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2 Diagnose Biopsie – Lebendes Gewebe betrachten 3 Nachgefragt Wie kann ich als Angehöriger einen Krebspatienten unter- stützen? 4 Überblick Sogenannte Biologicals werden in der Therapie immer wichtiger 6 Ernährung Jeder is(s)t anders! Pauschale Empfehlungen gibt es nicht 7 Stichwort Blutgruppen – Unser Immun- system reagiert auf den individuell unterschiedlichen Aufbau der Zuckerketten 8 Kurz berichtet Männer haben ein höheres Darmkrebs-Risiko als Frauen Wenn „es” nicht mehr klappt Impressum © 22|7|2011, LUKON GmbH · ISSN 1436-0942 Chefredaktion: Dr. Uhle, Dr. Müller, Dr. Kröning, PD Dr. Jentsch-Ullrich Redaktion: Tina Schreck, Ludger Wahlers Grafik-Design, Illustration: Charlotte Schmitz Druck: DDH GmbH, Hilden Liebe Patientin, lieber Patient, sind wir heute in der Lage, Krebserkrankungen wirkungsvoller zu bekämpfen als vor 20 Jahren? Können Krebspatienten auf den wissenschaft- lichen Fortschritt hoffen, wenn es um die Ver- besserung ihrer Behandlung geht? Fragen wie diese werden an Ärzte, die Krebspatienten be- treuen, häufig gestellt. Allerdings fällt es schwer, darauf allgemein gültig und vor allem ganz eindeutig zu antworten. Es gibt Krebsarten, da sind die Fortschritte atemberaubend: Maligne Lymphome oder auch der Hodenkrebs gehören dazu. Bei vielen anderen gilt, dass bösartiges Wachstum nicht geheilt werden kann wie ein Knochenbruch oder eine Lungenentzündung. Das Behand- lungsziel lautet dann immer, möglichst lange eine möglichst hohe Lebensqualität zu gewähr- leisten. Lebensqualität aber ist etwas sehr Indi- viduelles. Und deswegen bemühen wir uns, Sie als Pa- tientin oder Patient in die Entscheidung für oder gegen eine konkrete Behandlung einzu- beziehen. Grundlage für Entscheidungen ist aber ausreichende Information. Mit unserem PraxisJournal möchten wir Ihnen eine Orien- tierungshilfe anbieten, damit Sie wissen, zwi- schen welchen Alternativen Sie wählen können. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Herzlichst Ihr Praxisteam Dr. Uhle, Dr. Müller, Dr. Kröning und PD Dr. Jentsch-Ullrich Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Onkologie Dr. med. Renate Uhle Dr. med. Gerd Müller Dr. med. Hendrik Kröning PD Dr. med. habil. Kathleen Jentsch-Ullrich Fachärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, Spezielle Schmerztherapie (Dr. Müller), Hämostaseologie Hasselbachplatz 2 · 39104 Magdeburg Tel. 0391 / 561 65 68 · Fax 0391 / 561 66 87 E-Mail: [email protected] www.onkologie-magdeburg.de Praxisbesonderheiten: Parenterale Chemotherapie, Transfusion von Blut und Blutprodukten, Knochenmarkdiagnostik, tagesklinische Betreuung Nur für unsere Patienten, nicht zur Weitergabe bestimmt. September 2011 Dieses Leben, das wir haben Während Shepherd Armstrong Vorbereitungen für ein neues Leben auf einer Insel im indi- schen Ozean trifft, wird bei seiner Frau Glynis ein Meso- theliom diagnostiziert. All seine Überlegungen und Pla- nungen sind damit hinfällig. Das Buch ist kein „Krebs- Roman“, auch wenn eine Frau mit einer tödlichen Tumor- Erkrankung im Mittelpunkt der Geschichte steht. Dieses Leben, das wir haben ist ein zeitgenössisches, amerikanisches Mär- chen, eine großartig erzählte Geschichte über das Leben im 21. Jahrhundert. Mögen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA sich von denen hierzulande unterscheiden, die wesentlichen Fragen dürften diesseits und jenseits des Atlantiks die gleichen sein. Gut möglich, dass der Umgang mit der Krank- heit, so wie er in diesem Roman dargestellt wird, dem einen oder der anderen nicht gefällt. Denk- bar auch, dass der flapsige Ton manchem unan- gemessen erscheint. Sicher aber scheint uns, dass literarisch noch nie so eindrucksvoll über Krebs erzählt wurde. Buchempfehlung Praxis Journal Lionel Shriver Dieses Leben, das wir haben Piper, 2011, 540 Seiten, 19,95

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2 DiagnoseBiopsie – Lebendes Gewebe betrachten

3 NachgefragtWie kann ich als Angehöriger einen Krebspatienten unter-stützen?

4 ÜberblickSogenannte Biologicals werden in der Therapie immer wichtiger

6 ErnährungJeder is(s)t anders! PauschaleEmpfehlungen gibt es nicht

7 StichwortBlutgruppen – Unser Immun-system reagiert auf den individuellunterschiedlichen Aufbau derZuckerketten

8 Kurz berichtetMänner haben ein höheres Darmkrebs-Risikoals Frauen

Wenn „es” nicht mehr klappt

Impressum

© 22|7|2011, LUKON GmbH · ISSN 1436-0942Chefredaktion: Dr. Uhle, Dr. Müller, Dr. Kröning, PD Dr. Jentsch-Ullrich

Redaktion: Tina Schreck, Ludger WahlersGrafik-Design, Illustration: Charlotte SchmitzDruck: DDH GmbH, Hilden

Liebe Patientin, lieber Patient,

sind wir heute in der Lage, Krebserkrankungenwirkungsvoller zu bekämpfen als vor 20 Jahren?Können Krebspatienten auf den wissenschaft-lichen Fortschritt hoffen, wenn es um die Ver-besserung ihrer Behandlung geht? Fragen wiediese werden an Ärzte, die Krebspatienten be-treuen, häufig gestellt. Allerdings fällt es schwer,darauf allgemein gültig und vor allem ganzeindeutig zu antworten.

Es gibt Krebsarten, da sind die Fortschritteatemberaubend: Maligne Lymphome oderauch der Hodenkrebs gehören dazu. Bei vielenanderen gilt, dass bösartiges Wachstum nichtgeheilt werden kann wie ein Knochenbruchoder eine Lungenentzündung. Das Behand-lungsziel lautet dann immer, möglichst lange

eine möglichst hohe Lebensqualität zu gewähr-leisten. Lebensqualität aber ist etwas sehr Indi-viduelles.

Und deswegen bemühen wir uns, Sie als Pa-tientin oder Patient in die Entscheidung füroder gegen eine konkrete Behandlung einzu-beziehen. Grundlage für Entscheidungen istaber ausreichende Information. Mit unseremPraxisJournal möchten wir Ihnen eine Orien-tierungshilfe anbieten, damit Sie wissen, zwi-schen welchen Alternativen Sie wählen können. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Herzlichst Ihr Praxisteam Dr. Uhle, Dr. Müller, Dr. Kröning und PD Dr. Jentsch-Ullrich

Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Onkologie

Dr. med. Renate UhleDr. med. Gerd MüllerDr. med. Hendrik KröningPD Dr. med. habil. Kathleen Jentsch-Ullrich

Fachärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin, Spezielle Schmerztherapie (Dr. Müller), Hämostaseologie

Hasselbachplatz 2 · 39104 MagdeburgTel. 0391 / 561 65 68 · Fax 0391 / 561 66 87E-Mail: [email protected]

Praxisbesonderheiten: Parenterale Chemotherapie, Transfusion von Blut und Blutprodukten, Knochenmarkdiagnostik, tagesklinische Betreuung

Nur für unsere Patienten, nicht zur Weitergabe bestimmt.

September 2011

D i e s e s L e b e n , da s w i r h a b e n

Während Shepherd ArmstrongVorbereitungen für ein neuesLeben auf einer Insel im indi-schen Ozean trifft, wird beiseiner Frau Glynis ein Meso-theliom diag nostiziert. Allseine Überlegungen und Pla-nungen sind damit hinfällig.

Das Buch ist kein „Krebs-Roman“, auch wenn eine Fraumit einer tödlichen Tumor-

Erkrankung im Mittelpunkt derGeschichte steht. Dieses Leben, das wir habenist ein zeitgenössisches, amerikanisches Mär-chen, eine großartig erzählte Geschichte überdas Leben im 21. Jahrhundert. Mögen auch die

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in denUSA sich von denen hierzulande unterscheiden,die wesentlichen Fragen dürften diesseits undjenseits des Atlantiks die gleichen sein.

Gut möglich, dass der Umgang mit der Krank-heit, so wie er in diesem Roman dargestellt wird,dem einen oder der anderen nicht gefällt. Denk-bar auch, dass der flapsige Ton manchem unan-gemessen erscheint. Sicher aber scheint uns, dassliterarisch noch nie so eindrucksvoll über Krebserzählt wurde.

Buchempfehlung

PraxisJournal

Lionel ShriverDieses Leben, das wir habenPiper, 2011, 540 Seiten, 19,95 €

PJ7_2011_UhleMüller_01_PJ13_Beiträge 31.08.11 11:22 Seite 1

Für die Biopsie kommen, je nachdem von wogenau Zellen oder Gewebe entnommen wer-den sollen, unterschiedliche Instrumente zumEinsatz. Deshalb unterscheidet man Nadel-biopsie, Stanzbiopsie, Feinnadelbiopsie undVakuumbiopsie. Bezogen auf die zu untersu-chenden Gewebe und Organe spricht manaber auch von Prostata-Biopsie, Lymphkno-tenbiopsie, Lungenbiopsie und so weiter. BeiVerdacht auf Leukämie oder ein malignesLymphom ist immer eine Knochenmark-biopsie erforderlich.

KnochenmarkbiopsieImmer dann, wenn Blutzellen im Verdachtstehen, sich zu Krebszellen entwickelt zuhaben, muss das Knochenmark untersuchtwerden. Denn im Knochenmark entstehenletztlich alle unsere Blutzellen, rote und weißeBlutkörperchen ebenso wie die für die Blut-gerinnung wichtigen Blutplättchen. Die Kno-chenmarkpunktion wird meist am Becken-knochen, selten am Brustbein durchgeführt,denn der obere Beckenkamm liegt selbst beikorpulenteren Personen fast direkt unter derHaut.

Die StanzeZunächst wird dazu eine etwa 2-Euro-Stückgroße Fläche örtlich betäubt. Anschließendführt der Arzt eine Hohlnadel von etwa zweiMillimeter Durchmesser ins Knochenmarkein und stanzt eine zylinderförmige Gewe-beprobe aus dem Knochenmark; daher auchdie Bezeichnung „Stanzbiopsie". Diese Stan-ze wird für verschiedene Untersuchungen anein spezialisiertes Labor geschickt. Falls Ver-dacht auf eine Leukämie besteht, führt derArzt zusätzlich eine sogenannte Knochen-markpunktion durch. Dabei werden mit einer

dünneren Hohlnadel durch den Stanzenkanalnoch einige Milliliter Mark aus dem Knochenentnommen. Diese Knochenmarkprobe wirdin der Praxis unter dem Mikroskop unter-sucht. Knochenmarkbiopsie und -punktiondauern zusammen etwa eine Viertelstunde.Manche Patienten bezeichnen die Punktion alsschmerzhaft, die meisten beurteilen sie als gutverträglich.

Entnahme von Rückenmark-flüssigkeitBestimmte Krankheiten des Blutes könnenüber die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit, denLiquor cerebrospinalis, auch auf die Hirnhäu-te übergreifen. Deshalb ist es manchmal not-wendig, auch den Liquor auf verdächtige Zel-len hin zu untersuchen. Der durch das Inne-re der Wirbelsäule verlaufende Rückenmark-kanal und alle Hohlräume im Gehirn, die so-genannten Hirnventrikel, sind mit Liquor ge-füllt. Bei der Probenentnahme sitzt der Pa-tient entweder vornüber gebeugt oder liegt inder Seitenlage. Mit einer sehr feinen und lan-gen Hohlnadel sticht der untersuchende Arztzwischen dem dritten und vierten Lenden-wirbel in den Rückenmarkkanal. Bei dieserProzedur ist in der Regel keine Betäubung er-forderlich.

Die Liquor-Entnahme, genauer: der Flüssig-keitsverlust, wird von den Hirnhäuten regis-triert – leichte Kopfschmerzen können dieFolge sein. Aus diesem Grund ist nach der Li-quor-Entnahme eine zwei- bis dreistündigeBettruhe empfehlenswert.

LymphknotenbiopsieBei Verdacht auf ein malignes Lymphom mussdas Gewebe eines dauerhaft geschwollenen

Lymphknotens genau untersucht werden. DieTechnik der Probenentnahme hängt von dergenauen Lage des Lymphknotens ab. Liegt dervergrößerte Lymphknoten oberflächlich, wirder meist bei örtlicher Betäubung als Ganzesherausgeschnitten. Handelt es sich um einentiefer gelegenen Lymphknoten, wird mit einerHohlnadel oft nur ein Teil des verdächtigenGewebes entnommen.

Mikroskopie und immunhisto-chemische MethodenDas Gewebematerial können Fachleute unterdem Mikroskop beurteilen. Sie achten vorallem auf charakteristische Gestaltverände-rungen und darauf, ob „verdächtige“ Zellen be-sonders zahlreich sind oder sich an bestimm-ten Orten häufen.

Neben der mikroskopischen Untersuchunghat heute die Untersuchung der Gewebepro-be mit immunhistochemischen Methodenenorm an Bedeutung gewonnen. So kann manzum Beispiel eine Knochenmarkprobe mit imLabor hergestellten Antikörpern mischen.Antikörper sind in der Lage, verdächtige Zel-len mit bestimmten Eigenschaften zweifelsfreizu markieren. Damit lassen sich Tumorzel-len fast immer eindeutig charakterisieren undder behandelnde Arzt kann ein passgenauesKonzept zur Behandlung seines Patienten ent-wickeln.

2Biopsie Lebendes Gewebe betrachten

D i a g n o s e Ob ein verdächtiger Gewebeknoten wirklichvon Krebs befallen ist oder nicht, lässt sich mit letzter Sicherheit oft nuranhand einer Gewebeprobe feststellen. Sie wird im Rahmen einerBiopsie entnommen. Das Wort stammt aus dem Griechischenund bedeutet so viel wie „lebend betrachten“.

PJ7_2011_UhleMüller_01_PJ13_Beiträge 31.08.11 11:22 Seite 2

Praxis

Kann ich als Angehöriger überhaupt wirklich helfen?Auf jeden Fall. Mitfühlend zuhören oder einfach nur „da sein“, dasist mindestens genauso wichtig wie eine hervorragende medizini-sche Betreuung. Als nächster Angehöriger sollten Sie den Patientenauch zu Arztbesuchen begleiten. Das gilt ganz besonders für Termi-ne, bei denen Untersuchungsergebnisse mitgeteilt und Therapie-möglichkeiten diskutiert werden. Nur wenn der Patient ausdrücklichallein sein will, sollten Sie diesen Wunsch respektieren.

Soll man in der Familie offen über die Krankheit reden?Ja, unbedingt. Denn der Gedanke, vielleicht an der Krankheit ster-ben zu müssen, ist für den Patienten zunächst einmal ein Schock,den er zu bewältigen hat. Und zu dieser Bewältigung gehört im All-gemeinen das Gespräch dazu. Allerdings sollten Sie als Angehörigernicht von sich aus das Gespräch eröffnen. Den Zeitpunkt dafür mussder Patient bestimmen.

Und wie verhalte ich mich dann im Gespräch?Nun, eine wichtige Botschaft habe ich besonders für Männer vonkrebskranken Frauen: Vermeiden Sie es, über den Krebs wie überein Übel zu reden, das sich nach Art eines Heimwerkers reparierenoder gar ausmerzen lässt. Hören Sie zunächst einfach zu. NehmenSie die Ängste und Sorgen Ihres Angehörigen ernst. Und gestehenSie ihm oder ihr ruhig, dass Sie auch keine schnelle Lösung wissen.Versichern Sie aber gleichzeitig, dass Sie immer an der Seite des Patienten stehen werden.

Soll ich als Angehöriger auch über meine eigenen Ängste reden?Ja, auf jeden Fall. Wenn Sie den Kranken wissen lassen, dass Sie sichum ihn sorgen, dass es Sie traurig macht, ihn leiden zu sehen, dannist das sicher keine Belastung für den Patienten. Solche Gefühle sindAusdruck persönlicher Anteilnahme, und die tut dem Patientenimmer gut. Allerdings sollten Sie den Patienten nicht mit Ihren eigenen Sorgen belasten. Wenn Sie selbst den Druck nicht aushalten,suchen Sie sich professionelle Hilfe. Adressen und weitere Informa-tionen dazu erhalten Sie beispielsweise bei der Deutschen Krebsge-sellschaft in Frankfurt.

Ist es sinnvoll, öfter über die Krankheit reden?Das ist allein die Entscheidung des Patienten. Seien Sie aufmerk-sam, versuchen Sie das Bedürfnis zu erspüren – aber machen Sie ausder Krankheit keine Ganztagsbeschäftigung. Ein Krebspatient kannlange Zeit ganz normale Dinge tun, ohne ständig an seine Krankheit

erinnert werden zu müssen. Leben Sie also Ihren gemeinsamen All-tag, fahren Sie in Urlaub und sorgen Sie immer wieder für Freiräu-me, in denen das Gespräch möglich ist.

Wie reagiere ich am besten, wenn mein Partner partout nicht über seine Sorgen und Ängste reden möchte? Wenn jemand nicht reden möchte, dann muss man das akzeptie-ren. Es gibt dafür die unterschiedlichsten Gründe; oft ist es Rück-sichtnahme auf die familiäre Situation. Patienten wollen den Part-ner mit ihren Ängsten nicht noch zusätzlich belasten und suchenmöglicherweise Unterstützung bei Freunden oder finden Hilfe beisozialen Einrichtungen. Eine solche Entscheidung muss respektiertwerden, auch wenn Sie als Partner diese Lösung nicht für besondersglücklich halten.

Soll man Kindern die ganze Wahrheit sagen? Ihnen beibringen, dass Vateroder Mutter möglicherweise sterben wird?Das hängt vom Krankheitsstadium und vom Alter des Kindes ab.Kinder haben sensible Antennen dafür, wie es ihren engsten Bezugs -personen geht. Es macht also keinen Sinn, eine unter Umständenlebensbedrohliche Krankheit einfach zu leugnen. Wenn es um denTod geht, sollten bei Kindern immer die Themen Abschiednehmenund Erinnern im Vordergrund stehen. Trauer und Tränen gehörenda leider dazu; das Bewusstsein, dass die gemeinsam verbrachte Zeitetwas Unauslöschliches ist, kann bei der Bewältigung aber helfen.Für Kinder krebskranker Eltern gibt es mittlerweile viele Unterstüt-zungsangebote. Eine gute Zusammenstellung finden Sie unterwww.praxisjournal.de.

3

Wie kann ich als Angehöriger einen

Krebspatienten unterstützen?

Die Diagnose Krebs bedeutet wohl für jeden Menschen eine existenzielle Bedrohung und damit eine ein-

schneidende Lebensveränderung. Das gilt nicht nur für Krebspatienten, sondern auch für Angehörige und

Freunde. Sie machen sich Sorgen und sind unsicher, ob und wenn ja, wie sie dem Patienten helfen können.

Die häufigsten Fragen und Antworten dazu haben wir Ihnen im Folgenden zusammengestellt.

Journal

Nachgefragt

PJ7_2011_UhleMüller_01_PJ13_Beiträge 31.08.11 11:22 Seite 3

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Stahl, Strahl und ChemieDer Stahl des Operationsskalpells, die Strah-len oder die Chemotherapie: eines dieser dreiWerkzeuge oder ihre Kombination sollte (undsoll auch heute noch) dem Tumor möglichstden Garaus machen. Über die Jahre und Jahr-zehnte sind alle drei Verfahren verfeinert wor-den: Schonende Methoden wie die bruster-haltende Operation beim Mammakarzinomhaben vielen betroffenen Frauen das Lebenleichter gemacht. Die Strahlentherapie istmehr denn je eine sehr wichtige Behand-lungsoption, beispielsweise zur Sicherungeines Operationserfolges – sprich der Zerstö-rung verbliebener Krebszellen – oder bei derBehandlung früher Stadien von Lymphdrü-senkrebs.

Auch zur häufig kritisierten Chemotherapieexistiert bis heute nur in seltenen Fällen einewirkliche Alternative. Nur mit einer über dieBlutbahn verteilten zellabtötenden Substanzist sichergestellt, dass bösartige Tumoren undmöglichst alle ihre Tochtergeschwülste er-reicht, sprich bekämpft werden.

Je selektiver, desto wirksamerEine Chemotherapie ist umso wirksamer –und gleichzeitig nebenwirkungsärmer –, jemehr es gelingt, die zellabtötende Wirkungder Substanz auf Tumorzellen zu beschränkenund gesunde Körperzellen zuverschonen. Viele Chemo -therapeutika greifen vor allemsich schnell teilende Zellen an– eben weil die meisten Krebs-zellen sich schnell durch Tei-

man sich bildlich wie Schlüssel und Schlossvorstellen, die genau zueinander passen. DieAnlagerung des Wachstumsfaktors am Re-zeptor löst im Inneren der jeweiligen Zelleeine Reihe von Reaktionen aus, die schließlichzur Teilung der Zelle, also zum Wachstum desTumors führt.

Die im Zellinneren ablaufenden Prozesse be-zeichnen Mediziner auch als Signaltransduk-tion, denn das ursprünglich von außen überden Wachstumsfaktor vermittelte Signal wirdüber die Zellgrenze hinweg im Inneren derZelle weitergeführt.

Substanzen wie Imatinib, Erlotinib, Gefitiniboder Lapatinib hemmen die Weiterleitung desWachstumssignals im Zellinneren, sie sindSignaltransduktions-Hemmstoffe. Ihre Wir-kung entfalten sie, indem sie sozusagen eineStation innerhalb der Signalübertragungs-kette lahm legen. Das geschieht über die In-aktivierung eines Enzyms mit dem NamenTyrosinkinase. Die genannten Substanzenwerden deshalb auch als Tyrosinkinase-Inhi-bitoren oder kurz TKI bezeichnet.

WachstumsfaktorenTumorzellen sind in der Lage, ihr Wachstumirrsinnig zu beschleunigen. Denn sie produ-zieren nicht nur vermehrt Wachstumsfaktor-Rezeptoren an ihrer Außenseite, sie sondernauch die passenden Wachstumsfaktoren indie Umgebung ab. Auf diese Weise stimulierensie ihr eigenes Wachstum selbst und sinddamit einer übergeordneten Kontrolle durch

Neue BehandlungsverfahrenÜ b e r b l i c k

Bösartige Tumoren müssen möglichst spurlos beseitigt werden, will man ein optimales Behandlungsergebnis erzielen: So lautet das auch heute noch

gültige Dogma der Onkologie. Seit Jahrzehnten stehen zur Krebsbehandlung drei Standard-Werkzeuge zur Verfügung: die Operation, die Strahlen-

therapie und die im gesamten Organismus wirkende Chemotherapie. Mit dem wachsenden Verständnis über die Entstehung der Tumoren haben sich

aber auch die Werkzeuge zu ihrer Behandlung weiterentwickelt.

lung vermehren. Allerdings trifft dies auchfür Schleimhautzellen, Haar- und Hautzellenzu, die sich auf diese Weise ständig erneuern.Das ist der Grund dafür, warum manchmaltrockene und wunde Schleimhäute oder Haar-ausfall zu den Nebenwirkungen einer Che-motherapie gehören.

Zielgerichtete TherapieAlle in den letzten Jahren entwickelten wirk-lich neuen Behandlungsverfahren setzen des-halb an Strukturen oder Prozessen an, die inerster Linie oder besonders häufig in Tumor-zellen vorkommen. Viele Mediziner sprechendaher von zielgerichteter Therapie oder eng-lisch targeted therapy. Nicht so sehr die Tat -sache, dass ein Tumor schnell wächst, stehtdann im Mittelpunkt des Interesses, sondernvielmehr die Frage, warum Tumorzellenschnell wachsen und wie man dieses Wachs-tum zum Stillstand bringen kann.

WachstumssignaleZellwachstum und Zelltod unterliegen nor-malerweise streng kontrollierten Prozessen.Für die Initiierung des eigentlichen Wachs-tums – also für die Ankurbelung der Zelltei-lung – spielen sogenannte Wachstumsfakto-ren eine wichtige Rolle.

Wie funktioniert das genau? Wachstumsfak-toren müssen, um eine Zelle zur Teilung an-

zuregen, zunächst an einem soge-nannten Rezeptor an der Zell-außenseite „andocken“. Wachs-tumsfaktor und Rezeptor kann

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dass der Wachstumsfaktor am passenden Re-zeptor auf der Zellaußenseite andocken kann.Lapatinib wirkt erst im Inneren der Zelle undunterbricht dort die Weiterleitung des Wachs-tumssignals. Lapatinib kann nur deshalb imZellinneren wirken, weil es chemisch ein sokleines Molekül ist, dass es in die Tumorzelleeinzudringen vermag.

Blockade der BlutgefäßbildungWenn viele Tumorzellen sich teilen, vergrößertsich die Tumormasse. Die Größe eines Tu-mors ist wesentlich durch seine Versorgungmit Sauerstoff und Nährstoffen bestimmt,mit anderen Worten: Auch ein Tumor mussmit Blut versorgt werden, um wachsen zukönnen.

Tumorzellen schütten Wachstumsfaktorenaus, die bestimmte Zelltypen (Endothelzel-len) anlocken, aus denen sich Blutgefäße bil-den können. Diese Neubildung von Blutgefä-ßen – fachsprachlich Angioneogenese genannt– lässt sich ebenfalls blockieren. Und zwar

den Organismus weitgehend entzogen. For-scher überall auf der Welt haben mittlerwei-le ganze Familien unterschiedlicher Wachs -tumsfaktoren identifiziert. Zu den am bestenuntersuchten gehören beispielsweise dieWachstumsfaktoren erbB-1 und erbB-2. Letz-terer ist auch unter dem Namen Her2/neubekannt. Bei etwa 15 Prozent aller Brustkrebs -patientinnen ist der Rezeptor für erbB-2 be-ziehungsweise Her2/neu auf der Oberflächeder Tumorzellen nachweisbar.

Dieser Rezeptor lässt sich mit dem monoklo-nalen Antikörper Trastuzumab blockieren.Mit dieser Antikörpertherapie lässt sich das Ri-siko für einen krebsbedingten Tod von Brust-krebspatientinnen mit Her2/neu-positivenTumoren deutlich senken.

Der Signaltransduktions-Hemmstoff Lapati-nib wirkt ebenfalls auf Zellen mit erbB-2-Re-zeptoren, aber nicht – wie der AntikörperTrastuzumab – von außen, sondern vom In-neren der Zelle aus. Trastuzumab verhindert,

wieder über zwei prinzipiell verschiedeneWege: durch die Besetzung der Wachstums-faktor-Rezeptoren auf der Außenseite derje-nigen Zellen, die Blutgefäße bilden können,oder durch die Hemmung der Signaltrans-duktion im Inneren dieser Zellen. Die Hem-mung der Angioneogenese in Tumorgewebewird von Fachleuten als wichtiges neues Be-handlungsverfahren eingeordnet.

BiologicalsAnders als Stahl, Strahl und Chemie greifen diehier vorgestellten Behandlungskonzepte sehrzielgerichtet in die Biologie einzelner Zellenein. Die zu diesem Zweck eingesetzten Wirk-stoffmoleküle werden deshalb häufig zu-sammenfassend auch als Biologicals bezeich-net. In die zielgerichtete Therapie mit Biolo-gicals setzen Experten hohe Erwartungen.Denn sie ermöglicht eine auf die Charakte-ristika des einzelnen Tumors zugeschnitteneund damit eine individuell sehr erfolgver-sprechende Behandlung.

PraxisJournal

So wirken Antikörper wie Trastuzumab: Sie blockieren dieMembranrezeptoren an der Außenseite der Zelle. Das Signalzur Zellteilung kommt nicht zustande, das Tumorwachstumwird gestört.

Rezeptor AntikörperWachstumsfaktor

Tumorzellen produzieren ihre eigenen Wachstumsfaktorenund sondern sie nach außen ab (rote Kugeln). Diese binden an Membranrezeptoren (grün); dadurch gelangt das Signal zur Zellteilung über mehrere Stationen bis zum Zellkern, derTumor wächst.

So wirken Signal-Transduktions-Hemmstoffe wie Lapatinib:Das Medikament gelangt ins Innere der Tumorzelle und unter-bricht die Weiterleitung des Signals zur Zellteilung, selbstwenn von außen Wachstumsfaktoren an die Rezeptoren binden. Das Tumorwachstum wird gestört.

PJ7_2011_UhleMüller_01_PJ13_Beiträge 31.08.11 11:22 Seite 5

6E r n ä h r u n g Eine der typischen ersten Reaktionen

von Tumorpatienten nach Mitteilung ihrer Diagnose ist die Umstel-

lung ihrer Ernährung. Nur noch Gesundes soll auf den Tisch, möglichst

viele Vitamine und Mineralstoffe sollen den Körper fit machen für den

Kampf gegen den Krebs. Diese Einstellung ist verständlich und grund-

sätzlich auch nicht falsch. Wer selbst aktiv wird, wer etwas für seine Ge-

sundheit tut, der fühlt sich nicht hilflos, und dieses Bewusstsein kann eine

wichtige Komponente bei der Bekämpfung des bösartigen Tumors sein.

Ein gewisses Maß an Skepsis ist jedoch ange-bracht, wenn von pauschalen Empfehlungenzur Ernährung von Krebspatienten die Redeist. Es existiert nach wie vor keine Diät, mit dersich Krebs bekämpfen ließe, im Gegenteil: Ei-nige der sogenannten Krebsdiäten könnensogar gesundheitsgefährdende Mangelzu-stände verursachen, weil sie eine einseitigeErnährung empfehlen oder gar zum Fastenauffordern.

Eine Überdosis VitamineWeit verbreitet ist auch die Auffassung, dassman als Krebspatient zusätzlich Vitamine undMineralstoffe einnehmen sollte, um die Kör-perzellen gegen den schädlichen Einfluss vonaggressiven Molekülen, den sogenannten Ra-dikalen, zu schützen. Es stimmt: Wer nicht inder Lage ist, mehrmals am Tag frisches Obstund/oder Gemüse zu sich zu nehmen bezie-hungsweise frische Fruchtsäfte zu trinken, beidem kann ein Vitamin- und Mineralstoff-mangel entstehen.

Zu warnen ist jedoch vor dem unkontrollier-ten Konsum frei verkäuflicher Vitaminprä-parate, denn: viel hilft an dieser Stelle nichtviel. In verschiedenen Studien wurde nach-gewiesen, dass ein Zuviel an Vitaminen auchschaden kann. Dänische Forscher haben dar-über hinaus schon vor einigen Jahren her-ausgefunden, dass die unkontrollierte Ein-nahme von Vitaminen das Leben sogar ver-kürzen kann. Vor allem wer Präparate mit Vi-tamin A, dem Pflanzenfarbstoff Beta-Karotinoder mit Vitamin E chronisch in zu hoherDosis einnimmt, gefährdet offenbar seine Ge-sundheit.

Wie gesagt, nicht alle Tumorpatienten kom-men ohne die Einnahme zusätzlicher Präpa-rate aus. Und es ist auch gar nichts dagegen ein-zuwenden, wenn Sie sich selbst entsprechen-de Präparate in der Apotheke besorgen. Aller-dings sollten Sie uns über alles, was Sie zu-sätzlich einnehmen, informieren. Nur so las-sen sich die unter Umständen gefährlichenÜberdosierungen vermeiden.

Mangelernährtes Normalgewicht?Vitamine und Mineralstoffe allein machenallerdings noch keine gesunde Ernährung.Damit der Körper für die Auseinandersetzungmit dem Tumor gerüstet ist, muss vor allemGewichtsverlust vermieden werden. Der istaber manchmal gar nicht so einfach festzu-stellen. Gerade bei Tumorpatienten kommtes zu Wasseransammlungen im Gewebe, diezwar ihren Teil zum Körpergewicht beitra-gen, aber von keinem weiteren Nutzen sind.

Das heißt, das Körpergewicht allein ist keinausreichendes Kriterium zur Beurteilung desErnährungszustandes. Entscheidend ist einBlick auf die Physiognomie: Treten im Ge-sicht die Schläfenknochen hervor? Ist die Mus-kulatur in Oberarmen und Beinen erschlafft?Die Feststellung von Untergewicht ist den-noch kein Grund zur Panik. Die moderne Er-nährungsmedizin verfügt über wirksame In-strumente, mit denen sich ein Patient wieder„aufpäppeln“ lässt. Drei Ernäh-rungsmethoden können

dabei allein oder in Kombination zur Anwen-dung kommen:

die „klassische“ Ernährung durch Mundund Verdauungstrakt;die Ernährung unter Umgehung von Mundund Speiseröhre (enterale Ernährung);die Ernährung per Infusion unter Umge-hung des gesamten Verdauungstraktes (pa-renterale Ernährung).

Essen ist ein Stück Lebensqualität. Schon ausdiesem Grund versucht man, den Energiebe-darf so weit wie möglich auf klassischem Wegzu befriedigen. Immerhin benötigt ein 65 Ki-logramm schwerer, bettlägeriger Patient min-destens 1.600 Kilokalorien pro Tag, wenn ersein Gewicht nur halten will. Ist dieser Patientnoch mobil, sind schon fast 2.000 Kilo kaloriennotwendig. Wenn zusätzlich eine Gewichts-zunahme wünschenswert ist, kommen nocheinmal 250 bis 300 Kilokalorien pro Tag hinzu.

Sind diese Mengen auf dem normalen Wegnicht zu bewältigen, empfiehlt sich die Kom-bination mit enteralen oder parenteralen Er-nährungsmethoden. Übrigens: ZusätzlicheSonden- oder Infusionsernährung ist kein Zei-chen dafür, dass „nichts mehr geht“ oder gardas Ende naht. Rechtzeitig eingesetzt ist sieein wertvolles Instrument, das dabei hilft,

einen unerwünschten Ge-wichtsverlust auszuglei-

chen.

Jeder is(s)t anders

PJ7_2011_UhleMüller_01_PJ13_Beiträge 31.08.11 11:22 Seite 6

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Allerdings sind unter den Antikörpern per Zufall auch immer wel-che, die die anderen Blutgruppen erkennen. Das führt dazu, dassetwa Menschen mit Blutgruppe A immer Antikörper gegen die Blut-gruppe B besitzen. Wenn man Blut dieser Menschen vermischt, ver-kleben die Antikörper die Blutzellen zu einem Pfropfen. Ein Trägerder Blutgruppe 0 bildet Antikörper gegen die Blutgruppen A und B.Nur Träger der Blutgruppe AB sind frei von solchen Antikörpern.

Bereits im 19. Jahrhundert hatten Ärzte immer wieder versucht, Pa-tienten nach großen Blutverlusten durch Übertragung von Blut-spenden das Leben zu retten. Bis 1871 waren jedoch von mehr als 260solcher Bluttransfusionen knapp 150 für die Empfänger tödlich aus-gegangen, weil sich schwere Gerinnsel in ihren Gefäßen gebildet hat-ten. Kein Arzt wagte mehr die Blutübertragung, bis im Jahr 1900 derÖsterreicher Karl Landsteiner herausfand, warum sich das Blut zweierMenschen manchmal verträgt und manch-mal verklumpt. Landsteiner hatte in Expe-rimenten systematisch das Blut verschiede-ner Spender miteinander vermischt. Dabeifand er heraus, dass die Spender sich in vierGruppen unterteilen ließen, je nachdem wieihre Blutzellen mit dem Serum andererMenschen reagierten (siehe Abbildung).Damit hatte er das wichtigste Blutgruppen-system, das sogenannte AB0-System, ent-deckt.

Das AB0-SystemHeute weiß man, dass die Blutgruppendurch Moleküle auf den Blutzellen be-stimmt werden: die Blutgruppen-Antige-ne. Das sind kurze Ketten aus Zuckermolekülen, die einen lichtenRasen auf der Oberfläche der Zellen bilden. Grundbestandteil des AB0-Systems ist eine Kette aus fünf Zuckermolekülen, schlicht „H“ genannt.

Der süße UnterschiedBei Trägern der Blutgruppe 0, etwa 40 Prozent der Bevölkerung,wird die H-Kette nicht weiter verändert. Die Gruppen A und B, ver-treten bei 45 beziehungsweise knapp 10 Prozent, sind jedoch zu-sätzlich mit einem Enzym ausgestattet, das einen weiteren Zucker-baustein an die H-Ketten anheftet. Entscheidend ist, dass diese A- undB-Transferasen unterschiedliche Zucker benutzen. Selten, nämlich nurbei den 5 Prozent der Menschen, welche die Blutgruppe AB tragen,kommen beide Enzyme gleichzeitig vor.

Auf die individuellen Unterschiede im Aufbau der Zuckerketten rea-giert das Immunsystem. Unter den Milliarden verschiedener Anti-körper, die jeder Mensch bildet, fehlen solche, welche die eigeneBlutgruppe erkennen. Damit ist ausgeschlossen, dass körpereigeneAntikörper mit Antigenen auf körpereigenen Blutzellen reagieren.

BlutgruppenStichwort

Fremd ist Blut für unser Immunsystem immer dann, wenn auf der Oberfläche derBlutzellen ein unbekanntes Antigen sitzt. Patienten mit der Blutgruppe A entwickelndeshalb Antikörper gegen das B-Antigen und umgekehrt. Ein Mensch derBlutgruppe AB bildet überhaupt keine Antikörper aus, weil auf seinen Blutzelleneigene A- und B-Antigene vorkommen. Träger der Blutgruppe AB können deshalb– gleiche Rhesusgruppe vorausgesetzt – das Blut eines jeden Spenders erhalten.Träger der Blutgruppe 0 haben keinerlei Antigen auf ihren roten Blutkörperchen.Gegen ihr Blut bildet daher auch niemand Antikörper, das heißt, sie können jedemMenschen Blut spenden. Empfangen können sie Blut aber nur von ihresgleichen,also Menschen mit der Blutgruppe 0, denn ihr Immunsystem kennt die Antigene Aund B nicht und bildet dagegen Antikörper.

Das RhesussystemNeben dem AB0-System gibt es 15 weitere Blutgruppensysteme. Daswichtigste ist das 1940 ebenfalls von Landsteiner ursprünglich anAffen entdeckte Rhesus-System. Es umfasst mehrere Dutzend Blut-gruppen-Antigene; das wichtigste wird „D“ genannt. Etwa 85 Prozentder Mitteleuropäer besitzen dieses D-Antigen, sie sind Rhesus-positiv.

A, B or not AB – so möchte man in Anlehnung an den berühmten Hamlet-

Monolog deklamieren; denn auf diese kommt es an, wenn man von Blut-

gruppen spricht. Doch lassen Sie uns die Geschichte der Reihe nach erzählen.

PraxisJournal

PJ7_2011_UhleMüller_01_PJ13_Beiträge 31.08.11 11:22 Seite 7

PraxisJournal

Männer haben ein höheres Darmkrebs -risiko als FrauenForscher empfehlen Männern, früher mit der Darmkrebs-vorsorge zu beginnen:

Eine Forschergruppe der Münchner Ludwig-Maxi-milians-Universität um den GastroenterologenFrank Kolligs hat etwa 625 000 dokumentierteDarmspiegelungen aus den Jahren 2006 bis 2008ausgewertet. Wichtigstes Ergebnis: In jeder Alters-gruppe werden bei Männern deutlich mehr Darm-krebsvorstufen (Adenome) oder bösartige Tumo-ren gefunden als bei Frauen. Die Forscher empfeh-len daher, die Vorsorge-Darmspiegelung für Männerbereits ab dem 50. und nicht wie bisher erst ab dem55. Lebensjahr anzubieten.

Die von Kolligs und Kollegen analysierten Datenstammen nicht nur aus Vorsorge-Darmspiegelungen.Vielmehr sind auch Darmspiegelungen enthalten, dieaufgrund von konkreten Beschwerden oder wegendes Nachweises von Blut im Stuhl durchgeführt wur-den. In allen drei Gruppen entdeckten die Medizinerbei Männern jeweils etwa doppelt so viele Adenomeund Dickdarmtumoren wie bei Frauen.

Die Ergebnisse werden Kolligs zufolge nun in den zu-ständigen Gremien mit dem Ziel diskutiert, für Män-ner das Mindestalter für eine Vorsorge-Darmspie-gelung herabzusetzen.

Wenn „es“ nicht mehr klapptZwei neue Ratgeber zu Krebs und Sexualität erschienen

Krebs hinterlässt Spuren, am Körper und an der Seele. Die Erkrankung und die unter-schiedlichen Therapien wirken sich auf viele Lebensbereiche aus. Intimleben und Sexua-lität sind davon nicht ausgenommen, „vom Kopf her“ und auch körperlich. Junge Betrof-fene beschäftigt zudem die Frage, ob ein Kinderwunsch später noch zu erfüllen sein wird.Dies belastet viele Patientinnen und Patienten ebenso wie ihre Partner und Partnerinnensehr.

Aus Scham werden jedoch solche Probleme oft nicht angesprochen, und auch Ärztethematisieren die Sexualität selten von sich aus. Der Krebsinformationsdienst des Deut-schen Krebsforschungszentrums greift dieses Tabuthema mit der Herausgabe von zweiRatgebern auf: einem zur weiblichen und einem weiteren zur männlichen Sexualitätbei und nach einer Krebserkrankung.

Betroffenen und ihren Partnern bieten die Broschüren sachliche und zugleich ein-fühlsame Darstellungen von Ursachen und Zusammenhängen sowie Antworten aufviele Fragen. Unnötige Hemmschwellen abbauen wollen die Verfasser der Broschü-ren und sie raten, gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. An-sprechpartner und Anlaufstellen in Deutschland sind im Anhang zusammengestellt.Probleme mit der Sexualität sind bei und nach Krebserkrankungen keineswegs un-gewöhnlich, aber es gibt Mittel und Wege, wieder zu einem befriedigenden Intimle-ben zurückzufinden, so die Botschaft an die Leserinnen und Leser.

Krebsinformationsdienst des Deutschen KrebsforschungszentrumsIm Neuenheimer Feld 280 · 69120 HeidelbergTel. 06221/422890 (Sekretariat)E-Mail: [email protected]: www.krebsinformationsdienst.de (dort unter Wegweiser/Broschürenverzeichnis)

Kurz berichtet

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N e u e s a u s d e r F o r s c h u n g

Das Menschenmögliche tun.

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