reigen 032012
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Was ist Wadlorfpädagogik?
“Die Erziehung des Kindes“ von Rudolf Steiner – Tatjana Kerl
„Mit der physischen Geburt wird der physische Menschenleib der physischen Umgebung
der äußeren Welt ausgesetzt, während er vorher von der schützenden Mutterhülle
umgeben war. Was vorher die Kräfte und Säfte der Mutterhülle an ihm getan
haben, das müssen jetzt die Kräfte und Elemente der äußeren physischen
Welt an ihm tun. Bis zum Zahnwechsel im siebenten Jahre hat der
Menschenleib eine Aufgabe an sich zu verrichten, die wesentlich
verschieden von den Aufgaben aller anderen Lebensepochen ist. Die
physischen Organe müssen in dieser Zeit sich in gewisse Formen
bringen; ihre Strukturverhältnisse müssen bestimmte Richtungen
und Tendenzen erhalten...
November 2012
Fortsetzung im Blattinneren
Es war eine lang gereifte Entscheidung von Sigrid Andres
nach 10 Jahren den Waldorfkindergarten zu verlassen. So
sehr sie ihren Arbeitsplatz auch schätzte und so sehr sie
die Kinder auch mochte, da war auch die Sehnsucht Zeit
für andere Dinge zu haben. So kam der Herbst 2012, die
Vorfreude der Kinder und Pädagoginnen war groß – ein
neues Kindergartenjahr – doch alle wussten, das neue
Jahr beginnt ohne Sigrid, denn ihr Abschied wurde bereits
vor den Sommerferien gefeiert. Der Vorstand und ihre
Kolleginnen verabschiedeten sich von Sigrid bei der letzten
Vorstandssitzung und Sigrid verabschiedete sich von den
Kindern mit „Erdbeereis für Alle“ vor den großen Ferien. Ich
durfte zum Abschied mit Sigrid ein Gespräch führen und
davon möchte ich euch erzählen.
Sigrids Sohn Alexander besuchte den Waldorfkindergarten.
Sigrid mochte den Kindergarten und hatte schon immer
einen guten Draht zu Kindern gehabt. Vierzehn Tage vor
Beginn des Kindergartenjahres 2002 brannte der Hut. Eine
Pädagogin, die neu beginnen sollte, hatte abgesagt. Eine
schwierige Situation für das damalige Team, doch Sigrid war
zur Stelle und half aus. Daraus wurde mehr: eine Arbeitsstelle
für zehn Lebensjahre, die Spielgruppenausbildung in
Dornach (CH) und so manche Fort- und Weiterbildungen.
Eine Zeit voller Lachen, Freude und Singen, erfüllt von
Schaffenskraft, Erleben und Begleiten, beseelt von Spiel,
Nähe und Austausch.
Es ist nicht einfach zehn Jahre Arbeit am Waldrand mit
heranwachsenden Kindern zu beschreiben. Vielleicht
können Bruchteile aus unserem Gespräch vermitteln, wie
Sigrid die Jahre empfunden hat: Ich bin sehr dankbar für
diese Jahre, schnell sind sie vergangen. Die Arbeit war so
schön. Ich bin jeden Tag gerne zur Arbeit gegangen. Sigrid
erwähnt wie kostbar ihr die Zusammenarbeit mit ihren
Kolleginnen war und wie hilfreich über die Jahre hinweg,
weil nicht nur die Kinder einen Ort vorfinden, an dem sie
sein können, wie sie sind, sondern auch die Erwachsenen.
ZUM ABSCHIED VON SIGRID...
ZUM ABSCHIED VON SIGRID...
Dreimal sei sie längere Zeit ausgefallen, doch es habe immer
eine Lösung und einen guten Zusammenhalt gegeben.
Auf mich macht Sigrid den Eindruck, als habe ihr die Gabe
„im Augenblick zu verweilen“ ermöglicht, ihre Arbeit derart
wahrzunehmen. Sie mochte den Ort und das Durchleben
der Jahreszeiten. Sie schätzte Arbeitstage nicht weniger
als Feste. Sie mochte das Drinnensein ebenso wie das
Draußenbleiben. Sie liebte es Stiefeleinlagen für die
Kinder zu filzen und sie schnitzte Wanderstöcke für die
angehenden Schulkinder, denn der Weg in die große Welt
ist wohl ein besonderer. So klang manches Lied durch den
Raum, welches von ihr angestimmt wurde. Die Nähmaschine
ratterte, die Stickarbeit nahm ihren Lauf, das Schnitzmesser
formte das Holz und erzählte den Kindern davon, dass Dinge
entstehen und Neues geschaffen werden kann.
Sigrid mochte es die Kinder in den Wald zu begleiten. Sie
trank gerne aus Blätterbechern und hörte aufmerksam zu,
wenn ihr erzählt wurde, hinter welchem Ast welcher Zwerg
wohnt. Sie ließ sich Schätze zeigen, welche kurz darauf in
Hosentaschen verschwanden.
Am Ende unseres Gespräches frage ich Sigrid, ob sie uns
etwas aus ihrem Erfahrungsschatz mitgeben möchte. Es ist
wesentlich Kinder ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören. Für
ein Kind ist es unsagbar kostbar, wenn es eine unbeschwerte
Kindheit erleben darf, meint sie. Genau das wolle sie
den Kindern wünschen: eine unbeschwerte Kindheit.
Sigrids Beobachtung ist, dass Kinder nach den Jahren den
Kindergarten gestärkt verlassen. Aus meinem Gespräch
mit Sigrid glaube ich, dass auch sie den Kindergarten
gestärkt verlassen hat. Und da ich wissen wollte, was die
langjährigen Kolleginnen Sigrid wünschen, habe ich einfach
nachgefragt. Da bekam ich einen vielseitigen Wunschzettel
zugesteckt: sonnige Stunden in der Milli, kulinarische
Genüsse, musikalische Höhenflüge, neue Inspirationen und
das Allerwichtigste: eine gute Gesundheit.
Petra Pellini-Forcher
Als Anregung zum eige-
nen Weiterlesen ein Aus-
zug aus „Die Erziehung
des Kindes“ von Rudolf
Steiner (1907):
...Später findet Wachstum statt, aber dieses Wachstum
geschieht in aller Folgezeit auf Grund der Formen, die sich
bis zu der angegebenen Zeit herausgebildet haben. Haben
sich richtige Formen herausgebildet, so wachsen richtige
Formen, haben sich Missformen herausgebildet, so wachsen
Missformen. Man kann in aller Folgezeit nicht wieder
gutmachen, was man in der Zeit bis zum siebenten Jahre
als Erzieher versäumt har. Wie die Natur vor der Geburt
die richtige Umge- bung für den physischen Menschenleib
herstellt, so hat der Erzieher nach der Geburt für die
richtige physische Umgebung zu sorgen. Nur diese richtige
physische Umgebung wirkt auf das Kind so, dass seine
physischen Organe sich in die richtigen Formen prägen.
Es gibt zwei Zauberworte, welche angeben, wie das Kind
in ein Verhältnis zu seiner Umgebung tritt. Diese sind:
Nachahmung und Vorbild. Der griechische Philosoph
AristoteIes hat den Menschen das nachahmendste der
Tiere genannt; für kein Lebensalter gilt dieser Ausspruch
mehr als für das kindliche bis zum Zahnwechsel. Was in
der physischen Umgebung vorgeht, das ahmt das Kind
nach, und im Nachahmen gießen sich seine physischen
Organe in die Formen, die ihnen dann bleiben. Man muss
die physische Umgebung nur in dem denkbar weitesten
Sinne nehmen. Zu ihr gehört nicht etwa nur, was materiell
um das Kind herum vorgeht, sondern alles, was sich in
des Kindes Umgebung abspielt, was von seinen Sinnen
wahrgenommen werden kann, was vom physischen
Raum aus auf seine Geisteskräfte wirken kann. Dazu
gehören auch alle moralischen oder unmoralischen, alle
gescheiten und törichten Handlungen, die es sehen kann.
Nicht moralische Redensarten, nicht vernünftige
Belehrungen wirken auf das Kind in der angegebenen
Richtung, sondern dasjenige, was die Erwachsenen in
seiner Umgebung sichtbar vor seinen Augen tun. (….)
Es ist ohne Zweifel richtig, was man in einem ausgezeichneten
pädagogischen Buche lesen kann, in Jean Pauls «Levana oder
Erziehlehre» dass ein Weltreisender mehr von seiner Amme
in den ersten Jahren lernt, als auf allen seinen Weltreisen
zusammen. Aber das Kind lernt eben nicht durch Belehrung,
sondern durch Nachahmung. Und seine physischen
Organe bilden sich ihre Formen durch die Einwirkung der
physischen Umgebung. Es bildet sich ein gesundes Sehen
aus, wenn man die richtigen Farben- und Lichtverhältnisse
in des Kindes Umgebung bringt, und es bilden sich in
Gehirn und Blutumlauf die physischen Anlagen für einen
gesunden moralischen Sinn, wenn das Kind Moralisches
in seiner Umgebung sieht. Wenn vor dem siebenten Jahre
das Kind nur törichte Handlungen in seiner Umgebung
sieht, so nimmt das Gehirn solche Formen an, die es im
späteren Leben auch nur zu Torheiten geeignet machen.
Wie die Muskeln der Hand stark und kräftig werden,
wenn sie die ihnen gemäße Arbeit verrichten, so wird das
Gehirn und werden die anderen Organe des physischen
Menschenleibes in die richtigen Bahnen gelenkt, wenn sie
die richtigen Eindrücke von ihrer Umgebung erhalten. Ein
Beispiel wird am besten anschaulich machen, um was es
sich handelt. Man kann einem Kinde eine Puppe machen,
indem man eine alte Serviette zusammenwindet, aus zwei
Zipfeln Beine, aus zwei anderen Zipfeln Arme fabriziert,
aus einem Knoten den Kopf, und dann mir Tintenklecksen
Augen und Nase und Mund malt. Oder man kann eine
sogenannte «schöne» Puppe mit echten Haaren und
bemalten Wangen kaufen und sie dem Kinde geben. Es
braucht hier gar nicht einmal davon gesprochen zu werden,
dass diese Puppe natürlich doch scheußlich ist und den
gesunden ästhetischen Sinn für Lebenszeit zu verderben
geeignet ist. Die Haupterziehungsfrage dabei ist eine
andere. Wenn das Kind die zusammengewickelte Serviette
vor sich hat, so muss es sich aus seiner Phantasie heraus das
ergänzen, was das Ding erst als Mensch erscheinen lässt.
Diese Arbeit der Phantasie wirkt bildend auf die Formen des
Gehirns. Dieses schliesst sich auf, wie sich die Muskeln der
Hand aufschließen durch die ihnen angemessene Arbeit. Er
hält das Kind die sogenannte «schöne Puppe», so hat das
Fortsetzung WAS IST WALDORFPÄDAGOGIK?
Fortsetzung WAS IST WALDORFPÄDAGOGIK?
Prof. Dr.
Gerald Hüther
Gehirn nichts mehr zu tun. Es verkümmert und verdorrt,
statt sich aufzuschließen ... Könnten die Menschen wie
der Geisteswissenschafter hineinschauen in das sich in
seinen Formen aufbauende Gehirn, sie würden sicher ihren
Kindern nur solche Spielzeuge geben, welche geeignet
sind, die Bildungstätigkeit des Gehirns lebendig anzuregen.
Alle Spielzeuge, welche nur aus toten mathematischen
Formen bestehen, wirken verödend und ertötend auf die
Bildungskräfte des Kindes, dagegen wirkt in der richtigen
Art alles, was die Vorstellung des Lebendigen erregt.“
Vor über 100 Jahren hat Rudolf Steiner hier eine Sicht
auf die kindliche Entwicklung eröffnet, die sich durch die
heutige Hirnforschung bestätigt.
Unser nächster Reigen erscheint im März 2013
Bitte gebt Eure Beiträge , Texte und Bilder bitte bis spätestens
18. Februar 2013 bei den Pädagoginnen im Kindergarten ab!
Impressum: Herausgeber Verein für Waldorfpädagogik Bregenz
Thalbachberg 1 . 6900 Bregenz . T 05574 48137
E [email protected] . www.waldorf-bregenz.at
Redaktionelle Beiträge: Petra Pellini-Forcher . Tatjana Kerl .
Gestaltung: Angelika Rübenak . Patricia Clemens
Unter diesen Gesichtspunkten ist es besonders wichtig, die
Wirkung elektronischer Medien auf Kinder im Vorschulalter
anzuschauen:
– Ist das dort gesehene nachahmenswert?
– Ist es moralisch oder unmoralisch, gescheit oder töricht?
– Regt es die Phantasie an oder wird sie überschwemmt?
– Bildet sich ein gesundes Sehen aus?
Aber auch die alltägliche Umgebung des Kindes sollte
unter diesen Gesichtspunkten angeschaut werden, hier
eröffnet sich ein weites Feld der Gestaltung.
„Die Erziehung des Kindes“ist ein relativ kurzer Text, der
das Menschenbild ,auf dem die Waldorfpädagogik aufbaut,
beschreibt - für interessierte Kindergarten - Eltern ein guter
Einstieg .... wenn Fragen auftauchen, kann man sich gerne
an uns wenden!
Tatjana Kerl
Ein Buch des Ulmer Neu-
rologen Manfred Spitzer
(„Digitale Demenz„) bestä-
tigt die extrem negativen
Auswirkungen, besonders
von frühem Medienkon-
sum, auf die Gehirnent-
wicklung.
KOMMENDE TERMINE
Mit freundlicher Unterstützung von
Spar Markt – Pircher Rita GmbH Landstraße 13, 6900 Bregenz
VORANKÜNDIGUNG
Der Umgang mit Geburt und Tod
Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?
Vortrag und Gespräch mit
Anton Kimpfler
Montag, 25. Februar 2013,
20 Uhr Im Kindergarten