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Luzerner Tagung zum Kindes- und Erwachsenenschutz
Schnittstellen zur Sozialhilfe und Neuerungen im Kindesschutz
Mittwoch, 14. Mai 2014
Alle Tagungsunterlagen finden Sie auch auf: www.hslu.ch/fachtagung-kes
Prof. Dr. Ute ZiegenhainLeiterin der Sektion Pädagogik und JugendhilfeKlinik für Kinder und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Ulm (D)
PowerPoint Präsentation
Abklärungsinstrumente im Kindesschutz in Deutschland und deren Übertragbarkeit auf Schweizer Verhältnisse
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Abklärungsinstrumente im Kindesschutz in Deutschland und deren Übertragbarkeit auf Schweizer Verhältnisse
Ute Ziegenhain und Jörg M. Fegert
Luzerner Fachtagung zum Kindes- und Erwachsenenschutz: „Schnittstellen zur Sozialhilfe und Neuerungen im Kindesschutz“Luzern, 14. Mai, 2014
Ausgangssituation
Beispiele von Verfahren in Deutschland
Elterliche Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit als wichtiger Ansatzpunkt zur Risikoeinschätzung
Fazit
Gliederung
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„Was uns fehlt sind gemeinsame Standards und eine gemeinsamen Sprache; von was sprechen wir, wenn wir ‚Abklärung von Kindeswohlgefährdung’ sagen? Es braucht verschiedene fachliche Blickrichtungen, um dann eine gemeinsame Sicht auf die Situation der Familie zu bekommen; uns fehlt auch eine klare Aufgabenteilung mit klaren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten und Absprachen; bessere Rückmeldungen können Lücken oder Überschneidungen in der Wahrnehmung oder auch im Angebot für die Familie verhindern. Das braucht gute Kommunikationund Vorabsprachen, wenn der Handlungsdruck hoch ist, z.B.wenn ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung da ist, muss das funktionieren, was in ruhigen Zeiten abgesprochen wird.
Frühe Hilfen und Kindesschutz
es fehlen aussagekräftige und leicht einsetzbareVerfahren zur Risikoerkennung und –dokumentation(Kindler, 2008)
Einschätzung
- der situativen, akuten Gefährdung
- der Wahrscheinlichkeit einer möglichenEntwicklungsgefährdung aufgrund vorliegender Risiken
- des Verlaufs zur weiteren Entwicklungsprognose
Erkennen zugrunde liegender Risikomechanismen im Einzelfall
Standardisierte Erfassung empirisch belegter Risikoindikatoren
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Fehleranalyse bei Kinderschutzentscheidungen
In UK 45 „Child Abuse Inquiry Reports“ (1973 – 1994)
Eileen Munro (Child Abuse and Neglect 23, 1999)
- Risikobeurteilung beruht auf schmaler Datenbasis
- wichtige Informationsquellen werden vernachlässigt
- starke emotionale Beteiligung und Unfähigkeit Fehler und Irrtümer einzuräumen führt zu Problemen
- Fehler in der Fallarbeit sind keine unvorhersehbaren Katastrophen, sondern sind aufgrund von Haltungen und Arbeitsmängeln erwartbar
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Fachkräfte profitieren bei Einschätzungen und Entscheidungen
- Sozialarbeiter mit Instrument besser als erfahrener ohne (Expertise Kindler; Grove et al., 2000; Kindler et al., 2008)
- Instrument und Team-Konsensus (Abwägungen dokumentieren)
Cave: Qualitätsanforderungen an Verfahren
- Validität (z.B. inwieweit Vorhersage weiterer Misshandlung)
- Reliabilität (inwieweit verschiedene Fachkräfte zu ähnlichen Aussagen gelangen)
- Praktikabilität (z.B. wahrgenommener Nutzen, ökonomische Anwendung etc.)
Nutzen abgesicherter Verfahren – das „Rad nicht immer wieder neu erfinden“
Einsatz strukturierter Verfahren
Ziele: Verbesserung der(Rückfall-)Prognose
risikoadjustierte Interventionsplanung
- empirisch abgesicherte Prädiktor-Verfahren: Risikofaktoren-Checklisten
- konsensus-basierte Entscheidungsmodelle (z.B. Baird & Wagner 2000)
Cave: Sensititivät u. Spezifität max. 70 %
keine absolute Handlungssicherheit
Risikoeinschätzung gemäß derzeitigem Kenntnisstand
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Anna Freud:
Im Kinderschutz geschieht entweder zu früh zu viel oder zu spät zu wenig
die Mehrzahl der Fälle von Kindesmisshandlungen spielen sich im Graubereich zwischen noch ausreichender Fürsorge und nicht mehr ausreichender Fürsorge ab
Thyen, Meysen & Dörries, 2010
Kindeswohlgefährdung und professionelles Handeln
mindestens in zwei Längsschnittstudien bestätigte Risikofaktoren für
Vernachlässigung / Misshandlung Erziehungsschwierigkeiten / Auffälligkeit Entwicklungsstand
Grobindikatoren der familiären sozialen Lage
niedriger BildungsstandArmut / Bezug von Sozialeinkommen
niedriger Bildungsstand
Lebenssituation der Familie
Partnerschaftsprobleme / -gewalthäufige Umzügesozial isoliert / wenig Unterstützung
Partnerschaftsprobleme / -gewalt
hohe Stressbelastung
Persönliche Voraussetzung von Mutter / Vater für die Bewältigung von Fürsorge und Erziehung
Mutter sehr jungMutter geringe IntelligenzMutter selbst Gefährdung erfahrenMutter / Vater als Kind in FremdunterbringungMutter geringes Selbstvertrauen
Mutter sehr jung
Mutter / Vater Broken Home
Mutter geringe BewältigungsfähigkeitenMutter / Vater strafrechtlich verurteilt
Psychische Gesundheit Mutter / Vater
Mutter psychisch auffälligMutter Anzeichen DepressionMutter impulsiv / aggressivMutter emotional instabil
Mutter psychisch auffälligMutter Anzeichen DepressionMutter impulsiv / aggressiv
Risikofaktoren für Vernachlässigung / Misshandlung sowie frühe Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsauffälligkeiten (Kindler, 2011)
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mindestens in zwei Längsschnittstudien bestätigte Risikofaktoren für
Vernachlässigung / Misshandlung Erziehungsschwierigkeiten / Auffälligkeit Entwicklungsstand
Haltung gegenüber Kind und Verhalten während der Schwangerschaft
Kind ungewollt, Mutter negativ über Kindlückenhafte VorsorgeuntersuchungenMutter unrealistische Erwartungen
Fürsorge- und Erziehungsanforderungen durch Kind oder Geschwister
geringes Geburtsgewichtschwieriges Kindmehrere jüngere Kinder in der Familie
Geringes Geburtsgewicht
Kind ist ein Junge
Beobachtbares Fürsorge- bzw. Erziehungsverhalten Mutter/ Vater
Mutter problematisches Fürsorgeverhalten Mutter problematisches InteraktionsverhaltenMutter ungünstiges Bindungsmusterungünstiger HOME-Wert*
andere FaktorenFremdbetreuung von geringer Qualität
*HOME: Strukturiertes Verfahren zur Einschätzung der häuslichen Förder- und Erziehungsumgebung
Risikofaktoren für Vernachlässigung / Misshandlung sowie frühe Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsauffälligkeiten (Kindler, 2011)
Risikofaktoren beeinflussen nicht per se die Entwicklung
sie sind vielmehr:
Risiko-Indikatoren für komplexere Risiko-Mechanismen
Trennung /Scheidung elterliche Konflikte / dysfunktionales Verhalten
(vorhergehende) Misshandlung geringe Impulskontrolle
- Identifizieren von Risikofaktoren: notwendiger erster Schritt
- Verstehen der Risikomechanismen: relevant für Hilfeplanung und Einschätzung des Risikopotentials: (Kumulation und Wechselwirkung; Chronizität, Schweregrad)
(Rutter, 2001; Deegener & Körner, 2011)
Risikoindikatoren für Vernachlässigung und Misshandlung
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Erste Gefährdungseinschätzung (bei Aufnahme einer Gefährdungsmeldung
durch Dritte)
- Dringlichkeit (zeitnaher Kontakt zur Familie)
Sicherheitseinschätzung (Kontaktaufbau, Informationsgewinnung)
- Verbleib des Kindes in der Familie vs. erhebliche Gefährdung
Risikoeinschätzung als Grundlage für Entscheidungen über das weitere Vorgehen
- Abklärung von Verdachtsmomenten für Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellen Missbrauch (bei entsprechenden Hinweisen)
- Einschätzung elterlicher Erziehungs- und Beziehungsfähigkeiten
- Einschätzung der Entwicklungsdefizite, Verhaltensauffälligkeiten undStärken von Kindern
- Einschätzung von Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiken
- Einschätzung der Ressourcen von Eltern bzw. Familien
- Einschätzung der Veränderungsmotivation
(Kindler et al., 2006)
Aspekte und Phasen der Risikoabschätzung
Beziehungs-perspektive
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Ausgangssituation
Beispiele von Verfahren in Deutschland
Gliederung
Glinder Manual (Schone et al., 1997)
Sozialpädagogische Diagnosetabellen (Bayerisches Landesjugendamt, 2009)
Stuttgarter Kinderschutzbogen (Kindler & Reich, 2007; Kindler et al., 2008)
Module
altersdiffenziert, Auswahlmöglichkeiten (Praktikabilität!)
entwickelt im Austausch Forschung-Praxis
teilweise Evaluation Praktikabilität / wahrgenommener Nutzen
Stuttgarter Kinderschutzbogen: Validität / Reliabilität / Praktikabilität
Beispiele von Verfahren in Deutschland
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Glinder Manual
Erhebungsbogen Kind (Kind 1, 2, 3 ,...je einen Bogen)Name Geburtsdatum:
Alter z. Zeitpunkt der Erhebung:
Geschlecht Stellung in der Geschwisterreihe
Situation des Kindes
Gesundheit/Krankheitsanfälligkeit (Vorsorgeuntersuchungen)
körperliche Erscheinung (Gewicht, Wachstum, motorische Entwicklung)
kognitive Entwicklung (Sprachentwicklung)
psychische Erscheinung (Aktivität, Wach-, Schlafverhalten, Depressionen, Ängste)
Sozialverhalten ("schwieriges Kind", Umgang mit anderen Kindern, mit Erwachsenen)
Eltern-Kind-InteraktionSicherung der medizinischen Versorgung
Versorgung (Nahrung, Kleidung, Körperpflege)
Aufsicht, Schutz des Kindes
Kind wird häufig alleingelassen, Isolation des Kindes
Gewalt gegen das Kind
Aufmerksamkeit/Zuwendung der Eltern
Zuverlässigkeit/Berechenbarkeit der Eltern
Übertragung der Betreuung an geeignete/ungeeignete Betreuungspersonen
Körperkontakt/Zärtlichkeit
(herabsetzende) Kritik, Umgangston
Bewegungsraum und Spielmöglichkeiten des Kindes
Glinder Manual (nach Jordan, 2005; Deegener, 2009)
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3. Situation des Kindes: Nacherhebungen (für jedes Kind einen Bogen ausfüllen)
Name des Kindes: Geburtsdatum:
Bewertung: + + = sehr gut (5), + = gut (4), 0 = normal/stabil (3), - = schlecht (2),
- - = sehr schlecht (1), k.A. = keine Angaben möglich
t1 t2 t3 t4
gesundheitliche Situation
körperl. Erscheinung (Gewicht, Wachstum, motor.Entw.)
kognitive Entwicklung
psychische Erscheinung (Sozialverhalten, Umgang mit anderen
Kindern, mit Erwachsenen)
4. Eltern-Kind-Interaktion
Versorgung (Nahrung, Kleidung und Körperpflege)
Aufsicht, Schutz (Kontrolle/Stimulierung)
Gewalt gegen das Kind
Aufmerksamkeit/Zuwendung für das Kind
Zuverlässigkeit/Berechenbarkeit der Eltern
Auswirkungen der Partnersituation der Eltern auf das Kind
Betreuungssituation des Kindes (auch bei Übertragung an Andere)
Körperkontakt/Zärtlichkeit (seelische Wertschätzung)
Bewegungsraum und Spielmöglichkeiten des Kindes
Vereinbarungen ("Kontrakte")
t1:
t2:
t3:
t4:
Glinder Manual
Glinder Manual
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Sozialpädagogische Diagnose-Tabellen
Sozialpädagogische Diagnose-Tabellen
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Stuttgarter Kinderschutz-Bogen
– Meldebogen ja/ nein, Grunddatenblatt und Genogramm
– Erscheinungsbild des Kindes (Altersmodule)
– Interaktionen (primäre Bezugsperson, .... und Kind, Jugendliche/-r)
– Grundversorgung und Schutz des Kindes (hinterlegte altersspezifische Ankerbeispiele)
– Aktuelle Sicherheitseinschätzung
– Bei chronischen Einschränkungen der Sorgeberechtigten:
Erziehungsfähigkeit (für Altersgruppe 0 bis Grundschulalter)
– Risikofaktoren für eine anhaltende bzw. hohe Gefährdung
– Ressourcen und Prognosen (u.a. zur Veränderungsbereitschaft)
– Übersicht der Einschätzungsdaten
– Einschätzung & Begründung der Kindeswohlgefährdung (hinterlegte Gefährdungsdefinitionen /dji)
– die nächsten Verfahrensschritte und Hilfe- und Schutzkonzept
– Vereinbarung mit den Sorgeberechtigten zum Schutz des Kindes
Stuttgarter Kinderschutzbogen - Module
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Stuttgarter Kinderschutzbogen
Stuttgarter Kinderschutzbogen
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Von der Feststellung von Risiken zur individualprognostischen Einschätzung:
Manual „E-Learning-Kurs Frühe Hilfen und frühe Interventionen im Kinderschutz“
Screeningverfahren
erhebliche Verbesserung (gegenüber einer nicht systematischenEinschätzung oder einer „Baucheinschätzung“; Ziegenhain & Fegert, 2009)
aber:
für jeden Einzelfall nur annäherungsweise tauglich (statistischeWahrscheinlichkeit, mit der ein schädigendes Ereignis eintreten kann)
„Lücke“ zwischen Screeningverfahren und Individualprognosemöglicher Kindswohlgefährdung
„E-Learning-Kurs Frühe Hilfen und frühe Interventionen im Kinderschutz“: Instrument und Manual zur Einschätzung von Belastungsfaktoren und Ressourcen
„direkter Weg“ zur individualprognostischen Einschätzung und Risikogewichtung
unmittelbare Ableitung der im Manual zusammengefassten Risiken
unmittelbarer Bezug auf die jeweilige Fallkonstellation
Jedem Einzelfall bestmöglich gerecht werden
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Beispiel: Instrument und Manual zur Einschätzung von Belastungsfaktoren und Ressourcen
www.eLearningFrueheHilfen.de
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Einschätzung von Belastungsfaktoren und Ressourcen : Instrument und Manual
www.eLearningFrueheHilfen.de
87 CME-Punkte
Entwicklung gefördert durch das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, Baden-Württemberg, bundesweiter, kostenfreier Betriebund weitere Evaluation gefördert von Optimus Foundation
E-Learning Kurs „Frühe Hilfen und frühe Interventionen im Kinderschutz“: Basisfinanzierung gesichert
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Abklärungsinstrumente – immer nur so gut wie Hilfen vorgehalten und niedrigschwellig
vermittelt werden
Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch
Wahrnehmungsbogen für den Kinderschutz
Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch (Kindler, 2007)
- empirisch gesicherte Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung (5 Variablen, von denen jede für sich allein dieWahrscheinlichkeit für eine spätere Kindeswohlgefährdung erhöht)
- Übergang von Gesundheitshilfe zur Kinder- und Jugendhilfe (rund um den Zeitpunkt der Geburt)
- Geburtskliniken und ggf. andere niedrigschwellige Institutionen
Vermittlung früher und präventiver Angebote
nicht „melden“, sondern ansprechen! (Rollenspiel)
Ergänzende Angebote für die Vernetzungskoordination
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Expertise Kindler
Ergebnisse von über 30 Längsschnittstudien aus verschiedenenLändern zu Vorhersagefaktoren für frühe Erziehungs-schwierigkeiten und frühe Vernachlässigung bzw. Misshandlung analysiert
Berichte von 85 Projekten aus dem Bereich Früher Hilfen im Hinblick auf eingesetzte Verfahren zur systematischen Erfassung von Risiken ausgewertet
Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch
Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch
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Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch
Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“
Leitfaden zum „Anhaltsbogen für ein vertiefendes Gespräch“
Was ist das Ziel des Anhaltsbogens?
Was ist überhaupt ein Risikofaktor?
Wie wurde der Anhaltsbogen erstellt?
Wie werden die einzelnen Kriterien bewertet?
Wie und bei wem wird der Anhaltsbogen ausgefüllt?
Wie wird ein vertiefendes Gespräch durchgeführt?
Erläuterungen zu den Kriterien
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LupE – Screeningbogen
Kindler, Filsinger, Gehrmann, Bechtold et al., 2007; in Meysen, Schönecker, Kindler, 2009
im Rahmen des Bundesmodellprojekts „Guter Start ins Kinderleben“
Aktionsprogramm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ (BMFSFJ)
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systematische verbindliche Regelung der interdisziplinären Zusammenarbeit – Etablierung von Strukturen
“One-Face-to-the-Customer“ (Fachstelle/Clearingstelle, Information, anonymisierte Beratung, Vermittlung, etc.)
geregelte Zuständigkeitsklärung, standardisierte und empirisch abgesicherte Risikodiagnostik, gemeinsame Sprache
aktive Beteiligung der professionellen Akteure vor Ort (z. B.Runde Tische, themenbezogene interdisziplinäre AGs)
administrative Verankerung und Steuerung durch die fachlichenund politischen Entscheidungsträger
Aushandeln und Abstimmen in ruhigen Zeiten, damit Kooperation im Einzelfall funktioniert
Finanzierung von Vernetzungsarbeit/Dokumentation in Stellenbeschreibungen als zentrale Aufgabe
„Guter Start ins Kinderleben“ Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperations- und Vernetzungsstrukturen
systematische verbindliche Regelung der interdisziplinären Zusammenarbeit – Etablierung von Strukturen
“One-Face-to-the-Customer“ (Fachstelle/Clearingstelle, Information, anonymisierte Beratung, Vermittlung, etc.)
geregelte Zuständigkeitsklärung, standardisierte und empirisch abgesicherte Risikodiagnostik, gemeinsame Sprache
aktive Beteiligung der professionellen Akteure vor Ort (z. B.Runde Tische, themenbezogene interdisziplinäre AGs)
administrative Verankerung und Steuerung durch die fachlichenund politischen Entscheidungsträger
Aushandeln und Abstimmen in ruhigen Zeiten, damit Kooperation im Einzelfall funktioniert
Finanzierung von Vernetzungsarbeit/Dokumentation in Stellenbeschreibungen als zentrale Aufgabe
„Guter Start ins Kinderleben“ Nachhaltige Etablierung interdisziplinärer Kooperations- und Vernetzungsstrukturen
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Wahrnehmungsbogen für den Kinderschutz
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E) Definitionen und Beispiele
Vorarlberg (21 Kinderbetreuungseinrichtungen, N=412 Kinder; Künster, Wucher, Thurn, Kindler, Fischer &
Ziegenhain, 2011)
Ostalbkreis (35 Kindertagesstätten, N=1767; Künster,
Ziegenhain, Kindler, Fischer & Thurn, 2011)
hohe Zufriedenheit der Erzieherinnen und Erzieher mit der Anwendbarkeit und Nützlichkeit des Wahrnehmungsbogens
Erhebung erster Prävalenzzahlen im deutschsprachigen Raum:Vernachlässigung: 5-11%Misshandlung: 1-2% sexueller Missbrauch: 0-0,3%
Pilotuntersuchungen
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Länderübergreifende Kooperation zur Validitätsüberprüfung
Anne K. Künster
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm, Deutschland
Andreas Jud,
Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Schweiz
Lex Wijnroks
Social and Behavioural Sciences, Universiteit Utrecht, Niederlande
Sandra Simó Teufel
Psychology Department, Universitat de Valencia, Spanien
Validitätsüberprüfung
psychische Belastung (SDQ, Eltern und Erzieher)
Misshandlungsrisiko (CAPI / EBSK, Eltern)
Belastungen der Eltern
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Praktischer Leitfaden
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Ausgangssituation
Beispiele von Verfahren in Deutschland
Elterliche Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit als wichtiger Ansatzpunkt zur Risikoeinschätzung
Gliederung
Entwicklung vollzieht sich in Beziehungen -
Bindungspersonen können den Entwicklungsverlauf des Kindesentscheidend fördern oder hemmen
In der frühen Kindheit werden nahezualle Erfahrungen durch die Eltern vermittelt und gesteuert.
frühe Verhaltensprobleme und –störungen zeigen sich (zunächst) inder Beziehungsdynamik
- oft nur in Interaktion mit einemElternteil
- Verhaltensbeobachtung (Video) / Beziehung als „objektivierbare“Quelle von Informationen
Bedeutung von Bindung für die Einschätzung und Abwägung von möglicher Entwicklungsgefährdung
„There is no such a thingas a baby“
(Winnicott,1949)
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Qualität bisheriger elterlicher Kompetenzen
Qualität gegenwärtiger elterlicher Kompetenzen: Interaktionsdiagnostik als empirisch erprobtes, aber bisher wenig systematisch genutztes Verfahren
Wissen über Entwicklung / Erziehungseinstellungen
Persönlichkeitsmerkmale und eigene Bindungsvorerfahrungen der Eltern
Ausmaß der Kindeswohlgefährdung
Qualität elterlicher Kompetenzen über die Zeit und unterStress
Risikoeinschätzung elterlicher Beziehungs- und Erziehungsfähigkeiten (Ostler & Ziegenhain, 2007)
Ausmaß feinfühliger Wahrnehmung kindlicher Signale und Bedürfnisse / Abstimmung des emotionalen Ausdrucksverhaltens auf das Verhalten des Kindes
versus: Unfähigkeit, das Kind in belastenden Situationenzu trösten
übermäßig harsches / aggressives /bestrafendesVerhalten
„dysfunktionales“ Verhalten*
negativ übergriffig
selbstbezogen
dissoziativ oder zurückgezogen
sich widersprechende affektive Kommunikation
dabei auch: Fähigkeit, sich auch über eine längeren Zeitraum hinweg adäquat zu verhalten („Good Enough Parenting“)
Qualität gegenwärtiger elterlicher Kompetenzen: Verhalten in alltäglicher Interaktion
* 3,7 mal häufiger desorganisierte Bindung; Metaanalyse 12 Studien, 851 Mutter-Kind-Dyaden; Madigan, Bakermans-Kranenburg et al., 2006)
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Inpflegenahme mit 19 Monaten
Verdacht auf Bindungsstörung mit Enthemmung (F94.2)
- oppositionell (besonders, wenn Grenzen gesetzt werden)
- distanzgemindert
- wenig Gespür für gefährliche Situationen
- entwicklungsverzögert (begonnen zu laufen, einzelne Worte: „Mama“)
- isst gierig, Probleme beim Einschlafen
Weiterer Entwicklungsverlauf
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Skala FeinfühligkeitAinsworth et
al. 1971
AMBIANCE (Bronfman et
al., 2009)
Emotional AvailabilityBiringen et al. 1993
CARE-IndexCrittenden 1988-2007
Dimensionen Eltern Eltern Eltern Kind Eltern Kind
Rating, 9-stufig
Rating, 7-stufig
Rating, 9- bzw. 5-stufig
Rating, 7-stufig
14-Punkte-Skala, relativer Anteil elterlicher bzw. kindlicher Komponenten
feinfühlig negativ intrusiv
feinfühlig responsiv feinfühlig kooperativ
Rollen-umkehr
strukturierend involvierend kontrollierend schwierig
widersprüch-lich affektive Signale
nicht intrusiv nicht responsiv zwanghaft überange-passt
desorientiert nicht feindselig passiv
zurückge-zogen
Ausgangssituation
Beispiele von Verfahren in Deutschland
Elterliche Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit als wichtiger Ansatzpunkt zur Risikoeinschätzung
Fazit
Gliederung
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keine absolute „Sicherheit in der Einschätzung (wenige Ausnahmen wie z.B. Röntgendiagnostik vs. Vernachlässigung (Unterlassung) als häufigstes und am schwersten einschätzbares Phänomen)
standardisiertes Vorgehen gemäß evidenzbasierter Verfahren und konsensus-basierter Synopse - empirisch fundierte und klinisch abgesicherte Psychodynamik statt „Psychomechanik“
- dokumentiert, nachvollziehbar und plausibel belegt, wenn immer möglich, mit abgesicherten Verfahren
systematische Einschätzung elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen und dabei Interaktionsdiagnostik als Chance
- empirisch abgesicherte Beobachtungsverfahren (Reliabilität)
Fazit: Risikoeinschätzung bei Kindeswohlgefährdung
„Es gibt keine großen Entdeckungen
und Fortschritte, solange es noch
ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“
Albert Einstein
* 1889 Ulm
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm
Steinhövelstraße 589075 Ulm
www.uniklinik-ulm.de/kjpp
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert