. ~als- usw. J~eilk., ]3d. 164. 34

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Archiv Ohr- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heilk., Bd. 164, S. 477--486 (1954).

Objektive Audiometrie*. Von

TATO.

Mit 8 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 7. August 1953.)

Um den Zust~nd des GehSres zu ermitteln, war bisher die Mitwirkung des zu Untersuchenden erforderlich. Diese Art des Messens wird auf Grund der sinnesphysiologischen Mitwirkung des zu prfifenden P~tienten als , ,subjektive Audiometrie" bezeichnet. Die Mitwirkung des Prfiflings, gleichsam seine Mitarbeit bei der GehSrpriifung, setzt dieser yon vorn- herein best immte Grenzen, die auf das UnvermSgen des Priiflings, sich an dieser GehSrpriifung akt iv zu beteiligen, zuriiekgef'dhrt werden miissen. Das gilt z. B. vor ~llem fiir Untersuchungen yon Kindern unter 6 Jahren. Ebenfalls trifft es zu bei Personen, die absichtlich falsche An- gaben machen, also bei Simulanten und bei Dissimulanten. Dieselbe Schwierigkeit besteht bei psychiseher StSrung.

Wir benStigen daher ein Verfahren, das auf die Mitwirkung des Priif- lings verzichtet, das aber t rotzdem geeignet ist, den Zustand des Ge- hSres exakt zu erforsehen. Dazu miissen wir uns best immter Reakt ionen bedienen, die der akustische Reiz im 0rganismus hervorrufen kann. Diese Reaktionen mfissen so ausgewertet werden, dal~ sie die akt ive Mitwirkung des Priiflings bei der GehSrpriifung iiberflfissig machen.

Zur Feststellung des HSrvermSgens bedienen wir ups bes t immter Reaktionen. Es handelt sich in der Mehrzahl um einfache oder bedingte Reflexe oder um die Existenz oder die StSrung eines Selbstkontroll- reflexes. Unter anderen Bedingungen werten wir die Registrierung bio- elektrischer Aktivit~ten aus.

Die schon immer bekann~en einf~chen Reflexe, wie z. B. jene, die a u f Beuge-Muskeln wirken, gestat ten n ich t die Best immung der Geh6r- schwelle, denn sie haben ihre eigene Schwelle. So hat z. ]3. der Reflex der Mittelohr-Muskeln, der neuerdings yon KOB~AX erforscht worden ist im Hinbliek auf die klinisehe Anwendbarkeit und auf Grund seiner Methode der Durchsichtigmachung des Trommelfelles, eine Schwelle yon 70 db. oberhalb der normalen HSrsehwelle. Dieser gleiche Reflex hat n~ch den Forschungen auf Grund der Methode yon OTTO METZ und auf der Grund- lage der akustischen Imped~nz eine Feststellungsschwelle yon 70--80 db. Keines dieser beiden Verfahren eignet sich ffir eine praktische, kliniseh einfache Auswertung.

* Vortrag yon Prof. TATO, Buenos-Aires, gehalten an der Universitat Miinster. Arch. Ohr- usw. t tei lk, u. Z. ~a l s - usw. J~eilk., ]3d. 164. 3 4

478 TATO:

Der Reflex der periaurieulgren Muskeln li~Bt sich leicht bei Versuchs- tieren feststellen, jedoeh nicht beim Menschen. Der coehleo-palpebrale Reflex hat eine sehr hohe Schwelle; sie liegt immer fiber 80 db. Ander- seits aber li~Bt er sich sehr leicht nachprfifen; selbst in F/illen yon SchwerhSrigkeit mit betontem ,,Recruitment" kann man ihn mit Leich- tigkeit nachweisen. Der cochleolaryngea!e Reflex hat zwei Erscheinungs- formen. Die eine und bekannteste erscheint als klonisehe Bewegung der Adductoren des Kehlkopfes und hat eine sehr hohe Erscheinungssehwelle. Die andere besteht in einer einseitigen tonischen Kontraktion auf einen Reiz, dernur wenig fiberschwellig ist, naeh der Darstellung yon Hssso~ etwa um 10--20 db. Natfirlich ist dieser Reflex klinisch nur bei solehen Prfiflingen anwendbar, bei denen man eine indirekte Laryngoskopie durchfiihren kann, so dal~ Kinder allgemein nieht in Betracht kommen. Der eochleo-pupfllare Reflex erfordert ebenfalls hohe Intensit~ten des SchaUreizes, um ldinisch feststellbar zu werden. Die yon VASALLO

Abb. 1. I m Sphygmogramm treten bei einem Schallreiz weder Amplitudenschwankungen noch l~hythmus~nderungen auf.

IqU~B~RT besehriebene reflektorische Beziehung zwisehen Schallper- zeption, Herzti~tigkeit und Blutdruek haben wir nicht best/~tigen kSnnen, obwohl wir mit optimalen Versuchsbedingungen gearbeitet und sphyg- mographische, elektrokardiographische und balistokardiographische ~ethoden angewendet haben. Diese Tatsache geht deutlich aus den Projektionen hervor (Abb. 1).

Andere reflektorische Reak?gionen finder man fiber das neurovegeta- tive System bei der Sekretion der Schwefl~drfisen. Dieser Reflex bewirkt, da~ der Widerstand, den die Haut dem Durchgang des elektrischen Stromes entgegensetzt, als Folge der T~tigkeit dieser Drfisen ver~ndert wird. Nachdem das zu untersuchende Hautstfick an eine W~EATSTO~E- Brficke angeschlossen worden und diese vermittels eines Gleichstrom- Verst~rkers und eines Registrier-Ger~tes ins Gleichgewicht gebracht worden ist, erh~lt man eine Kurve welche die Schwankungen des Wider- standes der Haut anzeigt.

Da die Veri~nderungen des Widerstandes der Haut gering sind, ist es nStig, diese u auf indirektem Wege mittels eines Differential- systems zu messen.

Die W~]~ATSTO~sche Brficke (Abb. 2) besteht aus vier Widerst~nden, einem Galvanometer und einer Batterie. Wenn der Apparat im Gleieh-

Objektive Audiometrie. 479

gewicht ist, das heii3t, wenn der Widerstand a sich zu Widerstand c sich verh~lt wie Widerstand b zu Widerstand d, fliel~t kein Strom durch das Galvanometer.

Da kleine Widerstandsveri~nderungen nur einen geringen Strom durch das Galvanometer ergeben, kann man an dessen Stelle einen Gleichstrom- verst/s einschMten und den anf diese Weise verst~rkten Strom einem l~egistrierinstrument zuleiten, welches dessenVariationen in Form einer Kurve aufzeichnet. DieseVariationen ergeben sich, wenn man eine der l~esistenzen dutch denWiderstand der Hau t ersetzt.

I m FMle der Abb. 2 wird dieW~EcrT- STONEsche Brficke durch eine Batterie mit Gleichstrom gespeist, es ist aber auch mSglich, Wechselstrom zu ver- wenden. Da aber gegen einen solchen der Hautwiders tand nicht rein ist, Abb. 2. (Siehe Text.)

sondern auch eine ParMlelkapazit~t besteht, muB man in den anderen Zweig der Briicke eine entsprechende Kapazi t~t einschalten, um das Ins t rument ins Gleichgewicht zu bringen. In diesem Falle mug natiirlich s ta t t des Gleichstromverst~rkers ein solcher ffir Wechselstrom eingebaut werden.

In Abb. 3 ist der Pat ient an Stelle eines der Widerst/~nde in die Briicke eingeschMtet. I m Schema sieht man den Verstarker (V) und das Registrier- instrument (1%) fiir Gleichstrom dargestellt.

Der Widerstand der Haut , der auf Grund der Funkt ion des neuro- Vegetativen Systems je nach der Aktivit~t der SchweiBdriisen verander-

Ba#er/~ Abb. 3. (Siehe Text.)

lich ist, h/ingt yon den verschiedensten Vorg/~ngen ab. Er ~ndert sich z. B. reflektorisch bei tiefer Inspirat ion (die auch respiratorisch Arrhythmie her- vorruft), bei t tusten, Niesen, sowie bei psychischen Erregungen, intellek- tueller T/s und bei Sinnesreizen.

Seit vielen Jahren wird diese Methode yon ~qeurologen und Psychologen zur Erforschung verschiedener neuro-psychischer Vorg~nge verwandt ,

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4 8 0 TATO :

Bei genfigender Intensit~t ruff der Sinnesreiz eine stets nachweisbare Reaktion hervor. Im allgemeinen fiihrt eine Verminderung der Reiz- intensit~t oder eine Wiederholung des Reizes zu einem Verschwinden der Reaktion. Um eine konstante Reaktion zu erhalten, und zwar trotz der Wiederhohng des Reizes und der Verminderung der Intensit~t bis zur Grenze der Schwelle, kamen HARDY und ]~ORDLEY &uf die Idee, den Prfifling unter bestimmte Bedingungen zu stellen, indem sie in rascher Folge einen akustischen Reiz und einen elektrischen Schlag mit faradi- schem Strom (Abb. 4) an der t t au t erzeugten. (Bedingter Reflex im Sinne PAWLOWs.) Unter diesen Bedingungen reagiert der Prfifling auch auf wiederholte akustische Reize, selbst bei geringster Intensit~t, verschiedene

f

Abb. 4. Schema der vollst~ndigen Anlage: A Audiometer, T LuftschallhSrer, P Patient , S Schock-Generator ftir faradischen Strom, e Zink-Zinksulfat-Elektroden, B Briicke, V Verst~rker,

R Registrierinstrument.

Stunden hindurch (Abb. 5 u. 6). Auf diese Weise kann man die GehSr- schwelle selbst noch bei einj~hrigen Kindern und in manchen F~llen sogar bis zu einem Alter yon sechs Monaten und darfiber feststellen; die MSg- lichkeit der HSrschwellenbestimmung nach dieser Methode hiingt ledig- lich yon dem Haut-Widerstand ab, der in den ersten Lebensmonaten sehr hoeh ist, um jedoch am Ende des ersten Lebensjahres erheblich geringer zu werden. In dieser Form haben I~ARDY und BOICDLEY die GehSr- schwelle bei 95% (fiinfundneunzig Prozent) der untersuehten Kinder fest- stellen kSnnen. Die Zahl der untersuchten Kinder iiberschritt dabei Tausend. Wir dagegen, mit geringerer praktischer Erfahrung, haben die HSrf~higkeit in 90% aller Fs bestimmen kSnnen. HSchst schwer zu bestimmen sind die F~lle yon SchwerhSrigkeit bei Erytroblastosis (Un- vereinbarkeit der Rh-Faktoren der beiden Eltern). Die genannte Methode ist folglich auf die gesamte Gruppe derjenigen Priiflinge anwendbar, fiir die die objektive Audiometrie fiberhaupt als Methode angezeigt ist. Wir wollen hier als Beispiel die HSrf~higkei~ yon drei verschiedenen F~llen anffihren, niimlich bei einem Simulanten, bei einem Jungen mit ernsten SpraehstSrungen und m~l]iger geistiger Zurfiekgebliebenheit und bei einem Knaben der als taubstumm gait.

Objektive Audiometrie. :481

Im ersten Fal l konnte eine vollkommen normale HSrf~higkeit fest- gestellt werden. Es handelte sich um einen Arbeiter, der eine Entsch~di- gung wegen Taubheit beanspruchte, die auf Brucelosis zuriickzufiihren

Abb. 5.

war, und die er sieh bei der Ausiibung seines Berufes als Arbeiter in einem Kiihlhaus zugezogen hatte.

Bei dem zweiten Fall konnte festgestellt werden, dab nut eine leiehte SehwerhSrigkeit vorlag, und dag infolgedessen die Spraehst6rung auf ein

6#gAB EL? Y00 1000 #000 dO00 Hz

g,5- Z 7Y /0 g 5-

"l z,o / 1/

30- 20- 70- O- ~0+ 90db§

Abb, 6.

Abb. 5 und 6, ~nderungen des Hautwiderstandes (Ordinate) unter dem ]~influB yon Sehallreizen und elektrischen Schl~igen.

geistiges Zuriiekbleiben zurtickzufiihren war. Die SchwerhSrigkeit war durch einen Tubenverschlul~ bedingt. Sie versehwand naeh der Ex- stirpation der kausalen adenoiden Vegetationen.

Bei dem drit ten Fall, einem Jungen yon drei Jahren, der den Kinder- garten eines Taubstummeninstitutes besuchte, konnte ein ttSrrest fest-

482 TATO :

gestellt werden. Es bestand ein HSrverlust yon 70 db im Bereich der Sprachfrequenzen. Durch HSrschulung und einen elektronischen HSr- apparat konnte das HSrvermSgen stark verbessert werden, und'innerhalb weniger Wochen erlangte er eine gut artikulierte, seinem Alter ent- sprechende Sprechfahigkeit, und heute macht er beim Unterricht im Kindergarten keine Schwierigkeiten mehr.

Das genannte Verfahren erfordert eine bedeutende Sehulung, bevor man hoffen kann, regelmal3ige und genaue Ergebnisse zu erzielen. Man mug dabei sehr genau auf psychologische Faktoren achten sowie auf die individuellen Reaktionen jedes Kindes. Es ist nStig, sich der Hilfe eines erfahrenen Pflegers zu bedienen, der sieh des Kindes annimmt. Das geschulte Personal yon HARDY und BORDLEY fiihrt eine audiometrische Bestimmung an einem Kinde in 20--30 rain aus. Weniger erfahrene Untersucher brauchen 1 Std, und zuweflen mul~ man auch die Priifung wiederholen, um sie zu vervollstandigen oder das Resultat zu bestatigen.

Neuerdings haben M.ASPETIOL und GOUCHEROT eine u des Verfahrens eingeffihrt, die angetan scheint, die Prfifung zu vereinfachen und abzukiirzen. Sie besteht in der Verwendung yon Wechselstrom an Stelle yon Gleichstrom. Man mil3t auf diese Weise die Impedanz der Haut anstat t des Widerstandes, wodurch viele der Reaktionen ausgeschaltet werden, die auf Schwankungen im Potential der Haut zurfickzufiihren sind.

Das GehSr kontrolliert die Intensit~t und die anderen Eigenschaften yon Stimme und Spraehe. Der Verlust des GehSrs fiihrt zum Verlust der Kontrolle fiber die Stimme, speziell in bezug auf ihre Lautstarke. Es handelt sich um den alten LO~BAI~Dschen Versuch. Wir haben diese Priifung in dem Sinne weiter entwickelt, dal3 wir imstande sind, die HSr- schwelle zu bestimmen. Dazu benutzen wir ein Paar KopfhSrer, die ein Vertaubungsgerausch erzeugen, das in db oder in Phon vermittels eines Schallpegelmessers (,,sound level meter" der l~irma General Radio oder einem ahnlichen Gerat) abstufbar ist. Wir stellen den Prfifling auf 1 m Abstand vom Mikrophon des Schallpegelmessers auf. ])ann setzen wir ihm die KopfhSrer auf beide Ohren, lassen der~ Prfifling sprechen, lesen oder am besten mit natfirlicher Stimme erzahlen, als ob er mit uns auf 1 m Abstand im Gesprach ware. Auf diese Weise stellen wit die Intensitat seiner Stimme auf dem Schallpegelmesser lest. Darauf wiederholen wir das gleiche Experiment, wobei wir jedoch gleichzeitig fiber das Telephon das vertaubende Gerausch mit 10, 20, 30, 40, 50 usw. db erzeugen und auf dem Schallpegelmesser den Augenblick feststellen, in dem der Priif- ling anfangt seine Stimme zu erheben; dies tr i t t , wenn kein, ,Recrui tment" vorliegt, zwischen 10 und 20 db oberhalb der GehSrschwelle ein (Abb. 7). Wenn , ,Recruitment" vorhanden ist, ist die nStige Intensitat des Ver- taubungsgerausches geringer. So kSnnen wir objektiv nich~ nur allein die

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HSrf/~higkeit feststellen, wie bei der Priifung naeh LOMBARD, sondern wir kSnnen auch eine ungefi~hre J= 10 db HSrschwelle bestimmen. Es han- de]t sieh um eine leichte und praktische Priifung, die jedoch lediglich bei Personen anwendbar ist, die schon sprechen kSnnen und die ~]ter als 4 Jahre sind.

Ein anderes Verfahren besteht in der St6rung der (lurch das Geh6r bedingten Selbstkontrolle der eigenen Spraehe und besteht in der soge- nannten Priifung der verzSgerten HSrf~higkeit, bei der man den Priifling, leise lesend oder erz/~hlend, sprechen 1/iBt. Vermittels einer Vorrichtung, die des Priiflings eigene Stimme aufnimmt und ibm dieselbe durch ein

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/., Cond.

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I . / 0 1o 20 30 ~0 50 80 70 80 90&b 100

Veri~bungs/nfensita?

Abb. 7. Abh~ngigkeit der Sprachintensit~t (Ordinate) yon der Vert~ubungsintensit~t (Abszisse). Cert. -- Sch/tdigung des Cortischen Organs, Norm. = normales Ohr, N:ix. = kombinierte SchaIleitung

Innenohrst6rung, Cond. -- SchalIeitungsst6rung.

Verst~rker-Sys~em zuleitet, l~13t man ihn hSren was er selbst sprieht, und zwar mit einer zeitlich veriinder]iehen VerzSgerung des Gesprochenen.

Bei dieser Prfifung beginnt der Priifling beim Sprechen zu zSgern, anzuhalten oder aueh zu stottern. Diese Tatsache beweist, dal~ er etwas hSrt. Die Autoren, die sich dieser Methode bedient haben, erw~hnen die MSglichkeit nicht, die HSrsehwelle auch nur ann~hernd zu bestimmen.

Unter den Methoden der objektiven Audiometrie kann man auch den sogenannten ,,peep-show" in Betracht ziehen. Dieser ,,peep-show" ist anwendbar bei Kindern zwischen drei und seehs Jahren mit normaler geistiger Entwicklung und besteht darin, dab man das Kind dutch die Projektion yon Darstellungen ans Kinder-Erz~hlungen oder yon Bil: dern, die seine Aufmerksamkeit erregen, interessiert. Dazu trainiert man das Kind im Sinne eines bedingten ,,Reflexes", indem man es daran gewShnt, TSne yon starker Intensit~t zu beachten. Zugleich erlaubt man dem Kinde in diesem Augenb]ick einen tIandgriff zu bedienen, der die

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Projektion des Brides auslSst. Dies muB versehiedentlieh wiederholt werden, und so lernt das Kind verstehen, daB, wenn es den Ton hSrt und den Handgriff bedient, die erstrebte und angenehme Wirkung der Pro- jektion des Brides hervorgerufen wird (bedingter ,,Reflex"). Wenn das Kind den Handgriff bedient, der die Projektion auslSst, so entsteht ohne Ton aueh kein Bild, denn der Handgriff 15st die Projektion erst in dem Augenblick aus, we vermittels eines elektrisehen Verbindungs-Systems der Ton zu hSren ist. So kann man die GehSrschwelle mit hSehstens 5 db Toleranz ermitteln. Aus diesem Grunde muB diese Methode die erste sein, die bei einem Kind zwisehen drei und sechs Jahren geistiger Ent- wicklung angewandt wird, und zwar wegen ihrer Einfachheit und ]eich- ten Durehfiihrbarkeit. Falls mit diesem Verfahren kein Ergebnis zu er- zielen ist, muB man auf die psyeho-galvanisehe Priifung des Wider- standes der Haut zuriickgreffen. Das Verfahren des ,,peep-show" ist yon Dxx und HALLPrKE entwiekelt worden.

Unter den Verfahren, die nieht auf Reflexen sondern auf bioelektri- seher Aktivit~t beruhen, die durch einen akustischen Reiz hervorgerufen werden, kSnnen wir auf den mikrophoniseh eoehlearen Effekt hinweisen, der uns fiber das normale oder anomale Funktionieren des CoRmlschen Organes Auskunft gibt. Leider ist dieses Verfahren klinisch noeh nieht beim Mensehen anwendbar. Es handelt sich infolgedessen zwar um ein wiehtiges Verfahren, das aber an das Laboratorium gebunden ist. Eine weitere elektro-physiologisehe Aktivit~t, die man als Antwort auf den akustischen Reiz beim Mensehen feststellen kann, ist das sogenannte funktione]le , ,Electrencephalogramm".

Das Eleetreneephalogramm wird in der fibliehen Weise aufge- nommen. Kinder mfissen mit einem Barbituricum in einen D~mmersehlaf versetzt werden. Dureh einen KopfhSrer oder einen mi~ dem Audiometer verbundenen Lautsprecher erh~tlt der Patient planm~l~ig die akustisehen Reize. Es ergeben sich auf diese Weise versehiedenartige Kurven.

H. DAws hut einen Knrventyp aufgestellt, den er als , ,K"-Komplex bezeichnet, der jedoch nicht immer in Erseheinung tri t t . Manchmal sieht man als augenbliekliehe Reaktionen folgende Kurven: 1. Zaeken; 2. Serien von sehnellen Wellen; 3. sehr ]angsame Ausschl~ge; 4. seltener doppelphasige Wellen; 5. paroxysmale Entladungen usw. Die Bedeutung dieser Ausschlgge und ihre Beziehungen zur Tiefe des Schlafes mfissen noch erforscht werden. Letztens ha~ man als eine am meisten sich wieder- holende Reaktion eine Kurve bezeichnet, die einige Sekunden naeh der Ausfibung des Reizes auftr i t t und der man den englischen Namen ,,arousal response" (t~eaktion beim Erwaehen) gegeben hat. Sie besteht im Weehsel des langsamen Rhythmus wghrend des Sehlafes in einen sehnelleren mehrere Sekunden dauernden, der dann wieder langsam in den Sehlafrhythmus fiberleitet.

Objektive Audiometrie. 485

~ V ~ ~ ~ ~ G j % ~ ~

Abb. 8. Yeri inderungen im E E G a u f Schallreize bei den vert ika len l~Iarkierungslinien.

Unsere Ergebnisse mit diesem Verf~hren sind nicht konstant gewesen. Gelegen~lich huben wir die ttSrschwelle feststellen kSnnen; bei anderen

486 TATO: 0bjektive Audiometrie.

Gelegenheiten haben wir unregelmgl~ige und widersprechende Ergebnisse erzielt, ohne Zusammenhang mit der vorhandenen tt5rf~higkeit, und in wenigen F~]len war das Ergebnis widersinnig, indem sieh Resultate ergaben, die auf einem Niveau unterhalb der mit anderen Verfahren fest- gestellten HSrschwelle lagen. Es bleibt zu beachten, dal~ diese Unter- suchung nur ausgeffihrt werden soll, wenn die anderen Verfahren ge- seheitert sind, und die Ergebnisse sollten nur ausgewertet werden, wenn sie eindeutig und wiederholt vorliegen und mit den Ergebnissen der klinischen Untersuchung fibereinstimmen (Abb. 8),

Das Studium der verschiedenen durch das HSren ausgelSsten Reak- tionen wird in Zukunft vielleicht auch lokalisatorischen Wert ffir das Erkennen des Sitzes der HSrstSrung haben, da die reflektorischen Bahnen in verschiedenen t tShen des Nervensystems verlaufen: der eoehleo-laryngeale Reflex verlguft z. B. im unteren Tell des Bulbus; der eoehleo-palpebrale Reflex hat seinen Sitz im Bulbus und in der Brfieke, usw. Es handelt sich wie sie sehen um ein unerforsehtes Gebiet mit interessanten Ausblicken in die Zukunft.

Der Augenarzt ist in der funktionellen Erforschung des Seh-Apparates immer viel welter fortgeschritten gewesen als der Otologe auf seinem Gebiet. Jedoch sind die Fortschrit te der Audiologie auf gutem Wege, die Verhi~ltnisse in dieser tt insicht zu korrigieren.

Zum Sehlu[~ mSehte ich hinweisen auf die auBerordentliche Bedeu- tung, die die praktische Bestimmung der HSrsehwelle ffir die Kleinkinder hat. Sie ermSglieht die Rehabilitation des GehSrs einer Zahl yon Kindern, die wir auf 10% der Insassen der Taubstummeninsti tute schgtzen.

Diese Kinder wiirden ohne diese ttSrpriifung in den Taubstummen- schulen verbleiben. Aui~erdem wird die Geh5rkontrolle bei Sguglingen und Kleinkindern ermSglicht, die an Tuberkulose z .B. Meningitis er- krankt sind und die langen und intensiven Behandlungen mit Strepto- mycin unterworfen werden miissen. Das obj ektive Verfahren 15st in leichter und kategoriseher Form das Problem der Simulanten und Dissimulanten und ld~rt auch das Problem der psychogenen Taubheit, die in Armeen so hgufig vorkommt. (10% aller SehwerhSrigen im Heer der Vereinigten Staaten waren wi~hrend des letzten Krieges psyehogener Natur.)

Die objektive Audiometrie ist ein Verfahren, das sieh gut im Beginn einer erfolgreiehen Entwieklung befindet und aus gut fundierten wissen- sehaftliehen Grundlagen beruht. Wir glauben, da{~ in Zukunft diese objektiven Verfahren und die zu erwartenden Neuerungen auf dem Gebiete der subjektiven Audiometrie in wenigen Jahren die Mehrzahl der vielen ldinisehen Probleme lSsen werden, die heute noch der Kl~rung harren.

Prof. TATO, Buenos-Aires.