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Okinawa Karate Kata Eine Einführung in die Kunst, Kata zu verstehen.

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Page 1: Okinawa Karate Kata

Okinawa Karate Kata

Eine Einführung in die Kunst, Kata zu verstehen.

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Inhalt

Inhalt ................................................................................................................................................ 2Vorwort ............................................................................................................................................ 3Geleitwort von Dieter Fischer ......................................................................................................... 3Hinweise zur Benutzung .................................................................................................................. 4Die Entwicklung des Karate ............................................................................................................ 6Okinawa ........................................................................................................................................... 7Der chinesische Einfluss .................................................................................................................. 9Das Waffenverbot............................................................................................................................. 11Die Entwicklung zum Naha Te Kenpo ............................................................................................. 12Higashionna Kanryo........................................................................................................................ 12Das Kojo Dojo in Fukushu .............................................................................................................. 14Miyagi Chojun - Die Entwicklung zum Goju Ryu............................................................................ 15Mabuni Kenwa................................................................................................................................. 16Die Entwicklung zum Karate Do .................................................................................................... 17Das Treffen der Meister 1936 .......................................................................................................... 20Die Kata ........................................................................................................................................... 22Die technische Bedeutung der Kata................................................................................................. 27Die Prinzipien Hi, To und Yu........................................................................................................... 32Kata als Quelle der Gesundheit ....................................................................................................... 34Die Namen der Kata ........................................................................................................................ 35Die vier Phasen des Lernens............................................................................................................ 36Saifa Kata Darstellung und Geisetsukumite .................................................................................... 38Kata Erklärungen............................................................................................................................. 45Seienchin Kata Darstellung und Geisetsukumite............................................................................. 49Kata Erklärungen............................................................................................................................. 60Shisochin Kata Darstellung und Geisetsukumite............................................................................. 63Kata Erklärungen............................................................................................................................. 72Naihanchi Kata Darstellung und Geisetsukumite............................................................................ 75Kata Erklärungen............................................................................................................................. 82Ogi - tiefste Technik ......................................................................................................................... 84Kwappo Jutsu - Die Kunst der Wiederbelebung.............................................................................. 87Anhang ............................................................................................................................................. 90Biographische Daten ...................................................................................................................... 92Die Kata Okinawas .......................................................................................................................... 94Okinawa Karate Schulen und ihre Kata .......................................................................................... 95Die 7 klassischen Tänze Okinawas .................................................................................................. 97

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Vorwort

In Japan gibt es die Sorge vieler Lehrer des Budo, was ein Ausländer wohl über japanischeKriegskünste zu sagen haben kann? Ist denn jemand aus einer anderen Kultur wirklich in der Lage,Budo und seine tiefen Traditionen zu verstehen und zu erklären?Ich kenne Dirk Ludwig seit vielen Jahren. Er übt und studiert sowohl Karate als auch Kobudo sehrfleißig und ich war tief beeindruckt, weil er Budo nicht nur als Kampfsport verstand, sondern denGeist der Kampfkünste für sehr wichtig hielt. Trotzt der glänzenden Welt des Wettbewerbs immodernen Karate, übt er hauptsächlich Bujutsu. Seine Überzeugung und Liebe zu den Kriegskünstenkann zu einem Signal auch für Japaner, in der Heimat des Karate, werden.Ich freue mich darauf, auch in der Zukunft mit Herrn Ludwig nicht nur Karate und Kobudo zutrainieren, sondern Budo und Künste, wie z.B. Teezeremonie und Zen, zusammen zu erleben umdaran zu wachsen.

Dirk, gambari masu! Wir wollen uns weiterhin bemühen.

Tanaka Hiromasa Karate Do Shihan

Geleitwort von Dieter Fischer

Sicher - es gibt heute viele Bücher über Martial Arts. Aber es gibt auch immer mehr Fragen. Schonaus diesem Grund ist es zu begrüßen, wenn im vorliegenden Werk Aspekte zur Sprache kommen, diein der bisherigen Forschung eher vernachlässigt wurden. Denn häufig stellt sich uns der Sinn und dieBedeutung unserer Kampfkunst wie ein Puzzle dar, das sich zwar allmählich zusammensetzen lässt,deren entscheidenden Bausteine wir jedoch nur von guten Lehrern erhalten. Meinen Erfahrungen nachist es auch eine Illusion, die tieferen geistigen Inhalte des Karate mit all seinen mythischenGeheimlehren für sich allein oder über das pure Üben entschlüsseln zu wollen. Aber - so geheimwaren die Lehren letztendlich doch nicht...Dieses Buch verbindet in einer einfachen und dadurch besonders guten Mischung die soziologischenmit kulturellen sowie technischen Aspekten der Okinawa Kata und gibt einen tiefen Einblick in dasgeschichtsträchtige Inselreich. Es ist als deutschsprachige Ausgabe eine Rarität - ungewöhnlich impositiven Sinne, gut recherchiert und mitunter von einer Klarheit der Sprache, die recht erfrischendist.Ich kenne Dirk Ludwig seit vielen Jahren und habe ihn als außergewöhnlichen Karateka kennen- undschätzen gelernt - ein Karateka, der die Kampfkunsttechniken bis ins kleinste Detail hinterfragt. Wieich selbst ist er ein klarer Verfechter des alten Karate und trotzdem - oder gerade deshalb - auch demmodernen gegenüber aufgeschlossen. Obwohl wir aus verschiedenen „Schulen" kommen, hatten wirvon vornherein einen Gedanken: Kampfkunst hat in seiner historischen Bedeutung weniger mitschönen, als vielmehr mit realistischen Techniken zu tun und die persönliche Vervollkommnung setztvoraus, eigene Stärken zu entwickeln. Denn die Prinzipien aller Kampfkünste gleichen den Gesetzendes Universums. „Welchen Stil betreibst Du?", „Welches ist die beste Technik?" oder „Wer trainiertin welcher Schule?" Diese Fragen und dazugehörigen Urteile sollten wir aus unserem Denkenstreichen, ohne aber deshalb unsere Wurzeln zu verleugnen. Entscheidend ist vielmehr, „meinpersönliches" Karate zu entwickeln. Insofern will dieses Buch Wege zeigen, wie aus Kata individuellephysische und psychische Stärken gewonnen werden können.

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Hinweise zur Benutzung

Die Kunst, Kata zu verstehen, ist abhängig vom persönlichen Standpunkt des Betrachters. Insofern istauch die Übung der Kata abhängig von diesem Standpunkt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob nundiese oder jene Richtung des Bujutsu geübt und ob der Weg mit einem Schwert, der Faust oder einerTasse Tee gegangen wird. Entscheidend ist vielmehr die individuelle Einstellung, und zwar sowohlphysisch als auch psychisch. Insofern will dieses Buch seinen Leserinnen und Lesern neue, andereund vielleicht inspirierende Gedanken vermitteln. Im Fokus steht deshalb, verschiedeneHilfestellungen zu geben, wie der eigene Weg gefunden werden kann.Bei der Beschreibung geschichtlicher Zusammenhänge bin ich mir wohl bewusst, dass nur eineAnnäherung an die Historie möglich ist, sind doch japanische Quellen oft ungenau oder vonpolitischen Interessen einzelner Organisationen durchdrungen. Auch lässt sich der Grundsatz,verschiedene Theorien gegenüber zu stellen, nicht in jedem Fall beherzigen. Soweit sie von mirrecherchiert werden konnten, habe ich sie durch Anmerkungen und Fußnoten deutlich gemacht. Ichweiß, sie sollten in den Text eingearbeitet werden - die Leser mögen es mir nachsehen. Dazu kommtdas die zur Zeit diskutierten Theorien, in den meisten Fällen, noch nicht veröffentlicht werden sollten.Es handelt sich hier um erste Ansätze welche aber, in den kommenden Jahren, gewiss noch einigesehr interessante Schlüsse in die Forschung einbringen werden. Oft genug wurden aber auch dieNuancen, in der Sprache der Originaldokumente, sowie sich daraus ergebende unterschiedlicheBewertungen nicht hinreichend genug verstanden und übersetzt.Auch wenn ich mit einigen Schlüssen anderer Forscher nicht immer einverstanden bin, achte ich sieund danke ihnen ausdrücklich für ihre Mühe und ihren Fleiß, ohne den meine eigene Arbeit nicht sostark profitieren konnte. In den Anhang ist einiges Material eingefügt, das - so meine ich - vonInteresse sein kann. Sollte ich in einigen Punkten irren, habe ich falsch oder unzureichend zitiert undübersetzt sowie falsche Schlüsse gezogen, bitte ich Sie, sich mit mir in Verbindung zu setzten, damitich meine Fehler berichtigen kann. Übersetzungen und Zitate längerer Passagen habe ich deutlichgekennzeichnet, einzelne kleinere Abschnitte sind durch das Literaturverzeichnis abgedeckt. DasGewirr von Fußnoten wäre zu groß für einen Lesegenuss.Für die meisten Begriffe benutze ich die japanische Aussprache. Ich denke, dass dadurch dieBeziehungen klarer herausgestellt werden können und sich eine einheitliche Leseweise ergibt. Da dieEntwicklung des Karate eng mit der japanischen Sprache und Kultur verknüpft ist, sollte diesgerechtfertigt sein, zumal sowohl die Veröffentlichung des Karate, als auch die Beschreibung undErklärung im Wesentlichen in der japanischen Sprache stattgefunden haben und die heute nochbekannten chinesischen Begriffe zum Teil auf Vermutungen basieren. Durch die Geheimhaltungwurden keine Aufzeichnungen gemacht und fast alle bekannten chinesischen Namen sind lediglichdurch Lautumschrift überliefert. Ein Beispiel dafür gibt Funakoshi Gichin in seinen originalManuskripten.Es ist mir ein großes Anliegen, das Okinawa Karate als ein stilfreies Universum der Kampfkünstedarzustellen. Ich benutze zwar einige Kata, die mir wichtig sind und durch welche sich meineAuffassungen am ehesten widerspiegeln, aber ich bin sicher, alle nicht beschriebenen Kata gehörenebenso dazu.Das Wichtigere als Schulen, Ryu oder Stile sind die Prinzipien der Kampfkunst, die eben auf alleanderen Schulen genauso zutreffen und hier besprochen werden sollen. Sicher ist jedoch nur eines:Jeder soll seine Kata finden, bei deren Üben er/sie sich wohl fühlt. Andere wesentliche Punkte solleneinem weiteren Band, an dem ich arbeite, vorbehalten sein.Lasse dich inspirieren und anregen, tiefer in die Kunst, Kata zu verstehen, einzudringen.

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Abb. 1 Onegai shimasu (ouss) Bitte hilf mir1

Diese Kalligraphie ist ein Geschenk von Tanaka Hiromasa Sensei, meinem Lehrer. Ich verdanke ihmdas Wichtigste: Zu wissen, wie hart ich noch üben muss.

1 Gewöhnlich wird diese Formel gebraucht, um zum Kami-Za, dem Sitz der Götter, um Hilfe bei derBewältigung der Aufgabe zu bitten.

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Die Entwicklung des Karate

Die historische Forschung sichtet, archiviert und analysiert Quellenmaterial, mit Hilfe dessen versuchtwird, ein recht genaues Bild von den Bedingungen zu bekommen, welche die Entwicklung des Karateermöglicht, geprägt oder verhindert haben. In jedem Fall gilt, je weniger Quellenmaterial zurVerfügung steht, desto mehr muss sich der Forscher auf eigene analytische Fähigkeiten bei derWertung verlassen. Da ein historisches Faktum immer von vielen Einflüssen abhängig ist, muss dieAnalyse zwingend alle Tatsachen, auch wenn sie scheinbar keine Rolle spielen, mit einbeziehen. ImFalle des Karate stellt sich deshalb eine Hauptaufgabe: Es müssen die soziologisch-kulturellenGegebenheiten stärker als bisher üblich in die Forschung integriert werden. Diese Betrachtung liegtauf der Hand, denn einige Techniken in den Kata reflektieren eben diese soziologisch-kulturellenBedingungen sehr genau, wie beispielsweise die lange und weite Kleidung, der Haarknoten, die Artund Weise, den Gürtel zu binden und anderes mehr. Überdies erscheint mir die gesammelteVeröffentlichung des vorhandenen Quellenmaterials dringend geboten, denn die aktuelle Forschungorientiert sich, noch, zu stark an etwaigen politischen Präferenzen und spiegelt dieses Bemühen inihren Arbeiten wider. Eine Analyse der Entwicklung des Karate kann jedoch nur unter Einbeziehungaller zur Verfügung stehenden Daten und Fakten gelingen.Zur Einführung beschreibe ich kurz die japanische Gesellschaft dieser Zeit. Sie steht mit gewissenEinschränkungen für die okinawanische und bietet die Möglichkeit, einige der angesprochenensoziologischkulturellen Bedingungen in Okinawa besser zu verstehen. Die Organisierung derGesellschaft in sozialen Gruppen war im gesamten asiatischen Raum ähnlich und hat daher dieokinawanische Gesellschaft mit beeinflusst. Dazu kommt, dass Okinawa sowohl mit China als auchmit Japan in engen Kontakt stand. Unter welchen Bedingungen dies geschah, wird in diesem Buch zubeschreiben sein.Dennoch gilt der Einfluss Japans auf Okinawa als gesichert und ist vermutlich stärker, als bisherangenommen. Ich möchte fast behaupten, dass die chinesische Kultur zwar einen großen Anteil an derokinawanischen Entwicklung hatte, aber doch partiell begrenzt blieb.Man bedenke, die Satsuma überfielen und besetzten Okinawa. Selbstverständlich brachten sie ihreAuffassungen sowie ihre Kultur mit und verbreiteten sie über mehrere Jahrhunderte. Zudem soll dieSprache Okinawas ein japanischer Dialekt sein. Der erste König von Okinawa soll einer Verbindungzwischen einer Frau von Okinawa und einem Japaner entstammen. Viele okinawanische Adeligegingen nach Kyushu und lernten dort den Schwertkampf. Diese Beziehungen sind unter anderemdurch die Chronik Oshima Hikki2 belegt. Die verbreitetste Schwertschule in Okinawa war Jigen Ryu,die bevorzugte Schule der Satsuma in Kyushu. Auch heute noch ist eine sehr enge Beziehungzwischen Okinawa und Kyushu zu beobachten. Die Beschreibung der chinesischen Gesellschaftdarüber hinaus würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Die Leserinnen und Leser mögen mir diesverzeihen.Die japanischen Inseln sind seit mehr als 100.000 Jahren besiedelt, einer Zeit, als sie noch Teil derLandmasse Asiens waren. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts wurde in Nara die erste feste Hauptstadt desLandes errichtet. Mehr als 70 Jahre, von 710 bis 784, residierte dort die kaiserliche Familie unddehnte ihre Herrschaft über ganz Japan aus. Der japanische Kaiser, Tenno, der seine Herkunft von derSonnengöttin Amaterasu no Kami ableitete, war das Oberhaupt dieser Gesellschaft. Seit dem 7.Jahrhundert erstarkten jedoch die territorialen Machthaber, deren jeweils stärkster als Shogun ab dem8. Jahrhundert die Regierungsgewalt ausübte, während dem Tenno nur noch kultische Funktionenzukamen. Im Laufe von mehreren Jahrhunderten entwickelte sich die japanische Gesellschaft zueinem feudalen Ständesystem. Dieser Prozess setzte im 13. Jahrhundert ein und wurde gegen 1600abgeschlossen. Ab dem 12. Jahrhundert gingen die Fehden der Feudalherren in einen permanentenKrieg über, so dass die Bedeutung der Krieger stark zunahm. Das spiegelte sich auch in dem vonShogun Yoritomo geschaffenen Ständesystem wider, das die Bevölkerung in zwei Gruppen einteilte;1. höhere Kaste Shogun3, Daimyo4 und Samurai5

2. niedere Kaste Bauern, Handwerker, Kaufleute

2 Oshima Hikki , geschrieben 1762 von dem Gelehrten Tobe Ryoe3 Militärverwalter4 höhere Edelleute5 eigentlich Diener, ihrer Bedeutung nach Ritter

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Alle darüber hinaus existierenden Gruppen wurden und werden fast völlig ignoriert. Dies betrifft vorallem sogenannte unreine Berufe, wie Fleischer 6, die koreanische Minderheit und andere. ZurAufrechterhaltung dieser Gesellschaftsstruktur war es nötig, sich einen ausgedehntenUnterdrückungsapparat zu schaffen. Die Samurai wurden zu diesem Zweck mit weitreichendenPrivilegien ausgestattet. Sie besaßen zum Beispiel Steuerfreiheit und das Recht, einen Angehörigender niederen Kaste auf der Stelle zu töten. Diese Samurai wurden auf alle Landesteile verteilt und alsPolizisten und Steuerbeamte eingesetzt.In der Zeit von 1599 - 1867 waren ca. 1.240 Bauernaufstände zu verzeichnen. Allgemein dauertenvom 10. Jahrhundert bis in das 12. Jahrhundert hinein die Machtkämpfe zwischen dem Taira und demMinamoto Clan, in deren Verlauf die Taira unterlagen. Da sie immer noch viele Anhänger besaßenund ihre Macht keineswegs endgültig gebrochen war, wurden sie mit einem Lehen auf Okinawabedacht.Shogun leasu aus dem Clan der Tokugawa gründete 1603 sein Shogunat in Edo, dem heutigen Tokyo.Dies war ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte. Die von Ieasu geschaffenen Formen desZusammenlebens beeinflussten die kommenden 265 Jahre stark. Als eine Maßnahme zurAufrechterhaltung der sozialen Struktur unternahm er den drastischen Schritt, Japans Tore vor derAußenwelt fast vollständig zu schließen. Dies wurde notwendig, weil 1543 die ersten Europäer inJapan gelandet waren. Im Gefolge der Kaufleute befanden sich Jesuiten. Ieasu befand die Feuerwaffenals ebenso explosiv und gefährlich wie die Missionare.Nach dieser Zeit der Abschottung wurde Japan 1853 von dem amerikanischen Kommodore MatthewC. Perry mit seinen Kanonenbooten für den Handel geöffnet und die lange Isolationsperiode beendet.Mit Japan verbindet Okinawa eine lange Geschichte, die ihre Spuren hinterlassen hat. Allerdings wirdwohl viel im Dunkel verbleiben und nie ganz aufgehellt werden können. Dennoch ist das, was sichoffenbart, überaus interessant für das Verständnis der Tradition der Kampfkünste Okinawas.

Okinawa

Die Vorgeschichte Okinawas ist heute nahezu ungeklärt. Sicher gibt es Fakten und Funde, dieallerdings für uns im Rahmen dieser Betrachtung nicht so interessant sind. Erste Kontakte mit Chinafanden während der Sui7 Dynastie statt. Der chinesische Kaiser war auf der Suche nach dem Mythosder Unsterblichkeit und der Verfahren der Herstellung von Gold aus Metall. Der Legende nach solltees irgendwo im Meer eine Insel geben, auf der ein Pilz der Unsterblichkeit zu finden sei. Zu diesemZweck schickte er Expeditionen in benachbarte Regionen. Sie landeten unter anderem auf Okinawa.Japanische Expeditionen sind im 7. und 8. Jahrhundert ebenfalls auf Okinawa gelandet. Danach gibtes für lange Zeit keine verlässlichen Aufzeichnungen, weder in chinesischen, japanischen noch inokinawanischen Quellen, die über Kontakte berichteten. Zudem ist für die Geschichte des Karate dieZeit spätestens ab dem 12. Jahrhundert interessant, weil sich hier erste Zusammenhänge zu einerEntwicklung der Kampfkünste deuten lassen. Dennoch gilt: Kontakte sind nicht auszuschließen undfehlende Quellen kein Indiz.Um 1340 war Okinawa in drei Königreiche8 geteilt. Der chinesische Kaiser Chu Yuen Cheang derMing Dynastie stimmte damals zu, einen persönlichen Gesandten des Königs Satto der Ryu KyuDynastie zu empfangen. Nach historischen Aufzeichnungen kam diese Einladung auf Wunsch desKönigs Satto selbst zustande, um andere mit seinem Status zu beeindrucken. König Satto sandteseinen Bruder Taiki mit Huldigungen für den Kaiser nach China. Dies war der Beginn einer langenBeziehung zwischen China und Okinawa.1372 wurde die Ryu Kyu Dynastie9 von dem chinesischenKaiser formell als ein Staat von China anerkannt.

6 Fleischer sind z.B. unrein, weil sie mit Innereien arbeiten. Im heutigen Japan sind dieseAusgrenzungen zwar nicht mehr so stark, aber Vorurteile halten sich genau so hartnäckig wie inunseren Breiten.7 Sui Dynastie 560 – 6188 Nanzan Chuzan und Hokuzan auch Miyama (drei Berge) genannt. Um 1314 setzte der Prozess derSpaltung der drei Reiche ein und wurde gegen 1477 abgeschlossen. Um 1350 zerfiel das nördlicheReich und um 1429 das südliche der drei Reiche.9 China verhandelte mit Chuzan, dies war das zu dieser Zeit stärkste der drei Reiche.

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Der Ming10 Kaiser war daran interessiert, eine gute Beziehung zu Okinawa zu fördern. Deshalbschickte er jedes Jahr seine Gesandten mit Geschenken dorthin.In Okinawa wurden diese Delegationen mit viel Aufregung in der Königsresidenz in Shuriempfangen, und zwar bis 1867, also sogar nach der Invasion des japanischen Satsuma Clans1609. Unter den damaligen Delegierten waren neben anderen erfahrenen Leuten viele Meisterdes Kenpo. Während ihres Aufenthaltes in Shuri und Naha lehrten sie ihre Kunst denokinawanischen Adligen und einigen Angehörigen ihres Standes. Die Ryu Kyu Dynastiesandte bis 1874 jedes Jahr Schiffe nach China, die mit Kostbarkeiten für den Kaiser gefülltwaren.

Abb. 2 Okinawa und seine Hauptschlösser zur Zeit der drei Reiche. Diese Zeit war gekennzeichnet durcheine lange Periode politischer Machtkämpfe. In deren Verlauf die drei Reiche geeint wurden und zueinem Gemeinwesen verschmolzen. Siehe auch Fußnoten 8 und 9.

Um diese Geschenke vor Piraten und Plünderern zu schützen, waren sowohl die Mannschaft als auchdie mitreisenden Adligen gut bewaffnet und in den Kampfkünsten ausgebildet. So erscheint esglaubhaft, dass dies einer der Gründe war, warum sich auf so einer kleinen Insel die Kamptechnikenzu einer kultivierten Kunst entwickelten. Okinawa musste in der Lage sein, diese Schiffsmissionen zuschützen.Es gibt heute drei recht verlässliche und belegbare Theorien, die für eine Entwicklung des KarateZeugnis geben können. Kampfkunst, oder in der Zeit davor Kampftechniken, gab es in allen Epochenund in allen Kulturen der Menschheitsgeschichte, so auch in Okinawa. Aber dafür, dass sich eine sohohe Kunst entwickeln konnte, bedurfte es des chinesischen Einflusses. In dem Buch „1000 JahreGeschichte von Okinawa" wird 131411 erwähnt, dass Bo Jutsu während der Anji12 Zeit gelehrt wurde.Dies scheint ein Beleg dafür. Nachfolgend will ich diese drei Theorien kurz erläutern.

10 Ming Dynastie 1368 – 164411 Nach Inoue Motokatsu, Ryukyu Kobujutsu Jo Chu Ge Satsu (Ryukyu Kobujutsu. vol. 3), 198512 Anji Zeit 1127 – 1271

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Allerdings muss auch hier klar sein, dass sich eine Entwicklung recht selten an nur drei Tatsachenmessen lässt und sicher sind auch die Kampfkünste in ihrer Evolution von vielen Faktoren abhängiggewesen und sind es noch immer. Rückschlüsse aber lassen sich nur auf konkrete Tatsachen ziehen.Bei der Kultivierung des Karate haben sicherlich einige heute noch nicht bekannte Faktoren einezuträgliche Rolle gespielt und sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Machen wir also nichtden Fehler, eine Entwicklung, welche sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte abgespielt hat, auf einpaar belegbare Theorien zu reduzieren. Unsere eigene Geschichte mag Anlass dafür sein, einen„größeren, weiteren" Blick für die Zeit in Okinawa zu bekommen.

Abb. 3 Goju Ryu Karate Do

Der chinesische Einfluss

1392 wurde während der Regierungszeit des Königs Satto eine Gemeinschaft von ausgebildetenchinesischen Kämpfern und Mönchen13 in das okinawanische Dorf Kume gesandt, um dort zu leben.Damit waren die Menschen dieses Dorfes verantwortlich für die Angelegenheiten des Handels undder Kommunikation zwischen China und Okinawa, beispielsweise für die Verteilung undVeröffentlichung der diplomatischen Dokumente und die Ausstattung der Boten, Dolmetscher undSchiffsführer.Diese Chinesen, die sich in Kume niedergelassen hatten, lehrten den dort ansässigen Menschen daschinesische Kenpo. Als Folge gingen okinawanische Adlige für einige Zeit nach China, um dort ander Quelle Kenpo zu studieren. Die Ryu Kyu Niederlassung14, die sich zu dieser Zeit in der ProvinzFukushu (heute Fukien/China) durch den okinawanischen König etabliert hatte, beherbergte dieseLeute. Dort befand sich auch das spätere Kojo Dojo, das für die Entwicklung des Naha Te Kenpointeressant sein wird. Ein Resultat der Ära des Königs Satto war, dass das chinesische Kenpo schnellin Okinawa eingeführt wurde.1701 markiert einen weiteren Schritt des chinesischen Einflusses: Wanshu kommt nach Okinawa. Esgibt hierzu keine oder fast keine Belege. Dennoch scheint es sicher, dass er im Zuge der chinesisch-okinwanischen Beziehungen in Okinawa gearbeitet hat und Kenpo verbreitete. Die Ausbildung in denKampfkünsten gehörte in jener Zeit, neben dem Studium der Klassiker, zum Standart für Angehörigeder Oberschicht. Eine weitere Theorie besagt, dass Kushanku oder auch Kosukun15 das Karate nachOkinawa gebracht haben soll und der Lehrer von Sakugawa gewesen ist.Dieser Theorie zufolge wurde im Jahre 1762 ein Schiff nach Kyushu mit Abgaben für den Okinawabeherrschenden Satsuma Clan gesandt. Jedoch konnte das Schiff Kyushu nicht erreichen und landetein Tosa, der alte Name für die Provinz Kochi auf der Insel Shikoku. Ein Passagier war nach den altenUnterlagen Shiohira Pechin, ein offizieller Gesandter Okinawas, welcher die kämpferischenTraditionen Okinawas erklärte.Im Kapitel drei der alten Chronik „Oshima Hikki" wird der Dialog mit Shiohira Pechin geschildert.Dort ist zu lesen, dass Kosukun oder Kushanku von 1756 bis 1762 mit einigen seiner Schüler nachOkinawa kam. Wörtlich heißt es: „...Der chinesische Gesandte Gong Xiangjun kam in Begleitungmehrerer Schüler nach Okinawa, wo er der heimischen Bevölkerung die Tradition einer der KenpoRichtungen übergab." Sicher ist dies eine der verlässlichsten Quellen16.

13 Dies sind die sogenannten 36 Familien. Hauptziel ihrer Arbeit in Okinawa war es, die chinesischeKultur nach Okinawa zu bringen und den Kontakt zu China aufrecht zu erhalten.14 Ryu Kyu Kann15 Kushanku - chinesisch, Kosukun -japanisch, auch bekannt als Gong Xiangjun16 Dieses Manuskript scheint auch einen Beleg dafür zu liefern, dass die Geheimhaltung eben dochnicht so Streng gehandhabt wurde, wie vielfach, gerade in Europa, angenommen wird. DieGeheimhaltung betraf demzufolge jene Gruppen der Gesellschaft, die auch sonst als „niedrig"angesehen wurden. In den eigenen Klassen jedoch gab es einen regen Austausch, ohne diesen eine sohohe Kunst auch nicht entstehen konnte.

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China war zu dieser Zeit die prägende Kultur im asiatischen Raum und mit der Entdeckung desSchießpulvers, des Papiers und vieler anderer Dinge eine der großen Kulturen der Welt. DieKampfkünste sind von mehreren wesentlichen Faktoren bestimmt worden. Zum einen ist dietraditionelle chinesische Medizin sowohl integraler Bestandteil als auch Motor bei der Entwicklungder Kampftechniken zu einer so hohen Kunst gewesen. Zum anderen ist der Einfluss der Religion undPhilosophie unübersehbar.Aber auch die feudalistischen Gesellschaftsmaxime sind zu berücksichtigen. Sie tragen zweifelloseinen Hauptanteil und sind für die Kampfkünste von erheblicher Bedeutung. Wenn man bedenkt, dassim mittelalterlichen Japan Schwerter zum Teil an Verurteilten oder vermeintlichen Verbrechern„getestet" wurden, mag dies deutlich werden. Die Bedingung dafür ist ein Bild des Menschen, wie esin feudalistischer Zeit existierte. Experimente an Menschen oder Tieren waren bis in das 19.Jahrhundert hinein durchaus üblich und auch heute noch lesen wir in Geschichten von diesenTatsachen.An diesen Gegebenheiten lässt sich ermessen, wie kompliziert es ist, einen Einfluss auch nurannähernd objektiv beschreiben zu wollen, ohne eine wertende Haltung einzunehmen. Karate ist fürmich Lebensweg, und ich bin froh, es so studieren zu können, wie es heute ist. Gleichzeitig aber lehneich die Mittel und Methoden der Frühzeit ab. Das ist Evolution, oder Lernen, im besten Sinne desWortes.Die Veränderung der Gesellschaft setzt notwendigerweise auch einen Prozess der Veränderunggesellschaftlicher Ausdrucksformen in Gang. Karate ist zweifellos eine Ausdrucksform dermenschlichen Kultur und hat diesen Veränderungsprozess in einzigartiger Weise reflektiert. Denkenwir im Rahmen dieser Betrachtung einmal an die Einführung der Feuerwaffen und der damitverbundenen drastischen Erweiterung der kriegerischen Möglichkeiten in unseren Breiten. Diedeutliche Verbesserung der Transporttechnik etwa hatte zur Folge, dass nun mit einem Schlag vielgrößere Heere über ausgedehntere Distanzen „bewegt" werden konnten und, gewissermaßen alsResultat, waren die Feinde viel weiter entfernt, was sich eben auch in der Ausdrucksform unsererKultur, in unserem Denken und Handeln niederschlug.

Abb. 4 Waffen des Okinawa Kobudo. Dieses Bildzeigt einen Teil der Sammlung von Inoue Motokatsu,dem Nachfolger von Taira Shinken.

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Das Waffenverbot

Noch ein weiterer Grund markiert die Entwicklung sowohl des Karate Jutsu als auch desKobujutsu: das Waffenverbot. Um 1470 führte der Zusammenbruch der Sho Dynastie zu einerPeriode politischer Unruhen. Nachfolgend etablierte sich 1477 eine neue Sho Dynastie. Die ersteErklärung des neuen Königs Sho Shin verbot jedermann, vom Adligen bis zum Bauern, das Tragenvon Schwertern17. Anschließend ordnete er die Konfiszierung aller Waffen an, um sie in seinemSchloss in Shuri bewacht unterzubringen. König Sho Shins bedeutendste Tat war es zu verlangen,dass alle Mitglieder des Adels, die unbewaffnet waren, mit ihren Familien in die königlicheHauptstadt zu kommen und dort zu leben hatten. Dies ermöglichte ihm, potentielle rebellischeKriegsherren im Auge zu behalten. Nach der Entwaffnung des Adels entstanden als Konsequenz zweiKampfschulen. Eine, bekannt als Je", wurde von den Mitgliedern des Adels entwickelt undpraktiziert. Später wurde das Shuri Te18 auch als Bushi Te19 bezeichnet. Die andere ist bekannt alsRyu Kyu Kobujutsu. Diese Schule, entwickelt und praktiziert von den Bauern und Fischern, nahm dieBenutzung einfacher Fischerei und Landwirtschaftswerkzeuge als Waffen für den Nahkampf auf.Wir können also generell von drei recht plausiblen Theorien, wie das Karate nach Okinawagekommen ist, ausgehen. Wahrscheinlich ist, dass ein Zusammenwirken aller drei - die politischenBeziehungen zu China und in diesem Zuge die Ansiedlung der 36 Familien in Kume, dieWaffenverbote und Kushankus Reise nach Okinawa und nicht zu vergessen, der Handel mit demgesamten asiatischen Raum - dazu beigetragen haben, chinesisches Kempo in Okinawa bekannt zumachen und zu kultivieren. Das Training in beiden bewaffneten und unbewaffneten Künsten mussteunter äußerster Geheimhaltung an einem abgelegenen Platz nach Einbruch der Dunkelheitdurchgeführt werden. Viele Meister des Karate glauben heute, dass das Verbot des Tragens vonWaffen durch König Sho Shin eine weise Entscheidung war!Okinawas goldene Jahre, die bis 1609 andauerten, waren geprägt durch den Handel mit China undanderen asiatischen Ländern. 1609 fiel der auf Kyushu ansässige Satsuma Clan in Okinawa ein underoberte Shuri. Okinawa wurde zwangsweise ein Marionettenstaat Japans. Aber sogar nach derInvasion in Okinawa zwang Shogun Ieasu die Okinawaner eine loyale Fassade zum chinesischenKaiser aufrecht zu erhalten. Ebenso hielt die japanische Besatzungsmacht in Okinawa dasWaffenverbot aufrecht. Einer der Gründe dafür war, dass sie vorgaben, die politische Situation nichtverändern zu wollen. Dieses „zweite Waffenverbot" setzte die Geschichte von Okinawa fort.Nach der Meiji Restauration20 in Japan wurde Okinawa 1879 offiziell zum japanischen Territorium21

erklärt. Diese Entscheidung beschwor einen Streit zwischen den Okinawanerv herauf. Einigeunterstützten die Bewegung, ein Teil Japans zu werden, während andere wiederum befürworteten, einTeil Chinas zu bleiben.Durch diese lange Geschichte ausländischer Unterdrückung haben dieOkinawaner offensichtlich verstanden, wie wichtig die innere Stärke als ein Mittel desZurechtkommens mit physischer Not ist.Dieses Prinzip ist auch heute noch integrierter Bestandteil des Karatetrainings22. So sehen dieOkinawaner Karate als eine Möglichkeit, sich sowohl physisch als auch psychisch zu disziplinieren.

Abb. 5 Ryu Kyu Kobujutsu

17 Einige Quellen beziehen sich auch auf die Daten 1588 durch Shogun Hideyoshi für das zweite und1429 durch den chinesischen General Sho Hashin (auch Sho Shin, mit anderer Schreibweise) für daserste Waffenverbot.18 Hand aus Shuri19 Hand der Ritter20 1868, sie schloss die Herrschaft der Tokugawa von 1603-1868 mit dem Ziel ab, den japanischenKaiser, Tenno, wieder in seine alte Macht einzusetzen. Bis zu dieser Zeit wurde die nominelle Machtim Staate durch den Shogun, dem Militärmachthaber, ausgeübt, während dem Tenno nur nochkultische Funktionen zukamen.21 Okinawa wurde eine Provinz, japanisch Ken genannt22 Durch die Erkenntnis, dass das Starke das Schwache besiegt, sind Übungen geschaffen worden, umselbst diese Stärke zu erlangen.

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Die Entwicklung zum Naha Te Kenpo

Als 1867 in der Residenz in Shuri die chinesische Delegation zu den Krönungsfeierlichkeiten eintraf,wurde ein festliches Programm ausgearbeitet, um der ganzen Zeremonie einen Rahmen zu geben.Dieses Programm sah unter anderem eine Vorführung der klassischen Tänze Okinawas sowie eineDemonstration der Kampfkünste vor. Auf Grund der historischen Akten, die auch einen Bericht dieserDemonstrationen enthielt, wurde klar, dass die Dörfer um Kumemura Nam Pa Kenpo gelernt hatten.Von den Gästen dieser Feier wurde das Nam Pa Rakan Kenpo ryukyuisiert und man beschloss, esfortan Naha Te (Hand aus Naha) zu nennen. Offiziell geschah das viel später. Einer der Teilnehmerwar Saü Shoi (1816-1907).Er ist in der Generation nach dem Binjin23 (Fall des Haarknotens) aufgewachsen. Dieser Haarknotenspielt in den alten Geisetsukumite24 der Kata eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund soll auch indiesem Rahmen darauf verwiesen werden. Sai Shoi, die japanische Aussprache seines Namens istKojo, hat an der Universität von Beijing (Peking) studiert und war drei Mal im Reich der Mitte. Es istals wahrscheinlich anzusehen, dass er dabei auch Hoko Ha Kenpo lernte, aber die Mitglieder der KojoFamilie waren gute Nam Pa Kämpfer und blieben ihrer Schule treu. Die Kojo Familie hat zurSystematisierung des Naha Te wichtige Beiträge geleistet. Sai Shoi war einer der drei wichtigstenBeamten mit dem Titel Oyakata (Fürst). Alle Mitglieder der Kojo Familie waren Adlige von hohemStand.Shin Eri Ranpo und Aragaki Yosho gehörten beide der Pechin Klasse (Ritter) an. Sie hatten auch dieDemonstration für das Fest bei der Krönungsfeierlichkeit gegeben. Es ist daher anzunehmen, dass sieNam Pa Kenpo lernten. Das Üben des Kenpo in Okinawa war ein eisernes Privileg der Adligen unddie Kampfkünste wurden bis dahin nie außerhalb ihrer Kaste weitergegeben.

Higashionna Kanryo

Higashionna Kanryo wurde 1853 als Sohn eines Brennholzhändlersgeboren. Die Familie verkaufte hauptsächlich Holz aus Kerama(mehrere kleine Inseln um Okinawa). Durch den Verkauf vonBrennholz konnte die Familie aber nicht reich werden und somusste Kanryo mit zehn Jahren seinem Vater bei der Arbeit zurHand gehen. Mit einem kleinen Schiff wurde das Holz von der InselKerama geholt und man sagt, dass Higashionna Kanryo sehr starkeBeine und Hüften bekommen hat, weil er für lange Zeit diesesSchiff steuerte.Als Kanryo etwa 17 Jahre alt war begann er bei Aragaki Yosho mitdem Karatetraining. Die Higashionna Familie hatte zwar einegeschäftliche Beziehung zur Familie Aragaki als Brennholz-

lieferant, war aber nicht von gleichem Stand. Niemand weiß, warum Aragaki ihm Karate zeigte, dennes durfte Personen, „die nicht von gleichem Stand" waren, keinesfalls gelehrt werden.Möglicherweise hat er die Ernsthaftigkeit bei Kanryo bewundert und eine Begabung für Karateentdeckt.

23 Dieser Haarknoten wurde in Okinawa nach chinesischer Mode getragen. Als ein Symbol derMännlichkeit wurde er oft und gerne angegriffen, daher zielen einige Geisetsukumite darauf ab.Funakoshi Gichin widmet in seinem Werk „Karate-Do, mein Weg" dem Fall des Haarknotens eineGeschichte.24 Geisetsukumite - Erklärungskumite

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Aragaki Yosho wurde wahrscheinlich wegen seines Charakters Maya (Katze) genannt. Drei Jahrenach der Vorführung bei den Feierlichkeiten ging er als Übersetzer nach China und Higashionnawurde zu Kojo Taitei zur weiteren Ausbildung gegeben. Kojo Taitei heißt auf chinesisch Sai Nyoi.Sein Karate war offensichtlich sehr gut und sein Goken25 so hart, dass er mit zwei Schlägen eine Kuherschlagen konnte. Selbst von seinem Lehrer Wart Shinzan26, der als erster Budoka in Fukushuberühmt wurde, wird überliefert, wie überrascht er über Kojo Taiteis Goken war und meinte, es sei diestärkste Faust in Okinawa. Kojo Taitei, wird berichtet, war ein sehr aufgeschlossener und fröhlicherMensch.Er mochte die Übung im Garten nicht und trainierte am Strand. Durch diesen Schritt meinen einigeForscher, war er der Erste27, der Karate an die Öffentlichkeit brachte. Ganz unzweifelhaft steht aberfest, dass es nicht üblich war, in der Öffentlichkeit zu üben. Seine Übung war besonders anstrengend.Higashionna aber hielt durch und sein späteres Karate wurde davon geprägt.Nach einigen Jahren wollte Higashionna nach China. Es kann sein, dass er nach Ogi (tiefste Technik)forschen wollte. Weil er kein reicher Mann war, ist es wahrscheinlicher, dass er nach China wollte,um Geld zu verdienen. Der Hafen von Naha war zu dieser Zeit der einzige offizielle Hafen für denHandel mit Fukushu. Dort trieben sich viele Leute herum, die in China28 ihr Glück finden wollten. Eswar demnach nicht leicht, eine Passage nach China zu bekommen. Diese Schiffe hießen „to ichi be".Higashionna aber hatte Glück, er konnte durch seine Kenntnisse der Schiffahrt einen Schiffseignerkennenlernen. Im März 1872 reiste er illegal nach China. Über sein Leben in Fukushu gibt es mehrereGeschichten. Einige Forscher meinen, er habe weiter Brennholz verkauft, andere wiederum berichten,er verkaufte Medizin, um sein Leben zu bestreiten. Wenn man bedenkt, dass er erst viel später dasMenkyo Kaiden29 und vermutlich auch die Ausbildung in traditioneller Medizin - von Ryuru Koerhalten hat, ist es eher wahrscheinlich, dass er Brennholz verkaufte. Fest steht allerdings, dass erviele Jahre Kenpo lernte und vermutlich hat Kojo Taitei ihm einen Empfehlungsbrief mitgeben. Erwar immerhin in einem fremden Land und Kojos erster Lehrer war Wan Shinzan. Einige Jahre späterging er dann zu Ryuru Ko, um bei ihm zu lernen. Später kehrte Higashionna im Juni 1887 nachOkinawa zurück. Dies geschah zunächst illegal über mehrere Inseln, denn die Situation fürHeimkehrer war keinesfalls klar.Nach seiner Rückkehr konnte er zunächst keine Arbeit finden und musste wieder als Händler seinBrot verdienen. Das von Shogun Yoritommo geschaffene japanische Ständesystem siedelt dieHändler noch unter den Bauern an, da sie nicht produzieren. Sein Leben war dennoch besser alsfrüher, denn er konnte sein Wissen über die Pharmakologie für den Handel nutzen. Zwei Jahre späterwurde sein Dojo, das erste speziell für Karate, in Okinawa eröffnet. Viele Jahre lang konnte er keineguten Schüler finden und unterrichtete die Kinder der Umgebung, bis dann Miyagi Chojun und KyodaJuhatsu in späteren Jahren zu ihm kamen. Beide wurden seine wichtigsten Schüler. Miyagi stellte dasNaha Te Konzept seines Lehrers in Japan vor und ab 1930 nannte er diese Richtung Goju Ryu. Somitist Goju Ryu eine der großen Schulen des Ryu Kyu Kenpo. Higashionna konnte diese Entwicklungnicht mehr erleben. Er starb 1917 (andere Quellen behaupten 1915), im Alter von 63 Jahren.

25 Harte Faust26 Funakoshi Gichin schrieb in Karate-Do Kyohan, dass er Militär Attache in Okinawa war und nochandere Schüler hatte. Unter anderem: Shimabuku, Higa, Senaha, Nagahama, Aragaki und Kuwae.27 Eine meiner Meinung nach recht absurde These. Nur weil die Möglichkeit bestand, eine Übung zubeobachten, ist noch kein Schluss über eine Veröffentlichung zu ziehen.28 Das China der Qing Dynastie 1644-1911 war ein Magnet für den gesamten asiatischen Raum.29 Menkyo Kaiden besagt, dass der Übende das System vollständig gemeistert hat. Ob Higashionnadas Menkyo Kaidon bekommen hat, ist strittig. Hier behaupten einige Forscher, er hat es bekommen,Patrick McCarthy dagegen meint, zu dieser Zeit gab es ein solches System noch nicht. Unstrittigdagegen ist, dass Higashionna viele Jahre übte und so ein großes Wissen sammelte. Selbst wenn erkein vergleichbares Papier bekam, war sein Wissen und Können doch außergewöhnlich und dürftenicht weniger als das „Menkyo Kaiden" gewesen sein. Ich vertrete daher die Ansicht, dies auf seinKönnen zu beziehen. Ein erhaltenes Papier scheint mir nicht wichtig. Obgleich dadurch der Nachweisfehlt, können auch andere Wege in Betracht kommen. Die mündliche Bekanntmachung ist einsolcher, wenn man die Zeit und ihre Gegebenheiten in Betracht zieht. Die Ausbildung inPharmakologie dagegen ist unstrittig und aus diesem Grund sehe ich ein Menkyo Kaiden als zwarnicht nachgewiesen, aber dennoch als denkbar an.

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Higashionna Kanryo ist zweifellos einer der großen Meister des Naha Te und hat heutigeAuffassungen31 wesentlich bestimmt. Seine Zusammenstellungen der Kata prägen noch heute dasGoju Ryu. Wenngleich diese durch seine Schüler weiter entwickelt wurden, zählen sie doch zu denbestimmenden Komponenten in vielen Schulen des Okinawa Karate.

Das Kojo Dojo in Fukushu

1867 verließ Kojo Kaho mit dem Schiff Okinawa, auf dem sich auch die Delegation zurKrönungsfeier befand. Er hatte in Fukushu studiert und Bo Jutsu gelernt.Als 1879 die Ryu Kyu Inseln offiziell zu japanischem Territorium erklärt wurde, glaubte er, nichtmehr nach Hause zurückkehren zu können und ließ sich in Fukushu nieder. Die NiederlassungOkinawas befand sich zu dieser Zeit an der Südostseite des Schlosses. Dort eröffnete er 1874 dasspäter berühmte Kojo Dojo. Es war 50 Tsubo (1 Tsubo = 3,30 m) groß. Er war der Meister undbegann dort zu lehren. Zu dieser Zeit wurde es „Fukushu Kojo Dojo" genannt. Viele Okinawaner, dienach der Japanisierung32 nicht mehr in Okinawa leben wollten, emigrierten nach Fukushu. Lehrer imKojo Dojo waren einige Meister unter den Emigranten, wie z.B. Makabe Kyoei und MatsudaTokusaburo.Matsuda Tokusaburo sagte, dass auch Higashionna oft im Dojo33 war. Er hat in den langen Jahrenseines Aufenthaltes das „Menkyo Kaiden" von Ryu Ka Ken (Ryu Familiensystem) erhalten und lernteauch Kasatsu Ho (töten und wiederbeleben) sowie Yaku Gaku Ho (Pharmakologie). Beide Systemesind Teil der geheimen Überlieferung sowohl des chinesischen Kenpo als auch des Naha Te. EinForschungsprojekt34 neueren Datums untersuchte beispielsweise die Auswirkungen des Bubishi aufdas Goju Ryu.

31 Obgleich heute schon andere Theorien diskutiert werden etwa die Frage, wie groß war sein Einflussauf die heutigen Auffassungen wirklich, gehe ich weiterhin von seiner großen Bedeutung aus. Er hatdie nachfolgenden Meister, Miyagi und Juhatsu, ausgebildet und deren Schüler entwickelten heutigeAuffassungen. Dabei benötigten sie aber die Inspiration Ihres Lehrers.32 Diese betraf vor allem Menschen, die aktiv die „chinesische Option" befürwortet hatten bzw. inChina arbeiteten. Unklar ist, ob es in der Tat Repressionen gab oder nicht. Es sieht eher so aus, als obes zu keinen nennenswerten Benachteiligungen kam, denn schon einige Jahre später setzte eineRückwanderungswelle ein.33 Hier wiederspricht Patrick McCarthy dieser Aussage und meint, dass weder Higashionna nochUechi Kanbun im Dojo üben konnten. Higashionna war nicht vom Stande und Uechi hatte einenSprachfehler. Beides Gründe, einen Menschen aus der „Gesellschaft" auszuschließen.34 Tokashiki, Okinawa Karate-Do Hiden Bubishi Shinshaku (Okinawa Karate-Do Bubishi: eine neueInterpretation), 1995, meines Erachtens eines der besten Bücher auf diesem Gebiet.

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Miyagi Chojun - Die Entwicklung zum Goju Ryu

Miyagi Chojun wurde 1888 in Higashi Machi Naha Shi35 als Sohn einesArzneimittelhändlers geboren. Als er klein war, hieß er Matsu. In denersten Jahren wurde er in die Honke36 adoptiert und bekam seinenbekannten Namen Chojun. Die Hauptfamilie war aufgrund desAußenhandels, den sie mit Fulcushu in China betrieb, die reichste Familiein Naha. Es wird gesagt, dass er während seiner Schulzeit im Alter von 14Jahren mit dem Karatetraining bei Higashionna begann. Miyagi hat gleichein Jahr nach Beendigung der Schule geheiratet und im Geschäft derFamilie gearbeitet. Sein Karate vernachlässigte er jedoch zu keinemZeitpunkt. Als er 20 Jahre alt war, wurde er zum Militär nach Kumamotozum 5. Bataillon eingezogen. Dieses 5. Bataillon spielte für viele Meisterdes Karate eine wichtige Rolle. Dort diente er drei Jahre. Nach dieser Zeitreiste er aufgrund seiner Arbeit und natürlich wegen des Trainings zumersten Mal nach Fukushu.

Im Herbst 1917 starb sein Lehrer Higashionna Sensei und er kehrte nach Naha zurück, um dieTrauerfeier zu organisieren, da Higashionna keine Familie mehr hatte. Sein erster Besuch in Fukushudauerte deshalb nur sechs Monate. In den folgenden Jahren sollte er aber noch viele Male nach Chinareisen, um zu forschen und zu arbeiten. Einmal reiste er durch Korea nach Beijing und zweimal nachHawaii, um Karate zu erweitern, sowie viele Male auf die Hauptinsel nach Honshu. Diese Reisenwaren möglich, weil seine Familie sehr viel Geld hatte. Über die Hälfte dieses Vermögens wurde fürden Unterhalt der Familie sowie von Freunden ausgegeben. Er hat nicht viel im Geschäft gearbeitet,sondern sich mehr für das Karate und seine Forschung interessiert.Die große Wende für sein Karate kam, als er einen Vortrag von Kano Jigoro über Budo hörte. Kanowar zu dieser Zeit Leiter des Kodokan37. 1927 kam Kano Egoro38 mit vielen Schülern ein zweites Malnach Okinawa. Bei dieser Gelegenheit wurde für ihn ein Embu39 im Karate organisiert. Dieses Embuwurde von Yabe Kenstu, Hanagi Nagashike, Hisaba Kosaku, Kiyabu Chotoku, Miyagi Chojun,Mabuni Kenwa und deren Schülern gegeben. Miyagi stand neben Kano und erklärte das Naha Te. DiePersönlichkeit Kanos beeindruckte Miyagi sehr und Kano seinerseits förderte Miyagi, so dass er sichum seine Forschung, die Entwicklung und Erweiterung des Karate, kümmern konnte.Im Mai 1928 war er zum ersten Mal in Honshu, um das Budokusai (jährliche Budovorführung) desBudokuden40 (Halle der Kriegstugenden) in Kyoto zu besuchen. Nach diesem Ereignis bekam erGelegenheit, an den Universitäten von Kyoto und Kansai eine Demonstration zu geben. Dies war dererste Schritt zur Erweiterung nach flonshu. Bis zu dieser Zeit wurde das Karate ausschließlich nachOrtsnamen benannt und der Budosai war der Anlass dafür, den Namen in Goju Ryu zu ändern.Miyagi holte sich die Anregung dafür aus den beiden Kapiteln „kempo dai johakku" (acht wichtigeWörter des Kenpo) und „ho goju don to" (Art des weichen Einnehmens und Herauslassens). DieseKapitel stammen aus der „Bibel des Karate", dem Bubishi41. Im Mai 1935 legte Miyagi die Prüfungzum Kyoshi Gou im Butokuden ab und wurde in der Folge zum Leiter des Dai Nippon ButokukaiOkinawa Branch ernannt. Er war der erste Träger dieses Titels im Karate. Nach seiner Rückkehr nachOkinawa gründete er den ersten Karateverband42, zu dem die wichtigsten Meister Okinawas gehörten.1942 reiste er ein letztes Mal nach Tokio.

35 Nördlicher Teil von Naha City36 Hauptfamilie, wie in Europa auch, gab es verschiedene Familienzweige. Die Hauptfamilieentspricht in etwa der Familie der Erben der Eltern, in der Regel der Erstgeborene Sohn. Alle anderen,wie Onkel, Tanten und deren Nachkommen wurden nicht mehr zur Hauptfamilie gerechnet.37 Kodokan erste Judoschule Japans, 1882 in Tokio gegründet von Kano Jigoro38 Begründer des Judo 1860- 1938 und Vorsitzender des NOK sowie der Japan Athletic Association39 Vorführung zu besonderem Zweck, oder besondere Übung von mehreren Schülern40 Butokuden in Kyoto, gegründet unter der Regentschaft von Kaiser Kammu 781-805) alsAusbildungsstätte für Offiziere.41 Diese Enzyklopädie der Kampfkunst wurde 1621 in China verfasst und erreichte Jahre später auchOkinawa.42 Zen Karate Do Shinko Kyokai, er bezahlte alles aus seinem eigenen Vermögen.

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Auf der Rückreise nutzte er noch einmal die Gelegenheit, in Kyoto Station zu machen, und gab beiden Universitäten von Kyoto und der Ribumeikan43 Lehrgänge. Miyagi starb 1953. Zu dieser Zeit warOkinawa von den Amerikanern besetzt. Dieser Umstand spielte bei der Verbreitung von Karate eineentscheidende Rolle. Von den USA aus gelangte Karate in alle Teile der Welt.

Mabuni Kenwa

Shito Ryu ist eine der großen Richtungen des Karate in Japan und wurdegegründet von Mabuni Kenwa. Er lebte von 1889 bis 1952. Mabuni Kenwabegann mit dem Karatetraining unter Itotsu, als er 13 Jahre alt war und blieb beiihm bis zu seinem Tod. Sein Freund Miyagi Chojun stellte ihn dann HigashionnaKanryo vor und er studierte bei ihm die Tradition des Naha Te. Zusätzlich zu denbeiden Richtungen Shuri und Naha Te hatte er die Möglichkeit, mit AragakiSeisho zu üben, von dem er die Kata Unshu, Sochin, Niseishi, Aragaki Sai undAragaki Bo Kata lernte. Mit Miyagi Chojun lernte er bei Go Genki, HakutsuruKen Kempo. Die Kata Nipaipo, Paipuren und Hakutsuru sind aus dieser Schule indas Shito Ryu eingeflossen.1929 ging Mabuni nach Osaka und begann in verschiedenen Dojo zu unterrichten,unter anderem im Sei Shi Kan Dojo von Kokuba Kosei, dem Gründer des MotobuHa Shito Ryu. 1934 nannte er seine Schule Shito Ryu nach den Kanji seinerbeiden Lehrer Itosu und Higashionna. Mabunis Schule wurde dann 1939 offiziell im Dai NipponButokukai registriert. Ebenfalls 1939 gründete er den Vorläufer des heutigen Dachverbandes Shitokai.Sein ältester Sohn Kanei übernahm die Führung, welche er noch heute inne hat. Mabuni Kenwa starbam 23. Mai 1952 im Alter von 63 Jahren. Nach seinem Tod trennten sich einige seiner führendenSchüler und gründeten eigene Organisationen, jeder mit dem Zweck, das authentische Karate weiterführen zu wollen.Mit Mabunis Vision eines einheitlichen und alle Kata umfassenden Karate Okinawas ist eininteressanter Weg gezeigt worden, eine wirkliche Einigung aller Karateübenden zu initiieren. Leiderscheitert ein solcher Gedanke erfahrungsgemäß an wirtschaftlichen oder politischen Interessen.Die Kata in einigen Teilen anders zu üben, bereichert uns, statt uns zu trennen. Der Gedanke, daswirkliche und wahre Karate üben zu wollen, zwingt notwendigerweise zur Beantwortung der Frage,was denn der Inhalt des wahren und einzigen Karate ist? In der Antwort liegt gleichsam das Problem.Der reine Selbstverteidigungsgedanke scheint mir zu wenig, um in jeder Situation bestehen zukönnen. Jeder legt für sich fest, was denn der Inhalt für sie oder ihn ist. Was fehlt, ist das Wissen umdie Vielfältigkeit der Menschen und mit ihnen ihres Geistes.

Abb. 6 Das Hauptquartier des Shito Ryu Verbandes inder Provinz Saitama unweit von Tokio

43 Universität der Arbeiterbewegung

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Die Entwicklung zum Karate Do

Aus heutiger Sicht betrachtet stellt das alte Karate scheinbar einen Anachronismus der Geschichtedar. Dies um so mehr, als der Friedensbegriff in der Gesellschaft immer zwingender und eindeutigerformuliert und artikuliert wird, ja werden muss. Zu keiner Zeit konnte in der Tat das alte Karate mitseiner auf feudalistischen Grundprinzipien beruhenden Definition des Begriffes Selbstverteidigung, inder ein Menschenleben nicht viel zählt, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. ZurErhaltung wurde es notwendig, diese alte Kunst mit neuen Inhalten auszustatten, deren Gefährlichkeiteinzuschränken, um sie so für eine neue Epoche zu rüsten. Das Karate Do wurde geboren.In jüngsterZeit wird weltweit ein Trend sichtbar, der dahin zielt, über den sportlichen Aspekt hinaus die Wurzelnzu erforschen, um so tiefer in das alte, voll Weisheit steckende Karate zu dringen. Ich will dennochnicht verhehlen, dass ich immer ein glühender Anhänger des alten, traditionellen um im besten Sinneanachronistischen Karate war. Die Entwicklung im 20. Jahrhundert soll im Rahmen dieses Buchesnicht so ausführlich beschrieben werden. Zum einen ist dieser Teil der Entwicklung schon eingehenddiskutiert worden, zum anderen ist die Entwicklung im Japan des beginnenden 20. Jahrhunderts vonstarken nationalistischen Tendenzen geprägt, so dass die Beschreibung und Analyse ein eigenes Buchfüllen könnte. Mehrere Ereignisse sollen dennoch kurz angerissen werden.Itotsu, Anko schuf 1905 die Pinnan Kata, um sie an den Schulen als Teil des Unterrichts einzuführen.Diese wurden dann auch folgerichtig als Mittel erkannt, die Jungen in den Schulen schon auf denWehrdienst vorzubereiten. Bei ärztlichen Untersuchungen stellte man die sehr gute, körperlicheVerfassung einiger Karateschüler fest. Das sollte einer der Anstöße sein, Karate 1908 an den SchulenOkinawa einzuführen. Ebenfalls 1905 benutzte Hanashiro, Chomo zum ersten Mal das Kanji44 Kara inseinem Buch45 Karate Kumite, statt des bis dahin gebräuchlichen Kara, auch gelesen als China. Diesesalte Kanji bedeutet Tang und meint die Tang Dynastie in China. Es wurde zu dieser Zeit benutzt, umallgemein China zu benennen. Aus diesem Grund bedeutete die Benutzung des Kanji, Hand ausChina. Ein weiterer wichtiger Schritt im beginnenden 20. Jahrhundert und der vorausgegangenenVeröffentlichung war zweifellos die Vorstellung des Karate für die japanische Öffentlichkeit. Zudiesem Zweck reisten Funakoshi Gichin, Miyagi Chojun, Mabuni Kenwa und andere zur HauptinselHonshu sowie ins Herz der Nation46, um dort Karate bekannt zu machen. Funakoshis Rolle bei derVeröffentlichung ist indes umstritten.Bernard Bordas schreibt dazu „....Funakoshi brachte seine eigene Auffassung als Ryu Kyu KempoKarate nach Japan. Diese eigene Auffassung wurde nie anerkannt. Er hatte im Gegensatz zu OhtsukaHironori47, dem Gründer von Wado Ryu und seinem Schüler, nie irgendwelche Titel und Ehrungenerhalten. Dies mag ein Indiz dafür sein." Und in der Tat ist über ihn in der Literatur48 nicht sehr vielzu lesen. Sicher, in den Veröffentlichungen des Shotokan Karate gibt es einiges. In allen anderen,insbesondere okinawanischen Veröffentlichungen jener Zeit, ist es merkwürdig still um Funakoshiund sein Bemühen. Darüber hinaus sahen die maßgeblichen Meister49 Okinawas das Karate, welchesItotsu vorstellte, als einen misslungenen Versuch an und gingen hart damit ins Gericht. Wörtlich sagteKojo Kaho, „.... Die Leute aus Shuri, brechen die Tradition und verstehen nichts vom Karate......"Heute wird gerne behauptet, dass Funakoshis Sohn Giko die entfernten kämpferischen Aspektewieder zufügte und weiter gab. Eine erneute Verbindung nach Okinawa kam dennoch nie mehrzustande und heute ist das Shotokan Karate in Okinawa selbst nicht sehr verbreitet. Zweifellos aber istFunakoshi Gichin eine der großen Gestalten des Karate im vergangenen Jahrhundert und sein Platz inder Geschichte ist ihm sicher.

44 Chinesische Schriftzeichen, die auch in Japan benutzt werden45 Erschienen im August 190546 Herz der Nation wurde Tokio genannt47 Man erklärte ihn noch zu Lebzeiten zu einem nationalen Schatz48 Allerdings hatte Funakoshi sehr viele Verbindungen zu den auf Honshu lebenden Okinawanerv. BeiTaira Shinken übte er zum Beispiel über 17 Jahre Kobudo.49 Belegt ist darüber hinaus die gegenseitige tiefe Abneigung von Motobu Choki und FunakoshiGichin. Motobu beleidigte Funakoshi mehrmals öffentlich und verglich sein Karate mit einer Gitarre,außen schön aber innen hohl. Mehr noch, Motobu meinte, Funakoshi ist auf Grund seinesverschlagenen Charakters in der Lage, andere Leute zu betrügen und bezog dies auf das Karate.Vergleiche Kaku Kozo, Ryobukai, Tokyo 1993 S. 13 ff.

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Er war es, der die philosophischen Hintergründe verstand und durch sein Verhalten reflektierte. Wirkönnen aus diesem Grund auch verstehen, warum die Linie des Shotokan Karate bei allen Aktivitätender okinawanischen Karate Gemeinde keine besondere Rolle spielte. Shotokan ist aber eine dergroßen japanischen Schulen und weltweit eine der mitgliederstärksten Richtungen des Karate.1927 veranlasste die Okinawa Präfektur, dass Ryu Kyu Kenpo offiziell in drei Strömungen geteiltwurde. Naha, Shuri und Tomari Te. Diese Einteilung geschah, weil es in der Zeit vorher nicht üblichwar, Schulen und Stile im Karate zu benennen. Offensichtlich sollte eine Kunst, die aus China kam,aber all ihre Traditionen und Wurzeln in einem anderen Land hatte, nicht mit eigenen Namen benanntwerden. Dies war vielmehr ein Prozess, an dessen Ende erst eine eigene Namensgebung stehenkonnte, als das Karate eine auf Okinawa heimische, eigene Kunst wurde. Viele waren erstauntdarüber, denn man veranlasste eine Einteilung, die ohnehin schon lange im Volk bestand, nunoffiziell. Mit dieser Einteilung ließ sich administrativ besser umgehen und das Karate für offizielleVorhaben nutzen.Einige Meister gingen in die Welt. Miyagi Chojun machte Karate in Hawaii bekannt. Er unterrichtetedort von April 1934 bis Februar 1935. Yabu Kentsu reiste 1927 nach Amerika. Yabu besuchte seinenSohn Kanden in Los Angeles und gab eine Demonstration im amerikanischen Okinawa Klub undunterrichtete ebenfalls in Hawaii.Wichtiger aber scheint mir die Tatsache zu sein, dass fast alle heute bekannten philosophischenStrategien aus dem Bushido Kodex der Samurai in das Karate eingeflossen sind. In Okinawa sah manKarate als Selbstverteidigung an und beschäftigte sich mit diesen Strategien nur partiell. Durch diesenUmstand war die Verbreitung des Karate auf die Hauptinsel Ilonshu ein wichtiger Schritt für dasKarate-Do, wie wir es heute kennen.Es kann sein, dass einige Historiker dies als Grund sehen, wenn sie sagen, dass in Okinawa die tiefenInhalte aus China nicht bekannt waren. Zieht man die angesprochenen soziologisch-kulturellenBedingungen in Betracht, ist dies glaubhaft. Ein schönes Beispiel liefert Funakoshi Gichin in seinemBuch „Karate-Do, mein Weg."Mit der Besetzung Okinawas durch die Amerikaner begann auch für die Verbreitung des Karate eineneue Zeit. Viele der dort stationierten Gls waren an der Verbreitung in die Welt beteiligt. Die USAverfügen deshalb über ein sehr großes traditionelles Lager und sind außerhalb Japans führend.

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Abb. 10 sitzend v.l. Kyan Chotoku, Yabu Kentsu,Hanashiro Chomo, Miyagi Chojun und stehend v.l.Gusukuma Shimpan, Chitose Tsuyoshi, ChibanaChoshin, Nakasone Kenwa

Abb. 11 Itotsu Anko 10 Übungsanweisungen

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Das Treffen der Meister 1936

Dieses Treffen ist für die historische Forschung von besonderer Bedeutung, weil hier das erste Maloriginale Gesprächsprotokolle zur Auswertung vorliegen. An Hand dieser Quelle ist es möglich, einenEindruck von den Problemen dieser Zeit im Karate zu bekommen und es lässt sich sehr gutnachvollziehen, welche Konsequenzen zur Lösung die Teilnehmer erarbeitet haben. Ich möchte imRahmen dieses Buches nur einige kleine Zitate einfügen. Das gesamte Gespräch liegt in Buchform50

vor.Teilgenommen haben; Nakasone, Kenwa (1886-1978) Hanashiro, Chomo (1869-1945) Kyan,Chotoku (1870-1945) Motobu, Choki (18711944) Chibana, Choshin (1885-1969) Kiyoda, Juhatsu(1886-1967) und Miyagi, Chojun (1888-1953).Ausgerichtet wurde dieses Treffen vom Ryu KyuShinposha (Ryu Kyu Zeitungsverlag). Besondere Gäste aus Politik und Militär waren ebenfallsanwesend. Anhand dieses Textes ist nachvollziehbar, warum Toudi in Karate51 geändert werdensollte, vor allem aber, warum eine Einigung der Schulen angestrebt wurde. Nakasone, Kenwa sagtedazu, „...Manchmal stellen verschiedene Fachausdrücke ein Problem dar, denn es ist schwierig, einenVortrag ohne einheitliche Begriffe zu präsentieren, welche universell verstanden werden können.Eine Geste kann vom Publikum verstanden werden, aber es ist schwieriger, sich in Zeitungen oderanderen Medien verständlich zu machen. Die Voraussetzung dafür sind einheitliche Fachausdrücke."Fukushima, Kitsuma meinte, um dieses Problem zu unterstreichen, "Es wurden viele Karate Sekten51

vor kurzer Zeit gegründet, aber meiner Meinung nach wäre es besser, wenn alle vereint wären. OhneRücksicht auf den Unterschied zwischen den Stilen in Shuri und Naha sollte ein einheitlicherjapanischer Lehrplan geschaffen werden. Kendo hatte auch rund zweihundert Stile, aber sie wurdenvereint in der gegenwärtigen japanischen Kendo-Kata Vereinigung. ... Wenn Sie Karate üben, kanndies auch vereint werden und es würde sich überall fortpflanzen. Zum Beispiel können wir sagen, dasswir 1. zehn Arten von japanischer Kata entwickeln, 2. wir benutzen japanische Namen für sie, 3.vereinheitlichen Sie die Kata Techniken und ihre Inhalte, um die anwendbaren Prinzipien von Angriffund Verteidigung unterzubringen, 4. benutzen Sie eine übliche Kleidung53, 5. WettbewerbsfähigeElemente müssen studiert werden, 6. planen Sie Turniere für Karate Do."Ein Ergebnis dieses Treffens war, dass verschiedene Bücher54 verlegt wurden, worin ein Versuchunternommen wurde, ein einheitliches Katasystem zu schaffen. Eine überaus interessante Lektüre,welche zeigt, dass dieser Teil mit der Schaffung der Pinnan Kata durch Itotsu lange nichtabgeschlossen war und welche unterschiedlichen Auffassungen von der zu lehrenden Technikexistierten. Obwohl sich verschiedene Interpretationen einiger Meister in den heute bekanntenSchulen und Richtungen durchgesetzt haben, blieb die Grundidee indes unverändert und hat sich alstragendes Konzept in allen nachfolgenden Schulen etabliert.Nachzulesen ist dieses Gesprächsprotokoll in mehreren Veröffentlichungen. Es bereichert nicht nurden Forscher, sondern auch den interessierten Laien, der von der Geschichte lernen will. DieBemühungen der Meister, die Anerkennung durch das Butokukai in Kyoto zu finden, zeigengleichzeitig deren Dilemma.

50 Erste Veröffentlichung von Toyama, Kanken 1963 in seinem Buch Karate Do Daiho Kan. Übersetztins Englische von Patrick McCarthy, 1994, als Arbeitspapier der IRKRS. 1999 bei Tuttle in einemSammelband verschiedener Aufsätze, ebenfalls von McCarthy, erscheinen.51 Endgültig anerkannt wurde die Schreibweise Karate Do im Dezember 1933 durch den Dai NipponButokukai. Allerdings waren auch hier andere Meister eigenständig genug, sich nicht oder nur bedingteiner solchen Regelung zu unterwerfen. Eine Rolle spielte sicher auch, dass die Schreibweise Toudi,Okinawa betraf und Karate auf Japan bezogen wurde. Als klar war, dass auch das Okinawa Karateeiner Änderung unterzogen werden musste, um in der neuen Zeit zu bestehen, setzte sich die neueSchreibweise endgültig auf Okinawa durch.52 Gemeint sind sicherlich Schulen, ein religiöser Hintergrund ist aber auch denkbar.53 Weißes Karate Gi, nach der Tradition der Samurai. Weiß ist die Farbe des Todes und symbolisiertden Gedanken, ohne irdische Wünsche zu üben, mit Klarheit und Reinheit der Seele.54 Karate Do Daikan - Karate Do großer Überblick, verschiedene Autoren 1938. In diesem Buch sindunter anderem einige der Teilnehmer des Treffens zu sehen.

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Es war wichtig, sich offiziell anerkennen55 zu lassen, damit die staatliche Förderung gewährleistetwar. Diese Förderung war möglich, weil der Butokukai vom Kaiserhaus mit großzügigen finanziellenSpenden bedacht wurde. Andererseits bedeutete es auch die Aufgabe alter Traditionen undÜberlieferungen. Ein völlig neues System, sowohl des Übens als auch der Weitergabe des Karate andie Schüler, musste geschaffen werden. Eine einheitliche Kleidung, ein Gürtelsystem und öffentlichesÜben waren in Okinawa bis dahin nahezu unbekannt. Viele der traditionellen Meister standen demNeuen ablehnend, ja feindlich gegenüber, aber die Kampfkünste wurden durch den Butokukaiorganisiert und geleitet, es war einfach ein muss, dabei zu sein. Wie dem auch sei, ohne dieseVeröffentlichung hätten wir im Westen wohl nicht die Chance gehabt, Karate zu erlernen.Die Änderung des Toudi in das Karate-Do war ein langer Prozess, der von Rückschlägen undFortschritten geprägt war. Jahre und Kulturkreise später kann die Beschreibung nur unvollkommengelingen. Einen Eindruck von den Schwierigkeiten zu vermitteln ist besonders gewagt, wenn dieSeitenzahl begrenzt ist und die vorhandenen Quellen nicht sehr stark unser heutiges Interessespiegeln. Ein häufig gemachter Fehler, gerade im Westen, ist die Verurteilung der Meister für dasHausnehmen der kämpferischen Inhalte der Kata und deren öffentliches Unterrichten. Wir müssenallerdings berücksichtigen, dass wir bei so einer Beurteilung nicht nur unser eigenes Interessebemühen. Ich glaube vom Standpunkt der Meister in Okinawa aus war die Entscheidung richtig undnotwendig. Wer die alten Inhalte lernen und das Karate so tief wie möglich verstehen möchte, dembietet sich auch heute noch Gelegenheiten.Miyamoto Musashi schrieb es etwa so in seinem Buch der fünf Ringe56: „Zu den Künsten undGeschicklichkeiten, von denen seit Urzeiten gesprochen wird, gehört die sogenannte Kunst desVorteils", wenn wir aber von der Kunst des Vorteils sprechen, können wir sie nicht lediglich auf dieHandhabung des Schwertes begrenzen. Auch die Kunst der Schwertführung als Ganzes erschöpft sichnicht in der einfachen Beherrschung ihrer Handhabe; so kann der Weg zur militärischen Meisterschaftnicht beschritten werden. Meiner Ansicht der Gesellschaft zufolge machen die Menschen aus denKünsten Gegenstände des Kommerzes und halten sich selbst für Waren; auch ihre Utensilien stellensie als Handelsprodukte her. Indem ich das Oberflächliche vom Wesentlichen zu unterscheidenversuche, befinde ich, dass diese Einstellung noch weniger Wirklichkeitsgehalt als die von Zierrat hat.Das Gebiet der Kampfkünste kennzeichnet sich häufig durch Prahlerei, durch effekthascherischeVolkstümlichkeit und durch Gewinnsucht, sowohl seitens ihrer Lehrer als auch seitens derjenigen, diesie zu erlernen trachten. Das Ergebnis wurde einmal so geschildert: „Die Laienhaftigkeit in der Kunstdes Kämpfens ist eine Quelle ernsthafter Wunden."

Abb. 12 Eine schöne Briefmarke Okinawas, Teil einer Serieüber die Traditionen der Ryu Kyu Inseln

55 Um den Wunsch nach Anerkennung zu verstehen, muss man auch die Gesellschaft dieser Zeit inBetracht ziehen. Es war so gut wie unmöglich, eine größere Aktivität außerhalb dieser Gesellschaftdurchzuführen. Ein öffentliches Unterrichten stellt ohne Frage eine solche dar. Diesem„Gruppenzwang" verdanken wir die Möglichkeit, Karate zu üben. Eine allzu kritische Haltung istdeshalb nicht in unserem Interesse. Dazu kommt, dass eine Beurteilung der damaligen Verhältnisseaus heutiger Sicht nahezu unmöglich ist.56 Heyne, Esoterisches Wissen, Das Buch der fünf Ringe, München 1996, S 38 ff

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Die Kata

Ich will versuchen, soweit möglich, auf das Weitergeben von Geschichten bei der Beschreibung zuverzichten. Nicht in jedem Fall wird dies auch gelingen, denn Fakten sind, auf Grund der früherenGeheimhaltung, spärlich gesät, vieles muss zur Zeit noch Vermutung bleiben und wird durch neuereForschungen untermauert oder widerlegt.„Es gibt viele Wege einen Berg zu erklimmen, aber nur ein Mond ist auf dem Gipfel zu sehen!"Was eigentlich ist Kata57? Diese Frage dürfte sich jeder Karate Ka schon gestellt und beantwortethaben. Wir wissen heute recht viel über die Prinzipien, welche eine Kata verkörpert. Um diese Frageeinigermaßen schlüssig beantworten zu können, sind wir auf viele Vermutungen angewiesen, wir sindnicht endgültig in der Lage, ein Phänomen zu erklären, welches sich mit der menschlichen Kultur imLaufe von einigen tausend Jahren entwickelt hat. Gleichwohl gibt es der Kata vergleichbares Lernen,sowohl in allen Kulturen, als auch in allen Epochen der Menschheitsgeschichte, und es sind geradediese Prinzipien, welche uns unsere Entwicklung beflügelt und möglich gemacht haben. Denken wirnur an unsere eigene Vergangenheit und daran, wie ein Handwerk weitergegeben wurde und wird.Die verschiedenen Handgriffe und Fertigkeiten zu erlernen geschieht auch hier durch „Kata".Historisch gesehen ist Kata oder Hsing58 eine Sammlung von Möglichkeiten und Taktiken, um aufeine physische und psychische Bedrohung reagieren zu können. Ein Werkzeug gewissermaßen,welches unsere eigenen Fähigkeiten aufzeigt und in der Folge kultiviert. Wahrscheinlich aus derNotwendigkeit heraus, sich zu verteidigen, übte man zuerst Schläge, Blöcke und Tritte, sowohlbewaffnet als auch unbewaffnet.Einige fortgeschrittene Anwender erkannten den Wert der Übung und fügten ihrerseits weitereAnwendungen hinzu. So bildeten sich im Laufe vieler Jahre komplexe Systeme des Übens heraus,welche durch empirische59 Forschungen jeweils ergänzt und vervollkommnet wurden. BesondersMeister mit profunden spirituellen Überzeugungen und einer tiefen gesellschaftlichen Philosophiebewahrten die Kata über die Jahrhunderte und entwickelten sie zu ihrer heutigen Form.„ ...die Notwendigkeit zur Selbstverteidigung muss sich in historischer Zeit, auf Grund vonFeindseligkeiten, die dem Menschen innewohnen, entfaltet haben.", schreibt Miyagi Chojun in seinem1934 erschienenen Karate Do Geisetsu60 - Karate Do Erklärung.Karate war immer Selbstverteidigung und nie dazu gedacht, in einer Arena gegen einen Angreiferangewendet zu werden. Dies schließt natürlich solche Bunkai Techniken in den Kata nicht aus,sondern diese fördern die Entwicklung und bringen Vorteile gegen Angreifer mit weniger Erfahrung.Generell lässt sich feststellen, dass rund 80% der Menschen nichts von Selbstverteidigung oderallgemein von physischer Gewalt verstehen. Aus diesem Grund kann man davon ausgehen, dass dieAngriffe in erster Linie würgen, fassen, umklammern und ähnliche sein werden. Es scheint klar, dassjemand, der wütend ist und über geringe Kenntnisse verfügt, das tun wird, was in der Natur desMenschen liegt oder was ihm als möglich erscheint. Dadurch sind die Erklärungskumite in den Katain erster Linie darauf ausgerichtet, diese Angriffe abzuwehren. Natürlich gibt es auch andere Formender Verteidigung, aber diese Angriffe dienen als Basis, gewissermaßen als Grundkonzept. Kata zeigtuns also, wie, wo, wann, womit und vor allen Dingen warum wir Techniken anwenden können. Siebringt alle notwendigen Werkzeuge zusammen und lehrt darüber hinaus den Weg zurVervollkommnung sowohl des Körpers als auch des Geistes.

57 Form, Figur, Muster der Kata vergleichbar ist auch das Lernen eines Handwerkes. Zuerst erwirbtman grundlegende Techniken, in der Folge davon werden die Techniken wiederum mit Hilfe vonGrundübungen oder deren Erweiterungen verfeinert.58 Hsing ist der chinesische Ausdruck für Kata59 beobachtend60 Dieser Text ist handgeschrieben und nur einige Seiten stark. Eine englische Übersetzung wurde vonPatrick und Yuriko McCarthy 1993 angefertigt. 1999 ist auch eine Sammlung seiner Texte bei Tuttleerschienen, unter anderem Karate Do Geisetsu.

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Aber, Kata lehrt nicht von alleine, sondern wir müssen uns bemühen, die Bedeutungen zuentschlüsseln. Und noch eines erscheint wichtig: Kata ist ein in sich geschlossenes perfektes System,das nur Bedeutung hat, wenn wir Übenden uns ihm vollständig unterwerfen. Das setzt voraus, beieinem guten Lehrer zu lernen, denn nur er ist in der Lage, unseren Fortschritt auf dem Wegeinzuschätzen und neue Aufgaben zu stellen, um Stillstand zu verhindern.Mehr noch. Die Demonstration einer Kata verlangt das Offenbaren unserer Seele und unseresHerzens. Sie verlangt ein Bewusstsein, welches eine höhere Absicht deutlich macht, sie verlangt dieArbeit an uns selbst. Ohne all dies wird eine Kata immer nur eine Turnübung sein und wir sind nichtin der Lage, uns über ein Anfängerstadium hinaus auf einer tieferen Ebene zu bewegen. Diese tieferespirituelle Ebene allerdings ist wichtig, um wiederum technische Inhalte umfassender verstehen zukönnen. Eines ist ohne das andere weniger als das Halbe.Auch in der Diskussion, ob man in Japan üben muss, halte ich die Argumente einiger für nichtstichhaltig, denn in Japan oder Okinawa ist das Budo Teil einer langen und tiefen Tradition, dieeinzuschätzen wir nicht ohne weiteres in der Lage sind, mehr noch, ein Lehrer stellt immer nur eineAufgabe, die geeignet ist, den jeweiligen Abschnitt, die Stufe, auf der sich der Schüler befindet, zubeschreiben und dem Schüler einen Weg aus seinem gerade aktuellen Dilemma zu zeigen. DerSchüler aber ist noch nicht in der Lage, über diese Stufe hinaus zu schauen und zu wissen, was sichdahinter verbirgt. Dennoch hört man oft nach ein paar Wochen der Übung in Japan, dieser oder jenerLehrer61 wisse nichts und die Sprecher selbst haben es besser verstanden.Einen lebenslangen Weg nach ein paar Wochen oberflächlicher Übung verstehen zu wollen, ist nichtmöglich und die Wahrscheinlichkeit, einen guten Lehrer zu finden, ist in Japan größer als in Europa.Kurz, wenn man auf der Suche nach Ogi, der tiefsten Technik ist, dann kann man dies imUrsprungsland des Budo finden.Vor allem aber halte ich eine allzu kritische Einstellung der modernen japanischen Budotraditiongegenüber für kontraproduktiv, sie wird uns nur in eine Haltung der Ablehnung bringen, durch welchewir nicht oder nur ungenügend die Inhalte sehen können. Der Streit, ob Wettkampf oder nicht, spaltetdie Lager und man steht sich häufig unversöhnlich gegenüber. Die Wettkampftradition in denjapanischen Dojo aber bindet die Kinder an das Karate und vermittelt ihnen den Spaß am Lernen,später dann, schon erwachsen, können sie sich mit anderen, tieferen Inhalten auseinander setzten,weiter lernen und sich verbessern. Dazu kommt, dass in den japanischen Schulen eine sehrarbeitsintensive Lernatmosphäre gepflegt wird, die Kinder somit ein Gegengewicht zurStressbewältigung benötigen. Eine Übung nach klassischem Muster scheint mir nur ungenügend dazuin der Lage zu sein.Es gibt nur ein Karate - Fäuste, Füße, also kurz alle Waffen des menschlichen Körpers, alleenergetischen Schemata funktionieren nach nur einem Prinzip und die Kata entwickelten sich zu denheute bekannten Formen in einem langen Prozess, welcher noch immer nicht abgeschlossen ist.Nachdem die Okinawaner durch langes Lernen in China sowie bei den in Okinawa lebendenchinesischen Meister, aber auch nicht zu vergessen, die Satsuma in Kyushu, sich soweit emanzipierthatten, dass sie eigene Meister hervorbrachten, konnten sie die Übungen nach ihren Bedürfnissenzusammenstellen und zum Teil eigene Formen dieser Übungen entwickeln. Dieser Prozess setzte imfrühen 19. Jahrhundert ein. Er hat einen großen Anteil am heutigen Okinawa Karate und stehtebenfalls als Symbol für die eigenständige Entwicklung Okinawas während wechselseitiger fremderBevormundung, ohne jedoch die kulturellen Einflüsse von verschiedenen Seiten zu leugnen.Die Beziehungen zu China nach dem Opiumkrieg62 1840 wurden zunehmend durch den Schmuggelgekennzeichnet. So wurde durch den illegalen „Handel" eine weitere Möglichkeit für die Okinawaner,in China zu lernen und chinesische Konzepte mit nach Hause zu bringen, eröffnet.

61 Ich beziehe mich generell auf Lehrer in den Dojo, nicht auf Lehrer großer Vereinigungen. Der Wegverlangt eine persönliche Beziehung zu einem Lehrer über viele Jahre des Übens und nicht derSchüler bestimmt den Schluss.62 Opiumkrieg 1839, er wurde von ausländischen Kolonialmächten angezettelt, als die chinesischeRegierung das Opiumverbot, welches sie einige Jahre vorher erlassen hatte, endlich durchsetzenwollte. Vor allem europäische Händler verdienten an diesem Handel und versuchten mit Hilfe diesesKrieges ihre Pfründe zu sichern.

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Viele Okinawaner reisten aber auch nach Fukushu, um an der Niederlassung Okinawas in China zuarbeiten. Bei dieser Gelegenheit konnten sie im von Kojo Kaho geleiteten Dojo Kenpo erlernen. Mansieht heute die direkte Linie des Naha Te63 auch deshalb von Aragaki über Kojo, Higashionna, Miyagibis Kyoda.Aragaki hat bei den Chinesen in den Dörfern Okinawas gelernt und von ihm sind Sanchin, Sesan,Sanseru und Suparinpei überliefert. Dies sind die ältesten Kata des Naha Te. Diese erste Gruppe vonKata und die zweite Gruppe, bestehend aus Sepai, Seifa, Seienchin, Shisochin und Kururunfa, wurdendann in der Folge von Higashionna weitergegeben. Miyagi lernte sie bei ihm und fügte die beidenGekisai Kata sowie Tensho hinzu. Heute nennt man diese Schule Goju Ryu. Ein ähnliches Konzeptwie das Goju Ryu verkörpert das bekannte Uechi Ryu. Hier findet man alle wesentlichen Naha TeKata, aber der Ausdruck und das Wesen sind anders. Immer noch sieht man den chinesischenUrsprung sehr deutlich. Es werden viele Techniken mit offener Hand64 ausgeführt. Uechi Kanbunbegründete diese Richtung und Uechi Ryu gehört heute zu großen Stilen in der Karatewelt.Nakaima Norisato lernte von Ryuru Ko65 im Kojo Dojo in Fukushu eine weitere Gruppe von Naha TeKata. Ohan, Pachu, Anan, Paiku, Haiku und Paiho. Sie wurden lange Zeit als Hauskata nur von Vaterzu Sohn weitergegeben und erst in der letzten Zeit öffentlich gelehrt. Heute werden sie im Ryuei Ryuunterrichtet. Zur gleichen Schule gehört auch die Übung der 15 klassischen chinesischen Waffen.Aus dem Hakutsuru Ken Kenpo66 von Go Genki kommt die Kata Papurian. Als das Naha Te ausChina nach Okinawa kam, war es eine in sich geschlossene, perfekte Schule67 und ist aus diesemGrund von den anderen Richtungen Shuri Te und Tomari Te relativ unbeeinflusst geblieben. EinUnterschied dieser beiden Konzepte ist die Kraftentfaltung.Im klassischen Naha Te wird die Atmung aus dem Tanden benutzt, um die Technik kraftvoll zumachen. Bei Shuri und Tomari Te wird die Kraft aus dem Bein/Stand über die Hüfte in die Technikgebracht. Die Konzepte der Kata beider Richtungen sind auf diesen Unterschied ausgelegt. Obwohlauch hier zu sagen ist, eine solche Unterscheidung hat es in dieser Zeit wahrscheinlich nicht gegeben.Sicher sind beide Richtungen von unterschiedlichen chinesischen Konzepten beeinflusst, doch dürftedieser Einfluss nicht so stark gewesen sein, um eine strikte Trennung schon in jener Zeit zudefinieren.Im Naha Te Konzept werden die Arme wie die vielen „Arme des Kraken"68 benutzt und die Beine wiedie einer Katze, also leicht und gleitend beim Gehen. Vor allen Dingen aber wird beim Naha Te aufden Gebrauch der Arme Wert gelegt. Mit den Füßen tritt man nur bis zur Gürtelhöhe. Ein Ursprungkann die Ibuki Atmung sein, bei der man versucht, sich durch Spannung der Muskeln unempfindlichgegen Vitalpunktschläge zu machen69. Wenn nun aber der Körper unempfindlich ist, greift man dieverbleibenden schwer zu schützenden Stellen an, wie die Gelenke der Beine. Zudem sind hoheFußtritte für einen wirklichen Kampf erfahrungsgemäß nicht geeignet.Im Gegensatz zu dem von der Nam Pa Rakan Ken Kenpo Linie stammende klassische Naha Teentwickelten sich zwei andere Schulen ebenfalls durch die enge Verbindung zu China.

63 Auch, mit anderen zusammen, Shorei Ryu genannt, es soll im Shorei Tempel in Fukushu Chinaentstanden sein.64 Genannt Kaisho, in diesem Prinzip wird auf schnelle Bewegungen der Hände Wert gelegt, die beieinem Kampf unerlässlich sind. In den neueren Kata wurde die offene Hand in eine geschlosseneumgewandelt. Der Schüler ist sowohl im Geist, als auch in der Technik nicht mehr flexibel genug.Der Sinn der Änderung ist, die kämpferischen Prinzipien zu verstecken.65 Xie Zhongxiang, 1852-1930, von Higashionna, Kanryo der Tradition entsprechend großer Brudergenannt. Der Suffix Ko bedeutet großer Bruder. 1883, ein Jahr nachdem Higashionna nach Okinawazurückkehrte, eröffnete er sein Dojo in Fukushu.66 Hakutsuru - Kranich, Ken - Faust, Kenpo - Kunst, Weg67 Einige Forscher meinen, es gab in Okinawa nie einen Unterschied zwischen den Schulen, nurzwischen den Lehrern.68 Gemeint ist hier die Übung Kakie oder auch klebende Hände.69 Es gibt auch die Behauptung, dass durch harte Feldarbeit die Leute nicht mehr in der Lage undwillens waren, komplizierte Techniken zu üben.

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Die nördliche Linie des Hoko Ha Kenpo hat hier zur Entstehung der klassischen Schulen des Shuriund Tomari Te beigetragen. Die Unterschiede dieser beiden Schulen sind nur sehr gering und ausdiesem Grund soll hier im weiteren Verlauf auch der in Okinawa übliche Name Shorin Ryu gebrauchtwerden.Tomari70 ist der zweite Hafen Okinawas, in dem nach einem Taifun ein Mann Namens Channan71

landete. Nach diesem wurden von Itosu die allseits bekannte Pinnan Kata benannt. InwieweitChannan diese Kata beeinflusste, ist nicht genau zu definieren. Fest steht allerdings, dass die PinanKata mit all ihren Abweichungen und Änderungen, die sie erfahren haben, unser ganzes heutigesKarate, vor allem das Shorin Ryu und alle aus ihm hervorgegangen Schulen, geprägt haben.Alle im Tomari Te geübten Kata wurden auch im Shuri Te geübt, dennoch gibt es viele verschiedeneInterpretationen von einer Variante. Ganz auffällig wird dies, wenn man die Passai Kata betrachtet,die erstaunlich viele Varianten aufweist. Tomari no Passai hat zwar in etwa dasselbe Schnittmusterwie Matsumura no Passai oder Shimpaku no Passai, ist aber dennoch eine andere Kata. Jede dieserVarianten wurde von ihrem Meister anders interpretiert.Aus diesem Grund gibt es so viele Varianten und Interpretationen von einer Kata. Matsumura noPassai ist wahrscheinlich am nähesten am historischen Original. Die in der in Japan geübten Formender Bassai sind ein Mix aus verschiedenen Varianten. ltosu teilte diese in Dai und Sho. Eine weitereKata ist die Kushanku72 (Kosukun), von der es ebenfalls mehrere Interpretationen gibt. Aus Tomaristammt die Chatanyara no Kushanku.Die direkte Linie dieser Kata wird aber in Shuri gesehen, weil sich Kushanku in Shuri aufgehalten hatund diese Kata wahrscheinlich dort einführte. In Shuri wurde von dieser Kata unter anderem dieVariante Shi-Ho (vier Richtungen) geübt. Die Originalversion dieser Kata heißt bei Itosu vermutlichSho. Jion, Ein und Jitte waren in alter Zeit eine Kata. Leider ist heute nicht mehr zu ermitteln, wann,von wem und zu welchem Zweck die Kata geteilt wurde. Das Shorin Ryu gehört zur Gruppe des DaiKoshiki (große alte Richtung). Kennzeichen dieser Richtung ist die vorrangige Benutzung vonZenkutsu Dachi und Naihanchi Dachi, leichte Schritte und viele Keri-Waza (Fußtechniken). Damitsich der Sinn dieser Technik vollständig erschließt, ist es vor allem anderen notwendig, die korrekteForm des Keisetsukumite73 zu üben.

Abb. 13 Eine mögliche Ausführung des Age Uke mit anschließender Technik

Leider kann man heute nur allzu oft beobachten, dass die Kata verändert werden, ohne den richtigenHintergrund zu kennen. Diese Haltung ist nicht ohne Kritik hinzunehmen, denn sie führt unteranderem dazu, dass sich das Gefüge der Kata verändert und im schlimmsten Fall ganz verschwindet.Besonders gravierende Formen dieser Veränderung hat das alte Karate durch seine sportliche Varianteerfahren.

70 Der einzige offizielle Hafen für den Handel war allerdings Naha, daher ist Bedeutung von Tomarials Hafenstadt begrenzt.71 Über Channan gibt es zwei Hypothesen, die erste besagt, dass er ein Mann aus Fukushu in Chinawar und der, nachdem er in Okinawa „landete", Kenpo unterrichtete. Die zweite ist dagegen ein wenigabenteuerlich, einige Forscher schreiben, dass Channan Bushi Matsumura war. Diese Hypothese wirdin Japan gerne benutzt, ist aber durch keine Tatsache zu belegen.72 Ein großer Teil dieser Kata ist in die Pinnan Kata eingeflossen, man sagt etwa 70%, und in der Tat,die Techniken ähneln sich stark.73 Erklärungskumite oder auch Katabunkai

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Die Kata stellt jedoch ein hoch komplexes System der Übung dar, welches sich in vielenJahrhunderten der Forschung entwickelt hat und auf Erkenntnissen basiert, deren Grundlage unteranderem die chinesische Medizin ist. In diesem Sinne ist es durchaus mit einem Ökosystemvergleichbar.Mabuni Kenwa stellte zu diesem Problem fest, „Das Wichtigste beim Karate sind die formalenÜbungen. Sie enthalten alle Strategien des Angriffs und der Verteidigung. Deshalb muss man denSinn der Kata gut verstehen und sie richtig anwenden. Obwohl einige möglicherweise annehmen, dassman die Kata ignorieren und nur den Sparring praktizieren kann, wird eine solche Einstellung niemalszu einem echten Fortschritt im Karate führen. Die Ursache liegt darin, dass Schläge und Blöcke sowiedie Technik des Angriffs und der Verteidigung in Tausenden von Varianten vorkommen und das mannicht alle im Zweikampf ausprobieren kann...".

Abb. 14 Ein klassischer Angriff, auch in Kata geübt

Die Naihanchi Kata, in Japan Tekki genannt, wird erst in Naihanchi Dachi und mit den altenKeisetsukumite wirklich sinnvoll. Der sportliche Wert indessen bleibt davon unberührt. Ohne dasVerständnis dieser komplexen Zusammenhänge kann aber eine Änderung nicht im Sinne der Übendensein.Natürlich ist damit nicht die Veränderung gemeint, die von so hervorragenden Experten wie MiyagiChojun, Mabum Kenwa, Funakoshi Gichin und vor ihnen Itosu Anko oder anderen vorgenommenwurden, sie wussten zweifellos den Wert der Kata zu erhalten. Sicher geschah dies versteckt undhintergründig, aber um so mehr intellektuellen Spaß hat man beim Entschlüsseln. Den deutlichstenAufschwung aber nahm das Karate nach dem zweiten Weltkrieg. Der Sieg der Amerikaner über Japanwurde im Volk als Sieg über die eigenen Fähigkeiten angesehen, man empfand sich als minderwertig,was einen Verlust moralischer Werte nach sich zog.Karate wurde auch hier wieder als Mittel verstanden, diese moralischen Werte erneut zu beleben. Diesgeschah durch die in einem Dojo geübte Disziplin. Bei der Übung des Budo fand man Möglichkeiten,sich der eigenen Fähigkeiten wieder bewusst zu werden.

Abb. 13 Block gegen einen Kopfstoß

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Die Evolution der Kata zu den heute bekannten Formen reflektiert einen gesellschaftlichenWandlungsprozess. Die Notwendigkeit bestimmter Techniken oder Ausführungen in den Kata bestehtnicht mehr. So zum Beispiel das Abbinden der Kleidung, um gegen Angriffe mit dem Speer gerüstetzu sein, das Wegdrücken langer Kimonoärmel, um einen freien Ellenbogen zu haben, wie in der KataShisochin, bzw. das Ausziehen der Kleidung, wie in der Kata Happoren oder Suparinpai, und anderesmehr.Diese Ausführung verschiedener Techniken ist seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr erforderlich, da wirkeine Kleidung tragen wie in vergangenen Jahrhunderten, so dass sich diese Techniken veränderthaben, ja verändern mussten.Für den Historiker oder historisch interessierten Laien ist das Wissen um diese Verfahren wichtig undbewahrenswert. Für die Kata allerdings ist es nicht länger notwendig und deshalb ist eineVeränderung auch von grundlegender Bedeutung und zu begrüßen.Wir können in den heutigen Formen viele andere und heute wichtige Anwendungen studieren undlernen. Ich selbst habe großen intellektuellen Spaß beim Entdecken der alten Formen und verstehedadurch die Kata, wie sie jetzt geübt werden, besser und tiefer. Von Wert allerdings sind die„modernen" Formen der Okinawa Kata allemal und wir sollten uns weniger dem Streit über„richtiges" und „falsches" Karate hingeben, sondern einfach nur üben.

Abb. 15 In den Kata enthaltene Kampfstrategien

Die technische Bedeutung der Kata

Zum besseren Verständnis der Anwendungen in den Kata hat Patrick McCarthy74 die Zahl dermöglichen Angriffe analysiert und identifiziert. ...Wir sind heute in der Lage, 36 verschiedene Artenzu identifizieren und durch Kombinationen, z.B. Höhe des Angriffs ergibt das 72 Möglichkeiten derphysischen Gewalt gegen einen anderen Menschen. Beide Zahlen addieren sich zur mythischen Zahl108. Zur Darstellung dieser 108 verteidigungsrelevanten Themen gibt es 18 Kata oder grundlegendeÜbungsformen.....Manche Historiker gehen deshalb auch davon aus, dass einige Kata mit Zahlnamen belegt wurden. Sogibt es in der Kata Sepai zum Beispiel 18 Schläge, die jeweils auf Punkte unter die Muskeln desGegners zielen, aber dies für eine solche Begründung heranziehen zu wollen, liegt meines Erachtensnicht im Rahmen der Bedeutung der Kata. Vielmehr ist ein Verweis auf die buddhistischenTraditionen schon eher ein glaubhafter Hinweis auf den Ursprung der Namensgebung, denn eines derwichtigsten Ziele in der Übung der Kampfkünste ist die Entwicklung der Persönlichkeit. DieFähigkeit zur Selbstverteidigung dient dagegen als Vehikel, mit dem die mentale, spirituelle undkulturelle Entwicklung des Schülers inspiriert und gesteuert werden soll.

74 Koryu Journal, Ausgabe 3/99, Kokusai Ryu Kyu Karate Jutsu Ken Kyokai, (Internationale KarateForschungsgesellschaft), gegründet von Patrick McCarthy in Japan.

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Jede Schule zeigt in der Kata ihre eigene Interpretation dieser Möglichkeiten und hat verstecktePrinzipien als Teil der Überlieferung in den Techniken der Kata unsichtbar für jeden Uneingeweihtenverborgen. Die Aufgabe besteht nun darin, lange Jahre zu lernen, um durch Hingabe undBeharrlichkeit die Fähigkeit zu erwerben, das Verborgene auch zu sehen. Hingabe, Beharrlichkeit undDemut sind die Maxime, durch welche die Verantwortung des Schülers im Umgang mit der „Waffe"Karate reflektiert wird. Sie sind die Prinzipien, die wir lernen sollen und durch deren Beachtung wirMichi, die Straße, zu Do, dem Weg, werden lassen. So gesehen ist die folgende Aufzählung einigerklassischer Prinzipien der technischen Übung nichts als das Zeigen auf das Vehikel.Einmal gefragt, ob Uechi Ryu geheime Prinzipien beinhaltet antwortete Kanyei Uechi75; ... ja es hat,aber sie sind nicht wirklich geheim und werden nicht als solche unterrichtet. Sie können durch langeÜbung und Praxis entdeckt werden!

Abb. 16 Durch Nähe im Kampf jede weitere Aktion unmöglich machen

75 Entnommen Bishop Mark Karate Okinawan Karate Teachers, styles and secret techniques, A&CBlack London, 1995, S. 46

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Beim Üben der Kata können einige Gesichtspunkte hilfreich sein, sie bilden den ersten Baustein, eineKata zu analysieren und helfen auf dem Weg:

1. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Jede Anwendung reflektiert eine bestimmte Art zu kämpfen.2. Stelle dir die Übung der Technik als realen Kampf vor und führe jede Technik aus, als ob du es

mit einer Selbstverteidigungssituation zu tun hast. Analysiere dazu, wie du angreifen würdest.3. Die Richtung der Übung oder das Schrittdiagram ist nichts als ein Hilfsmittel und muss der realen

Situation angepasst werden.4. Überlege selbst, welche Anwendungen in Betracht kommen können. Sind deine Überlegungen

praktikabel, ist ein Teil des Weges zurückgelegt. Du wirst Dich verbessern mit jeder neuenAnwendung, die du lernst.

5. Sieh nicht einen Angreifer von links, dann einen von rechts, sondern nur einen Angreifer in dergesamten Kata. Natürlich können mehrere Gegner angreifen, aber für die Übung ist das nichthilfreich, denn es lenkt unsere Konzentration schon auf den „nächsten", während wir noch mitdem Ersten „kämpfen". Jede Kombination steht für sich.

6. Eine Kata ist ein in sich geschlossenes System, übe daher immer eine Kata ausreichend, bevor dumit einer nächsten beginnst. Es ist wenig sinnvoll, schon „hohe" Kata zu üben, wenn die erstennoch nicht richtig beherrscht werden. Vertraue deinem Lehrer, er weiß um deine Schwierigkeitenund wird dir helfen, sie zu überwinden.

7. Frage immer auch andere Lehrer und höhere Schüler.8. Gehe einen Schritt nach dem anderen. Wenn du eine Straße überquerst, beginnst du auch nicht an

der gegenüberliegenden Seite, sondern dort, wo du bist. Beginne am Anfang, nicht am Ende.9. Jetzt bist du in der Lage, die folgenden Hinweise zu verstehen und ihnen zu folgen. Lass dich

nicht entmutigen, sei kreativ, denn Kata ist kein Gefängnis.

Die fundamentalen Übungsinhalte der Kata sind die folgenden vier. Sie bilden das Rüstzeug, durchwelches sich alle anderen technischen Systeme ableiten lassen.

1. Techniken der Selbstkontrolle Wirkungen von Schlägen minimieren, die Fähigkeit derSelbstheilung sowie die Stärkung der eigenen, uns innewohnenden, mentalen Kraft kultivieren.

2. Techniken des Niederschlagens Durch das Lähmen der motorischen Fähigkeiten des Angreiferseine erneute Attacke verhindern.

3. Angriffe auf das Atmungssystem Durch das Verhindern des Strömens der Luft im Körper desAngreifers die Fähigkeit zu einem erneuten Angriff ausschließen.

4. Methoden des Paralysierens Hindern des Angreifers an weiterer Bewegung.

Daraus ergeben sich die folgenden Varianten sowohl des Angriffs als auch der Verteidigung, sie sindintegrierter Bestandteil jeder klassischen Kata. Alle Inhalte in den Kata stehen nicht alleine, sondernsind miteinander verwoben. Sie sind allein betrachtet nicht in der Lage, eine alles umfassendeKampfkultur zu entwickeln.

1. Kyushu Jutsu Stimulierung der Nerven durch Schlag, Druck oder Hebel und dadurchhervorgerufene Reaktionen des Körpers.

2. Shime Waza Abdrücken oder Quetschen der Blutgefäße und Atemorgane durch Hebel undWürgen, dazu zählen auch Beinhebel.

3. Kansetsu Waza Verdrehen der Knochen und Blockieren der Gelenke.4. Nage Waza Wurfvarianten sind Fuß- und Hüftwürfe, Handund Schulterwürfe sowie Opferwürfe

aus allen Positionen.5. Bunkai Jutsu Blocken, Schlagen und Treten, Gegenangriffe und Angreifen der inneren Organe

durch Druck, Tritte oder Schläge.6. Ne Waza: Bodenkampf.7. Tuite Jutsu Greifen und Pressen anderer Zonen am Körper, die nicht durch Knochen geschützt

sind sowie das Zerstören der Bindegewebsstrukturen wie Sehnen, Knorpel. Zusammenpressenverwundbarer Zonen am Körper.

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Die natürlichen Waffen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Selbstverteidigung, welche durch dasÜben der Kata ausgebildet werden, sind:

1. Schläge und Stöße mit allen Körperteilen.2. Blöcke ebenfalls mit allen Körperteilen, das sind neben den Armen und Beinen auch der Kopf

sowie der Körper.3. Tritte sowie fegende und blockierende Bewegungen mit den Füßen.4. Benutzen der offenen Hände und der Finger zum Fassen, Schlagen und Stoßen.5. Stände und Fußmanöver wie Ausweich- und Meidbewegungen, um die Techniken effektiver zu

machen und eine kontrollierte Selbstverteidigung zuzulassen.6. Kontrollieren, die Fähigkeit einen Angriff zu fangen und dadurch zu blockieren bzw. jeden

weiteren Angriff unmöglich zu machen, um einen Gegenangriff erfolgreich durchzuführen.

Ein letzter wesentlicher Punkt bei der Betrachtung der Kata sind die sogenannten Grundsätze desÜbens. Sie umfassen sowohl die technische als auch die spirituelle Seite und obwohl wir nicht immeralles verstehen können, was jenseits unserer Welt liegt, will ich versuchen, diese Prinzipien näher zuuntersuchen. Sie stehen gewissermaßen als wesentlicher Inhalt über allen technischen Fertigkeitenund fördern die Effektivität der körperlichen Übung.

1. Yoi no Kishin, die geistige Vorbereitung umfasst einerseits, das allumfassende Wesen der Dingezu verstehen, als auch die eigene Unzulänglichkeit innerhalb dieses Kreises. Mehr noch undwichtiger als das (kann es Wichtigeres geben?) sollen wir unser Bemühen dahin lenken, nicht zufühlen und zu denken, kurz nicht zu wollen. Es umfasst gleichermaßen alle Maxime, welche hieraufgeführt sind.

2. Inyo, heißt das Verstehen von Ursache und Wirkung. Ying und Yang, Hart und Weich, Mond undSonne, werde ich hart angegriffen, ist der Konter weich. Schlage ich hier, geschieht das. Esumfasst das genaue Wissen um die Punkte und ihre Wirkung, den Fluss des Blutes und nichtzuletzt wie, wann und wohin geht das Ki.

3. Maai, die Distanz, das Fühlen wo der Gegner ist und wie er sich bewegt, es verlangt aber, TaiSabaki, die Bewegungsmöglichkeiten des Körpers zu kennen.

4. Tai no shinshuku, Aufbau und Funktion des Körpers kennen, das Wissen um diebiomechanischen Grundsätze, nach denen der menschliche Körper funktioniert.

5. Chikara76 no Kyojaku, die richtige Power für eine Technik kennen, damit sie funktioniert.Dieses setzt ein Training am Makiwara voraus. Man sagt, dass nach drei Jahren der täglichenÜbung am Makiwara der Übende in der Lage ist, einzuschätzen, wie tief die Wirkung im Körperist. Punkte und Löcher schlagen ist ein Unterschied, da Löcher tiefer liegen als Punkte. DieWirkung ist ebenfalls unterschiedlich. Wird ein Loch geschlagen, sind die inneren Organebetroffen und Punkte ergeben Schmerzen.

6. Kiai, bedeutet, das Sammeln und Einsetzten des Ki. Es gibt drei verschiedene Methoden des Kiai,welche unterschiedlichen Zwecken dienen.

7. Ju no Ri, ist das Prinzip der Bereitwilligkeit, sich dem Unglück nicht zu widersetzten, zu sein wieein junger Baum im Wind.

76 R. Habersetzer beschreibt diesen Begriff mit Muskelkraft und nimmt an, dass die starkeKraftentfaltung in den okinawanischen Kata nur deshalb geübt wird, weil sie die diffizilenchinesischen Inhalte nicht verstehen konnten. Ich stimme ihm zu, was den Anfang der Überlieferungbetrifft, also etwa das 12. Jahrhundert. Wir wissen heute sicher, dass viele Okinawaner für lange Zeitin China waren, um dort zu arbeiten, zu forschen und zu lernen und viele Chinesen ihrerseits inOkinawa. Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass dies ein ernstzunehmendes Argument ist, sondernmeine, dass im Laufe der Weitergabe die tiefste Technik sehr wohl auch von Okinawanern gelerntund verstanden wurde. Higashionna Kanryo war viele Jahre in China, kaum anzunehmen, dass er dortnur ein paar Kata und deren technische Aspekte lernte.

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8. Kokyu77, das Synchronisieren des Atems. Bewegung und Atmung sind Teile des Ganzen. Ohnedie Atmung kann die Bewegung, ein Fauststoß zum Beispiel, nicht seine volle Wirksamkeitentfalten. Der Atem erst synchronisiert alle nötigen körperlichen Aktivitäten und fokussiert dieKraft auf ein Ziel.

9. Bunkai78, das Verstehen der Prinzipien der Verteidigung. Diese sind auch in den neuen Formender Kata enthalten, wurden aber sehr versteckt. Dennoch, auch in diesen Formen gehört dasPrinzip dazu.

10. Zanshin, geistige Wachsamkeit. Wach aber kann nur sein, wer sich eine Haltung derNachgiebigkeit, der Freundlichkeit und Toleranz erarbeitet hat, denn die konträre Haltung hältunsere Seele fest und hindert sie.

11. Seishi o Choetsu, das Überschreiten der Gedanken an Tod und Leben. Nur wer frei ist von allenBegierden kann ohne Furcht reagieren, er ist gleichsam bereit für das Unvermeidliche.

Karate ist Kata, Kata ist Karate

77 Dieses Prinzip ist nicht zu verwechseln mit der ibuki Atmung. Die Unterschiede sind gravierend.Die Form der harten Spannung, wie bei der Ibuki Atmung praktiziert, kann zu einer Verengung derBlutgefäße und des Abschnürens der Lymphgefäße führen. Diese Methode der Atmung, von Miyagieingeführt, ist heute sehr umstritten.78 Funakoshi schreibt dazu in seinen 20 Geboten, dass sich, während sich die physische Konfrontationändern kann, dennoch die Prinzipien der Verteidigung gleich bleiben. Daher sollte man diesePrinzipien üben.

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Die Prinzipien Hi, To und Yu

Die drei elementarsten Regeln79 des Kampfes werden in den Kata in den meisten Fällen am Anfangdurch dreimaliges stilisiertes Vorgehen mit einer Kombination von Techniken geübt. Sie stellengewissermaßen die Grundlage dar, auf der alle anderen in den Kata geübten Vorgehensweisenbasieren und aufbauen, da sie die erste Reaktion des Verteidigers auf einen Angriff sind. DieseMöglichkeiten des prinzipiellen Reagierens zeigen das Grundprinzip des Verteidigens und solltenbesonders sorgfältig geübt werden. Die dargestellten Beispiele sind auf einige beschränkt, finden sichaber in allen Kata des Okinawa Karate wieder.

1. Hi: Das Vermeiden anderer Angriffe durch das Benutzen der Kraft des Angreifers.2. To: Gegen einen anderen Angriff benutzt man Kraft, um selbst den Gegner angreifen zu können.3. Yu: Gegen einen Angriff bewegt man sich weg, man weicht aus, um dann selbst zum Angriff

übergehen zu können.

Bei diesem ersten Prinzipgeht es vorrangig darum,einem Angriff auszuweichenund die volle Kraft desAngreifers, die er in denSchlag gelegt hat, gegen ihnselbst einzusetzen.Das bedeutet: Weiche demSchlag aus und wenn derAngreifer mit vollerSpannung in seiner Stellungsteht, gehe sofort zumGegenangriff über. Dies istallerdings leichter ge-schrieben als getan. Esgehören lange Jahre derÜbung dazu, dieses Prinzipzu verstehen und dann auchpraktisch nutzbar für dieeigene Technik zu machen.Bitte beachten; Der Schlagmit Ippon Ken geht nichtzum Solar Plexus!

79 vergleiche Tokashiki, Okinawa Karate-Do Hiden Bubishi Shinshaku (Okinawa Karate-Do Bubishi:eine neue Interpretation), 1995, Seite 134 ff.

Abb. 17 Bild 1 - 5 Prinzip Hi

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Abb. 18 Bild 1-5 Prinzip To

Hier ist gemeint, dass man den Angreifer mit der eigenen Körperkraft zu besiegen versucht. Denkedaran, du musst durch den ersten Block den Angreifer aus seiner sicheren Haltung bringen, um dannzu versuchen, diese kurze „Verwirrung" zu nutzen. Auch hier gilt, es sieht leichter aus, als es ist, daein „guter" Angreifer nur wenige 10-tel Sekunden in seiner Haltung stehen bleiben wird. BeideStrategien, einen Angriff abzuwehren, sind in den Kata enthalten und müssen so geübt werden, umdie Kata mit Leben zu füllen.

Abb. 19 Bild 1-2 Prinzip Yu, führe die Bewegung des Angreifers weiter

Alle drei beschriebenen Wege des Verteidigens sind als Grundkonzepte in die Kata eingebaut undkönnen durch fleißiges Lernen erkannt und erfahren werden. Allen Techniken der Kata liegen siezugrunde. Wenn du also eine Analyse der Kata wagst, gehe zuerst einmal davon aus. DieseÜberlegungen erleichtern dir den nächsten Schritt. Hast du nun herausgefunden welche Techniken inden Kata zu diesen drei Prinzipien passen, kannst du an die Analyse der Technik gehen.Als erstes solltest du dich fragen, warum dient gerade diese Technik diesem Zweck, dann frage dich,welche Ausführung kann hier versteckt sein. Also, ist es ein Pressen verwundbarer Zonen am Körper,oder ist es doch „nur" Schlagen und Treten. Der daraus folgende Schritt ist schon etwas komplizierter.Nun musst du kritisch deine eigene Technik durchleuchten. Ist das, was ich hier als

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Verteidigungshandlung gerade tue, sinnvoll und - vor allem anderen - hat meine Technik dennwirklich die beabsichtigte Wirkung?! Wenn du dir klarmachst, dass Ikken hissatsu mit einem Schlagtöten bedeutet, weißt du sicher noch nicht, ob es auch dein Schlag kann. Aus diesem Grund ist eineselbstkritische Haltung nötig. Lass dir nicht aus Büchern erzählen, wenn jemand Karate übt, kann erdies oder jenes erreichen, sondern prüfe dich immer selbst und sei wachsam gegenüber deinerSelbstzufriedenheit!

Kata als Quelle der Gesundheit

Zusätzlich zu den gewohnten Möglichkeiten der Selbstverteidigung vor physischer Gewalt stellt Kataauch ein tiefgründig, ganzheitlich und therapeutisches Konzept dar. Metaphysisch gesehen ist dieKata sogar noch mehr. In der Tat, Kata ist der einzige Grund dafür, das Karate als eine ritualisierteund stilisierte Tradition noch heute existiert. Wir sind mehr ein Produkt der Kata, als die Kata einProdukt von uns ist. Zunächst einmal stärkt das Üben der Kata die Knochen und Muskeln, welchehelfen, die Biomechanik zu maximieren. Durch die ständige Kontraktion der Muskeln wird derAufbau des Muskelgewebes angeregt und gefördert.Die Fähigkeit, Energie freizusetzen, wird durch das Lernen, den Atem zu regulieren und dasSynchronisieren unserer körperlichen Aktivität verbessert. Atmung ist das Mittel, Geist und Physiszusammen zu führen, in der Übung der Kata ist dies der wichtigste Punkt. Auf Grund dieser Elementeist Kata eine ausgezeichnete Quelle, Ki Energie zu kultivieren, die sowohl innerlich als auch äußerlicheine unglaublich therapeutische Wirkung auf den Körper hat.Die Kata verbessert sowohl die Konzentration, als auch die Koordination, und die Funktionen vonverschiedenen inneren Organen des Körpers. Die gesteuerten Atemtechniken, das kräftige Drehen desKörpers und das Schwingen der Glieder, aber auch die Kontraktion der Muskel, verhindern dasVerkalken von Blut-und Lymphgefäßen und verbessern die Funktionen des Skeletts sowie desMuskelgewebes und der Verdauungsorgane. Somit ist die Kata eine ausgezeichnete sportlicheAktivität und als solche kann sie eine heilende Wirkung auf chronische Krankheiten wie hoherBlutdruck, Gastritis, Herzprobleme, TB, Arthritis und Zuckerkrankheit haben.Kurz, Kata hilft, einen gesunden Körper, schnelle Reflexe und starke Bewegungen zu entwickeln.Zudem fördert die tägliche Übung die innere Ruhe, und wo Konflikte existieren, stellt sich dasGleichgewicht in den persönlichen Beziehungen wieder her. Karate kann uns bis ins hohe Alterbegleiten und eine Hilfe sein, die Stürme des Lebens zu überstehen und gesund zu bleiben.Durch falsch verstandene Ausführung der Übungen kann man sich allerdings auch sehr schädigen.Bei zu harter Atmung und zu langer und kräftiger Kontraktion der Muskel werden die Blut-undLymphgefäße abgeschnürt und die Versorgung mit Sauerstoff unterbrochen, wodurch Schädigungenentstehen können.

Abb. 20 Juhatsu Kyoda leitet eine Gruppe Schüler beim Katatraining an. Dieses Bildentstand 1937 vor dem Schloss Shuri, dem ehemaligen Sitz der Ryu Kyu Dynastie.

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Die Namen der Kata

Es gibt kaum ein so verwirrende Kapitel in den Kriegskünsten, wie die Namen der Kata und derenBedeutung für den Kampf, sie sind ein Mysterium. Dieses aufzubrechen sind wir nicht, oder nurunzureichend, in der Lage. Viele der Namen sind Symbole aus der chinesischens80 buddhistischenTradition. Die Zahl 108 hat zum Beispiel eine besondere Bedeutung innerhalb des Buddhismus. Siemeint, jeder Mensch hat 108 boshafte Eigenschaften. An jedem 31. Dezember des Jahres wird dieGlocke 108 mal geschlagen, um diese Eigenschaften zu vertreiben. In der Kata Suparinpei wird sienach folgendem Schema berechnet: 36 x 3. 36 ist Sanseru, die Zahl 3 bedeutet Zukunft, Heute undVergangenheit. Die 36 wird berechnet aus der Formel 6 x 6. Die ersten 6 sind Augen, Nase, Mund,Zunge, Körper und Geist. Die zweiten 6 sind Farbe, Stimme, Schmecken, Riechen, Berühren undUrteilen. Sepai Nummer 18 wird ähnlich berechnet, 6 x 3. Die 6 ist hier gleich, wie die zweite 6 vonSanseru.Einer Legende zufolge werden 36 Hauptpunkte für das Kämpfen benannt, diese wurden dann auf 72erweitert und beide ergeben wiederum 108. Diese ersten 36 Punkte sind: 9 Punkte, die den Todverursachen, weitere 9 Punkte, welche das Neuralsystem angreifen, 9 Schmerzpunkte und 9Lähmungspunkte. Jede Kata mit Namen wie 24 (Nijushiho), 36 (Sanseru), 54 (Gojushiho) oder 108(Suparinpei) reflektiert eine besondere Methode, diese Punkte anzugreifen und enthüllt ihreSpezialität. Die Kata 18 (Sepai) greift zum Beispiel 18 Punkte, welche unter den Muskeln liegen, an.Diese Erklärungen scheinen mir recht stichhaltig zu sein. Am Ende hat jeder Lehrer seine eigeneInterpretation dafür und wird gemäß seiner Vorliebe die Namen und deren Bedeutungen beschreiben.Die Bedeutung der Kata für unsere Übung sowohl körperlich - zur Gesunderhaltung undSelbstverteidigung -, als auch mental zur Stressbewältigung bleibt davon unberührt. Dieser Wert stehtüber allem und wird durch Namen der Kata oder Eigenarten und Vorlieben der Lehrer nicht tangiert.

Hito Kata wa San Nen Für jede Kata braucht es drei Jahre Übung! Daran sollten wir uns orientieren,denn nur dann sehen wir die Hintergründe klarer und tiefer, dann erst sind wir in der Lage, mit demHerzen zu sehen, denn unser Verstand bringt uns oft vom Wege ab, er verwirrt und drängt uns,unseren Wünschen nachzugeben.

80 G. Schönberger bezieht die Bezeichnung der Kata mit Zahlen auf die Anzahl der Techniken, die inihr geübt werden. Eine weit verbreitete Auffassung.

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Die vier Phasen des Lernens

Die vier Phasen des Lernens sind für alle Übenden gleichermaßen gültig. Ich benutze hier dieDefinition von Patrick McCarthy. Sie ist als freie Wiedergabe der Beschreibung „ Martial ArtsInstructor Diploma Program" entnommen und wird so am „ Australia College of Natural Medicine"verwendet.

Nyumon : (Einführungsstufe) Der Ausdruck Nyumon verweist auf jemanden, der durch ein Tor geht.In den Kampfkünsten wird er benutzt, um die Phase und den Prozess zu beschreiben, in der ein neuerSchüler in die Theorie und Praxis der Kampfkünste eingeführt wird.

1. Die Phase 1 beginnt mit einer Zeit der intensiven Entwicklung der Fähigkeiten des Schülers, demdie Grundlagen der Kampfkünste durch ununterbrochene, automatisierende Übungsformengelehrt werden. Dem Schüler werden die Etikette und zugehörigen Rituale sowie deren Wert undBedeutung näher gebracht. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Erlernen von sechsGrundübungsformen, welche die Entwicklung der Grundwerkzeuge ermöglichen. Diese für dieSelbstverteidigung grundlegenden Fähigkeiten beinhalten: 1. Schlagtechniken, 2. Fußtechniken,Tritte und ähnliches, 3. Verteidigungspositionen, Fußarbeit und Körperbewegung, 4. Technikender offenen Hand, 5. Formen der Kraftübertragung, 6. ablenken, fassen und blockieren einesAngriffes. Im weiteren Verlauf von Nyumon erlernt der Schüler einige Formen und erhält einenEinblick in das Partnertraining.

2. Die philosophische und konzeptionelle Basis der Übung der Kampkünste: die historischeEntwicklung ihrer Gesetze und Prinzipien, kampfkunstspezifische Regeln der Etikette undzeremonielle Rituale. Legt die Grundlagen für das weitere Studium, welches auf dem Verständnisder Philosophie und der modernen Begriffe basiert.

3. Führt in Theorie und Praxis der Kampkünste ein. Legt die Grundlagen für die Zukunft desSchülers in Bezug auf Wissen und Technik.

Shokyu : (Vorbereitungsstufe) Durch das Ziel, die symbiotische Beziehung zwischen Grundschuleund Anwendung zu erkennen, ist diese Stufe charakterisiert. Es handelt sich um eine Übergangsphase,in der die Schwerpunkte auf der Entwicklung geistiger und körperlichen Fähigkeiten liegen.

1. Die zweite Phase baut auf die erste auf, vervollständigt diese und ermöglicht neue, tiefereEinsichten. Während das Training aus der ersten Phase fortgesetzt wird, liegt ein neuerSchwerpunkt darauf, zu ergründen, wie und warum Techniken in einer bestimmten Art ausgeführtwerden.

2. Führt den Schüler in die Konzepte bioelektrischer Energie ein, deren Zirkulation im Körper undihre Beeinflussbarkeit durch Vitalpunkte sowie die Lokalisation, soweit sie in den Kampkünstenvon Bedeutung ist.

3. Baut auf dem erworbenen Wissen und den entsprechenden Fähigkeiten auf und ermöglicht denEintritt in die Shokyu Phase, in der die symbiotische Beziehung zwischen Grundschule undAnwendung erkannt werden soll und ein Schwerpunkt auf der Entwicklung körperlicher undgeistiger Fähigkeiten gelegt wird.

Chukyu : (Zwischenstufe) Der Schüler ist nun in der Lage, die Prinzipien, auf denen die Technikenbasieren, zu verstehen und umzusetzen. Chukyu stellt insofern einen kritischen Punkt auf dem Wegdes Lernens dar, als dass eine angemessene Reaktion auf körperliche Gewalt und Angriffe methodischlediglich durch formale Übungen vermittelt wird.

1. In dieser Zwischenstufe werden Trainingsinhalte der vorhergehenden Phasen weiter geführt. DerSchüler wird in die Lage versetzt, Verletzungsrisiken zu erkennen. Während die körperlichenFähigkeiten sich weiterhin verbessern, wird nun der Schwerpunkt auf die Anwendungen desbisher Gelernten gelegt.

2. Erklärt die Grundlagen der in den Kampkünsten verwendeten Strategien, und wie diese zurEntwicklung von Fähigkeiten, die von Bedeutung für Leben und Führungsrollen sind, genutztwerden können.

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3. Der Schüler lernt Trainingsmethoden kennen, welche die korrekte Ausführung der Grundlagen,auf denen jede Technik basiert, und das Verständnis dieser fördert.

Jokyu : (Fortgeschrittenenstufe) Der Schüler soll nun lernen, seine Fähigkeiten zu verfeinern und dieunterschiedlichen Elemente seiner bisherigen Ausbildung miteinander in Beziehung zu setzen, waseine der Grundvoraussetzungen für ein effektives Reagieren auf einen Angriff darstellt. Es sollen dieFähigkeiten zur Aneignung neuer Erkenntnisse, zur Integration dieser in bereits vorhandenes Wissenund damit zur Erweiterung des Wissens und der Fähigkeiten vermittelt werden, denn diese sind dieGrundvoraussetzung für das weitere, tiefere Lernen. Jokyu stellt den letzten Teil der Grundausbildungdar, keinesfalls jedoch beschließt diese Phase das Lernen. Die weitere Verfeinerung von Wissen undFähigkeiten wird fortwährend neue Türen öffnen, wodurch der Lernprozess zu einem ewigandauernden Vorgang wird.

1. Erweitert das Wissen des Schülers über die Übung und die Grundlagen der Kampfkünste, indemVerbindungen zwischen den Kampfkünsten anhand von Übungen, Techniken und festen Formenanalysiert und bewertet werden.

Der Schüler verfeinert seine Fähigkeit, alle Elemente in ihrem gegenseitigen Zusammenhang zusehen, was für eine effektive Antwort auf einen Angriff unbedingt notwendig ist. Die Grundlage fürdas weitere Lernen in einem immerwährenden Lernprozess wird geöffnet.

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Saifa Kata Darstellung und Geisetsukumite

Anfang und Ende der Kata wurden jeweils separat dargestellt, um die herausragende Bedeutung imRahmen des mentalen Übens deutlich heraus zu arbeiten! Konzentriere dich auf diese drei Haltungenin besonderer Weise.

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Kata Erklärungen

Abb. 21 Bild 1-5 Erklärung der Bewegungen 1-12

Führe diese Bewegungen immer so aus, als ob nicht nur diese Anwendungen möglich sind. Denkedaran, diese Erklärung ist nur eine von vielen möglichen Anwendungen. Für die Befreiung aus einemHaltegriff gilt: Gehe möglichst nah an den Angreifer heran, damit machst du seine nächste Aktionunwirksam oder störst sie zumindest erheblich, wodurch du Zeit für weitere Abwehraktionen erhältst.

Abb. 22 Erklärung der Bewegungen 13-15

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Abb. 23 Erklärung der Bewegung 16 - 21 Teil 1

Der angenommene Angriff bei dieser Abwehr ist der Versuch einer Umklammerung. Dieser Angriffwird schon im Vorfeld durch eine Stopptechnik zum Schlüsselbein des Angreifers ausgeführt. ImAnschluss sofort mit einer zweiten Technik nachsetzen. Auch hier können auch andere Angriffeangenommen werden.

Abb. 24 Erklärung der Bewegungen 16 - 21 Teil 2

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Abb. 25 Seite 79 und 80 Bild 1-8 Erklärung der Bewegungen 22 – 30

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Abb. 26 Bild 1-3 Erklärung der Bewegung 32-34 DieseTechnik ist eine direkte Weiterführung des Prinzips To

Die Kata Saifa ist für die Übung der Fähigkeit zur Selbstverteidigung von zentraler Bedeutung.Das erste Mal wird hier das Prinzip To in einer realen und kampfträchtigen Situation unterEinbeziehung der Kata geübt. Die Kata Saifa greift schon einige sehr wichtige Punkte aus demTuite auf und lehrt deren Einbindung in das Training.

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Seienchin Kata Darstellung und Geisetsukumite

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Kata Erklärungen

Abb. 27 Bild 1 Erklärung der Bewegungen 6,12 und 18

Abb. 28 Bild 1-3 Erklärung der Bewegungen 7 - 11 ff.

Beachte auch hier, alle Erklärungen sind nur Möglichkeiten. Die Angriffe reflektieren eine Situation,welche uns überall überraschen kann. Weitere Erklärungen sind durchaus üblich. Die hiervorgestellten Techniken bilden einen ersten Grundstock, von dem aus sich weitere Erklärungenableiten. Die hier vorgestellten Techniken beinhalten noch nicht die ganze Tiefe aller Möglichkeiten.

Abb. 29 Erklärung der Bewegungen 24 und 25

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Abb. 30 Erklärung der Bewegungen 26 - 32

Für die Bewegungen 24 und 25 gilt: Das Schlagen der Faust in die Hand ist eine Form des mentalenÜbens. Dabei macht man sich immer wieder bewusst, dass die Faust oder der Ellenbogen, um nurzwei Arten zu nennen, den Körper des Angreifers trifft. Dies ist vor allem wichtig, wenn man alleinenur Kata über einen längeren Zeitraum üben kann.

Abb. 31 Erklärung der Bewegungen 30 - 33 sowie der Bewegungen 36 - 40

Abb. 32 Erklärung der Bewegungen 33 und 34

Beachte beim Üben der Techniken das folgende: Ich habe bei der Darstellung bewusst auf einigeTechniken verzichtet, welche mir zu gefährlich erschienen. Sie sollten nur im Dojo gezeigt und geübtwerden. Dies gilt ebenso für einige Details, deren Erläuterungen ich hier aus gleichem Grundausnehme.

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Abb. 33 Bild 1 Erklärung der Bewegungen 41 und 42 und Bild 2 Erklärung der Bewegung 53

Die Kata Seienchin ist zunächst eine Kata, die mit einiger Kraft geübt wird. Aber sie ist ebenso, wiealle anderen Kata, auch entgegengesetzt ausführbar. Ich will dies an einem Beispiel erläutern. DieBewegungen 26-32 bedeuten: Erst einmal gehe ich, nach dem Ausweichen, mit Kraft in dieBewegung des Angreifers herein und zerstöre seine Haltung, um einen weiteren Angriff zuverhindern. Bin ich nun nicht so stark, dies zu tun, benutze ich meinen Verstand. Ich lasse ihnangreifen und drücke mich gewissermaßen an der Kraft des Opponenten aus seiner Linie heraus - amEnde habe ich das gleiche Ergebnis. Die Kata müssen nach unseren Möglichkeiten ausgeführt werden.Aber bedenke dabei folgendes: Zu leicht geben wir uns geschlagen und meinen, das übersteige beiweitem die Fähigkeiten, die wir haben, also gehe ich den „zunächst" leichteren Weg, ohne zu wissen,wie tief mein Können eigentlich reicht. Frauen denken oft, sie sind körperlich schwach, ohne ihrewirkliche Stärke zu kennen, oder andersherum, Männer, die oft denken, sie seien stark, ohne zuwissen, dass sich stark und schwach nicht an unserer körperlichen Verfassung festmachen lässt. Aberjeder der kämpft, egal auf welchem Weg, verliert einen Teil seiner selbst!

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Shisochin Kata Darstellung und Geisetsukumite

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Kata Erklärungen

Abb. 34 Bild 1 - 5 Erklärung der Bewegungen 4 -13, siehe auch Prinzip To

Beim Üben dieser Kombination von verschiedenen Techniken ist folgendes wichtig und sollteunbedingt beachtet werden: Die hier gegebene Erklärung ist das Prinzip To - in anderen Kata, etwamit geschlossener Faust ausgeführt, ist das Prinzip Hi gemeint. Diese Prinzipien des Kämpfens sindvon essentieller Bedeutung und sollten größte Beachtung erfahren.

Abb. 35 Bild 1 - 3 Erklärung der Bewegungen 14 und 15

Hier ist ein Angriff zum Hals dargestellt. Bedenke, es muss aber nicht so sein. In Betracht kommtgenauso ein anderer Angriff, etwa mit einem Stock oder der Faust. Das „einzige" was hier geübt wird,ist das Herunterreißen eines Angriffs. Dies kann eben auch bei einem stockbewehrten Arm passieren,dann natürlich mit einer Drehung des Körpers.

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Abb. 36 Erklärung der Bewegungen 16 - 22

Abb. 37 Erklärung der Bewegungen 24 - 27

Noch einmal, die hier gezeigten Techniken sind nur die Spitze des Eisbergs, der weitaus größere Teilverbirgt sich im Untergrund. Diese Tatsache kann nicht oft genug angesprochen werden, damit diesauch wirklich Eingang bei uns findet.

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Abb. 38 Bild 1 - 3 Erklärung der Bewegung 38 und 39 mitverschiedenen daraus resultierenden Techniken

Bei Bild 1 kann der vordere Arm auch als „Sichtblende" für einen nachfolgenden Fußangriff gesehenwerden. Durch diese Möglichkeit erweitet sich unser Spektrum erheblich. Aber es istwahrscheinlicher, dass diese erste Bewegung mit dem Prinzip To zu tun hat und die Ausgangsbasisdieser Technik darstellt, auf der alle weiteren Aktionen beruhen. Bedenke auch hier, es gibt keineendgültige und einzig wahre Bedeutung. Es gibt nur technisch Machbares oder Blödsinn.

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Naihanchi Kata Darstellung und Geisetsukumite

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Diese Kata wird in der Stellung Naihanchi Dachi ausgeführt und ist m.E. auch nur in dieser Stellungfür den Kampf geeignet. Es mag Experten geben, welche aus einer tiefen Kiba Dachi dieselbenAktionen ausführen können. Die meisten von uns werden dies allerdings kaum zustande bringen,schonen aber die Knie ganz erheblich durch Naihanchi Dachi. Bedenke, es sind nicht nur die Knie,welche wir unser Leben lang benötigen, sondern alle anderen Körperteile müssen ebenso geschontwerden. Durch falsche Ausführung einer Technik im Karate belasten wir unsere Gelenke unnötigstark.

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Kata Erklärungen

Abb. 39 Erklärung der ersten Bewegung

Merke auch hier wieder die drei Prinzipien des Kampfes. Sie bilden den Ausgangspunkt für dienachfolgenden Aktionen. Sie sind m.E. die wichtigsten Inhalte, welche das Kämpfen verständlichmachen können.

Abb. 40/Seite 116 und 117 Bild 1-6 Erklärung der Bewegung 13 – 18

Bei diesen Techniken ist der Arm unter dem blockenden Arm eine versteckte Technik. Seitwärtskämpfen bedeutet Ausweichen zur Seite. Siehe auch die drei Prinzipien Hi, To und Yu oder Sen, Sen noSen und Ata no Sen.

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Abb. 41 Bild 1 und 2 beziehen sich auf die Erklärung der Bewegungen12 und 13, wobei Bild 3 eine der möglichen Abschlüsse bildet.

In der Originalversion dieser Kata wird diese Bewegung nicht so hoch gemacht, sondern nur zur Seite,so dass die Faust etwa in Höhe des Kopfes ist. Ich habe dies zur besseren Verständlichkeit dargestellt,wie es in der Tekki auch gemacht wird.Dem Bunkai tut es allerdings keinen Abbruch, im Gegenteil, die Abwehrbewegung nach obenauszuführen ist für die folgenden Aktionen sogar von Vorteil, denn ich bin besser in der Lageauszuweichen und alle nachfolgenden Techniken besser zu planen.

Abb. 42 Erklärung der Bewegung 19 und 20, sowie 33.

In der Kata wird die Endstellung dieser Aktion dargestellt. Es gibt verschiedene Wege, um in dieseEndstellung zu gelangen. In Betracht kommen etwa auch Abwehrtechniken gegen Angriffe mit demMesser. Aber bevor du gegen ein Messer zu kämpfen übst, analysiere erst, wie man mit einem Messerangreifen kann. Sonst endet dies in einem Fiasko. Bei dieser Bewegung ist die Aktion beider Armebesonders wichtig, aus diesem Grund lege auch besonderes Augenmerk darauf. Die klassischen Katareflektieren jede Situation, in die ein Mensch kommen kann. Es ist daher nicht nötig, besonderseffektive neue Karaterichtungen zu begründen.

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Ogi - tiefste Technik

Über die tiefste Technik ist schon viel geschrieben worden. In den meisten Fällen gehen dieseErklärungen über mystische Definierungsversuche nicht hinaus. Schlimmer noch, es werden Theorien indie Welt gesetzt, die mit dem eigentlichen Verständnis nicht viel gemein haben und m.E. ein völligfalsches und verzerrtes, willkürliches Bild vermitteln. Hier ist oft der Wunsch Vater des Gedankens.Ogi umfasst sowohl eine technische, als auch eine spirituelle Komponente. Es nur auf die technischeBedeutung zu reduzieren, hieße, auf eine der wichtigsten und für die Entwicklung einer „guten Technik"bedeutsamsten Seiten zu verzichten. Ein Verzicht, der ungeahnte Konsequenzen in sich birgt. Natürlichhielt man bestimmte Techniken, bestimmte Ausführungen geheim. Dies betraf vor allen Dingen dieStrategien des Kämpfens. Also wie, mit welcher Methode und vor allem wann der Angreifer am bestenbesiegt werden kann.Die Kampfkünste zu erlernen bedeutet, eine Strategie an die Hand zu bekommen, wie ich mein Lebenleben kann. Oder besser noch, wie ich verantwortungsbewusst mit der gelernten Technik umgehen kann.Nicht nur um den Angreifer zu schützen, sondern vor allen Dingen um mich selbst vor Gedanken undHandlungen zu bewahren, die mich wegführen von meiner eigenen Menschlichkeit, meinem Sein alsMensch unter anderen Menschen. Eine „wie du mir so ich dir" Haltung ist gar nicht so weit entfernt vomBeginn eines Seins, welches mit Hass und Unnachgiebigkeit unsere eigene Seele zerstört. Mehr noch,sie ist geeignet, die uns umgebene Gesellschaft mit dem gleichen „Virus" zu infizieren. Dann aber ist einLeben mit Freundlichkeit, Toleranz und Nächstenliebe nur noch sehr schwer möglich. Wer aber wolltein einer solchen Gesellschaft leben, einer Gesellschaft, die geprägt ist von Neid, Gier und Missgunst. Sosind wir selbst diejenigen, welche dafür arbeiten müssen. Selbstverständlich ist es möglich, zu sagen,sollen doch die anderen dies auch tun. Solange ich mich in einer solchen Gesellschaft bewegen muss,sollte ich mich anpassen. Einer muss beginnen und warum nicht wir ?Um diese Frage zu beantworten, gibt es einige Strategien, von denen ich zwei kurz erläutern will. Einesmuss aber klar sein: Lehren kann auchhier nicht das Buch. Es kann anregen, inspirieren und auf den Weg bringen.„Karate ni sente nashi" Im Karate greift man nicht an. Ein Satz, den fast jeder Karate Ka kennt undschätzt, aber oft nur ungenügend versteht. Warum greift man nicht an? Diese Frage und derenBeantwortung ist die Essenz, gewissermaßen das Wesen der Kampfkünste. Die Techniken des Karatekönnen für den Angreifer oft tödlich enden oder er kommt bestenfalls mit einer schweren Verletzungdavon. Will ich das?! Oder besser gefragt, bedeutet mir meine Seele nicht ebenso viel, wie es eineandere tun sollte? Will ich riskieren, meiner eigenen Seele die Kraft der Vergebung zu entziehen, umeines kurzlebigen Gefühles des Triumphes willen? Dieser Triumph ist in der Tat nur von kurzer Dauerund kann sich nicht als tiefe Einsicht in uns verbreitern und Fuß fassen. Er wird sich in einiger Zeitverflüchtigen und wir benötigen den nächsten Triumph für unser Heil. Damit nicht genug. WirMenschen sind nur dann Menschen, wenn wir andere als solche sehen und akzeptieren und unserMenschsein nicht über ein anderes Menschsein erheben. Alle Geschöpfe sind gleichermaßen Menschenund verdienen uns, wie wir sie verdienen!Daraus folgt, gewissermaßen als Bedingung, die Notwendigkeit eines Lehrers, der die Bezeichnungauch verdient, denn der Schüler als Dieb, oder lernen durch Stehlen bezieht, sich nicht auf das Stehlenmaterieller Güter, sondern meint das Stehlen der Lehre. Gelegentlich eines Aufenthaltes in Japan beimeinem Lehrer kritisierte er die Ausführung einer Technik von mir auf folgende Weise: Er kam,während ich noch übte, und ohne mich eines Blickes zu würdigen zeigte er die richtige Ausführung derTechnik, ging weiter und interessierte sich offensichtlich nicht mehr für mich. Ob ich verstand odernicht war ihm scheinbar egal. Im ersten Moment war ich ärgerlich und meinte, dies sei japanischerHochmut gegenüber einem Ausländer. Doch weit gefehlt. Tanaka Sensei zeigte mir auf diese Weisemehr als nur die Ausführung einer Technik. Er zeigte mir, dass Lernen immer stattfinden muss, denn:Jemand der nicht vom Sehen lernt, kann auch nicht vom Hören lernen! Ich muss meinen Lehrerbeobachten und sehen, wie er Konflikte regelt, wie er sich in der Gesellschaft bewegt, wie er mitvermeintlich klaren Tatsachen umgeht.Ich muss sehen, wie er sich verhält, um an ihm mich selbst zu messen. Oft beurteilen wir zu früh und zufalsch, um dann in einer Weise zu reagieren, die nicht viel besser ist als die des anderen. Durch diesestarre

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Haltung unseres Denkens, wo es nicht angebracht ist, lassen wir keinen Ausweg zu. Aber ein Auswegist mitnichten ein Fluchtweg, er ist vielmehr die Möglichkeit, eine friedvolle Umgebung zu fördern, dieuns selbst auch wieder zugute kommt. Eigentlich ist das Lernen und Verstehen dieser Prinzipien nichtsals Eigennutz, im besten Sinne des Wortes. Wir fühlen uns wohl in einer Gesellschaft, die uns annimmtwie wir sind, wir sind gewissermaßen in der Gemeinschaft von freundlichen Menschen geborgen.Andere Menschen fühlen ebenso. Warum können wir dann nicht eine Gesellschaft, die uns alle birgt,schaffen? Mit einer Seele voller Verständnis für die Schwächen des anderen, die mich ja auch plagen,lebt es sich viel leichter, als wenn ich mich über alles ärgern „muss".Das Beschriebene ist meine Sicht der Dinge, es stellt weder in Frage, noch konkurriert es mit anderenAuffassungen, es ergänzt bestenfalls und will anregen. Es gibt nur ein Karate, in dem Schulen undTechniken, vor allem aber Richtig und Falsch, ohne Bedeutung sind. All dies baut nur Grenzen auf undschafft die Möglichkeit, Gegensätze zu provozieren. „Na ja, die machen die Kata anders", ist noch diemildeste Bezeichnung, die oft genug zu hören ist. Tun sie das wirklich? Wir alle streben dem selben Zielzu, dass ist es, was uns eint. Wenn viele Menschen in Urlaub fahren, reisen sie mit den verschiedenstenVerkehrsmitteln - Autos, Flugzeugen oder mit der Bahn. Sehen wir die anderen auf dem „falschen"Vehikel, um anzukommen? Entsprechend ist es bei den Kampfkünsten. Einer bevorzugt modernesKarate, ein weiterer mag das alte, der nächste wieder schwört auf Aikido. Gemessen werden alle gleich,nicht nach ihrer Schule, sondern nach ihrer Persönlichkeit. Die zu bilden ist der Zweck des Dojo, desOrtes zum Studium des Weges.Antoine de Saint-Exupery schrieb in seinem kleinen Prinzen, „...richtig sehen kann man nur mit demHerzen." Unser Herz kann nicht beeinflusst werden durch den Verstand durch Gedanken, Wünsche undHoffnungen. Wir sind und wir leben unser Leben mit und aus unserem Herzen. In Japan sagt man dazuKokoro, die Herzkraft. Bemühen wir uns deshalb, nicht nur unsere Wünsche zu sehen, sondern lassenwir mehr unser Herz zu Wort kommen.

Achte die Schlange nicht deshalb gering, weil sie keine Hörner hat,niemand weiß, ob aus ihr nicht einst ein Drache wird.

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Abb. 43 Bun Bu Ryo Do - Der zweifache Weg, von Tanaka Hiromasa Sensei

Der zweifache Weg bedeutet, dass sich jeder, der sich mit dem Kampf auf körperlicher Ebeneauseinandersetzt, sich auch auf eine andere Ebene, die Kunst zum Beispiel, begeben muss, damit derKampf im Kopf nicht die Überhand gewinnt, weil er ein Gegengewicht durch die Auseinandersetzungmit dem Schönen bekommt. Dies ist eine der wichtigsten Strategien zur Entwicklung eines gutenKarate.

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Kwappo Jutsu - Die Kunst der Wiederbelebung81

Die Techniken der Reanimation oder Wiederbelebung sind Teil der geheimen Überlieferung allergroßen Karateschulen. Diese wurden, wie andere Teile auch, als tiefste Technik bezeichnet. Es gibtAufzeichnungen82 über die Wirkungsweisen. Ich will hier vier wichtige Fertigkeiten erläutern und aufihre Wirkungsweisen eingehen. Jeder Karatelehrer sollte diese Techniken ausführlich studieren undkennen.Ein wichtiger Grund für das Erlernen dieser Techniken ist zudem eine Tatsache philosophischer Natur.Stellen wir uns einmal folgende Situation vor: Wir werden angegriffen und verteidigen uns, wie wir esgelernt haben, mit einer Technik, die den Angreifer in das Reich der Träume schickt. So weit so gut.Wir haben uns gewehrt und sind mit heiler Haut davon gekommen. Nun könnte man sagen, das genügtund der Angreifer hat bekommen, was er verdient. Nur so einfach ist dies mitnichten, denn wir habendurch langes, ausdauerndes Training unter anderem am Makiwara eine Schlagkraft entwickelt, die derVernichtungswirkung einer Waffe gleichkommt. Alleine durch diese Tatsache haben wir dieVerpflichtung angenommen, uns damit auseinander zusetzen, denn in uns selbst wird ein Mechanismusin Gang gesetzt, welcher uns an seinem Ende in die eine oder in die andere Richtung drängt. Ein nichtnur verantwortungsvoller Umgang mit den uns gegebenen Fähigkeiten, welche die Fähigkeiten dermeisten Menschen bei weitem übersteigt, muss angemahnt werden. Nicht unbedingt, um einenAngreifer zu schützen, sondern um uns selbst vor dem Hochmut zu bewahren, der uns in einen Kreislaufstürzt, dem wir nichts entgegen zusetzen haben als unsere Seele voller Vergebung, ein Geist also, dergeprägt ist durch das Wissen um die Schwächen der Menschen und der weiß, dass auch wir nur mitknapper Not diesem Kreislauf entkommen sind.So oft ich darüber nachdenke wird mir immer bewusster, welche Größe und Tiefe das Karateeigentlich hat. Wie unbedeutet ich mich gegen das Prinzip ausnehme. Ich kann nichts tun, als michihm zu beugen und alles zu versuchen, ihm gerecht zu werden. Wohl wissend, dass ich mich ihm nurnähern kann!Traumatische Verletzungen sind einerseits in einem Dojo möglich und andererseits auch bei einerAuseinandersetzung außerhalb die gängigsten Formen der Bewusstlosigkeit;

1. Thorax Trauma durch Stoß oder Tritt gegen den Solar Plexus2. Schädel Trauma durch Fall, Schlag oder Stoß auf den Kopf3. sowie der Stoß in den Unterleib

Die beschriebenen Verfahren versuchen durch die Erschütterungen von Zonen und Punkten einenReflex im Nervenzentrum zu provozieren, die in einem Zusammenhang mit ihm stehen. Dafür bedientman sich der natürlichen „Waffen" des Karateka, besonders der Hand- und Fußballen, Knie und derFaust. Mehrere Wiederholungen sind nötig, um ein Resultat zu erzielen. Man beginnt mit schwachenStößen ohne große Intensität. Der Stoß wird auf dem Punkt gleitend ausgeführt. Wenn nach einigenVersuchen keine Wirkung erzielt wird, ist es besser einen Arzt zu verständigen. Erlangt er/sie dasBewusstsein zurück, sollte man ihn/sie auf dem Boden belassen, ansprechen, tief ein- und ausatmenlassen, um damit das Schwindelgefühl zu bekämpfen.Die erste Methode ist eine energetische Behandlung. In Fällen von Ohnmacht bringt sie recht guteResultate. Die Reflexzone finden wir zwischen den Schulterblättern, es ist der 7. Wirbel. Sehr guttasten kann man diesen Punkt, wenn der Kopf nach vorne geneigt ist. Die Position des Ohnmächtigenist am besten auf dem Boden sitzend, die Beine ausgestreckt und der Kopf nach vorne geneigt. Mangreift mit der linken Hand vor die Brust des Ohnmächtigen, um ihn zu stützen. Drei Arten derBehandlung werden gewöhnlich mit der rechten Hand ausgeführt. Erstens, ein kurzer Schlag mit demHandballen. Siehe Abb. 44. Führe den Schlag mit der Schulter aus und lasse den Arm gebeugt. Setztdie Wirkung ein, schlägt man mit einem „Peitschenhieb", um danach ein wenig zu klopfen.

81 Einige Teile sind als freie Wiedergabe aus, Habersetzter Roland, Karate-Do - techniques supcrieureset strategie du combat pour ceintures noires, Amphora 1989, Seite 315 ff, entnommen.82 Im Bubishi, die Bibel des Karate, Übersetzung von Patrick McCarthy, Tuttle 1995 sowieErgänzungen, Berichtigungen und Anmerkungen zum Bubishi (interne Arbeitsblätter) gibt es hierzueinige Erläuterungen.

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Abb. 44 Energetische Behandlung in Fällen von Ohnmacht

Das gleiche Verfahren kann mit einer Nakatata Ippon Ken angewendet werden Abb. 44. Dies kannauch, bei einem Scheitern beider Methoden, mit dem Knie gemacht werden. Ergreife die Person,platziere dein Knie wiederum zwischen den Wirbeln und stimuliere durch reibende und pochendeBewegungen.

Abb. 45 Gegenmaßnahme bei einem Trauma im Beckenbereich

Erreicht wird durch diese Methoden eine Ausdehnung der Aorta, die Kontraktion des Herzens undeine Zunahme des Blutdruckes.Die zweite Methode bezieht sich auch darauf, verschwundene Reflexewieder zu beleben. Vor allem bei Traumen im Beckenbereich oder durch einen Schlag in denUnterleib sind diese Methoden hilfreich.Platziere ihn/sie wiederum aufrecht sitzend vor dich, halte ihn/sie bei den Schultern und stoße mitdem Fuß. Abb. 45. Das Bein ist gebeugt und wird nicht mehr als 20 cm zurückgezogen. Der Schlagkommt aus der Hüfte, es trifft der Fußballen. Der Schlag sollte fest ausgeführt werden.Bei einem Schlag oder Tritt in die Hoden können die Hoden in den Bauchraum rutschen. In diesemFall setze den Verletzten auf den Boden, fasse ihn unter die Arme, hebe ihn etwa 15 cm hoch undlasse ihn wieder fallen, siehe Abbildung. Ein paar Wiederholungen sollten genügen. Eine Kontrolledurch den Hausarzt ist in jedem Fall geraten und sollte nicht unterlassen werden.

Abb. 46 Gegenmaßnahmen bei einem Tritt in die Hoden

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Eine dritte wirksame Methode der Hilfe bei einem Trauma des Unterleibes ist das Schlagen derFußsohle mit, siehe Abb. 47, Ippon Ken oder Shuto. Shuto kann man anwenden, wenn der Punkt nichtgenau lokalisiert werden kann. Die Techniken des Kuatsu müssen mit aller geistigen Konzentration,deren wir fähig sind, ausgeführt werden. Ein fester Wille ist eines der entscheidenden Kriterien für einwirksames Kuatsu.

Abb. 47 Gegenmaßnahme bei einem Trauma des Unterleibes.

Dieses kurze Kapitel ist nur zur Anregung gedacht. Du solltest bei Interesse Kurse bei einem Institutbesuchen, um dies richtig zu erlernen. Ich weiß, die Beschreibung im Rahmen eines Buches kann eineLehre von Herz zu Herz nicht im geringsten ersetzen.

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Anhang

Hier werden im Anhang einige Tafeln dargestellt, die Entwicklungen und Querverbindungen deutlichmachen sollen. Sie stellen m.E. ein Reservoir dar, um dem Forscher einen Überblick zu ermöglichen.Für manche Namen gibt es möglicherweise abweichende Schreibweisen, auch bei manchen Datengibt es unterschiedliche und missverständliche Datierungen in den zur Verfügung stehenden Quellen.Ich beziehe mich im wesentlichen auf japanische Quellen und Forscher. Andere Datierungen habe ich,soweit bekannt, deutlich gemacht.Die Dojoregeln83 sind im Anhang eingefügt um zu zeigen, wie sie in Japan interpretiert werden. DieseInterpretation stellt keineswegs eine verbindliche Richtlinie dar. Sie ist für mich ein entscheidendesKriterium des Übens. In diesem Bereich gibt es kein muss, sondern ein kann, obgleich ich meine, dassdurch das Befolgen dieser Regeln das Üben klarer wird.Das Dojo ist ein heiliger Ort, in dem wir unsere physische und mentale Konstitution trainieren. DieSchüler sollten das Dojo respektieren und die folgenden Regeln einhalten:

1. Der Schüler sollte den Trainingsplan einhalten und nicht zu spät zum Training kommen.2. Bevor du das Dojo betrittst, lege Kleidung wie Hut, Mantel und Schal ab. Nach dem Ausziehen

der Schuhe am Eingang stelle diese ordentlich hin. Sollten andere Schuhe unordentlich stehen,dann ordne diese auch.

3. Wenn ein älterer Schüler hinter dir am Eingang steht, lass ihn zuerst eintreten.4. Beim Eintritt in das Dojo sage „onegai shimasu" (Bitte hilf mir), klar und freundlich.5. Nach dem Eintritt in das Dojo zeige Respekt durch Verbeugen zum Dojo-Schrein.6. Sei immer höflich zu deinen Lehrern, älteren Schülern und Älteren.7. Gehe vor dem Training zur Toilette.8. Versuche deine Trainingskleidung immer sauber und ordentlich zu halten. Übe nur in einem

sauberen Gi.9. Sei deiner physischen Konstitution bewusst.10. Halte deine Finger- und Fußnägel kurz, um Verletzungen anderer Schüler zu vermeiden, wenn ihr

zusammen übt.11. Iß eine Stunde vor dem Training nichts mehr.12. Vergiss nicht, dich aufzuwärmen, bevor du mit dem Training beginnst, auch wenn du alleine übst.13. Wenn du dem Training im Dojo folgst, sitze in aufrechter Haltung (in Seiza) und strecke deine

Beine nicht aus. Lege die Hände auf die Beine.14. Wenn ein Lehrer zum Beginn des Trainings ruft, stell dich in die Reihe mit dem Gesicht zum

Dojo-Schrein.15. Wenn der Lehrer „Mukuso!" sagt, schließe die Augen, konzentriere dich auf die Mitte (Tanden).16. Während der Übung höre aufmerksam auf den Rat des Lehrers.17. Wenn du Trainingsgeräte benutzt, behandle sie vorsichtig und lege sie nach dem Training

ordentlich an ihren Platz zurück.18. Wenn dir dein Lehrer Ratschläge gibt, höre aufmerksam zu und vergiss nicht zu zeigen, daß du

den Rat gehört und verstanden hast.19. Jeder Schüler sollte seine körperliche Kondition kennen. Zwinge dich nicht, Unmögliches zu tun.20. Der Lehrer sollte immer die körperlichen Voraussetzungen jedes Schülers beachten. Mache eine

kurze Pause nach der Hälfte des Trainings.21. Mache fünf Minuten vor dem Ende des Trainings die Schlussübungen mit allen Schülern

zusammen.22. Wenn die Schlussübungen beendet sind, setze dich in „Seiza".23. Mache dich selbst ruhig und still, konzentriere deinen Geist und sage die Gebote des Dojo.24. Mache eine Verbeugung zum Lehrer, älteren Schülern und allen anderen mit Respekt und

Anerkennung.25. Die Anfänger und Schüler mit bunten Gürteln sollten die älteren Schüler fragen, wenn sie etwas

wissen möchten. Es ist immer wichtig, etwas über Karate zu erfahren.26. Vergiss nicht, allen zu danken, die dir Hinweise zum Karate geben.

83 Freie Wiedergabe aus Higaonna Morio, Traditionel Karatedo/Okinawa Goju Ryu, MinatoResaerch/Japan Publications, 1989 Seite 15.

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27. Extrem heiße Bäder sind nicht gut für dich, und du solltest auch nicht zu lange baden.28. Zigaretten schädigen deine Gesundheit auf vielerlei Weise. Rauchen hat keinen ausgleichenden

Moment.29. Hast du dich verletzt, trainiere erst nach der kompletten Verheilung wieder mit vollem Einsatz.

Sieh während dieser Zeit dem Training zu.30. Vergiss nicht beim Verlassen des Dojo „Arigato gozaimashita" (Vielen Dank) oder „Shitsurei

shimasu" (Entschuldigung) zu sagen.

Abb. 48 Die ewige Faust von Tanaka Hiromasa Sensei

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Biographische Daten

Diese Daten basieren auf der Forschung von Patrick McCarthy und Mark Bishop.

Takahara Peichin 1688-1755Chatan Yara 1741-1812Soeishi Denuchi 1752-1825Kushanku 1756-1762 in OkinawaMakabe Choken 1769 oder 73-1823 oder 1827Higa Pechin 1791-1870Chinen Chikudoun Pechin 1797-1881Teruya Kishin 1804-1864Sakugawa Kanga 1733-1815,1782-1838 oder 1843Munehisa Yoshitaka 1806-1850Bushi Matsumura 1809-1901Sai Shoi 1816-1907

Kuwae Chotsu 1814-1880Itarashi Chodo 1818-1863Nakaima Norisato 1819-1879Chibana Choshin 1819-1870Hamahiga Peichin 1820-1904Yamachi Okina 1823-1891Maeda Yoshionaga 1826-1890

Azato Anko 1827-1906Choken Kraka 1829-1891Itosu Ankoh 1830 oder1832-1915Ishimine Peichin 1835-1889Kojo Isei 1836-1891

Kiyuna Peichin ?

Kojo Iko 1838-1907

Kojo Taitei 1838-1907Tokumine Peichin ?Shin Eri Rampo 1838-1904Miyazato Peichin 1839-1905Aragaki Seisho 1840-1920Kanagusuku Ufuchiku 1841-1926Tozan(Oyadomari)Okina 1841-1906Chinen (Yamane) Chinen 1842-1928 oder 1843-1925Kojo Isho 1846-1910Sueyoshi Jino 1846-1920Yamashiro Okina 1849-1910Shingaki Okina 1848-1911Matsumura Nabe 1850-1930Tawadano Meigantu 1851-1920Higashionna Kanryo 1853-1917Komesu Ushi Okina 1854-1929Kuwae Ryosei 1858-1920?Yamane no Chinen Sanda 1862-1928Kishimoto Soko 1862-1945Kanegawa Gimu 1862-1921Kinjo Kamae 1863-1945Yoshimura Tomoyoshi 1866-1945Yabu Kentsu 1866-1937Nakaima Kenchu 1867-1945

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Kaneshima Shinbi 1868-1921Funakoshi Gichin 1868-1957Hanashiro Chomo 1869-1945Aragaki Okina 1870-1924Kyan Chotoku 1870-1945Motobu Choki 1871-1944Iha Kotatsu 1873-1928Yabiku Moden 1878 oder 1882-1941Kina Shoshi 1882-1980Chibana Choshin 1885-1969Tokuda Ambun 1886-1945Kiyoda Juhatsu 1886-1967Oshiro Chojo 1887-1935Matayoshi Shinko 1888-1945Toyama Kanken 1888-1966Miyagi Chojun 1888-1953Hohan Sokon 1889-1982Mabuni Kenwa 1889-1952Gusukuma Shimpan 1890-1954Kamiya Jinsei 1894-1964Nakasone Genwa 1894-1978Gima Shinken 1896-1989Taira Shinken 1897-1970Chinen Masami 1898-1975Chitose Tsuyoshi 1898-1984Higa Seiko 1898-1966Arakaki Ankichi 1899-1929Fujita Seiko 1899-1966Nakama Choso 1899-1982Shinzato Jinan 1901-1945Shimabukuro Zenryo 1904-1969Funakoshi Giko 1904-1945Kudaka Kori 1905-1990Shimabukuro Taro 1906-????Tamae Hiroyasu 1906-1985Nagamine Shoshin 1907-1997Tomoyose Ryusei 1907-1977Shimabukuro Tatsuo 1908-1975Yamaguchi Gogen 1909-1989Maeshiro Chotoku 1909-1979Shimabukuro 1909-1975Higa Yuchoku 1910-1994Yoshizato Shintaro 1910-????Yagi Meitoku 1912-Sakagami Ryusho 1915-1993Inoue Motokatsu 1918-1992Kinjo Hiroshi 1918-Mabuni Kenei 1918-Miyahara Masahide 1918-1945Nakazato Shugoro 1920-Higa Seitoku 1921-Nakazato Joen 1922-Matayoshi Shinhou 1922-Arakaki Seiki 1924-Hayashi Teruo 1924-

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Iwata Manzo 1924-Shimabukuro Eizo 1925-Higa Seikichi 1927-Mabuni Kenzo 1927-Murakami Katsumi 1927-Onishi Eizo 1932-Fuse Kise 1935-Kuniba Shiyogo 1935-1992Kinjo Akio 1936-

Nakamoto Masahiro 1938-

Die Kata Okinawas

Tomari Te Kata

Naihanchi; sie ist vermutlich die Originalversion.Kushanku; Chatanyara no........... wahrscheinlich auch von ihm überliefert.Passai; Tomari no......, Shimpaku no......, Matsumura no..... ist wahrscheinlich die OriginalversionAnanku; von Kyan überliefert, wird gesagtRohai; möglicherweise von Matsumura SokonChinto; sie ist wahrscheinlich von Matsumora Kosaku weitergegeben.JitteUseshiWankanWanshu; von Maeda weitergegeben.Seshan; von Matsumura Sokon überliefert, wird gesagt.

Shuri Te Kata

Naihanchi; Kihonkata, Originalversion war eine, Itosu hat die Kata geteilt, wahrscheinlich ist dieerste das OriginalPinnan; (Channan) von Itosu. Heute als Kihonkata in verschiedenen Schulen des Shorin RyuPassai; bei Itosu Dai und Sho, es gibt jedoch noch andere Arten. Sie soll von Oyadomari stammenKushanku; Originallinie Hoko Ha und ShuriJionJiin; alle drei waren eine Kata, wann sie geteilt wurden, ist unklarJitteChintoChinteRohai; es gibt von ihr verschiedene Koshiki85 Varianten, beiSochin; eine Version bei Itosu und eine im Naha TeNiseishi/Gojushiho: 24, es gibt einige Koshiki Kata, bei Itosu Dai und Sho, sie könnte vonMatsumura Sokon überliefert worden sein.Unshu: WolkenhandWankanWanshu/Empi: Flug der SchwalbeAnankuSeshan; im Naha Te gleiche Richtung, aber hier typisch Shuri TeNepai/Nipaipo; 28, von Go Genki aus dem Hakutsuru Ken Kenpo

85Koshiki - Alte Richtung

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Naha Te

Kata Sanchin: drei SchlachtenSesan; diese ersten vier Kata wurden aus den Dörfern der in Okinawa lebenden Chinesen überAragaki weitergegeben, es sind die ältesten KataSepai: 18Sanseru:36Suparinpai: 108Saifa; Kata 11-9 wurden von Higashionna an Miyagi weitergegebenSeienchin; Eindringen in die FestungShisochin; 4 kämpfende Affen Kururunfa: 17Gekisai; zwei Kihonkata, von Miyagi, Angriff zerstörenTensho; bedeutet sechs mögliche Fähigkeiten und zeigt den tiefsten Sinn von Goju RyuOhan; die folgenden Kata wurden von Nakaima weitergegeben, er lernte sie von Ryuru Ko im KojoDojoPachuAnanPaikuHaikuPaihoPapurian; acht Schritte hintereinander, von Matayoshi Morihiro weitergegeben

Okinawa Karate Schulen und ihre Kata86

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie stellt jedoch ein Arbeitsmittel dar, ausdiesem Grund soll sie im Anhang erscheinen. Notwendige Ergänzungen werden im Laufe der Zeitzugefügt. Es handelt sich hierbei um eine Aufzählung der auf Okinawa ansässigen Schulen. Alle aufder Hauptinsel (Honshu) oder weltweit existierenden Schulen mit ihren Kata aufzuführen, ergäbe eineriesige Enzyklopädie und würde den Rahmen dieses Buches sprengen.

Nihon Kempo1. Gekkisai 2. Seisan 3. Passai sho/dai 4. Gojushiho 5. Sepai 6. Seienchin 7. Kushanku 8. Chintou9. Suparinpei 10. Pinnan 1-5

Shotokanl. Heian 1-5 (von Mabuni) 2. Tekki 1-2 3. Bassai dai/sho 4. Kanku dai/sho 5. Gojushiho dai/sho 6.Nijushiho 7. Gankaku 8. Empi 9. Hangetsu 10. Matsukaze 11. Jion 12. Jitte 13. Meikyo 14. Jiin 15.Chinte 16. Takyoku 17. Unsu

Matsubayashi Ryu1. Fukyugata 1-2 2. Pinan 1-5 3. Naihanchin 1-3 4. Ananko 5. Wankan 6. Rohai 7. Wanshu 8. TomariPatsai 9. Gojushiho 10. Yara Kusanku

Kobayashi Ryu1. Pinnan 1-5 2. Naihanchi 1-3 3. Passai dai/sho 4. Kusankun dai/sho 5. Chintou 6. Jion 7. Seisan8. Unsu 9. Chinte 10. Ananko 11. Wanshu 12. Jitte 13. Rohai 14. Wankuan 15. Ein 16. Gojushiho

Matsumura Seito Ryu1. Pinan 1-5 2. Naihanchin 1-3 3. Seisan 4. Kusanku 5. Rohai 6. Gojushiho 7. Hakutsuru

86 Vergleiche Bishop, Mark Okinawan Karate, Teachers, styles and secret techniques 1995 A&CBlack (Publishers) Ltd, London S 171 ff.

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Shobayashi Ryu1. Pinan 1-5 2. Naihanchi 1-3 3. Passai dai/sho 4. Kusankun dai/sho 5. Chintou 6. Gojushiho 7. Seisan8. Ananko 10. Wansu 11. Sanchin 12. Seiunchin

Okinawan Shorinji Ryu1. Kyan no Ananku 2. Matsumura no Seisan 3. Matsumura no Naihunchi 4. Maeda no Wansu5. Oyadomari no Patsai 6. Matsumura no Gojushiho 7. Matsumura no Chintou 8. Yara no Kushanku

Uechi Ryu/Kojo Dojo1. Sanchin 2. Sanseru 3. Seisan 4. Kanchin (Uechi) 5. Kanshiwa (Uechi) 6. Kanshu (Uehara Saburo)7. Sechin (Uehara Seiki) 8. Seru (Uechi)

Isshinryu1. Seisan 2. Seiunchin 3. Naihanchin 4. Wansu 5. Yabu Chinto 6. Sanchin 7. Yara Kusanku 8. Suansu(Shimabuku)

Okinawa Kempo1. Ananko 2. Chintou 3. Yabu Kusanku 4. Naihanchi Hanashiro 5. Kuniyoshi Niseishi 6. MotobuPatsai 7. Pinan 1-5 Hanashiro 8. Sanchin 9. Kuniyoshi Seisan 10. Wansu

Isshimine Ryu1. Kamati Sanchin 2. Naihanchi 3. Passai

Chito Ryu1. Shihohai 2. Niseishi 3. Rohai sho/dai 4. Seisan 5. Bassai 6. Chintou 7. Tenshin 8. Sochin9. Kushanku 10. Sanshiru 11. Ryusan 12. Rochin 13. Sanchin

Kenyu Ryu1. Pinan 1-5 2. Itosu Passai sho/dai 3. Kusanku sho/dai 4. Chintou 5. Matsumura no Passai 6. Koshikino Passai 7. Gojushiho 8. Niseiha 9. Rohai 10. Passai no Itsu 11. Sanchin 12. Tensho 13. Seisan14. Suparinpei

Shoreikan1. Fukyu dai ichi 2. Fukyu dai ni 3. Gekkisai 1-3 4. Gekkiha 1-2 5. Hakutsuru 6. Sanchin 7.Sanchin 8. Tensho 9. Seiunchin 10. Shisochin 11. Sanseru 12. Seipai 13. Seisan 14. Kururunfua15. Suparinpei

Shintoyoshi Ryu Jujutsu1. Pinan 1-5 2. Naihanchin 3. Kushanku 4. Seisan 5. Chintou 6. hon 7. Bassai

Shiroryu Kempo1. Sanchin 2. Seisan 3. Pinan 4. Naihanchi 5. Kusanku 6. Gojushiho 7. Passai 8. Seiunchin 9. Seipai

Gusukuma ha Shitoryu1. Sanchin 2. Pinan 3. Naihanchi 4. Passai 5. Gojushiho 6. Kusanku 7. Chinto1. Tai Sabaki 1-3 2. Pinan 1-5 3. Naihanchi 1-3 4. Aoyagi 5. Gojushiho 6. Passai 7. hin 8. Jion9. Niseishi 10. Wansu 11. Sochin 12. Unsu 13. Shimpa

Yuishinkai1. Pinan 1-5 2. Naihanchi 1-3 3. Passai dai/sho 4. Passai koshiki5. Kusanku sho/dai 6. Shiho Kushanku 7. Chinto 8. Gojushiho 9. Seisan 10.Itosu Wansu 11. Chinte12. Jion 13. hin 14. Jitte 15. Rohai 1-3 16. Aragaki Sochin 17. Aragaki Unshu 18. Aragaki Niseishi19. Funakoshi Wanshu 20. Gekkisai 1-2 21. Saifa 22. Sanchin 23. Seisan 24. Seiunchin 25. Sanseru26. Seipai 27. Kururunfua 28. Suparinpei

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Goju Ryu1. Gekkisai (Miyagi) 2. Tensho (Miyagi) 3. Saifa 4. Sanchin 5. Sanseru 6. Seiunchin 7. Shisochin8. Seisan 9. Seipai 10. Kururunfa 11. Suparinpei

Bugeikan1. Naihanchi 2. Pinan 3. Seisan 4. Sochin 5. Jitte 6. Niseishi 7. Chinotu 8. Passai dai/sho/chu 9. Jion10. Anaku 11. Koshiki Kushanku 12. Takemura Kushanku 13. Nidanbu 14. Sanpabu

Pangainoon Ryu1. Shimpa 2. Sanchin 3. Sanseru 4. Seisan Matayoshi Kobudo

Yabiku Ryu1. Kihongata 1-2 2. Uke no kata 3. Seme no kata 4. Taikatame 5. Yabiku no sho/dai 6. UrawazaKobudo Kata bo sho/dai, Nunchaku sho/dai, sai sho/dai, Tuifa, Eku

Kojo Ryu1. Hakuryu 2. Hakutsuru 3. Kako

Ryuei Ryu1. Sanchin 2. Seisan 3. Sanseru 4. Seiunchin 5. Ohan 6. Pachu 7. Ananko 8. Paiku 9. Heiku 10. Paiho

Tomarite1. Rohai 2. Wankan 3. Wanshu 4. Wando 5. Naihanchi 6. Chinto 7. Passai 8. Kusanku 9. Rinkan

Toon Ryu1. Sanchin 2. Rokkishu 3. Seisan 4. Sanseru 5. Pechurrin 6. Nepai

Die 7 klassischen Tänze Okinawas

Gerade in den letzten Jahren wird in Okinawa von den ansässigen Karate Meistern eine andereTheorie sehr ausführlich diskutiert: Die Weitergabe von Karatetechniken, ja sogar das Versteckenvon ganzen Kata, in den klassischen Tänzen Okinawas.Betrachtet man diese Tänze, oder Teile davon, fallen in der Tat Übereinstimmungen derBewegungen in den Tänzen mit verschiedenen Techniken des Karate oder Kobudo auf. Dazukommt, dass die okinawanischen Tänze nicht so grazil sind, wie in anderen Teilen Asiens. Derabschließende Beweis für diese Theorie ist allerdings noch nicht erbracht und ich halte dieseHypothese doch für zumindest gewagt. Dennoch ist es ein wichtiger Bestandteil der KulturOkinawas, aus diesem Grund will ich die folgende Aufzählung auch in den Anhang einfügen. Es istsicher sehr interessant, diese Tänze zu sehen und dann selbst zu werten, und es gibt einige zum Teilinteressante Literatur zu diesem Gebiet.

1. Shudun : (einige langsame Geschwindigkeiten) Hand, Fuß und Körper bewegen sich inverschiedenen Geschwindigkeiten

2. Inoha Bushi : (Der Rhythmus von Inoha) In diesem Tanz zeigt eine junge Frau starkeEmotionen

3. Yanagi : (Die weinende Weide) Die Weide verkörpert das klassische Te Konzept in diesemTanz

4. Amakawa : (Universum) verkörpert Himmel und Erde

5. Chikuden Bushi : (Rhythmus des Reisfeldes) fertigen eines Reiskuchens

6. Kasekake : (drohende Spindel)

7. Motonuchibana : (Blume eine Seite mit roten und eine Seite mit weißen Blüten)