ophthalmostatik und ophthalmokinetik

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0phthalmostatik und Ophthahnokinetikl). Voll Prof. Dr. Martin Bartels~ St/idt,, Augenklinik Dortmund, Mit 2 Textabbildungen. Auf den Spannungszustand der Augenmuskeln wirken verschiedene ~eize ein: 1. Sensible geize. 2. Lichtreize. 3. Vestibul(~re geize. 4. Zentrale: automatisehe und Fixationsreiz% die in der Tierreihe in auBerordentlich versehiedenem MaBe sich geltend maehen. Zun/~chst die S¢naiblen Reize. Der Spannungszustand der Augenmuskeln h/£ngt nagirlich von ihrer ehemischen und physikalisehen Struktur ab. Soviel ieh sehe, ist dies noch nicht genauer untersueht worden, und doeh ist es nieht unwahr- scheinlieh, dab bei den Augenmuskeln besondere Verhgltnisse vor- liegen, denn sie sind zum Teil unermiidbar. Vc'enn wit im Eisenbahn. wa.gen oder besonders yore fahrenden Schiff aus auf die vorbeigleitende Fl~che sehen, so machen unsere Augen ununterbroehen Bewegungen, den sog. optomotorischen ~qystagmus. ~Vohl bekommen manche 5{en- sehen dabei ein ]~belkeitsgefiihl (munehmal gewiB ein Grund fiir die Seekrankeit), abet die meisten, ich se]bst z. B., kSnnen diesen ununter- broehenen Bewegungszustand stundenlang aushal~en, ohne hinterher das geringste Ermfidungsgeftihl der Augenbewegungen zu verspiiren, nur die bekannten ~qachbilderscheinungen bzw. Eachempfindungen. Diese Unermfidbarkeit l~Bt doch wohl auf eine besondere Stoffweehsel- tgtigkeit tier Augenmuskeln schlieBen. Ferner nehmen die Augen- muskeln eine Sonderste]lung in ihrer 8ensiblen Versorgung ein, da die sensiblen Fasern in den motorisehen Nerven des Muskeiu verlaufen (Sherrington), hierdureh wird die Spannung in den Muskeln selbst gewiB leichter regulie~. Ich glaube abet nieht, dab die sog. Entspan- nungstendenz z.B. beim Seit]iehbhcken eine erhebliehe Rolle spielt (Kestenbaum), sondern ieh nehme mit Ho//mann an, dab es sieh um x) Z. T. nach ehmm Vortrag auf der Gesellsehaft Deutseher Naturforscher u. J~zte, September 1926. Sitzung d. ~TeuroI., Physiol., Otiatr. u. Opth~lm.

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Page 1: Ophthalmostatik und Ophthalmokinetik

0phthalmostatik und Ophthahnokinetikl). Voll

Prof. Dr. Martin Bartels~ St/idt,, Augenklinik Dortmund,

Mit 2 Textabbildungen.

Auf den Spannungszustand der Augenmuskeln wirken verschiedene ~eize ein:

1. Sensible geize. 2. Lichtreize. 3. Vestibul(~re geize. 4. Zentrale: automatisehe und Fixationsreiz% die in der Tierreihe

in auBerordentlich versehiedenem MaBe sich geltend maehen. Zun/~chst die

S¢naiblen Reize. Der Spannungszustand der Augenmuskeln h/£ngt nagirlich von ihrer

ehemischen und physikalisehen Struktur ab. Soviel ieh sehe, ist dies noch nicht genauer untersueht worden, und doeh ist es nieht unwahr- scheinlieh, dab bei den Augenmuskeln besondere Verhgltnisse vor- liegen, denn sie sind zum Teil unermiidbar. Vc'enn wit im Eisenbahn. wa.gen oder besonders yore fahrenden Schiff aus auf die vorbeigleitende Fl~che sehen, so machen unsere Augen ununterbroehen Bewegungen, den sog. optomotorischen ~qystagmus. ~Vohl bekommen manche 5{en- sehen dabei ein ]~belkeitsgefiihl (munehmal gewiB ein Grund fiir die Seekrankeit), abet die meisten, ich se]bst z. B., kSnnen diesen ununter- broehenen Bewegungszustand stundenlang aushal~en, ohne hinterher das geringste Ermfidungsgeftihl der Augenbewegungen zu verspiiren, nur die bekannten ~qachbilderscheinungen bzw. Eachempfindungen. Diese Unermfidbarkeit l~Bt doch wohl auf eine besondere Stoffweehsel- tgtigkeit tier Augenmuskeln schlieBen. Ferner nehmen die Augen- muskeln eine Sonderste]lung in ihrer 8ensiblen Versorgung ein, da die sensiblen Fasern in den motorisehen Nerven des Muskeiu verlaufen (Sherrington), hierdureh wird die Spannung in den Muskeln selbst gewiB leichter regulie~. Ich glaube abet nieht, dab die sog. Entspan- nungstendenz z .B. beim Seit]iehbhcken eine erhebliehe Rolle spielt (Kestenbaum), sondern ieh nehme mit Ho//mann an, dab es sieh um

x) Z. T. nach ehmm Vortrag auf der Gesellsehaft Deutseher Naturforscher u. J~zte, September 1926. Sitzung d. ~TeuroI., Physiol., Otiatr. u. Opth~lm.

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eine Ermtidungserseheinung des Nervenimpulses handelt. Die Aktions- str6me der Augenmuskeln unterseheiden sich anseheinend nieht yon denen der iibrigen K6rpermuskulatur. Die Anordnung der A~egen- muskeln seheint in der ganzen Tierreihe beziiglieh der 4 Graden, mit, Ausnahme der Oetopoden, dieselbe zu sein. Wir mfssen dies als Kon- vergenzerseheimmg a, uffassen, wie wit spgter sehen.

Eine ganz eigentiimliehe Beobaehtung konnte ieh bei den Eulen feststellen, deren Augen, wie sehon S6mmering bemerk~, aueh meeha- niseh unbeweglieh Ies~ in der Orbita angewaehsen sind. Trotzdem be- sitzen diese V6gel alle Augenmuskeln und sogar Mle Augenmuskel- kerne, wenn aueh etwas verkiimmert. Hier k6nnen die Musketn un- m6glieh der OphthMmotutik dienen, ihre Bedeutung ist unkl~r.

Eine atlgemein sensible Beein]lussung der AugensteIlung wird ferner dureh die Vemchiebung der Gewebe der Orbita gegeneinander be~drkt. Es is~ m6glieh, dab dutch diese, ebenso wie dureh die sensible Muskel- erregung wenn aueh in sehr sehwaeher Weise eine gewisse Mittellage der Augen unterstiitzt wird.

~¥ir h~ben nun auBerdem direkte richtunggebende sensible Reize. Am Menschen sind sie noch wenig erforseh% am deutliehsten yon der Kop]lwb~t her bei einigen _Fischen yon Mraxwell. Er konnte z .B. am Schaufelnasenhai gesetzmggige Augenbewegungen yon bestimmten Kopf- hautstetlen ausl6sen und hier wirkte ein st~.rkerer Reiz entgegengesetzt wie ein schwaeher. (Positive und negative Stereotypie). Ich konnte bisher an keinem andern Tier diese Augenbewegungen beobaehten, aueh nicht bei Frfihgeburten. Vielleich~ gehSren hierher aueh die lrfiher yon Griesmann, neuerdings yon Goldstein und Riese beobaehteten Augen- bewegungen bei Ab]ciihlung einer Halsseite unter Vermeidung yon Laby- rinthreizungen. Bei Kleinhirnerkrankungen fand letzterer auf Haut- reiz entgegengesetzte Augenbewegungen wie bei Labyrinthreiz. Femer ist dus Augenschwirren der V6gel, das bei Beriihrung des Orbitalrandes auftri t t (Ewald), hierher zu rechnen.

Richtunggebende sensible Reize auf die Augen sind ferner zuerst yon Lyon an Fischen, dann yon Barany am Mensehen und besonders yon de Kleyn am Kaninchen erforseht, n~mlieh die Halsaugenre]Iexe: Sie Iiihren zu Daueraugenstellungen, besonders sei~lieh. An Neugebornen (Ba~'any) konnte ieh sie aueh neuerdings nur sehr unsicher erkermen. Wghrend sie bei ~isehen und bei Kanineben sehr deutlich sind, konnte ieh sie bei Vdgeln merkwfirdigerweise gar nicht nachweisen, auch nicht naeh Ausschaltnng der optisehen l~eize an blinden VSgeln. Vielleicht lieg~ dies an der aul3erordentliehen Beweglichkeit des ttMses der VSgel, im Gegensatz zu den Fisehen. Der Re]lexweg ist bei Fisehen yon Lyon, bei K~ninehen yon de Kleyn dutch Durehschneidungsversuche festgelegg. Letzterer land, dab die Bahn dureh die beiden obersten und etwa noeh

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dureh des dritte hintere eervieMe Wurzelpaar verlguft, wahrseheinlieh liegen sie spg~er aueh im hinteren Lgngsbiindel. In neuster Zeit hat dann Goldstein noch Augenbewegungen am Menschen direk~ nach Glieder- bewegungen gesehen (am Kaninehen konnte ieh sie nieht nachweisen), ferner Grebe nach Bee]cenbewegungen. In diesen beiden Fallen traten die Augenbewegungen immer nach bestimmter Richtung auf. Der Reflex- weg Merftir seheint naeh Goldstein irgendwie mit dem Kleinhirn und mit dem Frontatlappen zusammenzuhangen. Die dutch solehe sensiblen Reflexe auf die Augenmuskeln hervorgerufenen StSrungen der Orien- tierung miissen noch genauer erforseht werden, wir stehen da in den Anfangen.

Bei der Lichtwir/cung, der Photoophthal~nostatik und -Kineti/s unter- scheiden wir wieder einen Mlgemein tonisierenden Einfluf~ des Liehtes auf die Angenmusketn (Lichttonus) und einen riehtunggebenden (Photo- tropic und Phototaxie). Einen allgemeinen Lichttonus der K6rpermus- bulatur nahm schon v. Stein an. Er sprieh~ yon einer Optieusmusku- laturverbindung Ms selbstgndigem System. Metzger hat dann unab- hiingig yon v. Stein in neuerer Zeit diese Liehtwirkung aui die KSrper- muskulatur bei Kaninchen und Mensch genau nachgewiesen; er bekam bei Beliehtung eines Anges bzw. einer bestimmten Netzhanthalfte Kon- traktionen bestimmter Mnsketgruppen, aueh die Orientierung ira Raum war verlagert. So kSnnen wir auch eine Wi,r/cung au] die Augenmus/celn annehmen, dafiir sprechen ferner die bekannten Versuche, dal~ bei Be- liehtnng des sehenden Auges des andere sehwaehsichtige oder erblin- dete Auge VertikMbewegungen ausftihrt. Ohm wie auch ich haben mehrfach Wirkungen des Lichtes auf des Augenzittern naehgewiesen, Ohm besonders bei den verschiedensten Formen yon Nystagmus. Je- doch sind diese Ergebnisse nicht eindeutig im Shine eines Lichttonus, da bier versehiedene Momente: Veranderung der Fixation, psyehische Einwirkungen usw. in Betraeht kommen kSnnen. Ich sah aueh diese Einwirknng des Lichtes beim D~mmernngszittern der Hunde nur ein- real, sparer konnte ich sic nicht wieder naehweisen. Die richtunggebende Wirkung des Liehtes ist am ktarsten zu beobaehten bei dem mikrosko- pisch kleinen Auge kteiner Krebse, der Cladoeeren. Des Auge yon Daphnia z. B., das 4 gerade Augenmuskeln hat, richter sich stets zwangs- mgBig nach dem Licht (positiv phototrop). Des Auge einer anderen Crustacee, Squilla mantis, wendet sieh stets zwangsmagig veto Liehte ab (negativ phototrop). Wir kSnnen diese zwangsm~Bigen Einstellungen wohl dem der B15tter der Pflanzen z. B. Eudendrion gleiehstellen, die ihre Blatter ebenfMls zwangsm~Big dem Liehte zuwendet. Vietleicht l~Bt sieh yon diesen Phototropien der Daphnien bis zu den Augen- bewegungen der Sguger eine gewisse Linie ziehen, denn aueh hier kern- men zweifellos Augenbewegungen vet, bei denen eine zwangsm~gige

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Komponente mitspielt. Ieh meine die langsame Phase des optomoto- risehen Nystagmus. Die Daphnia zeigt den reinsten derartigen Ny- stagmus. V. Fritsch und Kuppelwieser konnten n~mlieh nachweisen, dab das Auge dieser Cladoeeren zwangsmggig solange dem Liehte folgt, wie es physikMiseh dutch Musketkontraktion m6glich ist, und dann pl6tzlich zuriieksehnellt, worauf das Spiel sieh yon neuem wiederholt, Mso ein t?~iseher zwangsmg~iger optomotorischer Nystagmu.s zur Orien- tierung. Wenn wir nun bei tiefstehenden Idioten und S/~uglingen in den ersten Lebenstagen auch solehen optomotorisehen Nystggmus be- obaehten k6nnen, so kann zungehst yon einer bewugten Fixation j~ keine Rede sein, es ist aueh nieht sehr wahrseheinlieh, dab hShere Bah- nen in Betraeht kommen, da die Markseheidenentwickhmg ja noeh nieht abgeschlossen ist. Nit scheint tin zwangsmggiges Momen~ bier mitzuspielen, dasselbe ist aueh vielleieht beim Erwaehsenen noeh naeh- zuweisen, ~4e sehon Gertz beobachtete. Bewegt man vor den Augen eines Mensehen eine groge gleiehmagig helle F1/~ehe, so tolgen die Augen zwangsm/iBig und diese Bewegung ist selbst dutch einen Willensakt zuniiehst nieht zu unterdriieken, eine passiv optische Einstellung im Sinue yon Borries. Wir h/£tten somit vielleieht eine Linie der zwangs- m/iNgen Liehteinstellung vonde r Pfianze bis zum S~uger. Nun ist aber die Augenbewegung auf optische Eindriicke sehr versehieden stark entwiekelt, spezie]l der optomotorisehe Nystagmus ist zwar in den ver- sehiedensten Tierklassen vertreten, bei Wirbellosen, Reptilien, VSgeln und S/~ugern, aher nieht bei allen Tieren jeder Klasse, dem Kaninchen z. ]3. ~4e aueh anderen Nagern fehlt jede Photoophthalmostatik und -Kinetik. Sie h/ing~ also aueh nieht mit der Entwieklung eines Gro$- hirnes zusammen. Jedenfalls gibt es Tiere mit Groghirn ohne solche Angenbewegungen. Aueh bei den Fischen konnte ieh einen optomoto- risehen Nystagmus nieht naehweisen. Auf die Einzelheiten des opto- motorisehen Nystagmus k6nnen wit hier nicht eingehen. Ob die sehnelle Phase, wie Bottles meint, beim Mensehen grunds/itzlieh dasselbe wie die rasehe Bliekbewegung ist, erseheint gerade im Hinbliek auf die Be- ob~chtung am CIadoeerenauge unsieher. Wie welt die reine Lieht- wirkung beim Dgmmerungszittern eine Rolle spielt, is~ noeh zweifel- haft. Die Verh/~ltnisse sind bier so verwiekelt, dab eine Er6rterung jetzt nieht mSglieh ist. DaB bei h6heren S/iugern, aueh beim Men- sehen, das GroBhirn dabei wiehtig ist, wie neuerdings Cords besonders beziiglieh des optomotorisehen Fetdes in der Oeeipitalrinde hervorhebt, ist ohne Zweifel.

VestibuI~re 01~hthatmostatik und -Kinetik. Mit wenigen Ausnahmen zeigen alle Tiere, die iiberhaupt Augen be-

sitzen, von den Wirbellosen an aueh vestibul~ire Augenbewegungen.

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27g ~'L B~rteis :

Eine Ausnahme ist z. B. die erwghnte Daphne, die lediglich ein L icht- augenbewegungstier ist. Die vestibularen Augenbewegungen werden auch geotrope genannt, da sie z. T. auf der ~Virkung der Schwer/crajt beruhen. Dies ist besonders bei den sinfachen Gleich~jewichtsorganen der Fall, die nut ~us Otocys~en mit oder ohne Otolithen bestehen. ~Ign k~nn aber bei den h6heren Wirbeltieren nicht mehr nur yon geotropen Augen- bewegungen sprechen, well hier der Reiz in den Bogeng~,ngen vielfach a~uch anf inhere Versehiebung der M~ssen und vietleicht ehemisch-phy- sik~Iischen Ver~nderungen beruht. Ein Labyr~nthtonus der Augenmus- keln ~ r d Mlgemein angenommen, es ist abet nur bewiesen, dab eine Xnderung des bestehenden Angenmuskel~onus vom Labyrinth ans mSg- lieh ist, und zwar ist sieher eJ~e Ersehlaffung der Antagonisten und eine Kontraktion der Agonisten beobaehtet (Bartds). Jedenfa.lls sind die AktionsstrSme naeh Aussehaltung der L~byrinthe beim Kaninehen unvergndert (Kgllner und Ho//mann). Nach Ewald hatte die ExaktheiC der Augenbewegungen bei einem Hunde nach beiderseitiger Labyrin~h- zerstSrung gelitten. Der Einflu[3 des Festibularapparates ist, wie be- k~nnt, ausgesproehen richtunggebend. Wir un~erseheiden dabei Re/lexe der Lage und Re]lexe der Bewegung. Es ist nun wichtig, festzustellen, dab die einfaehsten GehSrblgschen z. B. bei den Crust~ceen genau die- selben Augenreflexe hervorrufen kSnnen ~ie die kompliziertesten La- byrinthe der Wirbeltiere, z.B. der VSgel. Bei den Wirbeltieren ist ja nnr ein Teil der L~byrin~he hhnlich gebau~ wie die GehSrblgsehen, ngmlieh die Vestibulars~ckehen and erstere rufen sicher uuch Nys~ag- mus hervor. Die Dauerre]lexe tier Lage sind hanpts~chlich gnf Grund von Kaninchenversuehen festgestellt, es mu8 aber erwghn~ werden, dab die Raddrehungen bei manchen Wirbeltieren, z. B. bei VSgeln und Reptilien l~eine dctuernden Rollungen sind (Nagel) und vielleicht aueh bei manchen Fischen nicht, die so flsch gebaut sind and beim senkrechten Schwimmen einen deutliehen rotatorischen Nys~agmus zeigen z. B. Pterophyllum calare (Bartels). Weshalb z. B. bei den VSgeln die Rol- lnngen nieht d~nernd sind, ist biologisch nieht einf~ch zu erktgren, vielleich{ aus demselben Grunde, gus dem bei diesen die Halsaugen- bewegtmgen fehlen, es iiberwiegt die optisehe Spghkomponente zur Orientierung. Es kann keinem Zweifel mehr un~erliegen, dal~ tatsgehlich Danerreflexe sowie Nys~agmus bei hSheren Sgugern vom Ohrapparat ~usgelSst. werden, sie fehlen naeh Zerst6rung der Labyrinthe. Einigen Tieren fehlt die rasehe Phase des Nystagmns, z. B. Krebsen wie Geta- simus, Fischen wie Petromyzon, gaja und Torpedo, den Larven yon Rana esculent~, eben geworfenen Kaninehen und ttunden nnd rriih- geburten. Da die Labyrinthe hier schon ausgebildet, sind, k~nn dies Fehlen der sohnellen Phase nur a~ff zentralen Ursachen beruhen. Bei manchen Tieren werden die vestibulgren Augenbewegnngen durch Kopf-

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Ophthalmostatik und Ophthalmokinetik. 275

b ewegungen ersetzt z. B. bei Reptilien, man sieht sie erst bei festgeha,1- tenem Kopf, aber auch noch teilweise bei Sguglingen. Wie weir die einzelnen Teile des Labyrinthes bestimmte Bewegungen auslSsen, ist noch strittig. Aber gerade zur Beurbeilung dieser Frage sind die Beobach- t.ungen an niederen Tieren w~htig. Die Reflexwege z. B. ffir den Ny- stagmus beim Menschen sind auBerordentlich verwickelt, w£hrend die langsame Phase sicher labyrinth~r ist, ist die schnelle wohl zentral aus- gelSst.

Unsere Kenntnis bezfiglich der zentralen Einwirlcungen au[ die Augenmuskeln stammen fast nur von Beobaehtungen an Sgugern. An niederen Tieren, auch an niederen Wirbeltieren, Reptilien und V6geln ist noch nichts Sieheres beobachtet worden. Jedenfatls existiert ein Grofihirntonus auf die Augenmuskeln be]m Mensehen, der vom Fu~ der 2. Stirnwindung ausgeht. Es ist mir sehr zweffelhaft, ob auch yon der Occipitalrinde beim Menschen Augenbewegungen ausgelSst werden kSnnen. Meine Beobachtungen an Kriegsverletzten sprechen dagegen. Es liegt dariiber auch nur eine Beobaehtung yon Fgrster vor. Bei an- deren S~ugern z. B. bei Affen und Hunden bestehen jedenfalls mehr- faehe optomotorische Zentren in der Hirnrinde. Diese 16sen stets asso- zierte Augenbewegungen aus. Vielleicht i~berwiegt beim Menschen die linke Groflhirnh~l/te auf die Augen. Denn mir ist aufgefallen, dab die Augen der meisten Blinden, die ich untersuehte, meist nach rechts ab- gewandt waren, and zwar bei Rechtsh~ndern wie einem Linksha.nder. MSglicherweise existiert ein Zentrum ffir die Willkiir der Augenbewe- gungen (Gyrus angularis). Bemerkenswert ist, dab das einzig sicher- gestellte Augenbewegungszentrum imFrontallappen sieh befindet, der beson- ders nach neueren Uatersuehungen eine groBe Wichtigkeit ffir das Gleich- gewieht besitzt. Ob niedere Augenbewegungszentren beim Mensehen exi- stieren als das eigentliche Frontalhirnzentrum, ist zweifelhaft. In Be- tracht kgmen Bri~c]ce und Vierhi~gel. In neuerer Zeit sind auch wieder vom Kleinhirn Augenbewegungen besonders yore Wurm aus beob- achtet worden, doch ist diese Frage, ebenso wie die des eerebellaren Tonus noeh strittig. Bei Versuehen an Tieren muB man hier mehr auf die bei den einzelnen Tierarten so verschiedenen Augenbewegungs- reflexe achten. Die willki~rIichen Augenbewegungen sind neuerdings sehr ausffihrlich untersucht worden. Wir kSnnen darauf nur kurz eingehen.

Wir unterscheiden die eigentliche Blic]cbewegung und die Fixa- tion, bei den Bliekbewegungen wieder langsame gleitende und die rasche Bewegung bzw. Einstellungs- und Fi~hrungsbewegungen; die Einstellung yon einem Punkt zum anderen erfolgt nieht g]eiehmgBig, sondern unter ruc/cartigen Bewegungen (Dodge, Stratten, Dohlmann). Diese sind zur Be- urteilung der Kurven des optomotorischen Nystagmus wichtig.

v. Graefes Arch iv fl i t Ophtha lmoIogie . Bd. 118. 19

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276 ~. Bartels :

Bei der Fixation eines leuchtenden Punktes, der mit dem Macula fixiort wird, handelt es sieh nuch vielen Untorsuchungen niema]s um absolute Fixation. Einen Einschnappmechanismus im eigentlichen Sire1 gibt es nieht, ebensoweing ~de einen Fixcttionspunkt in der Netzhaut, sondern nut eine Fixationsscheibe. Auch bei anscheinend ruhiger Fixa- tion macht das Auge standig zuhlreiche ldeine Bewegungen etwa 3000 bis 5000 in der Minute and grSfiere etwa 30--40 in der Minute (siehe die Kurven yon Dodge and Dohlmann). Vielteicht k6nnen die kteinen mit AktionsstrSmen zusa.mmenha,ngen (Dohlmann). Die grSBeren haben eine Menge Ursachen, die wit zur Zeit noch nicht fibersehen k6nnen, z .B. Korrektion yon Kopfbewegungen, yon Musk(~lbewegungen, Ermiidbar- keit der Netzhuut, Pulsbewegnngen usw. (Dodge and Dohlman~). Die grSBeren werden vielfach als Fixationsbewegungen angesehen. Dodge spricht direkt yon einem Pseudo]ixationsnystagmus. Doch erschein~ es mir zweifelhaft, ob diese Bewegungen nicht zum Teil auf st~ndigen zentralen Erregungen beruhen, wie mir die Blindenbewegungen zeigten. Wir sehen n~mlich auch an Blinden, die hie ein SehvermSgen besal~en z. B. auch bei angeborenen blinden Augenresten, dal~ die Augen in stan- diger gleitender zuekender Bewegung sind. Wir miissen also bier auch beim Menschen standige zentrMe Erregungen annehmen, die sich viel- leicht auch wiihrend der Fixation bemerkbar machen, abet eben dutch die Fixation bis zu einem Minimum herabgedrtickt werden. Durchaus ~hntiche Augenbewegungen wie bei Blinden zeigen viete Formen des sog. amblyopischen Nystagmus, so da~3 sie vielleicht auf g.hnlichen zen- t~ralen Erregungen wie erstere beruhen, die nieht mehr so gut yon der Fixation gehemmt werden. Diese Bewegungen bei Fixation eines Punk- tes, die auch bei anscheinend ruhiger Fixation zu registrieren sind, spielen sicher eine wieht, ige golle bei der Entstehung des Di~mmerungs- zitterns u~d des Augenzitterns des Bergleute. Viel ausfahrender werden die Bewegungen, wenn ein Punkt ]ixiert wird, der fiir die Maeula u~ter- schweUig ist (siehe Kurven yon Dohlmann). Ich kann darauf nicht ge- nauer eingehen. Bemerkenswert ist, dal~ auch das entschieden nut yore Licht in seiner Stellung abh~ngige, kleine Cladocerenauge iu st~ndiger zitternder Bewegung ist. Es sei auch hier gleich erwghnt, dal~ das D~immerungszittern, dessen Schwingungszahl gT6i~er ist, sich nur bei Y'ie¢en mit beweglichen Augen erzielen la[~t; z. B. bei Hunden und Kat- zen; beim Kaninchen nicht, das keine spontan bewegliche Augen hat. Aber nicht s~lle Tiere mit spontan beweglichen Augen bekommen dieses Pendelzit~ern im Dunkeln. Bei VSgeln, wie den R, abenkrahen, die spon- tan sehr be, wegliche Augen haben, konnte ich auch nach monatelangem Aufenthalt im Dunkeln kein Dammerungszit tern sehen. Ich beobach- fete ferner, dab diese VSgel, auch wenn sie erblindet sind, keine Blinden- bewegungen der Augen zeigen, die man an blinden Hunden und h6heren

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Ophthalmostatik und Opht.h~lmokine~ik. 277

Saugern sehr deutlich sieht. Die spontane Bewegtichlseit der A w e s ist nun in der Tierreihe ganz augerordentlich verschieden entwickel~ und geht in keiner Weise der gebr~uchliehen Annahme der Entwickelung der Tiere parallel. Wir finden, dat3 niedere Krebse ein vorgehaltenes Objekt fixieren und d.arauI konvergieren k6nnen wie die h6ehsten Wirbelsgugetiere. Andererseits haben wit Wirbeltiere, wie viele Nager, denen alle spontanen Augenbewegungen fehlen. Vielfaeh h~ngen letz- tere mit dem Binokutarsehen zusammen, aber dieses bedingt nieht ersteres. Binokularsehen haben alle Wirbeltiere. Die totale oder partielle Kreuzung der Sehnerven ist dabei ohne EinfluB. Das Binokularsehen wird zur Orientierung bei manehen Wirbeltieren wenig benutzt. So unterseheidet sieh ein blindes Kaninehen wenig yon einem sehenden. Die Eule dagegen benutzt ihre feststehenden Augen, denen jede Be- wegliehkeit fehlt, zum Binokularsehen st/~ndig, indem sie blitzsehnell den Kopf wendet. Bei den Nagern k6nnte man daran denken, dab sie in der Entwiekelung das spontane bewegliehe binokulare Sehen vertoren haben, das doeh Fisehe, Reptilien und V6gel besitzen.

Die Entwicketung des beweglichen Binolcularsehens und der Fusion er- fordert eine Erforschung fiir sieh. Die Augenstellung ist dabei niehg Mlein entseheidend, dens das bewegliehe Binokularsehen finder sieh bei frontal wie sagittal gestellten Augen und fehlt manehmM bei beiden.

Konvergenzmgglichkeit finder sieh, wie gesagt, sehon bei kleinen Krebsen. Die Konvergenzbreite h~ng~ aueh nieht yon der Augen- stellung ab (Chameleon und Eulen).

Die Trennung der zwangsmgfligen Awenbewegungen son den sog. will- t,i~rlichen ist manchmal schwer zu ziehen. Das zeigen die friiher erwghnten Augenbewegungen auI Lieht. Jedenfalls ist das Vorhandensein eines Groghirnes keine Voraussetzung der spontanen Augenbewegungen.

Unter welehen Bedingungen diese in der Entwiekelung auftreten und weshalb sie wieder zuriiektreten, ist uns noeh ggnzlieh unbekannt. Gerade bei den Eulen mug man annehmen, dal3 hier einmal bewegliehe Augen vorhanden wares, da ja die Augenmuskeln noeh rudiment~r exi- stieren. Wenn wir ~ber eine Entwiekelung der S&uger aus reptilien- und vSgelghnliehen Zustgnden annehmen, so ist es wieder sehwer zu erkl~ren, weshalb die augerordentliche Bewegliehkeit, die bei diesen zu beobaehten ist, den Sgugern wieder verlorengegangen ist.

Das Problem wird noeh viel verwiekelter dadureh, dug wir bei vielen Tieren, bei Fischen, Reptilien, vor allem bei V6geln nicht nut eine binokulare 8pontane Beweglichkeit der A w e s h~ben, sondern aueh eine monolculare, die den SSmgern fehlt.

Ieh Iand nur beim Nilp]erd einseitige Retraktionsbewegungen. Die Behauptung maneher Antoren, dM3 seitliche und periskope Angen

allgemein monokulare Augenbewegungen zeigen, trifft sieher nicht zu.

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278 M. Barrels: Ophthalmostatik und Ophthaimokinetik.

Bei den sowohl monokular wie binokular selbst~ndig fixierenden Tieren fanden sieh vielfaeh 2 Maeulae. Bei den VSgeln, die m6gliehst binokular zu sehen suehen, kann man die ausgedehnten monokularen unabh~ngigen Augenbewegungen oft erst bei festgehaltenem Kopf be- obachten, besonders bei M6ven, Cormoran and Rabenkrghe. Bei diesen mug die MSgliehkeit bestehen, einmM das Bild der einen tViaeula, dann das Bild der anderen unterdriieken zu k6nnen. Ein Teil der Netzhaut muB dabei gewissermaBen eine motorisehe Doppelwertigkeit besitzen, in dem einmM der dieselbe Netzhautstelle treffende Reiz eine mono- kulare, ein anderes Mat eine binoknlare Maeulaeinstellungsbewegung hervorruft (siehe Abb. 1). Dies is~ eine Orient, ierungsmSgliehkeit, die gerade VSgeln zugute kommt, die augerordentlieh sehnell und hiufig die Gleiehgewiehtslage weehseln, auf der andern Seite abet gerade an- deren ~deder, wie den Eulen, ganz fehlt.

Die Einstellungsm6glichkeit der Auggpfel ist ein wiehtiger Anteil an der Orientierung im Raum. Wit lern~en die versehiedensten Augenbe- wegungsreflexe t%eflexe zu dieser Regulierung kennen, mn das GMeh- gewieht im weitesten Sinne zu erhMten. Deshalb ist es vielleieht inter- essant, kurz auf die Beziehungen der AugenbewegIichkeit zur aUgemeinen bzw. GliederbeweglicM~eit der Tiere und damit ihrer Lebensweise einzu- gehen. Die erSrterten Reflexe auf die Augen wirken ja eigentlieh nie- man auf die Augenstellung Mlein, sondern stets aueh auf den iibrigen KSrper. So stellen sieh bei dem HM gleiehzei~ig die FIossen ein in be- stimmter Richtung, wenn auf l?eizung einer Kop/hautstelle die Augen bewegt werden (Maxwell). Bei den Hals- und Labyrinthre]lexen ist es j~ bekannt, besonders dutch die Arbeiten yon Ewald, Magnus und de Kleyn, wie ausgedehnt gleiehzeitig Augen- und Kdrperre[lexe aus- gelSst werden. Bezeiehnend is~ aueh, dM3 die cortiealen Zentren ]i~r die Glider und Augenbewegungen nebeneinanderliegen. D~B Glieder- bewegungen Augenbewegungen ausldsen, ist erwgtmt (s. o,). Die gleich- zeitige bzw. aufeinandeI{olgende Einwirkung des Lichtes au] die Augen- muskeln und die Kdrperstellung zeigt am einfachsten die Beliehtung des Daphneauges. Hier wird zuerst das Auge nach dem Lieht eingestellt und dann der fibrige K6rper in Gleiehgewichtslage zum Liehte gebracht bzw. zum Auge. Es geht nun abet keineswegs die grdflte Allgemein- beweglich~eit des K6rpers mit gr6fiter Awenbeweglichkeit einher. Die bewegliehsten Augen hat wahrseheinlieh ein Reptil, nimlich das Cham~- leon, wenn man nicht einige VSgel z. B. M6ve und Cormoran an die Spitze stellen will. ])as Chameleon maeht aber im Mlgemeinen nnr sehr l~ngsame trS~ge KSrperbewegungen. JedenfMls sind diese Tiere den h6heren Sgugern an Augenbewegtiehkeit erheblich iibertegen, gar nicht zu spreehen yon ihrer ~berlegenheit gegeniiber den Nagern (Kanin- chen). Wit k6nnen die Fakgoren, die dem einen Tiere bewegliche Augen

Page 10: Ophthalmostatik und Ophthalmokinetik

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Abb. 1. Monoku]ares und binokula~es Sehen der V6gel. In O schneiden sich die Gesichtslinien der binokulBren Maculae b; O, m sind die Gesichtslinien der monokularen ~[aculae. Wird die Strecke ~ y gereizQ so kann einmal zur binokularen Eins~ellung die binokalare Macula b ein- gestellt werden oder die monokulare m. Diese Strecke ist also motorisch doppelwertig, so daB, wie die Abb. zeigt, bei :Reizung der Strecke y b einmal der AuBenwender, das andere Mal der

Innenwender zur Kontraktion gereizt wird, G.o. = Ganglionopticum.

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geben, dem snderen nieht, noeh in keiner Weise tibersehen. Jedenfalls spielt hier nicht nur die Erhaltung des Gleichgewichtes im engeren Sinne eine Rolle, sondern such die Lebensweise, das Erhasehen der Beute usw. DaB die Lebensweise einen grogen EinfluB ausfibt, ist js fraglos, denn vertciimmerte Augenmuskeln linden sieh nm " bei Tieren, die im Ddmmern leben, z .B. Eulen und Fledermsus. Aber gerade bei den Eulen ist es uns noeh vStlig unklar, warum hier dig Bewegliehkeit voll- kommen gesehwunden ist, da doeh die Eulen sls Flieger die Augen als Gleichgewiehtsorgan wohl gebrsuehen k6nnten und such, wie wir sehen, gebrauehen. Im Mlgemeinen linden wir die bewegliehsten Augen bei Tieren, die sieh v o n d e r Jagd au/ lebende Tiere ern~hren z. B. bei den Oetopoden, den ~eptilien, den TsuehervSgeln und den l~subsEuge- tieren, w/~hrend die p/lanzen/ressenden, wie bei den Vdgeln das Huhn, bei den Siiugern die Nager, wenig bewegliche Augen besitzen. Diese Tiere brauehen eben nicht eine so schnelle Orientierung zur Nahrungs- suehe. Aber auch dieses ist kein Gesetz, denn dig Eulen und F]eder- meuse mit unbewegliehen Augen erhaschen auch lebende Beute im Ylug. Ko///ca erklErt die Versehiedenheit der Augenstetlung bei Raub- und Herdent, ieren mit ihrer Lebensweise, well erstere besser Distanzen ~bmessen mfissen. Dies trifft abet auch nieht zu, denn Herdentiere, wie Pferde und Gemsen miissen beim Sprung Distanzen mindestens so gut abmessen kSnnen. Bei msnehen Tieren finden wir die kompensato- risehen Bewegungen am ausgiebigsten in den Ebenen, in denen sie den Kopf am meisten bewegen, z .B. Rotlungen bei Ksninehen, ~nderer- seits weisen wieder Huftiere, dig beim Weiden ihren Kopf noeh aus- giebiger bewegen, weniger grebe l~ollungen auf und ein Vogel wie der Flamingo, der seinen Kopf bei der Nahrungsaufnahme oft direkt um 180 ° umkehrt, zeigt iiberhaupt keine bemerkbaren kompensatorisehen Abweiehungen der Augen. Bei den Sdi~gern hsben ansehei~end die- jenigen die grg/3te Beweglichkeit der Augen. die aueh m6gliehst unab- h~ingig ihre einzelnen Gliedma/Jen bewege~t k6nnen, so z .B. die Raub- tiere, die FuB vet FuB vorstreeken und sieh an i hre Beute heransehlei- then k6nnen, w/~hrend Nager, wie die Kaninehen, mit mangelnder Spon- tanbewegliehkeit, nur hiipfend sieh bewegen. An anderen, sehr beweg- lichen Nagem, wie z. B. dam EiehhSrnchen, konnte ieh Mlerdings such keine spontan bewegliehen Augen beobaehten. Hurries meint, dab das Binolcularsehen der A//en and der Mensehen sieh gteiehzeitig mi/G der Hand als Grei/organ entMekele. D~naeh m/igten z. B. die Papageien aueh besser binokular sehen als die iibrigen V6gel, da sic ihre F~nge ausgesprochen zum Greifen benutzen. DiGs trifft wohI nieht zu. Immer- bin zeigen viele Papageien deutliche spontane Ab. und Konvergenz. Daft die beweglichen Augen ein wiehtiges Mittel zur Orientierung im ~aum sh~d, beweisen am besSen die optischen St.eltre/lexe, die Magnus

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und de Kleyn untersuchten. Nur Tiere mit spontan beweglicher~ Augen, wie Katzen, Hunde, AMen waren imstande, den Kopf wieder richtig ein- zustetlen, w~hrend das Kaninchen mi~ seinen spontan unbeweglichen Augen dies nicht konnte. Unter den VSgeln scheint ein Untersehied zu bestehen. Ewald berichtet yon der Taube, dab sie n~ch beiderseitiger Labyrinthexstirpation nut bei offenen Augen den Kopf wieder ein- ste]len konnte, was die Dohle nicht vermoehte. Dieses miiltte noch ge- nauer untersucht werden.

Bei S~ugern ist ffir die optischen Stellreftexe die Erhaltung des Gro~- hirns n5tig.

Zweifellos h~ngen vielfach mit jeder bestimmten Augenbewegung auch bestimmte Realctionen b~stimmter Muslcdn des i~brigen Kgrpers zusammen, d. h. mit dem Impu]s fiir eine Augenbewegung naeh einer bestimmten Richtung werden auch gleichzeitig bestimmte Hals- und sonstige Mus- keln innerviert. Hieriiber fehlen noch genauere Untersuchungen. Be- obachtungen der neuesten Zei¢, tehren, dal~ beim Mensehen Augenbewe- gungen ohne Kopibewegungen nut bis 12 ° angewandt werden; ist die Bliekbewegung grSfter, so tritt gleichzeitig eine Kopfbewegung ein. Es gehSrt ja bei nns Menschen eine fast unangenehme Unterdriickung der Innerva, tion der Halsmuskeln dazu, wenn wir ext.rem ohne Kopf- bewegung nach der Seite sehen wollen. Das Kommando ,,Augen rechts" muI~ gelernt werden. Es ist schon erw~hnt, da[~ noeh S~uglinge, wie vide Tiere, die Augenbewegung zum Tefl ganz durch Kopibewegungen ersetzen. Dal~ diese gleiehzeitige Innervation bei manchen Wirbeltieren fehlt, zeigt das Cha~m~,leon, d~s seine Augen bei unbeweglichem Kopf naeh alien Seiten wandern l~Bt. Die gleiehzeitige Augenmuskel- und Kopfwendemuskelinnervation besteht wohl haupts~chhch bei Tieren mit ausgesproehenem Binokularsehen. Die Wirkung eines Augenbewegungs- impulses auf die iibrige KSIxoermuskulatur miil~te noeh untersucht wet- den. Andererseits sahen wir bei einigen V8geln, dal~ erst bei fixiertem Kopf ausgiebige monokulare Augenbewegungen auftreten. Der Ein- flul~ der durch Augenbewegung bewdrkten Stellung des ganzen KSrpers zeigt sich besonders bei niederen Crustaceen. Die Da, phnien bewegen erst ihre Augen nach dem Lieht und suehen dann den KSrper symme- trisch einzustellen, gber es besteht aueh bei den hSchsten S~ugern das Bestreben, mit den Augen zugleich den iibrigen KOrper symmetriseh zmn Lichtst.rahl zu orientieren.

Zusammenwirken der Reflexe, die Augenbewegunffen auslSsen. Wenn wir noch einm~l alle Re/lexe, die au/ die Augenmuskeln wirken,

in einem Schema zusammenfussen, so haben wir phototrope, vestibuldre, per@her-sensible (Ha, ut, Orbit, algewebe, Muskeln-, Glieder-, ttulsaugen- bewegungen) und cortico.cerebrale (autom~tische und fixierende). Im

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beifolgenden Schema (Abb. 2 ) ist durch Pfeile die Richtung tier zentripetalel~ und zentrifugalen Bahnen gezeichnet. Wie aus dem Schema hervorgeht, nehmen wir an, dab verschiedene Re/lexe die Augen in derselben Rich- tung bewegen, so die vestibularen, die IIMsaugenreflexe und die corti- calen, ngmlich nach der Gegenseite. Bei bestimmten zentraten Er- kr~nkur~gen scheint sich dies Verh~,ltnis 5ndern zu k6nnen (Goldstein, beziiglich der H~ls- und Vestibularreflexe). Die muskul~ren wie die sen- siblen geflexe der OrbitMgewebe haben keine bestimmte t~ichtung, sie suchen wohl nur die Augen in einer mittleren Ruhelage zu erhalten, und ~%ken so bei Abweichungen, die die erstgenannten Refiexe hervorrufen, diesen entgegen. Die Wirkung der cutanen Sensibilit~t (Fische) ist noeh zu wenig geklBrt, um eingereiht werden zu kSnnen. Sehwerlich werden wohl fiir a le Reflexe verschiedene Fasersysteme benutzt, sondern viel- fach dieselben, nur mit anderer Erregung. DaB dies m6glich ist, zeigte

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Abb, 2.

Hess ja an Pupillen- und optischen Bahnen. Bemerkenswert ist, dab Mle Augenbewegungsbahnen irgendwie mit dem eigentliehen Gleich- gewichtszentrum in der Medulla oblong~t~ zusammenhBngen. D.h . sie stehen in Verbindung mit dem Vestibu]ariskern, der ja in der ganzen Tierreihe als Nucleus motorius tegmenti (Deiters) sich verfolgen liBt und Beziehungen zu alien Bewegungsorganen hat. Es fragt sich auch, ob die einzelnen Augenbewegungsb~hnen ein ftir Mlem~l fixiert sind. Marina verneint dies auf Grund seiner Versuche mit Angenmuskelver- pIlanzungen an Affen (doch sind diese Versuche nicht beweisend, siehe Barrels). Bei den Eulen konnte ich zeigen, dab die Augenmuskelnerven und Bahnen erhalten sind, dab sie aber nieht der Augenbewegnng dienen kSnnen. Also phylogenetiseh sind die Bahnen hier nieht fixiert. D~s Zusammenwir]cen einiger Re/lexe sehen wir wohl am deut.- 5ehsten am optomotorischen Nystagmu8 und beim vestibul5ren Drelt- ~ystagmus. Die Form der Augenbewegungen ist fiir beide dieselbe. Die

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Erregungen unterstiitzen sich. Fgllt ein Reiz weg, z. B. nach Blendung oder naeh LabyrinthzerstSrung, so kann der fibrigbleibende bei den meisten Wirbeltieren geniigen, um noch Nystagmus auszulSsen. Es ist dies aber nicht immer der Fall, z. B. hSrt beim Kaninehen jeder Ny- st~gmus nach LabyrinthzerstSrung atff. Er bleibt nur erhalten bei Tieren mit spolltan beweglichen Augen. Die St~rke des optisehen oder vestibul/~ren Anteits an dem Drehnystagmus richter sich naeh der St~rke der spontanen Fixierm6glichkeit. Das sprieht sich aueh darin aus, dab die Folgen einseitiger Labyrinthzerst6rung yon Tieren mit spontan be- wegliehen Augen viel sehneller iiberwunden werden. Ffir die kompen- sierenden Daueraugenreflexe der Lage trifft dasselbe, nur nieht so aus- gedehnt, zu, sie fallen auch bei h6heren Tieren ganz oder zum Tell naeh Labyrint-hzerstSrung aus, k6nnen also durch Fixation nieht ersetzt werden, sie sind abet wie die Rollung beim N:ensehen spontan aueh nieht ausfiihrbar. Einzelne Crustaeeen erhalten ihre kompensierenden Augenbewegungen nach Ausfallen des Gleichgewichtsorganes dureh op- tische Eindriicke. Die meisten verhalten sieh allerdings wie die K~nin- ehen, so aueh die Octopoden und Fische, denen die kompensatorischen Augenbewegungen nach der ZerstSrung des Vestibularapparates fehlen. Die V6gel dagegen kSnnen augenscheinlieh die vestibulgren Augenbewe- gungsreflexe dureh optische weitgehend ersetzen, da ihnen die Dauer- reflexe der Lage fehlen. Nach Wegfall der labyrinth~ren Augenbewe- gungen bleiben bei den erstgenannten Tieren die HMsaugenbewegungen noeh erhalten.

Man kann sagen, je mehr ein Tier auf die Proprioreflexe mit Augen- bewegungen reagiert, desto weniger kann es spontan fixieren und um- gekehrt. Das Kuninehen hat in der Entwieklung augenscheinlieh die spontane Beweglichkeit, die doeh die Sauropsiden besitzen, verloren und ist auf die Proprioreflexe angewiesen. Es ist also rudimentgr in bezug auf die Augenbewegungsm6gliehkeiten. Der obige Satz des Ver- h~ltnisses zwisehen spontaner und proprioreflektoriseher Augenbeweg- lichkeit wird dureh die Starrheit der Eulenaugen nieht umgestoBen, denn bier werden die Augenbewegungen ganz dureh Kopfbewegungen ersetzt, beim Kaninchen nieht. Man kSnnte naeh den Augenbewegungs- reflexen phototrope, vestibuliire und _Fixiertiere unterscheiden, deren Ein- ordnung sieh mit der gebrguchlichen Systematik nieht deckt, da wir ja, wie erwi~hnt, Fixiergiere bei den Crustaceen vorfinden, dagegen bei einigen Sgugern vermissen. Die peripher-sensiblen Reflexe spielen eine mehr sekund~ire Retie, wenigstens sind bisher keine Tiere bekannt, bei denen sie tiberwiegen.

Aber nicht nur unter den einzelnen Arten herrsehen die genannten Reflexe in verschiedener Weise vor, sondern aueh in den Entwicklungs- zeiten der Ontogenie der einzehlen Tiere. Im EmbryonM- bzw. Jugend-

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stadium haben z. B. aueh beim Menschen zei~weise hauptsgehlich die vestibularen Reflexe Einflug auf die Augenbewegungen.

Wenn wit zusammenfassend fragen, woher es kommt, dab einma~t diese, einmal jene Augenbewegungsreflexe in der Tierreihe iiberwiegen, so k6nnen wir eigentlich nur sagen (wie ja ~ueh aus unserer Darstellnng hervorgeht), wir wissen es nioht. Der Satz, daft die Funktionsanspriiche die Organfghigkei~en entwickeln, tg6t sich an den Augenbewegungen nieht beweisen. Wit k6nnen vor allen Dingen nieht erklgren, warum die Augenbewegungsm6gtichkeiten bei sehenden Augen vertorengehen. Im Kampf um das Da.sein sollte man meinen, k6nnten alte diese Augen- bewegungsreflexe allen Tieren Diens~e zur Orientierung leisten, zumal wenn sie einmal in der Tierreihe entwiekelt waren. Vom Standpunkte der vergleiehenden Augenbewegungslehre aus ist die heutzutage ange- nommene Entwieklungsreihe nieht zu verstehen.