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Protokoll der Kuba-Exkursion 2000
15.3.2000
Streckenführung: Santiago de Cuba (Stadtgebiet) – El Cobre
Bearbeiter: Annelie Szameitat, Björn Mildahn und Volker Meyer
Themenschwerpunkte: Planungsprobleme in zentralverwalteten
Systemen, Umweltprobleme, Umgang mit Migrationsproblemen
Santiago de Cuba und Umland
Quelle: Gravette, A. 1999
Quelle: Gravette, A. 1999
Innenstadt Santiago de Cubas
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Die Geschichte von Santiago de Cuba
Auf der Fahrt vom Hotel an der Küste zum ersten Termin bei der Planificacíon Fisica
wurde von der protokollierenden Gruppe ein kurzer Abriss der Geschichte von Santiago
de Cuba geliefert, der hier noch einmal zusammengefasst werden soll.
Santiago wurde 1514 gegründet. Ausschlaggebend hierfür war die strategisch günstige
Lage am Naturhafen. 1524 verlegte der erste Gouverneur Kubas, Diego Velasquez,
seinen Sitz von Baracoa nach Santiago. Bis 1549 blieb Santiago Hauptstadt, bevor es
diesen Titel an das neue Handelszentrum Havanna abgeben musste.
Durch die Entdeckung der Kupferminen von El Cobre behielt Santiago jedoch
wirtschaftliche Bedeutung. Wegen des Bedarfs an Minenarbeitern wurde die Stadt zu
einem der Zentren des Sklavenhandels im mittelamerikanischen Raum. Noch heute ist
ein deutlich höherer schwarzer Bevölkerungsanteil in Santiago gegenüber anderen
Landesteilen auszumachen.
Neben der – erzwungenen – afrikanischen Migration kam es in den folgenden
Jahrhunderten zu weiteren Einwanderungswellen, die die Stadt prägten und expandieren
ließen:
Zum einen wurde Santiago Fluchtpunkt spanischer Siedler aus Jamaika, das 1655 von
den Engländern eingenommen wurde. Auch die Errichtung der Festung El Morro am
Eingang der Bucht konnte nicht verhindern, dass auch Santiago 1662 kurzzeitig von
englischen Freibeutern eingenommen wurde.
Eine zweite Einwanderungswelle erfolgte durch ca. 30.000 französische Kaffeepflanzer
Mitte des 18. Jahrhunderts, die vor Sklavenaufständen in Haiti geflohen waren.
Durch deren Know-how bezüglich Kaffee- und Zuckeranbau sowie den Wegfall der
haitianischen Konkurrenz erlebte Santiago eine Blüteperiode, geprägt durch
französische Lebensweise.
Neben seinem Ruf als Hauptstadt der Musik gilt Santiago auch als die Hauptstadt der
Revolution. Gedanken der französischen Revolution führten schon im 19. Jahrhundert
zu Unabhängigkeitsbestrebungen. 1863 wurden lokale Wahlen abgehalten und im Jahr
1872 führte Carlos Manuel de Cespédes einen erfolglosen Aufstand in Santiago an.
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Auch beim Unabhängigkeitskrieg 1898 kam Santiago eine entscheidende Rolle zu. Hier
griffen amerikanische Truppen in den nahezu gewonnenen Kampf ein, indem sie die
spanische Flotte im Hafen von Santiago blockierten und teilweise versenkten.
Die Amerikaner festigten somit ihren Einfluss in Kuba, der bis 1959 andauerte und sich
u.a. in militärischen Eingriffen in Santiago zur Wahrung amerikanischer Interessen in
der Zuckerindustrie und im Kupferabbau äußerte. Durch amerikanische Investitionen
expandierte die Stadt zudem, Krankenhäuser, Schulen und neue Industrien wurden
errichtet.
Auch die sozialistische Revolution hatte ihren Ausgangspunkt in Santiago. Zwar musste
Castro 1953 nach dem fehlgeschlagenen Angriff auf die Moncada-Kaserne zunächst
das Land verlassen. Ab 1956 bildete die nahegelegene Sierra Maestra jedoch den
Ausgangspunkt des Revolutionskampfes. 1959 verkündete Castro schließlich den Sieg
der Revolution vom Rathaus in Santiago.
Nach der Revolution kam es zu einem weiteren Ausbau der Industrie und des Hafens
von Santiago. Zudem wurden neue Wohnviertel wie die Großwohnsiedlung José Marti
errichtet, um bestehende Slumviertel zu ersetzen. Im anschließenden Gespräch mit den
Planern der Planificacíon Fisica wurden jedoch die Mängel solcher Anlagen erwähnt
und ergänzt, dass nach wie vor noch „ungesunde“ Wohnviertel in Santiago existieren.
Planificación Fisica
Die PLANIFICATION FISICA ist die regionale Planungsbehörde in der Provinz
Santiago de Cuba. Sie ist das Zentrum für Informationen und Kontrolle der Region. Ihre
Hauptaufgabe besteht seit der Revolution in der Planung der Landnutzung. Die
Mitarbeiter gehören unterschiedlichen Fachrichtungen aus dem planerischen Bereichen
(Architekten, Ingenieure, Soziologen, Geographen) an, so dass interdisziplinär
gearbeitet werden kann.
Provinz Santiago de Cuba
Santiago de Cuba ist nach Guantánamo die östlichste Provinz Kubas. Raumordnerisch
ist die Provinz in drei Planungsebenen unterteilt. Die oberste Ebene ist die Provinz-
Ebene (6000 km², 1,22 Mio. Einwohner), die mittlere Ebene ist die Gemeinde-Ebene
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und die unterste Planungsebene bilden die städtischen Räume. In der Provinz existieren
25 städtische und 180 ländliche Siedlungen. Der Verstädterungsgrad der Provinz
Santiago de Cuba beträgt 70 %. Provinzhauptstadt ist mit 450.000 Einwohnern die Stadt
Santiago de Cuba.
Naturräumliche Einordnung
66 % der Provinzfläche wird vom Bergland eingenommen. Die größten Gebirgszüge
befinden sich entlang der Küste. Westlich von der Stadt Santiago de Cuba erstreckt sich
die Sierra Maestra, mit dem höchsten Gebirgszug Kubas. Nördlich der Sierra Maestra
schließt sich eine große Ebene an.
Östlich der Stadt befindet sich der
Gebirgszug Gran Piedra.
Die Umgebung der Stadt Santiago de
Cuba wird als die Tierra Caliente
(heißes Land) bezeichnet. Die
Jahresmitteltemperatur ist in
Santiago de Cuba um ca. 3° C höher
als in Havanna. Die
durchschnittliche Niederschlags-
menge in der Provinz beträgt 1170 mm/J, schwankt jedoch reliefbedingt stark. In den
Bergregionen können die Jahresniederschläge über 2000 mm betragen, während in
einigen Küstenregionen weniger als 800 mm Niederschlag pro Jahr fallen. Durch diese
Niederschlagsunterschiede wird auch die natürliche Vegetation in der Provinz
bestimmt. In den Ebenen befinden sich Kakteen (Savannenlandschaft), während in den
Bergregionen Feuchtwälder die Landschaft prägen.
Die Region Santiago de Cuba ist ein durch Erdbeben gefährdetes Gebiet. Fast täglich
kommt es in der Provinz zu Erdstößen, die jedoch so gering sind, um sie bewusst
wahrzunehmen. Das letzte größere Erdbeben in Santiago de Cuba ereignete sich 1942,
aber auch 1999 gab es Beben mit der Stärke 6 auf der Richterskala.
Planer (links) und Exkursionsleiter (rechts)
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Landwirtschaft
In der Provinz ist die Bodenqualität nur mittel oder sogar schlecht für die
landwirtschaftliche Nutzung. Dies ist zusammen mit der Relief-Ungunst ein Grund
weshalb die Provinz landwirtschaftlich nicht sehr bedeutend ist. 29 % der Fläche
werden landwirtschaftlich genutzt, die sich folgendermaßen untergliedert: In den
Ebenen im Zentrum der Provinz wird vor allem Zucker, in den Bergregionen
hauptsächlich Kaffee, aber auch in kleinen Mengen Obst und Gemüse angebaut.
Außerdem wird extensive Weidewirtschaft betrieben. Die Zuckererträge pro Hektar und
die Milchleistung der Kühe sind aufgrund der schlechten Böden und der Trockenheit in
den Ebenen im Vergleich zu anderen Provinzen Kubas unterdurchschnittlich. Weitere
Probleme bei der landwirtschaftlichen Nutzung sind in den Bergregionen auftretende
Erosions- und in den Ebenen Versalzungsprozesse.
Forstwirtschaftlich wird nur ein Teil des Waldbestandes genutzt, der 48 % der Provinz-
Fläche umfasst. Insgesamt gibt es 15 ausgewiesene Waldschutzgebiete, für die
abgestufte Nutzungsformen festgelegt wurden. In einigen sind keinerlei Aktivitäten
erlaubt, andere sind durch Wanderwege erschlossen und dienen zur Naherholung.
Industrie
In der Gemeinde Santiago de Cuba ist die Industrie der wichtigste Sektor. Noch in der
amerikanischen Phase (1902-58) entstanden ein Zementwerk, eine Erdöl-Raffinerie und
ein Elektrizitätswerk. Außerdem war Santiago de Cuba bekannt für seine
Rumproduktion. In dem ehemaligen Bacardi-Werk (Barcardi hat heute sein Sitz in
Costa Rica) wird heute noch immer Rum produziert.
Nach 1959 wurden eine weitere Raffinerie und eine Textilfabrik gebaut und neue
Industriegebiete erschlossen.
Wirtschaftliche Situation
Seit Beginn der 90er Jahre mussten durch den Zusammenbruch des RGW zahlreiche
Industrieanlagen stillgelegt werden. Viele Anlagen befanden sich auf einem
technologisch veraltetem Stand und die notwendigen Rohstoffimporte blieben aus.
Auch die Textilfabrik, die für enorme Kapazitäten ausgelegt war und früher Tausende
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von Arbeitskräften beschäftigte, musste schließen. Heute befinden sich auf dem
Gelände ein paar kleine Fabriken mit nur wenigen Arbeitnehmern. Es werden z.T.
immer noch Textilprodukte hergestellt, inzwischen jedoch auch andere Produkte
hergestellt (Plastikschuhe, Jointventure mit China). Die entlassenden Arbeitskräfte
bekommen, bis sie wieder vermittelt werden, 50 % ihres letzten Gehaltes.
Migrationsprobleme
In der Gemeinde Santiago de Cuba gab es zunächst nicht genug verfügbare
Arbeitskräfte für die Industrie, deshalb kam es zu Wanderungsbewegungen aus der
Provinz in die Gemeinde. Der Verstädterungsgrad ist von 1960 bis 1999 von 60 % auf
70 % gestiegen. Doch nach dem Zusammenbruch der Industrie herrscht kein Mangel
mehr, sondern ein Überangebot an Arbeitskräften in der Gemeinde. Die Arbeitslosigkeit
in Santiago de Cuba wird inzwischen offiziell mit 10 % (real vermutlich 14 %)
angegeben, während auf dem Land Arbeitskräftemangel herrscht. Trotzdem wandern
weiterhin ca. 2.000 Menschen pro Jahr von der Provinz in die Gemeinde Santiago. Der
Prozess der Migration läuft folgendermaßen ab: Erst wandern die Menschen aus der
Provinz in kleinere Städte z.B. nach Palena und Maestra, danach wandern sie weiter
nach Santiago, und schließlich nach Westkuba (Provinz Havanna). Ein Grund für diese
Wanderungsbewegungen aus der Provinz in die Stadt sind die trotz der wirtschaftlich
desolaten Lage besseren Verdienstmöglichkeiten in der Stadt. In der Stadt besteht die
Möglichkeit, mit ausländischen Touristen in Kontakt zu kommen und durch sie an
Dollar zu gelangen. Außerdem können viele, die zum Studieren nach Santiago
gekommen sind, sich nicht vorstellen, nach ihrem Studium wieder in der Provinz harter
körperlicher landwirtschaftlicher Tätigkeit nachzugehen. Die Abwanderungsströme von
Santiago nach Havanna lassen sich durch unterschiedliche Lohnniveaus erklären, denn
die Löhne in der Provinz Santiago gehören zu den niedrigsten in ganz Kuba. Die
Provinz hat die höchste Abwanderungsrate des Landes (minus 2.000 Pers./a).
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Tourismus
Bis 1990 gab es in Santiago de Cuba wie in ganz Kuba nur inländischen Tourismus, den
ausländischen Touristen war die Einreise nach Kuba bis zu diesem Zeitpunkt nicht
gestattet. Seit 1990 entwickelte sich Santiago de Cuba zu einem bedeutenden
Anziehungspunkt für ausländische Touristen. Ein bedeutsames Tourismusprojekt in
Santiago de Cuba war 1992 der Bau eines 5-Sterne-Hotels auf dem Gelände einer
Zuckerfabrik. Nach anfänglich geringer Nachfrage besteht seit 1999 ein
Managementvertrag mit der spanischen Sol-Melilla Gruppe, wodurch sich die
Auslastung erhöht hat. Auch an der Küste sind neue Hotelanlagen entstanden, die durch
Joint-ventures mit kanadischen und deutschen Firmen (LTI) realisiert wurden.
Außerdem werden die bestehenden Ferienanlagen, die früher von Kubanern genutzt
wurden, heute fast ausschließlich für ausländische Touristen betrieben. Im östlich der
Stadt gelegenen Gebirge Gran Piedra sollen zukünftig Projekte im Bereich des
ländlichen und ökologischen Tourismus gefördert werden.
Infrastrukturproblem
Ein großes Problem für Santiago de Cuba besteht in der überalterten oder mangelnden
Infrastrukturausstattung. Die Wasserrohre in der Altstadt stammen noch aus der
spanischen Kolonialzeit und sind in einem desolaten Zustand. 20-30 % des Wassers
gehen beim Transport verloren. Dadurch verschärft sich das vorhandene Problem der
Grundwasserknappheit in der Provinz weiter. Manchmal gibt es in der Altstadt bis zu
zehn Tage kein fließendes Wasser. Aufgrund der Wasserknappheit haben sich viele
Einwohner Zisternen auf den Dächern aufgestellt. Für die Reparatur des
Wasserrohrsystems mangelt es an Ersatzteilen (z.B. Reparatur der aus der ehemaligen
UdSSR stammenden Pumpen). Auch ein Abwassersystem existiert nur in den neu
errichteten Siedlungen. Kläranlagen wurden wegen mangelnder finanzieller Mittel nach
1990 nicht fertiggestellt, so dass die Abwässer weiterhin ungeklärt ins Meer geleitet
werden.
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Umweltproblem
Durch fehlende oder nicht funktionierende Kläranlagen wurden viele Abwässer der
Industrieanlagen ungeklärt in die Bucht von Santiago de Cuba eingeleitet. 1986 wurde
das erste Umweltschutzgesetz in Kuba erlassen und seit 1998 sind für alle Maßnahmen
Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgesehen. Diese Vorschriften werden jedoch bis
heute kaum oder gar nicht eingehalten. Seit 1990 hat sich die Umweltsituation deutlich
verbessert, weil sich durch den Zusammenbruch der Industrie auch die
Abwasserbelastung deutlich verringert hat. Inzwischen ist die Bucht von Santiago de
Cuba wieder sauberer Der Prozess wird als passive Sanierung der Umwelt bezeichnet.
Viele Kläranlagen wurde durch die Wirtschaftskrise nicht zu Ende gebaut. Die
getätigten Investition sind inzwischen durch den Verfall der Anlagen wertlos
geworden.
Planungsproblem
Ein Problem für die Regionalplanung in Santiago de Cuba ist die zentralistische
Planung von Havanna aus. Alle Entscheidungen werden in Havanna getroffen. Die
Provinz hat kaum einen Einfluss. Auch die Einnahmen der Provinz müssen nach
Havanna abgeführt werden. Es besteht ein Konflikt zwischen den Planern in der Region
und den politischen Entscheidungsträgern in Havanna. Die Planer kennen die Probleme
sehr genau, haben jedoch durch die zentralistische Organisation der Planung keine
Spielräume, adäquat darauf zu reagieren. Die Entscheider beachten nicht die Planungen
der Experten. Unser Gesprächspartner spricht von dilettantischen Zuständen.
Ein Beispiel aus Santiago ist der Industrieausbau in der Stadt. Wo die Arbeiter für die
Industrie wohnen sollen, wurde nicht berücksichtigt. Weit entfernt von den
Industrieanlagen wurden riesige Plattenbausiedlungen („Schuhkartonsiedlungen“)
errichtet, in denen bis zu 40.000 Einwohner leben. Ein ÖPNV-System zur
Sicherstellung der Mobilität der Menschen wurde jedoch nicht mitgeplant.
Auch die soziale Mischung in diesen Plattenbausiedlungen wurde durch
Wohnungszuweisungen durch den Staat geplant. Trotzdem fühlen sich die Leute nicht
wohl in den Siedlungen.
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Inzwischen herrscht Wohnungsmangel in der Stadt und es sind mit der Zeit 32
sogenannter „barrios insaludable“ (Ungesunde Stadtviertel) entstanden, die weder über
Strom und Wasser noch über einen Anschluss an die Kanalisation verfügen. In ihnen
sind ca. 10.000 Einwohner beheimatet. Auch in diesen „Slums“ sind Menschen aller
sozialen Schichten ansässig. Bevor Personen nach ihrem Studium zurück aufs Land
gehen, bleiben sie in der Stadt und wohnen in den „Slums“.
El Cobre
Kupfermine
Die im Landesinneren nicht weit
von Santiago gelegene Kupfermine
wird bereits seit 1514 betrieben
und ist damit die älteste ganz
Lateinamerikas. Dem ersten
Besitzer, dem Deutschen Hans
Tetzel, der die Grube im Auftrag
der Spanier betrieb, folgten viele
andere Deutsche, aber auch
Engländer, die ebenfalls im
Auftrag der spanischen Krone
arbeiteten.
150 Jahre lang war diese Mine ein Staat im Staate, dessen Arbeiterschaft sich aus
afrikanischen Sklaven und Indianern zusammensetzte. Die schnelle Vermischung der
Kulturen und die gemeinsame Organisation des Überlebens hatte zur Folge, dass die
Minenbesitzer zunehmend immer weniger Kontrolle über ihre Sklaven ausüben
konnten. Einige der Sklaven konnten sich von ihren Kolonialherren unabhängiger
machen, betrieben Handel und wurden z.T. später in die Freiheit entlassen. Die ganze
Region um El Cobre galt als äußerst wohlhabend. Außerdem war Kuba zu dieser Zeit
Abraumhalden in El Cobre
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ausgesprochen innovativ, so war es das 6. Land auf der Welt, das die Eisenbahn
einführte.
Bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts wurde das Kupfer unter Tage gefördert.
Heutzutage wird der Abbau im Tagebau betrieben. Der Kupferanteil wird bereits seit 40
Jahren nicht mehr bekannt gegeben und als Staatsgeheimnis behandelt. Kein
Staatsgeheimnis ist jedoch, dass das Bergwerk im Jahre 2001 geschlossen wird, weil
das Kupfervorkommen erschöpft ist.
Ein aktuelles Problem ist die Toxizität des Schwermetalls Kupfer. Die durch Wasser
ausgespülten Ionen bilden Schwefelsäure und sind nicht nur gesundheitsschädlich und
verseuchen in der benachbarten Plattenbausiedlung Jose Marti das Trinkwasser, sondern
sie schaden auch in der Nähe gelegenen Industrieanlagen.
Über eine Nachnutzung nach Einstellung des Abbaus ist man sich noch keineswegs
einig.
Wallfahrtsort
Die auf einem Hügel in der Nähe gelegene Kirche von El Cobre ist der Virgen de la
Caridad ( Der heiligen Jungfrau der Barmherzigkeit)
geweiht. Der Sage nach erschien die Jungfrau im
Jahre 1606 drei ertrinkenden Fischer im Meer und
reichte ihnen eine Holzplanke. Später baute man ihr
dann am Ort der heutigen Kirche eine kleine Kapelle.
Die Virgen de la Caridad wurde später zur
Schutzherrin der in den Kupferminen arbeitenden
Sklaven, allerdings nicht nur in ihrer Eigenschaft als
katholische Heilige. Denn in Form der Virgen de la
Caridad wird gleichzeitig die Göttin Ochun, die
afrokubanische Göttin für Liebe, Koketterie und
Fruchtbarkeit verehrt. Die Projektion dieser Göttin
auf die Heilige Jungfrau hat ihren Ursprung in der
Zeit, als es den Yoruba–Sklaven aus Westafrika
verboten war, ihre eigene Religion auszuüben. Die Santeria „Der Weg der Heiligen“
Kirche von El Cobre
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entstand, eine Synthese aus der katholischen Kirche und westafrikanischen Göttern.
Rund 15 afrokubanische Heilige treten regelmäßig in Form von katholischen Heiligen
auf. Noch heute im kommunistischen Regime Kubas hat diese neue Glaubensrichtung
Bestand.
Die Virgen de la Caridad, mit der in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts erbauten
Kirche ist heute der bedeutendste Wallfahrtsort Kubas, der auch von berühmten
Persönlichkeiten wie Fidel Castros Mutter und Hemingway besucht wurde.
Innenstadt
Die anschließende Mittagspause
fand am Plaza Dolores in der
Innenstadt statt.
Von dort aus begann eine kurze
Stadtführung durch die Innenstadt
Santiago de Cubas.
Entlang der Avenida Saco ging es
westwärts in Richtung Parque
Céspedes.
Die Avenida Saco ist die traditionelle Einkaufs- und
Flaniermeile Santiagos, also quasi der CBD, auch
wenn das Warenangebot heute nicht unbedingt
höchsten Zentralitätsansprüchen genügt.
Der Parque Céspedes ist das funktionale Zentrum Santiagos.
Wie für lateinamerikanische/kubanische Zentralplätze üblich,
entsteht der rechteckige Platz durch einen „ausgelassenen“
Häuserblock im schachbrettartigen Straßengrundriss. Auch in
Santiago wird der Platz auf allen Seiten von wichtigen
Gebäuden flankiert:
Avenida Saco
Kathedrale von Santiago
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An der Südseite erhebt sich die
mächtige Kathedrale. In der jetzigen
Form 1922 fertiggestellt, bestand
hier schon seit 1516 eine Kirche, die
jedoch häufig durch Erdbeben und
Brände zerstört und verändert und
vergrößert wieder errichtet wurde.
Gegenüber auf der Nordseite des
Platzes liegt das Rathaus, von dessen
Balkon Fidel Castro am 1.1.1959 die
Revolution verkündete. Es handelt sich bei dem Bau um eine aus den 40er Jahren
datierende Rekonstruktion des
früheren, wiederum von einem
Erdbeben zerstörten Rathhauses.
Auf der Westseite des Platzes
befindet sich das älteste Haus
Kubas, die Casa Diego Velázques.
In dem 1516 errichteten Wohnhaus
des ersten Gouverneurs Velázques
ist heute ein Museum für koloniale Kunst
untergebracht.
Das Casa Grande, ein prachtvolles Hotel aus der
Gründerzeit, befindet sich an der Ostseite des Platzes.
Der Platz selbst ist nach Carlos Manuel de Céspedes
benannt, dem Führer des erfolglosen Aufstandes
gegen die Kolonialmacht von 1872.
Der Rundgang führte wiederum ostwärts entlang der
Calle Herida. Diese gilt als kulturelles Zentrum
Santiagos, nicht zuletzt aufgrund der Casa de la
Rathaus
Casa Diego Velasquez
Hotel Casa Grande
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Trova, dem berühmtesten Musiklokals Kubas. Das Haus ist seit Jahrzehnten Treffpunkt
der kubanischen Musikszene. Santiago wird daher als Musik-Haupstadt Kubas
angesehen und gilt als Geburtsort des Son.
Bevor vom Plaza Dolores die Busfahrt wieder aufgenommen wurde, stand noch ein
Besuch beim Rummuseum zwei Querstraßen südlich der Calle Heridia auf dem
Programm. Hier wurde noch einmal der Produktionsprozess des Rum erläutert und die
Gruppe anschließend mit selbigem verköstigt.
Das Stadtumland Santiagos, die Bucht mit anliegender Industrie und
Squattersiedlungen
Auf der Fahrt von der Innenstadt an die Bucht Santiagos wurde das Problem der
„ungesunden Wohnviertel“, der Slumviertel in Santiago, von denen es insgesamt 32
gibt, deutlich. Es waren viele ärmliche gemauerte Häuser mit Wellblechdach zu sehen,
die oft nicht mit fließendem Wasser, Kanalisation und häufig auch Elektrizität
ausgestattet sind.
An der Ostseite der Bucht befindet sich eine Zementfabrik, in deren Nähe Mergel und
Kalkabbau stattfindet. Das nur zu rund 70 % ausgelastete Werk verursacht enorme
Emissionen. Heute bestehen auf den Böden in der Nähe ca. 1 m Ablagerungen durch die
Stofffracht, das entspricht eine
Ablagerung von 2 cm
Schwebstoffen pro Jahr.
Das ebenfalls an der Bucht gelegene
Elektrizitätswerk wurde mit
tschechischer Hilfe errichtet. Einer
seiner Schornsteine wurde in den
60er Jahren von Skoda erbaut. Der
andere, in den 90er Jahren erbaute
Schornstein ist japanischenElektizitätswerk
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Ursprungs. In den 70er und 80er Jahren wurde die Raffinerie mit sowjetischem Kapital
und Maschinen erweitert. Die
Auslastung dieser Anlage liegt bei
fast 100 %.
Die Erdölraffinerie enthält zwei aus
amerikanischer Zeit stammende
Einheiten, das Werk wurde jedoch
noch nach der Revolution
aufgerüstet. Die Auslastung der
Raffinerie liegt ebenfalls fast bei
100 %. Problematisch ist allerdings
auch bei dieser Anlage die stark verursachte Luftverschmutzung.
An der Westseite der Bucht befindet sich ein Hochofen für Stahl mit einer
angeschlossenen Werft für Schiffe. Diese haben heute ein Durchschnittsgewicht von
5.000-6.000 Bruttoregistertonnen und sind somit deutlich kleiner als noch vor 10
Jahren.
Nicht weit befindet sich der neue Hafen, der im Gegensatz zum alten kleineren
Stückguthafen auch Container umschlagen kann.
In der Mitte der Bucht ist ein relativ gehobenes Wohnviertel mit kleinem Yachthafen
auf einer kleinen Insel gelegen und in Richtung Süden befindet sich der Ausgang der
Taschenbucht.
Festung „El Morro“
Die Besichtigung der Festung El Morro, der letzten Etappe der Besichtigung der
Sehenswürdigkeiten Santiago de Cubas, wurde aus Zeitgründen auf den Abend des
16.3. verschoben.
El Morro, mit vollständigem Namen Castillo San Pedro de la Roca, ist eine imposante
Verteidigungsanlage, am östlichen Eingang oberhalb der Bucht von Santiago gelegen.
Erbaut 1640 vom Architekten Antonelli, der auch schon das gleichnahmige Pendant in
Havanna entworfen hatte, sollte die Festung Santiago vor den zahlreichen Attacken
karibischer Piraten und Freibeuter schützen.
Erdölraffinerie
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Nichtsdestotrotz gelang es dem britischen Freibeuter Henry Morgan 1662, Santiago
über den Landweg zu erobern und damit auch das Castillo einzunehmen.
El Morro, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erkoren, wurde erst kürzlich
restauriert und beherbergt heute ein Piratenmuseum.
Diskussion
Während der Nachbesprechung wurden folgende Themenbereiche diskutiert:
• Das Problem der Planungsmöglichkeiten regionaler Planer in der zentralen
Planwirtschaft.
• Umwelt als Produktionsfaktor im Sozialismus: Warum kam/kommt es trotz
zentraler Kontrolle nicht zu einer nachhaltigeren Nutzung der Ressourcen?
• Problem der Migration in sozialistischen Systemen: Warum kommt es trotz
staatlicher Kontrolle zu relevanten Bevölkerungsbewegungen, bzw. bedeutet das
schwächer werdende System eine Zunahme der Landflucht mit den einhergehenden
negativen Folgen (Slumbildung, Entvölkerung)?
LiterarturverzeichnisLangenbrink, U. 1998: Cuba. Dumont Richtig ReisenLonely Planet 1997: CubaNestler, U. 1999: Kuba. Marco Polo Reiseführer, Mairs Geographischer VerlagKarten:Gravette, A. 1999: Cuba, Edicíon Espanola, Könemann Verlagsgesellschaft. Kartenteil:
Globetrotter Travel Maps (1996)