“problemthemen” des chemieunterrichts in der sekundarstufe i - gegenwärtige situation und...
TRANSCRIPT
CHEMIE IST EIN UNTERRICHTSFACH, das bei den Schülern nur wenig beliebt ist. Es wird häufig als zu schwer und zu theoretisch empfunden. Während hinsichtlich dieses Problerilkomplexes in bisherigen Untersuchungen vor allem Schülereinschätzungen analysiert wurden, stand in einer von uns durchgeftihrten Untersuchung die Lehrersicht im Vordergrund.· Es werden Ergebnisse einer Lehrerbefragung zur Schwierigkeit des Unterrichtens der obligatorischen und fakultativen Themen des Chemieunterrichts in der Sek. I vorgestellt. Auf der Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse werden die "Problemthemen" ermittelt und Konsequenzen für die zukünftige fachdidaktische Arbeit aufgezeigt. ----..J
Stichworte: Problemthemen im Chemieunterricht
1. Einleitung Untersuchungen zur Lage des Chemieunterrichts an allge
mein bildenden Schulen haben gezeigt, dass Chemie in der Beliebtheitsskala der Fächer einen unteren Rang einnimmt [1-3]. Daran hat sich im Laufe der letzten Jahre nichts geändert, wie ein Blick auf ältere Untersuchungs ergebnisse deutlich macht [4-6]. Sinkende Schülerzahlen in Chemiekursen der gymnasialen Oberstufe zeigen weiterhin eine gefährliche Entwicklung.
Die Gründe für die geringe Beliebtheit der Chemie dürften vielschichtig sein. Nach Christen [7] beruht die mangelnde Akzeptanz des Chemieunterrichts vorwiegend auf drei Faktoren: der "Struktur" des Faches, den Lehrplänen und der Lehrerpersönlichkeit. Wolf, Höner und Wenck [8] konnten bei ihren Untersuchungen zu den Wahlmotiven fiir Leistungskurse feststellen, dass die Ursachen hierfiir im Unterricht der Sek. I zu suchen sind. Dort machen die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen mit den jeweiligen Unterrichtsfächern, die für die Kurswahl in der Sek. 11 von großer Bedeutung sind.
Ziel der von uns durchgefiihrten Untersuchung war es, ergänzend zu bisherigen Analysen der Schülereinschätzung des Chemieunterrichts, auch die Lehrerseite in den Blick zu nehmen und zu ermitteln, an welchen Stellen des Mittelstufenunterrichts nach Einschätzung der Lehrer das Unterrichten des Faches Chemie besonders schwierig ist, welche Themen also als besonders schwierig zu unterrichten empfunden werden. Außerdem sollten die Gründe hierfiir ermittelt werden. Auf der Basis dieser Ergebnisse können dann Schlussfolgerungen für die fachdidaktische Forschung gezogen werden, weil dadurch Informationen darüber erhalten werden, wo neue Unterrichtskonzepte dringend erforderlich oder auch Lehrplanänderungen sinnvoll wären.
2. "Problemthemen" des Chemieunterrichts in der Sek. I
2.1 Durchführung der Untersuchung Chemielehrerinnen und -lehrer an Gymnasien im Ruhrgebiet
(Raum Bochum und Essen) wurden mithilfe eines anonymen Fragebogens befragt. Dazu wurden die Fachvorsitzenden Che-
CHEMKON (Weinh.) @WILEY-VCHVerlagGmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0944-5846/01/0410-199 $ 17.50 + .50/0
"Problemthemen" des. Chemieunterrichts in der Sekundarstufe I - gegenwärtige Situation und fachdidaktische Konsequenzen
SIefan Fiebig und Insa Melle
rnie von 55 Schulen angeschrieben und gebeten, selbst einen Fragebogen auszufiillen und außerdem Befragungsbögen an die Fachkollegen weiterzuleiten. Die jeweilige Anzahl der an den Schulen tätigen Chemielehrerinnen und -lehrer wurde dem "Philologen-Jahrbuch" 1998/99 entnommen [9]. Referendare blieben aufgrund der geringenschulpraktischen Erfahrungen von der Befragung ausgeschlossen. Von den angeschriebenen 186 Chemielehrerinnen und -lehrern antworteten 52, also etwa 28 %. Diese recht geringe Rücklaufquote resultiert vermutlich daraus, dass einige der angeschriebenen Lehrerinnen und Lehrer nicht in der Mittelstufe oder gar nicht das Fach Chemie unterrichten bzw. Fragebögen vom Fachvorsitzenden nicht an die Kollegen weitergeleitet wurden. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass, Z.B. wegen Beurlaubungen, gegenwärtig weniger Lehrer an den ausgewählten Schulen unterrichten, als im "Philologen-Jahrbuch" angegeben ist.
Der Fragebogen fiir die hier beschriebene Untersuchung untergliederte sich in einen personenbezogenen und einen thematischen Teil. Personenspezifische Daten wurden zu folgenden Bereichen erhoben: Weitere Lehrfächer, Geschlecht, Geburtsjahr, Lehrbefähigung, Bezug chemiedidaktischer Zeitschriften. Im thematischen Teil sollten die Untersuchungsteilnehmer die fiir die Sek. I obligatorischen Themen hinsichtlich der Schwierigkeit ihrer unterrichtlichen Behandlung beurteilen. Da die Untersuchung in Nordrhein-Westfalen durchgefiihrt wurde, orientierten sich die Themen am Lehrplan dieses Bundeslandes [10]. Die obligatorischen und fakultativen Themen der Jahrgangsstufen 7 bzw. 9 und 10 können der Abb. 1 entnommen werden.
Stefan Fiebig, Jahrgang 1972, studierte von 1992 bis 1997 an der Universität Münster die Fächer Chemie und Geographie für das Lehramt an den Sekundarstufen I und II. Danach absolvierte er sein Referendariat und war von 2000 bis 2001 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Chemie Il an der Universität Dortmund tätig. Seit Februar 2001 ist er Studienrat an der Gesamtschule Fischbek in Hamburg.
Insa Meile, Jahrgang 1966, studierte von 1985 bis 1991 die Fächer Chemie und Mathematik for das Lehramt an Gymnasien an der Universität Oldenburg. Nach dem 1. Staatsexamen und der Promotion im Arbeitskreis von Prof Dr. Jansen absolvierte sie von 1993 bis 1995 ihren Referendardienst am Studienseminar Oldenburg. Danach war sie im Arbeitskreis von Prof Dr. Bader als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Frankfurt/M. tätig, wo im Jahr 2000 die Habilitation erfolgte. 1998 folgte sie einem Ruf auf eine C3-Professur an die Universität Jena, 1999 nahm sie einem Ruf auf den Lehrstuhl für Didaktik der Chemie Il an der Universität Dortmund an.
Anschrift: Stefan Fiebig, Prof Dr. Insa Meile, Universität Dortmund, Fachbereich Chemie, Postfach 500500,44221 Dortmund
199
"Problemthemen" des Chemieunterrichts
Mittelwerte der Themeneinschätzungen
_1,6 , , , , Stoffe und Stoffeigenschaften ,
2,5 , , Teilchenvorstellung , ,
2,2 , , Lösungen ,
Jg.7 3,3 :
2,1 , , Stoff·IEnergieumsatz·
Luft und Verbrennung , 2,4 : , Metalle ,
2,3 , , , Wasser als Oxid ,
chemische Grundgesetze" , , 2,3
, , ausgewählte Hauptgruppen I
Atomaufbau und PSE 3,0 , Ionenbindung 3,1 ,
Elektronenübertragungsreaktionen 3,4 I
Eleklronenpaarbindung , 3,4
Jg.9110 I I 2,5 I I
saure/alkalische Lösungen
FetteISeifen/Waschmittel'" 2.1. I
Kunststoffe'" 3,3 , Brennstoffe'" 12,9
I
organische Säuren'" , 12,9
Kohlenhydrate'" 3,4
3,8
Anzumerken ist, dass bei Themen, deren Mittelwerte sich um mindestens 0,4 unterscheiden, die Unterschiede auf dem 5 %Niveau signifikant sind.
Nach dieser Bewertung wird das Fach Chemie im Allgemeinen als nicht schwer zu unterrichten eingeschätzt. Mit einem über alle Themen errechneten Mittelwert von 2,8 liegt der Schwierigkeitsgrad in einem Bereich, der nach der Beurteilungsskala etwas besser ist als mittelmäßig. Allerdings gibt es jahrgangsstufenbezogene Unterschiede. So werden die Themen der Jahrgangsstufe 9 und 10 mit einem Mittelwert von 3,1 als deutlich schwerer zu unterrichten eingestuft als die Themen der Jahrgangsstufe 7 (Mittelwert: 2,3). Dieses Ergebnis korreliert mit der sinkenden Fachbeliebtheit im Laufe der Mittelstufe [2, 5]. Auffällig ist, dass unter den obligatorischen Themen gerade die theorielastigeren wie der Stoff- und Energieumsatz, die chemischen Grundgesetze, die Elektronenübertragungsreaktionen und die Bindungsarten als überdurchschnittlich schwer zu unterrichten angesehen werden.
Weiterhin wurde untersucht, ob es hinsichtlich der Einschätzung der Themen geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Die Analyse ergab, dass dieses nicht der Fall ist. Überaschenderweise konnten auch keine nennenswerten facherspezifischen Unterschiede festgestellt werden - noch nicht einmal
2 3 4 5 beim Thema chemische Grundgesetze, bei dem Grundlagen aus Mittelwerte Mathematik und Physik aufgegriffen werden, so dass man
[sehr leicht (1), leicht (2), mittelmäßig (3), schwer (4) und sehr schwer (5) zu annehmen könnte, dass dieses Thema den Befragten, die diese unterrichten], 'obligatorisch für Jg. 7 und Jg. 9/10, "Thema beinhaltet u. a. die F" h . h . P bl b' "d I d Einführung von Atommassse, Formel und Molbegriff, "'fakultativ ac er unterrlc ten, weruger ro eme ereIten wur e asen Abb. I: Bewertung der Themen hinsichtlich der Schwierigkeit ihres Unter- übrigen. Nur beim Thema Kohlenhydrate trat ein signifikanter richtens facherspezifischer Unterschied auf. So schätzten die Befragten,
Zu jedem Thema wurde als Antwortmöglichkeit folgende runfstufige Beurteilungsskala vorgegeben: sehr leicht (1), leicht (2), mittelmäßig (3), schwer (4) und sehr schwer (5) zu unterrichten. Des Weiteren sollten die Untersuchungsteilnehmer bei den Themen, die sie als schwer oder sehr schwer zu unterrichten empfinden, die Ursachen fiir diese Schwierigkeiten angeben. Dazu konnten sie zwischen vorgegebenen Iterns auswählen - wobei Mehrfachnennungen möglich waren - und auch eigene Anmerkungen machen (vgl. Tab. 1).
2.2 Ergebnisse der Untersuchung
2.2.1 Rahmendaten Von den Befragten waren rd. 40 % weiblich und 60 %
männlich. Nahezu alle Befragten hatten die Lehrbefähigung rur die Sekundarstufen I und 11, Die Altersstruktur der Teilnehmer zeigt annähernd eine Glockenform, wobei das Maximum zwischen 45 und 55 Jahren liegt. Häufigstes weiteres Unterrichtsfach ist Biologie (36 %), gefolgt von Mathematik (32 %) und Physik (16 %). Nur etwa 25 % der Befragten haben ein weiteres Fach, das nicht zum mathematisch-naturwissenschaftlichtechnischen Aufgabenfeld gehört.
2.2.2 Schwierigkeit der Themen Zur Auswertung der Themeneinschätzungen hinsichtlich der
Schwierigkeit ihres Unterrichtens wurde fur jedes Thema der Mittelwert errechnet. Die Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt.
200
die als weiteres Fach Biologie unterrichten, dieses Thema im Vergleich zu den anderen Teilnehmern als weniger schwierig zu unterrichten ein. Dies dürfte daran liegen, dass diese Untergruppe bereits durch ihr weiteres Fach mit den Lerninhalten dieses Themas intensiver vertraut ist und ihr das Unterrichten deshalb leichter fällt. Interessant wäre sicherlich noch zu ermitteln, inwieweit alters spezifische Unterschiede bei der Bewertung eine Rolle spielen. Da jedoch die Datenbasis insbesondere in den jüngeren Altersklassen zu gering war, musste diese Analyse entfallen.
2.2.3 Gründe für auftretende Schwierigkeiten Es gibt sicherlich verschiedene Gründe darur, dass Themen
als eher schwer zu unterrichten eingeschätzt werden. Deshalb sollten die Untersuchungsteilnehmer die Ursachen ftir die auftretenden Schwierigkeiten angeben. Ausgewertet wurden die Antworten bezüglich derjenigen Themen, deren Mittelwerte höher als 3,0 lagen. In Tab. 1 ist rur diese "Problemthemen" dargestellt, mit welchem Prozentsatz die jeweiligen Ursachen genannt wurden.
Auffällig ist, dass die Befragten die Ursachen rur die Schwierigkeiten in erster Linie auf der Seite der Schüler sehen. So werden ein geringes Lehrerinteresse und ein geringes Wissen seitens der Lehrerin bzw. des Lehrers praktisch überhaupt nicht als Grund genannt. Als Hauptursachen gelten vielmehr ein geringes Schülerinteresse, vor allem bei den Themen Stoff/Energieumsatz, chemische Grundgesetze sowie Atomaujbau und PSE, und ein ho her Schwierigkeitsgrad fiir die Schüler.
CHEMKON!8. Jahrg. 200J/Nr.4
"Problemthemen" des Chemieunterrichts
Tab. 1: Ursachen rur die Schwierigkeiten bei der Behandlung der ,,Problemthemen"
Thema
Stoff- chemische Atom- lonen- Elektronenüber- Elektro- Kunst- Kohlenhydrate IEnergie- Grundge- aufbau u. bindung tragungs- nenpaar- stoffe umsatz setze PSE reaktionen bindung
Grund % % % % % % % % hoher Schwierigkeitsgrad für die Schüler 96 89 86 75 83 47 80 .. _-- .. _----- ._--- ----~---- -----_. __ .. ----"------geringes Schülerinteresse 70 83 64 50 45 48 12 10 ------_ .. _--_. 1--------- .- ---""---" ..... _ ..... _._._ .. _---r-- .. -... --.. --- _._ ... _----_. fehlende geeignete Versuchsvorschriften 17 26 29 -~ 25 39 41 25 .. __ . ... __ . __ .- ._. __ ."- --_ .. _------- -_._ ...... - -------mangelhafte Experi-mentierausstattung 26 23 f-----~ ~-- 30 9 41 25 --------_ . .. _._------- ---------unzureichende mediale Unterstützung 17 r----1-~.--- 50 -~--- 30 44 24 5 ------ -------"-_._ ... ---_._-_."----- ---- -------_. ----_ .. fehlende geeignete Unterrichtskonzepte 30 29 21 19 25 13 65 20
--~"--"."-- .-- ---------"-- _._---- -_._._--- ------_._""-"---_ .. geringes Lehrer-interesse 0 0 0 0 0 0 0 10
."" -------".- .. _----"--- ._----_._-geringes Wissen seitens
0 0 des Lehrers 0 0 0 _IL. __ 0 r--.Jl---_._. __ ._- ""-_ ... - .----- -. __ .- . __ ._--_._- ... _ ...
Sonstiges 0 3 0
Insbesondere flir den letztgenannten Grund werden enonn hohe Werte erreicht. So geben flir alle Themen, die als schwer oder sehr schwer zu unterrichten empfunden werden, mehr als 75 % der Befragten einen hohen Schwierigkeitsgrad ftir die Schüler als Grund an. Eine Ausnahme stellt das Thema Kunststoffe dar, wo diese Ursache nur von 47 % angegeben wird. Warum die Untersuchungs teilnehmer bei den einzelnen "Problemthemen" den Schwierigkeitsgrad ftir die Schüler als hoch einschätzen, kann an dieser Stelle nur vennutet werden. Prinzipiell wären zwei Gründe bzw. eine Mischung aus diesen beiden denkbar: Zum einen könnten die Schwierigkeiten in den Lerninhalten begründet sein und zum anderen aus den als zu gering einge-
. schätzten Fähigkeiten der Schüler resultieren. Letzterer Erklärungsansatz wird von einigen Anmerkungen der Befragten gestützt. Folgende individuelle Angaben der Befragten sollen dies verdeutlichen:
" Oft fehlen Grundlagen aus Mathematik und Physik. " "Bei allen Themen, die größeres Abstraktionsvermögen von Seiten der Schüler verlangen, wird das Unterrichten zunehmend schwierig. " " Grundkenntnisse sind oftmals nicht vorhanden. " "Immer wenn Modelldenken und mathematische Grundlagen gefordert sind, wird es schwierig. "
Aus den Anmerkungen der Befragten wurde weiterhin deutlich, dass Schwierigkeiten nicht zuletzt aus der Stofffülle des Lehrplans resultieren, die eine angemessene Behandlung der "Problemthemen" kaum ennöglicht.
Die vorhandenen Versuchsvorschriften, die Unterrichtskonzepte sowie die Experimentierausstattung werden von den Untersuchungsteilnehmern kaum bemängelt, somit werden die experimentellen Erarbeitungsmöglichkeiten als günstig beurteilt. Eine Ausnahme bilden nur die Themen, die theorielastiger sind, wie z.B. Atomaufbau und PSE, Ionenbindung und Elektronenpaarbindung. Bei diesen Themen bemängeln mindestens
CHEMKONl8. Jahrg. 2001lNr. 4
6 5 4 6 5
etwa 30 % der Befragten fehlende geeignete Versuchsvorschriften. Etschwerend kommt bei diesen Themen noch hinzu, dass auch die medialen Unterstützungsmöglichkeiten als eher unzureichend bewertet werden. Fehlende Unterrichtskonzepte werden in nennenswertem Umfang bei den Themen Stoff- und Energieumsatz und chemische Grundgesetze sowie Kunststoffen beklagt.
Das letztgenannte Thema stellt einen Sonderfall dar. Hier liegen die Ursachen flir die Schwierigkeiten bei der unterrichtlichen Behandlung nicht so sehr auf der Seite der Schüler, sondern im Fehlen geeigneter Unterrichtskonzepte und den experimentellen Erarbeitungsmöglichkeiten. Dies erklärt auch, dass immerhin 17 % der Befragten dieses fakultative Thema noch nie unterrichtet haben.
2.2.4 Einflusspotenzial fachdidaktischer Zeitschriften Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass gerade bei den
,,Problemthemen" neue Impulse nötig sind. Dazu gibt es ftir Lehrer eine Reihe von Möglichkeiten. Ein wichtiges Medium stellen Publikationen in fachdidaktischen Zeitschriften dar. Um zu ermitteln, wie viele Lehrer Zugang zu diesen haben, sollten sie die Anzahl der fachdidaktischen Zeitschriften angeben, die sie privat abonnieren bzw. von ihrer Schule abonniert werden. In Tab. 2 sind die Prozentwerte daftir wiedergegeben. Zum Vergleich sind Ergebnisse einer 1996 im Frankfurter Raum durchgeführten empirischen Untersuchung angegeben [11].
Tab. 2: Anteil der Lehrer, die über ein Abonnement mindestens einer fachdidaktischen Zeitschrift verfugen
Ruhrgebiets-Lehrer Frankfurter Lehrer [11]
Privat
Privat oder Schule
42%
60% 20% 39%
Fast die Hälfte der Befragten hat somit mindestens eine fachdidaktische Zeitschrift privat abonniert, und 40 % verfUgen
201
"Problemthemen" des Chemieunterrichts
weder in der Schule noch privat über ein Abonnement. Damit liegt die private und schulische Abonnementrate dieser Personengruppe . deutlich höher als bei den Frankfurter Chemielehrern. Aufgrund dieser Abonnementraten lässt sich grob abschätzen, dass ungefähr die Hälfte aller Chemie lehrer durch Aufsätze in fachdidaktischen Zeitschriften neue Impulse für ihren Unterricht erhalten. An dieser Stelle sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass natürlich keine Gewissheit besteht, ob insbesondere die von der Schule abonnierten Zeitschriften auch tatsächlich von den Lehrern gelesen werden.
3. Konsequenzen für die zukünftige fachdidaktische Arbeit Das Unterrichten eines Themas wird durch viele Faktoren
beeinflusst. In Abb. 2 sind die wesentlichen Aspekte zusammengefasst.
Lehrplan-vorgaben
Lehrer
1 Schüler
~ / Unterrichten
eines Themas
/ 1 ~ Medien schulische Rahmenbe-
Unterrichts- dingungen konzepte
Abb. 2: Wesentliche Aspekte beim Unterrichten eines Themas
Wie die Befragung gezeigt hat, sehen Lehrer die Hauptursachen für die Schwierigkeiten bei der Behandlung der ,,Problemthemen" im hohen Schwierigkeitsgrad für die Schüler und im geringen Schülerinteresse . Interessanterweise decken sich diese Ergebnisse mit der allgemeinen Einschätzung des Chemieunterrichts aus der Sicht der Schüler, die das Fach als zu schwer, zu theoretisch und trotz interessanter Inhalte als eher langweilig empfinden [1, 3]. Insbesondere bei den "Problemthemen" ist also ein dringender Handlungsbedarf feststellbar. Neue Ansätze hierzu dürften von den Chemielehrern dankbar aufgenommen und im Unterricht umgesetzt werden.
Es gilt nun zu ermitteln, wie die "Problemthemen" umgestaltet werden können, damit das Schwierigkeitsniveau und die Lerninhalte nicht zu einer Demotivierung der Schüler führen. Erforderlich sind in diesem Zusammenhang Analysen, wo bei den "Problemthemen" die genauen Schwierigkeiten liegen und wie diese behoben werden können. Dieses könnte neue Unterrichtskonzepte erfordern, auch wenn diese von den Befragten unmittelbar nur bei dem Thema KunststojJe und in geringerem Umfang auch bei den Themen Stoff- und Energieumsatz und chemische Grundgesetze eingefordert wurden.
202
Wie aus den Anmerkungen der Untersuchungsteilnehmer ebenso hervorgeht, führt u. a. die Stofffülle der Lehrpläne dazu, dass der Lernerfolg nicht in einem hinreichenden Maße gegeben ist. Auf dieses Problem wurde bereits an anderer Stelle aufmerksam gemacht [7, 12, 13]. Viele gültige Lehrpläne enthalten einen zu umfangreichen Stoffkatalog und sind teilweise durch theoretische Inhalte überfrachtet. Christen [7] schlägt deshalb einen" drastischen StojJabbau" und eine "Entrümpelung der Lehrpläne" vor. Eine Stoff reduktion könnte zu einer vertieften Behandlung der obligatorischen Lerninhalte fiihren, so dass die Schwierigkeiten, die sich aus Zeitmangel ergeben, verringert würden. Bei der Auswahl der Lerninhalte sollte überlegt werden, welche Unterrichtsgegenstände bzw. -themen auf grund des erforderlichen hohen Abstraktionsgrads besser in die Sek 11 verschoben werden oder gar wegfallen sollten. Des Weiteren sollten auch die Interessen der Schüler stärker berücksichtigt werden. Hierbei kann auf Ergebnisse von Untersuchungen zum Schülerinteresse am Chemieunterricht in der Mittelstufe zurückgegriffen werden [z.B. 14].
Literatur
[1] V. Woest, Der »ungeliebte« Chemieunterricht? Ergebnisse einer Befragung von Schülern der Sekundarstufe 2, MNU 50/1 (1997) 50-57
[2] K. Höner, T. Greiwe, Chemie - nein danke? Eine empirische Untersuchung affektiver und kognitiver Aspekte des Chemieunterrichts der Sekundarstufe I in Abhängigkeit von der Jahrgangsstufe, chimica didactica 26/1 (2000) 25-55
[3] W. Gräber, Untersuchungen zum Schülerinteresse an Chemie und Chemieunterricht, Chern. Sch. 39/7/8 (1992) 270-273
[4] H.-J. Becker, Chemie - ein unbeliebtes Schul fach? Ergebnisse und Motive der Fachbeliebtheit, MNU 31/8 (1978) 455-459
[5] H.-J. Becker, Eine empirische Untersuchung zur Beliebtheit von Chemieunterricht, chimica didactica 9/1 (1983) 97-123
[6] K.-H. Berck, Warum zu wenig Interesse der Schüler am naturwissenschaftlichen Unterricht?, MNU 40/7 (1987) 387-389
[7] H. R. Christen, Chemie - faszinierend oder ein Horrorfach? Zur Akzeptanz des Chemieunterrichts, CHEMKON 4/4 (1997) 175-180
[8] E. Wolf, K. Höner, H. Wenck, Biologie oder Chemie? Eine empirische Untersuchung zum Leistungskurs-Wahlverhalten der gymnasialen Oberstufe, chimica didactica 24/2 (1998) 129-150
[9] Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen (Rrsg.), Philologen-Jahrbuch 1998/99. Gymnasien· Gesamtschulen, Münster 1999
[10] Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Richtlinien und Lehrpläne rur das Gymnasium - Sekundarstufe I - in Nordrhein-Westfalen: Chemie, Frechen 1993
[11] C. Neu, 1. Meile, Die Fortbildung von Chemielehrerinnen und -lehrern. Gegenwärtige Situation und Möglichkeiten zur Veränderung, CHEMKON 5/4 (1998) 181-186
[12] H. J. Bader, Chemielehrpläne - Die unendliche Geschichte, CHEMKON 1/4 (1994) 171-172
[13] R. P. Kreher, Lehrpläne für den Chemieunterricht - Grundsätze und Folgerungen, CHEMKON 1/2 (1994) 90-93
[14] W. Gräber, Interesse am Unterrichtsfach Chemie, an Inhalten und Tätigkeiten, Chem. Sch. 39/10 (1992) 354-358
Eingegangen am 20. März 2001 o
CHEMKONl8. Jahrg. 2001/Nr. 4