quantenchemische studien zu ausgewählten themen der...
TRANSCRIPT
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Quantenchemische Studien zu ausgewählten Themen der
Biochemie
vorgelegt von
Diplom – Chemiker
Sebastian Sinnecker
aus Berlin
Vom Fachbereich 5 -Chemie-
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Naturwissenschaften
Dr. rer. nat.
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuß:
Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Martin Schoen
Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfram Koch
Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Lubitz
Tag der mündlichen Prüfung: 5. April 2001
Berlin 2001
D83
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I
Abstract.
Sebastian Sinnecker: Quantenchemische Studien zu ausgewählten Themen der Biochemie.
In der vorliegenden Arbeit wurden Fragestellungen aus drei Gebieten der Biochemie unter
Anwendung quantenchemischer Methoden untersucht.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Modellsystemen der Carboanhydrase (CA). Es wurden die
wichtigsten stationären Punkte der Potentialhyperfläche für die Hydratisierung von
Kohlenstoffdisulfid unter Verwendung der gängigsten CA – Modellsysteme ermittelt und mit
dem natürlichen Prozeß, der Umsetzung von Kohlendioxid, verglichen. Die Reaktion mit CS2
verläuft nach einem analogen Mechanismus, zeichnet sich jedoch durch eine höhere Barriere
aus und ist stärker exotherm. Letzteres gefährdet die katalytische Umsetzung, da die
Abtrennung des Reaktionsprodukts vom Katalysator erschwert ist.
Die Untersuchungen wurden unter Anwendung des Hartree – Fock Modells und der
Dichtefunktionaltheorie durchgeführt.
In Kapitel 4 wird die Berechnung isotroper Hyperfeinkopplungskonstanten unter
Verwendung von Dichtefunktionalmethoden an verschiedenen Bakteriochlorophyll- und
Chlorophyllradikalen vorgestellt. Die Strukturen wurden vollständig geometrieoptimiert. Für
einen Teil der untersuchten Systeme liegen experimentelle Daten vor, der Vergleich mit den
berechneten Kopplungskonstanten zeigt eine gute Übereinstimmung. Für den anderen Teil
können die theoretisch ermittelten Kopplungskonstanten zur Interpretation neu gewonnener
EPR – Daten herangezogen werden.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Selensulfidmolekül und seinem Anion. Es wurden die
Potentialkurven für verschiedenste elektronische Zustände des neutralen Moleküls und des
Anions berechnet und spektroskopische Konstanten bestimmt. Zum Einsatz kamen die multi
reference CI und die coupled cluster Methoden. Wenn möglich, wurde ein Vergleich zu
experimentellen Daten gezogen. Während die berechneten Größen für das neutrale
Selensulfid eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Daten zeigten, besteht für
das Anion Bedarf an weiteren theoretischen Untersuchungen.
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III
Meinen Eltern
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Die vorliegende Arbeit entstand im Zeitraum von Oktober 1997 bis Februar 2001 im Institut
für Organische Chemie der Technischen Universität Berlin unter Anleitung von Herrn Prof.
Dr. W. Koch.
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. W. Koch für die Bereitstellung der Themen und die
umfassende Betreuung meiner Arbeit. Die Möglichkeit, selber direkten Einfluß auf den Inhalt
meiner Dissertation zu nehmen, habe ich stets hoch geschätzt. Prof. Dr. W. Koch war ein
interessierter Doktorvater und Ansprechpartner, der mir mit zahlreichen Anregungen zur Seite
stand.
Ich möchte Herrn Prof. Dr. W. Lubitz für die Zusammenarbeit in den Untersuchungen zu den
Chlorophyllradikalen danken. Sein Interesse an den Ergebnissen aus meiner Arbeit und die
kontinuierlichen Anregungen für weitere Untersuchungen waren ein wichtiger Grund für die
Freude, die ich an meiner Arbeit hatte.
Ebenfalls danken möchte ich Herrn Prof. Dr. E. Anders und Herrn Dr. M. Bräuer. Unsere
Zusammenarbeit in den Untersuchungen zur Carboanhydrase sorgte ebenfalls für
Abwechslung und Spaß in meiner Arbeit. Besonders positiv sind mir die beiden Einladungen
von Herrn Prof. Dr. E. Anders nach Jena, sowie die herzliche Betreuung durch ihn und Herrn
Dr. M. Bräuer in Erinnerung.
Ich danke weiterhin den Mitarbeitern des Konrad Zuse – Zentrums in Berlin, insbesondere
Herrn Dr. T. Steinke, für die großzügige Bereitstellung von Rechenzeit und die technische
Betreuung meiner Projekte auf den Supercomputern.
Mein Dank gilt ebenfalls Frau H. Grauel und Frau Dr. N. Sändig, sie waren freundliche und
hilfsbereite Arbeitskolleginnen.
Ich möchte Herrn Prof. Drs. H. Schwarz danken, er sorgte für ein interessantes
Vortragsangebot im Institut für Organische Chemie und er ermöglichte mir die Anstellung als
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der TU Berlin über den gesamten Zeitraum meiner
Promotion. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. C. van Wüllen für die Möglichkeit, die im
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Rahmen seiner Berufung angeschafften Computerressourcen uneingeschränkt nutzen zu
können.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik 3
2.1 Allgemeine Betrachtungen 5
2.2 Das Hartree – Fock Modell 10
2.2.1 Die Gestalt der Wellenfunktion 10
2.2.2 Die Hartree – Fock Integro – Differentialgleichungen 11
2.2.3 Das numerische Verfahren 13
2.2.4 Weitere Anmerkungen 16
2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab initio Methoden 18
2.3.1 Der Begriff der Korrelationsenergie 18
2.3.2 Konfigurationswechselwirkung 19
2.3.3 Die CASSCF Methode 21
2.3.4 Das coupled cluster Modell 23
2.4 Dichtefunktionalmethoden 25
2.4.1 Die Elektronendichte 25
2.4.2 Die Hohenberg – Kohn Theoreme 25
2.4.3 Der Kohn – Sham Formalismus 26
2.4.4 Austausch- und Korrelationsfunktionale 29
2.5 Basissätze 31
2.6 Solvatationsmodelle 35
2.7 Populationsanalysen 36
2.8 Die Untersuchung von Potentialhyperflächen 38
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VIII
3. Die katalytische CS2 Hydratisierung durch Modellsysteme der Carboanhydrase 41
3.1 Einführung 43
3.2 Verwendete Methoden und Programme 47
3.3 Diskussion der Ergebnisse 48
3.3.1 Vorbetrachtungen und die CS2 Umsetzung durch den [Zn-OH]+
Komplex 48
3.3.2 Die CS2 Umsetzung durch die [(NH3)3Zn-OH]+ und [(Imi)3Zn-OH]
+
Modellkomplexe in der Gasphase 57
3.3.3 Vergleich zur CO2 Hydratisierung 81
3.3.4 Der Einfluß einer polaren Umgebung – die Anwendung eines
Solvatationsmodells und die Teilnahme eines Wassermoleküls am
Reaktionsmechanismus 83
3.4 Ausblick 91
3.5 Zusammenfassung 94
4. Die Berechnung isotroper Hyperfeinkopplungskonstanten von Bakteriochloro-
phyll- und Chlorophyllradikalen mit Dichtefunktionalmethoden 97
4.1 Einführung 99
4.2 Durchführung der theoretischen Untersuchungen 102
4.3 Diskussion der Ergebnisse 106
4.3.1 Das Bakteriochlorophyll a Radikalkation 106
4.3.2 Das Bakteriochlorophyll a Radikalanion 115
4.3.3 Der Bakteriochlorophyll a Triplett Zustand 119
4.3.4 Bakteriochlorophyllderivate 123
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IX
4.3.5 Das Chlorophyll a Radikalkation 131
4.3.6 Die Derivate des Chlorophyll a Radikalkations 135
4.4 Zusammenfassung 141
5. Das elektronische Spektrum von Selensulfid 143
5.1 Einführung 145
5.2 Verwendete Methoden und Programme 148
5.3 Diskussion der Ergebnisse 151
5.3.1 Symmetriebetrachtungen 151
5.3.2 CASSCF – Rechnungen zum neutralen Selensulfid 153
5.3.3 MRCI- und CCSD(T) – Rechnungen zum neutralen
Selensulfid 157
5.3.4 CASSCF – Rechnungen zum SeS- Anion 168
5.3.5 MRCI – und CCSD(T) – Rechnungen zum SeS- Anion 172
5.4 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen 183
6. Ein Ausblick 185
7. Literaturverzeichnis 187
Publikationsliste 199
Lebenslauf 201
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1. Einleitung Seite 1
1. Einleitung
Die Anwendung quantenmechanischer Methoden auf chemische Fragestellungen liefert eine
Vielzahl von Informationen, die experimentell zum Teil nur schwer oder gar nicht zugänglich
sind. Aufgrund des hohen Rechenzeitbedarfs konnten in den letzten Jahrzehnten jedoch nur
relativ kleine Systeme theoretisch untersucht werden. Innerhalb der vergangenen Jahre ist die
Theoretische Chemie jedoch auch zu einem festen Bestandteil auf dem Gebiet der
biochemischen Forschung geworden. In Kapitel 2 werden die gängigsten quantenchemischen
Methoden vorgestellt, welche in dieser Arbeit Verwendung gefunden haben.
In der Natur sind Enzyme anzutreffen, deren Effizienz im Vergleich zu künstlichen
Katalysatoren unerreicht ist. Daher werden große Anstrengungen unternommen, die
Funktionsweise biochemischer Umsetzungen zu verstehen und Nutzen für die Laborchemie
daraus zu ziehen. In diesem Kontext ist Kapitel 3 zu betrachten, in dessen Mittelpunkt
Modellsysteme der Carboanhydrase stehen. Dieses Enzym katalysiert die Hydratisierung von
CO2, es wurde experimentell, wie auch theoretisch bereits sehr umfassend untersucht. Relativ
vernachlässigt wurde dagegen die Frage, ob derartige Zinkkatalysatoren auch in der Lage
sind, andere Substrate umzusetzen. In der vorliegenden Arbeit wurde daher Kohlendioxid
gegen CS2 ausgetauscht und dessen Hydratisierung unter Zuhilfenahme der CA –
Modellsysteme erstmalig untersucht.
Einen weiteren Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Biochemie stellt die
Photosynthese dar, der Stoffwechselprozeß, mit dem grüne Pflanzen und einige Bakterien
ihren Energiehaushalt bestreiten. Die Reaktionszentren der Photosynthese werden intensiv mit
Elektronenspinresonanzmethoden untersucht, die Interpretation der Spektren hat sich jedoch
als sehr komplexe Aufgabe erwiesen. Daher wurden die Experimente bereits frühzeitig durch
simple theoretische Rechnungen ergänzt, welche die Zuordnung der experimentell
gewonnenen Daten erleichtern sollten. In Kapitel 4 werden derartige Rechnungen, jedoch
unter Anwendung der Dichtefunktionaltheorie für (Bakterio)chlorophyllpigmente vorgestellt.
Die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment ist zum Teil beeindruckend, die
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1. Einleitung Seite 2
vorgestellte Strategie zur Berechnung von Hyperfeinkopplungskonstanten könnte daher ein
hilfreicher und fester Bestandteil in der Interpretation der Elektronenspinresonanzspektren
von chlorophyllartigen Molekülen werden.
Die Stärke quantenchemischer Methoden liegt nach wie vor in der Untersuchung sehr kleiner
Systeme. Sie ermöglichen die Anwendung von Modellen, welche der Realität sehr nahe
kommen, für größere Moleküle jedoch nicht mehr praktikabel sind. In Kapitel 5 werden
derartige hochkorrelierte Rechnungen für das Selensulfidmolekül vorgestellt. Es ist ein
krebserregender Wirkstoff, welcher experimentell wie auch theoretisch bereits untersucht
wurde. Die in diesem Kapitel vorgestellten Ergebnisse komplettieren die in der Literatur
vorhandenen Daten und verbessern die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment.
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Seite 3
2. Theoretische Grundlagen
der Quantenmechanik
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Seite 4
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2.1 Allgemeine Betrachtungen Seite 5
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik
2.1 Allgemeine Betrachtungen
Die Quantenmechanik beschäftigt sich mit dem mikroskopischen Aufbau der Materie. Sie
ermöglicht z. B. die Beschreibung von Atomen, die Erklärung der chemischen Bindung,
sowie die Vorhersage von Moleküleigenschaften und Reaktionsmechanismen. In der Literatur
sind zahlreiche Bücher zu finden, welche eine Einführung in die Quantenmechanik geben.1-10
Da es sich bei den Schwerpunkten dieser Werke vorrangig um chemische Fragestellungen
handelt, wird häufig auch von Quantenchemie gesprochen.
Die quantenmechanische, mathematische Beschreibung physikalischer Systeme greift auf die
Theorie des Hilbertschen Raumes H und die Verwendung hermitescher Operatoren zurück.11
Jedem Zustand des betrachteten Systems ist ein eindimensionaler Unterraum U in H
zugeordnet. Die Elemente aus U, welche alle den gleichen Zustand repräsentieren,
unterscheiden sich nur durch einen skalaren Faktor. Üblicherweise handelt es sich bei den
Repräsentanten um quadratintegrable Funktionen Ξ (Zustands- oder Wellenfunktionen). Sie
hängen vom Ort ττττ des betrachteten Teilchens und der Zeit t ab. Ξ besitzt keine physikalische
Relevanz, das Produkt Ξ*Ξ entspricht jedoch der Dichteverteilung des Systems über den
Raum zum Zeitpunkt t. In der Quantenmechanik wird jeder Observablen ein hermitescher
Operator zugeordnet. Man wählt z. B. für eine Komponente x des Ortsvektors, für eine
Komponente px des Impulsvektors und für die Hamiltonfunktion H (Summe aus kinetischer
und potentieller Energie) eines Teilchens die Operatoren
xx =ˆ (1a)
xipx ∂
∂= hˆ (1b)
)(2
ˆ 22
τVm
H +∇−= h (1c)
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2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 6
wobei ∇ der Nabla – Operator ist und V die potentielle Energie des Systems mit der Masse m
beschreibt. In kartesischen Koordinaten gilt
2
2
2
2
2
22
zyx ∂∂+
∂∂+
∂∂=∇ . (2)
h ist das Plancksche Wirkungsquantum h, geteilt durch 2π. Naturkonstanten werden im
folgenden durch den Übergang zu atomaren Einheiten unterdrückt. Als Maß für die Länge mit
der Einheit a0 (Bohr) und die Energie (Eh, Hartree) erhält man die Ausdrücke
mem
ae
11
20
0 102918.54
1 −×==hπε
(3a)
Jam
Ee
h18
20
2
103597.41 −×== h . (3b)
Neben der Masse des Elektrons me und der Elementarladung e tritt in diesen Termen auch die
Dielektrizitätskonstante des Vakuums ε0 auf.
Erwartungswerte O für die Messung einer Observablen O lassen sich berechnen gemäß
∫ ΞΞ= τττ dtOtO ),(ˆ),(* , (4)
wobei Ô der zu O gehörende Operator ist. O ist der Mittelwert unendlich vieler Messungen
von O mit den Meßergebnissen Oi. Liefert jede Messung den gleichen Wert Oi, befindet sich
das System in einem Eigenzustand von O mit dem Eigenwert Oi. Im folgenden wird die
bracket – Schreibweise verwendet mit den Vereinbarungen
ketff == , (5a)
braff ==∗ , (5b)
∫ =∗ fffdf τ und (5c)
∫ =∗ fOffdOf ˆˆ τ . (5d)
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2.1 Allgemeine Betrachtungen Seite 7
Gleichung (4) wird damit zu
ΞΞ= OO ˆ . (6)
Die zeitliche Entwicklung des Systems wird durch die zeitabhängige Schrödingergleichung
t
titH
∂Ξ∂=Ξ ),(),(ˆ ττ h (7)
beschrieben. Eine Funktion Ξ, die der Gleichung (7) genügt, stellt eine mögliche Entwicklung
des Systems im betrachteten Zeitintervall dar. Das System wird als stationär bezeichnet, wenn
die Wahrscheinlichkeitsdichte Ξ*Ξ zeitunabhängig ist. Derartige Lösungen existieren, wenn
sich der Hamiltonoperator zeitunabhängig formulieren läßt. Ξ(τ,t) kann nun durch ein Produkt
Ψ(τ)ξ(t) ersetzt werden. Durch diesen Separationsansatz zerfällt Gleichung (7) in die
zeitunabhängige Schrödingergleichung (8) und einen Zeitanteil (9).
)()(ˆ ττ Ψ=Ψ EH (8)
tE
iet h
−=)(ξ (9)
Für den Großteil der quantenchemischen Untersuchungen ist die Lösung von Gleichung (8)
ausreichend, da zeitunabhängige Probleme untersucht werden. Ĥ wird für das konkrete
System aufgestellt und mit Hilfe der zeitunabhängigen Schrödingergleichung (8) werden die
Eigenfunktionen )(τΨ und ihre Energieeigenwerte E ermittelt. In Abhängigkeit von dem
verwendeten quantenchemischen Modell wird dazu die grundlegende Gestalt der
Wellenfunktion vorgegeben. Da Gleichung (8) im Regelfall nicht geschlossen lösbar ist,
wurden Näherungsverfahren wie die Variations- und die Störungsrechnung entwickelt. In der
Störungsrechnung wird zunächst ein vereinfachtes System betrachtet, für welches exakte oder
gute Näherungslösungen vorliegen. Das aktuelle System wird durch Reihenentwicklungen für
die Zustandsfunktion und die Energie, beginnend beim vereinfachten System, beschrieben.
Die Variationsrechnung beruht auf dem Satz, daß der Energieeigenwert jeder beliebigen
Näherungsfunktion eine obere Schranke für die Energie der exakten Funktion ist. Je tiefer der
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2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 8
Energieeigenwert einer Näherungsfunktion ist, um so besser sollte diese Funktion zur
Beschreibung des Systems geeignet sein.
Die Born – Oppenheimer Näherung ermöglicht die separate Betrachtung von Kern- und
Elektronenbewegung. Sie hat ihre anschauliche Begründung in der um Größenordnungen
langsameren Kernbewegung gegenüber der Bewegung der Elektronen. Im Hamiltonoperator
KKeeeKeK VVVTTH ˆˆˆˆˆˆ ++++= (10)
verschwindet die kinetische Energie der Kerne TK für ein ruhendes Kerngerüst und VKK, die
potentielle Wechselwirkung der Kerne untereinander, ist eine Konstante. Es läßt sich ein
elektronischer Hamiltonian eĤ aufstellen, der nur noch den Operator der kinetische Energie
für die Elektronen eT̂ enthält, sowie die Wechselwirkung der Elektronen untereinander ( eeV̂ ),
als auch mit dem Kerngerüst ( eKV̂ ) beschreibt.
eK HHH ˆˆˆ += , (11)
eKeeee VVTH ˆˆˆˆ ++= (12)
Die entsprechende Faktorisierung der Wellenfunktion
eK Ψ≈Ψ ζ (13)
ermöglicht den Übergang zur elektronischen Schrödingergleichung
eeee EH Ψ=Ψˆ , (14)
wobei die Summe aus elektronischer Energie Ee und potentieller Energie VKK oftmals eine
gute Näherung für die wahre Energie darstellt.
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2.1 Allgemeine Betrachtungen Seite 9
Im folgenden wird Ĥ als Symbol für
KKeeeKe
KKe
VVVT
VHH
ˆˆˆˆ
ˆˆˆ
+++=
+=(15)
verwendet. Für ein System, bestehend aus N Elektronen und M Kernen mit der Kernladung Z
gilt
∑∑ ∑∑∑ ∑∑= > >= = = −
+−
+−
−∇−=N
i
N
ij
M
a
M
ab ba
ba
ji
N
i
N
i
M
a ia
ai RR
ZZ
rrrR
ZH
11 1 1
221 1ˆ (16)
Die Terme der potentiellen Energie werden mit Hilfe von Coulombgesetzen für
Punktladungen beschrieben, deren Abstand durch den Betrag der Differenz der Ortsvektoren
von Kernen (R) und Elektronen (r) angegeben wird.
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2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 10
2.2 Das Hartree – Fock Modell
2.2.1 Die Gestalt der Wellenfunktion
Die Hartree – Fock Näherung ist von fundamentaler Bedeutung in der Quantenchemie. Sie
wird nicht nur als Rechenmethode verwendet, sondern stellt auch den Ausgangspunkt für
komplexere Approximationen oder weitere Vereinfachungen dar. Ausführliche Einführungen
findet man in der Literatur.12-14 Die Hartree – Fock Zustandsfunktion HFΨ für den
Grundzustand eines N – Elektronensystems ist eine Slaterdeterminante, welche eine
gleichgewichtete Linearkombination aller möglichen N! Produkte aus
Einelektronenfunktionen χi darstellt. HFΨ ist antisymmetrisch bezüglich der Vertauschung
zweier Elektronen.
)(...)2()1(
............
)(...)2()1(
)(...)2()1(
!
1 222
111
N
N
N
N
NNN
HF
χχχ
χχχχχχ
=Ψ (17)
Jede Einelektronenfunktion (Spinorbital) iχ ist das Produkt aus einem Raumorbital iφ und
einer der beiden orthonormalen Spinfunktionen α und β (spin up und spin down).
Entsprechend dem Pauliprinzip können zwei Elektronen, oder allgemein zwei Fermionen,
nicht durch die gleiche Raumspinfunktion charakterisiert sein. Slaterdeterminanten
berücksichtigen, daß Elektronen nicht unterscheidbar sind. Sie beschreiben eine
Elektronenkonfiguration in dem Sinne, daß sich irgendein Elektron im Spinorbital 1χ , ein
beliebiges weiteres in 2χ , usw. befindet.
Slaterdeterminanten haben angenehme Eigenschaften. Besetzen zwei Elektronen im
Widerspruch zum Pauliprinzip das gleiche Spinorbital, ist 0=ΨHF , da zwei Spalten oder
Zeilen der Determinante identisch sind. Werden zwei Elektronen oder zwei Spinorbitale
vertauscht, ändert die Determinante wie bereits erwähnt aufgrund der Antisymmetrie ihr
Vorzeichen. Wird HFΨ aus orthonormalen Spinorbitalen aufgebaut, ist sie normiert. Werden
zwei Slaterdeterminanten aus verschiedenen orthonormalen Spinorbitalen gebildet, sind sie
orthogonal zueinander.
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2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 11
Da eine Slaterdeterminante durch Angabe der verwendeten Spinorbitale eindeutig definiert
ist, genügt als Kurzform für Gleichung (17)
NHF χχχ ...21=Ψ (18)
2.2.2 Die Hartree – Fock Integro - Differentialgleichungen
Der Satz von Spinorbitalen {χi}, dabei kann es sich um Atom- oder Molekülorbitale handeln,
wird im Rahmen des Hartree – Fock Modells derartig gewählt, daß die Grundzustandsenergie
[ ] KKNi
N
i
N
jjijjijiii
HFHF
VKJh
HE
+−+=
ΨΨ=
∑ ∑∑= = =1 1 1
21
0
ˆˆˆ
ˆ
χχχχχχ(19)
entsprechend dem Variationsprinzip minimal wird. iĥ ist ein Einelektronenoperator, der die
kinetische Energie des Elektrons und seine attraktive Wechselwirkung mit dem Kerngerüst
beschreibt:
∑ −−∇−=M
a ia
aii rR
Zh 22
1ˆ . (20)
iĴ und iK̂ sind die Coulomb- und Austauschoperatoren, die sich durch ihre Wirkung auf ein
Spinorbital definieren lassen:
)2()1()1()2(ˆ 1 jirriji jiJ χχχχ
−= und (21)
)2()1()1()2(ˆ 1 ijrriji jiK χχχχ
−= . (22)
Ihre Erwartungswerte, wie sie in Gleichung (19) auftreten, werden als Coulomb- und
Austauschintegrale bezeichnet. Sie beschreiben die Wechselwirkung der Elektronen
untereinander. Während die Gleichung (21) für den Coulomboperator ein Eigenwertproblem
ist und die Repulsion zwischen den Elektronen im klassischen Sinne erfaßt, läßt sich der
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2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 12
Austauschoperator nicht mit der Newtonschen Physik erklären, seine Existenz beruht auf der
Antisymmetrie der Wellenfunktion. Da das Ergebnis der Wirkung des Austauschoperators auf
)2(jχ von der Gestalt von jχ im gesamten Raum abhängt, wird K̂ auch als nicht lokaler
Operator bezeichnet.
Die Suche nach dem Minimum der Grundzustandsenergie wird mit der Methode der
Lagrangeschen Multiplikatoren unter der Nebenbedingung orthonormaler Orbitale
durchgeführt. Man erhält die Hartree – Fock Integro – Differentialgleichungen
iiiif χεχ =ˆ , Ni ...1= . (23)
Die Lagrangeschen Multiplikatoren iε in Gleichung (23) lassen sich als Orbitalenergien der
iχ interpretieren. Der Fock – Operator f̂ ist ein Einteilchenoperator, der die kinetische
Energie eines Elektrons und seine Wechselwirkung mit dem Kerngerüst beschreibt (beides
durch iĥ , siehe Gl. (20)). Weiterhin enthält f̂ das Hartree – Fock Potential HFiϑ , welches die
Wechselwirkung mit den anderen N-1 Elektronen in Form eines gemittelten Feldes
berücksichtigt. Dabei handelt es sich um eine drastische Näherung.
HFiii hf ϑ+= ˆˆ (24)
Das Hartree Fock Potential HFiϑ hängt bereits von den Spinorbitalen, also von den gesuchten
Lösungen ab.
[ ]∑=
−=N
jjj
HFi KJ
1
ˆˆϑ (25)
Daher handelt es sich bei dem System gekoppelter Differentialgleichungen (23) nicht um
exakt lösbare Eigenwertgleichungen, sondern um ein Pseudoeigenwertproblem. Der übliche
Ansatz zum Lösen dieses Gleichungssystems wird im nächsten Abschnitt vorgestellt.
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2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 13
2.2.3 Das numerische Verfahren
Durch die Entwicklung des Raumanteils φ der Einelektronenfunktionen χ nach einer Basis
ψ läßt sich jedem Operator bijektiv eine Matrix zuordnen.
∑=
=K
ii c1µ
µ µψφ , i = 1, 2, ...K (26)
Mit einer vollständigen Basis wäre dieser Ansatz exakt, aber wiederum nicht lösbar, da K in
der Praxis endlich gewählt werden muß. Daher gilt es wenige, jedoch geeignete
Basisfunktionen ψ zu finden, was im Kapitel 2.5 diskutiert wird.
Ausgehend von den Hartree – Fock Integro – Differentialgleichungen gelangt man mit dem
Ansatz (26) nach Umformung zu den Roothaan – Hall Gleichungen, einem allgemeinen
Matrix – Pseudoeigenwert – Problem.15,16
Fc = εεεεSc (27)
S ist die Überlappmatrix. Sie enthält die Überlappungsintegrale der Basisfunktionen.
νµµν ψψ=S (28)
Die Orbitalenergien ε sind in der Form einer Diagonalmatrix εεεε wiederzufinden, c ist die
Matrix der Expansionskoeffizienten aus Gleichung (26).
F ist die Matrixdarstellung des Fock – Operators.
νµµν ψψ fF ˆ= (29)
Man zerlegt F üblicherweise in eine core – Hamiltonmatrix H und in eine
Zweielektronenmatrix G:
µνµνµν GHF += mit (30)
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2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 14
νµµν ψψ hH ˆ= und (31)
( ) ( )∑∑= =
−=
K K
PG1 1 2
1
λ σλσµν σνµλλσµν . (32)
G enthält Integrale vom Typ
( ) ∫ ∫ ∗∗ −= )2()2(1
)1()1(21
σλνµ ψψψψλσµν rr, (33)
der Faktor ½ für die Vierzentrenintegrale vom Typ )( σνµλ ist eine Folge der
Orthonormalität der Spinfunktion.
P ist die Dichtematrix. Sie beinhaltet die Expansionskoeffizienten der Basisfunktionen, also
wiederum das zu bestimmende Ergebnis des Gleichungssystems (27).
∑=
=N
aaaccP
1
2 σλµν (34)
Da aus P die Elektronendichte des untersuchten Systems ermittelt werden kann, wird die
Dichtematrix in den weiteren Kapiteln noch von Bedeutung sein.
Gleichung (27) kann in ein spezielles Matrix – Pseudoeigenwert – Problem
F´c´ = εεεε´c´ (35)
transformiert werden. Bei der Verwendung einer reellen Basis sind F und S hermitesch. Jede
hermitesche Matrix läßt sich mit ihrer Modalmatrix in Diagonalgestalt bringen. Eine
Anwendung dieses Verfahrens auf Gleichung (27) überführt die gewählte Basis in ein
Orthonormalsystem, S wird damit zur Einheitsmatrix.
Das spezielle Matrix – Pseudoeigenwert Problem (35) kann mit Standard – Matrizenverfahren
durch Diagonalisieren von F´ gelöst werden.
Der prinzipielle Ablauf einer Hartree – Fock Rechnung ist in Schema 2.1 dargestellt. Nach
der Spezifikation des zu untersuchenden Systems (Atome, Geometrien, Ladung und
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2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 15
Raumspinsymmetrie) und Angabe der zu verwendenden Basis werden im ersten Schritt alle
Ein- und Zweielektronenintegrale berechnet, S und H können aufgestellt werden. Vernünftige
Elemente für die Dichtematrix müssen zu Beginn der HF – Rechnung durch Näherungen und
Überlegungen gefunden werden. Unter Anwendung von P und der Zweielektronenintegrale
kann eine erste approximierte Matrix G konstruiert werden, die Fock - Matrix ist damit
bestimmt. Das allgemeine Matrix – Pseudoeigenwert Problem (27) wird aufgestellt, in das
spezielle Matrix – Pseudoeigenwert Problem (35) überführt und gelöst. Man erhält
verbesserte Expansionskoeffizienten, welche zur Konstruktion einer neuen Dichtematrix
verwendet werden können. Die Prozedur wird wiederholt, bis die Änderungen in der Energie
bzw. in den Elementen der Dichtematrix einen willkürlich gesetzten Grenzwert
unterschreiten, selbstkonsistent werden (self consistent field, SCF - Verfahren).
System definieren Berechnung der Ein- und genäherte
Basis auswählen Zweielektronenintegrale Dichtematrix
nein
Fock – Matrix aufstellen Konvergenz?
und diagonalisieren (Ja: Ende)
Lösen des speziellen Energie und
Matrix – Eigenwert Problems Expansionskoeffizienten
Schema 2.1: Der Ablauf einer iterativen Hartree – Fock Rechnung.
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2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 16
2.2.4 Weitere Anmerkungen
Die Beträge der berechneten Orbitalenergien entsprechen näherungsweise den
Ionisierungsenergien IE des untersuchten Moleküls. Dieser Befund wurde als Koopmans
Theorem bekannt.17 Die zumindest für die erste Ionisierungsenergie gefundenen guten
Übereinstimmungen zwischen Experiment und Rechnung beruhen auf einer
Fehlerkompensation von Orbitalrelaxation und Elektronenkorrelation bei der Ionisation.
Während die vernachlässigte Orbitalrelaxation beim Ionisationsvorgang den berechneten
Betrag von IE vergrößert, resultiert aus der schlechteren Erfassung der Korrelationsenergie
des Ausgangszustandes (er besitzt ein Elektron mehr als der Endzustand der Ionisation) eine
zu kleine Ionisierungsenergie, die gegenläufigen Effekte liegen ungefähr in der gleichen
Größenordnung. Die wesentlich unzuverlässigere Vorhersage von Elektronenaffinitäten als
Orbitalenergie des entsprechenden Anions hat ihre Ursache in der additiven Wirkung beider
Fehler. Im Gegensatz zu Ionisierungsenergien und Elektronenaffinitäten sind Molekülorbitale
und ihre Energien jedoch keine Observablen.
Atome und Moleküle mit einer geraden Anzahl von Elektronen, welche alle in gepaarter Form
vorliegen (closed shell), lassen sich formal sehr gut durch eine einzige Slaterdeterminante
beschreiben (Schema 2.2). Zusammengehörige α- und β Elektronen werden durch die gleiche
Raumfunktion definiert, wodurch sich das Matrix – Eigenwert Problem erheblich reduziert
(restricted Hartree – Fock Methode, RHF). Systeme mit nicht abgeschlossenen Schalen
können durch Wellenfunktionen beschrieben werden, bei denen die Raumanteile der doppelt
besetzten Orbitale identisch sind und um ein oder mehrere open shell Orbitale zur
Beschreibung der ungepaarten Elektronen ergänzt werden (restricted open shell Hartree –
Fock, ROHF). Alternativ kann auch eine Wellenfunktion vorgegeben werden, in der für jedes
Elektron – egal ob gepaart oder nicht – ein Raumorbital optimiert wird (unrestricted open
shell Hartree – Fock, UHF).18, 19 Dies ermöglicht die Erfassung der Spinpolarisation. Besitzt
das ungepaarte Elektron z. B. α Spin, läßt sich eine stabilisierende Austauschwechselwirkung
mit den anderen α Elektronen beschreiben.
Die HF – Bestimmungsgleichungen ändern sich bei der Anwendung auf open shell Systeme
formal nur geringfügig. Bei Verwendung einer UHF – Wellenfunktion wird das Matrix –
Eigenwert Problem separat für α- und β Elektronen aufgestellt (Pople – Nesbet Gleichungen):
Fαcα = εεεεαScα und (36a)
Fβcβ = εεεεβScβ. (36b)
-
2.2 Das Hartree – Fock Modell Seite 17
In jedem Iterationsschritt müssen die beiden gekoppelten Gleichungen (36a) und (36b) gelöst
werden.
RHF ROHF UHF
Schema 2.2: Eine RHF – Wellenfunktion (links) beschreibt Paare von α- und β Elektronen durchgleiche Raumfunktionen. In Systemen mit ungepaarten Elektronen (dargestellt an einemDublettradikal) können für die gepaarten Elektronen die gleichen Raumorbitale verwendet werden(ROHF) oder man optimiert für jedes Elektron ein Raumorbital (UHF).
Es wurden zahlreiche Methoden zur Verbesserung der SCF – Konvergenz entwickelt. Dazu
gehören Verfahren wie das level shifting,20 die DIIS – Prozedur (Direct Inversion in the
Iterative Subspace),21 Extrapolationsverfahren für die Fock – Matrix oder Methoden, welche
die Dichtematrizen aus mehreren SCF – Schritten zum Aufstellen der nächsten Fock – Matrix
verwenden (damping).22
Bei der Untersuchung größerer Systeme und der Verwendung umfangreicherer Basissätze
steigt der Rechenzeitaufwand für quantenmechanische Methoden immens an, im Falle der
Hartree – Fock – Methode skaliert er formal mit K4/8 (K: Zahl der Basisfunktionen).
Symmetriebetrachtungen können diesen Rechenzeitaufwand drastisch herabsetzten, sind
jedoch kein notwendiger Bestandteil quantenchemischer Untersuchungen. Jedes System läßt
sich einer Punktgruppe zuordnen. Eine Zusammenfassung der Basisfunktionen zu
symmetrieadaptierten Linearkombinationen, welche sich nach den irreduziblen Darstellungen
der entsprechenden Punktgruppe transformieren, zeigt sofort Ein- und
Zweielektronenintegrale auf, welche verschwinden oder identisch sind.
Standard Hartree – Fock Implementierungen skalieren asymptotisch ungefähr mit K2.
Das Hartree – Fock Modell kann bei der Verwendung adäquater Basissätze die elektronischen
Eigenschaften stabiler Moleküle im Grundzustand oftmals zufriedenstellend wiedergeben. Bei
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 18
der Beschreibung fast entarteter oder angeregter Zustände gelangt man jedoch schnell an die
Grenzen dieser Methode. Das nächste Kapitel behandelt daher Verfahren, welche in der
Hierarchie der quantenmechanischen Modelle über dem Hartree – Fock Modell stehen.
2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio
Methoden
2.3.1 Der Begriff der Korrelationsenergie
Die Energiedifferenz zwischen der exakten Energie Eex und der Energie im Hartree – Fock –
Limit EHF, welches durch die Verwendung eines vollständigen Basissatzes erreicht wird,
bezeichnet man als Korrelationsenergie Ecorr.23 In dieser Definition bezieht sich Eex jedoch auf
die Anwendung der Born – Oppenheimer Näherung und die Vernachlässigung relativistischer
Effekte.
HFexcorr EEE −= (37)
Die Korrelationsenergie stellt keine Observable dar und läßt sich üblicherweise nur
abschätzen, da Eex wie auch EHF für Systeme mit praktischer Bedeutung nur näherungsweise
bekannt sind. Die Güte einer quantenmechanischen Methode kann nach dem Anteil der
erfaßten Korrelationsenergie beurteilt werden.
Es hat sich als nützlich erwiesen, Ecorr in mehrere Anteile zu zerlegen. Unter
nichtdynamischer Korrelation versteht man den Teil der Elektronenwechselwirkung, der
durch Quasi – Entartungseffekte verursacht wird. Dies bedeutet, daß mehrere Determinanten
mit ähnlicher Energie auftreten, welche durch Multikonfigurationsansätze berücksichtigt
werden können. Die nichtdynamische Korrelationsenergie wächst üblicherweise mit
zunehmenden Kernabständen.
Der verbleibende Anteil von corrE wird als dynamische Korrelationsenergie bezeichnet und
hängt mit dem ijr1 Term im Hamiltonoperator zusammen. Sie gewinnt mit verringertem
Abstand zwischen den Elektronen an Bedeutung, da dann der Fehler in der Beschreibung der
stärker werdenden Elektronenwechselwirkung zunimmt.
Andere Möglichkeiten zur Unterteilung der Korrelationsenergie berücksichtigen den Spin der
paarweise wechselwirkenden Elektronen (Fermi und Coulomb Korrelation). Die Fermi
-
2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio Methoden Seite 19
Korrelation stammt aus der Antisymmetrie der Wellenfunktion und betrifft daher Elektronen
mit parallelem Spin, der übrige Teil wird als Coulomb Korrelation bezeichnet.
Befindet sich bereits ein Elektron im betrachteten Raumbereich, spricht man von einem
Coulomb oder Fermi Loch an dieser Stelle, da die Wahrscheinlichkeit, dort ein weiteres
Elektron anzutreffen, sehr gering ist.
Im folgenden Abschnitt werden Verfahren vorgestellt, welche in der Lage sind, einen Großteil
der Korrelationsenergie zu erfassen.
2.3.2 Konfigurationswechselwirkung
Die Methode der Konfigurationswechselwirkung (CI) beschreibt die Zustandsfunktion als
Linearkombination aus mehreren Slaterdeterminanten, welche zu configuration state
functions (CSF) zusammengefaßt werden können.24 Jede CSF ist eine spinadaptierte
Linearkombination von Slaterdeterminanten, Methoden zu ihrer Erzeugung wurden von
McWeeny und Sutcliffe zusammengetragen.8
Diese Konfigurationen können nach der Zahl der angeregten Elektronen in Bezug auf die
Hartree – Fock Referenzfunktion ΨHF klassifiziert werden. raΨ beschreibt zum Beispiel eine
Determinante, bei der das Spinorbital χa durch das in der HF Funktion unbesetzte Spinorbital
χr ersetzt worden ist, man spricht von einer Einfachanregung. In analoger Vorgehensweise
können Doppel-, Dreifach- und höhere Anregungen rsabΨ , rstabcΨ , usw. definiert werden. Die
Gesamtwellenfunktion besitzt die Gestalt
∑ ∑<<
+Ψ+Ψ+Ψ=Ψra
srba
rsab
rsab
ra
raHFCI ccc
,0 ... (38)
wobei c0 das Gewicht der Referenzfunktion ΨHF in der Entwicklung beschreibt, die folgende
Summe enthält alle möglichen Einfachanregungen, gefolgt von allen zweifach angeregten
Determinanten usw. Die Zahl der angeregten Determinanten hängt von der Anzahl besetzter
und unbesetzter Orbitale ab. Werden alle möglichen Konfigurationen berücksichtigt, spricht
man von einer full CI Entwicklung, welche jedoch nur für kleine Moleküle handhabbar ist.25,26
In der Praxis beschränkt man sich daher oft auf die Einbeziehung von Einfach- und
Zweifachanregungen (CISD). Der Satz von Entwicklungskoeffizienten {c} wird, genau wie in
der Hartree – Fock Methode, unter Anwendung des Variationsprinzips bestimmt, die Gestalt
der MOs bleibt im Gegensatz zur CASSCF – Methode (siehe Kapitel 2.3.3) jedoch
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 20
unverändert. Die Forderung nach einem minimalen Erwartungswert für die Energie und der
Übergang zur Matrixdarstellung liefert ein allgemeines Matrix – Pseudoeigenwert Problem
HC = ESC, (39)
welches aufgrund der zueinander orthogonalen Slaterdeterminanten in ein spezielles Matrix –
Pseudoeigenwert Problem übergeht
HC = EC. (40)
In der CI – Matrix H (als Abkürzung für die Summen über die Einfach, Zweifach- und
Dreifachanregungen aus Gleichung (38) wurden S, D und T gewählt) können zahlreiche
Vereinfachungen vorgenommen werden. Mit der Referenzfunktion ΨHF mischen nur
Determinanten gleicher Raumspinsymmetrie. Weiterhin verschwinden die Matrixelemente
zwischen ΨHF und sämtlichen Einfachanregungen (Brillouin´s Theorem), gleiches gilt für
Matrixelemente zwischen Determinanten, welche sich in mehr als zwei Spinorbitalen
unterscheiden. Bei der Verwendung reeller Orbitale ist H symmetrisch.
H =
Ψ
ΨΨΨ
OM
K
MMM
K
K
K
THTDHTSHT
THDDHDSHDHD
THSDHSSHS
DHH
HF
HFHFHF
ˆˆˆ0
ˆˆˆˆ
ˆˆˆ0
0ˆ0ˆ
(41)
Die verbleibenden Matrixelemente lassen sich nach den Slater – Condon Regeln berechnen.8
Die Lösung der Matrixgleichung (40) führt zu mehreren Energieeigenwerten, deren Zahl der
Dimension von H entspricht. Dabei handelt es sich um obere Schranken für die exakten
Energien des Grundzustandes und der elektronisch angeregten Zustände (Theorem von
MacDonald und Hylleraas).
Der multi – reference CI – Ansatz (MRCI) geht dagegen von einem Referenzteil aus, der
bereits aus mehreren Determinanten besteht.27 Diese können z. B. nach ihrem Gewicht aus
einer vorhergehenden MCSCF – Rechnung ausgewählt worden sein (siehe Kapitel 2.3.3).
Eine MRCISD – Wellenfunktion enthält daher im externen Teil alle Einfach – und
-
2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio Methoden Seite 21
Zweifachanregungen aus allen Determinanten des Referenzteiles. Während der Referenzteil
die statische Korrelation berücksichtigt, ermöglicht der externe Teil auch die Erfassung der
dynamischen Korrelationsenergie. Ein Nachteil dieser Methode besteht jedoch im Verlust der
Größenkonsistenz, die Energie eines Systems im Dissoziationslimit kann nicht als Summe aus
den Energien der Fragmente ermittelt werden.
Abhilfe schafft die Davidson – Korrektur Q, welche die größenkonsistenten Energien einer
vollständigen MRCISDTQ... – Entwicklung approximiert.28
2
21
ref
refMRCIMRCI
c
cEEQE
−∆+=+ (42)
E∆ ist die Differenz zwischen der MRCI – Energie und der Energie der
Referenzwellenfunktion mit dem Gewicht refc in der gesamten Entwicklung.
2.3.3 Die CASSCF Methode
Die complete active space selfconsistent field (CASSCF) Methode ist ein
Multikonfigurationsansatz, der nichtdynamische Korrelationsenergie erfaßt, indem als
Wellenfunktion eine eingeschränkte Linearkombination aus configuration state functions
gewählt wird.29-33 Es existieren verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl dieser
Konfigurationen, derartige Methoden werden unter dem Begriff multiconfigurational SCF
Verfahren (MCSCF) zusammengefaßt. Im Gegensatz zum CI – Verfahren werden in all
diesen Modellen die Orbital- und CI – Koeffizienten iterativ optimiert. Die Auswahl der
verwendeten CSF erfolgt in der CASSCF Methode durch die Einteilung der MOs in eine
inaktive Gruppe von Orbitalen, die stets doppelt besetzt sind, eine aktive Gruppe, in der alle
angeregten Determinanten einer bestimmten Raumspinsymmetrie konstruiert werden und
einen virtuellen Raum mit stets unbesetzten Orbitalen. Die Wellenfunktion entspricht einem
full CI Ansatz im aktiven Raum.
Da die Zahl der CSF sehr schnell ansteigen kann, werden für gewöhnlich nicht mehr als zwölf
Molekülorbitale und Elektronen dem aktiven Raum zugeordnet. Bei ihnen handelt es sich
meist um die energetisch höchsten besetzten und die tiefsten unbesetzten Molekülorbitale aus
einer Hartree – Fock Rechnung. Wichtig ist die Wahl eines ausgewogenen aktiven Raumes.
Dazu gehört, daß sich die Zahl der besetzten und unbesetzten Orbitale ungefähr in der
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 22
gleichen Größenordnung bewegt und daß nach Möglichkeit alle Valenzelektronen
berücksichtigt werden. Weiterhin muß die Auswahl mit Bedacht in Bezug auf das untersuchte
Problem erfolgen.
stets unbesetzt virtuell
alle Anregungen aktiv
werden erzeugt
inaktiv
Schema 2.3: Die Einteilungder Molekülorbitale in einerCASSCF Rechnung.
Die CASSCF – Methode ist nicht zur Erfassung dynamischer Korrelationsenergie geeignet.
Dieser Nachteil zeigt sich vor allem bei der Verwendung großer inaktiver und virtueller
Räume. Ihre Orbitale stellen jedoch einen hervorragenden Ausgangspunkt für hochkorrelierte
Untersuchungen dar. Dabei kann es sich entweder um multi reference CI – Rechnungen
handeln, oder man wendet die Störungstheorie auf eine CASSCF – Wellenfunktion an
(CASPT2).34
Die CASSCF – Methode ist größenkonsistent, die Energie eines Systems aus nicht
wechselwirkenden Fragmenten entspricht der Summe der Energien, welche sich einzeln für
die Fragmente ermitteln lassen. So kann z. B. die Dissoziationsenergie eines zweiatomigen
Moleküls aus den Energien der Atome berechnet werden.
stets doppeltbesetzt
-
2.3 Die Erfassung der Elektronenkorrelation mit klassischen ab – initio Methoden Seite 23
2.3.4 Das coupled cluster Modell
In der coupled cluster (CC) Methode 35-38 wird die Wellenfunktion durch die Anwendung
eines Exponentialoperators Teˆ auf eine Hartree – Fock – Referenzfunktion ΨHF erzeugt. Dies
führt zu einer Zustandsfunktion
HFT
CC e Ψ=Ψˆ
, (43)
welche mit einer full CI Entwicklung identisch ist. Der coupled cluster Operator läßt sich als
Reihe entwickeln und enthält Operatoren für die Erzeugung aller Einfachanregungen 1̂T ,
Zweifachanregungen 2̂T , usw. aus der Referenzfunktion.
∑∞
=
=0
ˆ ˆ!
1
m
mT Tm
e mit NTTTTT ˆ...ˆˆˆˆ 321 ++++= (44)
Die Anwendung von 1̂T und 2̂T auf ΨHF liefert alle einfach und zweifach angeregten
Slaterdeterminanten aiΨ und abijΨ , wobei die Indizes i und j für besetzte Orbitale und a, b für
unbesetzte Orbitale stehen:
∑∑ Ψ=Ψocc
i
virt
a
ai
aiHF tT1̂ (45)
∑∑< <
Ψ=Ψocc
ji
virt
ba
abij
abijHF tT2̂ (46)
Die Bestimmungsgleichungen für die Koeffizienten t , welche in der coupled cluster Theorie
als Amplituden bezeichnet werden, besitzen eine sehr komplizierte Gestalt. Zunächst wird
Gleichung (43) in die Schrödinger – Gleichung eingesetzt, nachfolgend mit der komplex
konjugierten Referenzfunktion multipliziert und integriert.
EeH HFT
HF =ΨΨ ˆ (47)
Eine analoge Vorgehensweise unter Multiplikation von links mit abijΨ liefert
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 24
HFTab
ijHFTab
ij eEeH ΨΨ=ΨΨˆˆˆ (48)
Im nächsten Schritt wird E eliminiert, indem Gleichung (47) in Gleichung (48) eingesetzt
wird. Dies führt zu den nichtlinearen Bestimmungsgleichungen der Amplituden, welche
iterativ gelöst werden müssen.
Eine Beschränkung auf 1̂T und 2̂T wird als CCSD – Methode bezeichnet. Aufgrund der
Gestalt von (44) enthält die Wellenfunktion (43) jedoch auch im CCSD – Modell n – fach
angeregte Determinanten mit n > 2. Das größte Gewicht in der Gesamtwellenfunktion kommt
der Referenzfunktion HFΨ zu. Einfachanregungen spielen keine bedeutende Rolle, da sie nur
indirekt mit der Referenzfunktion mischen. Doppelt angeregte Determinanten besitzen
dagegen wiederum Koeffizienten, deren Beträge deutlich von null abweichen. Sie können
durch Zweifachanregung oder zweifache Einfachanregung erzeugt werden. Es folgen die
wiederum relativ unbedeutenden Dreifachanregungen. Vierfachanregungen können durch
eine zweifache Doppelanregung innerhalb der CCSD – Methode erfaßt werden, usw. Gerade
der Einschluß der zweifachen Doppelanregungen bewirkt eine höhere Qualität von CCSD –
Ergebnissen gegenüber der CISD Methode. Eine Berücksichtigung von 3̂T (CCSDT) ist
aufgrund des immensen Rechenzeitbedarfs meist nicht tragbar. Der Einfluß der
Dreifachanregungen kann jedoch über störungstheoretische Rechnungen abgeschätzt werden,
diese Verfahren wurde als CCSD(T) bekannt.39
Die coupled cluster Methode ist auf jeder Näherungsstufe (CCD, CCSD, CCSDT, ...)
größenkonsistent, jedoch nicht variational. Letzteres bedeutet, daß die Energie der
Näherungsfunktion keine obere Schranke für die wahre Energie darstellt. Einschränkungen
für ihre Anwendung treten auf, wenn Probleme untersucht werden, für die keine geeignete
Hartree – Fock Referenzfunktion aufgestellt werden kann. Dies betrifft Systeme mit
ausgeprägtem Multireferenzcharakter oder angeregte Zustände innerhalb einer
Raumspinsymmetrie.
Im Falle von open shell Systemen lassen sich UHF – und ROHF Wellenfunktionen als
Referenz verwenden.
-
2.4 Dichtefunktionalmethoden Seite 25
2.4. Dichtefunktionalmethoden
2.4.1 Die Elektronendichte
In klassischen ab – initio Verfahren wird ein Hamiltonoperator Ĥ aufgestellt, der durch die
Zahl der Elektronen und das Potential der Kerne (festgelegt durch Ort und Ladung) eindeutig
definiert ist. Es wird eine Wellenfunktion Ψ durch Lösen der Schrödingergleichung
bestimmt, 2Ψ ist die Wahrscheinlichkeitsdichte, eine reelle und positiv definite Funktion.
Während NN xdxdxdxxxrrrrrr
,...),...,( 212
21Ψ die Wahrscheinlichkeit beschreibt, ein Teilchen im
Volumenelement 1xdr
, gleichzeitig ein anderes im Volumenelement 2xdr
, ...ein n-tes Teilchen
in Nxdr
zu finden, gibt
NN xdxdxdxxxxNxrrrrrrrr
......,,(...)( 322
3211 ∫ ∫ ∫ Ψ=ρ (49)
die Wahrscheinlichkeit an, ein beliebiges Elektron im Volumenelement 1xdr
zu finden. Bei
Einbeziehung des Elektronenspins muß in Gleichung (49) über den Spin aller Elektronen 1, 2,
...N integriert werden, um die Spinunabhängigkeit wiederherzustellen. )( 1xrρ wird als
Elektronendichte bezeichnet und ist observabel. Im Gegensatz zu Ψ ist die Elektronendichte
eine mathematisch einfach handhabbare Funktion von nur drei Raumkoordinaten. Sie enthält
jedoch alle Informationen über das untersuchte System.
Die Dichtefunktionaltheorie (DFT) versucht, quantenchemische Systeme über die
Elektronendichte zu beschreiben.40-42 Die Grundlage dafür bilden die Hohenberg – Kohn
Theoreme.43 Es gibt jedoch bereits zwei ältere Ansätze zur Verwendung der Elektronendichte,
das Thomas – Fermi Modell und die Hartree – Fock – Slater Methode (HFS).44-46
2.4.2 Die Hohenberg – Kohn Theoreme
Das erste Hohenberg – Kohn Theorem beweist, daß jeder Elektronendichte nur genau ein
externes Potential zugeordnet werden kann. Dies bedeutet, daß auch der Hamiltonoperator
eindeutig durch die Elektronendichte festgelegt ist. Eine erneute Integration der
Elektronendichte liefert zum Beispiel die Zahl der Elektronen N.
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 26
∫= 11 )( xdxNrrρ (50)
Weiterhin enthält ρ alle Kernkoordinaten. An ihren Positionen treten Maxima in der
Elektronendichte auf, die Kernladungen lassen sich ebenfalls aus ρ ermitteln. In Konsequenz
ist die Energie des Systems ein Funktional der Elektronendichte, bezeichnet als [ ]ρE .Das zweite Hohenberg – Kohn Theorem demonstriert die Gültigkeit des Variationsprinzips
für die Bestimmung der Elektronendichte. Die Energie jeder genäherten Elektronendichte
[ ]ρ′E ist eine obere Schranke für die Energie der exakten Dichte [ ]ρE .
[ ] [ ]ρρ EE ≥′ (51)
2.4.3 Der Kohn – Sham Formalismus
Die Hohenberg – Kohn Theoreme haben gezeigt, daß es sich bei der Energie um ein
Funktional der Elektronendichte handelt, und daß [ ]ρE variational ist. Es handelt sich jedochlediglich um Existenzbeweise, die Hohenberg – Kohn Theoreme machen keine Aussage über
die Gestalt von [ ]ρE .Der erste Schritt zur Konstruktion der Elektronendichte besteht darin, die Energie des
betrachteten Systems in eine Summe von Termen zu zerlegen.
[ ] [ ] [ ] [ ] [ ]ρρρρρ XCneS VJETE +++= (52)
Ene beschreibt die Wechselwirkung zwischen Kernen und Elektronendichte. J ist der
klassische Teil der Elektronenwechselwirkung und TS die kinetische Energie der Elektronen
in einem wechselwirkungsfreien Referenzsystem mit der gleichen Elektronendichte. Alle
fehlenden Energiebeiträge (der nicht erfaßte Anteil der kinetischen Energie, die nicht
klassisch interpretierbare Austauschkorrelationsenergie und die Selbstwechselwirkung der
Dichte) sind im Austauschkorrelationsanteil xcV enthalten, die Exaktheit der Gleichung ist
somit erfüllt.
[ ]ρneE und [ ]ρJ lassen sich leicht ermitteln. Zur Berechnung der exakten kinetischenEnergie der Elektronen im aktuellen System liegt jedoch kein analytischer Ausdruck vor.
Daher wurde von Kohn und Sham die Einführung von Orbitalen in die
Dichtefunktionaltheorie vorgeschlagen.47 Man wählt ein System gleicher Dichte, jedoch ohne
Elektronenwechselwirkung und stellt eine Slaterdeterminante auf. Da sie im
-
2.4 Dichtefunktionalmethoden Seite 27
wechselwirkungsfreien System eine exakte Wellenfunktion ist, kann die kinetische Energie
der Elektronen in diesem System ( ST ) bequem als Summe über die Erwartungswerte der
kinetischen Energien für jedes Elektron berechnet werden. Die fehlenden Beiträge zur
exakten kinetischen Energie des realen Systems werden dem Austauschkorrelationsterm
zugeordnet. Der exakte Ansatz für [ ]ρxcV ist nicht bekannt. Die Vielzahl der heute etabliertenDFT – Methoden ist die Folge verschiedenster Versuche, die Austauschkorrelationsenergie zu
erfassen.
Die Einelektronenfunktionen iϑ der Slaterdeterminante für das wechselwirkungsfreie
Referenzsystem bezeichnet man als Kohn – Sham Orbitale. Sie werden genau wie die
Orbitale in der HF – Methode durch iteratives Lösen eines Gleichungssystems bestimmt und
ermöglichen die Berechnung der Elektronendichte über die Summe ihrer Betragsquadrate.
iiiKSf ϑεϑ =)1()1(ˆ (53)
Der Kohn – Sham Operator KSf̂ enthält die Operatoren für die kinetische Energie und das
effektive Feld, beschrieben durch die Kern – Elektronen Wechselwirkung, die Elektron –
Elektron Wechselwirkung und den Austausch – Korrelationsanteil.
xc
M
K
N
jj
K
KKS VJr
Zf ++−∇−= ∑ ∑
= =1 11
2 )1(ˆ2
1ˆ (54)
Genau wie in der Hartree – Fock Methode werden die Kohn – Sham Orbitale üblicherweise
durch Basissätze erzeugt.
∑=
=K
ii c1µ
µ µψϑ , i = 1, 2, ...K (55)
Dieser Ansatz führt zu einem Matrix – Pseudoeigenwert Problem
fKS C = εεεε S C (56)
mit den Matrixelementen
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 28
νµµν ψψ KSKS ff ˆ, = und (57)
νµµν ψψ=S , (58)
welche aus den Basisfunktionen gebildet werden. Während der Einelektronenanteil und die
Coulombwechselwirkung in der Dichtefunktionaltheorie und im Hartree – Fock Modell
identisch sind, werden Austausch- und Korrelationsenergie im DFT Bild in Abhängigkeit von
der Elektronendichte formuliert. f KS ist genau wie die Fock – Matrix in der HF – Methode
bereits von den Lösungen abhängig, weswegen ein iteratives Verfahren zur Lösung von
Gleichung (56) verwendet werden muß. Weiterhin liegen keine analytischen Ausdrücke für
die Integrale über xcV vor, die νµ ψψ xcV müssen numerisch integriert werden. Dabei
handelt es sich um eine weitere Näherung, da nicht unendlich viele Gitterpunkte verwendet
werden können. Dennoch skalieren DFT Rechnungen formal mit K4/8 (K: Zahl der
Basisfunktionen) aufgrund der zu berechnenden Coulomb – Integrale. Eine Beschleunigung
kann erreicht werden, wenn die Elektronendichte ebenfalls durch eine Linearkombination von
Funktionen beschrieben wird.
∑=
=L
a1α
αα ςρ (59)
Sie ermöglicht die Berechnung der Coulombintegrale über Ausdrücke der Form
)2(1
)1()1(21
λνµ ςϑϑ rr −, (60)
deren Rechenzeitaufwand mit K3 skaliert.
Moderne Implementierungen von DFT Methoden zeigen ein asymptotisches Verhalten, das
mit K2 skaliert.
Zu Beginn einer DFT – Rechnung gibt man eine Startdichte vor, löst Gleichung (56) und
erhält einen neuen Satz von Kohn – Sham Orbitalen, der die Berechnung einer verbesserten
Elektronendichte ermöglicht. Diese kann im nächsten Iterationsschritt verwendet werden, die
Prozedur wird solange wiederholt, bis selbstkonsistente Ergebnisse erzielt werden.
Die Stärke der Dichtefunktionalmethoden liegt in der Erfassung eines Großteils der
Korrelationsenergie bei einem Rechenzeitaufwand, der deutlich geringer ausfällt im Vergleich
-
2.4 Dichtefunktionalmethoden Seite 29
zu den klassischen post – HF ab initio Methoden wie CI, coupled cluster oder MP
Störungstheorie.
2.4.4 Austausch- und Korrelationsfunktionale
Die DFT Methode ist eine exakte Theorie. Da die konkrete Form des
Austauschkorrelationsfunktionals jedoch nicht bekannt ist, müssen in der Praxis geeignete
Ansätze gefunden werden, die der Dichtefunktionaltheorie einen gewissen empirischen
Charakter verleihen. Für die zahlreichen etablierten Funktionale gibt es keine Hierarchie und
es kann nicht vorhergesagt werden, welche Funktionale bei welchen Problemstellungen die
besten Ergebnisse liefern. Alle Methoden gehen von einer Aufspaltung von Vxc aus.
cxxc VVV += (61)
Der einfachste, nicht empirische Ansatz ist die local density approximation (LDA). Dieser
Methode wird die konstante Elektronendichte eines homogenen Elektronengases zu Grunde
gelegt. Die Austauschenergie wird mit der Diracschen Formel
[ ] ∫−= drrCE xx )(34
ρρ (62)
berechnet, die Korrelationsenergie erhält man durch Anwendung einer analytischen Formel,
welche mit Hilfe von sehr genauen Monte Carlo Rechnungen gewonnen wurde.48
Der LDA Ansatz überschätzt oft die Elektronenkorrelation, es resultieren zu große
Bindungsstärken.
Ein verbesserter Ansatz für [ ]ρxV und [ ]ρcV führt die Abhängigkeit beider Funktionale nichtnur von der Elektronendichte selber, sondern auch von ihren Ableitungen nach den
Raumkoordinaten ein. Derartige gradientenkorrigierte Methoden (generalized gradient
approximation, GGA) können Erweiterungen des LDA Funktionals für die Austauschenergie
darstellen
GGAx
LDAxx EEE ∆+= , (63)
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 30
oder sie besitzen eine völlig neue Gestalt. Zu der ersten Gruppe gehören z. B. die PW8649 und
PW9150 Funktionale [ ]ρρ ∇,xV von Perdew und Wang, sowie das B88 Austauschfunktionalvon Becke.51
In Analogie dazu gibt es auch gradientenkorrigierte Korrelationsfunktionale [ ]ρρ ∇,cV ,welche den LDA – Ansatz durch zusätzliche Terme erweitern. Dazu gehören wiederum die
PW86 und PW91 Funktionale, wogegen Lee, Yang und Parr das LYP – Funktional entwickelt
haben, welches nicht auf die Formeln zur Beschreibung des uniformen Elektronengases
zurückgreift.52
Die DFT/HF Hybridmethoden verknüpfen die Dichtefunktionalmethode mit dem Hartree –
Fock Modell, indem sie die exakte Austauschenergie aus dem Hartree – Fock Ansatz
verwenden. Die Grundlage dafür bildet die adiabatic connection formula (ACF), welche die
exakte Verknüpfung zwischen der Austauschenergie im wechselwirkungsfreien System und
dem Austauschkorrelationspotential im realen Systems wiedergibt.53 Sie läßt sich jedoch nicht
ohne Näherungen lösen, typischerweise werden daher empirische Gewichte für die einzelnen
Terme eingeführt. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist das B3 – Funktional.54
GGAc
LDAc
Bx
exactx
LDAx
Bxc EcEEbaEEaE ∆++∆++−=
883 )1( (64)
Es erfaßt die Austauschenergie durch Anwendung des LDA Funktionals, durch die
Berechnung der HF – Austauschenergie und durch die Verwendung der Korrektur des B88
Austauschfunktionals gegenüber der LDA Methode. Die letzten beiden Terme stehen
stellvertretend für ein wählbares Korrelationsfunktional.
Ganz allgemein können die Austausch- und Korrelationsfunktionale beliebig kombiniert
werden. In der Praxis hat sich gezeigt, daß die gradientenkorrigierten Verfahren wesentlich
zuverlässiger arbeiten als der LDA Ansatz. Unter den GGA – Methoden kommt dem
Hybridverfahren B3LYP eine besondere Bedeutung zu. In fast allen Anwendungsbereichen
der Dichtefunktionaltheorie erzielt es die besten Ergebnisse im Vergleich zu experimentellen
Ergebnissen oder zu Resultaten hochkorrelierter ab – initio Rechnungen.
Im Gegensatz zu HF – Rechnungen haben sich die DFT – Methoden in Kombination mit
geeigneten Basissätzen auch im Bereich der nichtrelativistischen Übergangsmetallchemie als
zuverlässig erwiesen.
-
2.5. Basissätze Seite 31
2.5 Basissätze
Eine weitere fundamentale Näherung in der Quantenmechanik ist die Beschreibung von
Atom– und Molekülorbitalen durch Basisfunktionen. Alle in den vorangegangenen
Abschnitten vorgestellten Verfahren machen von diesem Ansatz üblicherweise Gebrauch. Bei
der Verwendung einer unendlichen Basis wäre eine derartige Entwicklung exakt, in der Praxis
muß jedoch auf möglichst wenige, und damit besonders gut geeignete Funktionen
zurückgegriffen werden. Die Gestalt der Atomorbitale ist nicht bekannt, exakte Lösungen
liegen nur für Einelektronenprobleme vor. Es ist natürlich, die Atomorbitale den bekannten
Einelektronenfunktionen des Wasserstoffatoms nachzuempfinden, jedoch nehmen damit die
Zweielektronenintegrale eine sehr komplizierte Gestalt an. In der Praxis haben sich daher
zwei Typen von Funktionen zur Beschreibung der AO´s als besonders nützlich erwiesen. Die
Slater type orbitals (STO´s) geben im Vergleich zum Wasserstoffatom die exakte
Abhängigkeit für den Abstand zwischen Elektron und Kern wieder ( re− ), während die
Gaussian type orbitals (GTO´s) mit ihrer 2re− Abhängigkeit den STO´s in der Beschreibung
der Wellenfunktion in Kernnähe und bei großen Abständen nachstehen, dafür aber
mathematisch deutlich leichter zu behandeln sind.55-59
rlm
nSTO eYNr
ζϕδψ −−= ),(1 (65)
2rmlkGTO ezyNx
αψ −= (66)
Die Gestalt der STO´s in Gleichung (65) bezieht sich auf die Verwendung von den
Kugelkoordinaten δ , ϕ und r . Die STOψ enthalten die komplexen Kugelfunktionen lmY vom
Keplerproblem, einen Radialanteil mit dem Orbitalexponenten ζ und eine Normierungs-
konstante N. Die Gestalt der Funktionen ist von der Hauptquantenzahl n abhängig.
Üblicherweise wird der Winkelanteil jedoch durch die reellen Kugelfunktionen ersetzt.
Die GTO´s werden, wie in Gleichung (66) dargestellt, normalerweise in kartesischen
Koordinaten verwendet. k , l und m sind positive ganze Zahlen, deren Summe der Dreh-
impulsquantenzahl des beschriebenen Orbitals entspricht. Auch sie werden in normierter
Form verwendet, ihr Orbitalexponent wird üblicherweise mit α bezeichnet.
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 32
Der Vorteil der Gaussfunktionen besteht darin, daß das Produkt zweier Gaussfunktionen
wiederum eine Gaussfunktion mit verschobenem Ursprung ist. Dadurch lassen sich die Drei-
und Vierzentrenintegrale aus den SCF –Gleichungen auf Zweizentrenintegrale reduzieren. Im
Gegensatz dazu fallen die GTO´s bei großen Kernabständen zu schnell ab. Ebenso zeigen die
s – Funktionen nicht die vom Wasserstoffatom erwartete Spitze am Ort der Kerne, sondern
verlaufen dort stetig. Weiterhin sind die GTO´s nicht von der Hauptquantenzahl n abhängig.
Die GTO´s konnten sich dennoch gegenüber den Slaterfunktionen durchsetzen, ihre Nachteile
werden durch die Verwendung größerer Basissätze ausgeglichen. Dies ermöglicht eine
Rechenzeitersparnis gegenüber dem Einsatz von weniger STO´s bei vergleichbarer
Genauigkeit.
Der Rechenzeitaufwand läßt sich weiter reduzieren, wenn nicht alle Koeffizienten der
Basisfunktionen als variabel angenommen werden. Dies wird am Beispiel der
Gaussfunktionen demonstriert. Aus den primitiven Funktionen (PGTO´s) werden kontrahierte
Basisfunktionen (CGTO´s) gebildet, wobei man die segmentierte und die generelle
Kontraktion eingeführt hat.
CGTO 1 CGTO 2 CGTO 3
PGTO 1 C1 0 0
PGTO 2 C2 0 0
PGTO 3 C3 0 0
PGTO 4 C4 0
PGTO 5 0 C5 0
PGTO 6 0 C6 0
PGTO 7 0 C7 0
PGTO 8 0 0 C8
PGTO 9 0 0 C9
Schema 2.4: Segmentierte Kontraktion. Ein Atomorbital sei durch neun Basisfunktionen PGTO 1, 2,...9 beschrieben. Die ersten vier Funktionen werden zu der kontrahierten Funktion CGTO 1zusammengefaßt, die nächsten drei zu CGTO 2 und die letzten beiden zu CGTO 3. Anstelle von neunKoeffizienten für die PGTO´s werden lediglich die drei Koeffizienten der CGTO´s in nachfolgendenSCF – Rechnungen optimiert, C1, C2, ...C9 sind fest vorgegeben.
Während bei der segmentierten Kontraktion jede primitive Funktion Teil nur einer
kontrahierten Basisfunktion ist, enthält jede generell kontrahierte Funktion alle primitiven
-
2.5 Basissätze Seite 33
GTO´s vom gleichen Typ. Die Kontraktionskoeffizienten werden üblicherweise aus SCF –
Rechnungen zu Atomen oder durch die Approximation der Gaussfunktionen auf Slaterorbitale
erzeugt.60-64
CGTO 1 CGTO 2 CGTO 3
PGTO 1 C1 C10 C19
PGTO 2 C2 C11 C20
PGTO 3 C3 C12 C21
PGTO 4 C4 C13 C22
PGTO 5 C5 C14 C23
PGTO 6 C6 C15 C24
PGTO 7 C7 C16 C25
PGTO 8 C8 C17 C26
PGTO 9 C9 C18 C27
Schema 2.5: Generelle Kontraktion. Es werden wiederum drei kontrahierte Funktionen aus den neunPGTO´s gebildet, jedoch enthalten alle CGTO´s die gleichen primitiven Funktionen. DieKoeffizienten C1, C2, ...C27 werden einmal optimiert und festgehalten. Die Zahl der in nachfolgendenSCF – Verfahren zu optimierenden Koeffizienten (drei) unterscheidet sich nicht von der segmentiertenKontraktion.
Zu den bekanntesten segmentiert kontrahierten GTO-Basen gehören die Pople – Basissätze.65
Sie verwenden für s- und p- Funktionen den jeweils gleichen Radialanteil. Während die
inneren Elektronen durch eine minimale Basis beschrieben werden (eine Funktion pro
Atomorbital), finden für die Valenzorbitale zwei sp Funktionen Verwendung (double zeta).
Eine derartige Kombination wird als split valence Basissatz bezeichnet. Wird ein Atom z.B.
durch die 6-31+G* Basis beschrieben, wird jedes core – Orbital durch eine kontrahierte
Funktion, bestehend aus sechs primitiven GTO´s, dargestellt. Im Valenzbereich wird jedes
AO durch zwei Funktionen beschrieben, eine von primitiver Gestalt, die andere ist eine feste
Linearkombination aus drei Funktionen.
Die Basis enthält weiterhin diffuse Funktionen 66 (+) und Polarisationsfunktionen (*).67,68
Während die diffusen Funktionen vorrangig zur Beschreibung von Anionen und polaren
Molekülen benutzt werden, sind die Polarisationsfunktionen mit ihren höheren
Orbitaldrehmomenten und vergleichsweise kleinen Exponenten in der Lage, die angulare
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 34
Flexibilität der Basis zu verbessern. Dies ist bei der Beschreibung polarer Bindungen von
Vorteil. Erweitert man diese Basis auf 6-311+G* - Gestalt, steht für jedes Valenzorbital eine
weitere primitive Funktion zur Verfügung.
Neben Pople – Basissätzen existieren jedoch auch zahlreiche andere Basissätze.
Bezeichnungen wie DZVP oder TZVP geben an, daß eine minimale Basis, in der jedes
Elektronen durch nur eine Funktion beschrieben wird, im Valenzbereich verdoppelt (DZV)
oder verdreifacht (TZV) und um Polarisationsfunktionen erweitert wird.
Zu der Gruppe der generell kontrahierten Basissätze gehören die natürlichen
Einelektronenfunktionen (ANO, atomic natural orbitals).69-71 Sie bestehen aus einer großen
Anzahl von primitiven Funktionen, deren Kontraktionskoeffizienten aus korrelierten
Rechnungen gewonnen wurden. ANO – Basissätze sind flexibel genug, um atomare
Eigenschaften wie Polarisierbarkeiten, Elektronenaffinitäten oder Ionisationspotentiale
vernünftig zu reproduzieren. Sie werden oft in Kombination mit Multireferenzmethoden
angewendet. Ihr Nachteil besteht in dem großen Aufwand zur Integralberechnung, bedingt
durch die Vielzahl der primitiven Funktionen. Demgegenüber läßt sich ihre Größe sehr
variabel ändern, wobei auf eine ausgewogene Beschreibung aller Atome geachtet werden
muß. ANO – Basissätze werden üblicherweise in Kombination mit den CASSCF, MRCI und
CCSD(T) Methoden verwendet.
-
2.6 Solvatationsmodelle Seite 35
2.6 Solvatationsmodelle
Üblicherweise beschränkt man sich in der Quantenchemie auf die Untersuchung von
Problemstellungen in der Gasphase. Die explizite Einbeziehung eines Lösungsmittels würde
die Berücksichtigung von mehreren hundert Solventmolekülen erfordern, deren
intermolekulare Wechselwirkungen untereinander und mit den gelösten Stoffen nur adäquat
durch Methoden zu beschreiben sind, die über das Hartree – Fock – Modell und die
Dichtefunktionaltheorie hinausgehen. Einen Ausweg geben die Kontinuumsmodelle, welche
das Lösungsmittel durch ein polarisierbares Medium mit vorgegebener
Dielektrizitätskonstante approximieren.72 Der Prozeß der Solvatation läßt sich gedanklich in
drei Schritte zerlegen. Zunächst muß ein Hohlraum in diesem Medium gebildet werden,
welcher das zu lösende System aufnehmen kann. Es kommt zu einer
Dispersionswechselwirkung zwischen dem System und dem Medium. Weiterhin polarisiert
das System das umgebende Medium, was die elektrostatische Wechselwirkung zwischen
beiden verstärkt. In einer Self – Consistent Reaction Field (SCRF) Rechnung wird die
gegenseitige Beeinflussung von System und Medium schrittweise berücksichtigt, bis die
Wechselwirkungsenergie selbstkonsistent wird.73 Eine direkte Wechselwirkung zwischen
System und Lösungsmittelmolekülen, z. B. in Form von Wasserstoffbrückenbindungen,
können diese Modelle jedoch nicht beschreiben.
Es existiert eine Vielzahl von Kontinuumsmodellen. Dies begründet sich in den
verschiedenen Möglichkeiten, Größe und Form des Hohlraums zu bestimmen, der das System
aufnehmen soll. Gleiches gilt für die Potentiale, welche die Wechselwirkungen zwischen
System und Medium beschreiben. Zu den häufig verwendeten Methoden gehört das SCI –
PCM Modell (self – consistent isodensity – polarizable continuum model).74
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 36
2.7. Populationsanalysen
Chemiker sind bemüht, die Reaktivität von Molekülen unter Anwendung einfacher Konzepte
abzuschätzen. Dazu gehören Begriffe wie Partialladungen, Orbitalpopulationen und
Bindungsordnungen. Dabei handelt es sich nicht um observable Größen, die
Quantenmechanik bietet keine Vorschriften an, nach denen diese Parameter zu bestimmen
sind. Verfahren, die aus einer berechneten Wellenfunktion oder dem dazugehörigen Potential
solche Eigenschaften ermitteln, werden als Populationsanalysen bezeichnet.75,76
Zwei verbreitete Methoden stammen von Mulliken und Löwdin.77,78 Sie analysieren die
Dichte- und Überlappungsmatrizen. Das Produkt dieser Matrizen enthält nicht nur die Zahl
der Elektronen N, sondern ermöglicht auch, einzelnen Atomkernen eine Elektronenzahl
zuzuordnen.
∑∑= =
=K K
NSP1 1µ ν
µνµν (67)
Die Diagonalelemente ∑=
K
P1µ
µµ der Produktmatrix ( 1=µµS für alle µ) lassen sich eindeutig
dem Atom zuordnen, von dem auch die Basisfunktion µψ stammt. Nichtdiagonalterme
müssen willkürlich auf die beiden beteiligten Atome mit den Basisfunktionen µψ und νψ
aufgeteilt werden. In der Mulliken Methode geschieht dies zu gleichen Anteilen. Es lassen
sich für jeden Kern α Partialladungen Qα berechnen, die der Differenz aus der Kernladung
αZ und der (nicht natürlichen) Zahl der Elektronen an diesem Atom entsprechen.
∑∑= =
−=K K
SPZQ1 1µ ν
µνµναα (68)
Anschaulich werden die gebrochenen Besetzungszahlen für jedes Atom aufsummiert.
Diagonalelemente können jedoch auch Besetzungszahlen größer als zwei liefern, was
natürlich dem Pauli – Prinzip widerspricht. Das Löwdin Verfahren umgeht dieses Problem,
indem die Produktmatrix aus P und S zuvor in die orthogonale Form transformiert wird. Ihre
-
2.7 Populationsanalysen Seite 37
Diagonalelemente liefern Besetzungszahlen zwischen null und zwei, alle anderen
Matrixelemente verschwinden.
Bindungsordnungen lassen sich ebenfalls mit Hilfe empirischer Formeln berechnen, die z. B.
für Kohlenwasserstoffe den C- C- Kernabstand in Ethan, Ethen und Ethin als Definition für
die Bindungsordnungen eins, zwei und drei wählen,79 oder auch hierfür die Dichte- und
Überlappungsmatrizen analysieren (Mayer – Bindungsordnungen).80 Andere Verfahren
benutzen das elektrostatische Potential, welches von einem Molekül oder einem Teil von ihm
ausgeht. Es ist eine Summe von Coulombtermen für einen Kern- und einen elektronischen
Anteil:
i
M
A i
i
A
A drrr
r
Rr
ZrV ∑ ∫
= −Ψ
−−
=1
2)(
)( (69)
Die ermittelte Wellenfunktion erlaubt die Berechnung dieses Potentials. Im nächsten Schritt
versucht man, ein möglichst ähnliches Potential mit Hilfe von atomaren Partialladungen zu
erzeugen.
Gegenüber der Mullikenmethode ist dieser Ansatz weit weniger von der verwendeten Basis
abhängig.
NBO Analysen (natural bond orbitals) verwenden die natürlichen Einelektronenfunktionen,
den Satz von Orbitalen, der die Dichtematrix diagonalisiert.81 Sie werden anschließend in
orthogonale Form gebracht. Die verbleibenden Diagonalelemente der Dichtematrix
entsprechen den Besetzungszahlen n (0 ≤ n ≤ 2) dieser natürlichen Orbitale. Es läßt sich die
Summe der Besetzungszahlen aller an einem Atom befindlichen Einelektronenfunktionen
bilden und somit die Partialladung des Atoms ermitteln.
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 38
2.8 Die Untersuchung von Potentialhyperflächen
Die in den letzten Abschnitten vorgestellten quantenmechanischen Methoden berechnen die
Energie des Systems unter Vorgabe der Kernkoordinaten innerhalb der Born – Oppenheimer
Approximation. Die Funktionen, welche die Abhängigkeit der Energie von den
Kernkoordinaten R beschreiben, werden Potentialflächen E(R) genannt. Es sind komplizierte
Funktionen mit 3K-L Freiheitsgraden (K: Anzahl der Kerne, L = 5 für lineare Moleküle,
andernfalls L = 6). Der Summand L berücksichtigt, daß die Translations- und
Rotationsenergie des Systems als Ganzes exakt von der Gesamtenergie separierbar und für
quantenchemische Untersuchungen meist nicht von Interesse ist.
Formal ließen sich Potentialflächen ermitteln, indem man die elektronische
Schrödingergleichung punktweise für alle Kernkoordinaten R löst. Die erhaltene Funktion
E(R) könnte durch eine analytische Funktion gefittet werden, welche sich zum Lösen der
Kernschrödingergleichung verwenden ließe.
Die punktweise Berechnung einer gesamten Hyperfläche ist weder möglich noch nötig,
vielmehr interessiert man sich nur für gewisse ausgezeichnete, stationäre Punkte. Verfahren,
welche diese stationären Punkte suchen, werden als Geometrieoptimierungen bezeichnet. Von
besonderem Interesse sind Minima auf der Hyperfläche, welche stabilen Strukturen des
betrachteten Systems entsprechen. Daneben kommt auch den Sattelpunkten eine besondere
Bedeutung zu. Sie lassen sich als Übergangszustände verstehen, welche den energetisch
höchsten Punkt auf einem Reaktionspfad, jedoch nicht auf der gesamten Hyperfläche,
definieren. Übergangsstrukturen sind experimentell meist nicht zugänglich, eine Ausnahme
bildet die Femtochemie unter Anwendung extrem kurzer Laserimpulse.82
Geometrieoptimierungen sind Gradientenverfahren, die energetisch günstigste
Kernanordnung wird iterativ ermittelt.
kkkk gxx λ−=+1 (70)
Die Kernanordnung 1+kx wird aus der Kernanordnung kx der vorhergehenden Iteration
ermittelt, indem man unter Anwendung eines Schrittweiteparameters kλ in die Richtung des
steilsten Abstieges der Energie läuft, gegeben durch die negative Gradientenrichtung kg− .
-
2.8 Die Untersuchung von Potentialhyperflächen Seite 39
kk x
Eg
∂∂= (71)
Der stationäre Punkt ist erreicht, wenn der Gradient innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte
verschwindet.
Ebenso kann auch die zweite Ableitung der Energie nach den Kernkoordinaten, die
sogenannte Hesse – Matrix H, für die Geometrieoptimierung verwendet werden. H gibt die
Krümmung der Potentialfläche an.
kkkkk gxx1
1−
+ −= Hλ (72)
Derartige Methoden werden als Newton – Verfahren bezeichnet. Da sie aufgrund des hohen
Rechenzeitbedarfs praktisch meist nicht durchführbar sind, gibt es Methoden, welche 1−kH
durch geeignete Näherungen ersetzen (Quasi – Newton – Verfahren).
Der Charakter des stationären Punktes kann durch die Analyse der Hessematrix ermittelt
werden. Liegen nur positive Eigenwerte vor, wurde ein Minimum gefunden, ein negativer
Eigenwert zeigt einen Übergangszustand an. Zusätzliche negative Eigenwerte sind möglich,
derartige stationäre Zustände lassen sich jedoch keinen aussagekräftigen chemischen
Strukturen zuordnen.
Eine chemische Reaktion läßt sich durch ihrer stationären Punkte und deren Energiegehalt
charakterisieren. Da absolute Energien meist nicht von Interesse sind, wird den Edukten
üblicherweise die Energie 0 zugeordnet, alle anderen Energieangaben erfolgen in Bezug auf
diesen willkürlich gewählten Nullpunkt.
In Schema 2.6 ist als Beispiel eine einstufige Reaktion
A + B C
gezeigt, welche einen Übergangszustand enthält. Der Begriff Reaktionkoordinate beinhaltet
alle notwendigen Geometrieänderungen entlang des Reaktionspfades, welche
Bindungslängen, Winkel und Diederwinkel betreffen. Der Energieunterschied zwischen den
Edukten und der Übergangsstruktur wird als Aktivierungsenergie Ea bezeichnet. Die
Energiedifferenz zwischen dem Produkt und den Edukten ist die Reaktionsenergie ∆E.
-
2. Theoretische Grundlagen der Quantenmechanik Seite 40
E TS
Ea
A + B
C
∆E
Reaktionskoordinate
Schema 2.6: Gezeigt wird die Definition der Aktivierungsenergie Ea und der Reaktionsenergie amBeispiel einer einfachen Reaktion.
Zu den negativen absoluten elektronischen Energien der Moleküle wird üblicherweise die
positive Nullpunktsschwingungsenergie (zero point vibration energy, ZPE) addiert. Sie läßt
sich den Molekülen auch bei null Kelvin nicht entziehen. Die ZPE kann über harmonische
Schwingungsfrequenzen aus der Hessematrix berechnet werden.
-
Seite 41
3. Die katalytische CS2 Hydratisierung
durch Modellsysteme der Carboanhydrase
HO
C
Zn
N N
N
C
C
NC
C
N
CC
C
N
S(1)
S(2)
-
Seite 42
-
3.1 Einführung Seite 43
3. Die katalytische CS2 Hydratisierung durch Modellsysteme der
Carboanhydrase
3.1 Einführung
Die Carboanhydrase (CA) ist ein Zinkenzym, welches sich in fast jedem Lebewesen –
in Pflanzen wie auch Tieren – finden läßt.83-92 Es nimmt an zahlreichen biologischen
Prozessen teil und die Evolution hat eine große Anzahl von Isoenzymen hervorgebracht. Eine
Isolierung gelang erstmalig durch Meldrum und Roughton,93 mittlerweile konnte auch der
molekulare Aufbau der menschlichen Isoenzyme mit Hilfe von Röntgenstrukturanalysen
aufgeklärt werden.94-97 Die aktive Spezies in der Proteintasche ist ein verzerrt tetraedrisch
koordiniertes Zink(II)-ion. Es trägt drei Histidinliganden, der vierte Substituent ist in
Abhängigkeit vom Reaktionsschritt Wasser, ein Hydroxidion oder ein Hydrogen-
carbonatmolekül. Dieser Komplex ermöglicht die katalytische Hydratisierung von
Kohlendioxid mit Umsatzzahlen von bis zu 10-6 s-1, welche selbst auf dem Gebiet der
Biochemie als extrem hoch einzustufen sind.98-100
OHCO 22 + −+ + 3HCOH
Die Kenntnis von Struktur und Funktion des Enzyms führte zu ersten Vermutungen
über die im Detail ablaufenden Reaktionen. Man war bemüht, die aufgestellten Mechanismen
mit Hilfe von Experimenten und Rechnungen zu überprüfen.101-111 Es herrscht Einigkeit
darüber, daß die Katalyse mit der Deprotonierung eines Wassermoleküls, welches an das Zink
gebunden ist, beginnt (Schema 3.1). Dieser Schritt wird unter physiologischen Bedingungen
ermöglicht, da das Metall den pKa Wert des Wasser drastisch herabsetzt und das Proton in ein
Netzwerk polarer Moleküle übernommen wird. Das am Zinkkomplex verbleibende
Hydroxidion greift als Nucleophil den elektropositiven Kohlenstoff im Kohlendioxid an.
Unterstützt wird dieser Schritt durch eine Polarisierung des Substrats, nicht nur durch das
Metall, sondern auch durch Aminosäuren aus der Umgebung.
-
3. Die katalytische CS2 Hydratisierung durch Modellsysteme der Carboanhydrase Seite 44
1. Deprotonierung von Zink – gebundenem Wasser
2. Nucleophiler Angriff auf Kohlendioxid
3. Isomerisierung
a) Protonentransfer (Lipscomb):
b) Bindungsrotation (Lindskog):
4. Austausch von Hydrogencarbonat gegen Wasser:
Schema 3.1: Der vorgeschlagene Katalysezyklus für die Carboanhydrase (L = Histidin). Die Schrittezwei und drei basieren auf neueren quantenchemischen Rechnungen mit CA – Modellsystemen (L =NH3, Imidazol).
112-114
Zn
LLL
OH
CO
O
Zn
LL L
OC
O
OH
Zn
LLL
OC
O
OH
Zn
LLL
OC
OH
O
Zn
LLL
OC
OH
O
Zn
LLL
OC
O
OH
Zn
LLL
OC
OH
OZn
LLL
OHH
H2O+ + HCO3-
Zn
LL L
OH H O H
H
OH
H
N
N
H
His64
Wasser / Puffer
-
3.1 Einführung Seite 45
Es ist jedoch unklar, welches Produkt beim nucleophilen Angriff entsteht (Schema
3.2). Während in den älteren Arbeiten von einer simplen Addition des Nucleophils an den
Carbonylkohlenstoff ausgegangen wurde, lieferten neuere ab initio Rechnungen (allerdings
ohne Berücksichtigung der Proteinumgebung) ein Produkt für diesen Schritt, welches über
den nucleophilen Angriff hinausgeht.112-114
Neben dem Aufbau der Kohlenstoff – Sauerstoff Bindung kommt es auch sofort zu
einem Austausch der Substituenten am Metall, die ehemalige Hydroxylgruppe wird als
Komplexligand durch ein Sauerstoffatom des CO2 – Moleküls verdrängt. Entsprechend dieser
Erkenntnisse ändern sich auch die nachfolgenden Isomerisierungsmöglichkeiten geringfügig
(ebenfalls in Schema 3.1 dargestellt). Während ein Protonentransfer zwischen den
Sauerstoffatomen, vorgeschlagen von Lipscomb et al.,115 weiterhin denkbar ist, muß der in
der Literatur diskutierte Reaktionspfad von Lindskog und Mitarbeitern heute als Rotation um
die Bindung zwischen dem Kohlenstoff und dem am Zink gebundenen Sauerstoffatom
gesehen werden.116 Beide Schritte liefern ein identisches, stabileres Isomer und sind mit
moderaten Aktivierungsenergien verbunden.
Im letzten Schritt wird das am Metall koordinierte Hydrogencarbonat durc