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Prof. Dr. iur. Dr. h.c. G.W.Wittkämper SoSe 2014 Rechtssystem der Europäischen Union LE 2: Die Rechtsnatur der Europäischen Union und ihre Rechtsordnung 2.1 Die Rechtsnatur der EU 2.2 Die Organe der EU 2.3 Die Rechtsquellen des Unionsrechts 2.4 Der Acquis Communautaire 2.5 Der EUV im Überblick 2.6 Die Architektur der EU 1

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SoSe 2014 Rechtssystem der Europäischen Union

LE 2: Die Rechtsnatur der Europäischen Union und ihre Rechtsordnung

2.1 Die Rechtsnatur der EU

2.2 Die Organe der EU

2.3 Die Rechtsquellen des Unionsrechts

2.4 Der Acquis Communautaire

2.5 Der EUV im Überblick

2.6 Die Architektur der EU

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SoSe 2014 Rechtssystem der Europäischen Union

2.1 Die Rechtsnatur der EU

„Die Union besitzt Rechtspersönlichkeit“, Art. 47 EUV; sie ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts und Völkerrechtssubjekt = Internationale Organisation mit eigenen Rechten und Pflichten (Siehe: Schweisfurth, Th., 2006: Völkerrecht. Tübingen, S. 36-38; Herdegen, S. 68-82)

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2.2 Die Organe der EU (Näheres in LE 5-7)

Die Organe der Union sind nach Art. 13 Abs. 1 EUV • das Europäische Parlament,

• der Europäische Rat,

• der Rat,

• die Europäische Kommission (im Folgenden „Kommission“),

• der Gerichtshof der Europäischen Union,

• die Europäische Zentralbank,

• der Rechnungshof.

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2.3 Rechtsquellen des Unionsrechts (1 von 3)

1. Primäres Recht

• Gründungsverträge und ihre Bestandteile/Protokolle.

• Allgemeine Rechtsgrundsätze, die in ihnen enthalten sind.

2. Völkerrechtsabkommen der Union, Titel V des AEUV nennt sie „Internationale Übereinkünfte“ (Art. 216-219 AEUV)

Allgemeine Regeln des Völkerrechts (vgl. auch Art. 25 GG, vgl. ferner Art. 38 Statut des Internationalen Gerichtshofs (IGH), siehe unten 3 von3)

(Textausgabe (Loseblatt) des wichtigsten Primär- und Sekundärrechts: Sartorius II, bearbeitet von Daniel-Erasmus Khan, München)

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2.3 Rechtsquellen des Unionsrechts (2 von 3)

3. Sekundäres Recht (Art. 288-292 AEUV) (vgl. LE 5)

3.1 Gesetzgebungsakte (Art. 289 mit 288), rechtsverbindlich:

• Verordnungen

• Richtlinien

• Beschlüsse

3.2 Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht rechtsverbindlich (Art. 288)

3.3 Delegierte Rechtsakte, erlassen von der Kommission aufgrund einer ihr in einem Gesetzgebungsakt (3.1) übertragenen Befugnis (Art. 290 AEUV)

In den betreffenden Gesetzgebungsakten werden Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt. Die wesentlichen Aspekte eines Bereichs sind dem Gesetzgebungsakt vorbehalten und eine Befugnisübertragung ist für sie deshalb ausgeschlossen. Die Bedingungen, unter denen die Übertragung erfolgt, werden in Gesetzgebungsakten ausdrücklich festgelegt.

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SoSe 2014 Rechtssystem der Europäischen Union

Artikel 38 [Anzuwendende Rechtssätze]

1. Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an

(a) internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind;

(b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung;

(c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze;

(d) vorbehaltlich des Artikels 59 richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen.

2. Diese Bestimmung lässt die Befugnis des Gerichtshofs unberührt, mit Zustimmung der Parteien ex aequo et bono zu entscheiden.

Artikel 59 [Wirkung inter partes]

Die Entscheidung des Gerichtshofs ist nur für die Streitparteien und nur in bezug auf die Sache bindend, in der entschieden wurde.

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2.3 Rechtsquellen des Unionsrechts (3 von 3) (Art. 38 + 59 Statut des Internationalen Gerichtshofs IGH)

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2.4 Unionsrechtlicher Besitzstand (acquis communautaire) (1 von 3)

Der unionsrechtliche Besitzstand ist das gemeinsame Fundament aus Rechten und Pflichten, die für alle Mitgliedstaaten im Rahmen der EU verbindlich sind. Dieser Besitzstand entwickelt sich ständig weiter und umfasst

• den Inhalt, die Grundsätze und die politischen Ziele der Verträge;

• die in Anwendung der Verträge erlassenen Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung des Gerichtshofs;

• die im Rahmen der Union angenommenen Erklärungen und Entschließungen;

• die Rechtsakte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik

• die in den Bereichen Justiz und Inneres vereinbarten Rechtsakte;

• die von der Union geschlossenen internationalen Abkommen und die Abkommen, die die Mitgliedstaaten untereinander in Bereichen schließen, die unter die Tätigkeit der Union fallen.

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2.4 Unionsrechtlicher Besitzstand (acquis communautaire) (2 von 3)

Der unionsrechtliche Besitzstand umfasst also nicht nur das Unionsrecht im engeren

Sinne, sondern auch alle Rechtsakte, die erlassen werden, sowie die in den Verträgen

festgeschriebenen gemeinsamen Ziele.

Die Beitrittskandidaten müssen diesen gemeinschaftlichen Besitzstand akzeptieren,

bevor sie der Union beitreten. Ausnahmen oder abweichende Regelungen werden nur

in ganz wenigen Fällen und in begrenztem Umfang akzeptiert. Die Union hat sich zum

Ziel gesetzt, den gemeinschaftlichen Besitzstand zu wahren und auszubauen. Auf

keinen Fall darf es zu Rückschritten kommen.

Die Kommission und die beitrittswilligen Staaten prüfen, wie die Rechtsvorschriften

dieser Staaten an den gemeinschaftlichen Besitzstand angepasst werden können.

(Quelle: Europäische Kommission: Glossar. Brüssel 2000. S. 33)

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2.4 Unionsrechtlicher Besitzstand (acquis communautaire) (3 von 3)

Der Aquis Communautaire und die Beitrittskriterien:

„Nach einem Beschluss des Europäischen Rates (auf dem Gipfel von Kopenhagen im Juni 1993) müssen Beitrittskandidaten für die Aufnahme drei Kriterien (sog. „Kopenhagen Kriterien“) erfüllen:

• das „politische Kriterium“: institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten;

• das „wirtschaftliche Kriterium“: eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten;

• das „Aquis-Kriterium“: die Fähigkeit, sich die aus einer EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und Ziele zu eigen zu machen, d.h. das gemeinschaftliche Regelwerk, den „gemeinschaftlichen Besitzstand“ („Aquis communautaire“) zu übernehmen.“

(Herdegen, a.a.O., S. 83)

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2.5 Der EUV im Überblick

Titel I. Gemeinsame Bestimmungen (Art. 1-8)

Titel II. Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze (Art. 9-12)

Titel III. Bestimmungen über die Organe (Art. 13-19)

Titel IV. Bestimmungen über eine Verstärkte Zusammenarbeit (Art. 20)

Titel V. Allgemeine Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union und besondere Bestimmungen über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 21-46)

• Kapitel 1. Allgemeine Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union (Art. 21+22)

• Kapitel 2. (Besondere) Bestimmungen über die Gemeinsame Außen und Sicherheitspolitik (Art. 23-46)

• Abschnitt 1. Gemeinsame Bestimmungen (Art. 23-41)

• Abschnitt 2. Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Art. 42-46)

Titel VI. Schlussbestimmungen (47-55)

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2.6 Die Architektur der EU (Haratsch u. a., S. 23 ff.)*) (1 von 2)

2.61 Staatenverbund (Art. 1, Abs. 2 EUV)

(Maastricht-Urteil BVerfGE 89, 155(188))

(Lissabon-Urteil BVerfGE 123, 267, Leitsatz s.u.)

„Das Grundgesetz ermächtigt mit Art. 23 GG zur Beteiligung und Entwicklung einer als Staatenverbund konzipierten Europäischen Union. Der Begriff des Verbundes erfasst eine enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender Staaten, die auf vertraglicher Grundlage öffentliche Gewalt ausübt, deren Grundordnung jedoch allein der Verfügung der Mitgliedstaaten unterliegt und in der die Völker – das heißt die staatsangehörigen Bürger – der Mitgliedstaaten die Subjekte demokratischer Legitimation bleiben.“

*) Das Lehrbuch war in der neuesten Fassung bei der Redaktion dieser Charts noch nicht verfügbar, (angekündigt für Ende April 2014). Daher wird hier und im Folgenden auf die alte Fassung Bezug genommen.

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SoSe 2014 Rechtssystem der Europäischen Union

2.6 Die Architektur der EU (Haratsch u. a., S. 23 ff.) (2 von 2)

2.62 Supranationale Natur der EU (siehe LE 3),

jedoch intergouvernamentale Natur der GASP (siehe LE 10)

2.63 Materielle Verbundsicherung (Haratsch u.a., S. 30f.)

Kohärenzgebot (Art. 7 AEUV, Art.21, Abs. 3 EUV)

2.64 Institutionelle Verbundssicherung (wie vor, S. 31f.)

Institutioneller Rahmen (Art. 13, Abs. 1 EUV), Verantwortung: Europäischer Rat (Art. 15 Abs. 1 EUV), ferner Rat und Kommission (Art. 21, Abs. 3 EUV)

2.65 Flexibilität

Verstärkte Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten in bestimmten Grenzen (Art. 20 EUV, Art. 326-334 AEUV) und mit bestimmten Maßgaben.

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