referat „berliner hinterhöfe“

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Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät IV Institut für Erziehungswissenschaften Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft WS 2004/05 Seminar: Raum als pädagogische Dimension Dozent: Henning Schluss Referentinnen: Yvonne Kasten, Anja Böhm, Rosa Kuchenbecker Referat: „Berliner Hinterhöfe“ 1

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Humboldt-Universität zu Berlin

Philosophische Fakultät IV

Institut für Erziehungswissenschaften

Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft

WS 2004/05

Seminar: Raum als pädagogische Dimension

Dozent: Henning Schluss

Referentinnen: Yvonne Kasten, Anja Böhm, Rosa Kuchenbecker

Referat: „Berliner Hinterhöfe“

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Geschichte der Berliner Hinterhöfe

Hinterhöfe im Mittelalter

Um einen Überblick zu bekommen wo genau die ersten Häuser und Höfe von Berlin

entstanden sind, ist kurz ein Einblick in die Entstehungsgeschichte der Stadt zu

geben.

Im 12. Jahrhundert entwickelten sich um die Burgen Spandau und Köpenick erste

Siedlungen. Auf der heutigen Museumsinsel entstand die Fernhandelssiedlung Cölln,

auf dem rechten Spreeufer gründeten die Markgrafen von Brandenburg die Siedlung

Berlin. Berlin und Cölln wuchsen bald zu einer Doppelstadt zusammen und traten

1359 in die Hanse ein. 1432 wurden beide Städte endgültig vereint und Berlin wurde

eine bedeutende Industrie- und Handelsstadt.

Schon im Mittelalter kam dem Hof eine große Bedeutung zu. Wer Haus und Hof

hatte, war auch Bürger der Stadt. Die Größe der Häuser und Höfe steht für eine

Gewisse Rangordnung. Als erstes war da die Gruppe der Patrizier, Kaufleute und

Handelsherren, die große Häuser und Höfe besaßen.

An zweiter Stelle standen die Handwerker, die so genannte Dreifensterhäuser

bewohnten. Diese standen auf einem eher kleinen Grundstück, die zwar einen Hof

hatten, wohin aber nur ein Durchgang (keine Durchfahrt) führte.

Die dritte Gruppe bildeten die „armen“ Leute. Ihre Häuser hatten entweder gar keinen

Hof oder nur einen winzigen Fleck zum Nachbarn. Diese Häuser wurden Hausbuden

oder Budenhäuser genannt. Diese Budenhäuser standen oft auf abgetrennten

Stücken von den Grundstücken der Patrizier, Kaufleute oder Handelsherren, an die

sie dann Pacht zahlen mussten. Oder sie standen auf Stadtgrundstücken, dann

musste die Pacht an die Stadt gezahlt werden. Die dritte Möglichkeit war, dass die

Budenhäuser sich aus den Marktbuden entwickelten, auch dann musste die Pacht an

die Stadt gezahlt werden. Später wurden aus den Budenhäusern Steinbauten und

fester Besitz der Leute.

Hinterhöfe im 16.-18.Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert forderten mehrere Pestepidemien viele Todesopfer. Durch den

30-jährigen Krieg verarmte Berlin und Hungersnot und Plünderungen waren an der

Tagesordnung. Friedrich Wilhelm – Kurfürst von Brandenburg sorgte dann für den

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Aufschwung von Berlin. 6000 Hugenottische Flüchtlinge kamen aus Frankreich nach

Berlin. Es wurde mehr Platz für Wohnungen benötigt. Daher bekam der Ingenieur

Johann Gregor Mernhardt 1658 vom Großfürsten den Auftrag die Stadt

Friedrichswerda zu planen. Dieser plante in großen Parzellen und im Blockinneren

der Häuservierecke entstanden ausgedehnte Gärten. Diese waren später die

Baureserven für die Mietskasernen im 19.Jahrhundert.

Berlin lebte auf und die Einwohnerzahl stieg immer weiter. Nach dem 7-jährigen

Krieg (1756-1763) herrschte akuter Wohnungsmangel und Friedrich der Große ließ

anstelle älterer kleinerer Wohnhäuser große Wohnhäuser mit mehreren vermietbaren

Wohnungen errichten. Man wirft ihm daher vor, die Mietskasernen erfunden zu

haben. Jedoch waren diese Bauten der ersten Architekten von Berlin baukünstlerisch

sehr wertvoll und ihnen fehlten auch die 2. und 3. Hinterhäuser mit den engen

Hinterhöfen der Mietskasernen.

19. Jahrhundert – Mietskasernen

Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren die städtischen Hinterhöfe und Hinterhäuser

Arbeitsstätten von Handwerkern und Gewerbetreibenden. Durch die stetig steigende

Einwohnerzahl (Geburtenzuwachs, Zuzug von Auswärtigen) entstanden immer mehr

Mietshäuser für den bürgerlichen Bedarf und so genannte Arbeiterwohnungen.

Große freie Flächen wurden zugebaut. Es sollten ohne großen Aufwand Wohnungen

für die minderbemittelte Bevölkerung entstehen. Die Zeit der „Mietskasernen“

begann.

Aufbau der Mietskasernen:

Es wurden repräsentative Vorderhäuser für das Bürgertum gebaut. Dahinter

schlossen sich 2 bis 3 ganz einfach gebaute Hinterhäuser an. In dem 1. Hinterhaus

wohnten die Dienstboten und Handwerker, im 2.und 3.Hinterhaus wohnte die arme

Bevölkerung, das Proletariat. Die Hinterhäuser hatten rechteckige, enge Höfe, die

nur durch eine Durchfahrt, meist aber nur durch einen Durchgang miteinander

verbunden waren. Sie wurden nach hinten immer enger, ärmer und dunkler. Meist

standen in diesen engen Höfen auch noch die Toiletten, da es in den wenigsten

Wohnungen Toiletten gab.

Die sehr kleinen Hinterhöfe verdankte man der Baupolizeiordnung von 1853, die eine

Mindestgröße der Höfe von 5,34m x 5,34m vorschrieb. Diese Mindestgröße musste

eingehalten werden, damit der Hof zumindest von einem kleinen Feuerwehrauto

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befahren werden konnte. Die Häuser der Mietskasernen waren mehrgeschossig, bis

zu 5 Etagen und durften bis zu 22 m hoch gebaut werden. Die Höfe sahen dadurch

wie enge dunkle Schluchten aus, in denen keine Pflanze überlebte.

Die Bauordnung von 1887 schrieb dann endlich etwas größere Höfe vor.

In den Hinterhäusern waren die Menschen sehr arm, die Wohnungen waren

überbesetzt. Im Durchschnitt lebten 76 Personen in einem Haus, in London waren es

nur 8 Personen.

Viele Leute vermieteten Schlafplätze an Schlafburschen. Nur die Hälfte der Zimmer

konnten beheizt werden. Durch die Kälte und Überbelegung der Wohnungen kam es

zu Seuchen und Epidemien. Die Sterblichkeitsrate war bei Kindern besonders hoch

und hing mit den Stockwerken zusammen. In den unteren dunklen feuchten

Kellerwohnungen starben viel mehr Menschen.

Durch die misslichen Umstände fanden viele Reformbestrebungen des Berliner

Wohnungsbaus statt, z.B. die Berlinische Boden Gesellschaft, die 1898 das

Bayrische Viertel in Schöneberg erbaute. Dort gab es luftige begrünte Gartenhöfe.

Um 1920 - Zeilenbau

Der Zeilenbau entwickelte sich am Anfang des 20. Jahrhunderts. Wichtig waren nun

mehr Licht, mehr Raum und mehr Sonne. Der Zeilenbau war ein geschlossener lang

gestreckter Baustil umgeben von Gärten und Parks. Helle klare Fassaden standen im

Vordergrund. Allerdings hatten viele Leute Bedenken wegen der großen

Zwischenräume. Man hatte Angst, dass diese wieder für die Bebauung und die

erneute Entstehung von Mietskasernen ausgenutzt werden könnten. Jedoch

schränkte die Bauordnung von 1925 die Hinterhofbebauung stark ein.

Nach dem 1. Weltkrieg war der Wohnungsbau zu einer sozialpolitischen

Verantwortung geworden und kaum noch in privater Hand.

Wichtige Architekten zu der Zeit waren Bruno Taut und Walter Gropius. Sie schafften

Wohnungen für das Existenzminimum, für die arme Bevölkerung.

Ein Beispiel für den Zeilenbau ist Tauts Siedlung Schillerpark, die 1924 entstand.

Bezeichnend ist die offene Bauweise, die Öffnung zum Park. Die Grünflächen

wurden aufgewertet und als ein Element des erweiterten Außenwohnraums

angesehen. Erker, Balkone und Loggien wurden zu hervortretenden

Gestaltungselementen der Fassade.

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Der Zeilenbau konnte sich allerdings nicht durchsetzen und wurde schon Ende der

20-er Jahre durch die Blockrandbebauung verdrängt.

Pädagogische Aspekte der Hinterhöfe

Im Mittelalter hatte der Hof fast ausschließlich die Bedeutung als Arbeitsstätte.

Zur Zeit der Mietskasernen war er Schnittstelle der Berliner Gesellschaft, die bessere

Gesellschaft traf auf die ärmere. Der soziale Kontakt durch die räumliche Enge war

besonders in den Hinterhäusern sehr stark. Im Hof spielte sich zu der Zeit viel ab, es

gab Hoftoiletten, die Wäsche wurde dort aufgehängt, es wurden spontan

Gauklerfeste gefeiert und Kinder spielten im Hof.

Der Hof hatte eine Schutzfunktion gegenüber dem Straßenlärm. Es stoßen

halböffentliche und öffentliche Interessen aufeinander. Der Hof wird zum

Kommunikationsort.

Durch den Zeilenbau in den 20-er Jahren des 20.Jahrhunderts wurde die

Kommunikation durch die Weite der Innenhöfe (Parks) ein wenig eingeschränkt.

Die Erholung im Grünen stand im Vordergrund. Die Kinder konnten im Innenhof

spielen, auch hier wird wieder die Schutzfunktion gegenüber der Straße deutlich.

Literatur:

- Michael Haddenhorst, Thomas Friedrich: Berliner (Hinter) Höfe – Kultur, Geschichte und Gegenwart.

Berlin, 2000

- Reinhold Crämer, Gerhard Ullmann, Hans-Werner Klunner: Berliner Hinterhöfe. Berlin: Senator für Bau-

u. Wohnungswesen, 1982

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Ein Hofbeispiel aus der Gegenwart: Kastanienallee 86 (Prenzlauer Berg) Überleitung von der Geschichte zur Gegenwart

Viele dieser typischen Hinterhöfe haben den Krieg und die Neubebauung überlebt

und stehen heute unter Denkmalschutz. Die 60-er Jahre standen für Abriss und

Neubau. Architekten, Hausbesitzer und Politiker waren sich einig in der Ablehnung

der dichten Gründerzeitbebauung. Die Schlagworte „Licht, Luft und Sonne“ schienen

aber nur mit neuen Bauformen Wirklichkeit zu werden. Die Missstände in den alten

Häusern wurden beseitigt z.B. wurden Kellerwohnungen zu Kellern, Hoftoiletten

verschwanden und statt 2 Familien lebten jetzt eine in einer solchen Wohnung. Erst

Ende der 70-er entdeckte zuerst die alternative Szene der Punks, Studenten und

Künstler, dass eine Menge Möglichkeiten in diesen Höfen steckte, z.B. als Platz für

Grillfeste, für Spielplätze in Sichtweite der Eltern, als Gestaltungsraum für Künstler.

Aufgeschlossene Hausbesitzer erkannten das Gestaltungspotential ihrer Höfe und

kreierten kleine Landschaften statt kahlen Wänden und Mülltonnen. Es entstanden

ruhige, versponnene, halböffentliche Räume zur Erholung und für nachbarschaftliche

Kontakte, sowie Kinos, Kneipen und Galerien neben alten Fabriken. Heute herrschen

große Gegensätze in diesen Vierteln. Viele der Mietskasernen wurden saniert und

sind deshalb zu sehr guten Wohnadressen geworden. Andere Häuser und Höfe sind

vom Zerfall bedroht, besitzen aber jenes Flair, was einen gemeinsamen Lebensraum

von Menschen ausmacht.

Deshalb haben wir uns dieses Beispiel in der Kastanienallee 86 ausgesucht.

Das Tuntenhaus

Geschichte:

Das Tuntenhaus gibt es seit 1990 in der Kastanienallee. Vorher besetzten autonome

Homosexuelle in der Mainzer Str. in Friedrichshain ein Haus, welches nach

mehrtägigen Straßenschlachten von der Polizei im November 1990 geräumt wurde.

Die besetzten Häuser in der Mainzer Str. waren damals das Zentrum der Berliner

Hausbesetzerbewegung. Ein Großteil der Bewohner zog nach der Vertreibung in

dieses ebenfalls besetzte Haus. Dort wurden die Wohnverhältnisse schnell

legalisiert, d.h. Mietverträge mit der Wohnungsbaugesellschaft wurden

abgeschlossen. Im Jahr 2000 erfolgte die sog. Rückübertragung an private

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Finanziers und seitdem liegen die Bewohner im Clinch mit den neuen Eigentümern,

weil deren Vorstellungen nicht mit ihren vereinbar sind.

Heute:

Im Hinterhaus leben momentan 17 Homosexuelle, aufgeteilt auf 4 WGs mit jeweils

einer Küche. Kommunikationsfördernd wirkt sich die Zimmerverteilung im Haus auf,

denn man wohnt nicht automatisch auf dem Stockwerk, wo sich die WG-Küche

befindet. Das Tuntenhaus ist ein Wohn- kein Politprojekt. Es spielt eher eine Rolle als

Multiplikator, welche Informationen weitergibt.

Der Hof ist ein wichtiger Treffpunkt für viele der Hausbewohner. Er wird als

Freiluftgemeinschaftsraum angesehen. Die Gestaltung wurde von den

Hausbewohnern übernommen. In der Mitte sieht man einen großen Kronleuchter, der

ehem. im DDR-Staatstheater zu bewundern war. Im Sommer wird der Hof durch

seine Begrünung in eine Oase verwandelt. Bei schönem Wetter findet hier das

Hausplenum statt und viele verschiedene Projekte wie Konzerte, Lesungen,

Filmvorführungen, Feste, Flohmarkt werden selbst organisiert und durchgeführt. Eine

Grillparty fand letzten Winter sogar bei Minustemperaturen statt.

Im Hof befindet sich noch die Druckerei „Drei Groschen“, welche sich politisch links

einordnet und wo die Kunden sich beteiligen an der Produktion ihrer

Druckerzeugnisse.

Das Café „Morgenrot“ wird als Kollektiv geführt und die Küche ist vegetarisch/vegan.

Durch das Café oder über den Hof kommt man zu einem Veranstaltungskeller, wo

jede Menge Kultur (gerade zu den kalten Jahreszeiten) angeboten wird. Auch findet

man hier jeden Dienstag die Volksküche, wo man gemeinsam und billig essen kann.

Vor dem Haus wurde nach der Wende ein kleiner Vorgarten geschaffen, welcher

nach langen Verhandlungen mit der Wohnungsbaugesellschaft bleiben durfte. Die

Bewohner bekamen dann etwas Geld, um auch den Hof zu begrünen.

Dort steht auch eine Bank, welche zum Verweilen, Reden, Essen, Trinken,

Musizieren, Beobachten, Diskutieren etc. einlädt.

Im Sommer 2003 wurde die Bank für einige Zeit in den Hof gestellt, weil sie ständig

besetzt war und die Hausbewohner sie auch mal nutzen wollten.

Die Bank spiegelt das soziale Leben der Strasse wieder. Dort treffen sich Menschen

mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Nutzungsansprüchen.

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Momentane Situation:

Die Bewohner liegen im Clinch mit den Hauseigentümern über das sog.

Belegungsrecht leer stehender Wohnungen. Die Eigentümer wollen nun ihre Mieter

selber aussuchen. Bisher haben die Bewohner entschieden, wer einziehen darf, weil

das elementar für das Zusammenwohnen der Gemeinschaft ist. Auch wollen die

Eigentümer die Ladenfläche im Vorderhaus vermieten und die nicht kommerziell

arbeitende Galerie „Walden“ würde somit ihre Räume verlieren. Eine

Dachgeschosswohnung soll entstehen, aber wer kann sich eine sanierte Wohnung

von den Bewohnern leisten? Die Bewohner befürchten eine Verdrängung durch

Sanierung und hohe Mietpreise und Erweiterung des „Schickimickizentrums“. Sie

wehren sich gegen die Fremdbestimmung und sammeln durch ihre Veranstaltungen

Geld für Anwaltskosten.

Pädagogische Aspekte des alternativen Hinterhofs

Die Bewohner der Kastanienallee 86 haben ihren Innenhof bewusst gestaltet und

nutzen diesen für Ihre gemeinsamen Aktivitäten. Die Kommunikation und die

sozialen Kontakte unter den Hausbewohnern werden dadurch gefördert und die

Gemeinschaft geprägt.

Literatur:

- www.homebanking86.de

- www.tuntenhaus.squat.net

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Zukunft Berliner Hinterhöfe Sanierter Hinterhof

Ein Aspekt der Zukunft von Berliner Hinterhöfen ist für uns der sanierte Hinterhof.

Sämtliche Häuser und Höfe in Prenzlauer Berg wurden in der letzten Zeit saniert.

Überall sieht man Baustellen, Gerüste an Häusern und neu gemachte, leuchtende

Fassaden.

Die Sanierungswelle hat vor etwa 10 Jahren in Berlin begonnen und wird sich noch

weiter in die Zukunft erstrecken. Es wird heute im Jahr 2004 von der „Halbzeit“ der

Sanierungen gesprochen.

Was ist eine Sanierung?

Eine Definition aus dem Lexikon: Das Wort stammt von dem lateinischen Wort

sanare ab, das bedeutet soviel wie heilen oder gesund machen. Sanierungen sind

die städtebaulichen Maßnahmen die vor allem die Verbesserung der Wohn- und

Lebensbedingungen in ältern Wohnvierteln dienen sollen (Restaurierung,

Modernisierung von Altbausubstanzen, Abriss und Neuaufbau).

Also, die Wohnbedingungen sollen durch Umgestaltung und Erneuerung verbessert

und auf einen zeitgemäßen Standard gebracht werden.

Sanierungen werden durch öffentliche und private Mittel getragen, obwohl öffentliche

Gelder kaum noch vorhanden sind.

In Prenzlauer Berg wurden 90% der Wohngebäude vor 1918 errichtet. Viele

Gebäude sind also alt und waren kaputt, jahrzehntelang wurden kaum

Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Außerdem waren die Gebäude von

außen schlecht erhalten, Fassaden und Fenster waren in schlechten Zuständen.

Dementsprechend waren viele Häuser erneuerungsbedürftig.

Auch die Ausstattung vieler Wohnungen war mangelhaft und sie wurden erneuert

oder umgestaltet: 88% der Wohnungen wurden mit Öfen beheizt, 43% der

Wohnungen hatten kein Bad, ca. 25% der Wohnungen hatten lediglich eine

Außentoilette.

Seit 1995 gibt es 22 Sanierungsgebiete in Berlin, hauptsächlich im Ostteil der Stadt;

5 Gebiete davon liegen in Prenzlauer Berg: Helmholtzplatz, Kollwitzplatz,

Teutoburger Platz, Winsstr. und Bötzowstr. Damit ist Prenzlauer Berg das größte

zusammenhängende Sanierungsgebiet in ganz Europa.

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In diesem Bezirk wurden etwa 50% der Wohngebäude bereits saniert, 20% der

Gebäude sollen noch saniert werden. Laut Einschätzungen des Senats soll der

gesamte Sanierungsvorgang in diesem Bezirk 2010 abgeschlossen sein.

Die GmbH S.T.E.R.N. wurde mit den Sanierungsaufgaben in Prenzlauer Berg

beauftragt. S.T.E.R.N. zielt auf eine „behutsame“ Sanierung ab. Es gelten folgende

Grundsätze:

- eine umfassende Beteiligung der Bewohner

- eine Unterstützung des örtlich ansässigen Gewerbes mit eventueller

Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen

- die Entwicklung, Umsetzung und Betreuung von Sanierungszielen

- die Schaffung und Erweiterung von Grün- und Freiflächen

- die Verbesserung von Wohnen und Gewerbe

Pädagogische Aspekte

Sanierungen müssen sozialverträglich ablaufen.

Alle Bewohner des Hauses müssen die Möglichkeit bekommen am

Gestaltungsprozess ihres Hauses und ihres Hinterhofs mitzuwirken.

Das Sanierungskonzept muss sich an den Bedürfnissen und Wünschen der

Bewohner orientieren, sie sind von den Sanierungsmaßnahmen schließlich direkt

betroffen.

Die Bewohner müssen Engagement zeigen, also auch bei der

Sanierungsrealisierung mithelfen.

Die Bewohner des zu sanierenden Hauses dürfen nicht aus ihrem Kiez, aus ihrer

Wohnung und aus ihrem Hinterhof gedrängt werden. 1995 wurden Mietobergrenzen

vom Bezirksamt eingeführt.

Sanierungsziele müssen sich ständig den neuen Gegebenheiten anpassen.

Der Hinterhof gehört zum nahen Lebensbereich. Dieser bietet sich an, einen Bereich

zu schaffen, in dem sich alle Bewohner treffen und gemeinsam einen Teil ihrer

Freizeit verbringen können.

Literatur:

- Geisten, Cornelius van [Ltg.] (2001): Halbzeit. Satdterneuerung in Prenzlauer Berg. Berlin: S.T.E.R.N

- Ges. der behutsamen Stadterneuerung Berlin mbH

- www.stadtentwicklung.berlin.de

- www.stern-berlin.com

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