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Die Zukunft ist erneuerbar! Online-Zeitung der Allianz « Nein zu neuen AKW» Ausgabe 02/2012 Basel, Bern, Zürich, St.Gallen, Luzern und neu auch Aarau. Schweizer Wirtschaftsstandorte kehren der Atomenergie den Rücken und setzen in Zukunft auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Auch die Kantone setzen sich konkrete Ausstiegsziele. Die Aarauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben am 11. März den Gegenvorschlag zur Energie-Initiative ange- nommen. Dazu Tonja Zürcher (WWF): «Mit dem Entscheid zum Atomausstieg bis 2035 und zum 2000-Watt-Ziel katapultiert sich die Hauptstadt des Atomkantons in die Spitzengruppe der Energiewendestädte. Während Bund und Kantone noch diskutieren, setzen schweizweit Städte und Gemeinden die Energiewende um.» Die Vorlage beinhaltet zudem konkrete Fördermassnahmen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Auch die Städte Zürich (2034), Bern (2039), Luzern (2045) und St. Gallen (2050) haben sich Zeitziele gesetzt, ab wann sie keinen Atomstrom mehr beziehen wollen. Die Kantone Genf (seit 2004) und Basel- Stadt (seit 2009) sind schon heute faktisch atomstromfrei. Weitere Kantone wie Solothurn oder St. Gallen haben ähnliche Ziele. Energiestadt Aarau Konkret Stellungnahme zum Atomausstieg der Stadt Aarau Kantone für den Atomausstieg In Europa werden die Pläne für neue Atomkraftwerke stapelweise zu Altpapier. In Bulgarien verzichtet die Re- gierung auf einen Meiler an der Donau. Gleichzeitig zie- hen sich die deutschen Stromkonzerne E.on und RWE aus geplanten Projekten in Grossbritannien zurück. Grund für den Rückzug aus den Projekten sind beider Orts die hohen Kosten. In Bulgarien stiegen Forderungen des russischen AKW-Bauunternehmens seit dem Baubeginn kontinuierlich an, bevor die Regierung die Reissleine zog. Auch RWE und E.on gaben an, sich aufgrund der tiefen Strompreise, der langen Verzögerungen und der ausufernden Kosten aus ihren Bauvorhaben zu- rückzuziehen. Ursprünglich beabsichtigten die beiden Stromgiganten, über ein Joint Venture fünf bis sechs Meiler zu bauen. Stattdessen plant E.on in Grossbritannien vermehrt in erneuerbare Energieträger zu investieren, welche eine schnellere Rendite versprechen. Auch das traditionell AKW-freundliche Frankreich will verstärkt auf Windenergie setzen. Der linke Präsidentschafts- kandidat Hollande versprach, bei einem Wahlsieg mittelfristig die Hälfte der französischen Meiler abzuschalten. Bericht Tagesanzeiger Bericht Welt Online Energie aktuell Schweizer Städte setzen auf Erneuerbare Keine Renaissance der Atomenergie © stadtluzern.ch © earthfirst.org © Paul Langrock / Greenpeace

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Online-Zeitung der Allianz «Nein zu neuen AKW»

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Page 1: Onlinezeitung 2 / 2012

Die Zukunft ist erneuerbar!Online-Zeitung der Allianz « Nein zu neuen AKW» Ausgabe 02/2012

Basel, Bern, Zürich, St.Gallen, Luzern und neu auch Aarau. Schweizer Wirtschaftsstandorte kehren der Atomenergie den Rücken und setzen in Zukunft auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Auch die Kantone setzen sich konkrete Ausstiegsziele.

Die Aarauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben am 11. März den Gegenvorschlag zur Energie-Initiative ange-nommen. Dazu Tonja Zürcher (WWF): «Mit dem Entscheid zum Atomausstieg bis 2035 und zum 2000-Watt-Ziel katapultiert sich die Hauptstadt des Atomkantons in die

Spitzengruppe der Energiewendestädte. Während Bund und Kantone noch diskutieren, setzen schweizweit Städte und Gemeinden die Energiewende um.» Die Vorlage beinhaltet zudem konkrete Fördermassnahmen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Auch die Städte Zürich (2034), Bern (2039), Luzern (2045) und St. Gallen (2050) haben sich Zeitziele gesetzt, ab wann sie keinen Atomstrom mehr beziehen wollen. Die Kantone Genf (seit 2004) und Basel-Stadt (seit 2009) sind schon heute faktisch atomstromfrei. Weitere Kantone wie Solothurn oder St. Gallen haben ähnliche Ziele.

Energiestadt Aarau Konkret Stellungnahme zum Atomausstieg der Stadt Aarau Kantone für den Atomausstieg

In Europa werden die Pläne für neue Atomkraftwerke stapelweise zu Altpapier. In Bulgarien verzichtet die Re-gierung auf einen Meiler an der Donau. Gleichzeitig zie-hen sich die deutschen Stromkonzerne E.on und RWE aus geplanten Projekten in Grossbritannien zurück.

Grund für den Rückzug aus den Projekten sind beider Orts die hohen Kosten. In Bulgarien stiegen Forderungen des russischen AKW-Bauunternehmens seit dem Baubeginn kontinuierlich an, bevor die Regierung die Reissleine zog. Auch RWE und E.on gaben an, sich aufgrund der tiefen

Strompreise, der langen Verzögerungen und der ausufernden Kosten aus ihren Bauvorhaben zu-rückzuziehen. Ursprünglich beabsichtigten die beiden Stromgiganten, über ein Joint Venture fünf bis sechs Meiler zu bauen. Stattdessen plant E.on in Grossbritannien vermehrt in erneuerbare Energieträger zu investieren, welche eine schnellere Rendite versprechen. Auch das traditionell AKW-freundliche Frankreich will verstärkt auf Windenergie setzen. Der linke Präsidentschafts-kandidat Hollande versprach, bei einem Wahlsieg mittelfristig die Hälfte der französischen Meiler abzuschalten.

Bericht Tagesanzeiger Bericht Welt Online

Energie aktuell

Schweizer Städte setzen auf Erneuerbare Keine Renaissance der Atomenergie

© stadtluzern.ch © earthfirst.org

© Paul Langrock / Greenpeace

Page 2: Onlinezeitung 2 / 2012

Die Zukunft ist erneuerbar! Online-Zeitung der Allianz «Nein zu neuen AKW» Ausgabe 02/2012

© enformable.com© AEE

Aus der AKW-Ruine in Fukushima tritt weiterhin kon-taminiertes Kühlwasser aus. Immer wieder kommt es zu Lecks in den Aufbereitungsanlagen, von wo aus das Wasser ins Meer gelangt. Derweil liegt der Pegel des Kühlwassers innerhalb von Reaktor 2 drastisch unter dem erhofften Wert.

Im März zeigte eine Untersuchung per Endoskop, dass der Wasserstand nur noch bei rund sechzig Zentimetern lag. Als Ursache werden die undichten Druckbehälter vermu-tet. Tepco war ursprünglich von 10 Metern ausgegangen.

Auch die Strahlungswerte rund um den geschmolzenen Reaktorkern sind lebensbedrohlich hoch. Umstritten bleibt, ob das AKW stabil heruntergefahren ist, wie die japanische Regierung behauptet. Laut Atomexperte Stefan Füglister reicht die Menge an Kühlwasser im zweiten Re-aktor nicht, um weitere Kernschmelzen auszuschliessen. Das ausgetretene Kühlwasser wiede-rum werde im Meer zwar stark verdünnt, gelange aber dennoch in die maritime Nahrungskette. Welche Folgen dies habe, sei nur schwer vorhersehbar.

Reaktor zwei in Fukushima nur 60 Zentimeter Wasser Tagesschau 5. April 2012

Die Schweiz hat mit der kostendeckenden Einspeise-vergütung das Werkzeug in der Hand, um eine Energie-zukunft ohne AKW und fossile Kraftwerke zu ermög-lichen. Bereits heute übersteigen die laufenden und projektierten Anlagen die Leistung der drei ältesten Reaktoren. Die A EE Agentur für erneuerbare Energien und Energieeffizienz hat zu dem Thema eine aktuelle Broschüre herausgebracht.

Unter dem Titel «Die Energiewende ist finanzierbar» stellt die A EE ihre neue Broschüre zur kostendeckenden Ein-

speisevergütung (KEV) vor. Die KEV soll Produzenten von erneuerbarer Energie vom Bund mit einem garantierten Vergütungstarif für den ins Netz eingespeisten Strom entschädigen. Allerdings sind zur Zeit rund 14‘200 Anlagen (Stand April 2012) auf der Warteliste blockiert und bis zu tausend Anlagen kommen monatlich hinzu. Der Kostendeckel, der die KEV-Unterstützungsgelder nach oben begrenzt, blockiert Investitionen in der Höhe von hunderten von Millionen Schweizer Franken. Die mangelnde Planungssicherheit und die bürokratischen Hürden hindern Private und Unternehmen daran, die Energiewende umzusetzen. Um dieses Dilemma zu lösen fordert die A EE in vier Punkten die Aufhebung des Kostendeckels und die Vereinfachung des KEV-Verfahrens.

Position der A EE zur KEV Download KEV-Broschüre der A EE Download Warteliste KEV-Anmeldungen

AKW-Ruine von Fukushima bleibt unkontrollierbarKEV-Projekte machen Atomstrom überflüssig

© www.w-f.ch

In Deutschland ist der Sektor der erneuerbaren Ener-gien letztes Jahr kräftig gewachsen. Das Land festigt damit sein Image als Branchenprimus. Dass auch in der Schweiz ein ähnliches Wachstum möglich ist, zeigt eine McKinsey Studie.

Die erneuerbaren Energien sind eine der hoffnungsvollsten Branchen in Europa. Sie haben das Potential, zusammen mit anderen Technologien ein nachhaltiges Wachstum zu generieren. Welchen Effekt dieses Wachstum auf den Arbeitsmarkt hat, zeigt eine Studie des deutschen Bundes-

umweltministeriums (März 2012). 382‘000 Personen seien 2011 in der Branche beschäftigt ge-wesen, was im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme von rund vier Prozent bedeutet. Dies trotz einem stark zunehmenden Konkurrenzdruck unter den einzelnen Unternehmen. In der Schweiz gibt es keine konkreten Zahlen zum vergangenen Jahr. Das Beratungsunternehmen McKinsey geht in einer Studie für das Bundesamt für Energie jedoch von vergleichbaren Aussichten aus. So könnten bis 2020 hierzulande 16‘000 Arbeitsplätze direkt im Bereich erneuerbare Energien entstehen. Im erweiterten Umfeld sind gar mehrere 10'000 weitere Arbeitsplätze realistisch.

Zur McKinsey Studie Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2011

Neue Energie, neue ArbeitsplätzeDer März ein Jahr nach der Fukushima-Katastrophe war ein freudiger Monat für Bern und die Bewegung, die sich für die Abschaltung des AKW Mühleberg einsetzt. Erst die erfolgreiche Beschwerde gegen die unbefristete Betriebsbewilligung, dann die Unterstüt-zung durch die Stadt Bern und die Grossdemo «Men-schenStrom gegen Atom».

Anfang März hat das Bundesverwaltungsgericht die Be-schwerde gegen die unbefristete Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg gutgeheissen. Die Betreiberin BKW

muss nun Mitte 2013 beim UVEK ein detailliertes Instandhaltungskonzept einreichen, will sie das alte AKW weiterbetreiben. Dieser Entscheid ist auch eine indirekte Kritik an den Atom-aufsichtsbehörden ENSI und KNS, welche das UVEK nicht auf die bestehenden Sicherheits-mängel aufmerksam machten. Doch die BKW und das UVEK ziehen das Urteil ans Bundes-gericht weiter, was wiederum die Stadt Bern dazu bewogen hat, dem «Komitee Mühleberg Ver-fahren» beizutreten, welches als Beschwerdeführer auftritt. Der Berner Gemeinderat fordert, dass das AKW vom Netz soll. Einen bunteren und musikalischeren Weg wählten die rund 8’000 Demonstranten von «MenschenStrom gegen Atom». Vom Bahnhof Gümmenen zum AKW Mühleberg marschierten sie, mit klaren Forderungen an Politik und Stromwirtschaft: Sofortige Ausserbetriebnahme der AKW Mühleberg und Beznau, Konkretisierung des Atomaus-stiegs sowie rascher und konsequenter Umstieg auf erneuerbare Energiequellen.

Beitrag SR DRS 14.3.2012 Beitrag SF DRS 7.3.2012 AKW Mühleberg nur noch bis 2013 am Netz?

Erfolge gegen das AKW Mühleberg

© Greenpeace

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Der Bundesrat hat Mitte April seine Pläne für die Energiezukunft auf den Tisch gelegt. Die Arbeiten des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK bestä-tigen, dass die Energiewende machbar ist und sich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen in Grenzen halten. Mit den vorgeschlagenen Massnahmen kann die Schweiz die selbstgesetzten Ziele zu Klima und Versorgungssicherheit noch nicht erreichen. Hier muss der Bundesrat in seiner Botschaft an das Par-lament nachbessern.

Der Bund wartet weiter zu, wenn es um die effizienteFörderung der Erneuerbaren geht. Statt voll auf die dezentrale Stromerzeugung zu setzen, wird weiterhin an problematischen Grosskraftwerken festgehalten. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben Greenpeace, Pro Natura, VCS, WWF und die Schweizerische Energie-Stiftung SES die schwachen Punkte der Energiestrategie 2050 kritisiert.

Erneuerbare Energien stehen bereit Schwach ist die Strategie beim Solarstrom. Hier sieht der Bundesrat ein fünfmal tieferes Potenzial als die Umwelt-verbände. Dabei könnte die Investition in Solarenergie nicht nur Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen, sondern auch die weitgehende Unabhängigkeit von Atomstrom aus dem In- und Ausland gewährleisten. Alleine die beim Bund beantragten, aber zum grössten Teil noch nicht bewilligten Förderprojekte bei der Kostendeckenden Ein-speisevergütung (KEV) könnten bereits heute weit mehr als das AKW Mühleberg ersetzen.

Bewährte Instrumente zur Effizienz nutzen Und auch beim Plan für die Energieeffizienz ist man unzu-frieden mit dem Entscheid des Bundesrates. Die Verbände

fordern eine Lenkungsabgabe, um Energieeffizienz zu fördern. Zwar sagte Bundesrätin Doris Leuthard an, eine Lenkungsabgabe sei zu einem späteren Zeitpunkt (2020) möglich. Damit schiebt sie das Problem einfach auf die nächste Politikergeneration ab – eine sehr bequeme Haltung. Die Weichen für eine Lenkungsabgabe müssen aber jetzt gestellt werden, denn es gilt noch einige politi-sche Hürden zu nehmen. Dazu Patrick Hofstetter (WWF): «Die Richtung stimmt, aber der Fahrplan nicht. Es gibt bewährte Instrumente, um die Stromverschwendung zu stoppen.» Dass das Modell Lenkungsabgabe funktioniert, beweist der Kanton Basel Stadt zum Beispiel schon seit 1998.

Die Schweizer Wirtschaft zeigt sich unambitioniert, was das Energiesparen angeht. Anlässlich einer Pressekon-ferenz gab die Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) an, bis 2050 gerademal sieben Terawattstunden Strom einsparen zu wollen. Soviel beträgt heute alleine das Stromsparpotential bei den Industriemotoren. Fazit: Der Bund und die Wirtschaft scheuen sich, den eingeschla-genen Weg in Richtung erneuerbare Energie und Energie-effizienz ohne Umwege weiterzugehen. Es fehlt das klare Bekenntnis, die Effizienzziele nötigenfalls mit Abgaben zu erreichen und die Kleinkraftwerkstrategie konsequent zu verfolgen.

Ungeliebte GaskraftwerkeStattdessen schlägt Energie- und Umweltministerin Doris Leuthard den Ausbau von Gas- und Wasserkraft vor. Das Vorhaben stösst von links bis rechts auf Kritik. Bei den Umweltverbänden ist man sich sicher: Die Energiewende ist ohne Gaskraftwerke und Umweltsünden möglich. Der Widerstand gegen die geplanten Gaskraftwerke würde den Atomausstieg gefährden, warnt BDP-Präsident Hans Grunder. Von Seiten der SP sieht man jeden in Gaskraft

investierten Franken als «verbranntes Geld» an. Besser sollten die Investitionen direkt in erneuerbare Energi-en fliessen. Und auch Umweltspezialisten wie Patrick Hofstetter (WWF) kritisieren diese Strategie. Damit werde «Sand in die Augen» der Schweizerinnen und Schweizer gestreut. Dabei zeigen die weltweiten Rahmenbedingun-gen, dass maximal 20% der Reserven an Öl, Gas, Kohle verbrannt werden dürfen, will man die Klimaziele errei-chen. In ein Kraftwerk, das fossile Brennstoffe benötigt, zu investieren, ist also ein Schritt in die falsche Richtung.

Auch die Reaktion der Stromproduzenten auf Leuthards Pläne liess nicht lange auf sich warten: Alpiq, Axpo und BKW haben bereits angekündigt, unter den momentanen Bedingungen keine Gaskraftwerke bauen zu wollen. Sie zielen damit vor allem auf die teure CO2 Kompensation im Inland. Mindestens die Hälfte des ausgestossenen Kohlendioxids soll hierzulande mit Ausgleichzahlungen verrechnet werden. Die drei Firmen wollen, dass ein

Die umweltverträgliche Energiewende ist machbar

Im Fokus

Die Zukunft ist erneuerbar! Online-Zeitung der Allianz «Nein zu neuen AKW» Ausgabe 02/2012

© Greenpeace Switzerland

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Im Fokus Kolumne

Die erneuerbaren Energien werden in der Schweiz seit Jahren blockiert. Nun sollen uns Gaskraftwer-ke als neuer Sachzwang aufgetischt werden. Das letzte Aufbäumen der Atomlobby? Oder steckt die Gaswirtschaft dahinter? Gaskraftwerke sind unnö-tig. Erneuerbare Energien lösen das Problem billiger und besser. Die Schweiz ist komfortabel aufgestellt: Mit 55 Prozent Wasser-

kraft starten wir auf hohem Niveau. Gute Netze und 75 grosse Stauseen sind schon gebaut und verschaffen dem sauberen Strom genug Reserven.

15’000 neue Projekte stehen derzeit auf der Warteliste für Einspeisevergütungen. Weshalb diese Blockade? Weil die Axpo-Fraktion im Ständerat Bremsen eingebaut hat bis nichts mehr geht. Gewarnt wird vor exorbitanten Kosten. Bei Beginn der Einspeisevergütungen (2009) erhielt man für Strom vom Hausdach 75 Rp./kWh. In-zwischen wurde die Vergütung halbiert und wird weiter sinken. Der wahre Grund ist ein anderer. Dass wir alle ein So-lardach bestellen und von AKW unabhängig werden – davor haben Axpo und Alpiq eine Heidenangst. Kleinan-lagen wären oft schon rentabel, wenn die Hausbesitzer bei Sonnenschein den Stromzähler rückwärts laufen lassen dürften. Nicht einmal das ist gesetzlich garantiert. Der Rückliefertarif beträgt oft bloss sieben Rappen, während der Verkaufspreis bei 22 Rappen liegt.

Solardächer können mehr Strom liefern als alle Wasser-kraftwerke. Für die Versorgungssicherheit im Winter ist es aber nützlich, die neu projektierten Gleichstromlei-tungen zwischen Nordsee und Süddeutschland direkt bis Gösgen, Leibstadt und über den Gotthard weiter zu führen. So werden die Stauseen geschont.In Deutschland gilt der Strom vom Hausdach weniger als 25 Rp./kWh, für Windstrom werden 4 bis 11 Rp./kWh garantiert. Es ist nicht mehr korrekt zu behaupten, sie würden den Strom verteuern. Wind- und Solarstrom senken die Börsenpreise, sind kostenstabil und einhei-misch. Volatile Gaspreise, Liefer-Risiken und CO2-Prob-leme können so die Versorgung nicht länger gefährden.

Der Umstieg wird ein gutes Geschäft: Gebäudesanierun-gen, A-Klasse für alles, Plusenergiehäuser, Ersatz alter Elektro-Heizungen. Das bringt Aufträge, spart Strom und Geld. Was möglich ist, zeigt Bayern. Dort deckt der Solarstrom inzwischen 8 Prozent des Verbrauchs, hundertmal mehr als vor zehn Jahren. In Deutschland gingen allein im Dezember 3’000 Megawatt Photovoltaik in Betrieb. Genug um die Stromproduktion des AKW Mühleberg (350 MW) zu ersetzen. Gebaut in 30 Tagen, nicht in 30 Jahren.

«Neue Gaskraftwerke» oder die Angst vor dem UmstiegRudolf Rechsteiner ist Ökonom und war von 1995–2010 Mitglied des schweizerischen Parlaments. Er führt heute ein eigenes Beratungsbüro(re-solution.ch) in Basel und unterrichtet an verschiedenen Hochschulen.

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ImpressumRedaktion und Gestaltung:Medienstelle Allianz «Nein zu neuen AKW»Falkenplatz 11, Postfach 5815, CH-3001 [email protected]

höherer Anteil des Ausstosses über die Ersteigerung von EU-Emissionsrechten kompensiert werden darf. Jürg Buri, Geschäftsführer der Schweizerischen Energie-Stif-tung SES und Präsident der Allianz «Nein zu neuen AKW» bezeichnet diese Idee als Rohrkrepierer. «Wenn im Inland CO2 ausgestossen wird, soll es auch hier kompensiert werden.», so Buri. Die EU-Zertifikate würden zu einem Ramschpreis verkauft. So sei es effektiv billiger, Emissi-onsrechte zu kaufen, als beispielsweise die Energieeffi-zienz zu steigern. Jürg Buri hält die Gaskraftwerke auch aus rein praktischen Gründen für die falsche Lösung. Die Schweiz habe, anders als Deutschland, mit den Pump-speicher-Kraftwerken bereits genügend Möglichkeiten zur flexiblen Stromproduktion.

Wirtschaftliche Energiewende Der Bundesrat beziffert die Mehrkosten, die der Atomaus-stieg verursachen soll, bis 2050 auf 30 Milliarden Franken. Er vergisst in seiner Rechnung jedoch die volkswirtschaft-liche Wertschöpfung, die mit der Energiewende verbun-den ist. Tausende zusätzliche Arbeitsplätze, Milliarden-investitionen von privater Seite und nicht zu Letzt kein subventioniertes Risiko für Umwelt und Bevölkerung, welches beim Schadensfall jede Kosten-Nutzen Rech-nung zu Makulatur macht.

© zvg