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Peripartale psychische Störungen + ihre Folgen für Mutter und Kind
Tagung „Mutterglück und Kindeswohl“
08.04.2011
LSF Graz
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Postpartal - Periode
Gynäkologen + Geburtshelfer:
4 – 6 Wochen postpartal
eigentliches Wochenbett
Psychiater:
6 – 12 Monate postpartal
Markante Übergangssituation für Mutter + Kind endet nicht mit 1.Geburtstag
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Perinatal Periode
Perinatalperiode: Schwangerschaft bis Ende des 1.LJ
„Phase der frühen Mutterschaft“
*von Zeugung bis Eintritt in den Kindergarten
*Kindheit, die zu Hause in engem Kontakt und Austausch mit Mutter verbracht wird
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Schwangerschaft + Geburt = stärkstes life event im Leben einer Frau
Medizinalisierung von Gravidität und Geburt
Vielzahl von Stressoren - mögliche Krankheitsauslöser
Mutterschaft = Mutterschuld?
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Phasen des Übergangs
Verunsicherung Anpassung Konkretisierung Vorbereitung * Angst
* Depression Geburt * Panik Erschöpfung * PTB Herausforderung Gewöhnung
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Neue Themen
Ambivalenz
Veränderung der Beziehung/Partnerschaft
Verantwortung
Abhängigkeit
Neue Identität
Soziale Rolle
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Biologisch – Zusammenspiel endogener + neurogener Regelkreise, Vulnerabilität
Psychologisch - Erwartungshaltung, Selbstansprüche, Belastungen
Sozial – mangelnde Unterstützung, Unverständnis, Konflikte, finanzielle Probleme
Ursachen peripartaler psychischer Störungen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Biologische Ursachen I
Zusammenspiel zwischen Neurotransmittern – neuroendokrinen Regelkreisen – neuronaler Stressregulation – neuromodulatorischen Fähig-keiten von Hormonen
Physiologische Hyperfunktionszustände der HHN-HHG- und HHT-Achse während der Schwangerschaft
Enge Beziehung zu den emotionsregulierenden Regelkreisen im Gehirn
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Biologische Ursachen II
Geburt: abrupter Abfall sämtlicher plazentarer Hormone = „Entzug“
Innerhalb weniger Wochen pp wieder Normalwerte- und funktion
Stillen führt zu einer Verminderung der physiologischen Stressreaktion (Oxytocin, Prolaktin)
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Vulnerabilität
Depressionen sind zu 40 – 50 % genetisch verursacht (lt. epidemiolog. Studien vergleichbar Diabetes, Hypertonie)
Frühere depressive/psychische Erkrankungen und psychopatholog. Auffälligkeiten während der Schwangerschaft: wichtigster Risikofaktor für PPD
Frühere depressive Episoden erhöhen das Risiko für PPD um 10 – 20 %
Eine kleine Subgruppe von Frauen zeigt spez. Vulnerabilität auf hormonelle Veränderungen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Stress + Vulnerabilität
Zusammenhänge zwischen psychischen Stressoren und somatischen Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt
Psychische Probleme und belastende Lebens-umstände führen z.B. zu Hyperemesis gravidarum, vorzeitiger Wehentätigkeit, Frühgeburt.
Signifikant mehr emotionale und Verhaltensstörungen bei Kindern, die im letzten Trimenon starkem mütterlichem Stress ausgesetzt waren.
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Psychologische Ursachen
Ungeplante oder unerwünschte Schwangerschaft
Ambivalente oder ablehnende Gefühle in der Schwangerschaft
Angst vor der Geburt, vor möglicher Behinderung
Schwierige, traumatische Geburt
Hohe Erwartungshaltung – hohe Selbstansprüche
Selbstzweifel, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe
Identitätswechsel
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Soziale Ursachen
Neudefinition der Paarbeziehung
Mangelnde oder fehlende soziale Unterstützung
Kontaktarmut – Isolation
Berufs- Karriereverzicht
Finanzielle Probleme
Wohnungsprobleme
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Häufigkeit und Verlauf I
Insgesamt 20-30% Prävalenz für psychische Störungen
Häufigkeit mit psychischen Störungen nicht schwangerer Frauen vergleichbar
Prävalenz: unterschiedliche Zahlen
zwischen 2 – 3,3% und 10 – 15% für PPD
Nur kleine Subgruppe von Frauen hat
ausschließlich postpartale psychische Störungen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Häufigkeit und Verlauf II
Dauer der Episoden mehrere Monate 4% > 1 Jahr Rezidivrate auch ohne weitere Geburt erheblich
Innerhalb von 4 ½ Jahren 80 % Rezidiv der PPD
Aber auch 42 % der Frauen, die keine PPD hatten!
Angststörungen: 6 Wochen pp 10 – 16% ♀ 4 – 10 % ♂
Zwangsstörungen: Schwangerschaft und Peripartalzeit auslösendes Ereignis, erhöhte Prävalenz postpartal
PTBS häufiger als Psychosen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Hohe Rückfallsraten bei
Affektiven Störungen
Bipolaren Psychosen
Schizophrenen Psychosen
unter laufender Medikation
bei Absetzen der Langzeittherapie aufgrund der Schwangerschaft fast Verdoppelung!
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Peripartale psychische Störungen
Baby Blues
Depressive Störungen
Angst- und Zwangsstörungen
Stressreaktionen
Psychosen
Beziehungsstörungen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Baby Blues
50 – 80 % der Frauen
Beginn 2 – 4 Tage postpartal
Symptome: Reizbarkeit, Stimmungslabilität, emotionale Instabilität, Müdigkeit + Erschöpfung,Traurigkeit + Weinen, Schlafstörungen, Ruhelosigkeit
Therapie: Ruhe, Zuwendung, Verständnis
Dauer länger als 10 Tage oder starke Ausprägung – Gefahr des Übergangs in Depression
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Postpartale Psychosen
= (Wochenbettpsychosen, Still-Laktationspsychosen) 0,1% der Frauen Beginn: erste Tage bis Wochen postpartal (75% innerhalb
der ersten 2 Wochen) Symptome: akuter, dramatischer Beginn
Bruch mit der Realität, Wahnvorstellungen, Halluzinationen
Bizarres Verhalten, Erregungszustände Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen Irreale Ängste, ungeordnetes Denken, Beeinflussungs-
und Beziehungsideen Gefahr von Suizid und Infantizid
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Angststörungen
Postpartal mindestens ebenso häufig wie Depressionen Als eigenständige Störung oder als Symptom der PPD
Symptome:
Ängste rund um Mutterrolle und Kind Intrusionen: das Kind und den Partner nicht ausreichen
schützen zu können, selbst zu erkranken und für das Kind nicht da zu sein
Panikattacken: oft in abgeschwächter Form, aber anhaltend
Häufige Kontakte zu Arzt, Kinderarzt, Mütterberatung Ständige Überprüfung von Abläufen, Kontrollen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Zwangsstörungen
Treten als eigene Störung oder als Symptom der Depression auf
Symptome:
quälende Gedanke, bildhafte Vorstellungen, dranghafte Impulse; Befürchtungen von Fehlern oder Missgeschicken mit Todesfolge
blitzartig einschießende Gedanken
Folgen:
aggressive Inhalte werden verheimlicht
Vermeidungsverhalten (Gegenstände verstecken, Handlungen unterlassen,
nicht alleine bleiben)
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Peripartale Depression I
= Wochenbettdepression, postpartale Depression 10 – 15 %
Beginn 6 – 12 Wochen postpartal, aber häufig schon in der Schwangerschaft
Risikofaktoren:
*30% positive Anamnese oder Fam.anamnese
*50-60% frühere prä-oder postpartale Depression oder andere psychische Probleme in der Vorgeschichte
*life event
*biopsychosoziale Faktoren
*Schwangerschafts-oder Geburtskomplikationen
*“Infant factor“
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Peripartale Depression II
Dauer: Wochen bis Monate, Chronifizierung möglich
Symptome: Schlafstörungen oft 1. Symptom
Körperliche Beschwerden, Erschöpfung, Müdigkeit
Sozialer Rückzug
Schuld- und Schamgefühle,
Selbstvorwürfe, Insuffizienzgefühle
Gefühlsleere-, indifferenz,
Veränderte Selbstwahrnehmung
Gereiztheit, Ungeduld – Wut, Ärger
Konzentrationsminderung, Entscheidungsunfähigkeit
Versagensängste
Angst und Zwangsgedanken
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Peripartale Depression III
Folgen und Komplikationen: Diagnose ev. verschleiert durch körperliche Symptome,
dadurch
fehlende oder verzögerte Behandlung, Gefahr der Chronifizierung
Suizidalität: 70-fach erhöhtes Risiko bei hospitalisierten Frauen im 1. Jahr postpartal
Mangelndes Interesse am Kind – Vernachlässigung
Gestörte Mutter-Kind-Interaktion
Bindungsstörung
Infantizid
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
PTSD (PTBS)
Häufigkeit 1 – 2%
Nach traumatisch erlebter Geburt
Vorbelastung mit traumatischer Erfahrung
Subjektive Wahrnehmung der Situation
Eigene Erwartungen werden nicht erfüllt
Unzureichende Möglichkeit der Besprechung der Erlebnisse nach der Geburt
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Depressive Reaktion
Häufigkeit 20 – 40%
Nach Frühgeburt
Totgeburt
Geburt eines kranken/behinderten Kindes
Verlustereignis
Trauerprozess nicht abgeschlossen oder nicht zugelassen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Beziehungsstörungen
Mutter – Kind – Beziehung entwickelt sich während Gravidität
Kind – Mutter – Beziehung entwickelt sich allmählich
Eine gestörte Mutter – Kind – Beziehung ist häufig Folge einer psychischen Störung der Mutter
Bindungsstörung (Bonding Disorder): auch ohne PPD möglich
häufiger als PPP oft Folge von Angst, Zwang, Phobie, OCD Rechtzeitige Diagnose wichtig, um Vernachlässigung
und Misshandlung vorzubeugen !
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Therapie
Psychotherapie
Medikamentöse Therapie
Soziale Unterstützung/ Psychosoziale Betreuung
Selbsthilfegruppen
Licht – Therapie, EKT
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Auswirkungen psychischer Störungen
Während der Schwangerschaft auf
Schwangerschafts- und Geburtsverlauf
Mutter
Kind
Postpartal auf
Mutter
Kind/er
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Folgen für die Mütter
Vielfältig – biopsychosozial!
Stillen oder Medikamente
Identität als Mutter
Mutter – Kind – Interaktion
Familiär
sozial
Umgang mit Krankheit
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Risiken für die Kinder
Regulationsstörungen
Bindungsstörungen
Vermeidungsverhalten
Kindeswohlgefährdung
Infantizid
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Grundbedürfnisse der Kinder I
Good enough mother (D.Winnicott)
Bindungstheorie (J.Bowlby)
Konzept der Feinfühligkeit (M.Ainsworthy)
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Grundbedürfnisse der Kinder II
Motivationale Systeme
Befriedigung lebenserhaltender physiologischer Bedürfnisse
Bindung
Exploration
Sensorisch-sexuelle Stimulation
Abwehr aversiver Reize
Selbsteffektivität
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Folgen für die Kinder I
Kurzfristige Auswirkungen auf Gravidität und fetale Entwicklung (Hirnreifung!)
Langfristige Auswirkungen auf emotionale Entwicklung, Verhalten, Stressregulation, kognitive und sprachliche Entwicklung
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Folgen für die Kinder II
Verzögerte oder verminderte Hirnreifung
Wachstumsschädigung
Entwicklungsprobleme
Verhaltensauffälligkeiten
Beeinträchtigte Stressreaktion
Störungen im Sozialverhalten
Ängste
Lernfähigkeitsstörungen
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
z.B. Depressio
Depressio während Gravidität: mangelhafte Ernährung = ev.Frühgeburtsrisiko geringere Bereitschaft für Vorsorgeuntersuchungen peripartale Komplikationen
Postpartal: Auswirkungen auf Interaktion und Bindung Risiko für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung
des Kindes 30 – 50 % der Kinder von postpartal depressiven Müttern
zeigen Auffälligkeiten bis nach der Pubertät!
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
z.B. Angststörung
Mütter emotional nicht verfügbar
Geringe Sensitivität – beeinflusst kognitive und sprachliche Entwicklung
Gestörte Interaktion
Transgenerationale Weitergabe
Emotionale Probleme und Verhaltensauffälligkeiten
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Schizophrenie
Ambivalenz der Mutter zwischen Überfürsorge und Vernachlässigung
Mütter wenig sensibel und aufmerksam, inadäquat in Reaktionen und Erwartungen
Erhöhte Vulnerabilität Aufmerksamkeitsprobleme soziale Hemmungen Risiko für ein breites Spektrum an psychischen
Störungen Emotionale Probleme im Vorschulalter
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Mannheimer Risikostudie
Nachteilige Folgen früher Entwicklungsrisiken bestehen als Entwicklungs- und Verhaltensstörungen bis ins Jugend- und Erwachsenenalter fort
Beeinträchtigungen in allen Bereichen der Entwicklung
Risikofaktoren psychosozial
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Prävention
Primäre Prävention:
Schutz von Frauen mit Risikofaktoren
Psychosoziale + psychiatrische Anamnese
Bisher erfolglos!?
Sekundäre Prävention:
Früherkennung + Behandlung, um Erkrankungsdauer - und schwere zu verhindern und Folgeerscheinungen zu minimieren
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Prävention II
Multidisziplinärer Ansatz: Während der Schwangerschaft durch GynäkologInnen und
Hebammen Postpartal ebenfalls GynäkologInnen, Hebammen,
KinderärztInnen,PsychologInnen, Mütterberatungsstellen, SozialarbeiterInnen
PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen
Screening : durch genaue psychosoziale Anamnese EPDS (Edinburgh Postnatale Depression Skala ) PBQ (Parental Bonding Questionair)
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Steirisches Netzwerk
Erarbeitung von Leitlinien zur Erfassung von
psychischen Risiken und Problemen in der Schwangerschaft und nach der Geburt
Zeitnahe Diagnose von psychischen Problemen und Störungen und
Rasche und gezielte Einleitung der erforderlichen Behandlung
Interdisziplinäre Betreuung und Versorgung
Wiltrud Hackinger 8.4.2011
Informationen im Internet
www.frauen-und-psychiatrie.de
www.motherisk.org
www.mutter-kind-behandlung.de
www.schatten-und-licht.de
www.stillen.at
www.frauengesundheit-wien.at
www.postpartumdads.org
www.marce-gesellschaft.de