paper schwarz-gelbe gespol (2010 04 03a)
TRANSCRIPT
Michael Simon
Vom Zusatzbeitrag über die Gesundheitsprämie zur
Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung –
Das zentrale gesundheitspolitische Projekt der schwarz-gelben
Regierungskoalition 2009-2013
März 2010
‐2‐
Prof.Dr.MichaelSimon
FakultätV–Diakonie,GesundheitundSoziales
FachhochschuleHannover
Blumhardtstr.2
30625Hannover
Email:michael.simon@fh‐hannover.de
‐3‐
Inhalt
1 Einleitung........................................................................................................................................................5
2 GesundheitspolitischeAussagenimKoalitionsvertrag ...........................................................11
2.1GesetzlicheKrankenversicherung............................................................................................12
2.1.1Organisationsstrukturen..................................................................................................12
2.1.1.1BeteiligungderArbeitgeberanderSelbstverwaltungder
Ersatzkassen ...........................................................................................................12
2.1.1.2BeschränkungderKompetenzendesSpitzenverbandesBund
derGKV .....................................................................................................................14
2.1.1.3AnwendungdesallgemeinenWettbewerbsrechtsaufdie
gesetzlicheKrankenversicherung .................................................................15
2.1.2FinanzierungdergesetzlichenKrankenversicherung ........................................18
2.1.2.1MaßnahmenzurÜberbrückungkrisenbedingter
Einnahmeausfälle .................................................................................................19
2.1.2.2DauerhafteFestschreibungderArbeitgeberbeiträge...........................22
2.1.2.3Umstellungaufeinkommensunabhängige
Arbeitnehmerbeiträge........................................................................................23
2.1.2.4ReduzierungundVereinfachungdesRisikostrukturausgleichs ......33
2.1.2.5AdäquatesVerhältnisvonBeitragundLeistung.....................................36
2.1.3LeistungskatalogdergesetzlichenKrankenversicherung ................................40
2.1.3.1MehrGestaltungsfreiheitfürdieVersicherten ........................................40
2.1.3.2AusweitungderKostenerstattung ................................................................41
2.1.3.3AusweitungderMehrkostenreglungen ......................................................45
2.1.3.4WahltarifeinKooperationmitderPKV......................................................47
2.2PrivateKrankenversicherung ....................................................................................................50
3 Das'Gesundheitsprämienmodell'vonCDUundFDP ..............................................................52
3.1ProgrammatischePositionenderCDUzurZukunftderGKV .......................................55
3.1.1ZukunftderVersicherungspflicht ................................................................................55
3.1.2OrganisationsstrukturenderGKV ...............................................................................57
3.1.3FinanzierungdergesetzlichenKrankenversicherung ........................................58
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3.2ProgrammatischePositionenderCSUzurZukunftderGKV........................................69
3.3ProgrammatischePositionenderFDPzurZukunftderGKV........................................72
4 Das‚Gesundheitsprämienmodell’:StrategischesKonzeptfürdie
AbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherung ...............................................................79
4.1DiegesetzlicheKrankenversicherungalsSozialversicherung:
ZentraleMerkmaleder‚sozialenKrankenversicherung’inDeutschland ...............82
4.2AbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherung:
BedeutungfürVersicherteundGesundheitssystem........................................................86
4.2.1BedeutungfürdieVersicherten....................................................................................86
4.2.1.1ZugangzurKrankenversicherung.................................................................87
4.2.1.2WechselderKrankenkasseoderdes
Versicherungsunternehmens ..........................................................................90
4.2.1.3VerlustdesVersicherungsschutzes ..............................................................91
4.2.1.4LeistungsumfangundLeistungsgewährung .............................................91
4.2.1.5Fazit ............................................................................................................................93
4.2.2BedeutungfürdasGesundheitssystem .....................................................................97
5 Der‚Sozialausgleich’im‚Gesundheitsprämienmodell’ ......................................................... 103
5.1ZurFragederBerechnungsgrundlagederBeitragspauschalen............................... 105
5.2‚Sozialausgleich’–eineirreführendeFehletikettierung .............................................. 108
5.3Steuerfinanzierter‚Sozialausgleich’:EineMaßnahmezurVerbesserung
dersozialenGerechtigkeit? ...................................................................................................... 112
5.3.1ZurKritikamunzureichendensozialenAusgleichindergesetzlichen
Krankenversicherung..................................................................................................... 115
5.3.2Sozialversicherung–derfalscheOrtfürdensozialenAusgleich?.............. 118
5.3.3DersozialeAusgleichinderGKV–nurzwischenGesunden
undKranken?..................................................................................................................... 119
5.3.4SozialpolitischbegründeteUmverteilung–keineAufgabeder
Sozialversicherung? ........................................................................................................ 124
5.3.5SteuerfinanzierterSozialausgleich–dassozialgerechtereModell? ......... 124
6 Schlussbetrachtung .............................................................................................................................. 134
7 Literatur .................................................................................................................................................... 136
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1 Einleitung
NachdemsiebeiderBundestagswahlvom27.September2009einegemeinsameMehr‐
heit erreicht und sich in mehrwöchigen Verhandlungen auf ein gemeinsames Regie‐
rungsprogrammgeeinigthatten,unterzeichnetendieVertreterderCDU,CSUundFDP
am26.Oktober2009denKoalitionsvertragfüreineneueschwarz‐gelbeRegierungsko‐
alition.DerThemenbereich„GesundheitundPflege“gehörteoffenbarzudenschwierig‐
stenVerhandlungsbereichen,undeineEinigungkonnteerstdurchdieInterventionder
Parteiführungenerzieltwerden. Imca.130Seiten langenKoalitionsvertragnimmtdas
Kapitel9„GesundheitundPflege“mitca.9SeiteneinenvergleichsweisegeringenPlatz
ein.SeineBedeutung lässtsichabernichtanderSeitenzahlablesen,wienichtnurdie
schwierigen Verhandlungen, sondern vor allem die nachfolgenden Diskussionen bele‐
gen.Die gesundheitspolitischenVorhabendürfennebenderFinanz‐ undSteuerpolitik
wohlzudenzentralenProjektenderneuenRegierungskoalitiongezähltwerden.
Wegen der besonderen Bedeutung und öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Gesund‐
heitspolitikseitJahrzehntengenießt,richtetesichdieAufmerksamkeitderMedienwie
auchderBundestagsoppositioninstarkemMaßeaufdasbetreffendeKapiteldesKoali‐
tionsvertrages,inderHoffnung,dortzuerfahren,wasdieneueRegierungskoalitionfür
dienächstenvierJahreplant.DerBlickindenKoalitionsvertragverschafftjedochwenig
Klarheit darüber, denn die dort zu findenden Formulierungen sindweit überwiegend
entweder sehr allgemein gehalten oder so gehalten, dass sie ohne fundierte und um‐
fangreicheKenntnissedesGesundheitssystemsunddergesundheitspolitischenDiskus‐
sionenderletztenJahreletztlichnichtzuverstehensind.AberauchderindieseFelder
‚eingeweihte’interessierteundeinigermaßensachkundigeLeserkannanvielenStellen
diehinterdenFormulierungenliegendenBedeutungennurerahnen.
VordiesemHintergrundversuchtenFachjournalisten in Interviewsmit führendenGe‐
sundheitspolitikernderKoalitionAufklärungdarüberzuerhalten,wassichhinterden
vagenunduneindeutigenSätzenverbirgt.AberauchdiezahlreichenEnde2009undAn‐
fang2010geführtenInterviewsbrachtennurwenigAufklärung.BetrachtetmandieMe‐
dienberichterstattungundöffentlicheDiskussionüberdie gesundheitspolitischenVor‐
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habenderneuenRegierungskoalition,soistderbeherrschendeEindruckdereinerrela‐
tivbreitenVerunsicherungundUnklarheitüberdas,wasvonderneuenRegierungauf
demFeldderGesundheitspolitikzuerwartenist.1
Da sowohldieCDUalsauchdieFDP indenvorhergehenden Jahren füreinvon ihnen
‚Gesundheitsprämienmodell’genanntesReformkonzepteintraten,wareinederzentra‐
lenFragen,obdennnundieKopfpauschaleoderGesundheitsprämiekomme.Aufdiese
Frage bot der Koalitionsvertrag – zumindest auf den erstenBlick – keineAntwort. In
ihm erscheint weder der Begriff ‚Gesundheitsprämie’ noch ‚Kopfpauschale’. Erst nach
undnach legtendie führendenGesundheitspolitikernvonCDUundFDP in Interviews
offen, dassmit der imKoalitionsvertrag formuliertenAnkündigung einer neuen „Ord‐
nung“mit „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen
werden“ (CDU/CSU/FDP 2009: 86) die Einführung des ‚Gesundheitsprämienmodells’
gemeintist.
Auch die überMonate gehende Diskussion über das Volumen eines ‚Sozialausgleichs’
unddieFrageseinerFinanzierbarkeittrugeherzurVerwirrungbei,alsdasssieKlarheit
schuf.SelbstfürdeninteressiertenBeobachterdürftekaumnachvollziehbargeworden
sein, warum Kritiker des ‚Gesundheitsprämienmodells’ (Lauterbach/Lüngen/Büscher
2009) einen Finanzierungsbedarf von knapp 40 Mrd. Euro errechneten, der Gesund‐
heitsminister(Rösler2010b)abernuraufwenigerals10Mrd.Eurokam.AuchdieEr‐
klärungderpolitischenFührungdesGesundheitsministeriums,Zahlenvon20‐40Mrd.
EuroseiennichtdieZahlendesBMG,weilihnennichtdasKonzeptderRegierungskoali‐
tionzuGrundeliege,schufkeineKlarheit,dadasKonzeptderRegierungnichtbekannt
war und erst von einer zum damaligen Zeitpunkt noch nicht berufenden Regierungs‐
kommissionerarbeitetwerdensollte.
BisEndeMärz2010,demZeitpunktderFertigstellungdervorliegendenUntersuchung
und immerhin fast ein halbes Jahr nachUnterzeichnung desKoalitionsvertrages, hielt
sichdieseUnklarheitundVerunsicherungundwirdvoraussichtlichnochmindestensbis
nachdenLandtagswahleninNordrhein‐Westfalenandauern.Esscheintunterdenfüh‐
rendenGesundheitspolitikernderKoalitionvereinbartwordenzusein,Einzelheitender
1 UmnureinBeispielanzuführen:Nachdemdie„MärkischeAllgemeine“MitteMärz2010gemeldethat‐
te, dasGesundheitsministeriumplaneeinePauschale von29Euro,unddaraufhindie SpekulationenneueBlütentriebenunddasBMGdementierte,kommentierteBergius inderFrankfurterRundschaudieSituationunterdertreffendenÜberschrift„AllgemeineVerunsicherung“(FrankfurterRundschau,16.03.2010:4).
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geplantenReformdergesetzlichenKrankenversicherungaufkeinenFallvorderNRW‐
WahlandieÖffentlichkeitgelangenzulassen,dadavonoffenbarnegativeAuswirkungen
aufdieWahlergebnissevonCDUundFDPerwartetwerden.ErstnachderLandtagswahl
inNordrhein‐Westfalen am9.Mai 2010kannwohl damit gerechnetwerden, dass die
VertreterderRegierungskoalition in ihrenAussagenüberdie für2011geplantegroße
Gesundheitsreformkonkreterwerden.
DassindenKoalitionsverhandlungenundindendarauffolgendeninternenGesprächen
bereitsdeutlichmehrvereinbartwurde,alsesderKoalitionsvertragzuerkennengibt,
wirdallerdingserstbeieinereingehendenAnalysederzahlreichenmündlichenÄuße‐
rungenführenderGesundheitspolitikerderKoalitiondeutlich.DieFragenachdenver‐
einbarten gesundheitspolitischen Vorhaben lässt sich in zentralen Punkten aber auch
aufGrundlageprogrammatischerDokumentevonCDUundFDPbeantworten.Einesol‐
cheeingehendeRechercheundAnalyseübersteigtallerdingsdieMöglichkeitenderMe‐
dienberichterstattung. Sie zu leisten fällt vielmehr in denAufgabebereichderWissen‐
schaft,dieinsbesonderemitdenMethodeneinerqualitativenInhaltsanalysevonDoku‐
mentenundInterviewsZusammenhängeerschließenundoffenlegenkann,diesichohne
einesolcheAnalysenichtodernichtohneweitereserschließenlassen.
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, auf demWeg inhaltsanalytischer Erschlie‐
ßungherauszuarbeiten,welcheZieleundVorhabenimKoalitionsvertragenthaltensind.
ZudiesemZweckwirddasentsprechendeKapiteldesKoalitionsvertrageszunächstei‐
nereingehendenAnalyseunterzogen.DiedarinenthaltenenAussagenwerden–soweit
sichan ihnenkonkreteVorhabenablesen lassen–mitdengegenwärtigenRegelungen
desSozialrechtsunddengesundheitspolitischenDiskussionenderletztenJahreabgegli‐
chen,undausdiesemAbgleichwerdendieausdenFormulierungendesKoalitionsver‐
tragesabzuleitendenVorhabenherausgearbeitet.ZurUnterstützungderInterpretation
des Koalitionsvertrages wird zusätzlich auf Aussagen führender Gesundheitspolitiker
derKoalitionausInterviewsundBundestagsredenzurückgegriffen.
DieAnalysewirdsichaufAussagenzurZukunftdergesetzlichenKrankenversicherung
konzentrierenunddabeiauchdieAussagenzurprivatenKrankenversicherungmitein‐
beziehen.DieangestrebteReformdergesetzlichenKrankenversicherungistoffensicht‐
lichdas zentralegesundheitspolitischeProjektderneuenRegierungskoalitionundhat
weit reichendeBedeutung fürdieZukunftdesGesundheitssystems insgesamt.Wiedie
Analysezeigenwird,istdieUmstellungaufeinkommensunabhängigeBeitragspauscha‐
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len nicht letztes gesundheitspolitisches Ziel von CDU und FDP. Die Abschaffung ein‐
kommensbezogenerArbeitnehmerbeiträgeundderenschrittweiseUmwandlunginein‐
kommensunabhängigeBeitragspauschalen istnureinnotwendigerundwichtigerZwi‐
schenschritt hin zum letztendlichenZiel, unddas ist dieAbschaffungder gesetzlichen
Krankenversicherung.
DieEinbeziehungderübrigenimKoalitionsvertragenthaltenenAussagenüberdieUm‐
gestaltungeinzelnerBereichedergesetzlichenKrankenversicherungkanndarüberhin‐
ausaufzeigen,dassdiesesVorhabendurchweiteregeplanteÄnderungenindergesetzli‐
chenKrankenversicherung flankiertwerdensoll,unddassdieUmwandlungderKran‐
kenkassen inprivateVersicherungsunternehmenbereits seit längerem ineinerPolitik
derkleinenSchrittedurchdiesukzessiveEinfügungvonElementenderprivatenKran‐
kenversicherungindiegesetzlicheKrankenversicherungverfolgtwird.
ZentralesAnliegenderUntersuchung ist es, das derÖffentlichkeit bislangweitgehend
verborgen gebliebene zentrale Vorhaben der neuen Regierungskoalition, die Abschaf‐
fung der gesetzlichen Krankenversicherung und Überführung des gegenwärtigen Sy‐
stemsineinreinesPKV‐System,offenzulegen.
SolltedieAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungrealisiertwerden,würde
diesdiegegenwärtigeGesamtkonstruktiondesdeutschenGesundheitssystemsinFrage
stellen und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Notwendigkeit einer umfassenden und
grundlegendenNeujustierungdesgesamtenRegelungssystemsnachsichziehen.Denn–
unddieswirdausgehendvoneinereingehendenAnalysedes ‚Gesundheitsprämienmo‐
dells’vonCDUundFDPherausgearbeitet–diegesetzlicheKrankenversicherungist im
deutschen Gesundheitssystemmehr als nur Finanzierungsträger. Krankenkassen sind
SozialversicherungenundnehmenalsKörperschaftendesöffentlichenRechtsFunktio‐
nendermittelbarenStaatsverwaltungwahr.IhreprimäreundwichtigsteAufgabeliegt–
wieesdasBundesverfassungsgerichtineinemGrundsatzurteilausdemJahr1975fest‐
stellte–„indemVollzugeinerdetailliertenSozialgesetzgebung,gleichsamnachArteiner
übertragenenStaatsaufgabe“(BVerfGE39,302[313]).Wird ihnenderzentraleKern–
und das ist der soziale Ausgleich als Verwirklichung des tragenden Solidarprinzips –
entnommen,sozieltdiesdirektaufdieAbschaffungderalsSozialversicherungverfass‐
tengesetzlichenKrankenversicherunginDeutschland.
UndderKerndessozialenAusgleichundSolidarprinzips indergesetzlichenKranken‐
versicherunginDeutschlandistdieFinanzierungübereinkommensabhängigeBeiträge.
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Auch dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach in Grundsatzentschei‐
dungenklargestellt.DieAbschaffungeinkommensabhängigerBeiträgebedeutetfolglich
mehralsnurdieUmstellungeinerFinanzierungstechnik.UnddieBedeutungeinessol‐
chenSchrittesgehtweitüberdieFragehinaus,obessozialgerechtist,wenneinePutz‐
fraudenselbenBeitragzahltwieeinTopmanager(wiediesindenletztenMonatenviel‐
fachalsBeispielzurVeranschaulichungformuliertwurde).
Die einkommensunabhängigen Beiträge des ‚Gesundheitsprämienmodells’ zielen auf
densozialenKerndergesetzlichenKrankenversicherungundsollenihnzerstören.Das
wiederum ist zentrale Voraussetzung für den nächsten darauf folgenden Schritt, die
UmwandlungderKrankenkasseninprivateVersicherungsunternehmen,dieihrePrämi‐
en nach den für die PKV verbindlichen „versicherungstechnischenMethoden“ berech‐
nen,unddasheißt:risikoäquivalent,alsoinAbhängigkeitvonAlter,Geschlechtundvor
allem individuellem Gesundheitszustand bzw. individuellen Vorerkrankungen und
Krankheitsrisiken. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der vorliegenden Untersu‐
chung:dieUmstellungauf einkommensunabhängigeBeitragspauschalen istnichtEnd‐
ziel,sondernnurnotwendigerZwischenschritthinzueinemreinenPKV‐System.
DieseZielorientierungerschließtsichallerdingsnicht–wiebereitsangesprochen–aus
denFormulierungendesKoalitionsvertragesundauchnichtausdenÄußerungen füh‐
render Gesundheitspolitiker der schwarz‐gelben Koalition. Erst der Blick in die pro‐
grammatischenDokumentevonCDUundFDPkannhierdieKlarheit schaffen,dieder
Koalitionsvertrag – offenbar aus wohlüberlegtem strategischen Kalkül – nicht bietet.
InsofernfälltdienachfolgendzitierteKritikdesCDU‐BundestagsabgeordnetenKoschor‐
rek,gerichtetandieAdressederOpposition,aufdieVerfasserdesKoalitionsvertrages
zurück:
„DenKoalitionsvertraghaben Sie sicherlich auch gelesen.Unbedingt dazu gehört aber, dassmandas,wasmangelesenhat,auchversteht,unddahabenSieoffensichtlicheinwenigNachholbedarf“(Koschorrek2009b:287).
InderTat istderKoalitionsvertragso formuliert,dassesnichtausreicht, ihnzu lesen,
um ihn zu verstehen.Das ist aber keineswegsmangelnden intellektuellenFähigkeiten
dernicht indie internenAbspracheneingeweihtenLesergeschuldetalsvielmehrdem
Umstand, dass es sich um einen ‚verschlüsselten’ oder ‚chiffrierten’ Text handelt, für
dessenVerständniseinspezieller‚Dechiffrierungscode’erforderlichist.Dievorliegende
UntersuchungkannindiesemSinnealsVersucheinerDechiffrierungunterZuhilfenah‐
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me programmatischer Dokumente und mündlicher Äußerungen führender Gesund‐
heitspolitikervonCDUundFDPverstandenwerden.
DieUntersuchungistwiefolgtaufgebaut:ZunächstwirdderKoalitionsvertragdaraufhin
analysiert, welche Aussagen zur Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung darin
enthaltensindundwelcheVorhabensichandenbetreffendenAussagenablesenlassen.
DaranschließtsicheineDarstellungdes‚Gesundheitsprämienmodells’vonCDUundFDP
an,dasdarauf folgendeiner systematischenKritikunterzogenwird.Wegenseinerbe‐
sonderenStellungindergegenwärtigengesundheitspolitischenDiskussionwirdimAn‐
schlussdarandersogenannte‚Sozialausgleich’näherbetrachtet.DieserBegrifferweist
sichbeinähererBetrachtungalsirreführende‚Fehletikettierung’,denngeplantistnicht
ein umfassender ‚sozialerAusgleich’,wie ihn die gesetzlicheKrankenversicherung ge‐
genwärtiggewährleistet,sondernlediglicheinstaatlicherBeitragszuschussfürhilfebe‐
dürftige Geringverdiener. Im Rahmen der Erörterung werden auch die zentralen Be‐
gründungsmuster für die Einführung eines steuerfinanzierten ‚Sozialausgleichs’ einer
systematischenKritikunterzogen.Dabeiwirdauchherausgearbeitet,dassdieUmstel‐
lung auf eine Steuerfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung keineswegs
zwangsläufig zu einer sozial gerechten Verteilung von Finanzierungslasten führt, wie
diesvonführendenVertreternderRegierungskoalitionbehauptetwird.
Es bleibt noch darauf hinzuweisen, dass derText an einigen Stellen bewussteRedun‐
danzenenthält.DamitaucheinzelneKapitel fürsichgenommenundfüreinenselektiv
vorgehendenLeserverständlichsind,werdengelegentlichwesentliche Inhaltevorher‐
gehenderKapitelkurz rekapituliert,die fürdasVerständnisdes jeweils folgendenAb‐
schnittsnotwendigerschienen.
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2 GesundheitspolitischeAussagenimKoalitionsvertrag
Die gesundheitspolitischen Aussagen des Koalitionsvertrages finden sich in Kapitel 9
„Gesundheit undPflege“ (CDU/CSU/FDP2009:84‐93).Diedort enthaltenenAussagen
sind–wiederKoalitionsvertraginsgesamt–weitüberwiegendsehrallgemeinundvage
gehalten.NurwenigeAussagensindsoeindeutig,dassinihnenkonkreteVorhabener‐
kennbar werden. Die nachfolgende Analyse beschränkt sich auf Aussagen, die hinrei‐
chendkonkretsind,umausihnenbestimmteVorhabenoderRichtungengeplanterVer‐
änderungenableitenzukönnen.
NichteingegangenwirdaufAussagenundPassagen,dieoffenbarallgemeineGrundsät‐
ze, grundlegendeOrientierungen und tragendeWerthaltungen zumAusdruck bringen
sollen.Ebensonicht indieAnalyseeinbezogenwerdenAussagendiezwardenGegen‐
standsbereichbenennen,abernichtsoeindeutigsind,dassdieRichtungeinergeplanten
Veränderungerkennbarwird. Sofern sichhinterdenAussagendes zweitenTypskon‐
krete bereits intern vereinbarte Vorhaben verbergen, dürften sie nur denMitgliedern
derVerhandlungskommissionoderArbeitsgruppebzw.deminnerenKreisderVerhand‐
lungsführungen bekannt sein. Diese Formulierungen könnten aber auchAusdruck da‐
vonsein,dassüberbestimmteVorhabenimRahmenderKoalitionsverhandlungenkein
KonsenszuerzielenwarunddieEntscheidungaufeinenspäterenZeitpunktverschoben
wurde.
Aussagen, in denen allgemeine Grundsätze zum Ausdruck gebrachtwerden, sind bei‐
spielsweise:
„Gesundheithat fürdieMenschen inunseremLandeinehoheBedeutung.Siemüssensicherseinkönnen,dasssieimKrankheits‐undPflegefallgutversorgtsind“(CDU/CSU/FDP2009:84).
„Wirwollen,dassauchinZukunftalleMenscheninDeutschlandunabhängigvonEinkommen,Alter,sozialerHerkunftundgesundheitlichemRisikoweiterhindienotwendigemedizinischeVersorgungqualitativ hochwertig undwohnortnah erhalten und alle ammedizinischen Fortschritt teilhabenkönnen“(CDU/CSU/FDP2009:85).
EineAussage, in der zwar einGegenstandsbereich aber keineRichtung der geplanten
Veränderunggenanntoderangedeutetwird,istbeispielsweise:
„Wir werden die Entwicklung im Basistarif der privaten Krankenversicherung beobachten. DasVerhältnis von reduziertenBeiträgen imBasistarif aufgrund vonHilfebedürftigkeit und demAb‐schlussprivaterZusatzversicherungenwirdüberprüft“(CDU/CSU/FDP2009:86).
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Die Ankündigung von ‚Prüfungen’ finden sich an zahlreichen Stellen des Kapitels. Vor
demHintergrundderneuerengesundheitspolitischenDiskussionoderbereitserfolgter
EntscheidungenderRegierungskoalitionließesicheinmöglicherweisedahinterverbor‐
genesVorhaben teilweise durchaus ‚herauslesen’.2 Eswirdhier jedochbis aufwenige
Ausnahmendaraufverzichtet,dadieszumeistzuspekulativundzuwenigausdemGe‐
samtzusammenhangdesKoalitionsvertragessicherableitbarerscheint.
ImFolgendensollennundieAussagendesKoalitionsvertragesvorgestelltwerden,aus
denensichmehroderwenigereindeutigaufgeplanteVeränderungsvorhabenschließen
lässt.DieDarstellungfolgtentlangeinesKategorienschemas,dasauchalsGrundlagefür
die tabellarische Übersicht gesundheitspolitischer Aussagen in Parteitagsbeschlüssen
vonCDU,CSUundFDPdiente(vgl.Anhang).
2.1 GesetzlicheKrankenversicherung
2.1.1 Organisationsstrukturen
ZudenfürdieZukunftangestrebtenOrganisationsstrukturendergesetzlichenKranken‐
versicherungfindensichdiefolgendenexplizitenAussagenimKoalitionsvertrag:
„WirstrebenindenVerwaltungsrätenallerKrankenkassengemäßdergemeinsamenFinanzierungauchdieVertretungderArbeitgeberseitean“(CDU/CSU/FDP2009:92).
„DieAufgabendesSpitzenverbandesBundderKrankenkassensollensichaufdieBereichekonzen‐trieren,diegemeinsamundeinheitlichdurchgeführtwerdenmüssen“(CDU/CSU/FDP2009:92).
2.1.1.1 BeteiligungderArbeitgeberanderSelbstverwaltungderErsatzkassen
DieersteAussageenthältdieAnkündigungeinereinschneidendenÄnderungderSelbst‐
verwaltungderErsatzkassen.WährendindensogenanntenRVO‐KassenwieAOK,IKKn
2 SoistmitderzuvorzitiertenPassagevermutlichangedeutet,dassderBasistarifeinerkritischenÜber‐
prüfung unterzogen werden soll, eine Abschaffung aber nicht konsensfähig war. Einigkeit bestandvermutlich darin, dass ein gravierendes Problem der Finanzierung der Versicherungsprämien fürHartzIVEmpfängergelöstwerdensoll.EshattesichnachEinführungdesBasistarifsgezeigt,dassinderPKVversicherteHartzIVEmpfängereinenerheblichenTeilihrerVersicherungsprämieselbsttra‐genmüssen,dasichaufGrundeinesFehlersbeiderKonstruktionderbetreffendenRechtsvorschrifteneineLückezwischenderVersicherungsprämieunddemBetragergab,derimRahmenderHartzIVLei‐stungenvomSozialleistungsträgerübernommenwird.DieseLückemüssenprivatversicherteHartzIVEmpfängerselbsttragen.BereitsdiegroßeKoalitionhattedieseLückealsunbeabsichtigtundGesetz‐gebungsfehleranerkannt,konntesichallerdingsnichtaufeineNeuregelungeinigen.
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und BKKn die Verwaltungsräte je zurHälftemit Vertretern der Versicherten und der
Arbeitgeberbesetztsind,werdendieVerwaltungsrätederErsatzkassenbislangnurvon
Versichertenbesetzt.DerKoalitionsvertrag legtdieAnnahmenahe,dassauchdieVer‐
waltungsräte der Ersatzkassen zukünftig sowohlmit Versicherten‐ als auch Arbeitge‐
bervertreternbesetztwerdensollen.
Wie die Sitzverteilung ausgestaltetwerden soll, ist an der Formulierung „gemeinsam“
nichtablesbar.NimmtmandenoffenbaralsBegründunggemeintenVerweisaufdiege‐
meinsameFinanzierung,sorechtfertigtdieserBegründungsansatzkeinehälftigeAuftei‐
lungderSitze,wiesiegegenwärtigindenRVO‐Kassengesetzlichvorgegebenist.Ange‐
sichtsdesbereits vollzogenenAusstiegs ausderhälftigenTragungderBeiträgedurch
ArbeitgeberundArbeitnehmerundderimKoalitionsvertraganandererStelleenthalte‐
nenAnkündigungeinerweiterenrelativenReduzierungdesArbeitgeberanteilsmüsste
dieKoalition–wennsieihrenBegründungsansatzernstnimmt–dieSitzverteilungenin
allenKrankenkassendahingehendändern,dassdieZahlderSitzeabhängig istvomje‐
weiligenBeitragsanteil.
DasaberwiederumwürdedieFragenacheinerangemessenenVertretungdesStaates
aufwerfen,dennschließlichbeteiligtsichderBundmitSteuermittelnbereits indeutli‐
chem Umfang an der Finanzierung der Krankenkassen, und die Koalition plant, den
Steueranteilweiterzuerhöhen.
DieBegründungscheintnichtwirklichdurchdachtundentspringtvermutlichauchnicht
den tatsächlichen Motiven einer solchen Änderung. Es drängt sich vielmehr der Ein‐
druck auf, als solle die geplante Beteiligung von Arbeitgebervertretern an der Selbst‐
verwaltungderErsatzkassenderDisziplinierungundKontrolledieserKassenundihrer
Führungdienen,ähnlichwieauchbereitsunterBismarckdieErzwingungeinerArbeit‐
geberbeteiligunganderLeitungder zuvorvollständigvondenversichertenArbeitern
selbstverwaltetenHilfskassen.
DasVorhabeneinerBeteiligungderArbeitgeberanderSelbstverwaltungderErsatzkas‐
senstehtzudeminmerkwürdigemKontrastzuder– imweiterenVerlaufderAnalyse
nochherauszuarbeitenden– zentralen, vor allemvonder FDPverfolgtenZielorientie‐
rung einer Umwandlung der gesetzlichen Krankenversicherung in private Versiche‐
rungsunternehmen.AberdaessichbeimKoalitionsvertragumeinDokumentderKom‐
promissbildungzwischendreiParteienhandelt,darfwohldavonausgegangenwerden,
dassdieserTeildesKoalitionsvertragesnichtvonderFDPstammt,sondernvonUnions‐
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vertretern, die ander gesetzlichenKrankenversicherung imGrundsatz festhalten, den
Handlungsspielraum der Ersatzkassenführungen allerdings einschränken wollen, ver‐
mutlichinsbesonderederenFreiheitzurKritikanderPolitikderBundesregierung.
2.1.1.2 BeschränkungderKompetenzendesSpitzenverbandesBundderGKV
DieFormulierung,dassdieAufgabendesSpitzenverbandesBunddergesetzlichenKran‐
kenversicherung‚beschränkt’werdensollen,lässteineReduzierungderjetzigenAufga‐
benunddamitverbundenenKompetenzenerwarten.Berücksichtigtman,dassanande‐
rerStelledesVertrageseineAusweitungdesSpielraumsfürEinzelverträgedereinzel‐
nenKassenangekündigtwird(CDU/CSU/FDP2009:85)undsichindengesundheitspo‐
litischen Programmatiken der Koalitionsparteien die Forderung nach einer insgesamt
stärker wettbewerblichen Organisation des Gesundheitswesens und eben auch der
Krankenkassen findet, so kann diese Passage wohl als Ankündigung einer deutlichen
RückführungderKompetenzendes SpitzenverbandesBund gedeutetwerden.Denn je
mehr der Bereich der Einzel‐ oder Selektivverträge einzelner Kassen mit einzelnen
Gruppen von Leistungserbringern ausgeweitetwird, destoweniger bleibt für den Be‐
reichdervonallenKassen‚gemeinsamundeinheitlich’auszuhandelnKollektivverträge.
AllerdingsdarfwohlbeidiesemThemadavonausgegangenwerden,dasseskontrovers
innerhalbderRegierungskoalitionbewertetunddiskutiertwirdunddieehervorsichti‐
ge Formulierung des „beschränken“ Ausdruck inhaltlicher Differenzen zwischen den
Koalitionsparteien und auch innerhalb der beteiligten Parteien ist. So enthält das ge‐
meinsameWahlprogramm2009vonCDUundCSUdieFeststellung,dassKollektivver‐
tragliche Regelungen zumindest im ländlichen Raum „unabdingbar“ seien (CDU/CSU
2009:24).
Wennmanjedoch–wasanspätererStelleausführlicherherausgearbeitetwird–einbe‐
zieht, dass die FDP und zumindest Teile der CDU offensichtlich eine Abschaffung der
GKValsSozialversicherunganstreben,dannkanndieBeschränkungderKompetenzen
undAufgabeneinersterSchritthinzueinervollständigenAbschaffungdesSpitzenver‐
bandesBundsein.
‐15‐
2.1.1.3 AnwendungdesallgemeinenWettbewerbsrechtsaufdiegesetzlicheKrankenver‐
sicherung
DassdieGrundorientierungaufeineUmwandlungderKrankenkasseninprivateVersi‐
cherungsunternehmen in die verschiedenstenPassagendesKoalitionsvertrags hinein‐
wirkt,kannaneinerweiteren,allerdingsindirektenAussagezurZukunftderOrganisa‐
tionsformderKrankenkassenabgelesenwerden:
„Wirwollen, dass das allgemeineWettbewerbsrecht als Ordnungsrahmen grundsätzlich auch imBereichdergesetzlichenKrankenversicherungAnwendungfindet.InsbesonderebeiRabattverträ‐gen, FusionenvonKrankenhäusernundKrankenkassen sehenwirÜberprüfungsbedarf.Dazuge‐hörtauchdieÜberprüfungdesRechtswegs“(CDU/CSU/FDP2009:87).
Die Frage, ob das allgemeineWettbewerbsrecht auch auf die Krankenkassen Anwen‐
dungfindensoll,istindenletztenJahrenimZusammenhangmitderzunehmendenAb‐
kehr vom Kollektivvertragssystem und Ausweitung von Selektivverträgen von immer
größererBedeutunggeworden.Wesentlichmitausgelöstundvorangetriebendurchdie
FestbetragsregelungenfürdenArzneimittelbereich,musstensichGerichtemitderFrage
befassen,obKrankenkassenüberhaupt–wievomGesetzgebervorgegeben–quasiho‐
heitlicheKompetenzenwiebeispielsweisedieFestsetzungvonFestbeträgenfürdievon
denKrankenkassenzuübernehmendenArzneimittelausübendürfen,oderobsienicht
vielmehrWirtschaftsunternehmen sind, denen solche hoheitlicheMacht nicht zusteht.
ImRahmendieserRechtsstreitigkeitenwurdeauchderEuropäischeGerichtshof(EuGH)
angerufen,umzuentscheiden,obdiedeutschenKrankenkassenSozialversicherungsind
oder Wirtschaftsunternehmen. Wären sie Wirtschaftsunternehmen, würden sie dem
KartellrechtunterliegenundihreAktivitätenwürdenvomKartellamtimHinblickaufdie
EinhaltungwettbewerbsrechtlicherVorschriftenkontrolliert. Insbesonderebei großen
Kassenwäredamitzurechnen,dasssieinzahlreichenRegionenalsmarktbeherrschen‐
deUnternehmeneingestuftundihrHandlungsspielraumdeutlicheingeschränktwürde.
BislanghatderEuGHdiedeutschenKrankenkassenalsSozialversicherungeingestuft,so
dass sie den Beschränkungen des europäischenWettbewerbsrechts nicht unterliegen
(EuGH 2004). Sie dürfen alsoweiterhin als Körperschaft des öffentlichen Rechts und
mittelbareStaatsverwaltungRechtssetzungen indemvomGesetzgebergesetztenRah‐
men vornehmen, ihre Entscheidungen gegenüber Versicherten sind Verwaltungsakte
und ihre kollektivvertraglichen Vereinbarungen mit Kassenärztlichen Vereinigungen
oder Kassenärztlichen Bundesvereinigung,mit Landeskrankenhausgesellschaften oder
‐16‐
derDeutschenKrankenhausgesellschaft sindkraftGesetzunmittelbarbindend füralle
KrankenkassenundallezurVersorgungihrerVersichertenzugelassenenLeistungserb‐
ringer. Auf diese Zusammenhänge hebt die oben zitierte Passage offenbar ab. Gemäß
§69Abs.2SGBVsinddieKrankenkassenbeimAbschlussvonKollektivverträgenaus‐
drücklichvonderAnwendungdesWettbewerbsrechtsausgenommen.Diesscheintdie
Regierungskoalitionändernzuwollen.
Welche Auswirkungen eine solche Änderung auf das Kollektivvertragssystem haben
wird,sollandieserStellenichtvertieftwerdenundhängtsicherlichauchvonderkon‐
kretenAusgestaltungderÄnderungab.Esbleibtaberfestzuhalten,dassKollektivverträ‐
ge eine der wichtigsten tragenden Säulen des deutschen Gesundheitssystems sind.
DurchdasSystemkollektiverVerträge,dievondenKrankenkassennachdemGrundsatz
‚gemeinsamundeinheitlich’mitlegitimiertenVertreternallerLeistungserbringereines
Versorgungsbereichs(z.B. fürdieambulanteärztlicheVersorgung)abgeschlossenwer‐
den,erhaltenalleVersichertendergesetzlichenKrankenversicherunggleichenundfrei‐
enZugangzuallenzugelassenenLeistungserbringerndesbetreffendenVersorgungsbe‐
reichs.EinSystemvonSelektiv‐oderEinzelverträgenmiteinzelnenLeistungserbringern
odereinzelnenGruppenvonLeistungserbringernerfordertletztlichdieBeseitigungdes
für alle Versicherten freien Zugangs zu allen für die Versorgung vonKassenpatienten
zugelassenenLeistungserbringern.Der freieZugangzuallenLeistungserbringernoder
Produkten muss durch ein System fragmentierten Zugangs ersetzt werden, in dem
KrankenkassendieBehandlungskostennurnochfürsolcheLeistungserbringerundde‐
renDienstleistungen oder Produkte übernehmen,mit denen sie einen Selektivvertrag
abgeschlossenhaben.FaktischerhaltendieVersichertedamitZugangnurnochzuden
vonderKasseausgewähltenÄrztenoderKrankenhäusernoderanderenLeistungserb‐
ringern.DiesverbirgtsichletztlichhinterLeerformelnwie‚mehrVertragsfreiheit’oder
‚mehrVertragswettbewerb’.
DochzurückzumAusgangspunktdeskurzenExkurses:DieFragederAnwendungdes
allgemeinenWettbewerbsrechtsistengverbundenmitderFrage,obdieKrankenkassen
SozialversicherungsindodernormaleVersicherungsunternehmen,aufdieder funktio‐
naleUnternehmensbegriffdeseuropäischenWettbewerbsrechtsAnwendungfindet(zur
Thematik vgl. u.a. Ebsen2010;Kingreen2007).UnterwirftmandieKrankenkassen in
vollemUmfangdemnationalenWettbewerbsrecht,legtdiesdieSchlussfolgerungnahe,
dass der Gesetzgeber sie alsWirtschaftsunternehmen ansieht und sie – zumindest in
‐17‐
diesemPunkt–entsprechendbehandelt.DeutetmandiesePassagedesKoalitionsver‐
tragesindieseRichtung,sowäredieÄnderungeinBausteinvonmehrerenineinerStra‐
tegie, die auf die Umwandlung der gesetzlichen Krankenkassen in private Versiche‐
rungsunternehmenzielt.
AlseinersterBeleg fürdieRichtigkeiteinersolchenInterpretationseiandieserStelle
auf eine entsprechende Passage in einem programmatischen Antrag der FDP‐
Bundestagsfraktionvom11.02.2009zitiert,indemsiediedamaligegroßeKoalitionauf‐
forderte,dieKrankenkassenumzuwandeln„vonKörperschaftendesöffentlichenRechts
inUnternehmenmit sozialerVerantwortung“ (FDP‐Bundestagsfraktion2009: 3).Dass
es sich dabei keineswegs um einen von der Parteilinie abweichenden ‚Alleingang’ der
Fraktionhandelte,zeigtderBlickindieBeschlusslagederBundesparteitagederFDP.So
heißtesineinemgesundheitspolitischenGrundsatzbeschlussdesParteitages2004:
„Für die heutigen gesetzlichenKrankenkassenwerden die notwendigen gesetzlichenRahmenbe‐dingungen geschaffen, damit sie sich in private Versicherungsunternehmen umwandeln können“(FDP2004:3).
„AlleKrankenkassenwerdenprivateVersicherungsunternehmen“(FDP2004:3)
AlsBelegdafür,dassnichtnurdieFDPeinsolchesZielverfolgt,sondernauchdieSpit‐
zenderCDU,kanndieReaktionbspw.vonBundeskanzlerinMerkelaufdiezeitgleiche
AnkündigungvonZusatzbeiträgendurchmehrereKrankenkassengewertetwerden.Sie
kritisiertenichtdieErhebungvonZusatzbeiträgen,sonderndassderZeitpunktanschei‐
nendabgesprochensei,undforderterelativoffeneineÜberprüfungdurchdasBundes‐
kartellamt. Das aber ist für die Sozialversicherung nicht zuständig. Dennoch reagierte
diesoangesprocheneBundesbehördeund leiteteam17.02.2010einkartellrechtliches
Verfahren gegen neun Krankenkassen ein, die die Erhebung von Zusatzbeiträgen ge‐
meinsamangekündigthatten(Bundeskartellamt2010).
DasVerfahrensollteaberoffenbarnichtdazudienen,dieErhebungvonZusatzbeiträgen
zuverhindern, sondernverfolgteanscheinendeinzigdenZweck,dieKassenzurKlage
dagegen zu veranlassen. Auf diesemWeg sollte offenbar durch ein deutsches Gericht
geklärtwerden,obdieKassennichtdochalsWirtschaftsunternehmenanzusehenund
demKartellrechtzuunterwerfensind.KämeeszueinementsprechendenGerichtsver‐
fahrenundUrteil,würdediesdieWahrscheinlichkeit erhöhen, dassderEuGHbei der
nächstendarauffolgendenEntscheidungdiedeutschenKrankenkassenebenfallszuUn‐
ternehmenerklärtunddemeuropäischenWettbewerbsrechtunterwirft.
‐18‐
OffensichtlichgibtesindieserFrageabererheblicheDifferenzensowohlinnerhalbder
RegierungskoalitionalsauchzwischendenbeteiligtenBundesbehörden.Soforderteder
stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU‐Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer
(CSU),AnfangMärz2010:„DasKartellamtsollseineFingerdaheraushalten“(Singham‐
mer, zit.n. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 8.03.2010: 15). Und das
Bundesversicherungsamt stellte als zuständige Aufsichtsbehörde für die betroffenen
Ersatzkassenam8.03.2010 ineinerPressemitteilungsehreindeutigklar: „Esverneint
die vom Bundeskartellamt unterstellte Unternehmenseigenschaft von Krankenkassen
im Sinne des Kartellrechts bei der Festsetzung von Zusatzbeiträgen“ (BVA 2010). Im
Übrigen halte das Bundesversicherungsamt die Vorgehensweise der Krankenkassen
„nichtfürrechtswidrig“(ebd.).
EshatdenAnschein,dasszumindesteinTeilderUnionsfraktiondieweitreichendeBe‐
deutung einer Unterstellung der Krankenkassen unter das Wettbewerbsrecht sieht.
WenndieKassenindasWettbewerbsrechteinbezogenwürden,soSinghammer,„dann
hatdaserheblicheAuswirkungen,es trifftdasHerzdesdeutschenGesundheitswesens
(...)DieNebenwirkungenwärenkaumübersehbar"(Singhammer,zit.n.FrankfurterAll‐
gemeineSonntagszeitung,8.03.2010:15).
Die Frage der Einbeziehung der Krankenkassen in dasWettbewerbsrecht birgt offen‐
sichtlichKonfliktpotenzialfürdieRegierungskoalitionundscheintmitderentsprechen‐
denFormulierungimKoalitionsvertragfürdieKoalitionnichtabschließendbeantwortet
zusein.
2.1.2 FinanzierungdergesetzlichenKrankenversicherung
ZurZukunftderFinanzierungdergesetzlichenKrankenversicherungfindensichimKo‐
alitionsvertragdiefolgendenAussagen:
„KrisenbedingteEinnahmeausfälledürfennichtalleinedenVersichertenaufgebürdetwerden,des‐halb werden gesamtstaatliche flankierende Maßnahmen zur Überbrückung der Krise erfolgen“(CDU/CSU/FDP2009:86).
„WeilwireineweitgehendeEntkoppelungderGesundheitskostenvondenLohnzusatzkostenwol‐len,bleibtderArbeitgeberanteilfest“(CDU/CSU/FDP2009:86).
„LangfristigwirddasbestehendeAusgleichssystemüberführtineineOrdnungmitmehrBeitrags‐autonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitneh‐merbeiträgen,diesozialausgeglichenwerden“(CDU/CSU/FDP2009:86).
‐19‐
„DerMorbi‐RSAwirdaufdasnotwendigeMaßreduziert,vereinfachtsowieunbürokratischundun‐anfälligfürManipulationengestaltet“(CDU/CSU/FDP2009:86).
„BeitragundLeistungmüssenineinemadäquatenVerhältnisstehen.EsbrauchtzudemAnreizefürkosten‐undgesundheitsbewusstesVerhalten“(CDU/CSU/FDP2009:86).
2.1.2.1 MaßnahmenzurÜberbrückungkrisenbedingterEinnahmeausfälle
DieimKoalitionsvertragvereinbarten„MaßnahmenzurÜberbrückungderKrise“wur‐
dennoch2009kurzfristiginAngriffgenommen.Zum1.01.2010legtedieBundesregie‐
rung den Entwurf eines Sozialversicherungs‐Stabilisierungsgesetzes (SozVersStabG)
vor,das fürdas Jahr2010dieGewährungeineseinmaligenBundeszuschussesanden
GesundheitsfondsinHöhevon3,9Mrd.Eurovorsieht(§221aSGBV).
ZubeachtenistallerdingsdiegenaueFormulierungderentsprechendenPassageimKo‐
alitionsvertrag.Danach sollendiekrisenbedingtenEinnahmeausfälle „nicht allein“den
Versichertenaufgebürdetwerden.3DerBundeszuschusssollfolglichnichtallekrisenbe‐
dingten Einnahmeausfälle ausgleichen. Die Bundesregierung ging zum Zeitpunkt der
Festsetzungdes zusätzlichenBundeszuschussesdavonaus, dassdieEinnahmeausfälle
imJahr2010zueinemDefizit führenwerden,dasmehrals3,9Mrd.Eurobeträgt.Die
DifferenzzwischentatsächlichemDefizitundeinmaligemBundeszuschusssollensomit
dieVersichertenüberdieimRegelungssystemfürdenGesundheitsfondsvorgesehenen
ZusatzbeiträgedereinzelnenKrankenkassentragen.UndzwarnurdieMitglieder,denn
– wie bereits zitiert – der Arbeitgeberbeitrag soll unverändert bleiben. Da die Regie‐
rungskoalitionbeiderFestsetzungdesBundeszuschussesdavonausging,dassfür2010
mit einem Defizit in Höhe ca. 8 Mrd. Euro zu rechnen ist,4 würden ca. 4 Mrd. Euro
verbleiben,diealleinvondenMitgliedernüberZusatzbeiträgezudeckensind.
ImKoalitionsvertragfindetsichzudemeinBegründungsansatzfürdiezweigeteilteDec‐
kungdeserwartetenDefizits,dereinegrundlegendeOrientierungerkennenlässt.3 EsseiandieserStellenochdaraufhingewiesen,dassinderbetreffendenPassagefälschlicherweisevon
„Versicherten“dieRedeist.GegenwärtigzahlenjedochnichtdieVersicherten,sonderndie„Mitglieder“denBeitrag.BeitragsfreimitversicherteFamilienmitgliederwieEhegattenohne eigenesEinkommenübereinerfestgelegtenGrenzesowieKindersinddementsprechendzwarVersicherteabernichtBei‐tragzahlendesMitglied.DieFormulierungkönnteimKoalitionsvertragallerdingsbewusstsogewähltseinoderzumindesteinemTeilderMitgliederderKoalitionsverhandlungenalsangemessenerschie‐nensein,da–wieanspätererStelleausführlicherherausgearbeitetwird–das‚Gesundheitsprämien‐modell’ sowohlderCDUalsauchderFDPdieEinführungeinerBeitragspflicht füralleVersichertenvorsieht.
4 SodergesundheitspolitischeSprecherderCDU‐CSU‐Bundestagsfraktion, JensSpahn, ineinem Inter‐viewmitderBerlinerZeitungvom28.12.2009.
‐20‐
„DiegegenwärtigeSituationistgekennzeichnetdurcheinprognostiziertesDefizit,dassichsowohlaus krisenbedingten Beitragsausfällen als auch gesundheitssystemimmanenten Ausgabensteige‐rungen(Demographie,Innovationskosten,Fehlwirkungen)zusammensetzt“(CDU/CSU/FDP2009:86).
DaeseinenBundeszuschussnurfürdieDeckungderkrisenbedingtenEinnahmeausfälle
gebensoll,implizierteinesolcheAussage,dassderTeildesDefizits,dernachEinschät‐
zungderKoalitiondurchKostensteigerungenverursachtwird,vondenMitgliedernzu
tragen ist.Unddies entspricht genauderGrundargumentationdesGesundheitsprämi‐
enmodellsvonCDUundFDP,dassdiezukünftigenKostensteigerungennichtmehrdie
LohnkostenbelastensollenunddeshalbvondenMitgliedernalleinzutragenseien.
AllerdingsstehteinesolcheBegründungvordemProblem,dassderGKV‐Schätzerkreis
am9.12.2009dasfür2010zuerwartendeDefizitnichtaufMindereinnahmen,sondern
fast ausschließlich auf Ausgabensteigerungen zurückführte (GKV‐Schätzerkreis 2009).
Zwarwurdeerwartet, dassdieEinnahmendesGesundheitsfondsausder allgemeinen
Krankenversicherungumca. 2,4Mrd.Euro zurückgehen, zugleich rechneteder Schät‐
zerkreisaberauchmiteinemAnstiegderBeitragszahlungenderRentnerum2,4Mrd.
Euro, so dass das Volumen der Beitragseinnahmenweitgehend dem des Jahres 2009
entsprechenwürde.
Vor diesemHintergrund scheint die Entscheidung für einen Bundeszuschuss zur teil‐
weisen Deckung des GKV‐Defizits eher darauf zu zielen, dass die Krankenkassen ge‐
zwungenwerden,Zusatzbeiträgezuerheben,derFinanzierungsbedarfabernichthöher
sein soll, alsmit einempauschalenZusatzbetragvon8Euro zudecken ist.5Denn, aus
SichtderKoalitionsverhandlungenbetrachtet:WärendieerstenKrankenkassenbereits
imJahr2010gezwungen,höhereZusatzbeiträgezuerheben,sodürftendiesenichtpau‐
schal,sondernmüsstenprozentualvomEinkommenerhobenwerden.Damitaberwür‐
den ‚Fakten’geschaffen,dieeinenschrittweisenAusbauderpauschalenZusatzbeiträge
zupauschalen ‚Gesundheitsprämien’erschwerenkönnten.Zudemwäredamitzurech‐
nen,dassdieöffentlicheDiskussionundKritikumsoschärferausfällt, jehöherdieer‐
stenZusatzbeiträgefestgesetztwerden.DieErhebunghoherprozentualerZusatzbeiträ‐
gehättedieKoalitionnurübereineschnelleGesetzesinitiativeAnfang2010verhindern
können.DafürgabesaberoffenbarkeineausgereiftenPläne.Diesezuentwickeln,wur‐5 Als Bestätigung dieser Annahme kann auch eine Aussage des parlamentarischen Staatssekretärs im
BMGinderBundestagsdebattevom29.01.2010überdasSozVersStabGgewertetwerden,indererdenBundeszuschussnurdamitbegründete,dassansonstendieKassenin2010höhereZusatzbeiträgeer‐hebenmüssten(vgl.Bundestags‐Plenarprotokollvom29.01.2010:1738).
‐21‐
denichtvonungefähraufeineRegierungskommissionübertragen,diefrühestensMitte
2010einKonzeptvorlegensollte.
DieErhebungprozentualerZusatzbeiträgebereitsindererstenHälftedesJahres2010
zuverhindern,warderKoalitionnichtmöglich.Unmittelbargesetzgeberischzuinterve‐
nieren,wäre sehr riskantgewesen,nichtnurweilüberhastetegesetzgeberische Inter‐
ventionmitderGefahrrechtstechnischerFehlerbehaftetsind,sonderneslagvorallem
keinausgereifterGesamtreformplanvor,andemsichkleinteiligeMaßnahmenorientie‐
renkönnten.ImRahmeneinerkurzfristigenGesetzesinitiativewäreimGrundenurdie
Möglichkeitgeblieben,dieimGesetzenthalteneOptionprozentualer,einkommensbezo‐
generZusatzbeiträgezustreichenundstattdessendieObergrenzefürpauschaleZusatz‐
beiträgezuerhöhen.Dasaberhättedann–entsprechendderAnkündigungen–mitei‐
nem‚Sozialausgleich’ausSteuermittelnverbundenseinmüssen.Dafürwiederumgabes
aber kein Konzept, weder zur technischen Konstruktion noch zum erforderlichen Fi‐
nanzvolumen.Dies sollte erst die noch zu bildendeRegierungskommission erarbeiten
(vgl.Rösler2009a).
Kurz gefasst:Da dieKoalition über kein ausreichenddurchdachtes und innerhalb der
KoalitionabgestimmtesReformkonzeptverfügte,bliebnurdieOption,sichmiteinem–
wie auch immer legitimierten– zusätzlichenBundeszuschussbisEnde2010 ‚überdie
Rundenzuretten’.DieKassensolltenzwargezwungenwerden,Zusatzbeiträgezuerhe‐
ben,abernurpauschaleinHöhevonbiszu8Euro.DiesesKalkülgingbekanntlichnicht
auf, da einigeKrankenkassen von vornherein gleich einenprozentualen Zusatzbeitrag
erhoben.Esbleibtabzuwarten,wiedieKoalitiondiesesProblemlösenwill.
Die Gewährung eines zusätzlichen Bundeszuschusses könnte aber auch dazu dienen,
eineErhöhungdesallgemeinenBeitragssatzes zuvermeiden,die–beiderEnde2009
undAnfang2010nochgeltendenRechtslage–ansonstennotwendigwerdenkönnte.Die
entsprechendenRegelungen zumGesundheitsfonds schreiben vor, dass dieBundesre‐
gierung den allgemeinen Beitragssatz durch Rechtsverordnung zu erhöhen hat, wenn
dievoraussichtlichenEinnahmendesGesundheitsfondsdievoraussichtlichenAusgaben
derKrankenkassenimlaufendenundFolgejahrnichtmindestenszu95%decken(§220
Abs.2i.V.m.§241Abs.1SGBV).
DasvonderKoalitionfür2009erwarteteDefizitvonca.8Mrd.Eurobewegtsichander
durch §220Abs. 2 SGBV gesetzten5%‐Grenze, undda für2011 ebenfallsmit einem
‐22‐
deutlichenDefizitzurechnenist,könntedieRegierungbereits2009indieLagegeraten,
dasssienachbisdahingeltendemRechtdenhälftigvonMitgliedernundArbeitgebern
zu tragenden allgemeinen Beitragssatz erhöhenmüsste. Ohne zusätzlichen Bundeszu‐
schusskönntefolglichdieFestschreibungdesArbeitgeberbeitragsgefährdetsein.Zwar
könnte dem mit einer kurzfristigen Änderung der entsprechenden Paragraphen zum
allgemeinenBeitragssatz begegnetwerden, das aberwürdewiederumdasDefizit der
Krankenkassenerhöhenund sie zurErhebunghöhererZusatzbeiträge zwingen,bevor
die Regierungskoalition ihre Gesamtkonzeption ausgearbeitet und intern abgestimmt
hat.
2.1.2.2 DauerhafteFestschreibungderArbeitgeberbeiträge
AufdiedauerhafteFestschreibungderArbeitgeberbeiträgekonnten sichdieVerhand‐
lungsdelegationen der Koalitionsparteien vermutlich relativ schnell und unproblema‐
tischeinigen,dadieFestschreibungTeilderBeschlusslagesowohlderCDUalsauchder
FDPist.DerEinstiegindievonbeidenParteienseitlängeremgeforderteFestschreibung
warnochvondergroßenKoalitionimRahmenderGesundheitsreform2007beschlos‐
senwordenundwurdezum1.Januar2009mitdemStartdesGesundheitsfondsvollzo‐
gen. Für die Verwirklichung des Vorhabens einer dauerhaften Festschreibung des Ar‐
beitgeberanteilsistsomitkeineGesetzesänderungerforderlich.
Allerdings wurde vom bayrischen Gesundheitsminister bereits signalisiert, dass eine
dauerhafteFestschreibungdesArbeitgeberanteilsfürdieCSUdannnichtmehrakzepta‐
belwäre,wenndieScherezwischenArbeitgeber‐undArbeitnehmeranteilausSichtder
CSUzugroßwird.
„Im Rahmen dieser Legislaturperiode wird es wohl keinen Änderungsbedarf geben. Allerdings:WenndieSpreizungzwischenArbeitgeber‐undArbeitnehmeranteilzugroßwürde,mussmanausGründendersozialenGerechtigkeitabermalsdiskutieren“(Söder2009).
EsdürfteauchmitKritikausdenReihenderCDU‐Arbeitnehmerschaftzurechnensein,
wenndurchFestschreibungdesArbeitgeberbeitragssatzesundsteigendeZusatzbeiträ‐
gederArbeitnehmerderAbstandbeiderBeitragsanteiledeutlichzunimmt.
‐23‐
2.1.2.3 UmstellungaufeinkommensunabhängigeArbeitnehmerbeiträge
Die sicherlich wichtigste und zentrale Aussage im gesundheitspolitischen Kapitel des
KoalitionsvertragesistdieAnkündigungeinerUmstellungderbisherigeneinkommens‐
bezogenen Beitragsfinanzierung auf einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge
(CDU/CSU/FDP2009:86). WegenseinerzentralenBedeutungsollderentsprechende
SatzandieserStellenocheinmalwörtlichzitiertwerden.
„LangfristigwirddasbestehendeAusgleichssystemüberführtineineOrdnungmitmehrBeitrags‐autonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitneh‐merbeiträgen,diesozialausgeglichenwerden“(CDU/CSU/FDP2009:86).
DerzitierteSatzenthältHinweiseauffolgendeElementeeinerVeränderungdesFinan‐
zierungssystemsdergesetzlichenKrankenversicherung:
• einkommensunabhängigeArbeitnehmerbeiträge
• mehrBeitragsautonomie
• sozialerAusgleichdereinkommensunabhängigenArbeitnehmerbeiträge
• regionaleDifferenzierungsmöglichkeiten
Weitere Erklärungen oder Erläuterungen zumneuen Finanzierungssystemwerden im
Koalitionsvertragnichtgegeben.AlleinamKoalitionsvertragistsomitnichterkennbar,
wasdieRegierungskoalitionimEinzelnenanstrebt.DerKoalitionsvertragenthältweder
Aussagen dazu, was mit ‚einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen’ gemeint
ist,nochdazu,wasmitdem‚sozialenAusgleich’gemeintist,wieerausgestaltetundwie
er finanziertwerden soll.Auchbietet er keineHinweisedarauf,welcheVorhabenmit
‚mehrBeitragsautonomie’und ‚regionalenDifferenzierungsmöglichkeiten’ angekündigt
werden.
IndernachVeröffentlichungdesKoalitionsvertrageseinsetzendenöffentlichenDiskus‐
sionwurdezumeistdavonausgegangen,dassderzitierteSatzsozudeutensei,dassda‐
mitdieUmstellungaufKopfpauschalenbzw.pauschaleGesundheitsprämiengemeintist.
Bedenktmanallerdings,dassdieVerhandlungeninderArbeitsgruppe‚Gesundheitund
Pflege’nebendenenüberdieSteuerpolitikzudenschwierigstenundlangwierigstenge‐
hörten,somusswohldavonausgegangenwerden,dassdabeiauchumjedesWortzen‐
tralerPassagengerungenwurde.UndderhierzitierteSatzdarfsicherlichzudenzentra‐
lenSätzendesgesamtenKoalitionsvertragesgezähltwerden.Insofernistdavonauszu‐
gehen,dassjedesWortwohlabgewogenundmiteinerbestimmtenBedeutungversehen
indieFormulierungaufgenommenwurde.
‐24‐
UndinderTat:AnalysiertmandiezahlreichenInterviewsführenderVertreterderKo‐
alitionsparteienfürdenBereichderGesundheitspolitikinderZeitvonOktober2009bis
März2010, indenensiesichzudenVereinbarungenimKoalitionsvertragunddenge‐
plantenVorhabenäußerten,sozeigtsich,dassdiezentralenAnkerwörterdesSatzesvon
den beteiligten Vertretern der CDU und FDP offenbarweitgehend gleich interpretiert
werden. Das lässtwiederumdarauf schließen, dassman sich auf eineReihe von Eck‐
punkten für das weitere gesundheitspolitische Vorgehen geeinigt hat, die allerdings
nichtindenzuveröffentlichendenKoalitionsvertragaufgenommenwurden.
ProgrammatischerBezugspunktderEinigungwarzwaroffenbardieBeschlusslagevon
CDUundFDP,dieweitgehendübereinstimmenddieAbschaffungdereinkommensbezo‐
genenBeitragsfinanzierungund vollständigeUmstellung auf einkommensunabhängige
Prämienvorsieht.WährenddieFührungderFDPimmernochausdrücklichundoffensiv
diesesKonzeptvertritt(vgl.u.a.FDP‐Bundestagsfraktion2009),hältsichdasFührungs‐
personalderCDUindieserFrageallerdingsseitmehrerenJahrenrelativ‚bedeckt’.Zwar
istdasModelleiner‚solidarischenGesundheitsprämie’immernochgeltendeBeschluss‐
lagederBundes‐CDU,nachdemschlechtenAbschneidenbeiderBundestagswahl2005
wirddiesesModellabernichtmehroffensivvertreten.DennfürdasausSichtderUnion
enttäuschendeWahlergebniswurdeauchinnerhalbderUnionvielfacheineneoliberale
Ausrichtung insbesonderedurchdenLeipzigerParteitag2003verantwortlichgemacht
(Decker2009; Jun2009), zuderauchdasdortbeschlossene ‚Gesundheitsprämienmo‐
dell’zuzählenist(CDU2003:22‐30).
DievollständigeUmstellungaufdasGesundheitsprämienmodellinderbevorstehenden
LegislaturperiodealsoffenformuliertesZielindenKoalitionsvertragaufzunehmenwäre
somit zugleich mit mehreren Risiken verbunden gewesen. Zunächst einmal wäremit
starkeröffentlicherKritikzurechnen,diesicherlichdeutlichüberdashinausgegangen
wäre, was auch ohne offene Zielbenennung ohnehin bereits eingetreten ist. Darüber
hinaushätteeinesolcheVereinbarung imKoalitionsvertragsicherlichauchzukontro‐
verseninternenDiskussioneninderCDUgeführt.DieStrategiederCDU‐Führung,sichin
derFragedesGesundheitsprämienmodells‚bedeckt’zuhalten,vermeidetzwardasAuf‐
brecheninternerKontroversen,sieistaberihrerseitswiederummitdemRisikobehaf‐
tet,dasssichindieserFragekeinewirklichstabileParteipositionherausbildenkann.Die
NichtbehandlungdesThemas lässtallenRichtungenOffenheitunddadurchebenauch
denKritikerndesModells. IndemMaße,wiesichherausstellensollte,dassdiePartei‐
‐25‐
führung weiterhin am Gesundheitsprämienmodell festhält und konkrete Schritte zur
Einführung inAngriff nimmt, könnten –nicht zuletzt auchunterdemDruck einer zu‐
nehmendkritischerenöffentlichenDiskussion–dieinternenKontroversenaufbrechen
undanSchärfezunehmen.
Willmandies verhindern, aberdennochdieVerwirklichungdesGesundheitsprämien‐
modells inAngriffnehmen,sobietetsichalsStrategiean,sowohldieÖffentlichkeitals
auchdieeigeneParteimöglichstlangeüberdiegetroffeneVereinbarungunddasange‐
strebteZielimUnklarenzulassenundinkleinenSchrittenmitderUmsetzungdesZiels
zubeginnen,ohnedaslangfristigeZieloffenzulegen.
Betrachtet man den Koalitionsvertrag und die zahlreichen Interviews führender Ge‐
sundheitspolitikerderKoalition ineinerZusammenschau,sodrängtsichderEindruck
auf,dasssichdie führendenGesundheitspolitikervonCDUundFDPgenaudaraufver‐
ständigt haben. So erscheint der Begriff ‚Gesundheitsprämie’ oder ‚Gesundheitsprämi‐
enmodell’ankeinerStelledesKoalitionsvertrages.Stattdessenistvon„einkommensab‐
hängigenArbeitnehmerbeiträgen“dieRede (CDU/CSU/FDP2009:86).Diesedurchaus
geschickte Formulierung, für die Horst Seehofer die Urheberschaft beansprucht
(Seehofer 2009), vermeidet dieVerwendungdes Leitbegriffs ‚Gesundheitsprämie’ und
kann den Eindruck vermitteln, eine Umstellung auf ‚Kopfpauschalen’ bzw. pauschale
‚Gesundheitsprämien’seinichtvereinbartworden.ErstbeigenauererBetrachtungzeigt
sich,dassdieFormulierung‚einkommensunabhängigeArbeitnehmerbeiträge,diesozial
ausgeglichenwerden’ nichts anderes ist, als eineUmschreibungdessen,wasCDUund
FDPmitdemBegriff ‚Gesundheitsprämien’meinen.DaraufwirdanspätererStelleaus‐
führlichereinzugehensein.
UndinderTat,nachundnachwurdevorallemdurchInterviewäußerungenführender
Gesundheitspolitiker derKoalitiondeutlich, dass ‚hinter’ der Formulierung imKoaliti‐
onsvertragoffenbareineEinigungübereineStrategiezurschrittweisenUmstellungauf
ein ‚Gesundheitsprämienmodell’ steht. ImEinzelnen enthält derVertragdie folgenden
EckpunktefüreinsolchesVorgehen:
• Der allgemeine, von der Bundesregierung festzusetzende Beitragssatz von gegen‐
wärtig14%wirdindieserLegislaturperiodenichterhöht.Damitwirdzugleichauch
derArbeitgeberbeitragaufdergegenwärtigenHöhevon7%festgeschrieben.Diese
Entscheidungbesitztzudemden‚Charme’,dasssiemitrelativwenigenGesetzesän‐
derungenumgesetztwerdenkann.
‐26‐
• Der zu erwartende steigende Finanzbedarf der Krankenkassen ist zukünftig über
kassenindividuelleZusatzbeiträgederMitgliederzudecken.DerenErhöhungliegtin
derEntscheidungskompetenzderKrankenkassenundfälltsomit–umdenentspre‐
chenden Begriff des Koalitionsvertrages aufzugreifen – unter deren „Beitragsauto‐
nomie“.
• Dadie gegenwärtigenObergrenzen für Zusatzbeiträgenicht ausreichen, umdie zu
erwartenden Ausgabensteigerungen der Kassen zu decken, sollen diese Grenzen
schrittweiseangehobenwerden.
• DieAnhebungderObergrenzenerfordertgesetzgeberischesHandelnundkönnteauf
unterschiedlicheArtgeschehen.DadieErhebungeinkommensbezogenerZusatzbei‐
trägemiterheblichemVerwaltungsaufwandverbundenseinwird,bietetsichalsre‐
gelungstechnischeinfachsteLösungan,Zusatzbeiträgenurpauschalundsomitein‐
kommensunabhängig zuzulassen. Damit würde nicht nur der von den Kassen be‐
fürchteteVerwaltungsaufwandvermieden, sonderndieserWegwürdezugleichdie
bereitsmitdemGesundheitsfondseröffneteOptioneinerschrittweisenUmstellung
aufvollständigeinkommensunabhängigepauschaleBeiträge (Prämien)nutzen.Die
Schritte könnten beispielsweise als vorgegebene jährlich steigende Obergrenze im
Sozialrechtfestgelegtwerden.Spiegelbildlichdazukönntedereinkommensbezogene
TeildesArbeitnehmerbeitragsschrittweisereduziertwerden.
• Mit einem solchen Vorgehen würde zugleich auch „mehr Beitragsautonomie“ der
Krankenkassen verwirklicht, da sie einen zunehmend größeren Teil ihrer Einnah‐
menüberdievonihnenfestzusetzenden‚kassenindividuellenZusatzbeiträge’erzie‐
lenkönnten.
• EinerabsehbarenKritikander‚sozialenUngerechtigkeit’steigendereinkommensu‐
nabhängigerpauschalerBeiträgewürdemit einem ‚sozialenAusgleich’ aus Steuer‐
mittelnbegegnet.
DievorstehendskizzierteInterpretationdesKoalitionsvertragesstütztsichaufentspre‐
chendeÄußerungenführenderKoalitionspolitikerinverschiedenenZeitungsinterviews
undanderenMedien,dieimFolgendenwörtlichzitiertwerdensollen,umdieInterpre‐
tationnachvollziehbarzumachen.
So entgegnetebeispielsweisedieneueStaatssekretärin imBundesministerium fürGe‐
sundheit(BMG),AnnetteWidmann‐Mauz,aufdievielfachvonJournalistenundKritikern
‐27‐
derRegierungskoalitiongeäußerteVermutung,dieKoalitionplanedieEinführungvon
KopfpauschalenindieserLegislaturperiode:
„WirdiskutierennichtmehrüberdasModellvonvorfünf,sechsJahren.DenndurchdenGesund‐heitsfondshates schoneineWeiterentwicklunggegeben, zudem istdieHaushaltslageheuteeineandere. ImKoalitionsvertrag steht deshalb, dass es ein System seinmuss, das gespeistwird auslohnabhängigen Beiträgen, einkommensunabhängigen Pauschalen, die den Kassen wieder Bei‐tragsautonomieermöglichen,undeinem festenArbeitgeberanteil.WirwerdendieZusatzbeiträgeweiterentwickeln“(Widmann‐Mauz2009).
UndderCSU‐VorsitzendeHorstSeehoferklärtedenInterviewerauf:
„WirredenalsonichtübereinegenerelleKopfpauschale,sondernimmernurüberdenZusatzbei‐trag“(Seehofer2009).
„Esistganzeinfach.WirhabendenGesundheitsfonds,undderverteiltGeldandieKrankenkassen.Reichtesnicht,nehmendieKassenvondenVersicherteneinenZusatzbeitrag.DamitsollendieKo‐stendesmedizinischenFortschrittsundder älterwerdendenGesellschaft finanziertwerden.DieKoalitionhatsichgeeinigt,diesenZusatzbeitragmittel‐undlangfristigzudefinieren.Fallsmanzueinem festen Euro‐Betrag kommt, muss er mit einem sozialen Ausgleich verbunden werden“(Seehofer2009).
BundeskanzlerinAngelaMerkel stellteMitte Januar2010 ineinem Interviewmitdem
Handelsblattklar:
„BeiderKrankenversicherunghabenwirmitdemGesundheitsfondseinInstrument,umerforderli‐chenfallsdurchZusatzbeiträgesteigendeKostenaufzufangen“(Merkel2010).
ZumlangfristigenZielundschrittweisenVorgehenäußertensichinsbesondereGesund‐
heitsminister Rösler und der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im
Bundestag,JensSpahn:
„In denKoalitionsverhandlungen sah keiner derBeteiligten eine realistischeChance, denArbeit‐nehmeranteilvonheute81MilliardenEuroinvierJahrendurcheinesolidarischePrämiezuerset‐zen.DafürwäreeinSolidarausgleichinaktuellnichtfinanzierbarenGrößenordnungennötig.SoeinschnellerWechselwarundistauchnichtdasZielderFDP.Alsdasklarwar,hatsichauchHerrSee‐hofersehrgefreutundzugestimmt“(Rösler2009f).
„EinevollständigeUmstellungistnurübereinenmilliardenschweren,steuerfinanziertenSozialaus‐gleichmöglich.WenndasGeldabernichtdaist,kannesSinnmachen, inkleinenSchrittenzube‐ginnenunddenWegüberdenZusatzbeitragzugehen“(Spahn2009b).
„MeinZielistes,indieserLegislaturperiodedenEinstiegindieeinkommensunabhängigeGesund‐heitsprämie zu finden. Dann können wir den Weg zum langfristigen Ziel beschreiten“ (Rösler2009b).
„DasgehtnichtohneSozialausgleich,undesgehtnurschrittweise.Wirmüssen indieserLegisla‐turperiodedenEinstiegfinden,dasZielerreichenwirerstspäter“(Rösler2009f).
„Nein,diePauschalensindderEinstiegineineneueFinanzierungimGesundheitswesen.AberwirmachendasSchrittfürSchritt.EinentotalenSchnittwirdesnichtgeben.EsgibteineschrittweiseEvolutionstattRevolution“(Spahn2009a).
‐28‐
„Wirwerdenschrittweisevorgehen,undumniemandenzuüberfordern,werdenwireinenimmergrößerenTeildesArbeitnehmerbeitragsineinePrämieüberführen“(Rösler2009c).
„ZEIT:WasgeschiehtnochindieserWahlperiode?RÖSLER:DashängterstensvondenMöglichkei‐tendesFinanzministersab,einenSteuerzuschusszufinanzieren.Zweitensdavon,wiemandenSo‐zialausgleichgestaltet,ohnesichdemVorwurfauszusetzen,einengroßenTeilderPflichtmitgliederderSozialversicherungzuBittstellernzumachen.FolglichbrauchtmaneinenautomatischenSozi‐alausgleich,denniemandextrabeantragenmuss“(Rösler2009f).
„Zum anderen geht es uns ja gerade nicht darum, den gesamten Krankenversicherungsanteil schlagartig in eine Prämie zu überführen, sondern das soll schrittweise gehen. Wir fangen mit kleinen Schritten an. Also brauchen wir zu Anfang nur geringe Ausgleichsmittel. Details dazu wird die geplante Regierungskommission vorlegen“(Rösler2010c).
„Schrittweise. Schrittgrößeund Schrittfrequenzhängen vonderMöglichkeit des steuerlichenZu‐schussesundderTechnikdesAusgleichsab“(Rösler2009d).
„Richtig ist, dass man kurzfristig keine Milliardenbeträge zur Verfügung hat, um den Sozialaus‐gleich,dernotwendigist,zufinanzieren.DerUmstiegvonjetztaufgleichwaraberauchnieunserZiel“(Rösler2009b).
„DieHaushaltslage ist denkbar schlecht, deshalbwerdenwirmitderPrämieundSozialausgleichnurinsehr,sehrkleinenSchrittenstartenkönnen“(Spahn2010)
„WirwerdendenprozentualenAnteilimmerkleinermachen‐dasheißtdieMenschenmüssendortwenigerbezahlen‐dafürdeneinkommensunabhängigenBeitrag‐alsodiePrämie‐größer.Undalldiejenigen,diesichdiePrämienichtleistenkönnen,alsodieunterenEinkommen,solleneinenau‐tomatischenSozialausgleicherhalten“(Rösler2010a).
DiezitiertenÄußerungenzeigenauch,dassderVorwurf,dieUmstellungaufeinepau‐
schale Gesundheitsprämie mit steuerfinanziertem Sozialausgleich sei angesichts der
gegenwärtigenHaushaltslagenicht finanzierbarundunrealistisch, insLeere läuft.Das,
wassomancheKritikerderRegierungskoalitionvorwerfen,hatsie–zumindestindie‐
serLegislaturperiode–überhauptnichtvor.UndwennmitkleinenSchrittenbegonnen
wird,werdenauchnurgeringeHaushaltsmittelbenötigt:
„Wir fangenmitkleinenSchrittenan.AlsobrauchenwirzuAnfangnurgeringeAusgleichsmittel“(Rösler2010c).
DieverschiedenenmittlerweilekursierendenModellrechnungen,indeneneinFinanzie‐
rungsbedarf von bis zu fast 40 Mrd. Euro prognostiziert wird (bspw. Albrecht 2009;
Lauterbach/Lüngen/Büscher 2009), können darum auch von der Regierungskoalition
problemlosalsFehleinschätzungzurückgewiesenwerden.DerartigeModellrechnungen
werdenohnehinsolangezweifelhaftbleibenmüssen,wiedieRegierungskoalitionnicht
die dafür erforderlichen zentralen Eckdaten des angestrebten Finanzierungsmodells
vorgelegthat.
‐29‐
AucheineKritik,diederKoalitionvorwirft,siebeabsichtigeMillionenvonKrankenkas‐
senmitgliedernzuBittstellernzumachen,indemsieden‚Sozialausgleich’nuraufAntrag
hindurchführenlasse,läuftinsLeere.ZwarfehltimKoalitionsvertragbeiderFormulie‐
rungzumsozialenAusgleichderZusatz „automatisch“,vereinbartwurdediesaberof‐
fenbarsehrwohl,dieslegenbeispielsweiseentsprechendeÄußerungenvonRöslerund
Spahnnahe:
ManwolledenSozialausgleicheinführen,„ohnesichdemVorwurfauszusetzen,einengroßenTeilderPflichtmitgliederderSozialversicherungzuBittstellernzumachen.FolglichbrauchtmaneinenautomatischenSozialausgleich,denniemandextrabeantragenmuss“(Rösler2009f).
„Jederweiß, dass es zig Steuermilliarden für einen sozialen Ausgleich derzeit imHaushalt nichtgibt.AußerdemsindwirinderPflicht,einenunbürokratischenautomatischenAusgleichsmodusfürGeringverdienerzufinden.EswäreeinfatalesSignal,wennUnionundFDPMillionenMenschenzuAntragstellernmachten“(Spahn2009d).
„EswäredasganzfalscheSignaleinerbürgerlichenKoalition,wennwiraufeinmalMillionenvonMenschenzuAntragstellernmachenmüssten.DabrauchenwireinunbürokratischesVerfahren ‐eineHerkulesaufgabe“(Spahn2009a).
DementsprechendkannRöslerdennauchfeststellen:
„Alle bisher kursierenden Spekulationen sind Fantasien. Siewerden in dieWelt gesetzt, um denMenschenAngstzumachen“(Rösler,zit.n.Ärzteblatt,11.01.2010).
AufGrundderÄußerungeninInterviewskannderEindruckentstehen,dassinderKo‐
alition noch gewisse Differenzen in der Frage bestehen, ob die Zusatzbeiträge aus‐
schließlichpauschaloderobsieeinkommensbezogenerhobenwerdensollen.Sokönnte
zumindestdienachfolgendeÄußerungvonHorstSeehofergedeutetwerden:
„Ichmöchte,dasswirdenZusatzbeitragsozialgestalten.DerzeitkannmanihnalsPauschaleerhe‐ben,abernurbiszueinemProzentvomMonatseinkommendesVersicherten.DieseGrenzeistmit‐telfristigkaumhaltbar,wenndieGesundheitsausgabenweitersteigen.BleibtnurdieMöglichkeit,dass die Krankenkassen den Zusatzbeitrag als prozentualen Beitrag vom Einkommen erheben.DannistdersozialeAusgleichautomatischenthalten“(Seehofer2009).
DemstehtaberdieeindeutigeAussagedesKoalitionsvertragesentgegen,nachderZiel
die Umstellung auf einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge ist. Prozentuale
ZusatzbeiträgekönntensomitnureinvorübergehendesPhänomensein,beispielsweise
umKritikerausdeneigenenReihenzuberuhigen.
Insgesamt hinterlassen die Äußerungen von Seehofer und Söder aber Zweifel, ob sie
AusdruckgrundsätzlicherinhaltlicherDifferenzensindoderobsielediglichdereigenen
regional‐undbundespolitischenProfilierungdienensollen.WennSeehoferinRichtung
Röslerfeststellt:
‐30‐
„Ichglaubeeinfachnicht,dasserseineVorstellungenvoneinerKopfpauschalerealisierenkann.Ichwerdejedenfallsallestun,damitdiesePauschalenichtRealitätwird.DaswäredasEndedersolida‐rischenKrankenversicherung“(Seehofer2009),
soschränkterdieKritikauf„seine“(Röslers)Vorstellungenund„diese“(Röslers)Pau‐
schaleeinund lässtoffen,obsieauchandereVorstellungenundPauschalmodelleein‐
schließt.UndwennderbayrischeGesundheitsministerfeststellt:
„DieKopfpauschaleinreinsterFormerschüttertdieGrundfestendesSolidarprinzipsdergesetzli‐chenKrankenversicherung“(Söder2009),
dannsprichtervonderKopfpauschalein„reinsterForm“,nichtvonderimKoalitions‐
vertragvereinbarten‚unreinen’Übergangsform.
InsgesamtscheinendieInterviewäußerungenderCSU‐Führungdaraufgerichtetzusein,
vorhandeneKritik–auchausdeneigenenReihen–möglichstvollständigaufdieFDP
undvorallemRöslerzulenken.DasVorhabeneinerUmstellungaufpauschaleKranken‐
versicherungsprämienwirdalsFDP‐VorhabenodergarVorhabeneinerPerson,desGe‐
sundheitsministers,dargestellt,sehrwohlimWissen,dassdieEinführungeiner‚solida‐
rischen Gesundheitsprämie’ immer noch geltende Beschlusslage des CDU‐
Bundesparteitagesist.
DerErfolgdieserStrategieistandenzahlreichenZeitungsartikelnundanderenjournali‐
stischen Beiträgen abzulesen, in denen von „Röslers Kopfpauschale“ (Ärzteblatt,
18.01.2010) die Rede ist, und die Umstellung auf einkommensunabhängige Gesund‐
heitsprämien als „Großreform von FDP‐Minister Rösler“, „Röslers Projekt“ und „sein
wichtigstespolitischesVorhaben“bezeichnetwird(Spiegel,25.01.2010:62f.),unddass
es „Widerstand aus der Union gegen Röslers Kopfpauschale“ (Ärzteblatt vom
18.01.2010) gebe, da die CSU „die Pläne von FDP‐Minister Rösler für ein Prämien‐
Modell“ kategorischablehne (DieWelt, 16.11.2009:2).Vermutlichmit einer gewissen
GenugtuungkonnteBundeskanzlerinMerkelMitteJanuar2010ineinemInterviewmit
demHandelsblattdennauchkonstatieren:
„Esistschoninteressant,dassvorallemdieFDPKritikdafürerfahrenhat,dassdas,waswirver‐sprochenhaben,auchwirklichgemachtwird“(Merkel2010).
Eskannsomit festgehaltenwerden:OffenbarverfolgensowohlFDPalsauchdieCDU‐
Führungweiterhin das Ziel einer Umstellung auf pauschale, einkommensunabhängige
Gesundheitsprämien.BeiderFDPistessehreindeutig,dadieGeltungderentsprechen‐
den Beschlusslage nochwenigeMonate vor der Bundestagwahl 2009 in einem State‐
mentderFDP‐BundestagsfraktionundimBundestagswahlprogrammderFDPbekräftigt
‐31‐
wurde(FDP2009;FDP‐Bundestagsfraktion2009).BeiderCDUkannessoerscheinen,
als hätte sichdas Führungspersonal vondem2003/2004beschlossenenGesundheits‐
prämienmodell verabschiedet. Allerdings ist auch hier unbedingt notwendig, die ent‐
sprechendenÄußerungengenauzubetrachtenunddasheißtvorallem,aufdieWort‐
wahlundFormulierungimEinzelnenzuachten.
AlsBeispielseihieraufeinebereitszuvorzitierteAussagederneuenStaatssekretärin
imBMG,AnnetteWidmann‐Mauz,verwiesen:
„WirdiskutierennichtmehrüberdasModellvonvorfünf,sechsJahren.DenndurchdenGesund‐heitsfondshates schoneineWeiterentwicklunggegeben, zudem istdieHaushaltslageheuteeineandere“(Widmann‐Mauz2009).
DieseAussagealsAbkehrvomGesundheitsprämienmodellzudeuten,wäreeineFehlin‐
terpretation,dennindemselbenInterviewgibtsichWidmann‐Mauzsehreindeutigals
BefürworterindesGesundheitsprämienmodellszuerkennen:
„IchwarimmerfüreinsolidarischesGesundheitsprämienmodell“(Widmann‐Mauz2009).
AuchderneuegesundheitspolitischeSprecherderUnionsfraktion,JensSpahn,bezeich‐
netesichnochEndeJanuar2010als„großenAnhängerdesPrämienmodells“(Spahn,zit.
n.Elger/Reiermann2010).
DerVerweisdarauf,dassinternnichtmehrüberdasModellvonvorfünf,sechsJahren
diskutiertwird,dürfteehersozuinterpretierensein,dassmanmittlerweileaufGrund
derbereitsvollzogenenerstenSchritteinRichtungpauschalerBeiträgeimRahmendes
GesundheitsfondsundderaktuellenHaushaltslagenichtmehrüberdieGrundsätzedes
Gesundheitsprämienmodellsdiskutierenmuss,sondernnurnochdarüber,mitwelchen
weiterentaktischenSchrittenmandemZielnäherkommenkann.
Allerdingsbleibt festzuhalten:DassderBegriff „Gesundheitsprämie“ imKoalitionsver‐
trag ankeiner Stelle erscheint, ist sicherlich keinVersehen, sondernmit hoherWahr‐
scheinlichkeitTeileinerStrategiezurDurchsetzunglangfristigerZielsetzungen.Dasda‐
hinterstehendeKalkülkönntesein,dassdasZielbeidemzuerwartendenWiderstand
auchinderUnionleichterzuerreichenist,wennesnichtgleichoffengelegtwird.
DieFrage,obindenKoalitionsverhandlungentatsächlichundausdrücklichdieUmstel‐
lungaufdasGesundheitsprämienmodellvereinbartwurde,könnenletztlichnurdieun‐
mittelbarBeteiligtenbeantwortenundderenAntwortenfallengegensätzlichaus.Wäh‐
rendSeehoferundSöderdiesinihrenöffentlichenÄußerungenbestreiten,stimmendie
übrigenBeteiligtendarinüberein,dass–auchwenndiesnichtexplizitimKoalitionsver‐
‐32‐
trag steht – die Einführung des ‚Gesundheitsprämienmodells’ ausdrücklich vereinbart
wurde.
So stellte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion in einem Interview
EndeJanuar2010klar,dassausdenZusatzbeiträgendie„vereinbarteGesundheitsprä‐
mie“entwickeltwerdensoll:
„Außerdemwollenwir zukünftig einen steuerfinanzierten Sozialausgleich,wennwir ausdenZu‐satzbeiträgendievereinbarteGesundheitsprämieentwickeln“(Spahn2010).
Und wenige Wochen später äußerte sich auch der Vorsitzende der CDU/CSU‐
Bundestagsfraktion,VolkerKauder,indieserFrageerstmalsundsehreindeutig:
„WirwollendieGesundheitsprämie,dashabenwirinderKoalitionsvereinbarungfestgelegt“(Vol‐kerKauder,zit.n.Tagesspiegel,1.03.2010:4).
Offensichtlich wurde die Einführung des Gesundheitsprämienmodells vereinbart und
man kam überein, die Verwendung dieses Begriffs im Koalitionsvertrag bewusst zu
vermeiden.Und in derTat, verfolgtmandie zahlreichen Interviews imZeitverlauf, so
schälte sich erst nach und nach heraus undwurde auch von den Journalisten zuneh‐
menderkanntundsogedeutet,dasssichdieKoalitionaufeineschrittweiseErhöhung
der Zusatzbeiträge geeinigt hat, um darüber ihr Ziel, die Verwirklichung des Gesund‐
heitsprämienmodells,zuerreichen.
ZwarwurdeAnfang2010aufGrundderzahlreichenInterviewszunehmenddeutlicher,
dass die Koalition über pauschale Zusatzbeiträge zur pauschalen Gesundheitsprämie
gelangenwill,damitistabernichtwirklichKlarheitdarübergeschaffen,wasdieKoaliti‐
onlangfristiganstrebt,denndas‚Gesundheitsprämienmodell’umfasstweitmehralsnur
pauschale, einkommensunabhängigeArbeitnehmerbeiträge.DadieKoalitionnichtvon
sichausoffenlegt,welchelangfristigengesundheitspolitischenZielesietatsächlichver‐
folgt,istmandaraufverwiesen,diegeltendeBeschlusslagederoberstenParteigremien
daraufhinzuanalysieren,welchelangfristigenZielevondieserBundesregierungzuer‐
wartensind.DiessollanspätererStelleausführlichererfolgen.
Esseiaberbereitsvorweggenommen–dadiesauchfürdieInterpretationderübrigen
PunktedesKoalitionsvertragesvonBedeutungist–dassdieBeschlusslagesowohlvon
FDPalsauchCDUlangfristigaufdieAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherung
alsSozialversicherungzielt.DieFDPhatsichbereitsmehrfachoffenzudiesemZielbe‐
kannt, die CDU‐Parteitage dagegennicht in der bei der FDP anzutreffendenOffenheit.
Dennoch istdasGesundheitsprämienmodellnichtsanderesalseinProgrammzurUm‐
‐33‐
wandlungderKrankenkassen inprivateVersicherungsunternehmen.Mit derAbschaf‐
fungderGKVwirdallerdingsnichtnurdieArtderKrankenversicherunggeändert,mit
ihr würde der entscheidende Schritt zur Umwandlung des deutschen Gesundheitssy‐
stemsineinmarktwirtschaftlichesSystemvollzogen.Insofernistesdurchausangemes‐
sen,dieFragederpauschalenZusatzbeiträgeundalleMaßnahmenzuihrerAusweitung
alsGrundsatzfragezurZukunftdesdeutschenGesundheitssystemszubegreifen.
2.1.2.4 ReduzierungundVereinfachungdesRisikostrukturausgleichs
ZurzukünftigenAusgestaltungdesRisikostrukturausgleichs(RSA)findetsichimKoali‐
tionsvertragdiefolgendeAussage:
„DerMorbi‐RSAwirdaufdasnotwendigeMaßreduziert,vereinfachtsowieunbürokratischundun‐anfälligfürManipulationengestaltet“(CDU/CSU/FDP2009:86).
ZwarlässtdieseFormulierungkeinekonkretenVeränderungsvorhabenerkennen,wohl
aber eine Richtung. Die Ankündigung einer ‚Reduzierung’ desmorbiditätsorientierten
RSAlässterwarten,dassdieSummederüberdenRSAumverteiltenFinanzmittelredu‐
ziert werden soll. Der RSA ist seit Einführung des Gesundheitsfonds das zentrale In‐
strument zurVerteilungder indenGesundheitsfondseingezahltenBeiträgeundSteu‐
ermittel.Mit den Zusatzbeiträgen ist allerdings bereits bei der Schaffung desGesund‐
heitsfondsderEinstiegdieAbschaffungdesFondsindieKonstruktiondesFondseinge‐
bautworden.Denn: Zusatzbeiträge erhebt die einzelneKrankenkasse direkt vom ein‐
zelnenMitgliedunddieBeiträgesind–andersalsderallgemeineBeitragssatz–nichtan
denFondsweiterzuleiten,sondernverbleibenbeiderjeweiligenKrankenkasse.
Darausergibt sich: IndemMaße,wiederAnteilderZusatzbeiträgeamgesamtenBei‐
tragsaufkommenerhöhtwird,wirdautomatischdieSummedermittelsRSAzuvertei‐
lendenMittel‚reduziert’.MitdieserStrategiewerdengleichmehrerederimKoalitions‐
vertrag genannten Ziele zugleich erreicht: der Umstieg auf einkommensunabhängige
Gesundheitsprämien,dieErhöhungderBeitragsautonomiederKrankenkassenunddie
ReduzierungdesRSA.
DieAusweitung desAnteils der pauschalen Zusatzbeiträge amGesamtkrankenkassen‐
beitragderMitgliederunddiedamitverbundeneautomatischeReduzierungdesanden
GesundheitsfondszuüberweisendenBeitragsanteilshatabernocheineweitereAuswir‐
kung.Mitder schrittweisenAusweitungdesBeitragsanteils,derdeneinzelnenKassen
‐34‐
verbleibt, wird zugleich das für den kassenübergreifenden Solidarausgleich zwischen
den Einzelkassen zur Verfügung stehende Finanzvolumen reduziert. Der kassenarten‐
übergreifendeAusgleichvonAusgabenrisiken,diedurchunterschiedlicheMorbiditäts‐
strukturenderVersichertenentstehen,warabernebendemAusgleichunterschiedlicher
EinkommensstrukturendaszentraleMotivfürdieSchaffungdesRSAimJahr1994.
EinAusgleichssystem,dasdieunterschiedlichenEinkommens‐undMorbiditätsstruktu‐
ren der Versicherten der verschiedenen Kassenweitgehend ausgleicht,wurde für die
Eröffnung eines Kassenwettbewerbs als zentrale Voraussetzung angesehen, um einen
‚fairen’Wettbewerbohnedie ansonsten zu erwartendeRisikoselektion ‚guterRisiken’
zuerreichen.DaderersteRSAdieseAufgabeaufGrundfehlenderBerücksichtigungder
Morbiditätsstrukturennichterfüllenkonnte,wurdeerzueinemmorbiditätsorientierten
RSAweiterentwickelt.
Zusatzbeiträge,dienichtandenFondsabzuführensind,bedeutennichtsanderesalsden
Ausstieg aus dem kassenartenübergreifenden Solidarausgleich. Diese Konsequenz der
ZusatzbeiträgeundihrerschrittweisenAusweitungscheintvielen–auchinderjetzigen
Regierungskoalition–nichtbewusstzusein,darunterauchGesundheitsministerRösler.
InmehrerenInterviewsbetonteer,dassdieSolidaritätzwischenGesundenundKranken
zumKerndergesetzlichenKrankenversicherunggehöreundnichtinFragegestelltwer‐
densolle(sou.a.Rösler2009a;Rösler2009f).
Eine Vereinbarkeit der Ausweitung von Zusatzbeiträgen, die den einzelnen Kassen
verbleiben,mitdemFesthaltenaneinerSolidaritätzwischenGesundenundKrankenin
dergesetzlichenKrankenversicherungkönnteallerdingsdanngeltendgemachtwerden,
wenndamitnurdieSolidarität innerhalbeinerKrankenkassegemeint ist.Denn inner‐
halbeinerKassewerdendieKostenfürdieVersorgungKrankerauchvonGesundenge‐
tragen, zumindest so lange,wie die Beiträge nicht risikoäquivalent kalkuliertwerden,
wiediesimGeschäftsmodellderPKVderFallist.
Was bleibt, ist somit die schrittweise Abschaffung eines kassenartenübergreifenden
Ausgleichs unterschiedlicher Morbiditätsstrukturen der Versicherten und damit ver‐
bundendieschrittweiseVerstärkungfinanziellerAnreizefüreineaufdieMorbiditätdes
einzelnenVersichertenausgerichteteRisikoselektionderKrankenkassen.Mitsteigender
BedeutungdesZusatzbeitrages fürdieEinnahmesituationeinerKrankenkassewirdes
fürsie finanziellzunehmendattraktiv,möglichstwenigkrankeVersicherte imBestand
zuhaben.
‐35‐
Einige Kassen scheinen sich auch bereits auf diese ‚neuen Zeiten’ vorzubereiten, bei‐
spielsweiseindemsiePrognosesystemeentwickeln,dieinderLagesind,Versichertezu
identifizieren, bei denen zukünftig mit überdurchschnittlichen Behandlungskosten zu
rechnenist.SosetztbeispielsweisedieBarmerErsatzkasseeinen‚Predictive‐Modeling‐
Ansatz’zur„IdentifikationzukünftigerHochkostenfälle“(Wolik2008)ein,mitdemauf
Grundlage der Versichertendaten insbesondere die Versicherten mit der höchsten
Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt „herausgefiltert“ werden sollen
(Vöcking 2009: 185).6 In anderen, ebenfalls für einzelne Kassen entwickelten EDV‐
Programmen geht es ebenfalls um die frühzeitige Identifikation von Versicherten, bei
denenaufGrundbestimmterMerkmaledieWahrscheinlichkeithochist,dasssiezukünf‐
tig als „Hochnutzer“ überdurchschnittlicheKosten verursachenwerden (Schönermark
etal.2010).
AuchdieAnkündigungeinerVereinfachungdesRSA,unteranderemdahingehend,dass
erwenigermanipulationsanfällig sei,weist im Grundsatz in die gleiche Richtung. Der
morbiditätsorientierteRSAistohneZweifeleinaußerordentlichkomplexesRegelungs‐
werk,dasletztlichnurrelativwenigeAkteurewirklichdurchschauen.Insofernkanndie
Forderungnach einerVereinfachung sicherlichmit breiterUnterstützungnichtnur in
derBevölkerung,sondernvorallemunterdenvondieserKomplexitätbetroffenenAk‐
teuren im Gesundheitssystem rechnen. Allerdings steht das Vorhaben einer Vereinfa‐
chungvordemschwerwiegendenProblem,dassdieAufgabenstellung,unterschiedliche
Morbiditätsstrukturen zwischen den Krankenkassen bundesweit möglichst ‚gerecht’
auszugleichen,umsowenigerzuerfüllenist,jeeinfacherdasAusgleichssystemgestaltet
ist. Es darf wohl angenommen werden, dass es einen positiven Zusammenhang zwi‐
schendemGradderKomplexitätunddemAusmaßanGerechtigkeiteinesMorbiditäts‐
ausgleichsbesteht.LehntmanallerdingseinensolchenAusgleichgrundsätzlichabund
hält ihn für überflüssig oder gar schädlich für einen ungehindertenWettbewerb zwi‐
schendenKassen,dannbietetsichdieVereinfachungalsstrategischerZwischenschritt
aufdemWegzueinervollständigenAbschaffungan.
6 GegenwärtigsolldasentsprechendeEDV‐Programmprimärdazudienen,Versichertemitbesonderem
Unterstützungsbedarffrühzeitigzuerkennen,beispielsweiseumihnenCaseManagementanbietenzukönnen,esistabersehrgutaucheinsetzbar,umdieerforderlichenDatenfürgezielteRisikoselektionzubetreiben,oderzueinemspäterenZeitpunkt–nacheinerUmwandlungderBarmerineinePKV–risikoäquivalentePrämienzielgenauerzukalkulieren.
‐36‐
InsoferndrängtsichderEindruckauf,dassdiesePassagedesKoalitionsvertragesgetra‐
gen istvondemWillen,denRSA langfristigvollständigabzuschaffen.MitdemAusbau
derZusatzbeiträgewürdeihmschrittweiseUmverteilungsvolumenentzogen,undwenn
man–wieesdieFDPanstrebt–dieKrankenkassenvollständigabschaffenundinpriva‐
te Krankenversicherungsunternehmen umwandeln will, dürfte ein solcher Ausgleich
vonMorbiditätsrisikenohnehinalsFremdkörper ineinemangestrebten ‚freiheitlichen
Versicherungsmarkt’erscheinen.
In dieses Bild fügt sich auch eine zentrale Personalentscheidung der neuen BMG‐
Führung ein.Nachdem JosefHecken (CDU), seitMai 2008Präsident desBundesversi‐
cherungsamtes (BVA), als Staatssekretär in das Bundesarbeitsministerium gewechselt
war,wurdederAbteilungsleiter imbayrischenSozialministeriumunderklärteGegner
desGesundheitsfonds,MaximilianGaßner,PräsidentdesBVA.DiesePersonalentschei‐
dung wie auch die Berufung des vorherigen stellvertretenden Direktors des PKV‐
VerbandesundLeitersdesWissenschaftlichenInstitutsderPKV,ChristianWeber,zum
LeiterderGrundsatzabteilung imBMGdürfenwohlalsprogrammatischundAusdruck
einerlängerfristigenZielsetzunginterpretiertwerden.
2.1.2.5 AdäquatesVerhältnisvonBeitragundLeistung
Aucheineetwas‚verklausierte’FeststellungzumVerhältnisvonBeitragundLeistungin
der gesetzlichen Krankenversicherung weist in die Richtung einer Umwandlung der
KrankenkasseninprivateVersicherungsunternehmen:
„BeitragundLeistungmüssenineinemadäquatenVerhältnisstehen“(CDU/CSU/FDP2009:86)
DieseAussagespieltoffensichtlichaufdasinderprivatenKrankenversicherungbeider
PrämienkalkulationzurAnwendungkommendesogenannte ‚Äquivalenzprinzip’an. In
der PKV richtet sich dieHöhe der individuellen Versicherungsprämie nicht nach dem
Einkommen des Versicherten, sondern nach der Höhe des Versicherungsrisikos und
demUmfangdesindividuellgewähltenVersicherungsschutzes.DiePrämieeinerpriva‐
tenKrankenversicherungrichtetsichdementsprechendvorallemnach:
• demGesundheitszustandbeiEintrittindieVersicherung,
• demAlterbeiEintrittindieVersicherung,
• demGeschlechtund
• demgewähltenVersicherungstarif(UmfangderVersicherungsleistungen).
‐37‐
DerBeitragstelltinderprivatenVersicherungswirtschafteinÄquivalentfürdieverein‐
bartenVersicherungsleistungendar.IstdasVersicherungsrisikoausSichtdesVersiche‐
rerszuhoch,vorallemdurchschwereVorerkrankungen,sokanneineprivateKranken‐
versicherung den Abschluss eines Versicherungsvertrages auch ablehnen. Die Unter‐
nehmenderPKVsindimGrundsatznichtverpflichtet,jedenAntragstelleraufzunehmen,
sieunterliegen–juristischausgedrückt–keinem‚Kontrahierungszwang’.EineAusnah‐
mebilden lediglichdie nachAbschluss desVertrages geborenenKinderdesVersiche‐
rungsnehmers(§198VVG)unddieAufnahmevonAntragstellernindenvomGesetzge‐
bervorgeschriebenenBasistarif, sofernsiediegesetzlichenVoraussetzungendafürer‐
füllen(§193Abs.5VVG).7BeideGruppenvonVersicherten istdiePKVgesetzlichver‐
pflichtet,ohneRisikoprüfungundRisikozuschlägeaufzunehmen.Dadurchwirdaberder
zuvorskizzierteallgemeineGrundsatzderPrämienkalkulationnichtinFragegestellt.
IndergesetzlichenKrankenversicherunggeltendagegengrundsätzlicheanderePrinzi‐
pienderBeitragskalkulation.ZumKernbestanddieserPrinzipiengehörtderGrundsatz,
dass es keinen Zusammenhang zwischen der Beitragshöhe und demLeistungsumfang
gibt.DieHöhedesBeitrageshatsichalleinnachderfinanziellenLeistungsfähigkeitdes
Mitgliedszurichten,dieabgelesenwirdanderHöhederbeitragpflichtigenEinnahmen.
AuchwenndieserGrundsatzdurchverschiedeneGesundheitsreformenderletztenJahre
an mehreren Stellen durchbrochen wurde, so baut die Sozialversicherung GKV doch
weiterhininihremKernbestandaufdiesemGrundsatzauf.
DerLeistungskatalogistzufast100%füralleVersichertenidentischgesetzlichfestge‐
legt.Esblieb inderVergangenheitnureinsehrkleinerBereichdervondereinzelnen
Krankenkasse zusätzlichzugewährenden ‚Satzungsleistungen’.DerenGewährungwar
abernichtandieBedingungeineshöherenBeitragsgebunden.DieinderjeweiligenSat‐
zungfestgelegtenLeistungenwarenzudemallenMitgliedernunabhängigvonihremSta‐
tusundihrerBeitragshöhezugewähren.EineReduzierungdesgesetzlichenLeistungs‐
katalogesdurchdieeinzelneKrankenkassewarundiststriktverboten,jederVersicher‐
tehatgegenüberseinerKrankenkasseeinengesetzlichenAnspruchaufalleLeistungen,
diealsmedizinischnotwendig,wirksamundwirtschaftlichgelten.
DievorstehendeErläuterungmagüberflüssigerscheinen,wennmanmitdemKranken‐
kassenrechtvertraut ist.AngesichtsderzahlreichenöffentlichenDiskussionenundder
7 VVG:Versicherungsvertragsgesetz.
‐38‐
indenletztenJahrenbereitsvollzogenenDurchbrechungdiesesGrundsatzesistesaber
leiderzunehmendwichtigergeworden,diesenzentralenGrundsatzderGKVinErinne‐
rung zu bringen beziehungsweise zu halten. Durchbrochen wurde dieser tragende
GrundsatzdergesetzlichenKrankenversicherunginsbesonderedurchmehrere‚Wahlta‐
rife’,dievorallemaufVerlangenderCDUvondergroßenKoalitionimRahmendesGKV‐
WSGab2007indasKrankenkassenrechteingefügtwurden.SeitdemkönnenKranken‐
kassen beispielsweise Selbstbehalttarife anbieten ähnlich der PKV und der Kfz‐
Versicherung,beidenenderVersicherteanfallendeKostenbiszueinerbestimmtenHö‐
heselbstträgtunddafüreineBeitragsermäßigunginFormeinerBeitragsrückerstattung
vonderKasseerhält(§53Abs.2SGBV).8
MitdenSelbstbehalttarifenwieauchdenanspätererStellenähererläutertenWahltari‐
fenwurde der zuvor angesprocheneGrundsatz insofern durchbrochen, alsmit diesen
‚Tarifen’ ein direkter Zusammenhang hergestellt wird zwischen Leistungsumfang und
Beitragshöhe.Mit denWahltarifenwurde somit ein Kernelement der PKV in die GKV
eingefügt.AmweitestengingdieÜbernahmevonKalkulationsmethodenderPKVoffen‐
barbeidemWahltarif‚Krankengeld’fürSelbständige(§53Abs.6SGBV).DadasGesetz
denKassenvorgab,dieWahltarifekostendeckendzukalkulierenaberkeineKalkulati‐
onsmethodikvorschrieb,nutzteneinigeKassendieseFreiheit,umrisikoäquivalenteBei‐
träge zu kalkulieren, die eine Differenzierung nach Altersstufen vorsahen
(Schürmann/Osterkamp/Amling 2009). Dadurchwurde derWahltarif umso teurer, je
älterderVersichertewar.EinesolcheKalkulationsmethodikbotzudemdieMöglichkeit
der ‚Risikoselektion’.HohePrämienfürÄltereschrecktendiepotenziellkostenaufwen‐
digerenälterenVersichertenabbeziehungsweisekonntensiezumWechsel ineinean‐
dereKasseohneAltersstufungveranlassen;und siemachtendieKasse für jungeeher
gesündereSelbständigeattraktiv(ebd.).
AufGrundzahlreicherBeschwerdenältererSelbständigerinterveniertediegroßeKoali‐
tion noch in den letzten Monaten ihrer Amtszeit und verbot den Kassen ab dem
1.09.2009 Krankengeldtarife für Selbständigemit Altersstaffelungen anzubieten (§53
Abs.6 SGBV). Die bestehenden Tarife mit Altersstaffelung endeten zum 31.08.2009.
8 Da der allgemeine Beitragssatz von der Krankenkasse an den Gesundheitsfondsweitergeleitetwird
unddieKasseihreZuweisungenvomFondsaufGrundlagedesRSAerhält,kannsiegenaugenommenkeineBeitragsrückerstattunggewähren.DarumistimGesetzvon‚Prämien’dieRede,diebeientspre‐chendenWahltarifen an die Versicherten ausgezahltwerden. Faktisch sind die Prämien aber nichtsanderesalsBeitragsrückerstattungen.
‐39‐
Bemerkenswert dürfte daran sein, dass diese Intervention nur mit Zustimmung der
CDU/CSUmöglichwar,aufderenBetreibenhindieWahltarife indasGKV‐WSGaufge‐
nommenwordenwaren. Vermutlich hatte die Unionmit diesemWahltarif einen Teil
ihrer Stammwählerschaft und auchTeile ihrerMitgliedschaft verärgert. Grundsätzlich
istaberfestzuhalten,dassesinderVergangenheitdieCDU/CSUwar,diewährendihrer
gemeinsamenRegierungszeitmitderFDPbis1998undinderZeitdergroßenKoalition
zwischen2005und2009dieEinfügungvonElementenderPKVindieGKVvorantrieb.
Insofernistdavonauszugehen,dassinderFrage,obweitereElementedesÄquivalenz‐
prinzipsindieGKVeingebrachtwerdensollen,relativleichtKonsenszwischendenneu‐
enKoalitionspartnernherzustellenwarundist.
DiesfestzuhaltenistinsofernfürdieAnalyseundEinschätzungderRegierungsplänevon
Bedeutung,als zwardieFDPohnehin fürdieAbschaffungderSozialversicherungGKV
ist,dasFührungspersonalderUnionsichindieserFrageaberbedeckthältoderdieAn‐
nahme,siewürdeneinsolchesVorhabenbefürworten,vermutlichentschiedenvonsich
weisendürfte.FaktischbetreibtdieCDU/CSUBundestagsfraktionallerdingsseitJahren
ineiner‚PolitikderkleinenSchritte’sehrwohldenUmbauderKrankenkassenzupriva‐
tenKrankenversicherungen.DieWahltarifesindhierzueinBaustein,wennaucheinsehr
wichtiger, in der langfristigenWirkung nicht zu unterschätzender. Bezeichnend ist in
diesemZusammenhang,dassin§53SGBV,derdieWahltariferegelt,nurvon„Prämien“
oder„Prämienzahlungen“dieRedeist(dreizehnmalinneunAbsätzen).Lediglichanei‐
ner Stelle tauchtderBegriff „Beiträge“ auf, der sich abernicht aufWahltarifebezieht,
sonderndenallgemeinenBeitragssatz(§53Abs.8SGBV).Auchwennaneineranderen
Stelle des SGBV der Begriff ‚Prämie’ oder ‚Prämienzahlung’ erscheint, so bezieht sich
diesnuraufdieWahltarife.
OffenbarfolgtdieBenutzungdesBegriffs‚Prämie’einerRegel:DortwodieKrankenkas‐
sen nichtmehr als Sozialversicherung agieren, sondern das Geschäftsmodell der PKV
übernehmen sollen, werden auch – systematisch durchaus folgerichtig – die entspre‐
chendenBegriffederprivatenKrankenversicherungverwendet.Einerseitswirddaran
deutlich, dassdieWahltarifenach§53SGBV „Fremdkörper inder gesetzlichenKran‐
kenversicherung“(Stiphout2009:543)sind.AndererseitsistesaberaucheinIndizfür
eineseitJahrenvorallemvonderCDUverfolgtePolitikderUmwandlungvonKranken‐
kasseninprivateVersicherungsunternehmen,derenZielsetzungauchinderÜbernahme
vonBegrifflichkeitenzumAusdruckgebrachtwird.
‐40‐
2.1.3 LeistungskatalogdergesetzlichenKrankenversicherung
Zur zukünftigen Gestaltung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversiche‐
rungenthältderKoalitionsvertragmehrereAnkündigungenvonVorhaben,diezumEi‐
nendemSchutzderPKVdienen sollenundzumAnderenauf eineweitergehendeAn‐
gleichungderGKVandiePKVzielen.
2.1.3.1 MehrGestaltungsfreiheitfürdieVersicherten
ZurGestaltungsfreiheitderVersichertenfürihrenVersicherungsschutzenthältderKo‐
alitionsvertragdiefolgendenAussage:
„DieVersichertensollenaufderBasisdesbestehendenLeistungskatalogssoweitwiemöglichihrenKrankenversicherungsschutzselbstgestaltenkönnen“(CDU/CSU/FDP2009:86).
Auch bei dieserAussage ist zunächst auf die bisherigenGrundprinzipien der gesetzli‐
chen Krankenversicherung zu verweisen. Die gesetzliche Krankenversicherung in
DeutschlandistinsbesonderedurcheinenfüralleVersicherteneinheitlichenundweder
von ihnennochvondenKrankenkassenveränderbarenLeistungskataloggekennzeich‐
net.Es istgesetzlichVersichertenaußerhalbdesWahltarifbereichesnichtmöglich,be‐
stimmte gesetzlich vorgeschriebeneLeistungen ‚abzuwählen’,wie dies in derPKVder
Fallist.KrankenkassenhabenbislangnurdieMöglichkeit,gewissezusätzlicheLeistun‐
genalsSatzungsleistungenzugewähren,dieabernichtfüreinzelneVersicherteinindi‐
viduellen Versicherungsverträgen vereinbart werden, sondern für alle Versicherten
gleichgelten.
Wiebereitsangesprochen,istdieserGrundsatzdurchdie2007eingeführtenWahltarife
durchbrochenworden, außerhalb dieser ‚Fremdkörper’ in derGKV gilt derGrundsatz
jedochweiterhin.AuchdieWahlmöglichkeitderfreiwilligVersichertenbeiderLeistung
Krankengeld ist lediglich eineAusnahmeund stellt denGrundsatz nicht in Frage. Ab‐
hängigBeschäftigteunterhalbderVersicherungspflichtgrenzekönnennichtwählen,ob
sieimKrankheitsfallnachderLohnfortzahlungKrankengelderhaltenwollenodernicht,
fürsiegehörtKrankengeldzumgesetzlichzwingendvorgeschriebenenLeistungskatalog
jederKrankenkasse.
OffenbarhabensichdieVerhandlungsführerderKoalitiondaraufgeeinigt,denGrund‐
satz eines für alle Pflichtversicherten einheitlichen Leistungskatalogs weiter einzu‐
‐41‐
schränken.VermutlichsollderKatalog–analogzurschrittweisenUmstellungaufeine
pauschale ‚Versicherungsprämie’ – ebenfalls in zunächst kleinen Schritten aufgelöst
werden.DieFormulierung„aufBasisdesbestehendenLeistungskatalogs“schließtdies
keinesfallsaus.DerbestehendeLeistungskatalogsolllediglichdie„Basis“bilden,vonder
ausgehendzukünftigLeistungenauch‚abgewählt’werdenkönnen.
EinBlickindiegesundheitspolitischenParteitagsbeschlüssevonCDUundFDPkanndie
dahinter liegende Zielorientierung erkennbar machen. So hat sich die FDP in ihrem
Wahlprogramm2009dafürausgesprochen,diegesetzlicheVersicherungspflichtaufei‐
ne„Grundversorgung“zureduzieren,dienurnochdie„ExistenzbedrohendenRisiken“
abdeckt(FDP2009:18).IndenvorhergehendenJahrennanntesiees„Regelversorgung“
undstellteklar,dassnurnochdafüreineVersicherungohne„Risikozuschläge“aufPrä‐
miengewährtwerdensoll(FDP2007:6).SoweitgehtdieBeschlusslagederCDUzwar
nicht, aber auch ihr Gesundheitsprämienmodell sieht eine Differenzierung in einen
„Standard‐Krankenversicherungsschutz“ und zusätzliche Leistungen gegen höhere
„Prämien“vor(CDU2003:27).
Die Auflösung des gesetzlichen Leistungskatalogs in einen reduzierten Bereich der
‚Grundversorgung’mit ‚Standard‐Versicherungsschutz’ undeinennurüber gesonderte
‚Prämien’ zuerhaltenden ‚Premium’‐Bereich zusätzlicherLeistungen steht indirektem
Zusammenhang zur zuvor angesprochenen schrittweisen Einführung des Äquivalenz‐
prinzipsbeiderBeitragsbemessung.ErstdieReduzierungdesgesetzlichenLeistungska‐
talogseröffnetdieMöglichkeit,BeiträgeauchnachdemUmfangdesgewähltenunddann
auchindividuellzuvereinbarendenLeistungsumfangszukalkulieren.
2.1.3.2 AusweitungderKostenerstattung
FürdenBereichderambulantenärztlichenVersorgungwird imKoalitionsvertrageine
Ausweitung der „Möglichkeiten der Kostenerstattung“ angekündigt (CDU/CSU/FDP
2009:88).Kostenerstattung istebenfallsein typischesElementderprivatenKranken‐
versicherung, das allerdings bereits seit längerem in die gesetzlicheKrankenversiche‐
rungeingefügt ist, zunächstnur für freiwilligVersicherteundseit2004 füralleVersi‐
chertenalsWahlmöglichkeit(§13Abs.2SGBV).DabereitsalleVersichertendieMög‐
lichkeitderKostenerstattunghaben,istaufSeitenderVersicherteneineAusweitungvon
Möglichkeitenwohlkaummöglich.Diesescheintauchnichtgemeintzusein,da inder
‐42‐
entsprechendenPassagenichtvonVersichertendieRedeist.OffenbaristeineAuswei‐
tungvonMöglichkeitenanandererStellegemeint.DaKostenerstattung imBinnenver‐
hältniszwischenVersichertemundKrankenkasseerfolgt,bleibtnurdieMöglichkeitfür
Krankenkassen,fürbestimmteLeistungsbereicheüberhauptkeineSachleistungenmehr
zuübernehmen,sondernnurnochKostenerstattungzugewähren.
FüreinesolcheInterpretationderangesprochenenPassageimKoalitionsvertragspricht
auch die Beschlusslage von CDU und FDP. Die vollständige Abschaffung des Sachlei‐
stungsprinzipsunduneingeschränkteErsetzungdurchKostenerstattunggehörtseitJah‐
ren zum festenRepertoireder gesundheitspolitischenPositionender FDP (FDP2003:
10; 2004: 4). Das Gesundheitsprämienmodell der CDU sieht ebenfalls eine deutliche
AusweitungderKostenerstattungvor.DanachsollKostenerstattunginderambulanten
ärztlichenVersorgungzum„Regelfall“werden,SachleistungzurAusnahme(CDU2003:
27).
DadieAussagezurAusweitungderKostenerstattungimAbschnittzurambulantenärzt‐
lichenBehandlunggemachtwurde,liegtesnaheanzunehmen,dasssichdieKoalitionäre
aufeineschrittweiseUmstellungderSachleistung‚ambulanteärztlicheBehandlung’auf
reine Kostenerstattung geeinigt haben. Allerdings nicht mehr als Wahloption für die
Versicherten,sondernalsVorgabeoderOptionfürdieKrankenkassen,ambulanteärztli‐
cheVersorgungnurnochaufdemWegederKostenerstattungzugewähren.Wieinder
privaten Krankenversicherung würde der Versicherte dann vom behandelnden Arzt
eine Rechnung über die erbrachten Leistungen erhalten und wäre Schuldner dieser
Rechnung.DieRechnungmüssteerderKasseeinreichen,dieihmdann–jenachgesetz‐
lichenVorgabenoderSatzungsbestimmung–dengesamtenRechnungsbetragodernur
einenTeilüberweist.
DieArztpraxenkönntensoauchvonderErhebungderPraxisgebührentlastetwerden,
indemdieKassedenentsprechendenBetrageinfachvomÜberweisungsbetragabzieht,
ebensowievorgegebeneZuzahlungenoderBegrenzungenderKostenerstattungaufwe‐
nigerals100%.SokönntegleichzeitigauchdasVersprechenerfülltwerden‚ für ‚Büro‐
kratieabbau’undEntlastungderÄrztevonBürokratiezusorgen.
Die Ausweitung derKostenerstattungwird imKoalitionsvertrag und auch an anderer
Stelle von CDU und FDP immerwieder damit begründet, sie diene zur Erhöhung der
Transparenz und setzte Anreize für kostenbewusstes Verhalten. Versichertenwürden
mitderRechnung,diesieerhalten,dievonihnenverursachtenKostentransparentund
‐43‐
siekönntenauchAbrechnungsbetrugerkennenundihrerKassemelden.Umeinsolches
ZielderKostentransparenzzuerreichen,wäreaberkeineKostenerstattungerforderlich,
eswürdereichen,denVersichertenlediglichdieRechnungzurKenntniszugeben.Dass
siedieseauchbezahlenmüssen,wäreinkeinerWeisenotwendig.
DieEinführungundAusweitungvonKostenerstattungindergesetzlichenKrankenver‐
sicherungzieltletztlichdarauf,weitereElementederPKVindieGKVeinzufügen,indie‐
semFalleines,daseserleichtert,denLeistungsumfangdergesetzlichenKrankenversi‐
cherung einzuschränken. Statt dass derGesetzgebermit politisch schwierigenundöf‐
fentlichenDebattenverbundenenEingriffendenLeistungskatalogkürzt,wirddieVer‐
antwortung fürLeistungskürzungenaufdieeinzelnenKassenverlagert.Denkbarwäre
einepolitischeStrategie,dieesKassenerlaubt,dieErstattungssätzefürbestimmteLei‐
stungen in ihrer Satzung zu regeln.Dass brächte denKassendie imKoalitionsvertrag
angekündigte‚mehrBeitragsautonomie’,denVersichertendieankündigtenMöglichkei‐
tenderindividuellenGestaltungihresVersicherungsschutzesundeinweiteresEindrin‐
gen des Äquivalenzprinzips. Für unterschiedliche Kostenerstattungsmodelle würden
unterschiedliche ‚Prämien’ erhoben und somit Beitrag und Leistung in ein ‚adäquates
Verhältnis’gebracht.
EineAusweitungderKostenerstattungundletztlichvollständigeUmstellungvomSach‐
leistungs‐aufdasKostenerstattungsprinzipgehtinihrerBedeutungabernochdarüber
hinaus. Wird das Sachleistungsprinzip durch Kostenerstattung ersetzt, entzieht dies
demKollektivvertragssystemdenBoden.DieambulanteärztlicheVersorgungderGKV‐
Versicherten erfolgt gegenwärtig in einemSystem, das durch kollektiveVerträge zwi‐
schen den Krankenkassen und der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung
(KV) geregelt ist. Krankenkassen schließenmit der KV einen Gesamtvertrag über die
Sicherstellung einer ausreichenden und flächendeckenden ambulanten ärztlichenVer‐
sorgungderVersichertenab,undjedeKassezahlteineGesamtvergütungfürdieVersor‐
gungihrerVersichertenandieKV.AbgesehenvonderPraxisgebührfließenkeineGeld‐
strömezwischenPatientenundÄrzten.
WirddasSachleistungsprinzipabgeschafftundvollständigoderauchnurzumüberwie‐
gendenTeilaufKostenerstattungumgestellt,soverliertdieVereinbarungvonGesamt‐
verträgen und Zahlung von Gesamtvergütungen durch die Krankenkassen für die ge‐
samte ambulante ärztliche Versorgung im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung
nicht nur ihren Sinn, sondern auch ihrematerielle Grundlage. In einemKostenerstat‐
‐44‐
tungssystem laufendieZahlungsströmegrundlegendanders.DieVergütungwirdvom
einzelnen Patienten an den einzelnen Leistungserbringer gezahlt. Aus einem Versor‐
gungssystem, das auf öffentlich‐rechtlichen Vertragsverhältnissen zwischen Kranken‐
kassen undKassenärztlichenVereinigungen aufbaut, die beideKörperschaften des öf‐
fentlichen Rechts sind, würde ein auf privatrechtlichen Beziehungen aufbauendes Sy‐
stemmit individualisierten Zahlungsströmen zwischen einzelnem Patienten und Arzt.
DasGeschäftsmodellderPKVwürdesozumalleinigenModell,unabhängigdavon,wel‐
cheRechtsformdieKrankenversicherunghat,dieesanwendet.
EinesolcheEntwicklungistabernichterstfürdieZukunftzuerwarten.Siehatbereits
begonnen.DurchdieindenletztenJahrenschrittweisevollzogeneAusweitungvonEin‐
zel‐ oder Selektivverträgenmit einzelnen Arztgruppenwird dem Kollektivvertragssy‐
steminderambulantenärztlichenVersorgungbereitszunehmenddieGrundlageentzo‐
gen.EröffnetwurdedieseEntwicklunginderGesundheitsreform2000mitderAuffor‐
derungdesGesetzgebersandieeinzelnenKrankenkassen,miteinzelnenGruppenvon
Leistungserbringern selektivVerträge abzuschließenüber eine integrierteVersorgung
ihrerVersicherten.9Esfolgte2004dieAufforderungzumAbschlussvonVerträgender
hausarztzentrierten und besonderen fachärztlichen Versorgung mit einzelnen Arzt‐
gruppen10 und bisheriger Schlusspunkt ist die Verankerung einer gesetzlichen Pflicht
allerKassenzumAbschlussvonHausarztverträgenmitFristsetzungzum30.Juni2009
imRahmendesEnde2008verabschiedetenGKV‐OrgWG.DieAusweitungvonSelektiv‐
verträgen auch auf den Krankenhausbereich wird seit Jahren insbesondere von den
Krankenkassen gefordert (vgl. u.a. BKK 2007; Leber/Malzahn/Wolff 2007), scheiterte
bislangallerdingsnochamWiderstandderBundesländerimBundesrat.Passendzuder
zuvor dargelegten Entwicklungslinie enthält der Koalitionsvertrag denn auch die An‐
kündigungvon„genügendSpielraum“fürdieKrankenkassenfürdenAbschlussvonSe‐
lektivverträgen(CDU/CSU/FDP2009:85).
SelektivverträgewerdenvielfachalswichtigeInnovationfürdieRealisierungverbesser‐
ter Versorgungsmodell angesehen, wenngleich unabhängige wissenschaftliche Belege
dafürnochfehlenundaucheinzelneKassen,bestehendeHausarztverträgealterArtmit
der Begründung auslaufen ließen, dass der Nutzen für die Versicherten nicht ausrei‐
chenderwiesensei.WieauchimmermandenNutzenfürdieVersorgungsqualitätein‐9 §140a‐hSGBVi.d.F.d.GKV–Gesundheitsreformgesetzes200010 §§73b,73cSGBVi.d.F.d.GKV‐Modernisierungsgesetzes2004
‐45‐
schätzt,dieUmstellungvomKollektivvertragssystemaufeinSystemunterschiedlichster
Selektivverträgewürde ein zentralesMerkmal des deutschenGesundheitssystems be‐
seitigen,dasinderVergangenheitimmerwiederalsQualitätsmerkmalininternationa‐
lenVergleichengalt.DurchdasKollektivvertragssystemwird füralleVersichertender
gesetzlichen Krankenversicherung freier Zugang zu allen zugelassenen Ärzten, Kran‐
kenhäusernetc.gewährleistet.
Selektivverträgeerforderndagegen,wennsieauchfürLeistungserbringerattraktivsein
sollen,letztlicheineBegrenzungdesZugangszuLeistungserbringern.DerVorteileines
SelektivvertragesliegtfürLeistungserbringervoralleminderZusicherungeinergegen‐
über anderen Leistungserbringern privilegierten Stellung, die ihnen Mehreinnahmen
durch höhere Fallzahlen verschafft.Werden beispielsweise Preisnachlässe vereinbart,
sosindsie fürLeistungserbringernurdannakzeptabel,wennsiedafüreinenhöheren
Umsatzalszuvorerzielenkönnen.DaswiederumkanneineKrankenkassenurdannge‐
währleisten,wenn sie sicherstellen kann, dass ihre Versicherten nur Leistungen oder
ProduktedesbetreffendenLeistungserbringersinAnspruchnehmenbzw.kaufen.Selek‐
tivverträge erfordern somitdieAbschaffungdes allgemeinenund freienZugangs aller
VersichertenzuallenzurVersorgungvonKassenversichertenzugelassenenLeistungs‐
erbringernunddieBeschränkungdesZugangsaufdenTeil,dereinenVertragmitder
jeweiligenKasseabgeschlossenhat.
2.1.3.3 AusweitungderMehrkostenreglungen
DadieErfahrungenmitdenbisherigenFestzuschüssen,FestbeträgenundMehrkosten‐
regelungenausSichtderKoalitionüberwiegendpositiv sind, sollgeprüftwerden, „wo
darüberhinausMehrkostenregelungensinnvollundgeeignetzumTragenkommenkön‐
nen ohne Patientinnen und Patienten vom medizinischen Fortschritt auszuschließen
odersiezuüberfordern“(CDU/CSU/FDP2009:90).
Mehrkostenregelungen bedeuten im Grundsatz, dass die Leistungspflicht der gesetzli‐
chenKrankenversicherungfüreinenbestimmtenLeistungsbereichaufzugelasseneLei‐
stungserbringer oder einen bestimmten Leistungsumfang begrenztwird. Kassenwird
gesetzlichvorgegeben,dassVersicherten,dieandereLeistungserbringeroderüberdie
BegrenzunghinausgehendeLeistungeninAnspruchnehmen,diedarausresultierenden
Mehrkosten‚auferlegt’werden.EinedererstenMehrkostenregelungenwardieVorgabe,
‐46‐
dass Versicherten, die ein anderes als das in der Einweisung genannte Krankenhaus
wählen,darausresultierendeMehrkosten „ganzoder teilweiseauferlegtwerden“kön‐
nen(§39Abs.2SGBV).AnalogeRegelungengibtes fürdieambulanteärztliche(§76
SGB V) und zahnärztliche Versorgung (§28 SGBV), die medizinische Rehabilitation
(§40SGBV)unddieHilfsmittelversorgung(§33SGBV).
DiewohlwichtigsteNeuregelunginjüngererZeitwardieUmstellungvonder ‚Sachlei‐
stungZahnersatz’aufeinenFestzuschusszudenKosteneiner„Regelversorgung“inHö‐
hevon50%,derbeinachgewiesenenBemühungenumdieeigeneZahngesundheitauf
bis zu 80% steigen kann (§55 SGBV).Wählen Versicherte Zahnersatzleistungen, die
über die Regelversorgung hinausgehen, so haben sie die entsprechendenMehrkosten
selbstzutragen(§28SGBV).
Auch mit der Ankündigung einer Ausweitung von Mehrkostenregelungen wird kein
vollkommenneuerWegbeschritten, sondern einbereits eingeschlagenerWegweiter‐
verfolgt. Aber,wie bereits an vorherigen Punkten deutlich gemacht, zahlreiche der in
denGesundheitsreformendervergangenenJahrenbeschlossenenNeuregelungenhaben
bereitstragendeGrundprinzipiendergesetzlichenKrankenversicherungdurchbrochen
unddieKrankenkassenjedesMalderAngleichungandiePKVeinStücknähergebracht.
DiesgiltauchfürdieMehrkostenregelungen.
Bei Mehrkostenregelungen können zwei grundsätzlich unterschiedliche Typen unter‐
schieden werden. Die eine, bereits seit längerem im Krankenkassenrecht verankerte
Mehrkostenregelung, bezieht sich aufMehrkostendurchdieWahl einesLeistungserb‐
ringers.DieseRegelunggehtvondemallgemeinenGrundsatzdesKrankenkassenrechts
aus,dassVersichertenurAnspruchaufDienstleistungenvonsolchenLeistungserbrin‐
gernhaben,diedurcheinenVersorgungsvertragzurVersorgungvonGKV‐Versicherten
zugelassensind.11ZudiesemTypMehrkostenregelungzähltdieVorschrift,dassbeiei‐
ner ohne zwingenden Grund erfolgenden Inanspruchnahme eines anderen als des
nächst erreichbaren Vertragsarztes daraus resultierende Mehrkosten zu tragen sind
(§76Abs.1,2SGBV).NurinNotfällenkanndieVersorgungdurcheinenPrivatarztzu
LastenderKrankenkasseerfolgen.GleichesgiltfürdieKrankenhausbehandlung,dieals
SachleistungzuLastenderKrankenkassennurdurchzugelasseneKrankenhäusererfol‐
11 Dies sind95%derambulant tätigenÄrzteund92%derKrankenhäuser,die jedochüber99%der
Bettenvorhalten.
‐47‐
gen darf (§39Abs.1 SGBV), sowie diemedizinischeRehabilitation (§40 SGBV) und
Hilfsmittelversorgung(§33SGBV).
DiedurchdasZweiteGKV‐Neuordnungsgesetz(2.NOG)derdamaligenschwarz‐gelben
Koalitionsregierung ab 1998 eingeführte Mehrkostenregelung für Zahnfüllungen12 ist
dagegeneineRegelunganderenTypus,ebensowiedieMehrkostenregelungfürZahner‐
satz. Dieser TypMehrkostenregelung differenziert nicht nach zugelassenen und nicht
zugelassenenLeistungserbringern,sondernnachLeistungsartund‐umfang.DieserTyp
MehrkostenregelungistderEinstiegindieReduzierungdesgesetzlichenLeistungskata‐
logsundschrittweiseRückführungaufdasNiveauvonGrund‐oderBasisleistungen.Und
eristzugleichaucheinwichtigerSchrittzurAusweitungderKostenerstattung.
2.1.3.4 WahltarifeinKooperationmitderPKV
Wiebereits angesprochen, könnenKrankenkassen seit 2007 so genannte „Wahltarife“
alsSatzungsleistungenanbieten(§53SGBV).ImEinzelnenwurdenfolgendeWahltarife
zugelassen(vgl.Simon2009:154f.):
• Selbstbehalte (§53Abs.1SGBV):DiesesausderprivatenKrankenversicherungbe‐
kannteModellsiehtvor,dassbiszueinemzuvorvereinbartenjährlichenBetragdie
anfallenden Rechnungen selbst bezahlt werden und die Versicherung erst für die
darüberhinausgehendenKostenaufkommt.Selbstbehaltekönneninverschiedenen
Stufenangebotenwerden,beispielsweiseinHöhevon300,600oder900Euro.Biszu
dieserSummesinddieKostenfolglichselbstzutragen.AlsAusgleichdafürwirdin
der Regel der Beitragssatz ermäßigt. Da unter den Bedingungen des Gesundheits‐
fondsdieKrankenkassendenallgemeinenBeitragssatznichtmehrselbstfestsetzen
undsomitauchnichtermäßigenkönnen,siehtdasGesetzPrämienzahlungenandie
betreffendenMitgliedervor.DiejeweiligeKassehatVersicherten,dieeinensolchen
Wahltarifwählen,einenTeildesgezahltenallgemeinenBeitragssatzesalsPrämiezu‐
rückzuzahlen.DieHöhederPrämieistimFalledesSelbstbehalttarifesabhängigvon
derHöhedesgewähltenSelbstbehalts.SelbstbehaltekonntenKrankenkassenbereits
seit2004ihrenfreiwilligenMitgliedernanbieten,dieKostenerstattunggewählthat‐
ten, und dafür deren Beitragssatz ermäßigen. Diese Möglichkeit wurde ab dem
1.01.2007aufalleMitgliederausgeweitet.12 Vgl.§28Abs.2SGBVi.d.F.d.ZweitenGKV‐Neuordnungsgesetzes1997.
‐48‐
• PrämienfürNichtinanspruchnahme(§53Abs.2SGBV):NehmenMitgliederundihre
mitversichertenAngehörigen ineinemKalenderjahrkeineLeistungen inAnspruch,
kanndieKrankenkassebiszueinemZwölfteldesJahresbeitragesalsPrämieandas
Mitglied zahlen. Auch diesesModell ist der PKV entlehnt undwird dort Beitrags‐
rückerstattung genannt. Beitragsrückerstattung war bereits vor dem 1.04.2007 in
derGKVmöglich,allerdingsnuralsSatzungsleistungfürfreiwilligeMitglieder.
• Prämien für die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen (§53 Abs.3 SGB V):
Krankenkassen können Versicherten, die an besonderen Versorgungsformen wie
beispielsweise Disease Management Programmen, integrierter Versorgung oder
Hausarztversorgungteilnehmen,PrämienzahlenoderZuzahlungenermäßigen.
• Kostenerstattung(§53Abs.4SGBV):VerschiedenenachderHöhederKostenerstat‐
tungdifferenzierteWahltarifekönnenallenVersichertenangebotenwerden.Wählt
einVersicherter einenKostenerstattungstarif, sind je nachHöhe derKostenerstat‐
tungPrämienzahlungen(Beitragsrückerstattungen)derKassevorzusehen.
• Besondere Therapierichtungen (§ 53 Abs. 5 SGB V): Die Kostenübernahme für Arz‐
neimittel besonderer Therapieformen (z. B. Homöopathie), die regulär nicht zum
LeistungskatalogderGKVzählen,kannimRahmeneinesentsprechendenWahltari‐
fesgegenZahlungeinerzusätzlichenPrämiedesVersichertenalsWahltarifangebo‐
tenwerden.
• Krankengeld (§53 Abs. 6 SGB V): Das bisherige Krankengeld für Selbständige und
Mitglieder der Künstlersozialkasse wurde in einen Wahltarif umgewandelt. Diese
Mitgliederkonntenab1.Januar2009dieZahlungvonKrankengeldalsWahltarifge‐
genzusätzlichePrämienzahlungwählen.
• Eingeschränkter Leistungsumfang (§53 Abs. 7 SGB V): Für bestimmte Mitglieder‐
gruppenkannalsWahltarifeineingeschränkterLeistungsanspruchangebotenwer‐
den.DieseNeuregelungzielte insbesondereaufBeamte,dievonihremDienstherrn
sogenannte‚Beihilfe’zudenentstandenenBehandlungskostenerhalten,inderRegel
inHöhevon50%derKosten.DieGKVkann–analogzudenentsprechendenAnge‐
botenderPKV–fürdieseGruppeneinenWahltariffürdieErstattungdernichtdurch
dieBeihilfegedecktenBehandlungskostenanbieten.
Mit der Zulassung vonWahltarifenwurdedenKrankenkassen imGrunde erlaubt,mit
derPKVaufderenoriginärenGeschäftsfelderninKonkurrenzzutreten.Entsprechende
‐49‐
Tarifangebote der Krankenkassen richten sich vor allem an freiwillig Versicherte der
GKV,undunterihneninsbesondereanjunge,gesundeMitglieder.Diesesindaberfürdie
PKV von besonderer Bedeutung, da ihr Geschäftsmodell den kontinuierlichen Zugang
genau dieser Versichertengruppe dringend benötigt, um eine Überalterung des Versi‐
chertenbestandesverhindernzukönnen.WahltarifederGKVstellensomiteinepotenzi‐
elle Gefährdung des Geschäftsmodells der PKV dar. Dementsprechend kritisierte der
PKV‐VerbanddieWahltarifederGKVdennauchals„Lockvogel‐Angebotefürbesserver‐
dienendefreiwilligVersicherte,umsievomVerlassenderGKVabzuhalten“(PKV2009:
4).
OffenbarwurdenunindenKoalitionsverhandlungenvereinbart,dieMöglichkeitender
Krankenkassen füreigenständigeWahltarifangeboteeinzuschränken.Allerdings istdie
entsprechende Passage des Koalitionsvertrages –wie viele andere – uneindeutig und
lässtnichtwirklicherkennen,wasgeplantist:
„WirwerdenbeidenWahltarifendergesetzlichenKrankenversicherungdieAbgrenzungzwischendiesenbeidenVersicherungssäulenklarerausgestaltenunddieMöglichkeitenihrerZusammenar‐beitbeimAngebotvonWahl‐undZusatzleistungenerweitern“(CDU/CSU/FDP2009:86).
DieAnkündigungeiner‚klarerenAusgestaltung’derGrenzenzwischenGKVundPKVbei
Wahltarifen und der Hinweis auf Möglichkeiten der Zusammenarbeit lässt erwarten,
dassdieMöglichkeitderKrankenkassen,Wahltarifeselbstanzubieten,zukünftigeinge‐
schränkt oder sogar vollständig beseitigt wird. Statt dass Krankenkassen Wahltarife
selbstanbietenkönnen,kämeesderPKVsehrentgegen,wennKrankenkassennurnoch
dieMöglichkeit hätten, ihrenVersicherten entsprechendeAngeboteprivaterKranken‐
versicherungenzuSonderkonditionenanzubieten,sowiediesbeiZusatzversicherungen
indenletztenJahrenbereitszunehmenddurchKrankenkassenerfolgt.
DieseitmehrerenJahrenzubeobachtendeAnnäherunggesetzlicherKrankenkassenan
private Krankenversicherungsunternehmenwürde durch derartige Neuregelungen si‐
cherlichweiter befördert. Vor demHintergrund einer seitmehreren Jahren geführten
Diskussion über einen ‚gemeinsamen Krankenversicherungsmarkt’ von GKV und PKV
(vgl.u.a.Albrecht/Schräder/Sehlen2006;Knieps2008)sindeinigeKassenauchbereits
strategischeFusionenmitBetriebskrankenkassenprivaterKrankenversicherungenein‐
gegangen.DerartigeFusionen sindTeil strategischerPartnerschaften zwischeneinzel‐
nen Krankenkassen und PKV‐Unternehmen, die offenbar getragen sind von der Ein‐
schätzung,dassdiegesetzlicheKrankenversicherungineinigenJahrenabgeschafftwird
‐50‐
unddannKrankenkassen–nachihrerUmwandlunginprivateVersicherungsunterneh‐
men – mit bereits bestehenden großen privaten Krankenversicherungen fusionieren
können. Beispiele für derartige strategische Partnerschaften sind die 2009 erfolgten
FusionenvonKKHundBKKAllianzzur„KKHAllianz“sowiederVereinigtenIKKundder
SignalIdunaBKKzur„SignalIdunaIKK“.DieKKHAllianzwirbtdementsprechendauch
damit,dassdieprivateKrankenversicherungderAllianz„exklusiverProduktpartnerfür
die private Zusatzversicherung“ sei und die drei „Partner“ für einen „einheitlichen
Marktauftritt“zusammenarbeiten(KKH2008).DieUmwandlungderKrankenkassenin
privateVersicherungsunternehmenwirdoffensichtlichnichtnurvonTeilenderPolitik
bereits seit längerem durch die Einfügung von PKV‐Elementen in die GKV betrieben,
sondernauchvonTeilenderFührungselitederGKVbereitsstrategischvorbereitet.
SolltedieKoalition tatsächlichdieMöglichkeitenderKrankenkassenzumeigenständi‐
genAngebotvon „Wahltarifen“ reduzierenoder sogarvollständig streichen,wäredies
imHinblickaufdieEinhaltungderGrundprinzipiendergesetzlichenKrankenversiche‐
rungzunächsteinmalzubegrüßen,dennWahltarifesind‚Fremdkörper’indergesetzli‐
chenKrankenversicherung.WürdendieKassenaberstattdessenaufgefordertoderso‐
gargesetzlichgezwungen,derartigeTarife inKooperationmiteinerprivatenKranken‐
versicherunganzubietenoderihrenVersichertenentsprechendeAngeboteprivaterVer‐
sicherungen zu vermitteln, würde dies den ohnehin bereits zu beobachtenden Trend
einerAnnäherungderKrankenkassenanprivateVersicherungsunternehmenvorantrei‐
ben.
DaandenFormulierungendesKoalitionsvertragesnichtablesbarist,wasindenKoali‐
tionsverhandlungen vereinbart wurde, wird man den entsprechenden Gesetzentwurf
abwartenmüssen, um erkennen zu können, inwelche Richtung dieWahltarife in der
GKV und die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und PKV ‚weiterentwickelt’
werdensollen.
2.2 PrivateKrankenversicherung
Wiezuerwarten,enthältderKoalitionsvertrageineindeutigesBekenntniszurprivaten
KrankenversicherungalsVollversicherung.
„NebendergesetzlichenKrankenversicherungsindfürunsdieprivatenKrankenversicherungenalsVoll‐undZusatzversicherungeneinkonstitutivesElement ineinemfreiheitlichenGesundheitswe‐sen“(CDU/CSU/FDP2009:86).
‐51‐
BemerkenswertandiesemSatz istwenigerdasklareBekenntniszurPKValsvielmehr
das zur gesetzlichen Krankenversicherung. Dies dürftewohl kaum auf einen entspre‐
chenden Wunsch der FDP zurückzuführen sein, sondern eher den Vorstellungen der
Unionentspringen.WieanspätererStelledieserUntersuchunganhandderprogramma‐
tischenDokumentevonCDU,CSUundFDPnochnäherherausgearbeitetwird, liegt in
demBekenntniszumErhaltdergesetzlichenKrankenversicherungeine‚Sollbruchstelle’
derschwarz‐gelbenKoalition.WährendsichdieFDPsehrklarundeindeutigundmehr‐
fachfürdieAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungausgesprochenunddies
zu ihrem zentralen gesundheitspolitischen Ziel erklärt hat, dürfte für weite Teile der
CDUundvorallemdieCSUdieZukunftdergesetzlichenKrankenversicherungalsSozi‐
alversicherungnichtzurDispositionstehen.Allerdings läuftdas ‚Gesundheitsprämien‐
modell’derCDUletztlichdochaufdieAbschaffungderGKValsSozialversicherunghin‐
aus.DiesscheintjedochnurwenigenGesundheitspolitikernderCDUbewusstsein.
‐52‐
3 Das'Gesundheitsprämienmodell'vonCDUundFDP
Im Folgenden soll nun auf das zentrale gesundheitspolitische Projekt der schwarz‐
gelbenRegierungskoalitioneingegangenwerden.Wiebereitsdargelegt,wirddiesesPro‐
jektimKoalitionsvertragnichtoffengelegt,sondernhinterderFormulierungverborgen,
langfristig solle „das bestehendeAusgleichssystemüberführtwerden in eineOrdnung
mitmehrBeitragsautonomie, regionalenDifferenzierungenundeinkommensunabhän‐
gigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden“ (CDU/CSU/FDP 2009:
86).ErstdurchInterviewsundöffentlicheÄußerungenführenderGesundheitspolitiker
vonCDUundFDPwurdenachundnachdeutlicher,dassmit„einkommensunabhängigen
Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichenwerden“ das ‚Gesundheitsprämienmo‐
dell’vonCDUundFDPgemeintist.SointerpretierenzumindestführendeandenKoali‐
tionsverhandlungen beteiligte Gesundheitspolitiker wie Rösler (FDP), Bahr (FDP),
Spahn(CDU)undWidmann‐Mauz(CDU)dieentsprechendePassage,undauchderVor‐
sitzendederCDU/CSU‐Bundestagsfraktion,VolkerKauder,bestätigtedieseDarstellung.
ObundinwieweitauchdieanderArbeitsgruppebeteiligtenCSU‐PolitikerdieserZiel‐
orientierungausdrücklichzugestimmthaben,erscheintangesichtsderÄußerungenvon
SeehoferundSöderzwarzweifelhaft,indernachfolgendenAnalyseundDiskussionwird
aberdennochdavonausgegangen,dassdasGesundheitsprämienmodellPatefürdieent‐
sprechende Formulierung stand. Zumal die Gesamtschau des gesundheitspolitischen
Teils derKoalitionsverhandlungennahelegt, dass langfristig vonmaßgeblichenAkteu‐
renausCDUundFDPaberauchTeilenderCSUdieEinführungdes‚Gesundheitsprämi‐
enmodells’angestrebtwird.
EinegenauereBeschäftigungmitdiesemModellistdarumnichtnurvonwissenschaftli‐
chem,sondernvorallemvonallgemeingesellschaftlichemundnatürlichspezifischge‐
sundheitspolitischem Interesse. Es istwohl davon auszugehen, dassdas ‚Gesundheits‐
prämienmodell’inseinerGesamtheitnurrelativwenigöffentlichbekanntist.DieDebat‐
ten und journalistischen Beiträge kreisen seit der Veröffentlichung des Koalitionsver‐
tragesfastausschließlichumdieFragederKostenundFinanzierbarkeiteinessteuerfi‐
nanziertensozialenAusgleichsunddieFragenachdersozialenGerechtigkeiteinesfür
alle Versicherten gleichenpauschalenKrankenkassenbeitrags.Das ‚Gesundheitsprämi‐
‐53‐
enmodell’ enthält abermehralsnurdieEinführungeiner für alleMitglieder einheitli‐
chen,einkommensunabhängigenBeitragspauschaleundeinensteuerfinanzierten ‚Sozi‐
alausgleich’,undesgehtvoralleminseinerBedeutungweitüberdieseFragenhinaus.
EsistinderTat–wiedieFDPfürihrModellinAnspruchnimmt–derEinstiegineinen
„grundsätzlichenSystemwechsel“(FDP2004:2).
Dieswirdallerdingsersterkennbar,wennmanallemaßgeblichenElementedesModells
betrachtetundmitdemgegenwärtigenSystemvergleicht.EineBeschäftigungmitdem
Gesundheitsprämienmodell insgesamterscheintvorallemdeshalbnotwendig,weilZu‐
satzbeiträge, Beitragspauschalen und steuerfinanzierter Sozialausgleich nur dann in
ihrerBedeutung richtigeingeschätztwerdenkönnen,wennmansie indenGesamtzu‐
sammenhangdes‚Gesundheitsprämienmodells’stellt.Denn–umeinzentralesErgebnis
der nachfolgenden Analyse vorweg zu nehmen – einkommensunabhängige pauschale
Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht letztes Ziel des ‚Gesund‐
heitsprämienmodells’, sondern Zwischenschritt hin zu einem Gesundheitssystem, in
demeskeinegesetzlicheKrankenversicherungmehrimgegenwärtigenSinnegibt,son‐
dern Krankenversicherungsschutz nur noch von privaten Versicherungsunternehmen
zuerhaltenseinwird.
Umsich einBildüberdas ‚Gesundheitsprämienmodell’ unddiedarin enthaltenenwe‐
sentlichenElementeverschaffenzukönnen,istesnotwendigdiegesundheitspolitischen
BeschlüssevonCDU,CSUundFDPderletztenJahredaraufhinzuanalysieren,wassiean
Aussagen zu diesem Modell enthalten. Der inhaltsanalytische Zugang erfolgt entlang
einesAnalyserasters,dessenKategorienwiefolgtbegründetsind:
• Die Textanalyse konzentriert sich auf Aussagen zur Zukunft der gesetzlichen und
privatenKrankenversicherungundgehtdamitbewusstüberdasenggefassteThema
‚Gesundheitsprämie’oder‚Kopfpauschale’hinaus.Nichtvonungefähristindenpro‐
grammatischenDokumenten von einem ‚Gesundheitsprämienmodell’ dieRedeund
nicht nur von einer ‚Gesundheitsprämie’. Dies ist insofern zutreffend, als die Be‐
schlüsse weit mehr umfassen als nur die eher technische Beschreibung eines Sy‐
stemspauschalerKrankenkassenbeiträge. Es ist dieBeschreibung vonEckpunkten
füreinegrundlegendeSystemänderungundinsofernwirdinderTateinneues‚Mo‐
dell’angestrebt.
‐54‐
• AufeinererstenKategorienebenewirdzwischenAussagenzurKrankenversicherung
und zur Pflegeversicherung unterschieden. Diese Unterscheidung folgt der sozial‐
rechtlichenUnterscheidunginzweieigeneRegelungskreise(SGBVundSGBXI)und
findet sichauch indenuntersuchtenprogrammatischenDokumenten.Auf einege‐
sonderteAnalyseundDarstellungderAussagenzurPflegeversicherungwurdeaus
GründenderVereinfachungverzichtet,dadiePlänefürdieZukunftderPflegeversi‐
cherungdenGrundzügendesKonzeptsfürdieKrankenversicherungfolgen.
• Die zentraleKategorieKrankenversicherungwird unterteilt ingesetzlicheKranken
versicherung undprivateKrankenversicherung, dadasdeutscheGesundheitssystem
diesozialeAbsicherungimKrankheitsfallineinemdualenKrankenversicherungssy‐
stemvorsieht,derenOrganisationsformengegenwärtigmitdiesenbeidenBegriffen
bezeichnetwerden.EswirdfolglichnichtdiebegrifflicheDifferenzierungderPflege‐
versicherungverwendet.FürdiePflegeversicherungwurdederBegriffder‚gesetzli‐
chen’ Pflegeversicherung anders belegt, damit Einführung der Pflegeversicherung
zugleicheinegesetzlichePflichtzurVersicherungauchfürdieVersichertenderpri‐
vatenKrankenversicherungeingeführtwurde.DaindiesemSinnedieprivatePflege‐
versicherungaucheine‚gesetzliche’ist,stehtderBegriff‚gesetzlichePflegeversiche‐
rung’alsDachbegrifffürdie‚sozialePflegeversicherung’(beidenKrankenkassenan‐
gesiedelt)unddie ‚privatePflegeversicherung’(beiderPKVangesiedelt).Überträgt
mandieseBegriffslogikaufdieKrankenversicherung,sowärediejetzigegesetzliche
Krankenversicherung in Analogie zum SGB XI die ‚soziale Krankenversicherung’.
Dieser kurze Exkurs zu den Begrifflichkeiten ist insofern für die hier zu untersu‐
chendenFragen vonBedeutung, als das ‚Gesundheitsprämienmodell’ vonCDUund
FDP weiterhin auch eine gesetzliche Versicherungspflicht vorsieht, aber keine
‚Pflichtversicherung’mehr,wie sie die jetzige gesetzlicheKrankenversicherung ist.
AuchnachAbschaffungdergegenwärtigengesetzlichenKrankenversicherungkönn‐
teesindiesemBegriffsverständnisweiterhineine‚gesetzliche’Krankenversicherung
geben, allerdings unter demDach und als Angebot der privaten Krankenversiche‐
rung,beispielsweiseanalogzumjetzigenBasistarifalseingesetzlichfestgelegterKa‐
talogvonGrundleistungen,denprivateKrankenversicherunganbietenkönnenoder
–jenachgesundheitspolitischerKonzeption–anbietenmüssen.Fürdienachfolgen‐
deUntersuchungwurden jedoch die gegenwärtigen Bedeutungen der Begriffe ‚ge‐
setzliche’und‚private’Krankenversicherungverwendet.
‐55‐
• AussagenzurgesetzlichenKrankenversicherungundprivatenKrankenversicherung
wurdenjeweilsdifferenziertnachAussagenzurVersicherungspflicht,zudenOrgani
sationsstrukturen,derFinanzierung,demLeistungskatalogundderVertragspolitik.
3.1 ProgrammatischePositionenderCDUzurZukunftderGKV
DienachfolgendeAnalysebeziehtdiefolgendenprogrammatischenDokumenteein:
• „Deutschland fair ändern“ – Beschluss des 17. Parteitages der CDU Deutschlands
vom1./2.12.2003(CDU2003)
• „Reform der gesetzlichen Krankenversicherung – Solidarisches Gesundheitsprämi‐
enmodell“ – Beschluss C33 des 18. Parteitages der CDU Deutschlands vom
6./7.12.2004(CDU2004)
• „Freiheit und Sicherheit. Grundsätze für Deutschland. Das Grundsatzprogramm“ –
Beschlussdes21.ParteitagesderCDUDeutschlandsvom3./4.12.2007(CDU2007)
3.1.1 ZukunftderVersicherungspflicht
Die gesetzliche Krankenversicherung ist in Deutschland im Kern eine Pflichtversiche‐
rung fürabhängigBeschäftigtemiteinemEinkommenunterhalbeinervomStaatdefi‐
nierten Einkommensgrenze. Abhängig Beschäftigte mit einem Arbeitseinkommen un‐
terhalb der so genannten Versicherungspflichtgrenze unterliegen einer gesetzlichen
Versicherungspflicht in einer der gesetzlichenKrankenkassen.AbhängigBeschäftigten
mit einem Arbeitseinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze steht es bei
ÜberschreitenderEinkommensgrenze frei, als freiwilligesMitglied indergesetzlichen
KrankenversicherungzubleibenoderzueinerprivatenKrankenversicherung(PKV)zu
wechseln.SelbständigenstehtdiegesetzlicheKrankenversicherungzwargrundsätzlich
offen,wenn sie allerdings zuvorprivat versichertwaren, ist einWechsel vonderPKV
zur gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten ca. 20 Jahren zunehmend er‐
schwertwordenundmittlerweilenurnochinwenigenFällenmöglich.EineSonderstel‐
lungnehmendieBeamtenein.SieerhaltenvonihremDienstherrnsogenannte‚Beihilfe’
zu den entstandenenBehandlungskosten, in derRegel dieHälfte der nachgewiesenen
Kosten,undkönnensichfürdieverbleibendenKostenbeieinerprivatenKrankenversi‐
cherungabsichern.
‐56‐
Diese,hiernurkurzskizzierteAbgrenzungvongesetzlicherundprivaterKrankenversi‐
cherung ist von existenzieller Bedeutung sowohl für die Krankenkassen als auch die
PKV. InsofernsindAussagenzurVersicherungspflichtund ihrerGrenzziehungvonbe‐
sondererBedeutungfürbeideArtenderKrankenversicherung.
Die hier analysierten programmatischen Dokumente der CDU lassen ein klares Be‐
kenntniszurSicherungderPKVerkennen,dennBeamteundSelbständigesollendauer‐
haftinderPKVbleiben,umdie„BetätigungsfreiheitderprivatenKrankenversicherung“
zuerhalten(CDU2003:23).AuchdiefolgendePassagestehtdazunichtwirklichimWi‐
derspruch:
„DieCDUtrittdafürein,dassdieheuteindergesetzlichenKrankenversicherungVersichertenzu‐nächstdortversichertbleiben“(CDU2003:23).
WichtigandiesemSatz istdieBeschränkungauf „zunächst“.Dassessichhierbeinicht
um ein Versehen handelt, wird die weitere Analyse der gesundheitspolitischen Pro‐
grammatikderCDUzeigen,denndas‚Gesundheitsprämienmodell’derCDUzieltletztlich
auf die Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung in ihrer gegenwärtigen
Form.Insofernisteslogischkonsistent,wenndieheutigenVersichertennur„zunächst“
indenjetzigenKrankenkassenversichertbleiben.
Einen ähnlichen Hinweis darauf, dass hinter den gesundheitspolitischen Beschlüssen
der CDU seit 2003 das Ziel steht, die als Sozialversicherung organisierte gesetzliche
Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung abzuschaffen, findet sich im sel‐
benParteitagsbeschlussimAbschnittzurZukunftderPflegeversicherung.Darinkündigt
dieCDUan, imFalleeinerRegierungsübernahmediesozialePflegeversicherung inein
„kapitalgedecktes System“ zu überführen (CDU 2003: 34). Der während einer Über‐
gangszeit angesammelte kollektive Kapitalstock für Alterungsrückstellungen soll nach
derÜbergangszeitaufandereVersicherungsträgerübertragenwerden.DiesesZielwird
allerdingsnichtexplizitgenannt,sondernnurverstecktundeherbeiläufig:
„DieangesammeltenVermögensreservendergesetzlichenPflegeversicherungsollenaufdiekünfti‐genVersicherungsträgerderPflegeversicherungübertragenwerden.DieseübernehmenimGegen‐zugdiePflicht,LeistungenandenPflegebestandzuerbringenunddieAbsicherungdersogenann‐ten‚pflegenahenJahrgänge’sicherzustellen“(CDU2003:35).
BeideSätzezusammengenommen lassennureinenSchlusszu:DiesozialePflegeversi‐
cherung soll langfristig abgeschafft und auf andere Versicherungsträger übertragen
werden.Als ‚andereVersicherungsträger’kommennurprivateKrankenversicherungen
in Frage. Zum Einen ist die Formulierung im Plural gesetzt, was beispielsweise eine
‐57‐
staatliche Einheitsversicherung ausschließt, die ohnehin für die CDU inakzeptabel ist.
VorallemaberbleibenimgegenwärtigenSystemnurdieprivatenKrankenversicherun‐
genalsTrägerderprivatenPflegeversicherung,zumal–wiezuvorzitiert–fürdiePKV
eine langfristigeBestandsgarantie ausgesprochenwurde. In denMaterialien des CDU‐
BundesvorstandeszumLeitantrag„Deutschlandfairändern“wirdauchbereitseinZeit‐
punktgenannt.Bis2030sollimRahmendersozialenPflegeversicherungein‚kollektiver
Kapitalstock’aufgebautwerden,derab2030aufgelöstwird.AusdenMittelndesKapi‐
talstockssollenältereVersichertedanneinenBeitragszuschusszuihrerprivatenPflege‐
versicherungerhalten(CDU‐Bundesvorstand2003b:31).
FürdieKrankenversicherungistindemCDU‐ModelldesJahres2003sogareindeutlich
frühererUmstieg genannt. In seinenMaterialien zumLeitantrag „Deutschland fair än‐
dern“weistderCDU‐Bundesvorstanddaraufhin,dasszum‚Gesundheitsprämienmodell’
eineÜbergangsphasevon10Jahrengehört, indereinkollektiverKapitalstockgebildet
werdensoll,derdanachandieüber45‐jährigenVersichertenindividualisiertausgezahlt
wird,damitdiesedann–wieauchdiejüngerenVersicherten–„versicherungsmathema‐
tisch berechnete Prämien“ (CDU‐Bundesvorstand 2003b: 18) zahlen können. Die Be‐
schreibungderGrundsätze der angestrebten versicherungsmathematisch berechneten
PrämienlässtkeinenZweifeldaran,dassessichumdieKalkulationsmethodikderpriva‐
ten Krankenversicherung handelt. Sie soll spätestens nach einer zehnjährigen Über‐
gangsphase offenbar alleiniges Kalkulationsmodell für die Krankenversicherung in
Deutschlandwerden.Da eine solcheKalkulation vonBeiträgenmit zentralenund tra‐
genden Grundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung unvereinbar ist, bedeutet
dies nichtweniger als die Abschaffung der als Sozialversicherung verfassten gesetzli‐
chen Krankenversicherung. Krankenversicherung kann dann nur noch von privaten
VersicherungsunternehmennachdenGrundsätzenderPKVangebotenwerden.
3.1.2 OrganisationsstrukturenderGKV
Entsprechend der zuvor herausgearbeiteten langfristigen Zielorientierung einer Ab‐
schaffung der als Sozialversicherung organisierten gesetzlichen Krankenversicherung
findetsichindenParteitagsbeschlüssenseit2003zurOrganisationsstrukturdergesetz‐
lichenKrankenversicherungnurdieAussage,dassStruktur,OrganisationundFinanzie‐
rungdergesetzlichenundderprivatenKrankenversicherung„zukunftsweisendweiter‐
‐58‐
entwickeltwerden“sollen(CDU2007:61).AuchdieAbschaffungisteineFormder‚Wei‐
terentwicklung’.
3.1.3 FinanzierungdergesetzlichenKrankenversicherung
KerndesGesundheitsprämienmodellsistohneZweifelderEntwurfeinesneuenFinan‐
zierungssystemsdergesetzlichenKrankenversicherung.Diezentralenundgrundlegen‐
denBeschlüssewurdenaufdenBundesparteitagenderJahre2003und2004getroffen.
Und diese Beschlüsse gelten immer noch, siewurden nicht revidiert und sind immer
nochbindendeBeschlusslagederCDU.Diesistinsofernwichtigfestzuhalten,dasowohl
indenMedienalsauchimWissenschaftsbereichdavonausgegangenwird,dieCDUun‐
ter Merkel sei nach der Bundestagswahl 2005 vom Gesundheitsprämienmodell abge‐
rückt.Dem ist entgegenzuhalten,dass aufkeinemdernachfolgendenParteitageeine
ausdrücklicheAbkehroderRevisiondesModellsbeschlossenwurde.ImGegenteil:Der
Bundesparteitag2007hatsichindemvonihmbeschlossenenGrundsatzprogrammder
CDU eindeutig und ausdrücklich zumGesundheitsprämienmodell bekannt und an den
darinenthaltenenZielenfestgehalten:
„IndergesetzlichenKrankenversicherungwirddieandasArbeitseinkommengekoppelteFinanzie‐rungstufenweisedurchsolidarischePrämienelementeergänzt.Diesewerdensobaldwiemöglichdurch ein solidarisches Prämienmodell mit Kapitalbildung ersetzt. Menschen mit geringem Ein‐kommenerhalteneinensozialenAusgleich“(CDU2007:62).
DassdasModellnichtnocheinmalinallerAusführlichkeitbeschlossenwurde,istnicht
alsstillschweigendeAbkehrzudeuten,sondernschlichtnichtnotwendig.Warumsollte
manallesnocheinmalbeschließen,wasdocherstwenigeJahrezuvorbeschlossenwor‐
den war. Die bei einem Vergleich der verschiedenen Parteitagsbeschlüsse erkennbar
werdenden Unterschiede sind nur kleinere Variationen und von lediglich marginaler
Bedeutung.SiestellendasModellnichtinFrage,sondernpassenesnurandenGangder
parteiinternenDiskussion an.13 Insofern ist festzuhalten, dass das 2003und2004be‐
schlossene‚Gesundheitsprämienmodell’immernochgeltendeBeschlusslagederCDUist
und –wie die vorliegende Untersuchung bereits gezeigt hat bzw. noch zeigenwird –
13 Esseinochangemerktunddaraufhingewiesen,dassdiesePassagebereitsdenGrundsatzeinesstu‐
fenweisenVorgehens enthält,wie es in denKoalitionsverhandlungen2009offensichtlich vereinbartwurde.
‐59‐
auchgegenwärtighandlungsleitendfürdiemaßgeblichenGesundheitspolitikerderCDU
ist.
Das2003beschlosseneGesundheitsprämienmodellderCDUenthältfolgendeEckpunk‐
te:
• Einkommensunabhängige pauschale Versicherungsprämie: Der bisherige einkom‐
mensabhängige Arbeitnehmerbeitrag wird durch einkommensunabhängige, pau‐
schale‚Gesundheitsprämien’ersetzt(CDU2003:23‐26).
• BeitragspflichtfüralleVersicherten:DiebisherigebeitragsfreieMitversicherungvon
Ehegatten und Kindern wird abgeschafft. Die pauschale, einkommensunabhängige
PrämieistvonallenVersichertenzuzahlen,fürKindersollallerdingsnurdieHälfte
derGrundprämiezuzahlensein(damals90Euro)(CDU2003:24).
• BegrenzungundAuszahlungdesArbeitgeberbeitrags:Derbisherige, alsProzentsatz
desBruttolohnsbzw.BruttogehaltserhobeneArbeitgeberbeitragwirdauf6,5%des
Bruttolohns begrenzt und an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Er ist von ihnen als
Lohnbestandteilzuversteuern(CDU2003:24).
• KapitalgedeckteAlterungsrückstellung:DieGesundheitsprämie setzt sichaus einem
„Grundbeitrag“ und einem „Vorsorgebeitrag“ zusammen.Mit dem Vorsorgebeitrag
solleinekollektive„kapitalgedeckteAlterungsrückstellung“aufgebautwerden,diein
einemSondervermögenverwaltetwird (CDU2003: 24).DieAlterungsrückstellung
soll ab 2030 individualisiert und an die Versicherten ausgezahlt und zur „Abfede‐
rung“einesalterungsbedingtenPrämienanstiegseingesetztwerden(CDU2003:24;
CDU‐Bundesvorstand2003b:31).
• Belastungsgrenze: Die „Gesamtprämienbelastung“ der einzelnen Versicherten wird
für alle Versicherten auf einen bestimmten Prozentsatz des Arbeits‐ oder Haus‐
haltseinkommensbegrenzt.Niemandsollmehralsdengesetzlichzudefinierenden
ProzentsatzseinesEinkommensfürKrankenversicherungsprämienzahlenmüssen.
• Sozialausgleich: Übersteigt die Prämienbelastung die definierte Grenze, sollen Ge‐
ringverdiener aus Steuermitteln einen automatischen „Sozialausgleich“ erhalten
(CDU2003:25).DiefürdenSozialausgleicherforderlichenMittelkönnenauseinem
„gestiegenen allgemeinen Einkommenssteueraufkommen“ finanziert werden (ebd.:
26).
‐60‐
• SteuerfinanzierungderPrämienfürKinder:DieVersicherungsprämiefürKinderwird
aus Steuermitteln finanziertundvonderKindergeldstelle andieEltern ausgezahlt
(CDU2003:24).Diedafür erforderlichenMittel kommenausderBesteuerungdes
ausgezahltenArbeitgeberbeitrags(ebd.:26).
DieUmstellungaufdasGesundheitsprämienmodellwurde2004ineinemerneutenPar‐
teitagsbeschlussbekräftigt,allerdingsmitkleinerenModifikationen:
• Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags: Der bisherige Arbeitgeberbeitrag bleibt
Lohnbestandteil undwird nicht ausgezahlt, soll allerdings auf 6,5% des beitrags‐
pflichtigenEinkommensdauerhaft festgeschriebenwerden (CDU2004:4).DerAr‐
beitgeberanteil wird zusammen mit den Beiträgen der Sozialversicherungsträger
(Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung) an ein Sondervermögen überwie‐
sen.AusdemAufkommenderArbeitgeberanteilewirdderSozialausgleichfinanziert
(ebd.:4).
• BeitragsfreieMitversicherung von Kindern: Für Kinderwird keine Prämie erhoben,
dieKostensindausSteuermittelnzutragen(ebd.:3).
• BeitragspflichtfüralleErwachsenen:DadieEntscheidung,dassfürKinderkeineVer‐
sicherungsprämienmehr zu zahlen sein sollen,mit dem imVorjahrbeschlossenen
GrundsatzeinerBeitragspflichtfüralleVersichertennichtvereinbarist,sahdasMo‐
dellvon2004nurnoch„fürjedenErwachsenen“einePrämievor(ebd.:3).
Wiebereitserwähnt,bekräftigtedieCDUaufihremParteitag2007dasZielderUmstel‐
lungaufihrGesundheitsprämienmodell(CDU2007:62).
Bei der vorstehenden Skizzierung desGesundheitsprämienmodellswurdeweitgehend
aufZahlenangabenverzichtet,dadiesevonderkonkretenAusgestaltungdermaßgebli‐
chen Eckpunkte, wie beispielsweise der Einkommensgrenze für den Sozialausgleich,
abhängig sindundauch indenverschiedenenBeschlüssenunterschiedlichhochange‐
gebenwurden.SowurdefürdasJahr2003einePrämieinHöhevon200Eurofürnot‐
wendigangesehen,diesichauseinemGrundbeitragvon180EuroundeinemVorsorge‐
beitragvon20Eurozusammensetzt(CDU2003:24).DieGrenzefürdieGesamtprämi‐
enbelastungsolltedanachbei15%desHaushaltseinkommensliegen(ebd.:25)unddie
GrenzedesSozialausgleichsbei1.400EurofürAlleinstehendeund2.800EurofürVer‐
‐61‐
heiratete (ebd.: 25).DerParteitagsbeschlussdes Jahres2004nenntdagegen eine ein‐
kommensunabhängige„Gesamtgesundheitsprämie“fürjedenErwachseneninHöhevon
169Euromonatlichundeine„Belastungsgrenze“von7%desEinkommens(CDU2004:
5).Diegegenüber2003deutlichniedrigereBelastungsgrenze istvorallemdadurchzu
erklären,dassderArbeitgeberbeitrag(6,5%)nunnichtmehrausgezahltwerdensoll.
BetrachtetmandiegenanntenElementedesGesundheitsprämienmodellsundihrenZu‐
sammenhanguntereinandergenauer,solassensichzentraleElementeidentifizieren,die
nichtaufandererückführbarsind,undeher randständigeElemente,dieentwederaus
den zentralen resultieren oder offenbar mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz
notwendigerscheinen.
Folgende Elemente sind nicht auf andere Elemente des Modells rückführbar, in dem
Sinne, dass sie sich aus diesen ergeben oder eine Ergänzung eines anderen Elements
sind.SiehabensomitzentraleBedeutungindemSinne,dasssiedenKerndesModells
bilden:
• kapitalgedeckteAlterungsrückstellung
• BeitragspflichtfüralleVersicherten
• pauschale,einkommensunabhängigeVersicherungsprämie
NichtvonzentralerBedeutungundreintechnischbetrachtetverzichtbarsind:
• FestschreibungundAuszahlungdesArbeitgeberbeitrags
• BelastungsgrenzeundPrämiensubventionierungfürniedrigeEinkommen
• steuerfinanzierterSozialausgleich
• FinanzierungderVersicherungsprämienfürKinderausSteuermitteln
Im Folgenden soll die vorstehende Differenzierung und Reihung näher erläutert und
begründetwerden. Zunächstwird auf die sekundären Elemente eingegangen und be‐
gründet,warumsiealssekundärund–reintechnischbetrachtet–verzichtbarsind.
Arbeitgeberbeitrag:FürdieUmstellungvoneinkommensbezogenenKrankenkassenbei‐
trägenaufeinkommensunabhängigeVersicherungsprämienistesletztlichunerheblich,
obder jetzigeArbeitgeberbeitrag festgeschriebenoder als Lohnbestandteil ausgezahlt
wird.DieszeigtauchdasgegenwärtigeGeschäftsmodellderprivatenKrankenversiche‐
rung.Es funktioniert seit Jahrzehntenmit einemArbeitgeberzuschuss anprivatVersi‐
‐62‐
cherte,dersichamdurchschnittlichenallgemeinenBeitragssatzderGKVorientierteund
als Prozentsatz des Arbeitseinkommens an die betreffenden Mitarbeiter ausgezahlt
wurdebzw.wird(aufArbeitseinkommenbiszurBeitragsbemessungsgrenze).Der2004
vomCDU‐Bundesparteitag beschlosseneVerzicht auf dieAuszahlungdesArbeitgeber‐
beitragsunddieFestschreibungauf7%desArbeitsentgeltsistlediglicheineModifika‐
tioneinesrandständigenElementsundstelltdasModellnichtinFrage.Entscheidendan
demModellistvielmehr,dasszukünftig–wiejetztbereitsinderPKV–dieVersicherten
SchuldnerderVersicherungsprämiesind.
DerAusstiegausdemBeitragseinzugderArbeitgeber,diedenallgemeinenKrankenkas‐
senbeitraggegenwärtigvomLohneinbehaltenundandieKrankenkassenüberweisen,
und dieUmstellung auf eine individuelle Prämienüberweisung ist bereitsmit den Zu‐
satzbeiträgenvollzogen.ErhebteineKasseeinenZusatzbeitrag,hatdasMitglieddiesen
Beitrag an die Kasse direkt zu überweisen bzw. hat die Kassen den Zusatzbeitrag auf
demWegeinesEinzugsverfahrensdirektvomKontodesMitgliedseinzuziehen.Istder
jetzigeArbeitnehmerbeitragvollständigaufeinepauschaleVersicherungsprämieumge‐
stellt,habendieArbeitgebernurnochdenArbeitgeberbeitragandieKassenabzuführen
oder sie zahlen ihn analog zur jetzigen Praxis bei privat Versicherten als Beitragszu‐
schussaus.Wieauchimmer,dasModellfunktioniertmitverschiedenenVarianteneines
ArbeitgeberanteilsaneinerpauschalenVersicherungsprämie.
Belastungsgrenze und Prämiensubventionierung: Beide Elemente sind eindeutig keine
Kernelemente,die fürsichstehen.Sie resultierenausderUmstellungaufeinkommen‐
sunabhängigepauschaleVersicherungsprämien,diesichandendurchschnittlichenAus‐
gaben je Versicherten orientieren. Die Pauschalierung auf dem Niveau der Durch‐
schnittsausgaben je Versicherten führt zu einer Erhöhung des Beitrags bei Beziehern
unterdurchschnittlicher Arbeitseinkommen, die um so höher ausfällt, je niedriger das
Einkommenist.DaswiederumwürdeunvermeidlichzurÜberforderungsehrniedriger
Einkommenführen.Willmandiesverhindern,mussmaneineBelastungsgrenzeindas
Modelleinfügen,abderVersicherteeinenZuschusszuihrerVersicherungsprämieerhal‐
ten.
EineBelastungsgrenzezumSchutzvorÜberforderungbeiniedrigemEinkommenistfür
dieFunktionsfähigkeitdesModellsallerdingsnichtzwingenderforderlich, sondernof‐
fensichtlich eineModellkomponente, die primär der Schaffung von Akzeptanz für das
Modell dienen soll. DasModell würde auch ohne jegliche Belastungsgrenze technisch
‐63‐
funktionieren.EinProblemfürdieVersichererwärendannabersicherlichdiezuerwar‐
tenden Prämienrückstände bei einem Teil der Versicherten. Wendet man jedoch das
Geschäftsmodell der PKV an, sowürdenVersicherte beiNichtzahlungder Prämien ab
einembestimmtenRückstandihrenVersicherungsschutzverlieren.DieAussichtaufein
solchesZukunftsmodellderAbsicherungimKrankheitsfallwürdeallerdingsmitSicher‐
heitzueinerbreitenAblehnunginderBevölkerungführenundspätestensbeidennäch‐
stenWahlenzuherbenVerlustenderverantwortlichenParteien.Insofernistesnahelie‐
gend, dassdieBefürworterdesGesundheitsprämienmodells darauf bestehen, dieUm‐
stellungnurmitBelastungsgrenzeundPrämiensubventionierungfürniedrigeEinkom‐
menvorzunehmen.DerartigeBeteuerungenmüssennichtzwingenddemWunschnach
sozialerGerechtigkeitundsozialpolitischemEngagementfürGeringverdienerundNied‐
riglohnempfängernentspringen.Esdarfwohl angenommenwerden,dass sie in erster
LinieeinempolitischenKalkülentspringenundvonderEinschätzunggeleitetsind,dass
eine Versicherungspauschale ohne Subventionierung niedriger Einkommen politisch
kaumdurchsetzbarunddasEintretenfüreinsolchesModellmithohenpolitischenRisi‐
kenverbundenist.
Sozialer Ausgleich aus Steuermitteln: Auch die Finanzierung der Prämiensubventionie‐
rungausSteuermittelnistwedereinzentralesModellelementnochistsiezwingender‐
forderlichfürdieFunktionsfähigkeitdesModells.MankönntediePrämiensubventionie‐
rungauchinnerhalbdesPauschalprämienmodellsohneSteuermittel finanzieren,aller‐
dingswürdediessicherlicheineErhöhungderPauschalprämienerfordern.Einentspre‐
chenderVorschlagwurdedennauchvonwissenschaftlicherSeitebereitsindieDiskus‐
sion eingebracht (Drabinski 2009, 2010) und aus den Reihen der CDU begrüßt
(Koschorrek2009a).SolltesicheinsolchesModellals technischrealisierbarerweisen,
könntedamitauchdiefürdieBefürworterdesGesundheitsprämienmodellsunerfreuli‐
cheDiskussionüber dieUnfinanzierbarkeit eines aus Steuermitteln gespeisten Sozial‐
ausgleichs einEnde finden.Dies zeigt auch,wiewenig zielführendeineKritikdesGe‐
sundheitsprämienmodells ist,diedieFragederFinanzierbarkeiteinesSozialausgleichs
aus Steuermitteln indenMittelpunkt stellt. Sie verkennt, dassdieFragederFinanzie‐
rungeinerPrämiensubventionierungnichtvonzentraler,sondernvonnachgeordneter
Bedeutungist.
SteuerfinanzierungderVersicherungsprämienfürKinder:EntsprechenddeminderPKV
geltendenGrundsatz,dassfürjedenVersicherteneinindividuellerVersicherungsvertrag
‐64‐
mit eigener Prämienzahlung zu vereinbaren ist, bleibt zunächst einmal festzuhalten,
dass auch fürKinder eineVersicherungsprämie zu zahlen ist.DasursprünglicheCDU‐
Prämienmodellvon2003sahdiesdennauchvor(CDU2003:24).FürKinderwareine
eigenständigeVersicherungsprämieinHöhederHälftederErwachsenenprämievorge‐
sehen,dieallerdingsnichtvondenEltern,sondernvonderstaatlichenKindergeldstelle
andie jeweiligeKrankenversicherunggezahltwerdensollte. Insofernwardieentspre‐
chendeFeststellung„KinderbleibenfürdieElternweiterhinbeitragsfreimitversichert“
(ebd.)nichtfalsch,dieBetonunglagaberauf„fürdieEltern“.OhnedieseEinschränkung
wäresiefalschgewesen,dennKindersolltenkeineswegs„weiterhinbeitragsfreimitver‐
sichert“werden.AuchdiesesBeispielzeigt,wiewichtigesist,dieSprachederPolitikim
engenSinne‚wörtlich’zunehmen.EskommtinderTataufjedesWortunddiegenaue
Satzstellungan.
DochzurückzurBedeutungderÜbernahmederVersicherungsprämien fürKinderaus
SteuermittelnfürdieFunktionsfähigkeitdesModells.Esbleibtzunächsteinmalfestzu‐
halten,dassSchuldnerderPrämieletztlichdieElternsindundbleiben.DasModellwür‐
de technisch auch dann funktionieren, wenn der Staat die Versicherungsprämien für
Kinder nicht übernehmenwürde. Und:DieÜbernahmeder Prämien fürKinder durch
denStaatundFinanzierungdurchallgemeineSteuermittelstellteinenSystembruchdar.
DiePKVkennteinesolchePrämienübernahmenichtundfunktioniertauchohnesieseit
Jahrzehnten.Natürlichvorallemdeshalb,weilPKV‐VersicherteinderRegelüberdurch‐
schnittlicheEinkommenerzielenoderüberVermögenverfügen.
WenndiePrämienfürKinderausSteuermittelnübernommenwerdensollen,soistauch
diesnichtdertechnischenFunktionsfähigkeitdesModellsgeschuldet,sonderneinZuge‐
ständnisan tief inderdeutschenGesellschaft verwurzelte sozialpolitischeGrundüber‐
zeugungen,diezuverletztenmithohenpolitischenRisikenverbundenist.DieAuswei‐
tungderBeitragspflichtaufmitversicherteEhegattenkannnochmitdemVerweisdar‐
aufplausibelgemachtwerden,dassdiebeitragsfreieMitversicherungvonnichtberufs‐
tätigenEhepartnernzurSubventionierungvonEhepaarenmithohemAlleinverdiener‐
einkommenführt.BeitragspflichtfürKinderwürdehingegenmithoherWahrscheinlich‐
keitzueinerbreitenAblehnungdesModellsinderGesellschaft,aberauchinderUnion
selbstführen.
Dass die Übernahme der Versicherungsprämien für Kinder kein zwingendes System‐
elementist,sondernvielmehreinesystemfremdeAbweichung,dieprimärzurVerbesse‐
‐65‐
rungdergesellschaftlichenAkzeptanzdienensoll,lässtsichauchandenBegründungen
erkennen.BegründetwurdedieÜbernahmederVersicherungsprämien fürKinder zu‐
nächst mit der Feststellung: „Dadurch ist das Prämiensystem familienfreundlicher“
(CDU2003: 24). In der Folgezeit erfuhr die BegründungmehrfacheÄnderungen. Und
dies zeigt zusätzlich, dass dieses Element nicht eindeutig und sachlich begründet aus
demPrämiensystemfolgt,sondernpolitischenKalkülenentspringt,diesichjenachpoli‐
tischer Lage ändern. So wurde die Übernahme der Versicherungsprämien für Kinder
2004mit „derüberragendenBedeutungvonKindern fürdieZukunftderGesellschaft“
(CDU2004:2)begründetund2007damit,dass„KindereinederwichtigstenVorausset‐
zungenfürdieFortführungderSolidarsystemesind“(CDU2007:62).
Nimmt man den Begründungsansatz ernst, so offenbart er zunächst einmal ein hoch
problematisches, letztlich utilitaristisch‐instrumentelles Verhältnis zu Kindern. Denn
Kindererfahren indiesemBegründungsansatzeinebesondereWertschätzunginForm
einerÜbernahme ihrerVersicherungsprämien letztlichdeshalb,weil sienützlich sind;
nützlichfürdiezukünftigeFinanzierungdersozialenSicherung.
AbereinsolcherBegründungsansatzistauchlogischnichtüberzeugend.Soließensich
mitSicherheit zahlreicheweitereGruppenvonVersicherten finden, fürdieeineÜber‐
nahmederVersicherungsprämie aus Steuermitteln aufGrundlage einer solchenArgu‐
mentationbegründbarwäre.AuchdievielfachvertretenePosition,dieVersorgungvon
Kindernseieine‚gesamtgesellschaftlicheAufgabe’unddeshalbauchvonderGesamtheit
derSteuerzahlerzu finanzieren,bietetkeinehinreichendüberzeugendeundvorallem
trennscharfeBegründung.DieBegründungsproblemebeginnennichterstmitderFrage,
wasdenneine‚gesamtgesellschaftlicheAufgabe’istundendennichtmitderFrage,war‐
umdenndannnichtauchdieübrigenKostenderGeburtundVersorgungvonKindernin
vollerHöheundfüralleKindervomStaatübernommenwerdensollen,ganzzuschwei‐
genvondenVersicherungsprämienfürFrauenwährendderSchwangerschaftundKin‐
dererziehungszeitenetc.
DievorhergehendeErörterungdernichtzumKerndesPrämiensystemszählendenEle‐
mente sollte vor allem deutlichmachen, dass diese Elemente verzichtbare Systembe‐
standteilesind.BeigenauerBetrachtungerweisensiesichalssystemfremdeodermin‐
destensfürdieFunktionsfähigkeitüberflüssigeBestandteile,dieoffenbarvorallemdazu
dienensollen,eineAnschlussfähigkeitdesPrämiensystemsantiefverwurzeltesozialpo‐
‐66‐
litische und moralische Grundüberzeugungen weiter Teile der Bevölkerung zu errei‐
chen.DieseEinschätzungschließtauchein,dassdieseElementedesModellsbeigege‐
benenMehrheitsverhältnissenreduziertodervollständigausdemPrämiensystement‐
ferntwerden können, ohne die technische Funktionsfähigkeit des ‚Gesundheitsprämi‐
enmodells’zugefährden.
EsverbleibensomitnochdreiSystemelemente,diedenKerndes‚Gesundheitsprämien‐
modells’bilden:
• kapitalgedeckteAlterungsrückstellung
• BeitragspflichtfüralleVersicherten
• einkommensunabhängigepauschaleVersicherungsprämien
DasersteundzweiteElementsindeindeutigKernelementedergegenwärtigenprivaten
Krankenversicherung.DasdritteElement ist gegenwärtig – siehtmaneinmal vonden
pauschalenZusatzbeiträgenderKrankenkassenab–wederdergesetzlichenKranken‐
versicherungnochderprivatenzuzuordnen.AlledreiElementlassensichallerdingszu
einemstimmigenGesamtbildzusammenführen,wennmandenAntragunddieMateria‐
liendesCDU‐Bundesvorstands zumZukunftsprogramm „Deutschland fair ändern“ aus
dem Jahr 2003 zur Klärung hinzuzieht (CDU‐Bundesvorstand 2003b). DieMaterialien
basierenzwarweitgehendaufdemAbschlussberichtunddenMaterialiendervomCDU‐
Bundesvorstandeingesetzten ‚Herzog‐Kommission’ (Herzog‐Kommission2003),dadie
Materialien aber vom CDU‐Bundesvorstand veröffentlicht wurden, sind sie auch ihm
zuzuschreiben.Undsiesind–ähnlichwiedieBegründungenvonGesetzesvorhaben in
denentsprechendenBundestagsdrucksachen–alsDokumentezubehandeln, indenen
IntentionendesVorhabensnähererläutertwerden.
AufschlussreichzurKlärungdesZusammenhangsderdreiKernelementedesangestreb‐
ten ‚Gesundheitsprämienmodells’ sind insbesondere die Ausführungen zum Übergang
auf das angestrebte Prämienmodell (CDU‐Bundesvorstand 2003a: 17‐18) sowie die
Kurzbeschreibung des Prämienmodells (CDU‐Bundesvorstand 2003b: 21‐22), das als
„kapitalgedecktes, einkommensunabhängiges und erheblich demographiefesteres Sy‐
stem“umschriebenwird(ebd.).
An diesenAusführungenwird erkennbar, dass die Umstellung einkommensbezogener
Krankenkassenbeiträgeaufpauschale, füralleVersichertengleichhoheVersicherungs‐
‐67‐
prämiennureinZwischenschrittseinsoll.DasletztlichangestrebteSystemsieht„versi‐
cherungsmathematischberechnetePrämien“(CDU‐Bundesvorstand2003a:18)vor.Es
wirdausdrücklichfestgestellt:„IneinemsolchenPrämiensystemfallenjenachEintritts‐
alterdesVersichertenunterschiedlichhohePrämienan,dieinderHöhediejeweilsim
Lebensverlaufzuerwartenden–imAlteransteigenden–Ausgabeneinkalkulierenmüs‐
sen“ (ebd.: 17). Und: „Die Prämien sind daher je nach Alterskohorte unterschiedlich
hoch“ (CDU‐Bundesvorstand2003b: 22).Da eine sofortigeUmstellung auf ein solches
SystemzuerheblichhöherenVersicherungsprämienfürältereVersicherteführenwür‐
de,dievielederÄlterengarnichtinderLagewärenzubezahlen,siehtdasModelleine
Übergangsphase von 10 Jahren vor. Dazu die entsprechende Passage aus demAntrag
desCDU‐Bundesvorstandes:
„UmdenUmstiegzueinemPrämienmodellsozialverträglichgestaltenzukönnenundvorallemdieälterenVersichertennichtzuüberfordern,diekaumausreichendRücklagenfürdieAltersrückstel‐lungbildenkönnen,wird einKapitalstockgebildet, derüber einenZeitraumvonetwa10 JahrenhinwegausdenBeiträgenderVersichertenaufgebautwird. IneinemsolchenPrämienmodellfallenjenachEintrittsalterdesVersichertenunterschiedlichhohePrämienan,dieinderHöhediejeweilsimLebensverlaufzuerwartenden‐imAlteransteigenden‐Ausgabeneinkalkulierenmüssen.Umzuvermeiden,dassältereVersichertenjahrgängeunzumut‐barhohePrämienzuleistenhaben,wirdimJahrdesUmstiegs(frühestens2013)derkollektiveKa‐pitalstock aufgelöst und für eine versicherungsmathematische Individualisierung der Altersrück‐stellungenzuGunstenüber45‐jährigerVersichertereingesetzt“(CDU‐Bundesvorstand2003a:17).
NachderUmstellung sind für „neu zu versicherndePersonen“Krankenversicherungs‐
prämien zu berechnen, die die Kosten für die gesamte Lebensdauer zu Grunde legen
(CDU‐Bundesvorstand2003b:22).
Washierbeschriebenwird,sindzentraleElementederKalkulationsmethodikeinerpri‐
vaten Krankenversicherung. Zur besseren Verdeutlichung sollen die angesprochenen
Grundsätze der Prämienkalkulation in der PKV kurz erläutert werden (zu den
KalkulationsgrundsätzenderPKVvgl.Farny2006;Führer/Grimmer2009).
VersicherungsprämienwerdeninderprivatenKrankenversicherungnichtfüralleVer‐
sicherten gleich, sondern für definierte Altersgruppen (Alterskohorten) kalkuliert.
WichtigstesKriteriumfürdieZuordnungzueinerAlterskohorteistdasAlterbeiEintritt
indieVersicherung.DadieindividuelleVersicherungsprämieaufGrundlagederKosten
einerAltersgruppeberechnetwerden,würdeeinsolchesSystemaufGrundderimAlter
steigendenBehandlungskostenzufortlaufendsteigendenVersicherungsprämienführen,
dieumsohöhersind,jeälterdieVersichertensindbzw.werden.
‐68‐
Umdies zu vermeidenundeinemöglichst lebenslang gleichbleibendeVersicherungs‐
prämiezuerreichen,werdendiefürdasgesamteverbleibendeLebenzuerwartetenBe‐
handlungskosten geschätzt und zur Grundlage der Prämienberechnung gemacht. Da‐
durchwerdeninjüngerenJahrenPrämiengezahlt,dieüberdentatsächlichanfallenden
Behandlungskosten der Kohorte liegen. Die in jüngeren Jahren nicht für die Behand‐
lungskostenverbrauchtenMittelwerdeneiner‚Alterungsrückstellung’zugeführt,dieauf
demKapitalmarktangelegtwird.Ausdenangesparten,nichtverbrauchtenPrämienan‐
teilenunddererzieltenVerzinsung–sodiezuGrunde liegendeVorstellung–werden
diemit steigenden Behandlungskosten imAlter auch ansteigenden Versicherungsprä‐
mienbezuschusstundimIdealfallaufeinemlebenslanggleichenNiveaugehalten.
Wohlgemerkt:imIdealfall.DieRealitätderPKVzeigteinanderesBild.Seitca.15Jahren
steigendieAusgabenundBeitragssätzederprivatenKrankenversicherungenstärkerals
diederKrankenkassen,wasmittlerweileauchdiePKVselbstalsschwerwiegendesPro‐
blem öffentlich thematisiert (Grabka 2006; Leienbach 2009; Neumann 2009;
Schubert/Bergius2010).
DadieseDiskussionauchfürdieBewertungdes ‚Gesundheitsprämienmodells’vonBe‐
deutungist,sollandieserStellekurznäheraufdieHintergründeeingegangenwerden.
Anders als die Krankenkassen haben private Krankenversicherungen keine direkten
Vertragsbeziehungen zu den Leistungserbringern und zahlen auch keineVergütungen
direktanÄrzte,Krankenhäuseretc.SiehabenfolglichauchkeineMöglichkeiten,aufdie
EntwicklungderLeistungsmengenEinflusszunehmen.Währendbspw.inderambulan‐
ten ärztlichen Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung
Mengenbegrenzungen und Vergütungsabschläge bei Überschreitung vereinbarter Lei‐
stungsmengen seit vielen JahrenBestandteil derKollektivverträge sind, erfolgt im Sy‐
stemderPKVdieVereinbarungüberLeistungsumfangundauch–zumindestinderam‐
bulantenärztlichenVersorgung–PreishöheunmittelbarzwischendemeinzelnenPati‐
enten und Leistungserbringer. Vor allem in der ambulanten ärztlichen Versorgung ist
seit Einführung der Budgetierung undDeckelung der Gesamtvergütungen ab 1993 zu
beobachten,dasseinTeilderÄrzteEinkommenseinbußenimBereichderKrankenkas‐
senpatientendurchLeistungsausweitungenundBerechnunghöhererHonorarsätzebei
Privatpatientenausgleicht.
Die PKV ist bislang nicht in der Lage, diesen Strategienwirksam bereits bei den Lei‐
stungserbringernentgegenzutreten,dasieüberkeinedirektenVertragsbeziehungenzu
‐69‐
denLeistungserbringernverfügt.EinePKVkannerstdannkostenbegrenzendeingreifen,
wennsiedieRechnungenzwecksKostenerstattungvondenVersichertenerhaltenhat,
unddanninderRegelauchnurdurchdieVerweigerungoderReduzierungderKosten‐
erstattungandiebetreffendenVersicherten.VordemHintergrundsteigenderAusgaben
habenindenletztenJahrenoffenbarzunehmendmehrprivateKrankenversicherungen
vondieserMöglichkeitGebrauchgemacht.DerartigeVorgehensweisenführenaberwie‐
derumzuAuseinandersetzungenzwischenVersichertenundprivatenKrankenversiche‐
rungen,die inden letzten Jahrenvermehrtauch indieÖffentlichkeitgetragenwerden
unddasErscheinungsbildundAnsehenderPKVbeschädigen(Dohmen2010).
VordiesemHintergrundwirdausdenReihenderPKVverstärktdieForderungerhoben,
dassdasVertragssystemderGKVzumindestinTeilenauchaufdiePKVübertragenwer‐
den sollte, damit private KrankenversicherungenmehrMöglichkeiten der Kostenkon‐
trolle erhalten (Krohn 2010; Leienbach 2009). Diese Entwicklung ist insofern für die
Diskussionüberdas ‚Gesundheitsprämienmodell’von Interesse,alsdasModellvonei‐
nerÜberlegenheitdesPKV‐Systemsausgeht.
Zusammenfassendkannfestgehaltenwerden,dassderBlickindenAntragunddieMa‐
terialien des CDU‐Bundesvorstandes aufklären kann, welche Funktion die Umstellung
einkommensabhängiger Krankenkassenbeiträge auf einkommensunabhängige und für
alleVersicherteeinheitlichepauschalePrämienhat:SiesollnureinZwischenschritthin
zueinemSystemrisikoäquivalenterVersicherungsprämiensein.
Ersetzt man nun ‚einkommensunabhängige pauschale Versicherungsprämien’ durch
‚risikoäquivalenteVersicherungsprämien’, zeigt sich,woraufdas ‚Gesundheitsprämien‐
modell’derCDUhinausläuft.ZielistdieAbschaffungdergesetzlichenKrankenversiche‐
runginihrerbisherigenFormundÜberführungineinreinprivatwirtschaftlichorgani‐
siertesSystem,indemAbsicherungfürdenKrankheitsfallnurnochvonprivatenVersi‐
cherungsunternehmennachdemGeschäftsmodellderheutigenPKVangebotenwird.
3.2 ProgrammatischePositionenderCSUzurZukunftderGKV
Die Darstellung programmatischer Positionen der CSU zur Zukunft der gesetzlichen
KrankenversicherungstütztsichaufdiefolgendenprogrammatischenDokumente:
‐70‐
• Chancen für alle! In Freiheit und Verantwortung gemeinsam Zukunft gestalten.
GrundsatzprogrammderCSUvom28.09.2007(CSU2007)
• Entschließung zur Gesundheitspolitik. Beschluss des CSU‐Parteivorstandes vom 4.
und5.April2008(CSU‐Parteivorstand2008)
• "PatientenundÄrztestärken:FüreinesolidarischeundmenschlicheMedizin‐gegen
BürokratieundStaatsmedizin"‐BeschlussdesCSU‐Parteivorstandesvom3.und4.
April2009(CSU‐Parteivorstand2009)
Betrachtetman das Grundsatzprogramm der CSU aus dem Jahr 2007 und die beiden
wichtigsten neueren gesundheitspolitischen Beschlüsse des CSU‐Parteivorstands, so
zeigensichinzentralenPunktendeutlicheDifferenzenzwischendenbeiden‚Schwester‐
Parteien’. Die gesundheitspolitische Beschlusslage der CSU gibt keinen Anhalt dafür,
dassdieFührungoderParteitagsmehrheitderCSUfüreinelangfristigeAbschaffungder
alsSozialversicherungorganisiertengesetzlichenKrankenversicherungeintritt.Diewe‐
nigenexplizitenAussagenindenangesprochenenDokumentenbekräftigenimGegenteil
zentraleElementeeinersozialenKrankenversicherung:
• MorbiRSA: Dermorbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich ist für die CSU „ein
unverzichtbarerundzentralerBausteindesGesundheitsfonds“(CSU‐Parteivorstand
2008: 3). Auch der Vorstandsbeschluss des Jahres 2009 hält am Morbi‐RSA aus‐
drücklich fest, fordert allerdingseineVereinfachung (CSU‐Parteivorstand2009:5).
DievomCSU‐VorstandgeforderteVereinfachunggehtallerdings–andersalsbeider
CDUundFDP–voneinerBeibehaltungdesMorbi‐RSAaus.
• Sachleistungsprinzip: „Am Sachleistungsprinzip wird grundsätzlich festgehalten“
(CSU‐Parteivorstand2009:5).Sicherlichistzubeachten,dass„grundsätzlich“daran
festgehaltenwird,alsoAbweichungennichtstriktabgelehntwerden.Andersalsbei
CDUundFDPfindetsichindengenanntenBeschlüssenderCSUaberankeinerStelle
einPlädoyerfüreineAusweitungderKostenerstattung.
• Finanzierungsmix:„ZurFinanzierungderGesundheitsausgabenisteinausgewogener
MixausArbeitgeber‐undArbeitnehmerbeiträgen, sozialverträglichenSelbstbeteili‐
gungenundSteuermittelnnötig“ (CSU‐Parteivorstand2009:4). Steuermittel sollen
fürdieFinanzierung‚gesamtgesellschaftlicherAufgaben’unddie„Familien‐undSe‐
niorenmedizin“eingesetztwerden(CSU‐Parteivorstand2009:4).
‐71‐
DiegesundheitspolitischenBeschlüssederCSUsinderkennbargeprägtunddurchzogen
vondemZiel,diebayrischenInteressen inderGesundheitspolitikaufBundesebenezu
vertretenundzurGeltungzubringen.DieszeigtsichinsbesondereandenAussagenzur
Weiterentwicklungdes Systemsder Leistungserbringung imRahmender gesetzlichen
Krankenversicherung. Insgesamt nimmt der Bereich der Versorgung und Leistungs‐
erbringung im Vergleich zur Frage der zukünftigen Finanzierung der GKVweit mehr
RaumindenprogrammatischenTexteneinalsbeiCDUundFDP.
InnerhalbderCSUgibtesallerdingssehrwohleinflussreicheBefürwortereinesgrund‐
legendenSystemwechsels.SooffenbarteinPositionspapierdesGesundheitspolitischen
ArbeitskreisesderCSU (GPA) vom21.03.2009deutlicheÜbereinstimmungenmit zen‐
tralenForderungenvonCDUundauchFDP.SosprichtsichderGPA insbesondereaus
für:
• die Einführung eines „teilweisen Kapitaldeckungsverfahrensmit Eigentumsschutz“
indergesetzlichenKrankenversicherung(GPA2009:5),
• dieBeschränkungdesgesetzlichvorgegebenenLeistungskatalogsderGKVaufeinen
„Basisschutz“(ebd.),
• dieBeschränkungdesRisikostrukturausgleichs aufAlter,GeschlechtundErwerbs‐
unfähigkeit und somit die Nichtberücksichtigung unterschiedlicher Morbiditäts‐
strukturen(ebd.)und
• dieEinführungdesÄquivalenzprinzips indiegesetzlicheKrankenversicherung(die
„Prämienhöhe“ soll von dem Umfang der gewählten „Leistungspakete“ abhängen)
(ebd.:6).
FolgerichtigsprichtsichderGPAdennauchfürdieUmwandlungderKrankenkassenin
Versicherungsunternehmenaus:
„DiePrivateKrankenversicherungalsVollversicherungmusserhaltenbleiben;dieheutigenGesetz‐licheKrankenkassensolltenbeizunehmendemEintrittindenWettbewerbUnternehmensstatuser‐langen“(GPA2009:6).
DerartigePositionenwarenbislangaberoffenbarnichtmehrheitsfähig inderCSU.Ob
diesauchinZukunftsobleibenwird,bleibtabzuwarten.ImmerhingehörenzudenMit‐
gliedern des Landesvorstandes des GPA auch einflussreiche Gesundheitspolitiker der
CSUwie der bayrische Gesundheitsminister Söder, die bayrische Sozialministerin Ha‐
derthauer, der neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, und
‐72‐
derstellvertretendeVorsitzendederCDU/CSU‐Bundestagsfraktion, JohannesSingham‐
mer.14
3.3 ProgrammatischePositionenderFDPzurZukunftderGKV
Die Darstellung programmatischer Positionen der FDP zur Zukunft der gesetzlichen
KrankenversicherungstütztsichaufdiefolgendenprogrammatischenDokumente:
• Wir schaffen dasmoderne Deutschland. Beschluss des 54. Ord. Bundesparteitages
derFDP,Bremen,16‐18.Mai2003(FDP2003).
• Privater Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung für alle – die auf
WettbewerbbegründeteliberaleAlternative.Beschlussdes55.ParteitagesderFDP,
Dresden,5.‐6.Juni2004(FDP2004).
• Freiheit,Fairness,Chancen.Beschlussdes58.BundesparteitagesderFDP,Stuttgart,
15‐17.Juni2007(FDP2007).
• Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm der Freien Demokratischen Partei zur
Bundestagswahl2009.Beschlussdes60.Ord.ParteitagesderFDP,Hannover,15‐17.
Mai2009(FDP2009).
• „Füreineinfaches,transparentesundleistungsgerechtesGesundheitswesen“.Antrag
derFDP‐Bundestagsfraktionvom11.02.2009andasPlenumdesDeutschenBundes‐
tages(FDP‐Bundestagsfraktion2009).
WährenddieprogrammatischenTextederCDUdas letztendlicheZieldesPrämienmo‐
dellsnichtwirklichoffen legen, sondernnur indirekt, sozusagen ‚zwischendenZeilen’
undinscheinbarbelanglosenNebensätzenandeuten,trittdieFDPoffenfüreinenradi‐
kalenSystemwechselein.KernelementedesFDP‐Modellssind:
• UmwandlungderKrankenkasseninprivateUnternehmen:Diealsöffentlich‐rechtliche
Körperschaften verfassten Krankenkassen sollen in private Versicherungsunter‐
nehmenumgewandeltwerden(FDP2004:3;FDP‐Bundestagsfraktion2009:3).Das
gegenwärtigeGeschäftsmodellderprivatenKrankenversicherungwürdesozumal‐
leinigenSystemderAbsicherungfürdenKrankheitsfall.
14 Die genannten Personen sind allerdings ‚nur’ Mitglieder Kraft Amt oder kooptierte Mitglieder und
warenevtl.anderBeschlussfassungnichtbeteiligt.
‐73‐
• AuszahlungdesArbeitgeberbeitrags:DerArbeitgeberbeitragsollalsLohnbestandteil
ausgezahltwerden(FDP2009:4).
• Allgemeine Versicherungspflicht für eine Grundversorgung: Die ‚Pflichtversicherung’
GKVsolldurcheineallgemeineVersicherungspflichtersetztwerden.AlleBürgersol‐
len gesetzlich verpflichtetwerden, sich bei einem Versicherer ihrerWahl für eine
Grundversorgung zu versichern, die „Existenz bedrohende Risiken“ abdeckt (FDP
2007:6;2009:18).
• Risikoäquivalente Versicherungsprämien für alle Versicherten: Statt einkommensbe‐
zogener Beiträge sollen im neuen System nach versicherungsmathematischenMe‐
thodenkalkulierterisikoäquivalenteVersicherungsprämienfüralleVersichertener‐
hobenwerden(FDP2004:4).LediglichdieVersicherungfüreinenochnäherzube‐
stimmende ‚Grundversorgung’ soll ohne Risikozuschläge erfolgen (FDP 2009: 18).
AlledarüberhinausgehendenVersicherungstarifewären–analogzurgegenwärtigen
PraxisderPKV–erstnacheinerPrüfungdesGesundheitszustandesdesAntragstel‐
lers(Risikoprüfung)undbeivorliegendenVorerkrankungenoderEinschränkungen
desGesundheitszustandesnurgegenkostendeckendeRisikozuschlägeaufdie indi‐
viduelle Prämie zu erhalten.Wobei anzumerken ist, dass für dieGrundversorgung
lediglichRisikozuschlägeausgeschlossenwerdensollen,nichtabereineDifferenzie‐
rung nach Alter bei Eintritt in die Versicherung. Dementsprechend sieht auch das
FDP‐ModellkapitalgedeckteAlterungsrückstellungenvor.
• KostenerstattungstattSachleistungen:DasSachleistungsprinzipsollabgeschafftund
inallenBereichendurchKostenerstattungersetztwerden(FDP2003:10;2004:4).
• SteuerfinanzierungderVersicherungsprämien fürKinder:Auch fürKindersind indi‐
viduelleVersicherungsverträgeabzuschließenundeigeneVersicherungsprämienzu
zahlen.DieVersicherungsprämienfürKindersollenallerdingsausSteuermittelnfi‐
nanziertwerden(FDP2009:18).
• KontrahierungszwangnurfürdieGrundversorgung:EinenKontrahierungszwangder
privaten Krankenversicherungsunternehmen soll es nur für die Grundversorgung
geben(FDP2004:4).NurfürdieseLeistungensollendieKrankenversicherungenge‐
setzlich gezwungen sein, alleAntragsteller aufzunehmen. Für alle übrigenLeistun‐
genstündeesdenVersicherungenfrei,AntragstellerndenAbschlusseinesVersiche‐
rungsvertrageszuverweigern,beispielsweiseweildiesechronischkranksindoder
andereschweregesundheitlicheRisikenaufweisen.
‐74‐
• Kapitalgedeckte Alterungsrückstellungen: Die Versicherungsprämien sind nicht al‐
tersgruppenübergreifend, sondern für definierte Altersgruppen (Kohorten) zu kal‐
kulieren.DaeineaufAlterskohortenbezogenePrämienkalkulationzwangsläufigzu
einemAnstiegderPrämienmitzunehmendemAlterführtunddiesdieMehrheitder
Versichertenmit steigendem Alter finanziell überfordern würde, sind individuelle
Alterungsrückstellungenzubilden(FDP‐Bundestagsfraktion2009:4)
• SteuerfinanziertePrämienzuschüssefürGeringverdiener:Versicherte,dienichtinder
Lagesind,diegeforderteVersicherungsprämiezuzahlen,solleneinenausSteuermit‐
teln finanzierten staatlichen Zuschuss zur Prämie erhalten (FDP 2004: 4; 2007: 2;
2009:18).
ZurbesserenNachvollziehbarkeitundVeranschaulichungundvorallemumZweifelan
derRichtigkeitderDarstellungnichtaufkommenzu lassen,sollendiewichtigstenPas‐
sagenauchnocheinmalwörtlichzitiertwerden.Dieserscheintinsofernsinnvoll,alsdie
sehreindeutigeZielorientierungderFDPsowohlinderwissenschaftlichenwieauchder
öffentlichenDiskussionnochkaumoderüberhauptnicht bekannt scheint, geschweige
denndiskutiertwird.
PrivatisierungdesKrankenversicherungssystemsundUmwandlungderKrankenkassen
inprivateVersicherungsunternehmen:
„Die FDPwill den privaten Krankenversicherungsschutzmit sozialer Absicherung für alle“ (FDP2004:2).
„AlleKrankenkassenwerdenprivateVersicherungsunternehmen“(FDP2004:3).
„DieFDP sieht inderPrivatisierungdes gesamtenKrankenversicherungssystems,die sozial flan‐kiertwerdenmuss,denbestenGarantendafür,dassdieHerausforderungenaneinzukunftsfestesGesundheitssystemerfolgreichbewältigtwerdenkönnen“(FDP2004:2).
„DieKrankenkassenwandelnsichvonKörperschaftendesöffentlichenRechtszuUnternehmenmitsozialerVerantwortung“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:3).
AbschaffungderPflichtversicherungGKVundErsetzendurcheineallgemeineVersiche‐
rungspflicht:
„DieWeiterentwicklungdersozialenSicherungssystememusssichandemGrundsatzorientieren:Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung. Es soll der freien und individuellen EntscheidungeinesjedenBürgersüberlassensein,wieundwoerderVersicherungspflichtfürdiegroßenRisikennachkommt“(FDP2003:9).
‐75‐
„JederBürger ist verpflichtetbei einemKrankenversicherer seinerWahleinenGesundheitsversi‐cherungsschutzabzuschließen,derzumindestdievomGesetzgebervorgegebenenRegelleistungenumfasst“(FDP2004:3).
„Die FDP spricht sich aus für eine Pflicht zur Versicherung der Risiken, die den Einzelnen imKrankheitsfallüberfordernwürden,beieinemVersichererdereigenenWahl“(FDP2009:18).
BeschränkungderVersicherungspflichtaufeinenKernbereichderGrundversorgung:
„DieBürgermüssendurchSelbstbehalteundSelbstbeteiligungenausreichendeMöglichkeitenbe‐kommen,ihrenVersicherungsschutznacheigenenVorstellungenzugestalten.EinSchutzderGKVistnurfürdenKernbereichdermedizinischunabdingbarenLeistungennotwendig“(FDP2003:3f.).
„Krankheiten und Behandlungen können die finanzielle Existenz des Betroffenen gefährden.WirLiberalehaltendahereinePflichtzurVersicherungderjenigenRisikenfürerforderlich,diedenEin‐zelnenüberfordernkönnten“(FDP2007:6).
„JederBürgermussdieMöglichkeithaben,imUmfangderExistenzbedrohendenRisikenunabhän‐gigvomGesundheitszustandohnedieErhebungvonRisikozuschlägenversichertzuwerden.WereinhöheresSicherheitsbedürfnishat,kannsichselbstverständlichfüreinenumfangreicherenVer‐sicherungsschutz entscheiden.Dabei sind auchunterschiedlicheTarifgestaltungenmöglich“ (FDP2009:18).
„Die Versicherten sollen neben der unbedingt notwendigen Grundversorgung frei über den Lei‐stungsumfangunddieTarifgestaltungbestimmenkönnen“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:4).
Vollständige Abschaffung des Sachleistungsprinzips und Ersetzen durch Kostenerstat‐
tunginallenBereichen
„DasGesundheitssystemmusswesentlichtransparenterwerden.DazugehörtnebenumfassendenInformationsmöglichkeiten,dassdieKostenerstattungfüralleVersichertenandieStellederbüro‐kratischen Sachleistung tritt, um ein Bewusstsein für Kosten und Leistungen zu schaffen“ (FDP2003:10).
„Das Sachleistungsprinzip, das dem Patienten nach Zahlung des KrankenversicherungsbeitragesfreienZugangzuallenGesundheitsleistungenermöglicht,ohnedasserüberhauptweiß,welcheKo‐stenerhierdurchverursacht,mussdurchdasKostenerstattungsprinzipersetztwerden,verbundenmitintelligentausgestaltetenSelbstbeteiligungslösungen“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:4).
PrämienkalkulationnachversicherungstechnischenKriterien:
„Alle Versicherungsanbieter kalkulieren ihre Prämien nach versicherungstechnischen Kriterien“(FDP2004:3).
PrämiennurfürdieGrundversorgungohneRisikozuschläge:
„JederBürgerhatbeiGeburteinenAnspruchdarauf,zumindestimUmfangderRegelleistungenun‐abhängigvonseinemGesundheitszustandohneRisikozuschlägeversichertzuwerden“(FDP2004:4).
JederBürgerhatbeiGeburtundVersicherungswechseleinenAnspruchdarauf,imUmfangderRe‐gelleistungen unabhängig von seinem Gesundheitszustand ohne Risikozuschläge versichert zuwerden“(FDP2007:6).
‐76‐
„WirwollenSolidaritätmitdenjenigen,diekrankoderbehindertsind.DiesgelingtübereineVer‐pflichtung der Versicherer, die notwendige Grundversorgung ohne Risikozuschläge sicherzustel‐len“(FDP2009:18).
StaatlicheUnterstützungfürBedürftige:
Es „muss jederBürgerdurchstaatlicheTransfers indemUmfangeunterstütztwerden, indemernichtinderLageist,diePrämiefürdenPauschaltarifunddenSelbstbehaltauseigenenKräftenauf‐zubringen“(FDP2004:4).
„KönnenMenscheneinenpolitischfürnotwendigerachtetenVersicherungsschutznichtauseigenerKraft finanzieren,müssen sie dafür Unterstützung in Form eines Zuschusses zur Versicherungs‐prämiebekommen“(FDP2007:2).
„WeraufgrundseinerwirtschaftlichenLeistungsfähigkeiteinesolcheVersicherungnichtbezahlenkann,erhältfinanzielleUnterstützungdurchdieGemeinschaftderSteuerzahler“(FDP2007:6).
„Diejenigen,diesicheineKrankenversicherungnichtleistenkönnen,erhaltenfinanzielleUnterstüt‐zungausdemSteuer‐Transfer‐System“(FDP2009:18).
„StrikteEinhaltungdesGrundsatzesderSubsidiarität.EigenverantwortunggehtvorKollektivver‐antwortung. In erster Linie sind dieMenschen für ihre Gesundheit und für die Absicherung vonKrankheitsfolgenselbstverantwortlich.UnterstützungundHilfesinddortnotwendig,wosiehier‐zu,auswelchenGründenauchimmer,nichtinderLagesind“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:3).
Steuerfinanzierung der Versicherungsprämie für Kinder und der Kosten von Schwan‐
gerschaftundGeburt:
„DieRegelleistungsprämie fürdieKinderwirdüberdasSteuersystem,ebenso finanziert,wieKo‐sten,diemitSchwangerschaftundMutterschaftverbundensind“(FDP2004:4).
„Die Kosten für die Krankenversicherung der Kinder sind eine gesamtgesellschaftliche AufgabeunddaherausSteuermittelnzufinanzieren“(FDP2009:18).
AbschaffungdesUmlagesystemundUmstellungaufKapitaldeckung:
„DerGenerationenvertragistneuzudefinieren.VomGrundsatzhersolljedeGenerationdievonihrverursachtenGesundheitskostenüberdiegesamteLebenszeit jeweilsselbst tragen.DaserforderteinSystemmitKapitaldeckung“(FDP2007:7).
„JedeGenerationsollvomGrundsatzherdievonihrverursachtenGesundheitskostenüberdiege‐samteLebenszeitselbsttragen.Dasistnurmöglich,wenninderZeit,inderwenigGesundheitslei‐stungen inAnspruchgenommenwerden,Rücklagen aufgebautwerden fürdie Zeit, indermehrmedizinischeVersorgungbenötigtwird“(FDP2009:18).
„Deutschlandbraucht einenSystemwechselwegvonderUmlagefinanzierunghinzurKapitaldec‐kung“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:4).
VergleichtmandieBeschlusslage vonCDUundFDP, so zeigen sich in allenwichtigen
Punkten deutliche Übereinstimmungen. Unterschiede sind im Grunde nur gradueller
Art.DerwesentlicheundwichtigsteUnterschiedbestehtindemGrad,wiedielangfristi‐
genZielorientierungenoffengelegtwerden.WährenddieprogrammatischenBeschlüsse
‐77‐
derCDUdiedahinterstehendenZielenichtodernurbeiläufigundverdecktansprechen,
legtdieFDPihreZiele–zumindestindenprogrammatischenDokumenten–ohneUm‐
schweifeoffen.VergleichtmandieBeschlusslagevonCDUundFDP,soführtdieFDPdas,
wasindenCDU‐Beschlüssenenthaltenundeherverdecktangedeutetwird,radikalwei‐
terbiszumlogischenEnde.EntsprechendkritisiertdieFDPdasCDU‐Modelldennauch
dahingehend, dass ihm „der Mut zu einem echten Versicherungsmodell fehlt“ (FDP
2004:2).
DieindenprogrammatischenDokumentenderFDPzufindendeOffenheitlassenneuere
mündlicheÄußerungendesgesundheitspolitischenFührungspersonalsderParteialler‐
dings vermissen. In den für die vorliegende Untersuchung ausgewerteten Interviews,
insbesonderedesGesundheitsministers,lassensichkeineHinweiseaufdiehierzitierten
zentralengesundheitspolitischenZielederFDP finden. ImGegenteil:Äußerungenzum
‚Sozialausgleich’ vermitteln eherdenEindruck,dieFDPwolledieOpposition inBezug
aufsozialeGerechtigkeit‚links’überholen.Dassdielangfristigengesundheitspolitischen
ZielederFDPinInterviewsnichtthematisiertbeziehungsweiseaufdieEinführungeiner
pauschalen‚Gesundheitsprämie’reduziertwerden,dürfteinersterLinieaufmangelnde
KenntnisderinterviewendenJournalistenüberdieBeschlusslagederFDPzurückzufüh‐
rensein.Unaufgefordertundvonsichausdaraufhinzuweisen,dassdieFDPdieAbschaf‐
fungdergesetzlichenKrankenversicherung in ihrer jetzigenFormundÜberführung in
einreinesPKV‐Systemanstrebt,dürfteinAnbetrachtderbreitenöffentlichenKritikund
massiv gesunkenen Umfragewerte und im Hinblick auf die im Mai 2010 anstehende
Landtagswahl inNRWauchFDP‐Vertreternwenigopportunerscheinen.Angesichtsei‐
ner seit Jahren in Befragungen immer wieder festgestellten breiten Verankerung der
Sozialversicherung ‚gesetzliche Krankenversicherung’ in der Bevölkerung (vgl. u.a.
Ullrich 1996; Zok 2009) dürfte das Bekanntwerden der FDP‐Programmatik mit dem
RisikosinkenderZustimmunginWahlenverbundensein. Insofernkönnteesnichtnur
CDU‐Gesundheitspolitikern, sondern auch dem FDP‐Führungspersonal angebracht er‐
scheinen,sichindiesenFragen‚bedeckt’zuhalten.
‐78‐
WenigerZurückhaltungzeigtedagegendiefürGesundheitspolitikzuständigeReferentin
derFDP‐nahenFriedrich‐Naumann‐StiftungineinemimFebruar2010veröffentlichten
Zeitschriftenbeitrag:15
„NachdemModellderliberalenGesundheitsreformwirddieGKVkomplettabgeschafftundesgibtnurnochprivateKrankenversicherungen“(Funk2010:17).
15 Esbleibtnochanzumerken,dasssichdieAutorinindiesemBeitragzuderTheseverstieg,nureinrei‐
nesPKV‐SystemseiinderLage,einesolidarischeFinanzierungsicherzustellen.DieverblüffendeLogiklautet:GegenwärtigkönnensichdiehohenEinkommenaufGrundderVersicherungspflichtgrenzedersolidarischenFinanzierungderGKVentziehen.WirddieGKVkomplettabgeschafft,könntensichdiehohenEinkommenauchnichtmehrderFinanzierungderGKVentziehen.
‐79‐
4 Das‚Gesundheitsprämienmodell’:StrategischesKonzeptfürdie
AbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherung
Nachdemdie beidenModelle von CDUund FDP vorgestellt und dieGemeinsamkeiten
herausgearbeitetwurden,soll imFolgendendermitdemBegriff ‚Gesundheitsprämien‐
modell’etikettierteVorschlagfüreinengrundlegendenSystemwechselinderKranken‐
versicherung einer systematischen Kritik unterzogen werden. Dazu soll zunächst die
bereits an früherer Stelle dieser Untersuchung vorgestellte Systematisierung desMo‐
dellsinprimäreoderKernelementeundsekundäreodertechnischverzichtbareElemen‐
teinErinnerunggebrachtwerden,dadienachfolgendeKritikdaraufaufbaut.
DienachfolgendeErörterungverwendetdievonCDUundFDPverwendetenBegrifflich‐
keiten.EsseiallerdingsbereitsandieserStelleangemerkt,dassdieKritikunterande‐
remauchzudemErgebnis führt,dassessichbeizentralenBegriffenum irreführende
Etikettierungenhandelt.
Als primäre Elemente von zentraler Bedeutungwurden in der vorliegenden Untersu‐
chungdiefolgendenherausgearbeitet:
• kapitalgedeckteAlterungsrückstellung,
• BeitragspflichtfüralleVersichertenund
• pauschale, einkommensunabhängige Versicherungsprämien, die allerdings nur als
Übergang dienen sollen, hin zu einem System individueller Versicherungsprämien,
dienachversicherungsmathematischenGrundsätzenkalkuliertwerden.
DiesedreiElementesindinsofernvonzentralerundtragenderBedeutung,alssienicht
auf andere Elemente des ‚Gesundheitsprämienmodells’ rückführbar und für sich ge‐
nommeneinfunktionsfähigesSystemergeben.EsentsprichtinseinemZielzustandmit
risikoäquivalentenVersicherungsprämiendemheutigenSystemderprivatenKranken‐
versicherung.Das ‚Gesundheitsprämienmodell’ sowohlderFDPals auchderCDUzielt
somit auf dieAbschaffungder als Sozialversicherungorganisierten gesetzlichenKran‐
kenversicherungundUmwandlungderKrankenkassen inprivateVersicherungsunter‐
‐80‐
nehmen.DasGeschäftsmodellderPKVsollzukünftigdasalleinigeModellderAbsiche‐
rungfürdenKrankheitsfallsein.
NichtvonzentralerBedeutungundreintechnischbetrachtetverzichtbarsinddieübri‐
genElementedes‚Gesundheitsprämienmodells’:
• FestschreibungdesArbeitgeberbeitrags(ggf.auchAuszahlung)
• BelastungsgrenzeundPrämienbezuschussungfürniedrigeEinkommen
• Steuerfinanzierungeines‚Sozialausgleichs’
• FinanzierungderVersicherungsprämienfürKinderausSteuermitteln
Wie bereits zuvor dargelegt, erfordert eine Entkoppelung der Entwicklung der Kran‐
kenkassenbeiträgevondenArbeitskosten,wiesiemiteinerdauerhaftenFixierungdes
Arbeitgeberanteils erreicht wird, weder die Umstellung von einkommensabhängigen
KrankenkassenbeiträgenaufeinkommensunabhängigeVersicherungsprämiennochdie
AbschaffungdesGKV‐SystemsinsgesamtundUmwandlungineinreinesPKV‐System.
DievorgeseheneBelastungsgrenzeergibtsichausderUmstellungvoneinkommensbe‐
zogenen Beiträgen auf einkommensunabhängige Prämien.Wenn die Pauschalprämien
aufGrundlagederdurchschnittlichenAusgabenjeMitgliedoderVersichertenberechnet
werden, führtdiesbeiMitgliedernmitunterdurchschnittlichemArbeitseinkommenzu
einer Erhöhung der absoluten Beiträge, die umso höher ausfällt, je niedriger das Ar‐
beitseinkommen ist. Eswäre insofern von vornherein absehbar, dass unterhalb einer
bestimmtenEinkommensgrenzeVersichertefinanziellüberfordertwürden,mitderFol‐
ge,dasssiediePrämiennichtzahlenkönntenodererheblicheEinschränkungeninande‐
renLebensbereichen vornehmenmüssten, um ihrenVersicherungsschutz nicht zu ge‐
fährden.Auchdie Steuerfinanzierung einerPrämienbezuschussung ist nicht zwingend
ausSteuermittelnerforderlich,ebensowenigwiedieFinanzierungderPrämienfürKin‐
derausSteuermitteln.
Wie zuvor herausgearbeitet, zielt das Gesundheitsprämienmodell letztlich auf die Ab‐
schaffungderalsSozialversicherungorganisiertenKrankenversicherungundUmwand‐
lungdesgegenwärtigenSystemsineinreinesPKV‐System.WieanfrühererStelledieser
Untersuchungdargelegt,wirddiesesZielvorallemvonderCDUundFDPineiner‚Poli‐
tikderkleinenSchritte’verfolgt.MitderÜbernahmederRegierungdurchdieKoalition
‐81‐
ausCDU/CSUundFDPundderUnterzeichungdesKoalitionsvertrageswurdedieent‐
scheidende Phase dieser Politik eingeleitet. Wenn nun führende Gesundheitspolitiker
derKoalitionfeststellen,dievollständigeUmstellungaufdasneueSystemseifürdiese
Legislaturperiodegarnichtangestrebt,sobeziehtsicheinesolcheAussageebennurauf
‚diese’Legislaturperiodebis2013.OffenbarsollenindieserLegislaturperiodewichtige
Voraussetzungen geschaffen werden für eine vollständige Umstellung, damit diese in
derdarauffolgendenWahlperiodedannvollzogenwerdenkann.
Da die langfristige Zielorientierung von CDU und FDPweder in der gesellschaftlichen
Diskussion noch in den jeweiligen fachwissenschaftlichen Diskursen ausreichend be‐
kanntistgeschweigedennintensiverörtertwird,erscheinteinebreitegesellschaftliche
und natürlich auch wissenschaftliche Diskussion über das langfristige Ziel der Regie‐
rungskoalitiondringenderforderlich.IndasZentrumdieserDiskussiongehörtdieFra‐
ge, ob die als Sozialversicherung organisierte gesetzliche Krankenversicherung abge‐
schafftunddurcheinreinesPKV‐Systemersetztwerdensoll.
DieseFrageistprimäreinepolitischeundletztlichüberWahlenzuentscheidende.Da‐
mit sieaber inWahlenentscheidbarwird,muss ihreBedeutungöffentlichund fürdie
interessierteÖffentlichkeitnachvollziehbardiskutiertwerden.WissenschaftlicheFach‐
diskurse,die letztlichnurwenigeneingeweihtenSpezialisteneinzelnerWissenschafts‐
disziplinenverständlichsind,könnennureinevorbereitendeundzuarbeitendeFunkti‐
onhaben,indemsieSpezialfragen–beispielsweisedesSozial‐undVerfassungsrechts–
klärenhelfen.InderentscheidendenundzentralenFragewerdensieaberkeineendgül‐
tigeKlärungherbeiführenkönnen,daessichletztlichumeinenormative,vonsozialpoli‐
tischenGrundhaltungenundGrundüberzeugungengetrageneEntscheidunghandelt,die
inLandtags‐undBundestagswahlenzutreffenist.NurdortkanndieFragebeantwortet
werden,wiedieMehrheitderWählerdiesozialeAbsicherungfürdenKrankheitsfallin
Deutschlandausgestaltetsehenwill.
DamitdieWählereine informierteWahlentscheidungtreffenkönnen, istzunächstein‐
malnotwendig,dassdiesichzurWahlstellendenParteienihreprogrammatischenZiele
offenlegen.Wiezuvordargelegt,hatdiesdieFDPinihrenprogrammatischenDokumen‐
teninrelativgroßerDeutlichkeitgetan.DieseDeutlichkeitundvorallemEindeutigkeit
findetsichbeiderCDUwederindenprogrammatischenDokumentennochindenaktu‐
ellenmündlichenÄußerungenführenderGesundheitspolitiker.HierwärealsersteVor‐
aussetzungfüreineinformierteWahlentscheidungdieeindeutigePositionierungzuder
‐82‐
genanntenzentralenFrageeinzufordern.Sollte–gleichobaustatsächlichersozialpoliti‐
scherGrundüberzeugungoderauswahltaktischenGründen–einBekenntniszurErhal‐
tungdergesetzlichenKrankenversicherungalsSozialversicherungabgelegtwerden,so
wäre als nächstes zu fordern, dass ein solches Bekenntnis auch in die grundsätzliche
RevisionderimmernochgeltendenBeschlusslagezumGesundheitsprämienmodellund
ausdrücklicheAbkehrvondiesemModellumgesetztwird.
Wieauch immersichdieCDUzudieserFragepositioniert,esscheintanderZeit,eine
breitegesellschaftlicheDiskussionüberdieZukunftdergesetzlichenKrankenversiche‐
rungzuführen.ErfreutesichdiegesetzlicheKrankenversicherungalssozialeInstitution
inderVergangenheiteinestraditionellhohenAnsehensundeinerbreitenVerankerung
in der Bevölkerung, so dürfte dies durch die Entwicklungen der letzten Jahre gelitten
haben.VorallemdurchdiebereitsvollzogenenSchritteeinerAngleichungderKranken‐
kassenanprivateKrankenversicherungenunddiedadurchprovoziertenundermöglich‐
tenEntwicklungenhabennichtnurdieFührungselitenderKrankenkassenindieKritik
gebracht,sondernauchdemAnsehenderInstitutionGKVgeschadet.
Umdeutlichwerdenzulassen,wasmitderAbschaffungdergesetzlichenKrankenversi‐
cherungverloren gingeundwasdieUmstellung auf einPKV‐Systembedeutenwürde,
erscheintesdarumzunächsterforderlich,herauszuarbeiten,wasdeneigentlichenKern
der als Sozialversicherung organisierten gesetzlichen Krankenversicherung ausmacht,
undworinsiesichvonderprivatenKrankenversicherungunterscheidet.ImFolgenden
werdendarumzunächstdiezentralenMerkmalederalsSozialversicherungverfassten
gesetzlichenKrankenversicherungherausgearbeitetundimAnschlusswirddieBedeu‐
tungeinerAbschaffungdieserSozialversicherungfürdieVersichertenderGKVunddas
Gesundheitssysteminsgesamtaufgezeigt.
4.1 DiegesetzlicheKrankenversicherungalsSozialversicherung:Zentrale
Merkmaleder‚sozialenKrankenversicherung’inDeutschland
Die Konstituierung der ‚gesetzlichen Krankenversicherung’ erfolgte im Jahr 1883 als
Sozialversicherung(zumNachfolgendenvgl.u.a.Frerich/Frey1996;Simon2009).Trä‐
gerderneugebildetenSozialversicherungwurdenalsKörperschaftendesöffentlichen
Rechts verfasste Krankenkassen. Vorläufer der gesetzlichen Krankenversicherung in
Deutschlandwaren selbst organisierte Hilfskassen der Arbeiter und anderer Lohnab‐
‐83‐
hängigersowiebereitszuvorgegründeteallgemeineOrtskrankenkassen,Knappschafts‐
kassen für Bergleute und Betriebskrankenkassen einzelner Großunternehmen wie
bspw.BoschoderKrupp.DieWurzelndesdeutschenKrankenkassensystemslassensich
letztlichbiszudenHilfskassenderZünfte,GildenundGesellenbruderschaftensowieden
Gewerke‐ und Knappschaftskassen der Bergleute des Mittelalters zurückverfolgen.
Grundlegendes und zentrales Merkmal dieser Unterstützungskassen war die Umlage
vonKostenderVersorgungKrankerundHilfebedürftigerder jeweiligengesellschaftli‐
chenGruppeaufdieGesamtheitderGruppenmitglieder.Jederzahlteeinenbestimmten,
durchSatzungfestgelegtenBetragausseinemLohn,undausdiesenBeiträgenwurden
dieKostenderKrankenpflegeineinemHospitalodersonstigerLeistungengedeckt.
Dieses ursprünglich nur aus Mitgliedsbeiträgen finanzierte System wurde nach und
nachweiterentwickelt zu einem System, in dem auch die Arbeitgeber – als Ausdruck
einer Fürsorgepflicht gegenüber ihren abhängig Beschäftigten – einen Teil der Bei‐
tragsaufbringungübernahmenbzw.durchentsprechendestaatlicheOrdnungenzurBe‐
teiligung verpflichtet wurden. Mit Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung
durchdieBismarck’scheSozialgesetzgebungwurdeallenArbeitgebern,die indenGel‐
tungsbereichderGKVfielen,eineBeteiligungandenKrankenkassenbeiträgengesetzlich
vorgegeben.
Dieserkurze,nursehrkursorischeRückblicksollvorallemverdeutlichen,dassdievon
CDUundFDPangestrebteAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungeineRe‐
form vonwirklich historischemAusmaßwäre undmit grundlegenden, auf eine lange
Tradition zurückgehenden Prinzipien der sozialen Sicherung in Deutschland brechen
würde.
DerRückblickzeigtaberauchbereitswesentlicheMerkmalederalsSozialversicherung
organisiertenGKV,dieauchheuteinderRechtssprechunginsbesonderedesBundesver‐
fassungsgerichtsalsmaßgeblichzuGrundegelegtwerden.GemeintistdieOrganisation
derKrankenkassenalsKörperschaftendesöffentlichenRechts,dieAufgabendermittel‐
barenStaatsverwaltungerfüllen(vgl.BVerfGE39,302;75,108;113,154).Undesistdie
TragungderAusgabendurcheinkommensbezogeneBeiträge,dienichtnurvondenMit‐
gliedernselbst,sondernvonden„Beteiligten“zutragensind(vgl.BVerfGE11,105;14,
312;17, 1; 79, 223).Als „Beteiligte“ geltennichtnurdie versichertenMitglieder, son‐
dernauchihreArbeitgeber(BVerfGE75,108).
‐84‐
Von zentralerBedeutung für die Charakterisierung der gesetzlichenKrankenversiche‐
rung als Sozialversicherung ist aber – nicht nur aus Sicht des Bundesverfassungsge‐
richts,sondernauchdesEuropäischenGerichtshofes–daszumKernderSozialversiche‐
rungGKVgehörende‚Solidarprinzip’(EuGH1993:Rn.8;2004:Rn.51).Eskommtdarin
zumAusdruck, dass die entstandenenKosten auf alle Beteiligten umverteilt undüber
einkommensabhängigeBeiträge getragenwerden (EuGH1993: Rn. 10; 1995: Rn. 15).
UmlagefinanzierungundeinkommensbezogeneBeiträgesinddanacheindeutigzentra‐
les Wesensmerkmal einer als Sozialversicherung organisierten gesetzlichen Kranken‐
versicherung.
DasÄquivalenzprinzipderPKVwidersprichtsomitdemWesenderalsSozialversiche‐
rung organisierten gesetzlichen Krankenversicherung. In mehreren Urteilen hat der
EuGHdieHerstellungeinesZusammenhangeszwischenBeitragshöheundLeistungsan‐
sprüchen,wiesieausdemÄquivalenzprinzipfolgt,alsmitdemCharaktereinerSozial‐
versicherungnichtvereinbarqualifiziert (EuGH1993:Rn.10,18;1995:Rn.15;2002:
Rn. 42, 44; 2004: Rn. 47, 52). Das Äquivalenzprinzip steht in diametralem Gegensatz
zumWesenskerneineralsSozialversicherungverfasstensozialenKrankenversicherung,
es gehört eindeutig in den Bereich der privaten Versicherungswirtschaft. Ebenso der
SozialversicherungfremdunddemBereichderprivatenVersicherungswirtschaftzuzu‐
ordnensindkapitalgedeckteAlterungsrückstellungen,vomEuGHunterdenBegriff„Ka‐
pitalisierungsverfahren“gefasst(EuGH1995:Rn.17,22;1999:Rn.3).
Somitkannfestgehaltenwerden:DieAbschaffungeinkommensbezogenerBeiträgeund
ihreErsetzungdurcheinkommensunabhängigePrämien,dieEinfügungdesÄquivalenz‐
prinzipsunddieUmstellungaufKapitaldeckungberaubendiegesetzlicheKrankenversi‐
cherungihrerzentralenMerkmale.SieverliertdadurchihrenCharakteralsSozialversi‐
cherung.DieUmwandlungderKrankenkasseninprivateVersicherungsunternehmenist
danachnurnocheineFragederAnpassungderRechtsformandenbereitsumgewandel‐
tenInhalt.
Vor demHintergrund der Rechtsprechung des EuGHbräuchte der letzte Schritt einer
Umwandlung der Krankenkassen in private Versicherungsunternehmen noch nicht
einmalalseigenständigeInitiativedesdeutschenGesetzgeberserfolgen.Wiebereitsvon
mehrfacher Seite zumeist alsWarnung an die deutsche Gesundheitspolitik formuliert
wurde,könntenweitereMaßnahmeneinerschrittweisenAnpassungderKrankenkassen
an die PKV dazu führen, dass der EuGH seine bisherige Einschätzung der deutschen
‐85‐
KrankenkassenalsSozialversicherung revidiertundsie zuUnternehmen imSinnedes
europäischen Wettbewerbsrechts erklärt (vgl. u.a. Kingreen 2007;
Rosenbrock/Gerlinger2006;Schmucker2003).
Nach einem solchenUrteil könntedie formaleÄnderungderRechtsform in einer ent‐
sprechendenGesundheitsreformalsnotwendigeAnpassungandieRechtsprechungdes
EuGHdargestelltunddieVerantwortungfürdiesenSchrittversuchtwerden,demEuGH
anzulasten.ObwohlderEuGHindiesemPunktderdeutschenGesetzgebungimGrunde
nurdenSpiegelvorhältundaufEntscheidungenderdeutschenGesundheitspolitikrea‐
giert.
Esmussdavonausgegangenwerden,dassdieBedeutungderRechtsprechungdesEuGH
fürdenRechtsstatusderKrankenkassenden führendenGesundheitspolitikernderKo‐
alitionbekannt ist. InsofernkönnteeinVorantreibender schrittweisenEinfügungvon
ElementenderPKVindiegesetzlicheKrankenversicherungauchvondemstrategischen
Kalkülgeleitetsein,dassdiesePolitikdenEuGHdazuzwingt,seinerbisherigenBegrün‐
dungslinie folgend das institutionelle ‚Gebäude’ der GKV ab einem bestimmten Punkt
zumEinsturzzubringen.
Eserscheintdaheresdringendgeboten,dieBedeutungderRechtsprechungdesEuGH
fürdieZukunftdergesetzlichenKrankenversicherunginDeutschlandstärkeralsbislang
inGesundheitspolitikundÖffentlichkeitzudiskutieren,umzuverhindern,dasseinTeil
derAkteuredenProzessderPKVisierungderGKVweiter vorantreibt ohne zuwissen
undzuwollen,dassdiesabeinemgewissenPunktdenEuGHveranlassenmuss,Kran‐
kenkassenzuUnternehmenzuerklären.
AuchwenndieFeststellung,dassKrankenkassenalsUnternehmen imSinnedeseuro‐
päischenWettbewerbsrechts anzusehen sind, zunächstnur aufbestimmteHandlungs‐
felderderKrankenkassenbeschränktwäre, insbesondereRabattverträge,Festbetrags‐
festsetzungen und andere Bereiche der Verträgemit Leistungserbringern, so hätte es
dochweitreichendeKonsequenzen.InsbesonderewäredieFrageaufgeworfen,obKran‐
kenkassendanachnoch imgleichenUmfangwiebisherquasi‐staatlicheRegulierungs‐
funktionenimGesundheitswesenausübenkönnen,zudenensiegegenwärtignurlegiti‐
miertsind,weilsiealsmittelbareStaatsverwaltungundKörperschaftenunddesöffent‐
lichenRechtshandeln.AufdiesenAspektwirdanspätererStellederUntersuchungnoch
nähereingegangen.
‐86‐
4.2 AbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherung:BedeutungfürVer‐
sicherteundGesundheitssystem
WasaberwürdedieAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungundUmwand‐
lungderKrankenkasseninprivateVersicherungsunternehmenbedeuten?DieserFrage
sollimFolgendenzunächstausderPerspektivederVersichertendergesetzlichenKran‐
kenversicherung nachgegangenwerden und anschließend im Hinblick auf die Bedeu‐
tungfürdasGesundheitssysteminsgesamt.
4.2.1 BedeutungfürdieVersicherten
Gegenwärtigsindknapp90%derBevölkerungineinerdergesetzlichenKrankenkassen
versichertundca.10%verfügenübereineKrankheitskostenversicherungineinerpri‐
vaten Krankenversicherung (PKV). Die PKV erfüllt die Funktion einer ‚substitutiven
Krankenversicherung’zurgesetzlichenKrankenversicherungundstehtvomGrundsatz
herSelbständigen,BeamtenundArbeitnehmernmiteinemEinkommenoberhalbeiner
gesetzlich festgelegtenVersicherungspflichtgrenzeoffen.ArbeitnehmermiteinemEin‐
kommen bis zur Versicherungspflichtgrenze unterliegen einer gesetzlichen Pflicht zur
VersicherungineinerdergesetzlichenKrankenkassenundkönnennichtzueinerpriva‐
tenKrankenversicherungwechseln.Siekönnen lediglichprivateZusatzversicherungen
abschließen,diedenVollversicherungsschutzderGKVnichtersetzen.
DieweitüberwiegendeMehrzahlderPflichtversichertenderGKVtrittmitdemBeginn
ihresArbeitslebens in das Systemder gesetzlichenKrankenversicherung ein und ver‐
bleibtdortbisan ihrLebensende, lernt folglichdasPKV‐SystemnichtauseigenerAn‐
schauungkennen.WerinDeutschlandaufgewachsenist,wächstdamitzugleichauchin
dasGKV‐Systemhinein,kenntinderRegelauchkeinanderesSystem,sodassvielesdar‐
inalsselbstverständlicherlebtundempfundenwird.WasdieAbschaffungdergesetzli‐
chenKrankenversicherungalsSozialversicherungbedeutetundwassichbeieinerUm‐
wandlung in ein reines PKV‐System für die einzelnenVersicherten ändernwürde, er‐
schließtsichdeshalbfürdieweitüberwiegendeMehrheitderBürgernichtauseigener
AnschauungundErfahrung.
‐87‐
Esscheintvondaherangebracht,dieBedeutungeinesgrundlegendenSystemwechsels
anhandeinerGegenüberstellungbeiderSystemeaufzuzeigen,diesichanderPerspekti‐
vederVersichertenundPatientenorientiert.WassichfürsiebeieinemSystemwechsel
ändernwürde,kannauseinemVergleichbeiderSystemeabgelesenwerden.
DerVergleichwirdsichbeschränkenaufzentraleBereiche.EswirdzunächstaufUnter‐
schiede inderArtderKrankenversicherungeingegangenundanschließendaufUnter‐
schiede im Zugang zu Leistungserbringern und imVerhältnis zwischenPatienten und
Leistungserbringern.DieDarstellungderbeidenSystemebeschränktsichaufwesentli‐
cheMerkmaleund lässt SonderregelungenundAusnahmenvon ansonsten grundsätz‐
lich geltenden Regeln unberücksichtigt. Um die charakteristischenUnterschiede deut‐
lichwerdenzulassen,werdeneineReihevonNeuregelungenderletztenJahre,diebeide
SystemeinTeilbereicheneinanderangenäherthaben,ausgeblendet.Esgehtdarum,die
typischenMerkmaleherauszuarbeiten.
BeiderDarstellungwirdaufdieAngabederentsprechendenRechtsvorschriftenweit‐
gehend verzichtet, sie können einer Einführung in Struktur und Funktionsweise des
deutschenGesundheitssystems(vgl.u.a.Simon2009)oderEinführungenindasSozial‐
recht(vgl.u.a.Igl/Welti2007)entnommenwerden.
4.2.1.1 ZugangzurKrankenversicherung
DiegesetzlicheKrankenversicherung ist imKerneinePflichtversicherungmitVersiche‐
rungspflicht für alle abhängig Beschäftigten, deren Arbeitseinkommen eine gesetzlich
festgelegte ‚Versicherungspflichtgrenze’ nicht übersteigt. Die Einhaltung dieser Versi‐
cherungspflicht ist insofern ‚automatisiert’, alsArbeitgeberverpflichtetsind,daraufzu
achten,dass ihrederVersicherungspflichtunterliegendenBeschäftigtenMitglied inei‐
nerderKrankenkassensind.OhnedieMitgliedschaft ineinerKrankenkassedürfensie
sienichtbeschäftigen.GegebenenfallshatderArbeitgeberBeschäftigte–vorläufig–bei
einerKasseanzumelden,wenndiese ihrerVersicherungspflichtnicht selbstnachkom‐
men.
Sozusagen‚spiegelbildlich’zurVersicherungspflichtinderPflichtversicherungGKVsind
alleKrankenkassengesetzlichverpflichtet,alleaufnehmen,diederVersicherungspflicht
unterliegenundbeiihnenMitgliedwerdenwollen.Siedürfenniemandenablehnen,bei‐
spielsweise wegen erheblicher Vorerkrankungen oder anderer persönlicher Gesund‐
‐88‐
heitsrisiken.EinegewisseAusnahmebildendiejenigenBetriebs‐und Innungskranken‐
kassen,dienurfürdieBeschäftigtendes jeweiligenBetriebesoderHandwerkszweiges
geöffnetsind.FürdienichtallgemeingeöffnetenKrankenkassengiltallerdingsderglei‐
cheGrundsatz,dasssiealleaufnehmenmüssen,dieinihremZuständigkeitsbereichbe‐
rufstätigsind,seiesderbetreffendeBetrieboderdiebetreffendeHandwerksbranche.
DerzuzahlendeBeitragrichtetsichnachderHöhedesArbeitsentgeltsundwirdalsein
für alleMitglieder gleicher Prozentsatz desBruttolohns‐ oder ‐gehalts erhoben. Er ist
somitunabhängigvonAlter,Geschlecht,GesundheitszustandundpersönlichenRisiken
wiebeispielsweiseFreizeitverhalten,Ernährungsgewohnheitenetc.Wiebereitsanfrü‐
hererStelleausgeführt,funktioniertdiegesetzlicheKrankenversicherungnachdemSo‐
lidarprinzip, entstehende soziale Lasten werden nach finanzieller Leistungsfähigkeit
umverteiltaufalleBeitragszahler.EsbestehtkeinZusammenhangzwischenBeitragshö‐
heundLeistungsumfang.EmpfängervonHartz IVoderNiedriglöhnenhabendenglei‐
chenAnspruchaufLeistungenwiefreiwilligVersichertemiteinemEinkommendeutlich
oberhalbderVersicherungsgrenze.
EineweitereBesonderheit der gesetzlichenKrankenversicherung ist die ‚beitragsfreie
Familienversicherung’.EhepartnerohneeigenesEinkommen16sindebensowieKinder
überdasMitgliedbeitragsfreimitversichert.DiebeitragsfreieFamilienversicherung ist
AusdruckdesfürdieSozialversicherungzentralenSolidarprinzips.DieKostenderVer‐
sorgung beitragsfrei Mitversicherterwerden auf demWege eines sozialen Ausgleichs
aufalleBeitragszahlerdergesetzlichenKrankenversicherungverteilt.
AndersdagegendieprivateKrankenversicherunginihrertypischenForm.PrivateKran‐
kenversicherungenunterliegenzunächsteinmalgrundsätzlichkeinemKontrahierungs‐
zwang. Erst mit der Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht ab dem
1.01.2009,dieauchfürallegilt,dienachderSozialrechtssystematikderPKVzuzuord‐
nensind,wurdefürAntragstellerindenBasistarifeinKontrahierungszwangeingeführt.
Dieswiderspricht aberdergrundsätzlichenFunktionslogikderPKVund stießbeiden
UnternehmenderPKVdennauchaufentschiedenenWiderstand,bishinzueinerVer‐
fassungsklagegegendenBasistarif,dieallerdingsabgewiesenwurde(BVerfG2009).
16 EinkommenunterhalbderGeringverdienstgrenzewirdnichtberücksichtigt.
‐89‐
ImUnterschiedzurgesetzlichenKrankenversicherungmüsseninderPKVgrundsätzlich
für alleVersicherten, also auchFamilienangehörige eigeneVersicherungsbeiträge ent‐
richtetwerden,derenHöhesichnachdem individuellenVersicherungsrisikounddem
UmfangdesVersicherungsschutzesrichtet.DiesisteinerderwichtigstenGründedafür,
dassderVerbleib indergesetzlichenKrankenversicherung fürverheiratete freiwillige
MitgliedermitKindernvielfachattraktiveristalsderWechselineineprivateKranken‐
versicherung.
ImUnterschied zu den gesetzlichenKrankenkassen steht es einemprivatenVersiche‐
rungsunternehmengrundsätzlichfrei,einenAntragstellerauchabzulehnen.InderPKV
kommtdieserGrundsatzdannzumTragen,wenneinAntragstellerausSichtdesVersi‐
cherungsunternehmenseinzuhohesRisikodarstellt,beispielsweiseaufGrundschwerer
chronischer Erkrankungen oder anderer persönlicher Gesundheitsrisiken. Vor Ab‐
schlusseinesindividuellenVersicherungsvertrageshabensichAntragstellerdarumzu‐
nächst einer eingehenden Gesundheitsuntersuchung zu unterziehen und häufig auch
eineErklärungzuunterschreiben, indersiealleÄrzteundübrigenLeistungserbringer
derletzten10JahrevonihrerSchweigepflichtentbindenundihnenerlauben,Anfragen
derVersicherungzufrüherenErkrankungenundBehandlungenzubeantworten.Ohne
eine solche Erklärung gewähren private Krankenversicherungen in der Regel keinen
Versicherungsschutz.VerschweigteinAntragstellerbeimAbschlussdesVersicherungs‐
vertrages eineVorerkrankung, sokanndies zueinemspäterenZeitpunkt zumVerlust
desVersicherungsschutzesführen.
Das gesamteVerfahrenwirdüblicherweise ‚Risikoprüfung’ genanntunddientderAb‐
schätzungderzukünftigzuerwartendenBehandlungskostenfürdenAntragsteller.Dies
ist insofern im PKV‐System erforderlich, als dieses System nach dem ‚versicherungs‐
technischenÄquivalenzprinzip’bzw. ‚Äquivalenzprinzip’arbeitet.Vereinfachtbedeutet
diesesPrinzip,dassderBarwertdervomVersichererwährenddergesamtenVersiche‐
rungszeitzuerbringendenLeistungendemBarwertdervomVersicherungsnehmerge‐
zahltenBeiträgeentsprechensoll(Farny2006:67ff.;Führer/Grimmer2009:76f.).Dar‐
ausergibtsich,dassderindividuelleBeitragbeispielsweisefüreinenchronischkranken
MenschenmitmehrerenNebenerkrankungenundeinemeingeschränktenallgemeinen
Gesundheitszustand deutlich höher zu kalkulieren ist, als der Beitrag eines gesunden
jungen Menschen. Um die durch bestehende Erkrankungen zu erwartenden höheren
KostenimBeitrag‚äquivalent’abzubilden,werdensogenannte‚Risikozuschläge’aufden
‐90‐
Beitragerhoben.DiesokalkuliertenBeiträgewerdenindergesundheitspolitischenDis‐
kussion‚risikoäquivalentePrämien’genannt.
NimmteineprivateKrankenversicherungeinenkrankenAntragstellerauf, sokannsie
Risikozuschläge auf die Versicherungsprämie erheben oder für bestimmte Leistungen
im Versicherungsvertrag einen ‚Risikoausschlusses’ festschreiben (Führer/Grimmer
2009:76ff,177f.).DieForderungsehrhoherRisikozuschlägekannallerdingszueinem
fürdenBetroffenennichttragbarenBeitragführen,wasletztlicheinerAblehnunggleich
kommt. Risikozuschläge können folglich auch als Instrument der Risikoselektion und
AbwehrunerwünschterVersichertergenutztwerden.
4.2.1.2 WechselderKrankenkasseoderdesVersicherungsunternehmens
ImgegenwärtigenGKVSystemhabenbisaufwenigeAusnahmenalleMitgliederdieMög‐
lichkeit zu einerbeliebigenanderengeöffnetenKrankenkasse zuwechseln.Außerder
EinhaltungvonKündigungsfristensindkeineweiterenRestriktionenvorhanden.
Anders dagegen im PKVSystem. Zwar hat auch dort jeder Versicherungsnehmer das
RechtderKündigungunddesWechselszueineranderenPKV,tatsächlich jedochwird
die Ausübung dieses Rechts mit steigendem Lebensalter durch massive finanzielle
Nachteile bei einem Wechsel faktisch unmöglich gemacht. Alterungsrückstellungen
werden – bis aufwenigeAusnahmen – bei demWechsel zu einem anderenVersiche‐
rungsunternehmen nicht auf das neue Unternehmen übertragen, sondern gehen dem
Versicherten bei einemWechsel verloren. Er muss folglich bei dem neuen Versiche‐
rungsunternehmenaufGrundfehlenderAlterungsrückstellungeneinenerheblichhöhe‐
renBeitragzahlen.Faktischläuftdienichtgewährtesogenannte‚Portabilität’derAlte‐
rungsrückstellungen darauf hinaus, dass Versicherte bereits nachwenigen Jahren die
Versicherung – wenn überhaupt – nur unter Inkaufnahme erheblicher finanzieller
Nachteilewechseln können. Diese Praxis steht bereits seit vielen Jahren in der Kritik
und mit der Gesundheitsreform 2007 erfolgte erstmals eine Änderung. Seit dem
1.01.2009habenVersicherte,dieeinenneuenVertragschließenbeieinemWechseldas
AnrechtaufMitnahmederAlterungsrückstellungen,allerdingsnurimUmfangdesBasis‐
tarifs. Bestandskunden verlieren bei einemWechsel weiterhin die angesparten Rück‐
stellungen.
‐91‐
4.2.1.3 VerlustdesVersicherungsschutzes
DasSystemdergesetzlichenKrankenversicherungistletztlichdaraufausgelegt,dassalle
ihmzugeordnetenVersichertenunabhängigvonihremEinkommeneinenumfassenden
Schutzerhalten.DurchdasSystemdesautomatischenBeitragseinzugsüberdieArbeit‐
geber kann es im Normalfall auch nicht zu Beitragsrückständen kommen. Sollte dies
durchVerschuldenoderInsolvenzdesArbeitgebersdennochgeschehen,bleibtderVer‐
sicherungsschutz der betroffenen Arbeitnehmer aufrecht erhalten. Die entstandenen
Problemewerden zwischen demArbeitgeber und der zuständigen Sozialversicherung
oderstaatlichenBehördegeklärt.
AndersverhältessichdagegenimPKVSystem.Eshandeltsichumeinprivatrechtliches
Vertragsverhältnis, in dem der einzelne Versicherungsnehmer dem Versicherungsun‐
ternehmendenBeitragschuldet.EsgiltderGrundsatz,dassderVersicherernurzurLei‐
stungverpflichtetist,wennderVersicherungsnehmerseinePflichtenerfüllt,wozuauch
die vertragsgemäße Zahlung des Versicherungsbeitrags gehört. Kommt ein Versiche‐
rungsnehmerseinerZahlungspflichtnichtnach,sehendieMusterbedingungendesPKV‐
VerbandeseingestuftesSystemderLeistungseinschränkungenvor,andessenEndeder
Verlust desVersicherungsschutzes steht (§7Abs. 7MB/KK2009).17NachEinführung
einer allgemeinen Versicherungspflicht und eines Kontrahierungszwangs der PKV für
Versicherte,dieeinengesetzlichenAnspruchaufdenBasistarifbeieinerPKVhaben,ist
ein vollständiger Ausschluss vom Versicherungsschutz für diese Versicherten nicht
mehr möglich. Aber auch für sie folgen aus einem Beitragsrückstand deutliche Ein‐
schränkungendesVersicherungsschutzes, sobspw.dasRuhenderLeistungenunddie
Beschränkung der Leistungsgewährung auf akute Erkrankungen und Schmerzustände
sowieSchwangerschaftundMutterschaft(§7Abs.6MB/KK2009).
4.2.1.4 LeistungsumfangundLeistungsgewährung
DieLeistungendergesetzlichenKrankenversicherungsindfastzu100%durcheinenge‐
setzlichen Leistungskatalog für alle Krankenkassen und alle Versicherten einheitlich
vorgegeben. Alle Versicherten haben im Grundsatz die gleichen Leistungsansprüche,
sofern einemedizinische Notwenigkeit von einem Arzt festgestellt wurde. Einschrän‐
17 MB/KK:MusterbedingungenfürdieKrankheitskosten‐undKrankenhaustagegeldversicherung.
‐92‐
kungendesgesetzlichenLeistungskatalogessinddenKrankenkassennichterlaubt,über
dieEinhaltungdiesesGrundsatzeswachteinkomplexesSystemausstaatlicherAufsicht
undgemeinsamerSelbstverwaltungvonKrankenkassenundLeistungserbringernsowie
unabhängiger Sozialgerichtsbarkeit. Krankenkassen dürfen lediglich in geringem Um‐
fang so genannte Satzungsleistungen anbieten, die über den gesetzlichen Katalog hi‐
nausgehen. Leistungen werden zwar von den Krankenkassen bewilligt, die entspre‐
chendenEntscheidungensind–daessichbeidenKassenummittelbareStaatsverwal‐
tunghandelt–Verwaltungsakte,die imStreitfall invollemUmfangeinergerichtlichen
Überprüfung unterworfen sind. Dadurch sollen die Versicherten vor Willkür und
Machtmissbrauchgeschütztwerden.
DieLeistungender gesetzlichenKrankenversicherungwerdenbis aufwenigeAusnah‐
menalsSachleistungengewährt.DerVersicherteerhältdieLeistungdesArztes,Kran‐
kenhauses, Pflegedienstes etc. und die Krankenkasse zahlt die Vergütung an den Lei‐
stungserbringer. ZwischenVersicherten und Leistungserbringern besteht in derRegel
keinefinanzielleBeziehung.SchuldnerderVergütungistnichtderVersicherte,sondern
dieKrankenkasse.
AndersdagegeninderprivatenKrankenversicherung.EsgibtkeinenfüralleVersicher‐
teneinheitlichvorgegebenenundverbindlichenLeistungskatalog,sonderndievonder
VersicherungzugewährendenLeistungensindindividuellimjeweiligenVersicherungs‐
vertragzuvereinbaren.PrivateKrankenversicherungengewährenauchbisaufwenige
Ausnahmen keine Sachleistungen, sondern erstatten die vom Versicherten gezahlten
Arzthonorare,Arzneimittelpreiseetc.EineAusnahmebildendieKosteneinerKranken‐
hausbehandlung,dievonvielenVersicherungendirektübernommenwerden.
WesentlichamPKV‐Systemist,dassderPatientimprivatrechtlichenSinnVertragspart‐
nerdesLeistungserbringers,bspw.einesArztes,istundihmauchdasHonorarschuldet.
DerArztrichtetseineHonorarforderungenandenPatienten,derdemArztdieBeglei‐
chung der Rechnung schuldet. Die PKV gewährt demVersicherten lediglichKostener‐
stattungunddieseauchnurindemUmfang,wiesieimindividuellenVersicherungsver‐
tragvereinbartwurde.VerweigertdieKrankenversicherungdieKostenerstattungganz
oderteilweise,bleibtdasSchuldverhältnisdesPatientengegenüberdemArztoderan‐
derenLeistungserbringerdavonunberührt.DerPatientmussdenvollenRechnungsbe‐
tragbezahlen,unabhängigdavonobundwievielseineKrankenversicherungerstattet.
‐93‐
DiesesSystemwurdeindenletztenJahrenoffenbarzunehmendauchfürgutverdienen‐
deprivatVersichertezumProblem,davordemHintergrundgestiegenerAusgabeneine
Reihe von Versicherungen häufiger Rechnungsbeträge kürzten und dem Versicherten
nurden reduziertenBetragüberwiesenoderdieKostenerstattungvollständigverwei‐
gerten (Dohmen 2010; Neumann 2009; o.A. 2010; PKV‐Ombudsmann 2010b;
Schubert/Bergius2010).
Während Auseinandersetzungen über die Höhe der Honorare oder Vergütungen im
GKV‐System zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern ausgetragen werden,
sindesimPKV‐SystemdieVersicherten,dieentwedermitÄrztenüberdieHöhedesHo‐
norarsverhandelnodersichmitihrerVersicherungüberdieHöhederKostenerstattung
auseinandersetzenmüssen.Zwarexistiertdie InstitutioneinesOmbudsmannes fürdie
PKV, dieser hat aber keinerlei Weisungskompetenz oder Sanktionsmöglichkeiten ge‐
genüber den privaten Krankenversicherungen. Er ist lediglich der „außergerichtliche
Streitschlichter“ (PKV‐Ombudsmann 2010a) für die PKV und kann nur Empfehlungen
aussprechen,diefürkeineVersicherungbindendsind.
EntsprechendderseiteinigenJahrenzubeobachtendenTendenzprivaterKrankenver‐
sicherungen, Kostenerstattungen restriktiver zu handhaben und Beiträge zu erhöhen,
stieg auchdie Zahl derbeimOmbudsmannderPKVeingegangenenBeschwerdenvon
Versicherten und hat sich zwischen 2004 und 2009 verdoppelt (PKV‐Ombudsmann
2010b).Nur ca. einViertel der Fälle konnte derOmbudsmann schlichten, die übrigen
musstengegebenenfallsaufdemWegeeinerprivatenKlagedurchGerichtegeklärtwer‐
den.18WährendindergesetzlichenKrankenversicherungderSozialgerichtswegfürVer‐
sichertekostenfreiist,habeninderPKVdieVersichertendieKosteneinesGerichtsver‐
fahrensselbstzutragen.
4.2.1.5 Fazit
DievorhergehendeDarstellungvonUnterschiedenzwischendemGKV‐Systemunddem
PKV‐Systemdürftedeutlichgemachthaben,dasseineAbschaffungderSozialversiche‐
rungGKVundUmwandlungineinreinesPKV‐SystemfürdieweitüberwiegendeMehr‐
18 DerOmbudsmannderPKV,HelmutMüller,wurdemitdenWortenzitiert:"DagibteszwischenVersi‐
cherungenundÄrztenoftStreitüberdieKosten,undamEndebleibtderVersicherteaufihnensitzen"(FrankfurterRundschau,16.02.2010:6).
‐94‐
zahl der GKV‐Versichten mit dem Risiko erheblicher Verschlechterungen verbunden
wäre.DasSystemderPKVistdeutlicherkennbarnichtinderLage,einenumfassenden
und bezahlbaren Krankenversicherungsschutz für alle Menschen gleich welchen Ge‐
sundheitszustandes,Alters,GeschlechtsundEinkommenszugewährleisten,wieihndie
gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland seit Jahrzehnten bietet. Ein System
risikoäquivalenter Versicherungsprämien führt – ohne zusätzliche gesetzgeberische
Maßnahmen–dazu, dass einTeil derBevölkerung, und zwar vor allemdie chronisch
undschwerKrankensowieMenschenmitgeringemEinkommen,ohneVersicherungs‐
schutzbleibt oder ihn verliert,wenn siePrämiennichtmehr zahlenkönnen. Sehr an‐
schaulichistdiesandenUSAzustudieren,mitihrenmittlerweilemehrals40Millionen
Menschen ohne jeglichen Krankenversicherungsschutz. Dieser Gefahrwaren und sind
sichdieKonstrukteureundBefürworterdesGesundheitsprämienmodellsoffenbarauch
bewusst.EntsprechendsehendieModellesowohlderCDUalsauchderFDPeineBezu‐
schussungindividuellerVersicherungsprämienausSteuermittelnvor.Damitwirdaber
eingestanden,dassdasPKV‐SystemfürsichohnesolchestaatlichenZuschüssedazufüh‐
renwürde,dasssicheinzunehmenderTeilderBevölkerung–ähnlichwieindenUSA–
einenKrankenversicherungsschutznichtleistenkönnte.
Daranwürde auch eine gesetzlich verfügte Versicherungspflicht nichts ändern, da die
BetroffenenaufGrundfehlenderfinanziellerMittelderVersicherungspflichtnichtnach‐
kommenkönnten.UndwennsievomStaatineinePKVgezwungenwürden,müsstensie
dieVersicherungsprämienschuldigbleiben,waswiederumdenAusschlussausderVer‐
sicherungzurFolgehätte.Ähnlichwie indenUSAbliebe letztlichnurdieMöglichkeit,
dieArmenineinersteuerfinanziertenArmen‐Krankenversicherungaufzufangen,deren
Kosten aus Steuermitteln getragen werden müssten. Insofern ist die ‚Sozialausgleich’
genannte Prämienbezuschussung keine großzügige Solidarleistung, sondern nur die
Vorwegnahme der ohnehin in einem reinen PKV‐System unumgänglichenÜbernahme
derKrankenbehandlungskostenderArmendurchdenStaat.
AberauchMenschenmiteinemEinkommenoberhalbderArmutsgrenze,diesicheine
privateKrankenversicherungzunächstnochleistenkönnen,wären–ähnlichwieinden
USA – tendenziell gefährdet. Liegen sie oberhalb der Einkommensgrenze, ab der An‐
spruchaufeinestaatlicheUnterstützungbesteht,müsstensiesteigendePrämienselbst
zahlen,solangebissiediePrämiennichtmehrzahlenkönnenundAnspruchaufstaatli‐
cheFürsorgeleistungenhaben.
‐95‐
Dass die PKV in Deutschland keineswegs stabile Beiträge garantieren und einhalten
kann,wurdeindenletztenJahrenzunehmenddeutlichundauchvondenUnternehmen
der PKV selbst als größer werdendes Problem öffentlich thematisiert. Während aber
BeitragssatzerhöhungenvonKrankenkassenöffentlichdiskutiertundkritisiertwerden
und immer wieder Anlass für politische Interventionen waren, ist die Erhöhung von
VersicherungsprämienderPKVein individualisiertesProblemundbislangkeinAnlass
für gesundheitspolitische Interventionen zum Schutz der Versicherten. Ohnehin wäre
einepolitischeInterventionzumZweckdergenerellenBegrenzungvonVersicherungs‐
prämienprivaterKrankenversicherungenschwervorstellbar. Siewidersprächevoral‐
lemaberauchderZielsetzungeinerRückführungstaatlicherInterventionenundRegu‐
lierung,wie sie insbesondere vonderFDPvertretenwird. Prämienerhöhungen inder
PKVsindeineAngelegenheitprivatrechtlicherVertragsbeziehungenzwischeneinzelnen
VersichertenundKrankenversicherungsunternehmen.
ZwarkanneinVersicherterderPKVeinePrämienerhöhungzumAnlassfüreineKündi‐
gungnehmen, aberwohin soll erwechseln?DerWeg indiegesetzlicheKrankenversi‐
cherung istprivatVersichertengegenwärtigbisaufsehrwenigeAusnahmenversperrt
undwärenachAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungohnehinkeinThema.
DerWechselineineanderePKVwäremitdemvollständigenoderteilweisenVerlustder
AlterungsrückstellungverbundenundältereVersichertemüssteninderneuenPKVmit
hoherWahrscheinlichkeit noch höhere Prämien zahlen als die erhöhten,wegen derer
siewechselnwollten.
Auch ein gesetzlich vorgegebenerKontrahierungszwang,wie ihn dasModell von CDU
UndFDPvorsieht,könntedieseProblematiknichtlösen.WenneinallgemeinerKontra‐
hierungszwang füralleVersicherungsunternehmen fürdenUmfangeinerBasisversor‐
gungvomGesetzgebervorgegebenwürde, stündendieKrankenversicherungenbei ei‐
nemSystem,das füralleVersicherteneinheitlichepauschaleBeiträgevorschreibt, vor
demProblem,dassdieVerteilungder ‚Risiken’mithoherWahrscheinlichkeit sehrun‐
gleichausfallenwird.EswäremitlegalenMittelnnichtzuvermeiden,dasseinTeilder
Versicherungen überdurchschnittlich viele Kranke und kostenaufwendige Versicherte
versichernmuss,andereUnternehmendagegenvorallemgesundeundjungeVersicher‐
teimBestandhat.
WillmanderartigeEntwicklungenbeiderUmstellungauf einPKV‐Systemvermeiden,
wäreeinumfassenderRSAfüralleprivatenKrankenversicherungenerforderlichoder–
‐96‐
unddasscheintdieimGesundheitsprämienmodellvonCDUundFDPletztlichenthalte‐
neVorstellungzusein–diePauschalprämienwerdendurcheinSystemrisikoäquivalen‐
terPrämienersetzt.ImGrundebleibtauchnurdieseVariante,denneswäreschwerzu
begründen,warumdiebisherigenPKV‐VersichertenweiterhinrisikoäquivalentePrämi‐
enzahlensollen,währenddenneuhinzukommendenehemaligenGKV‐Versichertenri‐
sikounabhängigePauschaleninRechnunggestelltwerden.AuchausdieserPerspektive
betrachtetzeigtsich,dasspauschale ‚Gesundheitsprämien’nureinZwischenschritthin
zueinemSystemrisikoäquivalenterVersicherungsbeiträgeseinsollenundkönnen.
VersicherungspflichtundrisikoäquivalentePrämienergebenabereinenhochbrisanten
Mix.EinesolcheVersicherungspflichtwürdeKrankeundBezieherniedrigerEinkommen
entwederindieÜberschuldungtreibenoderzuBeziehernstaatlicherFürsorgemachen.
Den vorstehendenEinwänden könnte entgegnetwerden, dass es schließlich seit Jahr‐
zehntenein funktionierendesPKV‐System inDeutschlandgibt,das immerhinca.10%
derBevölkerungeinenKrankenversicherungsschutzbietet.Dazuistaberzunächstfest‐
zuhalten, dass das gegenwärtige deutsche PKV‐System ein System der ‚substitutiven’
KrankenversicherungfüreinenausgewähltenKreisvonVersichertenist.DiePKVkann
in Deutschland von der Zweiteilung des Sicherungssystems in einen öffentlich‐
rechtlichen für ca. 90% der Bevölkerung und einen privatwirtschaftlichen für knapp
10%vorallemdeshalbleben,weilessichbeidiesenca.10%umVersichertemitüber‐
durchschnittlichemoderweitüberdurchschnittlichemEinkommenund–bedingtdurch
überdurchschnittliches Einkommen und überdurchschnittlichen Bildungsstand – auch
unterdurchschnittlicher Erkrankungshäufigkeit und ‐schwere handelt. Ein erheblicher
TeilderVersichertensindzudemBeamte,darunterzwarauchvielemitmittleremund
teilweiseaucheherunterdurchschnittlichemEinkommen.DieseVersichertengruppeist
aber insofern ‚vorselektiert’,alsdieVerbeamtungerstnacheinergründlichenGesund‐
heitsuntersuchungerfolgt.
Dass dieses PKV‐System seit mehreren Jahrzehnten relativ reibungslos funktioniert,
kannsomitnichtalsBelegdafürgelten,dassesinderLageseinkönnte,diegesetzliche
Krankenversicherung zu ersetzenund fürdie gesamteBevölkerungeinenebensoum‐
fassenden sozialen Schutz zu bezahlbaren Beiträgen zu leisten,wie es die gesetzliche
KrankenversicherungindenletztenJahrzehntengeleistethatundtäglichneuleistet.
‐97‐
4.2.2 BedeutungfürdasGesundheitssystem
Eine Abschaffung der als Sozialversicherung verfassten GKV und Überführung in ein
reines PKV‐Systemhätte aber auchweitreichendeAuswirkungen auf die Funktionsfä‐
higkeitdesGesundheitssystemsinsgesamt.DiegesetzlicheKrankenversicherungnimmt
in weiten Bereichen des Gesundheitssystems zentrale Regulierungs‐ und Steuerungs‐
funktionenwahr.DasiealsmittelbareStaatsverwaltungkonstituiertist,kannderStaat
ihrAufgabenundKompetenzenübertragen,dieersonstinunmittelbarerStaatsverwal‐
tung selbst erfüllenmüsste.EineumfassendeDarstellungderRegulierungsfunktionen,
dieKranken‐undPflegekassenwahrnehmen,würdedenRahmendieserUntersuchung
sprengen.EssollenandieserStellenureinigeexemplarischangesprochenwerden,um
dieBedeutungeinerAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungalsSozialversi‐
cherung deutlich werden zu lassen (für eine ausführlichere Darstellung der
Regulierungsfunktionen der GKV in den verschiedenen Bereichen des
Gesundheitswesensvgl.u.a.Rosenbrock/Gerlinger2006;Simon2009).
Das System der Steuerung und Regulierung des deutschen Gesundheitssystems kann
vereinfachtwiefolgtbeschriebenwerden:
• DerStaatgibtinGesetzenundVerordnungendenallgemeinenRahmenvor,derfür
einzelneBereichedurchausauchbiszueinembestimmtenGradkonkretisiertwird.
• DieKonkretisierungundAusführungder staatlichenRahmenvorgabenwird in der
RegelaberdenPartnerndersogenannten‚gemeinsamenSelbstverwaltung’übertra‐
gen.DiessindinersterLiniedieKrankenkassenunddieSpitzenorganisationender
Leistungserbringer.DasSozialrechtenthältanzahlreichenStellendenAuftragandie
gemeinsameSelbstverwaltung,inGesetzenenthalteneallgemeineZielsetzungenund
RahmenvorgabeninVereinbarungenundVerträgenzukonkretisierenoderauchbe‐
stimmteRegelungsbereicheineigenerVerantwortungaufdemVerhandlungswegzu
gestalten. So gehört zu denAufgabender gemeinsamen Selbstverwaltung auf Lan‐
desebenebspw.dieBedarfsplanungundVereinbarungsogenannterGesamtverträge
und Gesamtvergütungen für die ambulante ärztliche Versorgung der Krankenkas‐
senversicherten.InderKrankenhausversorgungwerdenallgemeineGrundsätzeund
die StrukturdesVergütungssystemsaufderBundesebenevereinbartundauf Lan‐
desebene der so genannte Landesbasisfallwert als zentraler Orientierungswert für
Fallpauschalen.
‐98‐
• OberstesGremiumdergemeinsamenSelbstverwaltungistderGemeinsameBundes‐
ausschuss(G‐BA).EristjezurHälftemitVertreterndesSpitzenverbandesBundder
gesetzlichen Krankenversicherung und Vertretern der wichtigsten Organisationen
derLeistungserbringer,derKassenärztlichenundKassenzahnärztlichenBundesver‐
einigungsowiederDeutschenKrankenhausgesellschaft,besetzt.DerG‐BAhatinsbe‐
sonderedieAufgabe,unterhalbderGesetzesebeneüberdieAusgestaltungdesGKV‐
LeistungskatalogeszuentscheidenundwirdinderFachdiskussionauch‚kleinerGe‐
setzgeber’genannt.
• Die Krankenkassen agieren in diesemweit verzweigten System der gemeinsamen
SelbstverwaltungquasialsVertreterderStaatesundkönnendies,dasiealsSozial‐
versicherungsträger mittelbare Staatsverwaltung sind und keine privaten Unter‐
nehmen,dieeinzelwirtschaftlicheZieleverfolgendürfen.KrankenkassenalsTräger
derSozialversicherungdienenderErfüllungsozialerZweckeundöffentlicherAufga‐
benundunterliegeneinersehrengenundstriktenstaatlichenAufsicht.Vereinfacht
ausgedrückt kannman es durchaus so sehen, dass ihr gesamtes Handeln direkter
staatlicherÜberwachungunterliegt,unddiezuständigeAufsichtsbehördebeieinem
Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben gegebenenfalls eine Änderung auf demWege
derAnordnungverfügenkann.
• DievomStaatübertragenenKompetenzenreichenauchsoweit,dassKrankenkassen
bspw.fürbestimmteArzneimittelPreisobergrenzenfürdieErstattung(Festbeträge)
festsetzenkönnen.DieswarbeiderUmsetzungdersogenanntenFestbetragsrege‐
lungen des SGB V von Seiten betroffener Arzneimittelhersteller bestritten und die
Klage bis zum EuGH geführt worden. Der befand die entsprechende Regelung für
vereinbarmitdemeuropäischenRecht,allerdingsnur,weilerzuderEinschätzung
gelangte, dassdiedeutschenKrankenkassenals SozialversicherungsträgerTeildes
staatlichenSystemsdersozialenSicherheitseienunddieentscheidendenMerkmale
vonEinrichtungendersozialenSicherheiterfüllten.
DievorstehendenAusführungendürftendeutlichgemachthaben,dassdieKrankenkas‐
seninihrerEigenschaftalsTrägerderSozialversicherungzentraleFunktionenimdeut‐
schen Gesundheitssystem wahrnehmen. Sie können ihre regulierende und steuernde
quasistaatlicheFunktionabernurdeshalbausüben,weil sieSozialversicherungsträger
undmittelbareStaatsverwaltungsind.WirdihnendieserStatusentzogen,hatdiesweit
‐99‐
reichendeAuswirkungenaufdasgesamteGesundheitssystem.WerdenKrankenkassen
inprivateVersicherungsunternehmenumgewandelt,könnensiedieihnengegenwärtig
übertragenenöffentlichenAufgabenzueinemerheblichenTeilnichtmehrerfüllen.Es
dürfteaussozial‐undverfassungsrechtlicherSichtinhohemMaßezweifelhaftsein,ob
privateVersicherungsunternehmenüberhauptmit den von denKrankenkassenwahr‐
genommenenöffentlichenAufgabenundvorallemKompetenzenderRegulierungund
Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen und pflegerischen Versorgung der
Bevölkerungbetrautwerdendürfen.
DieRechtsprechungdesEuGHisthiersehreindeutig.WürdendieKrankenkassennicht
dievomEuGHzuGrundegelegtenMerkmaleeinerEinrichtungdersozialenSicherheit
(Sozialversicherung) erfüllen, wären sie als Unternehmen im Sinne es europäischen
Wettbewerbsrechtszubehandelnunddürftenbspw.auchkeineArzneimittelfestbeträge
festlegen.
Esmusswohldavonausgegangenwerden,dassdasgegenwärtigeSystemdergemein‐
samenSelbstverwaltungnacheinerUmwandlungderKrankenkassen inprivateVersi‐
cherungsunternehmensonichtmehr funktionsfähigwäre.EsmüsstedieFragegeklärt
werden,wasandieStellederdurchdiegemeinsameSelbstverwaltungvorgenommenen
untergesetzlichenRegulierungtretensoll.
EsseiandieserStellenurnebenbeiangemerkt,dasswederdieprogrammatischenDo‐
kumentederFDPnochdiederCDUerkennenlassen,dassdieseFolgeeinerAbschaffung
der Sozialversicherung GKV auch nur ansatzweise durchdacht ist. Die Parteitagsbe‐
schlüssebietenkeineAntwortenaufdieFrage,wiezukünftigeineRegulierungdesGe‐
sundheitssystems ohne Krankenkassen erfolgen soll. Die entsprechenden Beschlüsse
derCDUlegenindieserFrageallerdingsdenEindrucknahe,dassdieNotwendigkeitsol‐
cherweitreichendenÜberlegungennichtgesehenwurde,daderMehrzahlderbeteilig‐
ten Politiker und Parteitagsdelegierten die Konsequenzen ihres Gesundheitsprämien‐
modellsletztlichnichtbewusstwarenundsind.ZumaldieCDU‐Beschlüssenichtexplizit
dieUmwandlungderKrankenkasseninprivateVersicherungsunternehmenfordern.
DieBeschlusslagederFDPisthier–wiedargelegt–allerdingssehreindeutig.Aberder
WegfallquasistaatlicherRegulierungdurchdieKrankenkassendürfteausSichtderFDP
vermutlichauchkeinProblemdarstellen,dasieohnehinfürwenigerstaatlicheRegulie‐
rung und „ein grundlegendes Umsteuern in ein freiheitliches System“ eintritt (FDP‐
‐100‐
Bundestagswahlprogramm2009:18).DasneueSystemsollinsbesonderevonfolgenden
Grundsätzengeprägtsein:
• „Bürokratische Vorgaben undKontrollenmüssen auf das notwendigeMindestmaß
beschränktwerden“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:3)
• „DieordnendeFunktiondesMarktesgarantiert,dassdiebegrenztenMittel aufdie
besteWeiseeingesetztwerden“(FDP2007:2)
• „DiestaatlicheRegulierungmussaufeineRahmensetzungbegrenztwerden,diesi‐
cherstellt,dassjederBürgerimKrankheitsfalleinequalitativgutemedizinischeVer‐
sorgunghat,auchwennerüberwenigGeldverfügt“(FDP2004:2)
InAnbetrachtdieserprogrammatischenAussagenzurGesundheitspolitikkannderEin‐
druckentstehen,dassdieFDP‐BeschlüssevonderVorstellunggetragensind,außerfür
den Krankenversicherungsschutz bedürfte es imGrunde keinerweiteren gesetzlichen
oderuntergesetzlichenRegulierung,dadie„ordnendeFunktiondesMarktes“weitbes‐
serals„bürokratischeVorgaben“und„staatlicheRegulierung“geeignetist,einebedarfs‐
gerechte medizinisch‐pflegerische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Geht
man von einer solchen Einschätzung aus, erübrigen sich vermutlich alleweiteren ge‐
danklichen Anstrengungen zur Zukunft einer Regulierung des ‚Gesundheitsmarktes’
nachAbschaffungderSozialversicherungGKVundUmwandlungderKrankenkassenin
privateVersicherungsunternehmen.
In einer solchen, vomVertrauenaufdie „ordnendeFunktiondesMarktes“ getragenen
VorstellungsweltkönntesichunterUmständenauchdieAnnahmeaufdrängen,nachder
PrivatisierungderKrankenkassenseidasSozialgesetzbuchVverzichtbar,undalleRege‐
lungen,dienichtaufdieRegulierungeinesMindest‐Krankenversicherungsschutzeszie‐
len,könntenersatzlosgestrichenwerden.DaKrankenversicherungnurnochdurchpri‐
vateVersicherungsunternehmenangebotenwerdenkönnen,würdenwenigeErgänzun‐
gendeszurRegulierungderPKVdienendenVersicherungsvertrags‐undVersicherungs‐
aufsichtsgesetzausreichen.
Eserscheintallerdingszweifelhaft,dasseinesolcheVorstellungmitdemSozialstaatsge‐
bot des Grundgesetzes und dem Verfassungsauftrag zur staatlichen Daseinsvorsorge
vereinbarist.DassKrankenkassenalsmittelbareStaatsverwaltungstaatlicheAufgaben
dersozialenSicherheitundRegulierungdesGesundheitssystemswahrnehmen,istletzt‐
lichimSozialstaatsgebotbegründet.DiedarausresultierendeVerpflichtungdesStaates
‐101‐
zurstaatlichenDaseinsvorsorgeentfälltnichtmitdemWegfallderSozialversicherungs‐
trägerKrankenkassen.AuchnachUmwandlungderKrankenkasseninprivateVersiche‐
rungsunternehmenstündederStaatvorderAufgabe,eineausreichende,bedarfsgerech‐
teundflächendeckendemedizinisch‐pflegerischeVersorgungfürdiegesamteBevölke‐
rungsicherzustellen.DiesumfassteindeutigmehralsnurdieRegulierungdesKranken‐
versicherungsschutzes, nämlich vor allem die Sicherstellung einer ausreichenden Lei‐
stungserbringung.
WennersichdazunichtmehrderKrankenkassenbedienenkann,undauchdieprivaten
KrankenversicherungsunternehmendieFunktionenderalsKörperschaftendesöffentli‐
chenRechtsverfasstengesetzlichenKrankenkassennichtübernehmenkönnen,würde
dieAufgabederRegulierungandieunmittelbareStaatsverwaltungzurückfallen.ImFal‐
ledesGesundheitssystemswärendiesvorallemdieBundesländer,die inallenwichti‐
gen Versorgungsbereichen den aus dem Sozialstaatsgebot abgeleiteten so genannten
‚Sicherstellungsauftrag’ für eine ausreichendemedizinisch‐pflegerische Versorgung zu
erfüllenhaben.DiesesSicherstellungsauftrageskannsichderStaatnichtentledigen(vgl.
hierzuexempl.fürdieKrankenhausversorgung:Isensee1990).DerVersuch,sozialrecht‐
licheRegulierungdurcheine„ordnendeFunktiondesMarktes“zuersetzen,dürftemit
hoherWahrscheinlichkeiteinerÜberprüfungdurchdasBundesverfassungsgerichtnicht
standhalten.
ZudemdrängtsichdieFrageauf,obeineAbschaffungderalsSozialversicherungorgani‐
sierten gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar
wäre. ImmerhinschreibtArt.87Abs.2GGvor,dassdieTrägerderSozialversicherung
nuralsAnstaltenoderKörperschaftendesöffentlichenRechtsorganisiertwerdendür‐
fen.AuchdasBundesverfassungsgerichtsahHandlungsspielraumfürdieÄnderungder
gegenwärtigen Organisationsform der gesetzlichen Krankenversicherung nur in Rich‐
tungeinerUmwandlungdermittelbarenineinebundesunmittelbareStaatsverwaltung,
beispielsweise indem das gegliederte Krankenkassensystem zu einen „Bundesamt für
Krankenversicherung als bundesunmittelbarer Körperschaft“ zusammengefasst wird
(BVerfGE39,302[315]).DieVorstellungeinerUmwandlungderKrankenkasseninpri‐
vateRechtsformenscheintdemBundesverfassungsgerichtbislangsoabwegiggewesen
zusein,dasseinesolcheUmwandlungnochnichteinmalalsmöglicheOptioninErwä‐
gunggezogenwurde.
‐102‐
DieErörterungsoll andieserStellenichtweitergeführtwerden.Esdürftedeutlichge‐
worden sein, dass ein grundsätzlicher Systemwechsel vom Sozialversicherungssystem
auf eindereguliertesmarktwirtschaftlichesSystemschwerwiegendeund sehrweitrei‐
chendeFragenaufwirft.DieseFragenmüssenweitimVorfeldeinersolchenUmstellung
breit und tiefgehend nicht nurwissenschaftlich, sondern vor allem öffentlich erörtert
werden.Bislang ist aberwedereinepolitischeKonzeption fürein solchesneues,nach
marktwirtschaftlichenPrinzipienfunktionierendesGesundheitssystemerkennbar,noch
einebreiteund fundiertewissenschaftlicheoderöffentlicheDebatteüberdie Sinnhaf‐
tigkeit eines solchenSystemwechsels.Und zuklärenwäre vor allemdieFrage, ob ein
solcherSystemwechselüberhauptauf einemehrheitlicheZustimmung inderBevölke‐
rungbauenkönnte.
‐103‐
5 Der‚Sozialausgleich’im‚Gesundheitsprämienmodell’
Im Folgenden soll nun auf einen Bestandteil des ‚Gesundheitsprämienmodells’ näher
eingegangenwerden,derseitUnterzeichnungdesKoalitionsvertragesimOktober2009
vielfach imMittelpunkt der gesundheitspolitischenDiskussion stand:Der steuerfinan‐
zierte‚Sozialausgleich’unddieFrageseinerFinanzierbarkeit.NichtnurfürdieMehrzahl
derpolitischinteressiertenBürger,sondernauchfürdieMehrheitderdiesesFeldbeo‐
bachtenden Wissenschaftler dürfte die Ende 2009/Anfang 2010 geführte Diskussion
eherverwirrendalsklärendgewirkthaben.VorallemdieöffentlichausgetrageneAus‐
einandersetzung zwischen dem Gesundheitsminister Rösler und führenden FDP‐
VertreternaufdereinenunddenCSU‐VertreternSeehofersowieSöderaufderanderen
SeitewarfeneherweitereFragenauf,alsdasssiezurKlärungbeitrugen.Aberauchdie
in der öffentlichen Diskussion kursierenden sehr unterschiedlichen Zahlen zum ge‐
schätzten Volumen eines solchen ‚Sozialausgleichs’ waren eher geeignet, für weitere
Verwirrungzusorgen,undwarfendieFrageauf,werdennnunRechthatundwasvon
densehrunterschiedlichenZahlenzuhaltenist.
DieMeinungderpolitischenFührungdesBMGisthierzusehreindeutig.Berechnungen,
die zu dem Ergebnis kommen, es seien bis zu 40 Milliarden Euro erforderlich (so
Lauterbach/Lüngen/Büscher 2009), sind aus Sicht des FDP‐Staatssekretärs im BMG
„Horrorzahlen“(Bahr2010),dieAngstvorderUmstellungmachensollen.Nachdemdas
FinanzministeriumineinerungewöhnlichausführlichenAntwortaufeineKleineAnfra‐
gederBundestagsfraktionderGrünenzudemErgebniskam,einsteuerfinanzierterSo‐
zialausgleich sei nicht oder nur durch deutliche Steuererhöhungen finanzierbar
(Bundesregierung2010),stelltederGesundheitsministerklar,dasVolumendesgeplan‐
ten ‚Sozialausgleichs’werde„deutlichunter10MilliardenEuro“liegen(Rösler2010b).
Sein Staatssekretär ergänzte einem Interview vom 12.02.2010, dass für die geplante
Umstellung „keine Steuererhöhungennötig“ seien (Bahr2010).Denn, soGesundheits‐
ministerRösler gegenüberderFrankfurterRundschau: „Das sindnichtunsereZahlen,
weildasnichtunserPlanist“(FrankfurterRundschau,13.02.2010:5).
‐104‐
In der Tat: Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die unterschiedlichen Zahlen vor
allem darin begründet sind, dass sie auf unterschiedlichen Annahmen über das ange‐
strebte Finanzierungsmodell beruhen. Wie bereits an früherer Stelle dieser Untersu‐
chungaufgezeigt,plantdieKoalitionnichteinekurzfristigeundvollständigeUmstellung
auf ein System pauschaler Krankenkassenbeiträge, sondern hat sich darauf geeinigt,
schrittweisevorzugehenundaufgrunddergegebenenHaushaltslagemitkleinenSchrit‐
tenzubeginnen.AlsBelegfürdieseÜbereinkunftseienandieserStellenocheinmalent‐
sprechendeÄußerungenwörtlichzitiert:
„Richtig ist, dass man kurzfristig keine Milliardenbeträge zur Verfügung hat, um den Sozialaus‐gleich,dernotwendigist,zufinanzieren.DerUmstiegvonjetztaufgleichwaraberauchnieunserZiel“(Rösler2009b).
„Zum anderen geht es uns ja gerade nicht darum, den gesamten Krankenversicherungsanteil schlagartig in eine Prämie zu überführen, sondern das soll schrittweise gehen. Wir fangen mit kleinen Schritten an. Also brauchen wir zu Anfang nur geringe Ausgleichsmittel. Details dazu wird die geplante Regierungskommission vorlegen“(Rösler2010c).
„DieHaushaltslage ist denkbar schlecht, deshalbwerdenwirmitderPrämieundSozialausgleichnurinsehr,sehrkleinenSchrittenstartenkönnen“(Spahn2010)
„Schrittweise. Schrittgrößeund Schrittfrequenzhängen vonderMöglichkeit des steuerlichenZu‐schussesundderTechnikdesAusgleichsab“(Rösler2009d).
„Wir fangenmitkleinenSchrittenan.AlsobrauchenwirzuAnfangnurgeringeAusgleichsmittel“(Rösler2010c).
„WirbrauchenkeinezweistelligenMilliardenbeträgefüreinenSozialausgleich.Wirwollendiege‐setzlicheKrankenversicherungSchrittfürSchrittaufeinePrämiemitSozialausgleichumstellen,da‐fürsindkeineSteuererhöhungennötig“(Bahr2010).
„Diechristlich‐liberaleKoalitionwirdihreGesundheitsreformohneSteuererhöhungenvornehmen“(Rösler,zit.n.FrankfurterRundschau,13.02.2010:5).
„Bei unseren Plänen wird der Sozialausgleich deutlich unter 10 Milliarden Euro liegen“ (Rösler2010b).
ZuRechtwurdeineinerPressekonferenzMitteFebruar2010allerdingsdieFrageauf‐
geworfen, wie Rösler denn am 11.02.2010 bereits wissen konnte, was der Sozialaus‐
gleichkostenwird,wodieRegierungskommission,diedieEckpunktederReformerar‐
beitensoll,docherstam24.02.2010eingesetztwerdensollte,undErgebnisseerstnach
derimMaistattfindendenNRW‐Wahlzuerwartensind(Doemens2010).Dievielsagen‐
de Antwort des Pressesprechers des BMG lautete: „Die zehn Milliarden sind unsere
Zielmarke.Das soll amEndedabei herauskommen“ (ChristianLipicki, zit. n.Doemens
2010).Offensichtlichsollder‚Sozialausgleich’sokonstruiertwerden,dassdiedafüran‐
fallendenKostenunterderpolitischgesetztenMarkebleiben.
‐105‐
Angesichts der Haushaltslage und der breiten gesellschaftlichen Diskussion wäre ein
‚Sozialausgleich’,derdenBundeshaushalterheblichbelastet,offenkundigpolitischauch
nichtdurchsetzbar.DieUmstellungaufdas‚Gesundheitsprämienmodell’könntedeshalb
unterUmständensogarinsgesamtgefährdetwerden.Vondaheristesnaheliegendund
keineswegs überraschend, den geplanten Umstieg mit kleinen Schritten zu beginnen.
Unddas–sozeigendieobenzitiertenÄußerungen–wurdeoffenbarauchindenKoali‐
tionsverhandlungen vereinbart.Wie die nachfolgendeAnalyse zeigenwird, gehört ein
schrittweisesVorgehenaberohnehinbereitsseitJahrenzumstrategischenPlanfürdie
EinführungdesGesundheitsprämienmodells.Esfindetsichsowohlindenentsprechen‐
denParteitagsbeschlüssenderCDUalsauchderFDP.
Aberauchwenngeklärtist,dassderUmstiegschrittweiseerfolgenunddersogenannte
‚Sozialausgleich’zunächstaufwenigerals10Mrd.Eurobegrenztwerdensoll,soschafft
dies keineKlarheit darüber,wasmit ‚Sozialausgleich’ gemeint ist. Es bleibt die Frage,
waserdennseinsollundwelchenZweckenerdienensoll.DieseFragenlassensichge‐
genwärtignurunterZuhilfenahmederentsprechendenprogrammatischenDokumente
vonCDUundFDPklären.Denndie führendenGesundheitspolitikervonCDU,CSUund
FDP liefernkeinenBeitragzuKlärungundscheinensichdaraufgeeinigtzuhaben,zu‐
mindestbiszurLandtagswahlinNRWam9.Mai2010keineEinzelheitenoffenzulegen,
umeineWiederwahlderschwarz‐gelbenRegierungskoalition inNRWnichtzugefähr‐
den.
5.1 ZurFragederBerechnungsgrundlagederBeitragspauschalen
Die nachfolgende Erörterung dessen, was von der Koalition ‚Sozialausgleich’ genannt
wird,erfolgt indreiSchritten.ZunächstwerdeneinigegrundlegendeFragenangespro‐
chen,diefürdenweiterenGangderErörterungvorabgeklärtwerdenmüssen.
Kern des Gesundheitsprämienmodells von CDU und FDP ist die Abschaffung der ein‐
kommensabhängigenBeiträgederKrankenkassenmitgliederund ihreErsetzungdurch
für alle Mitglieder einheitliche einkommensunabhängige ‚Prämien’.Wie bereits zuvor
herausgearbeitet,solldieUmstellungaufeinkommensunabhängigePauschalprämienfür
alleMitgliedernuralsZwischenschrittzueinerletztendlichenUmstellungaufeinreines
PKV‐SystemmitrisikoäquivalentenVersicherungsprämienfüralleVersichertendienen.
Die zunächst für alleMitglieder gleichen Pauschalprämien sollen langfristig überführt
‐106‐
werdeninVersicherungsprämien,dievonallenVersicherten–alsoauchdengegenwär‐
tigbeitragsfreimitversichertenEhegattenundKindern– erhobenundnach ‚versiche‐
rungsmathematischen’bzw.‚versicherungstechnischen’Methodenberechnetwerden.
HinterdemBegriffder‚versicherungsmathematischen’bzw.‚versicherungstechnischen’
MethodenverbirgtsichderGrundsatzderprivatenVersicherungswirtschaft,dassVersi‐
cherungsbeiträge in ihrer Höhe dem Versicherungsumfang und versicherten Risiko
äquivalentzuseinhaben.InderprivatenKrankenversicherungbedeutetdieserGrund‐
satz,dassdieHöhederVersicherungsprämiesichnachAlter,Geschlechtundvorallem
Gesundheitszustandrichtet.AufdieseZusammenhängewurdeindervorliegendenUn‐
tersuchungbereitsanandererStelleausführlicherhingewiesen,siesollendarumandie‐
serStellenichtweiter erörtertwerden,müssenaberbeiden folgendenAusführungen
mitgedachtwerden.NurwennmandasGesundheitsprämienmodellinsgesamtunddes‐
sen langfristige Zielorientierung einbezieht, ist es möglich, auch die Ausführungen in
denprogrammatischenDokumenten vonCDUundFDP sowiedieDiskussionsbeiträge
führenderKoalitionspolitikerrichtigzudeuten.
InsbesonderedienachfolgendauftauchendeFrageobunter„Sozialausgleich“derbisher
zum Kernbestand der Sozialversicherung zählende ‚soziale Ausgleich’ von Finanzie‐
rungslastennach finanziellerLeistungsfähigkeitzuverstehen istoderobessich ledig‐
lichumstaatlichePrämienzuschüsse für ‚Bedürftige’handelnsoll, lässt sichnurdurch
denRückgriffaufdieGesamtkonstruktiondes‚Gesundheitsprämienmodells’aufklären.
FürdienachfolgendeErörterungsolldieselangfristigeZielsetzungjedochzunächstau‐
ßer Betracht gelassen werden. Die Analyse soll ausgehen von dem simplen Kern‐
GrundsatzderUmstellungaufdas‚Gesundheitsprämienmodell’,dassdiebisherigenein‐
kommensabhängigenBeiträgederMitglieder in einkommensunabhängige für alleMit‐
glieder gleiche Beitragspauschalen umgewandelt werden sollen. Ob dieses mit einem
einzigenSchrittoder–wieoffensichtlichvonderRegierungskoalitiongeplant–schritt‐
weisegeschieht,sollebenfallsunberücksichtigtbleiben.ImMittelpunktderErörterung
soll vielmehrder geplante ‚Sozialausgleichs’nacherfolgterUmstellung stehenunddie
FragewasdamitgemeintistundwelcheBedeutungundAuswirkungeneinsolcherMe‐
chanismushätte.
WenndiebisherigeneinkommensbezogenenBeiträgederMitglieder ineinkommensu‐
nabhängigeBeitragspauschalenumgewandeltwerdensollen,istzunächstzuklären,auf
‐107‐
welcher Grundlage diese Beitragspauschalen berechnet werden sollen. Die bisherige
Bezugsgröße „beitragspflichtige Einnahmen’ muss durch eine andere ersetzt werden.
DieseBezugsgrößekönntesowohlaufderEinnahmeseitealsauchaufderAusgabensei‐
te gesuchtwerden. Auf der Einnahmeseite könnte es bspw. derDurchschnitt der bei‐
tragspflichtigen Einnahmen jeMitglied sein, auf der Ausgabenseite die durchschnittli‐
chenAusgabenjeMitgliedoderVersichertem.
DasursprünglicheGesundheitsprämienmodellderCDUausdemJahr2003sahalsBe‐
zugsgrößediedurchschnittlichenAusgabenderKrankenkassenjeVersichertemvor:
„DiesePrämieentsprichtdendurchschnittlichenAusgabenderjeweiligenKasseproVersichertem“(CDU2004:5).
DiesschließtauchdieErhebungvonPrämien fürKinderein.Dadiesaberauch inner‐
halbderCDUaufKritikstieß,wurde2004dieBeitragspflichtfürKinderausdemModell
entferntundeine„prämienfreieMitversicherungderKinder“(CDU2004:11)eingefügt.
„DaKinderdieVoraussetzungfürdieFortführungdesSolidarsystemsinunsererGesellschaftinderZukunftsind,solldieMitversicherungallerKinder–einschließlichderPrivatversicherten–vonderAllgemeinheitgetragenwerden“(CDU2004:11).
Wenn die Krankenversicherung der Kinder aus Steuermitteln getragen werden soll,
dannistinderTatnichtnachvollziehbar,warumdiesnurfürdieKindervonMitgliedern
dergesetzlichenKrankenversicherunggeltensollundnichtauchfürKinderinderPKV.
ZumaldasModellohnehinlangfristigaufdieAbschaffungdergesetzlichenKrankenver‐
sicherung in ihrer Form als Sozialversicherung und Überführung in ein reines PKV‐
Systemhinausläuft.
DreiJahrespäterwurdedieexpliziteErwähnungeinerÜbernahmederVersicherungs‐
prämienauchfürKinderderPrivatversichertenjedochwiederausdemModellentfernt,
vermutlich in erster Linie wegen der daraus resultierenden zusätzlichen Belastungen
desBundeshaushaltesundauchschwierigenpolitischenVermittelbarkeiteiner‚Subven‐
tionierung’ der privatenKrankenversicherung von ‚Besserverdienenden’ aus allgemei‐
nenSteuermitteln.
„Da Kinder eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Fortführung der Solidarsysteme sind,wirdihreVersicherungkünftigvonderAllgemeinheitgetragen“(CDU2007:62).
Eine solche Formulierung schließt die Übernahme der Prämien für Kinder von PKV‐
VersichertenallerdingsnichtwirklichausundlässtsiealsOptionoffen.Eswärefolglich
eine eindeutigeKlärung erforderlich, ob denn auch die Prämien derKinder von PKV‐
‐108‐
Versicherten aus Steuermitteln übernommen werden sollen. Wenn nicht, müsste der
PKV‐Verband imGrunde im Interesse seinerVersichertenVerfassungsklage gegen ein
entsprechendesGesetzeinreichen,umklärenzulassen,obeinesolcheUngleichbehand‐
lungmit demGrundgesetz vereinbar ist. Hätte er damit Erfolg undmüssten auch die
VersicherungsprämienderKinder inderPKVausSteuermittelnübernommenwerden,
würdediesdieKostendes‚Gesundheitsprämienmodells’erhöhen.
ImUnterschiedzurCDUistdieBeschlusslagederFDPinderFragederBeitragspflicht
eindeutigundinsichkonsistent.Der2004beschlosseneGrundsatz,dass„jederBürger“
(FDP 2004: 3) verpflichtet werden soll, einen Versicherungsvertrag abzuschließen,
wurde2009nocheinmalbekräftigt(FDP2009:18).DieseFormulierungschließtKinder
ein.
DieFragederErhebungvonPrämien fürKinderunddieEinbeziehungderPKV indie
ÜbernahmederKostenderKinderkrankenversicherungistfürdiehierzudiskutierende
FrageinsofernvonBedeutung,alsdavonauchdieBemessungsgrundlagederPauschal‐
beiträgeunddieKonstruktiondes ‚Solidarausgleichs’abhängen.Logischkonsistenter‐
scheintnureineLösung:WieimPKV‐SystemüblichsindfüralleVersichertenVersiche‐
rungsbeiträgezuentrichten.WenndiePrämienfürKinderausSteuermittelnübernom‐
menwerden,müsstediesauchdiePKVeinschließen.
Esbleibtsomitfestzuhalten,dass–wennPauschalbeiträgeaufGrundlagedurchschnitt‐
licherAusgabenproKopfberechnetwerdensollen–diesystematischrichtigeGrundla‐
gedieAusgabenjeVersichertenwäre.Diesnichtzuletztauchdeshalb,weildiegesetzli‐
cheKrankenversicherunggegenwärtigdieAusgabenalldererträgt,diealsVersicherte
imSinnedesSozialrechtsgelten,unddieserBegriffschließtimRahmenderbetragsfrei‐
enFamilienversicherungnichterwerbstätigeEhegattenundKinderein.
5.2 ‚Sozialausgleich’–eineirreführendeFehletikettierung
Wasistnununtereinem‚Sozialausgleich’oder ’sozialenAusgleich’ imRahmendesGe‐
sundheitsprämienmodellszuverstehen.DieFDPistindiesemPunktsehreindeutigund
hatmehrfachklargestellt,dasssiedamitlediglicheinenstaatlichenZuschussfürdiejeni‐
genmeint,diesichansonstenkeinenVersicherungsschutzleistenkönnten.
„ZumzweitenmussjederBürgerdurchstaatlicheTransfersindemUmfangeunterstütztwerden,indem er nicht in der Lage ist, die Prämie für den Pauschaltarif und den Selbstbehalt aus eigenenKräftenaufzubringen“(FDP2004:4).
‐109‐
„KönnenMenscheneinenpolitischfürnotwendigerachtetenVersicherungsschutznichtauseigenerKraft finanzieren,müssen sie dafür Unterstützung in Form eines Zuschusses zur Versicherungs‐prämiebekommen“(FDP2007:2).
„Diejenigen,diesicheineKrankenversicherungnichtleistenkönnen,erhaltenfinanzielleUnterstüt‐zungausdemSteuer‐Transfer‐System"(FDP2009:18).
ZielgerichteteUnterstützungnur für diejenigen, „die anderenfalls nicht in der Lagewären, einenadäquatenVersicherungsschutzzuerhalten“(FDP‐Bundestagsfraktion2009:4).
KonkreteAngaben zuder für eine solcheRegelung erforderlichenEinkommensgrenze
bietendiebetreffendenDokumentederFDPnicht.DieFormulierungensindaberdahin‐
gehendsehreindeutig,dassessichumeineniedriganzusetzendeGrenzehandelnsoll.
Es sollennichtalleunterdurchschnittlichenEinkommeneinenAnspruchauf staatliche
Prämienbezuschussungerhalten,sondernnurdieunterenoderunterstenEinkommens‐
gruppen. Eine entsprechendeRegelungwäre vermutlich systematisch sachgerecht am
ehestenimSozialhilferechtanzusiedeln,wodurchauchdeutlichwürde,dassessichle‐
diglichumeineUnterstützungHilfebedürftigerhandelnsoll,aufdienurrelativwenige
VersicherteAnspruchhaben.
EinsolchesModellhätteunterstrategischenGesichtspunktendenVorteil,dassdieent‐
sprechende Einkommensgrenzemit relativ geringem gesetzgeberischemAufwand der
jeweiligen Haushaltslage und politischen Situation angepasst werden könnte. Die Ge‐
samtbelastungdesBundeshaushalteskönnteüberdieGestaltungderEinkommensgren‐
zekontrollierbargehaltenwerden.Dassein solchesVorgehenbeabsichtigt ist,hatder
PressesprecherdesBMGMitteFebruar2010mitderAussageangedeutet:„DiezehnMil‐
liarden sind unsere Zielmarke. Das soll am Ende dabei herauskommen“ (Christian
Lipicki,zit.n.Doemens2010).
Ein solches Vorgehen, den Kreis der Anspruchsberechtigten für einen Steuerzuschuss
zum pauschalen Krankenversicherungsbeitrag ausgehend von haushaltspolitischen
Überlegungen festzulegen, offenbart auch bereits eines der zentralen Probleme einer
zunehmendenSteuerfinanzierungdergesetzlichenKrankenversicherung:Siemachtden
Haushalt der GKV zunehmend abhängig von der jeweiligenHaushaltslage des Bundes
undbietet–wiediebisherigeGeschichtedesBundeszuschusseszurGKVauchbereits
zeigte–keinedauerhaftverlässlicheFinanzierungsbasis.
Bezogenaufdas‚Gesundheitsprämienmodell’vonCDUundFDPbedeutetdies,dassdie
ZahlderAnspruchsberechtigtenundHöhederPrämienbezuschussungjederzeitderLa‐
gedesBundeshaushaltesangepasstwerdenkann.Eine solcheÄnderungbedürftever‐
‐110‐
mutlichnochnichteinmalderZustimmungdesBundesrates.Siekönntealleinmitder
einfachen Bundestagsmehrheit beschlossenwerden. Eine schrittweise Absenkung der
Einkommensgrenze,abderAnspruchaufeinenZuschussbesteht,wärefolglichmitrela‐
tivgeringemgesetzgeberischenAufwandmöglich.
DieBeschlusslagederCDU lässt inderFrage,wasuntereinem ‚sozialenAusgleich’ im
RahmendesGesundheitsprämienmodellszuverstehen ist,diezuwünschendeEindeu‐
tigkeitnichterkennen.EsfindensichzweiunterschiedlicheVarianten,diebeigenauerer
BetrachtungaberletztlichauchaufdasgleicheModellhinauslaufen,wieesdieFDPan‐
strebt.
Dieerste,inihremFinanzvolumenweitergehendeVariante,siehtvor,dassnachderUm‐
stellung auf Beitragspauschalen niemand einen höherenBeitrag zu zahlen hat als vor
derUmstellung:
„UmdieSozialverträglichkeitbeiderUmstellungzugarantieren, ist sicherzustellen,dass ineinerÜbergangsphase von vier Jahren ‐ beginnend mit der Umstellung ‐ kein Versicherter durch diePrämieunterEinbeziehungdesalsLohnbestandteilausgezahltenArbeitgeberbeitrageseffektivhö‐herbelastetwird,alsesunmittelbarvorderUmstellungderFallwar“(CDU2003:25).
DassnachderUmstellungkeinVersichertermehrzahlenmussalsvorher,solltedadurch
erreichtwerden,dasseineBelastungsgrenzedefiniertwird,diesichanderbisherigen
BeitragsbelastungderMitgliederdurchdenArbeitnehmeranteilorientiert.FürdasJahr
2004wareineBelastungsgrenzevon7%vorgesehen(CDU2004:3f.).JederVersicherte
hätte bei einer solchenRegelung zwar den vollenVersicherungsbeitrag zu entrichten,
derAnteilderPauschale,der7%desHaushaltseinkommensübersteigt,würdeaberaus
Steuermittelnübernommen.Wiedie zitiertePassage zeigt, soll dies allerdingsnur für
eineÜbergangsphasegelten.
NachdieserÜbergangsphasesiehtauchdasCDU‐ModelleineBeschränkungdesPrämi‐
enzuschussesaufniedrigeEinkommensgruppenvor.
„Versicherte mit niedrigem Gesamteinkommen erhalten einen sozialen Ausgleich. Der Anspruchvon Geringverdienern auf sozialen Ausgleich ist in einem Leistungsgesetz zu regeln. Dieser Aus‐gleich soll automatisch zwischen Finanzamt undKrankenversicherung auf der Grundlage des je‐weilsgültigenEinkommensteuerbescheidsohneVermögensanrechnungerfolgen.MaßgebendwirddamitinderRegelderEinkommensteuerbescheiddesvorletztenKalenderjahressein“(CDU2003:25).
„IndergesetzlichenKrankenversicherungwirddieandasArbeitseinkommengekoppelteFinanzie‐rungstufenweisedurchsolidarischePrämienelementeergänzt.Diesewerdensobaldwiemöglichdurch ein solidarisches Prämienmodell mit Kapitalbildung ersetzt. Menschen mit geringen Ein‐kommenerhalteneinensozialenAusgleich“(CDU2007:62).
‐111‐
WieauchimmerdieRegelungenfürstaatlichePrämienzuschüsseausfallenwürden,eine
WirkungderUmstellungvonbeitragsabhängigenBeiträgenaufeinkommensunabhängi‐
geBeitragspauschalenbliebedavonunberührt:
„AlleVersicherten,dieheuteüberdiepersönlicheGesundheitsprämiehinausgehendeBeiträgezah‐len,werdeninZukunftgegenüberdembisherigenSystementlastet“(CDU2004:4).
Dafür, dass die zuvor skizzierte Konzeption keineswegs überholt, sondern Grundlage
deraktuellenPlanungenderRegierungskoalitionist,gibteszahlreicheBelegeinInter‐
views führender Gesundheitspolitiker der Koalition. Stellvertretend sei hier eine ent‐
sprechendeÄußerungdesGesundheitsministersvom1.Februar2010zitiert:
„WirwerdendenprozentualenAnteilimmerkleinermachen–dasheißtdieMenschenmüssendortwenigerbezahlen‐dafürdeneinkommensunabhängigenBeitrag–alsodiePrämie–größer.Undalldiejenigen,diesichdiePrämienichtleistenkönnen,alsodieunterenEinkommen,solleneinenau‐tomatischenSozialausgleicherhalten“(Rösler2010a).
Esbleibtsomitfestzuhalten,dassdieUmstellungaufeinefüralleVersicherteneinheitli‐
che BeitragspauschaleMitglieder der GKVmit hohem Einkommen entlasten undMit‐
glieder mit unterdurchschnittlichem Einkommen stärker belasten wird. Während die
EntlastungderBezieherhoherEinkommensofortunddauerhafteintritt,sollenMitglie‐
der oder Versichertemit unterdurchschnittlichem Einkommen zumindestmittel‐ und
langfristigstärkerbelastetwerden.EinAusgleichdersteigendenBelastungfüralleun‐
terdurchschnittlichenEinkommen ist imFDP‐Modellnichtund imCDU‐Modellnur für
einekurzeÜbergangszeitvorgesehen.
AngesichtsderaufJahrehinabsehbarenStaatsverschuldungdürftedieOption,Beitrags‐
steigerungen für alle unterdurchschnittlichenEinkommenaus Steuermitteln aufzufan‐
genwohlauchnichtmehrGegenstandderÜberlegungensein.Zumindestlegendiesdie
InterviewäußerungenderletztenMonatenahe.
Wichtigistnoch,daraufhinzuweisen,dassdievorstehendenAusführungenaufdieZeit
nacheinervollständigenUmstellungaufBeitragspauschalenbezogensind.Daesoffen‐
sichtlichgeplant ist,denUmstiegschrittweiseundmitkleinenSchrittenbeginnendzu
vollziehen,bleibt abzuwarten, aufwelche technischeKonstruktioneines schrittweisen
Umstiegs und Ausgestaltung einer Beitragsbezuschussung sich die Koalition einigen
wird.Aberunabhängigdavon,wiedersogenannte‚Sozialausgleich’ausgestaltetwird,er
kannnur dann richtig bewertetwerden,wennman ihn lediglich alsÜbergangslösung
sieht.EntscheidendfüreineBewertungdes‚Sozialausgleichs’hatdermitdiesenSchrit‐
‐112‐
tenangestrebteZielzustandzusein.UnddersiehtnachvollständigerUmstellungsteuer‐
finanzierteBeitragszuschüssenurnochfürBezieherniedrigerodersehrniedrigerEin‐
kommenvor.
Die Bedeutung der Umstellung auf einkommensunabhängige Beitragspauschalen und
GewährungsteuerfinanzierterBeitragszuschüssebeschränktsichallerdingskeineswegs
aufdieFragesteigenderBeitragsbelastungenfürdieüberwiegendeMehrzahlderVersi‐
chertendergesetzlichenKrankenversicherung,auchwenndiesfürsichgenommenbe‐
reitsgenugAnlasszurKritikbietet.WiebereitsanfrühererStelleherausgearbeitet,zielt
das‚Gesundheitsprämienmodell’vonCDUundFDPletztlichaufdieAbschaffungderals
Sozialversicherung verfassten gesetzlichen Krankenversicherung und Überführung in
einreinesPKV‐System.ZusatzbeiträgesindnurdernotwendigeersteSchrittaufdiesem
Weg,mitdemeinzentralesundtragendesPrinzipdersozialenKrankenversicherung–
die einkommensbezogene Beitragsfinanzierung – beseitigt werden soll. Ein solcher
SchrittebnetdenWegfürdennächstenSchritt,dieUmwandlungderKrankenkassenin
private Versicherungsunternehmen, die ihre Versicherungsprämien nach ‚versiche‐
rungstechnischen’ Methoden berechnen und risikoäquivalente Versicherungsbeiträge
erheben.
Es hieße die Bedeutung derUmstellung auf Beitragspauschalen unterschätzen,würde
mandenBlicknur aufdie steigendenBeiträge fürunterdurchschnittlicheEinkommen
richten. IndiesemPunktgehtesummehrundeinegenauereBeschäftigungdamiter‐
scheintvorallemauchdeshalbnotwendig,weildieserSchrittdamitbegründetwird,er
dienederHerstellunggrößerersozialerGerechtigkeit.
5.3 Steuerfinanzierter‚Sozialausgleich’:EineMaßnahmezurVerbesserung
dersozialenGerechtigkeit?
Zur Begründung dessen, was CDU und FDP einen ‚steuerfinanzierten Sozialausgleich’
nennen,machen sich beide Parteien eine Kritik an der gesetzlichenKrankenversiche‐
rung zu eigen, die seit langem vor allem von gewerkschaftsnahen und/oder politisch
eher links stehendenKritikerndergesetzlichenKrankenversicherunggeäußertwurde
und wird, aber auch in der wissenschaftlichen Diskussion zeitweilig breiter erörtert
‐113‐
wurde(vgl.u.a.Engelen‐Kefer2004; Jacobsetal.2003;Pfaff/Rindsfüßer/Busch1996;
Strengmann‐Kuhn2005).DieKritikentzündetsichanderTatsache,dassdieVersiche‐
rungspflicht in der gesetzlichenKrankenversicherung nur für Bezieher eines Einkom‐
mens unterhalb der gesetzlich festgelegten und jährlich fortgeschriebenen Versiche‐
rungspflichtgrenze gilt. Zudem liegt die Beitragsbemessungsgrenze noch einmal unter
derVersicherungspflichtgrenzeundwerdeninderRegelnurdieArbeitseinkommender
Beitragspflicht unterworfen. Andere Einkünfte wie bspw. solche aus Vermietung und
Verpachtung,ZinserträgeausKapitalanlagen,Erbschaftenetc.werdendadurchnichtzur
Finanzierung der GKV herangezogen. Selbständige, Beamte und Arbeitnehmermit ei‐
nemArbeitseinkommenoberhalbderVersicherungspflichtgrenzekönnensichdadurch
– so der Tenor der Kritik – der solidarischen Finanzierung der Kosten vonKrankheit
undPflegebedürftigkeitderweitüberwiegendenBevölkerungsmehrheitundvorallem
derunterenEinkommensschichtenentziehen, indemsie in eineprivateKrankenversi‐
cherungwechselnodersichvonvornhereindortversichern.DieseKritikwareineder
zentralen Triebfedern für die Entwicklung des Reformmodells einer ‚Bürgerversiche‐
rung’(BMGS2003;GRÜNEN2004;SPD2004;Strengmann‐Kuhn2005).19
Wie die nachstehenden Zitate zeigen, wird der ‚Sozialausgleich’ im Rahmen des ‚Ge‐
sundheitsprämienmodells’unterZuhilfenahmegenaudieserKritikbegründet.
„DurchdensozialenAusgleichüberSteuernwerdenalleSteuerzahlernachihrerLeistungsfähigkeitundnichtnurderKreisdergesetzlichVersichertenzurFinanzierungdiesergesamtgesellschaftli‐chenAufgabeherangezogen“(CDU2003:25).
„Liberale Sozialpolitik beachtet, dass der notwendige Ausgleich zwischen den Starken und denSchwachenderGesellschaftambestenimSteuer‐undTransfersystemnachdenKriterienderLei‐stungsfähigkeitundBedürftigkeiterfolgenmuss.DieSozialversicherungensindhierfürderfalscheOrt. Sozialpolitisch begründete Ausgleichsmaßnahmenmüssen aus Steuermitteln finanziertwer‐den.Beidesdarfnichtvermengtwerden.KönnenMenscheneinenpolitischfürnotwendigerachte‐ten Versicherungsschutz nicht aus eigener Kraft finanzieren, müssen sie dafür Unterstützung inFormeinesZuschusseszurVersicherungsprämiebekommen“(FDP2007:2).
„DersozialeAusgleichzwischenEinkommensstarkenundEinkommensschwachensollnichtmehrinnerhalbderKrankenversicherungstattfinden,woerzumTeilzuUngereimtheitenodersogarUn‐gerechtigkeiten führt und jegliches individuelles Kostenbewusstsein außer Kraft setzt. Er gehörtvielmehrindasSteuer‐undTransfersystem,wojedernachseinerLeistungsfähigkeitherangezogenwird“(FDP2009:18).
„DasEntscheidendeist:DerSozialausgleicherfolgtdannausdemSteuersystem.Unddortwerdenalle‐undzwarwesentlichgerechter‐nachihrerLeistungsfähigkeitherangezogen.Eshörtjaeben
19 EinesehrumfangreicheZusammenstellungderwichtigstenDokumenteundBeschlüssefürdieDiskus‐
sionüberdieAlternative‚BürgerversicherungoderGesundheitsprämienmodell’bietetdieInternetsei‐te der Arbeitnehmerkammer Bremen unter:http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/seiten/21_politik_debatten.htm
‐114‐
nichtbeiderBeitragsbemessungsgrenzevonrund3700Euroauf.EswerdenalleVermögenundal‐leEinkommensartenberücksichtigt.Das ist gerechter, dennandiesemAusgleich sinddannebennichtnurdieBeitragzahlerbeteiligt“(Spahn2009a).
„DersozialeAusgleichistvielbesserüberdasSteuer‐undTransfersystemzuorganisierenalsinei‐ner Versicherung, die dazu da ist, den Ausgleich zwischen Kranken und Gesunden herzustellen“(Flach2009:284).
„DieUmverteilungisteinesozialpolitischeAufgabedanach–undgetrenntvonderGesundheitspoli‐tik“(Flach2009:284).
„Solidaritätheißt inderKrankenversicherung,dieGesundenhelfendenKranken.UnddenSozial‐ausgleichmusseskünftigüberdasSteuersystemgeben–daswirdesauch“(Rösler2009a).
„AberdenweiterenAusgleich,denesdortgibt,denAusgleichzwischenArmundReich,haltenwirinderGesundheitsversicherungfürwenigtreffsicherunddeswegenfürsozialungerecht.Ichmöch‐te hier ausdrücklich festhalten: Eswird in jeder Gesellschaft einenAusgleich zwischenArmundReichgebenmüssen,aberebennicht imGesundheitssystem.DieserAusgleich istbesseraufgeho‐ben im Steuer‐ undTransfersystem; denn imGesundheitssystemgibt es einen einheitlichenBei‐tragssatzvon14,9Prozent,unddieSolidaritätendetbeiderBeitragsbemessungsgrenze.ImSteuer‐systemwird jedermit all seinenEinkünften nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert, und jeder,übrigensauchdieprivatVersicherten,wird finanziell fürdieGemeinschaftverpflichtet.FürCDU,CDUundFDPendenSolidaritätundGerechtigkeitebennichtbeieinerBeitragsbemessungsgrenzevon3750Euro“(Rösler2009e:274).
DasEinbeziehendereher‚linken’Kritikhatoffensichtlichdazugeführt,dassder‚Sozial‐
ausgleich’vondenOppositionsparteienund‐politikern–soweitinderöffentlichenDe‐
batte erkennbar – nicht grundsätzlich kritisiert und in Frage gestellt wird. Die Kritik
richtetsichvielmehrvorallemaufdieFragederFinanzierbarkeit,dieangezweifeltwird.
Es scheint von daher angebracht, den ‚Sozialausgleich’ im Rahmen des ‚Gesundheits‐
prämienmodells’einergenauerenPrüfungzuunterziehen,insbesondereimHinblickauf
dieFrage,oberzueinersozialgerechterenVerteilungvonFinanzierungslastenderge‐
setzlichenKrankenversicherungführenkannundsoll.
DasBegründungsmusterfürden‚Sozialausgleich’enthältdreizentraleArgumentations‐
kerne:
• DersozialeAusgleichinderGKVseiunzureichend:DasBegründungsmustergehtaus
von der Kritik, dass zur Finanzierung des sozialen Ausgleichs in der gesetzlichen
Krankenversicherung nur die der Versicherungspflicht in der GKV unterworfenen
Mitglieder bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze verpflichtet sind und da‐
durchBürgermiteinemEinkommenoberhalbderVersicherungspflichtgrenzesowie
andereEinkommenaußerdemArbeitseinkommennichtzurFinanzierungdessozia‐
lenAusgleichsherangezogenwerden(Rösler2009e:274;Spahn2009a).Dieswird
‐115‐
als„sozialungerecht“(Rösler2009e:274)kritisiertunddieEinbeziehungauchdie‐
ser Bevölkerungsgruppen und Einkünfte in den sozialen Ausgleich als notwendig
dargestellt(Spahn2009a).
• DersozialerAusgleichgehörenichtindiegesetzlicheKrankenversicherung:DieFinan‐
zierung des sozialen Ausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung – so die
implizite,teilweiseauchausdrücklicheAuffassung–seieinegesamtgesellschaftliche
Aufgabe (CDU2003:25)undmüssenachwirtschaftlicherLeistungsfähigkeit erfol‐
gen. Dies sei aber innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich.
DiegesetzlicheKrankenversicherungseiohnehinder falscheOrt füreinensozialen
Ausgleich(FDP2007:2;Flach2009),denneineKrankenversicherungseinurfürden
AusgleichzwischenGesundenundKrankenzuständig,nichtaberfüreinenAusgleich
zwischen hohen und niedrigen Einkommen (FDP 2009: 18; Flach 2009; Rösler
2009a).UmverteilungseieinesozialpolitischeAufgabeundsozialpolitischbegründe‐
teAusgleichsmaßnahmenmüsstenausSteuermittelnfinanziertwerden(FDP2007:
2;Flach2009).
• Ein steuerfinanzierter Sozialausgleich sei sozialgerechter:Ein sozialerAusgleich sei
ambestenüberdasSteuersystemzuerreichen,dadortdieLastennachwirtschaftli‐
cher Leistungsfähigkeit auf alle Steuerpflichtigen verteilt werden (FDP 2007: 2;
2009:18).Soseizuerreichen,dassauchdieVersichertenderprivatenKrankenver‐
sicherung an der Finanzierung des sozialen Ausgleichs beteiligt werden (Rösler
2009e:274).
Im Folgenden sollen diese drei Argumentationskerne jeweils getrennt einer Prüfung
unterzogenwerden.
5.3.1 ZurKritikamunzureichendensozialenAusgleichindergesetzlichenKran
kenversicherung
DieKritik,dersozialeAusgleichindergesetzlichenKrankenversicherungsei„sozialun‐
gerecht“(Rösler2009e:274),weildieFinanzierungslastennichtaufdieGesamtheitder
Steuerzahler,sondernnuraufdieGKV‐Mitgliederverteiltunddadurchdiewirtschaftlich
besonders leistungsfähigen unter den Steuerzahlern verschontwürden, impliziert bei
‐116‐
genauer Betrachtung die Forderung nach einer Überführung des deutschen Gesund‐
heitssystemsineinreinsteuerfinanziertesSystem.Denn:Wenndiealswünschenswert
dargestellte sozial gerechte Verteilung von Finanzierungslasten der Krankenversiche‐
rungnuroderamBestenüberdasSteuersystemzuerreichen ist, stellt sichdieFrage,
warumdannnureinkleinerTeildersozialenLasteneinergesetzlichenKrankenversi‐
cherungindieSteuerfinanzierungüberführtwerdensoll?DerVerweisaufdieaktuellen
Haushaltsprobleme wäre keine befriedigende Antwort. Denn: Wenn die Begründung
wirklichernstgemeintwäre,müsstensichindenprogrammatischenDokumentenein‐
deutigeAussagendarüber finden lassen, dass langfristig dieUmstellung auf eine voll‐
ständige Steuerfinanzierung des deutschen Gesundheitssystems angestrebt wird. Be‐
kanntlich lässt sich eine solche Forderung in keinem Parteitagsbeschluss oder Pro‐
grammvonCDUoderFDP finden.Ganz imGegenteil, ein staatliches, rein steuerfinan‐
ziertesGesundheitssystemwirdentschiedenabgelehnt.
IstmanderAuffassung,essei‚sozialungerecht’,wenndieEinbeziehungindensozialen
AusgleichdergesetzlichenKrankenversicherungbeiderVersicherungspflicht‐undBei‐
tragsbemessungsgrenze endet, ergibt sich daraus aber nicht zwingend die Forderung
nach einer Steuerfinanzierung. Das Problem ließe sich ohne radikalen Systemwechsel
undinnerhalbdesgegenwärtigenSozialversicherungssystemsdurcheineAnhebungder
Versicherungspflicht‐ und Beitragsbemessungsgrenze sowie eine Ausweitung der Bei‐
tragspflichtaufweitereEinkommensarten lösen.DieserWegwurde inderVergangen‐
heit bereits mehrfach beschritten und hielt auch mehrfach einer Überprüfung seiner
VerfassungsmäßigkeitdurchdasBundesverfassungsgerichtstand(BVerfGE11,105;14,
312; 23, 12; 75, 108; 79, 223; 114, 196). DasBundesverfassungsgericht hat in seinen
diesbezüglichenEntscheidungenmehrfachbetont,dassdemGesetzgeberindiesenFra‐
geneinweiterGestaltungsspielraumzukomme.StellvertretendfürandereEntscheidun‐
genseihierausdemPKV‐UrteildesJahres2009zitiert:
„DerGesetzgeberkanndenKreisderPflichtversichertensoabgrenzenwieesfürdieBegründungeiner leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (vgl. BVerfGE 44, 70 <90>; 103, 271<288>;BVerfGK2,283<288>).ErhatdabeieinenweitenGestaltungsspielraum“(BVerfG2009:Rn229).
DieserWegwirdbekanntlichvonderUnionwieauchderFDPentschiedenabgelehnt.
Wennaberstattdessenbehauptetwird,dieSteuerfinanzierungseidiesozialgerechtere
Finanzierung,wirftdiesaber–wiezuvordargelegt–dieFrageauf,warumdannnicht
insgesamtaufeineSteuerfinanzierungumgestelltwird.Wennauchdiesabgelehntwird,
‐117‐
wirftdiesFragennachderlogischenKonsistenzeinessolchenArgumentationsmusters
auf.Oderumgangssprachlichformuliert:Irgendwiepasstdasnichtzusammen.DieAuf‐
lösung dieser ‚Ungereimtheit’ in der CDU/FDP‐Argumentation liegt in der speziellen
VerwendungdesBegriffs ‚Sozialausgleich’.Der soll imFolgendennähernachgegangen
werden.
Deutet man den Begriff ‚Sozialausgleich’ in dem Sinne, wie der Begriff ‚sozialer Aus‐
gleich’ in Sozialrecht und Rechtsprechung bis hin zum Bundesverfassungsgericht ge‐
brauchtwird,someinterinBezugaufdiegesetzlicheKrankenversicherungdiegemein‐
sameDeckungeinesdefiniertenBedarfsdurchUmverteilungderKostenaufeinenvom
GesetzgeberfestgelegtenKreisvon„Beteiligten“(BVerfGE11,105[112]).DasBundes‐
verfassungsgericht spricht aus gutem Grund in dem zitierten Urteil von „Beteiligten“,
denndieFinanzierungslastenwerdennichtnurvondenMitgliedernundArbeitgebern,
sondernauchvonanderengetragen,seitdemKünstlersozialversicherungsgesetzbspw.
auchvonVerlagen,Tonträgerherstellern,Werbeagenturenetc.20DieBeteiligtenwerden
durchgesetzlichenZwanganderTragungderFinanzierungslastenbeteiligt, indemsie
verpflichtet werden, Beiträge an die entsprechende Sozialversicherung zu entrichten,
deren Höhe sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen des versicherten Mitglieds
richtet.DurchdieBemessungdesBeitragsalsprozentualerAnteildesEinkommensder
Mitglieder soll die Beteiligung an den Finanzierungslasten nach wirtschaftlicher Lei‐
stungsfähigkeitsichergestelltunddemfürdiegesetzlicheKrankenversicherungtragen‐
denSolidarprinzipentsprochenwerden(BVerfGE79,223[236f.]).
Esdürftedeutlichgewordensein,dass‚sozialerAusgleich’indiesemSinneetwasgrund‐
legendanderes istalseineBezuschussungvonKrankenversicherungsbeiträgenfürBe‐
dürftige. Begreiftman den Begriff ‚Sozialausgleich’ im Sinne des Sozialrechts und der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, someint er einen umfassenden Aus‐
gleich sozialer LastendurchUmverteilung auf eine durchdenGesetzgeber festgelegte
„Vielheit“(BVerfGE11,105[112])vonBeitragszahlern.Meintmaneinensoverstande‐
nen ‚Sozialausgleich’durchdieÜberführung indieSteuerfinanzierungsozialgerechter
gestaltenzukönnen,würdediesinderTatdieÜberführungineinevollständigeSteuer‐
finanzierungerfordern.
20 zurVerfassungsmäßigkeitderentsprechendenRegelungenvgl.BVerfGE75,108.
‐118‐
Wiebereitsherausgearbeitet,wirdderBegriff vonVertreternderCDUundFDPaller‐
dings ineinemanderenSinnegebraucht,undzwaralsBezeichnungfüreinensteuerfi‐
nanzierten Beitragszuschuss für Geringverdiener. Ein solcher staatlicher Beitragszu‐
schussverdientabernichtdieBezeichnung‚Sozialausgleich’.WennderBegriffdennoch
dafürverwendetwird,sohandeltessichumeineirreführendeFehletikettierung.Über
dieMotivekannnurspekuliertwerden.AberesdrängtsichdochderEindruckauf,als
würdedamitversuchtdenEindruckzuerwecken,esgingeesumdas,wassozial‐und
verfassungsrechtlich als ‚sozialer Ausgleich’ bezeichnet wird. Aber auch wenn diese
FehletikettierungausUnkenntnisdersozialrechtlichenBedeutunggeschehensollte,wä‐
redieszukritisieren.VonParteienundPolitikern,diedieGesundheitspolitikaufBun‐
desebenegestaltenwollen,musserwartetwerdenkönnen,dasssieumdieBedeutung
zentralerBegriffedesSozialrechtswissen.
5.3.2 Sozialversicherung–derfalscheOrtfürdensozialenAusgleich?
AuchdieBehauptung,dieSozialversicherung‚gesetzlicheKrankenversicherung’seiun‐
geeignet und der falsche Ort für einen einkommensbezogenen Sozialausgleich, da die
Krankenversicherung nur dem Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken diene, wi‐
derspricht sowohl der einschlägigen Sozialrechtsliteratur (vgl. u.a. Igl/Welti 2007: 6;
Schenkel 2008: 25ff.; Schnapp/Kaltenborn 2001: 12ff.), als auch höchstrichterlicher
Rechtsprechung.InseinerRechtsprechunghatdasBundesverfassungmehrfachklarge‐
stellt, dass der soziale Ausgleich zu den zentralenWesensmerkmalen der Sozialversi‐
cherungunddamitauchdergesetzlichenKrankenversicherunggehört.21Stellvertretend
für zahlreiche andere Entscheidungen sei hier nur aus einer zitiert, in der die Essenz
sehrklarundeindeutigzusammengefasstwird: „GeradediesersozialeAusgleichprägt
denCharakterder‚Sozial’versicherung“(BVerfGE17,1[9]).DieBehauptung,dersoziale
AusgleichgehörenichtindiegesetzlicheKrankenversicherung,stehtsomitindiametra‐
lemGegensatzzurRechtsprechungdesBundesverfassungsgericht,diehier stellvertre‐
tendfürauchfürdieSozialgerichtsbarkeitstehensoll.
Und das Bundesverfassungsgerichtwiderspricht auchmehrfach und ausdrücklich der
Auffassung, indergesetzlichenKrankenversicherunghabenureinAusgleichzwischen
21 vgl.insbesondereBVerfGE11,105[112];14,312[317];23,12[22];70,101[111];75,108[146];79,
223[236f.];113,154[196,220];114,196[220].
‐119‐
GesundenundKrankenzuerfolgen.Esstellteindeutigfest,indergesetzlichenKranken‐
versicherung„findeteinumfassendersozialerAusgleichzwischenGesundenundKran‐
ken, JungenundAlten,VersichertenmitniedrigemEinkommenundsolchenmithöhe‐
remEinkommensowiezwischenAlleinstehendenundPersonenmitunterhaltsberech‐
tigtenFamilienangehörigenstatt“(BVerfGE113,154[220]).Und inseinemPKV‐Urteil
ausdemJahr2009hebtessogardievonCDUundFDPals‚versicherungsfremd’qualifi‐
ziertenAusgleichedurchdenZusatz „vor allem“ als für die Sozialversicherungbeson‐
derscharakteristischhervor:
„DiegesetzlicheKrankenversicherungdientdemsozialenSchutzundderAbsicherungvonArbeit‐nehmernvordenfinanziellenRisikenvonErkrankungen.Siebasiertaufeinemumfassendensozia‐lenAusgleichzwischenGesundenundKranken,vorallemaberzwischenVersichertenmitniedri‐gemEinkommenundsolchenmithöheremEinkommen(vgl.BVerfGE79,223<236f.>)sowiezwi‐schen Alleinstehenden und Personen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen“ (BVerfG2009:Rn229).
5.3.3 DersozialeAusgleichinderGKV–nurzwischenGesundenundKranken?
AuchwenndieAuffassung, indergesetzlichenKrankenversicherungfindeein ‚sozialer
Ausgleich’ oder ‚Solidarausgleich’ zwischen mehreren Typen von Versicherten statt,
nichtnurinderRechtsprechungdesBundesverfassungsgerichtsundandererGerichte,
sondernauchvielfachinderFachliteraturzufindenist,soistsiedennochinZweifelzu
ziehen.
Bei genauerer Betrachtung des Finanzierungssystems der gesetzlichen Krankenversi‐
cherung lassen sich derartige Unterscheidungen in verschiedene soziale Ausgleiche
nichtaufrechterhalten.DadiesnichtnurfürdieBewertungderBegründungeines‚Ge‐
sundheitsprämienmodells’vonBedeutungist,sondernauchfürdiesozial‐undgesund‐
heitspolitischeDiskussioninsgesamt,sollesimFolgendennähererläutertwerden.Da‐
beiwirdsozialerAusgleich–sowiederBegriffinderDiskussionüblicherweiseverwen‐
detwird–alseinegegenseitigesolidarischeUnterstützunginderFormbegriffen,dass
jeweilseineGruppedieFinanzierungslastenfürdieVersorgungderjeweilsanderenge‐
nanntenGruppe trägtbzw. sichdaranbeteiligt.DieVerwendungdesBegriffs ‚sozialer
Ausgleich’ oder ‚Solidarausgleich’ indiesemSinn impliziert dieAnnahme, dass es sich
beiderunterstützendenGruppeum ‚Nettozahler’handelt,diemehranBeitrageinzah‐
len, als sie anKosten verursachen. Die unterstützte Gruppe hingegenwird als ‚Netto‐
empfänger’angesehen,diemehrKostenverursacht,alssieanBeiträgeneinzahlt.
‐120‐
SicherlichhatdieVorstellungeinegewissePlausibilität,mankönnedieGesamtheitder
Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in Gruppen unterteilen, zwischen
deneneinzelnegruppenbezogenesozialeAusgleiche inFormvonGeldströmenfließen.
OhneZweifellassensichauchzahlreicheEinzelfällefinden,indenenderEindrucknahe‐
liegt,dassGesundedurch ihreBeiträgedieKostenderVersorgungKrankermit tragen
oderJungefürAlteoderAlleinstehendefürbeitragsfreimitversicherteFamilienangehö‐
rigeoderBezieherhoherEinkommenfürBezieherniedrigerEinkommen.
Eine solche Sichtweise auf die gesetzliche Krankenversicherung entspricht aber nicht
derKonstruktionslogikderalsSozialversicherungorganisiertengesetzlichenKranken‐
versicherung. In ihr gibt es nur einen einzigen Sozialausgleich: Der nach gesetzlichen
KriterienfestgestellteBedarfderGesamtheitallerVersichertenistdurchdiezurFinan‐
zierung der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichteten Personen und Organisa‐
tionenzudecken,unddieAufbringungderzurDeckungdesBedarfserforderlichenMit‐
telhatsichnachderwirtschaftlichenLeistungsfähigkeitderanderFinanzierung„Betei‐
ligten“ zu richten.Das ist derKerndessen,was inderFachdiskussionunterBegriffen
wie‚sozialerAusgleich’,‚Solidarausgleich’oder‚Solidarprinzip’diskutiertwird.
UnddiesesPrinzipistunteilbar.EineDifferenzierunginGruppenwidersprichtdemWe‐
sendergesetzlichenKrankenversicherung,dennesist„fürdieSozialversicherunggera‐
de eine Umverteilung und die Geltendmachung einer sozialen Verantwortlichkeit jen‐
seits vorgegebener Gruppenhomogenität typisch“ (BVerfGE 75, 108 [158]). Umgangs‐
sprachlichlässtsichdasfürdiegesetzlicheKrankenversicherungzentraleundtragende
SolidaritätsprinzipmitdemSatzkennzeichnen„Einerfüralle,allefüreinen“(Igl/Welti
2007:9).
DieVorstellung gruppenspezifischer Sozialausgleiche stößt bei genauererBetrachtung
aberauchaufreintechnischeProblemederUmsetzung.IhrliegtletztlichdieAnnahme
zugrunde, die Geldströme in der gesetzlichen Krankenversicherungwürden zwischen
den genannten Gruppen fließen und seien auch als einzelne Transfers kostenrechne‐
rischeindeutigabgrenzbar.
Daserste‚technische’ProblemeinersolchenSichtweiseistdieTatsache,dassVersicher‐
teTrägernichtnureinesderverwendetenMerkmalesind,sonderninderRegelTräger
mehrerMerkmalezugleich.EineeindeutigeundzweifelsfreieGruppenbildungundindi‐
‐121‐
viduelleZuordnung istdarumkeineswegssoeinfach,wiediesaufdenerstenBlicker‐
scheinenmag.DiessollendienachfolgendenBeispieleveranschaulichen:
• Sozialer Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken: Bereits die Alltagserfahrung
zeigt,dasseseinensolchengruppenbezogenenAusgleich indergesetzlichenKran‐
kenversicherungnichtgebenkann.Sowerdenbspw.diegesundenbeitragsfreimit‐
versichertenFamilienangehörigeneinesMitglieds,dasiekeineneigenenBeitragzah‐
len,auchinkeinerWeiseanderDeckungderdurchkrankeVersicherteverursachten
Kostenbeteiligt.UndsoträgteingesunderVersichertermitsehrgeringemEinkom‐
menwenigerFinanzierungslasten,alseinaneinerErkältungoderGrippe leichter‐
kranktesMitgliedmitsehrhohemEinkommen,dertrotzseinerleichtenErkrankung
undderdadurchverursachtenKostendennochweiterhin‚Nettozahler’bleibt.Führt
eineErkrankungzurArbeitsunfähigkeit,werdendieKostenderLohnfortzahlungso‐
garüberhauptnichtvonderSolidargemeinschaftderBeitragszahlergetragen, son‐
dernmüssenvonGesetzwegendurchdieArbeitgebergetragenwerden.Erstnach
diesensechsWochen trägtdieSolidargemeinschaftdergesetzlichenKrankenversi‐
cherungdasdannzuzahlendeKrankengeld.Undnichtzuletzt:DieKostenderKran‐
kenversorgungwerdenbekanntlichnichtnurvondenMitgliederngetragen,sondern
auchvondenArbeitgebern,dieselbstalsPersonzumeistineinerprivatenKranken‐
versicherungversichertsind.Ganzzuschweigendavon,dassderStaateinenTeilder
KostenausSteuermittelnträgt,alsodurchSteuern,dievonGesundenundKranken
gezahltwerden.DieseAuflistungließesichnochweiterführen,aberdieUnsinnigkeit
derAnnahmeeinesabgegrenzten sozialenAusgleichs indergesetzlichenKranken‐
versicherung zwischenGesundenundKrankendürftehinreichenddeutlich gewor‐
densein.
• SozialerAusgleichzwischenJungenundAlten:AuchdieAnnahme,dieJungenwürden
dieAltenindergesetzlichenKrankenversicherunginnerhalbeinesabgrenzbarenso‐
zialenAusgleichs unterstützen, hält einerÜberprüfung nicht stand.Dies sollen die
folgendenexemplarischenBeispieleverdeutlichen.Sohandeltessichbeigesunden
Altenum‚Nettozahler’,derenBeitrags‐Kosten‐Verhältnisumsopositiverausfällt,je
höher ihrebeitragspflichtigenAlterseinkünfte sind.UndausdiesenBeiträgenwer‐
denauchdieKostenderKrankenbehandlung schwerkrankerKinder, Jugendlicher
oderjungerErwachsenerbezahlt.DiesesBeispielistinsofernvonbesondererBedeu‐
‐122‐
tung, als der Anteil der Rentner, die sowohl gesund sind als auch ein hohes Al‐
terseinkommenbeziehen,indenletztenJahrengestiegenist.
• Sozialer Ausgleich zwischen Alleinstehenden und Familien: Zwar gibt es eine große
ZahlalleinstehenderKrankenkassenmitglieder,diealsNettozahlerauchdieKosten
betragsfrei versicherter Familienangehöriger tragen, aber es gibt auch die andere
RichtungdergegenseitigenUnterstützung.SomüssendieKosteneineskrankenal‐
leinstehendesMitgliedsebenauchvonMitgliederngetragenwerden,dieselbstund
derenFamilienangehörigegesundsind.
• Sozialer Ausgleich zwischen hohen und niedrigenEinkommen: Undnicht zuletztwi‐
dersprichtauchdieAnnahmeeinesabgrenzbarensozialenAusgleichszwischenho‐
henundniedrigenEinkommenderKonstruktionslogikundWirklichkeitdergesetz‐
lichenKrankenversicherung.SokanneinMitgliedmithohemEinkommenselbstso
schwererkrankenodereinschwerkrankesKindhaben,dassdervondemMitglied
gezahlteBeitragnichtzurDeckungderfürdieVersorgunganfallendenKostenreicht.
Dannwerden– folgtmandemhierkritisiertenDenkmuster–dieKostenauchvon
MitgliedernmitgeringemEinkommengetragen,wenndiesegesundsindundkeine
odernursehrgeringeKostenverursachen.
EinweiteresProblembeidemVersucheinerGruppenzuordnungistderUmstand,dass
diespezifischeindividuelleKombinationderMerkmaleeinesVersicherteneinemstän‐
digenWandel unterliegt. Gesunde können krank werden oder einen schweren Unfall
erleiden, Kranke können vollständig geheilt und gesundwerden, Ledige heiraten und
bekommenKinder,StudentennehmennachihremStudiumeinehochbezahlteBerufstä‐
tigkeit auf, Arbeitnehmerwerden durch die Erreichung der Altersgrenze zuRentnern
etc.DurchkurzfristigeodersogarplötzlicheEreignissekannsichdieZugehörigkeitei‐
nesVersichertenzueinerdergenanntenGruppensogarinnerhalbvonSekunden,Minu‐
tenoderStundengrundlegendundeinschneidendverändern,beispielsweisedurchei‐
nenschwerenUnfalloderschwereakuteErkrankungdesMitgliedsodereinesbeitrags‐
freimitversichertenFamilienangehörigen.
EinesolcheGruppenabgrenzung,wennmansiedennkostenrechnerischgenauvorneh‐
menwollte,müssteimGrundejedeMinuteoderStunde,täglichodermonatlichneuvor‐
genommen werden. Je größer der für die Neubestimmung der Gruppenzugehörigkeit
‐123‐
verwendeteZeitraumgewähltwürde,destoungenauerwürdedieTreffsicherheit,desto
‚unreiner’undzweifelhafterwürdendieGruppenabgrenzungen.Abwann istbeispiels‐
weise bei einer monatlichen Neubestimmung ein vormals gesunder Versicherter bei
einerNeuerkrankungderGruppeder krankenVersicherten zuzuordnen? Soll die ent‐
sprechendeGrenze zeitlich gezogenwerdenoder sich andenKosten orientieren?Wo
sollsiedannjeweilsliegen?WoistüberhauptdieGrenzeanzusetzen,abderjemandals
krankimSinnederGruppenabgrenzungzugeltenhat?
DieVorstellunggruppenspezifischerZuordnungundAbgrenzungvonVersichertender
gesetzlichen Krankenversicherung erweist sich bei genauerer Betrachtung als nicht
zweifelsfreidurchführbar.VorallemaberistsiederalsSozialversicherungorganisierten
gesetzlichen Krankenversicherung wesensfremd und widerspricht ihrem zentralen
Leitgedanken gruppenübergreifender Solidarität. Ihre oberflächliche Plausibilität ver‐
danktsiesicherlichauchden imKrankenversicherungsrechtvorhandenenUnterschei‐
dungeninunterschiedlicheArtenvonMitgliedernundVersicherten.Diesedienenaber
inersterLinieundfastausschließlichderbeitragsrechtlichenFrage,werentsprechend
seinerLeistungsfähigkeitinwelchemUmfangzurDeckungdesGesamtfinanzierungsbe‐
darfsherangezogenwerdensollunddarfoder– inAnlehnunganFormulierungendes
Bundesverfassungsgerichts–anderFinanzierungdesGesamtbedarfszu‚beteiligen’ist.
WenndieVorstellunggruppenspezifischersozialerAusgleicheaberderSozialversiche‐
rungfremdist,stelltsichdieFrage,woherdieseVorstellungstammtundworaussiesich
speist.DieSuchenacheinerAntwortführtzurprivatenKrankenversicherungunddem
sieprägendenÄquivalenzprinzip.FürdiePKVistdieKalkulationderVersicherungsbei‐
trägenachindividuellenoderGruppenmerkmalenprägendundzentral.SiehatihreVer‐
sicherungsbeiträgesozuberechnen,dassdiezuzahlendePrämiedenzuerwartenden
KostendeseinzelnenVersichertenoderderVersichertenkohorteentsprechen,derder
einzelne Versicherte zugeordnet ist. Ein gruppenübergreifender sozialer Ausgleich,
bspw. durch einen für alle Versicherten einheitlichen Pauschalbeitrag oder einkom‐
mensbezogenenBeitragssatzistihrsogarvomGesetzgeberverboten.BeiderKalkulati‐
onderPrämiensind„versicherungstechnischeMethoden“anzuwendenwiesiederpri‐
vatenVersicherungswirtschaftdurch§1derKalkulationsverordnung(KalV)desBundes
vorgegebenwerden.
‐124‐
5.3.4 SozialpolitischbegründeteUmverteilung–keineAufgabederSozialversi
cherung?
AlsBegründung fürdas ‚Gesundheitsprämienmodell’unddieEinführungeines ‚Sozial‐
ausgleichs’imSinnediesesModellswirdauchangeführt,Umverteilungseieinesozialpo‐
litische Aufgabe, und sozialpolitisch begründete Ausgleichsmaßnahmen müssten aus
Steuermittelnfinanziertwerden(FDP2007:2;Flach2009).EinesolcheDarstellungof‐
fenbart entwedermangelnde sozialpolitischeund sozialrechtlicheKenntnisseoderein
hohesMaßanSelbstüberschätzunginderFähigkeit,diesesbesserbeurteilenzukönnen
alsdieeinschlägigeSozialrechtsliteraturundhöchstrichterlicheRechtsprechung.
IhreErklärungkönntendieseargumentativenMerkwürdigkeitendarinfinden,dassdie
FDP die als Sozialversicherung verfasste gesetzliche Krankenversicherung abschaffen
unddurcheinreinesPKV‐Systemersetzenwill,da„dieordnendeFunktiondesMarktes
garantiert, dass die begrenzten Mittel auf die beste Weise eingesetzt werden“ (FDP
2007:2).IneinersolchenWeltsichterscheintdieSozialversicherungoffenbaralsdefizi‐
täre Abweichung von einermarktregulierten Ressourcenallokation, diemöglichst frei
vonstaatlicherRegulierungseinsollte.UndinderTat,daswasdieSozialversicherungin
DeutschlandalssozialenAusgleichleistet,wäreeineprivateKrankenversicherungnicht
inderLageundwillenszuleisten.Schafftman–wasdieFDPzuihremZielerklärthat–
dieSozialversicherungindiesemBereichab,dannmussderStaatmitSteuermittelndort
einspringenwoderMarktversagtundsicheinzunehmenderTeilderBevölkerungkei‐
nenKrankenversicherungsschutzmehrleistenkann.UnterdiesenVorzeichenergibtdie
Aussage, sozialpolitischmotivierteUmverteilunggehörenicht indieKrankenversiche‐
rung,durchauseinenSinn,allerdingskannmit‚Krankenversicherung’dannnurdiepri‐
vateKrankenversicherunggemeintsein.EineanderesollesnachdenVorstellungender
FDPzukünftigaberauchnichtmehrgeben.Sobetrachtet,kanndieangesprocheneAr‐
gumentationsliniedurchausalsinsichgeschlossenangesehenwerden.
5.3.5 SteuerfinanzierterSozialausgleich–dassozialgerechtereModell?
BleibtalsdritterArgumentationskernnochdieAuffassung,der im ‚Gesundheitsprämi‐
enmodell’vorgesehenesteuerfinanzierte ‚Sozialausgleich’ führezueinersozialgerech‐
terenVerteilungvonFinanzierungslastendergesetzlichenKrankenversicherungalsdies
‐125‐
imBeitragssystemmöglichsei,daeralleSteuerzahlereinbeziehtundnichtnurdieBei‐
tragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung. Dass eine Ausweitung des Kreises
derPflichtversichertenüberdieAnhebungodergarvollständigeAufhebungderVersi‐
cherungsgrenzezuerreichenist,diesabersowohlvonderCDUalsauchderFDPabge‐
lehntwird,wurdebereitsanfrühererStelleangesprochen.
ImMittelpunktdernachfolgendenBetrachtungensollendieVerteilungswirkungeneiner
Umwandlung der bisherigen Beitragsfinanzierung der gesetzlichen Krankenversiche‐
rung auf eine Steuerfinanzierung durch den Bundeshaushalt stehen. Die Betrachtung
geht von einer reinen Beitragsfinanzierung des GKV‐Haushaltes aus, und lässt zum
ZweckderVereinfachungallegegenwärtigenAbweichungenunberücksichtigt,alsoins‐
besonderedenbereits fließendenundzukünftig steigendenBundeszuschuss,deraber
auchnachErreichenderfestgelegtenZielgrößeimmernochdeutlichwenigerals10%
desGKV‐Haushaltesausmachenwird.ZudemwirdbeiderPrüfungderVerteilungswir‐
kungenausGründenderVereinfachungdavonausgegangen,dassweiterhinnurdieMit‐
glieder beitragspflichtig sind, nicht aber – wie es das ‚Gesundheitsprämienmodell’ ei‐
gentlichvorsieht–alleVersicherten.
Wiebereits an früherer Stelle ausgeführt, siehtdas ‚Gesundheitsprämienmodell’ keine
vollständige Umstellung auf eine Steuerfinanzierung vor, und ‚Sozialausgleich’ in der
Lesart des ‚Gesundheitsprämienmodells’ meint die Finanzierung einer Prämienbezu‐
schussungfürBezieherniedrigerEinkommen.UmdieRichtigkeitderBehauptung,dass
einsolchesModellzumehrsozialerGerechtigkeitinderVerteilungderFinanzierungsla‐
stendergesetzlichenKrankenversicherungführe,zuprüfen,solldieVerteilungswirkung
einersolchenÄnderunguntersuchtwerden.DiessollnichtaufdemWegeinerkomple‐
xen ökonomischen Modellrechnung erfolgen, sondern primär nur auf demWeg logi‐
scherSchlussfolgerungenundunterZuhilfenahmeeinesallgemeinverfügbarenAlltags‐
wissens.
Zunächsteinmalistdaranzuerinnernundfestzuhalten,dassdas‚Gesundheitsprämien‐
modell’ die Umstellung von einkommensbezogenen Beiträgen auf einkommensunab‐
hängigeBeitragspauschalenvorsieht,derenHöhesichandendurchschnittlichenAusga‐
bender jeweiligenKrankenkasseproMitgliedoderVersichertemorientiertensoll.Die
soberechneteBeitragspauschalewirddieBezieherhoherEinkommenentlasten,dadie
Pauschale niedriger als ihr vorheriger Beitrag seinwird. Für Bezieher durchschnittli‐
‐126‐
cher, unterdurchschnittlicher und niedriger Einkommen wird die Beitragspauschale
höherseinalsihrvorherigerBeitrag.
UmBeziehersehrniedrigerEinkommenvoreinerÜberlastungzuschützenundzuver‐
hindern, dass sie sich einen Krankenversicherungsschutz nicht mehr leisten können,
sollensievomStaateinensteuerfinanziertenZuschusszuihremKrankenversicherungs‐
beitragerhalten.MankannsomitdreiGruppenvonMitgliederndergesetzlichenKran‐
kenversicherungunterscheiden,dievonderUmstellunginunterschiedlichemMaßebe‐
troffenwären:
• BezieherhoherEinkommenderenBeitragvorderUmstellungüberderBeitragspau‐
schaleliegt,
• Bezieher niedriger Einkommen, deren Einkommen unterhalb einer noch festzule‐
gendenGrenzeliegt,abderAnspruchaufeinenstaatlichenBeitragszuschussbesteht,
und
• Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen, deren bisheriger Beitrag unter der
zukünftigen Pauschale liegt, die aber keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss
haben,daihrEinkommenüberderAnspruchsgrenzeliegt.
Die Umstellung von einkommensbezogenen Beiträgen auf einkommensunabhängige
BeitragspauschalenführtsomitzunächsteinmalzueinerEntlastungvonMitgliedernmit
hohemEinkommenundeinerMehrbelastungfürdiebeidenanderenGruppen.Während
dieMitgliedermit einem Einkommen unterhalb der Anspruchsgrenze einen Zuschuss
erhalten, muss die zweite Gruppe, also Mitglieder mit einem durchschnittlichen oder
unterdurchschnittlichenEinkommenmehr zahlen als imSystemeinkommensabhängi‐
gerBeiträge.
DieseMehrbelastung dermittlerenGruppe,mit hoherWahrscheinlichkeit diemit Ab‐
standgrößteMitgliedergruppeindergesetzlichenKrankenversicherung,istkeinVerse‐
hen,sondernsiewirdvonCDUundFDPfürsinnvollundnotwendiggehalten.Hiergreift
einesderzentralenBegründungsmusterdes‚Gesundheitsprämienmodells’,derVerweis
aufdie„Gesundheitsbranche“bzw.„Gesundheitswirtschaft“,dieausSichtderKoalition
eineZukunftsbrancheist,derenWachstumgefördertwerdensoll(CDU/CSU/FDP2009:
86).DieÄraderBudgetierungenundAusgabenbegrenzungensolleinEndefindenund
dieWachstumskräftedesGesundheitsmarktessollenohnederartigeFesselnzurEntfal‐
tungkommenkönnen.Allerdings–undhieristdieVerbindungzudenangesprochenen
Verteilungswirkungen des ‚Gesundheitsprämienmodells’ – soll diesesWachstum nicht
‐127‐
die Lohnkosten belasten. Deshalb gehört zumModell unbedingt auch die Begrenzung
des Arbeitgeberanteils am Krankenversicherungsbeitrag. Die gewünschten Ausgaben‐
steigerungen sollenausschließlichvondenVersichertengetragenwerden. Indenent‐
sprechenden Parteitagsbeschlüssen der CDU und FDP finden sich dazu die folgenden
Passagen:
„DieReformdarfdieWachstumsdynamikdesGesundheitswesensnichtbehindern.SiemussdamitaucheinenBeitragzurEntstehungvonmehrArbeitsplätzenindiesemBereichleisten“(CDU2003:12).
„WirwolleneineGesundheitsfinanzierung,diedurchWettbewerb,TransparenzundAbkoppelungvondenLohnkostendiegroßenChancendesGesundheitssektorsalsWachstumsbranchenutzbarmacht,anstattsiezubremsenundzuverhindern“(CDU2004:3).
„DerUmstiegvoneinemumlagefinanziertenSystem,dasvonderHandindenMundlebt,hinzuei‐nemkapitalgedecktenSystem,dasVorsorgefürdenhöherenBedarfanGesundheitsleistungenimAltertrifftunddienotwendigenSpielräumefürdieNutzungdesmedizinischenFortschrittseröff‐net,istmitgravierendenUmstellungsmaßnahmenverbundenundnichtohnezusätzlicheBelastun‐genderheutelebendenBürgerinnenundBürgermöglich“(FDP2004:5).
In einem Interview vom 12.10.2009 fasste der gesundheitspolitische Sprecher der
CDU/CSU‐Bundestagsfraktion diesesArgumentationsmuster noch einmalwie folgt zu‐
sammen:
„EswarimmerdasZiel,dieGesundheitskostenstärkervondenArbeitskostenzulösen.BegonnenwurdedamitbereitsmitderSPD‐inFormdesbestehendenSonderbeitragsfürdieVersicherteninHöhevon0,9Prozent.Ichdenke,dassesrichtigist,ZusatzbeiträgeindieVerantwortungderVersi‐chertenzugeben.UmdieLohnkostenwirklichzuentlasten,müsstemansieaberpauschalerheben.UnddieMenschenwissenauch,dassesteurerwerdenwird.GlaubenSiemir:Vielesindauchbereit,mehrzuzahlen,wenndieVersorgungsogutbleibtwiesieist"(Spahn2009c).
AuchausdieserPerspektivebetrachtetzeigtsich,dassdas‚Gesundheitsprämienmodell’
vonseinerIntentionundinnerenLogikherkeinen‚Sozialausgleich’vorsehenkannund
soll,deralleBeitragserhöhungenfüralleMitgliedervollständigunddauerhaftausSteu‐
ermittelnträgt.WenndieAusgabenfürdenGesundheitsbereichsteigenunddieArbeit‐
geberdavonnicht betroffen sein sollen, dann sollennurdieVersicherten fürdie stei‐
gendenAusgabenaufkommen.WürdeeinvollständigerAusgleichvonMehrbelastungen
durch Steuermitteln zum untrennbaren Bestandteil des Modells gehören, ergäbe es
überhaupt keinen Sinn, klarzustellen, dass es für „dieMenschen“ teurerwerdenwird,
denndannwürdendieAusgabensteigerungenaufDauervomBundeshaushaltausgegli‐
chenundaufgefangen.
CDUundFDP streben erklärtermaßen an, die individuelleBelastungderVersicherten
anzuheben. Das lässt sich auch daran ablesen, dass sich beide Parteien in ihren pro‐
‐128‐
grammatischen Beschlüssenmehrfach und eindeutig für eine Ausweitung von Zuzah‐
lungen (Selbstbeteiligungen), Selbsthalten etc. ausgesprochen haben (CDU 2003: 27;
2007:61;FDP2009:19;FDP‐Bundestagsfraktion2009:4).Dadurchwerdenzwarnicht
alleVersichertengleichbetroffen, sondernnurdiejenigen,dieLeistungen inAnspruch
nehmen,aberesbleibendochVersicherte,dieallein–ohneBeteiligungderArbeitgeber
–dieKostenzutragenhaben.Werden–wasbeideParteienanstreben–dieZuzahlungen
ausgeweitet,führtdieszudemgleichenEffekteinerMehrbelastungalleinderVersicher‐
ten,wiesieauchdieZusatzbeiträgebewirken.
DieFrageistnun,obdieseVerschärfungeinersozialungleichenVerteilungvonFinan‐
zierungslastendurcheineteilweiseodervollständigeVerlagerungderFinanzierungauf
dasSteuersystemnichtnurkompensiert,sondernineingegenüberdemjetzigenSozial‐
versicherungssystem sozial gerechteres Modell umgewandelt werden kann und soll.
WenndiesdasZieleinerVerlagerungvonFinanzierungslastenindieSteuerfinanzierung
seinsollte,somüsstendiedurchdieUmstellungaufeinkommensunabhängigeBeitrags‐
pauschalen entlasteten GKV‐Mitglieder sowie alle Bezieher hoher Einkommen außer‐
halbder gesetzlichenKrankenversicherungdurch eine sehr gezielte, nur sie treffende
Steuererhöhung stärker belastet werden. Und die dadurch erzielten Mehreinnahmen
dürftendannauchausschließlichnurfürdieZweckeeines‚Sozialausgleichs’imRahmen
des ‚Gesundheitsprämienmodells’ verwendet werden. Eine solche Anforderung wirft
nicht nur erhebliche Probleme der technischen Umsetzung, sondern auch Fragen der
VereinbarkeitmitderVerfassungauf.
Solange es die gegenwärtige gesetzliche Krankenversicherung als Sozialversicherung
nochgibt,wäreein ‚Sozialausgleich’–wieimmererauchausgestaltetseinsollte–Teil
derLastenderSozialversicherung.DieZuschüssezudenLastenderSozialversicherung
hatgemäßArt.120Abs.1Grundgesetz(GG)derBundzutragen.Insofernistdavonaus‐
zugehen, dass die Refinanzierung eines ‚Sozialausgleichs’ allein der Bund aus seinem
Anteil am Steueraufkommen zu tragen hat. Eine Übertragung der Finanzierung eines
‚Sozialausgleichs’ fürGeringverdiener auf die Sozialhilfe,wo sie der Sozialrechtssyste‐
matiknachalsHilfeleistungfürBedürftigerichtigangesiedeltwäre,bedürftenichtnur
derZustimmungderLänderundeinerentsprechendenÄnderungdesFinanzausgleichs,
sondernwürdevermutlichauchdieFragenachderVerfassungsmäßigkeiteinersolchen
Lastenverlagerungaufwerfen.
‐129‐
WillderBunddenPrämienzuschussauseigenenMittelnundalseigenständigeSoziallei‐
stunggewähren, sokönnteereineigenesLeistungsgesetzbeschließenunddiedaraus
entstehenden Kosten aus seinem Anteil am Steueraufkommen tragen. Die hier ange‐
sprocheneProblematikwurde offenbar bereits bei der Entwicklung des ‚Gesundheits‐
prämienmodells’mitbedacht,dennderGrundsatzbeschlussderCDUzumGesundheits‐
prämienmodell aus dem Jahr 2004 sieht ein entsprechendes Leistungsgesetz als Lö‐
sungsansatzvor(CDU2004:6).
Die Schaffung einer neuen Sozialleistung ‚Zuschuss zumKrankenversicherungsbeitrag
für Geringverdiener’ würde aber auch steuerrechtliche Fragen aufwerfen. Da Steuern
zurDeckungdes allgemeinenFinanzierungsbedarfs öffentlicherHaushaltedienenund
keinerZweckbindungunterliegenoderunterworfenwerdendürfen,könntedieselekti‐
veErhebungeinerneuenzweckgerichtetenSteueroderselektiveAnhebungbestimmter
SteuernfüreinzelneBürgerzumZweckderRefinanzierungvonLastenderSozialversi‐
cherungauchvondieserSeiteherverfassungsrechtlicheFragenaufwerfen.
Eineweitergehende vertiefende Erörterung dieser Frage erübrigt sich jedoch, da füh‐
rendeVertreterderKoalitionbereitssehreindeutigundentschiedenklargestellthaben,
dassdieEinführungeinerPrämienbezuschussungohneSteuererhöhungenerfolgensoll.
DerMeldungdesSpiegel,esseiein„Gesundheits‐Soli“geplant(Elger/Reiermann2010),
wurdeumgehendundsehrentschiedenvonderFührungderFDPwidersprochen,und
als Antwort auf die Zahlen des Finanzministeriums übermögliche Optionen zur Refi‐
nanzierung eines ‚Sozialausgleichs’ durch Steuererhöhungen stellte der Staatssekretär
imBMG, Daniel Bahr,Mitte Februar fest, für die Umstellung seien „keine Steuererhö‐
hungennötig“(Bahr,in:Tageszeitung,12.02.2010:7).AuchGesundheitsministerRösler
positioniertesichsehreindeutig:
„Diechristlich‐liberaleKoalitionwirdihreGesundheitsreformohneSteuererhöhungenvornehmen“(Rösler,zit.n.FrankfurterRundschau,13.02.2010:5).
DiesistfürdiehierzuerörterndeFrageinsofernvonbesondererBedeutung,alsdamit
klargestelltwird,dassderEntlastungvonGKV‐MitgliedernmithohemEinkommenkei‐
neMehrbelastunghoherEinkommenimSteuersystemgegenüberstehensoll.Siewerden
dengleichenSteuersatzwiezuvorzahlen.DieUmstellungführtsomitzueineruneinge‐
schränktenNettoentlastung.UndauchdienichtindenSolidarausgleichdergesetzlichen
KrankenversicherungeinbezogenenVersichertenderPKVsollennichtdurcheineAnhe‐
‐130‐
bung ihrer Steuersätze zur Finanzierung der zusätzlichen Ausgaben durch eine Bei‐
tragsbezuschussungfürGeringverdienerherangezogenwerden.
Wenn der Finanzierungsbedarf aber aus den laufenden Steuereinnahmen des Bundes
gedecktwerden soll, tritt er in Konkurrenz zu anderenAusgabenpositionen des Bun‐
deshaushaltes. Steigen die Steuereinnahmen nicht, müsste zur Refinanzierung der
MehrausgabenanandererStellegekürztwerden.DieFragewäredann,anwelcherStelle
gekürzt werden soll, aus dem Haushalt welches Ressorts die notwendigen Mittel be‐
schafftwerdensollen.SolleinesolcheUmverteilunginnerhalbdesBundeshaushaltsdas
VersprecheneinersozialgerechterenLastenverteilung,alsostärkerenBelastunghoher
undhöchsterEinkommen,einlösen,dürftennursolcheHaushaltsansätzegekürztwer‐
den,diealleindenBeziehernhoherEinkommenzufließen.Eserscheintnichtnursehr
zweifelhaft, dass es solcheAusgabenpositionen gibt, sondern auchdass –wenn es sie
gebensollte–KürzungendieserLeistungenalleBezieherhoherEinkommengleichbe‐
treffenwürde.
WerdenstattdessenaberHaushaltspostengekürzt,die zurFinanzierungvonSoziallei‐
stungendienen, bspw.Arbeitslosengeld II,Wohngeld etc., sowürdedie Prämienbezu‐
schussungfürGeringverdienerüberproportionaloderausschließlichvonGeringverdie‐
nern, Sozialhilfeempfängernetc. finanziert.Manmüsste es sogarnochweiter eingren‐
zen,nämlichdassnursolchezurRefinanzierungherangezogenwürden,diebiszurKür‐
zungAnspruchaufdieentsprechendenLeistungenhatten.WürdenLeistungengekürzt,
die primär Beziehernmittlerer und unterdurchschnittlicher Einkommen zufließen, so
würdedieseEinkommensgruppedurchdieEinführungvonBeitragspauschalendoppelt
belastet.SiemüsstenzumeinenhöhereBeiträgezahlen,ohnedenAnspruchaufeinen
Beitragszuschuss zu erhalten, undmüssten allein für dieUnterstützungniedriger und
niedrigsterEinkommendurchstaatlicheLeistungskürzungenaufkommen.
DieProblematikeines‚Sozialausgleichs’ohnegleichzeitigeSteuererhöhungzurRefinan‐
zierungsollhiernichtweitervertieftwerden.Esdürfteausreichenddeutlichgeworden
sein,dasseineVerlagerungzurSteuerfinanzierungnichtpersezueinerErhöhungder
sozialenGerechtigkeitimSinneeinerstärkerenBelastunghoherundhöchsterEinkom‐
menführt.ObeinesolcheWirkungerzieltwird,istvonderkonkretenUmgestaltungdes
Steuersystems abhängig. Diese müsste primär finanziell besonders leistungsfähige
GruppenderBevölkerungstärkerbelasten;untereEinkommensgruppendürftenhinge‐
genaufkeinenFallstärkerbelastetet,sondernmüsstenvielmehrentlastetwerden.Eine
‐131‐
Antwortdarauf,obundwiediessteuertechnischundrechtlicheinwandfreimöglichsein
könnte,sindCDUundFDPbislangschuldiggeblieben.
Wenn eine Refinanzierung der Beitragsbezuschussung ohne Steuererhöhungen und
auch ohne Kürzungen im Bundeshaushalt erfolgen soll, bliebe noch die Hoffnung auf
zukünftigsteigendeSteuereinnahmen.Dannaberkönnteein‚Sozialausgleich’erstnach
Realisierung höherer Steuereinnahmen des Bundes gezahlt werden und auch nur im
GesamtumfangderMehreinnahmendesBundes.Denn:WennderBundgemäßArt.120
Abs.1GGdieZuschüssezudenLastenderSozialversicherungzutragenhat,kannerzur
Refinanzierungdes‚Sozialausgleichs’auchnurseineMehreinnahmeneinsetzen.Willdie
Koalition ihrenVersprechen treubleiben,höherepauschaleZusatzbeiträgenichtohne
‚Sozialausgleich’ zu beschließen, dürfte eine Erhöhung der Zusatzbeiträge somit auch
erstfürdieZeitnachRealisierunghöhererSteuereinnahmengeplantwerden.
Mit der Ankündigung, zukünftige Steuermehreinnahmen primär für die Finanzierung
derBeitragsbezuschussungzuverwenden,könntederEindruckentstehenodergeweckt
werden,damitwäredasVersprecheneiner sozial gerechterenLastenverteilungeinge‐
löst.DennandersalsindergesetzlichenKrankenversicherung,würdennunalleSteuer‐
pflichtigennachihrerfinanziellenLeistungsfähigkeitzum‚Sozialausgleich’beitragen.
Dagegen ist einzuwenden, dass das Ausmaß der Beteiligung der verschiedenen Ein‐
kommensgruppen an der Finanzierung eines ‚Sozialausgleichs’ abhängig davon wäre,
auswelcherSteuerartdieMehreinnahmenstammen.NichtjedeSteuerartführtzueiner
stärkerenBeteiligunghoherundhöchsterEinkommensgruppenandenStaatsausgaben.
Während insbesondere die Einkommenssteuer oder Kapitalertragssteuer höhere Ein‐
kommenbelasten, führendie indirektenund insbesonderedieVerbrauchssteuernwie
die Mehrwertsteuer zu einer überproportionalen Belastung unterer Einkommen. Die
Mehrwertsteuer wird letztlich von den Endverbrauchern über die Verbraucherpreise
getragenundsiebelastetauchdieBezieherniedrigsterEinkommen.Verbrauchssteuern
wirkenandersalsdieprogressivsteigendeEinkommenssteuerdarum‚regressiv’(Bach
2005).DaderAnteilderKonsumausgabenbeiniedrigenHaushaltseinkommendeutlich
höher ist als bei wohlhabenden Haushalten, ist die relative Belastung der niedrigen
HaushaltseinkommenmitVerbrauchssteuernhöher.JehöherdasHaushaltseinkommen
ist,destogeringeristderAnteil,derfürdenalltäglichenVerbrauchverwendetwerden
muss,unddestohöherderAnteil,derinAktienfondsetc.angelegtwerdenkann.
‐132‐
DieSteuereinnahmenvonBund,LändernundGemeinden stammten im Jahr2008 im‐
merhinzuca.50%ausVerbrauchs‐undanderenindirektenSteuern,dieweitüberwie‐
gend von mittleren und unterdurchschnittlichen Einkommensgruppen aufgebracht
werden.Wennmanzudemnochbedenkt,dassdieLohnsteuerimJahr2008mitca.25%
aufkommensstärksteSteuerartwar,scheinenZweifelandersozialenGerechtigkeitdes
deutschenSteuersystemsnichtunangemessen.
DieseZweifelwerdenauchdadurchverstärkt,dassdasdeutscheSteuerrechtzahlreiche
MöglichkeitendersteuerlichenAbsetzbarkeitvonAufwendungenbietet,dieBeziehern
niedrigerEinkommen–wennüberhaupt–beiweitemnicht indemMaßeoffenstehen,
wiediesvorallemfürSelbständigederFallist,seienesUnternehmeroderauchFreibe‐
ruflerwiebspw.Ärzte,Rechtsanwälteetc.Nichtzuletzt istauchaufdiezahlreichen, in
denletztenJahrenbekanntgewordenenFällevonSteuerhinterziehungundSteuerflucht
zuverweisen,hinterdeneneineunbekannteabersicherlichsehrhoheDunkelzifferzu
vermutenist.VordiesemHintergrundkannesnichtüberraschen,dassdietatsächliche
SteuerbelastunghoherundhöchsterEinkommensgruppendeutlichunterder theoreti‐
schen,durchdasSteuerrechtvorgesehenenliegt(Brischkat/Roberts2007).
Da sich die Koalition aber darauf geeinigt hat, die Steuern zu senken (CDU/CSU/FDP
2009:9),sindalleÜberlegungenzurRefinanzierungeines‚Sozialausgleichs’durchhöhe‐
reSteuernohnehinmüßig.DieAusführungensolltenallerdingsauchnichtdazudienen,
möglicheRefinanzierungsmodellefürden‚Sozialausgleich’zutesten,sonderndieFrage
klären, ob eine Verlagerung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung
von der Beitragsfinanzierung zur Steuerfinanzierung zu einer sozial gerechteren La‐
stenverteilung führenwürden. Angesichts der vorhergehend aufgezeigten Zusammen‐
hänge erscheint dies grundsätzlich höchst zweifelhaft. Das Gegenteil scheint weitaus
wahrscheinlicher.DieBeitragspflichtdergesetzlichenKrankenversicherungkenntkeine
den Steuerprivilegien für hohe Einkommen vergleichbaren Ausnahmen, und eine der
SteuerhinterziehungoderSteuerfluchtvergleichbareBeitragsverweigerungistinsofern
reintechnischgarnichtmachbar,alsderBeitragautomatischvonLohnoderGehaltein‐
behaltenundvomArbeitgeberandieSozialversicherungsträgerüberwiesenwird.
ImVergleichzumSteuersystemkanndasSystemderBeitragsfinanzierungindergesetz‐
lichenKrankenversicherungalsweitausrigorosergeltenund istdadurchweitauseher
inderLage, eine sozial gerechteVerteilungderFinanzierungslasten zu erreichen.Der
vorhandeneundanfrühererStelleangesprocheneMangel,dassdieBeteiligunganden
‐133‐
Finanzierungslasten bei einer Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungs‐
grenze endet und sich hohe und höchste Einkommensgruppen nicht an der solidari‐
schenFinanzierungbeteiligenmüssen,wäre–wiebereitsanfrühererStelledargelegt–
durchentsprechendeAnhebungenderVersicherungspflicht‐undBeitragsbemessungs‐
grenzesowiedurcheineAusweitungderBeitragspflichtaufweitereEinkommenzube‐
heben.
‐134‐
6 Schlussbetrachtung
Die vorliegende Untersuchung ging aus von einer eingehenden Analyse des gesund‐
heitspolitischenKapitelsimKoalitionsvertragundkonzentriertesichaufdiedarinent‐
haltenenAussagenzurZukunftdergesetzlichenKrankenversicherung.DiegeplanteRe‐
formdergesetzlichenKrankenversicherungstelltdaszentraleundmitAbstandwichtig‐
stegesundheitspolitischeProjektderschwarz‐gelbenRegierungskoalitionfürdieJahre
2009bis2013dar.Allerdingsistnichtgeplant,esbereitsinderlaufendenLegislaturpe‐
riode zumAbschluss zu bringen. Dazu ist das letztlich angestrebte Vorhaben auch zu
großundumfangreich.WiedieAnalyseinsbesonderederprogrammatischenDokumen‐
tevonCDUundFDPzeigenkonnte,beschränktsichdasals‚Gesundheitsprämienmodell’
bezeichneteVorhabenkeineswegsaufdieUmstellungvoneinkommensbezogenenBei‐
trägenaufeinkommensunabhängigeBeitragspauschalen.Beitragspauschalen–oder in
derSprachregelungvonCDUundFDP:‚Gesundheitsprämien’–sindnureinnotwendiger
ZwischenschritthinzurAbschaffungdergesetzlichenKrankenversicherungundUmstel‐
lung auf ein reines PKV‐System.Während die CDU dieses langfristige Ziel nicht offen
benennt, hatdieFDPdieAbschaffungder gesetzlichenKrankenversicherungundUm‐
wandlungderKrankenkasseninprivateVersicherungsunternehmenindenletztenJah‐
renmehrfachundsehreindeutigzuihremzentralengesundheitspolitischenZielerklärt.
AllerdingsistdieseBeschlusslagederFDP‐BundesparteitageundeindeutigePositionie‐
rung im Bundestagswahlprogramm der FDP bislang in der Öffentlichkeit – aber auch
weitenTeilenderWissenschaft–nichtoderkaumbekanntundwirdfolglichauchnicht
öffentlich thematisiert und diskutiert, wie dies für ein so weit reichendes Vorhaben
notwendigundangemessenwäre.
Es scheint darumander Zeit, einebreite gesellschaftlicheund auchwissenschaftliche
DebattezuführenüberdieFrage,obeinesolcheaußerordentlichweitreichendeVerän‐
derungdesdeutschenGesundheitssystemswünschenswert und imSinne einer gesell‐
schaftlichenMehrheitist.AngesichtsderTatsache,dassdieseslangfristigegesundheits‐
politischeVorhabenderÖffentlichkeitzumZeitpunktderBundestagswahl2009weitge‐
hendodersogarvollständigunbekanntwar,liegenZweifelnahe,obdieUmsetzungdie‐
‐135‐
sesVorhabenalsdurchdieBundestagswahl2009wirklichhinreichend legitimiertgel‐
tenkann.Eserscheintsehrzweifelhaft,dassdieAbschaffungdergesetzlichenKranken‐
versicherungundUmwandlungderKrankenkassen inprivateVersicherungsunterneh‐
mendenVorstellungennichtnurderMehrheitderWählerinsgesamt,sondernauchder
WählervonCDU/CSUundFDPentspricht.Dies zuklärenmussallerdings zukünftigen
Wahlenüberlassenbleiben,nichtnurdernächstenBundestagswahl,sondernauchden
zukünftigenLandtagswahlen.IndiesenWahlenauchüberdieZukunftdergesetzlichen
Krankenversicherung abstimmen zu können, setzt allerdings die Informiertheit der
WählerüberdasgeplanteVorhabeneinesgrundlegendenSystemwechselsvoraus.Die
vorliegendeUntersuchungkannhoffentlicheinenBeitraghierzuleisten.
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