reprobus - leseprobe
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Am östlichen Rand der Welt lebt Reprobus, ein hundsköpfiger Riese mit unbeschreiblichen Kräften, mehr Tier als Mensch. Und weil er so mächtig ist, fragt er sich: Gibt es nicht einen, der noch mächtiger ist? Erschienen bei Rotopolpress. Ausgezeichnet als eines der 25 schönsten Bücher 2013. Autor: Markus Färber, 96 Seiten, Farbe, 19,5 x 27 cm, Klappenbroschur, fadengeheftet,ISBN 978-3-940304-76-6TRANSCRIPT
Der Hl. CHristopHorus, Der zuvor reprobus genannt
wurDe unD auszog, um seinen Herrn zu finDen, übte
eine naCHHaltige faszination auf Die abenDlänDisCHe
geDankenwelt aus unD fanD über Die JaHrHunDerte sei-
nen nieDersCHlag in zaHlreiCHen erzäHlungen ebenso
wie in Der bilDenDen kunst. obwoHl von Der kirCHe
aufgrunD iHrer mytHenHaften, HeiDnisCHen züge immer
mit skepsis betraCHtet, Hat Die CHristopHorus-legenDe
Die zeiten überDauert. in seinem aktuellen ComiC nimmt
uns markus färber nun mit in Die mytHisCHe welt Des
reprobus unD lässt uns mit seiner interpretation Der
legenDe an Dessen sagenumwobener suCHe teilHaben.
Die legenDe vom Hl. CHristopHorus ist, wie eigentliCH
alle legenDen Des katHolisCHen Heiligenkanons, eine
„off-bibel-proDuktion<. sie tauCHte zunäCHst in einer
östliCHen variante auf, in Der von einem HunDsköpfi-
gen, mensCHenfressenDen ungeHeuer Die reDe ist, einem
HeiDen oHne spraCHe, verstanD unD eHre, Der sCHliessliCH
DurCH teilHabe am göttliCHen wort (logos) Der spra-
CHe mäCHtig wirD unD so als missionar agieren kann.
Diese version Des Heiligen mit Dem kopf eines Hun-
Des Hat iHren ursprung in Der figur Des sogenannten
kynokepHalen. Dieses fabelwesen, Das bereits in Der
literatur unD kunst Der antike vorkommt unD Dann
vor allem im mittelalter grosses interesse weCkte,
geHörte zu einem monströsen wunDervolk, Das man
siCH als erDranDbewoHner - vor allem in inDien oDer
afrika - also an Der peripHerie Der bekannten welt
vorstellte. erst später wanDerte Die CHristopHorus-
legenDe gen westen, wo sie - im vergleiCH zur östli-
CHen überlieferung etwas abgemilDert - beispielweise
eingang in Die legenDa aurea Des JaCobus De voragine
aus Dem .JaHrHunDert fanD. auCH Dort wirD von Der
legenDären gestalt Des reprobus - lat. „Der verwor-
fene<, „Der sCHleCHte< - beriCHtet, einem Hünen von
Der statur eines riesen, gekennzeiCHnet von unglaub-
liCHer grobHeit unD HässliCHkeit. reprobus will nur
Dem mäCHtigsten aller HerrsCHer Der welt Dienen unD
maCHt siCH auf, Diesen zu finDen. Der grösste kaiser
JeDoCH, in Dessen gefolge er zunäCHst tritt, fürCHtet
sich vor dem Teufel. so ziehT der riese weiTer, um dem
Teufel seine diensTe anzubieTen, doch dieser schreckT
seinerseiTs vor einem einfachen wegkreuz zurück
und offenbarT seinem diener damiT die ganze machT
chrisTi. ihm will reprobus nun dienen und lässT sich
von einem eremiTen im glauben unTerweisen. dieser
gibT dem zum beTen und fasTen unfähigen hünen den
raT, seine grosse krafT dazu einzuseTzen, reisende
über einen fluss zu Tragen und eines Tages kommT
chrisTus in gesTalT eines kindes an dessen ufer. der
riese hebT den knaben auf seine schulTern und über-
querT miT ihm - gesTüTzT auf seinen wandersTab - das
wasser. auf der anderen seiTe angekommen, sTöhnT
reprobus, er habe das gefühl gehabT, die ganze welT
auf seinen schulTern zu Tragen, woraufhin ihm der
passagier seine wahre idenTiTäT offenbarT. er sprichT,
reprobus habe nichT nur die welT, sondern sogar ihren
schöpfer geTragen und gibT dem nun durch das wasser
des flusses geTaufTen riesen den namen "chrisTopho-
rus< - der "chrisTusTräger<. zur bekräfTigung seiner
worTe befielT er dem verwandelTen, seinen sTab in den
boden zu sTecken und am kommenden morgen isT dar-
aus ein baum erwachsen, der blühT und früchTe TrägT.
durch die Taufe erhälT reprobus nichT nur ein schöne-
res, menschliches anTliTz, sondern auch die gabe der
sprache, wird zu einem leidenschafTlichen missionar
und sTirbT am ende den obligaTorischen märTyrerTod.
soweiT die heuTe geläufige überlieferung der legende.
chrisTophorus avancierTe im miTTelalTer zu einem der
volksTümlichsTen heiligen, um den sich eine vielzahl
von rechT heidnisch anmuTenden sagen rankTe - was
nichT überraschT, vergegenwärTigT man sich noch ein-
mal seine wurzeln in der myThenwelT der wundervöl-
ker am rande der welT, die die vorsTellungskrafT der
menschen weiTaus mehr beflügelTe, als viele geschich-
Ten von anderen, vorbildlichen heiligen. die wach-
sende verehrung des sonderbaren paTrons und seine
allzu sTark heidnisch gefärbTe geschichTe, vor allem
aber die überhandnehmende anbeTung der ofT monu-
menTalen chrisTophorus-darsTellungen, die gemalT
bzw. aufgesTellT durch die geöffneTen kirchenporTale
und sogar an den aussenwänden von goTTeshäusern,
spitälern unD Häusern weitHin siCHtbar waren - man
glaubte, Dass Deren anbliCk allein eine plötzliCHe
Heilung Herbeirufen könne - wurDe in Der kirCHe mit
argwoHn beäugt. am enDe Deklarierte sie Den popu-
lären, märCHenHaften anteil Der legenDe selbst als
"unwaHr<. spätestens Die bilDerstürme Der reformati-
onszeit - vor allem in Den kirCHen Des ostens - füHr-
ten Dazu, Dass ein grosser teil Der bilDnerisCHen tra-
Dition verniCHtet wurDe. Die variierenDen formen Der
Darstellung, Die in Der versCHieDenartigkeit Der le-
genDe begrünDet liegen, bargen eben auCH eine unter-
sCHieDliCH HarsCHe reaktion Der um kontrolle bemüH-
ten kirCHe. so sinD kaum noCH beispiele Der östliCHen
CHristopHorus-rezeption erHalten, in Der abbilDungen
Des Heiligen mit HunDskopf (kynokepHale) übliCH wa-
ren. Die wenigen verbleibenDen ikonen Dieses typus
zogen woHl auCH in späteren zeiten noCH Den unmut
kirCHliCHer kreise auf siCH, soDass Der skanDalöse
kopf Des Heiligen Des öfteren einfaCH übermalt wur-
De. DaHingegen finDen siCH DurCHaus noCH bilDnerisCHe
zeugnisse naCH westliCHer traDition, Die Den Heiligen
aussCHliessliCH als vorbilDliCHen CHristusträger zei-
gen. beispielHaft seien an Dieser stelle Die statuen im
Dom von regensburg unD köln oDer Die überlieferten
gemälDe von giovanni bellini, DieriC bouts, Hierony-
mus bosCH unD peter paul rubens genannt.
auCH markus färber setzt siCH in seiner erzäHlung
mit Den untersCHieDliCHen überlieferungen Der CHris-
topHorus-legenDe unD Deren bilDnerisCHer traDition
auseinanDer. er übernimmt sie zwar in iHren grunDzü-
gen, Denkt sie JeDoCH weiter unD fügt iHr seine eigene
Dimension Hinzu. im ComiC stellt Der fluss eine gren-
ze zwisCHen zwei welten Dar. Die eine welt ist Die Der
mytHen unD legenDen, in Der ein beinaHe paraDiesisCH
anmutenDer zustanD Der ursprüngliCHkeit HerrsCHt
unD Die langsam zu versCHwinDen DroHt. Die anDere,
reale (?) welt ist Die Der erkenntnis, in Der siCH re-
probus naCH seiner transformation vom tier zum men-
sCHen wieDerfinDet. äHnliCH Der gesCHiCHte vom sün-
Denfall, in Dem eva vom baum Der erkenntnis gegessen
Hat unD Damit Den zustanD Der unsCHulD für immer
verliert, sCHeint ein zurüCk niCHt mögliCH. Die iDen-
titätskrise, Die Die neue fäHigkeit zur reflexion unD
Der gleiCHzeitige verlust seiner alten persönliCHkeit
bei reprobus auslöst, ist nur eines Der wieDerkeHren-
Den tHemen, mit Dem siCH Die erzäHlung besCHäftigt.
vermeintliCH kleine Details, Die man zum teil erst bei
Der zweiten oDer Dritten lektüre entDeCkt, eröffnen
weitere tHemenkomplexe. Dazu zäHlt beispielsweise
Der stab Des reprobus. zunäCHst wäCHst, naCH seiner
transformation zum CHristopHorus, ein baum aus Dem
vorHer kaHlen stoCk, im epilog JeDoCH ist er wieDer,
wie zu anfang, oHne JeDe spur von leben. Die vani-
tas-symbolik sCHeint vielmeHr auf Das versCHwinDen
Der alten welt unD Die vergängliCHkeit im allgemei-
nen zu zielen. Der zaHn, Den Der protagonist in einer
Der zwisCHensequenzen beim Jagen verliert unD Den
er Dann an seinen stab binDet, ist ebenfalls ein sol-
CHes beispiel. auCH naCH Der verwanDlung feHlt iHm
Der zaHn, Die lüCke zeigt symbolHaft Die verbinDung
zu seinem alten iCH, verweist aber auCH gesCHiCkt auf
Die verwobenHeit Der untersCHieDliCHen erzäHlebenen.
im späteren verlauf, wenn reprobus mit CHristus auf
Den sCHultern Den fluss DurCHquert, reisst Der zaHn
vom stab ab unD versCHwinDet in Den reissenDen flu-
ten. im moment Der verwanDlung also vom reprobus
zum CHristopHorus, verliert siCH Die alte verbinDung.
unD DoCH ist Der zaHn, Die verbinDung zur anDeren
welt, niCHt gänzliCH verloren. auf Dem vorsatzpapier
Des ComiCs entDeCkt iHn Der aufmerksame beobaCHter,
vom wasser ans ufer gespült, wieDer. solCHe verweise
DurCHzieHen Das gesamte buCH unD maCHen es zu einem
eCHten leseerlebnis.
markus färber Hat eine version Des CHristopHorus-
mytHos entworfen, Die mit iHren anspielungen unD
verweisen neue, interessante fragen aufwirft. Dabei
maCHt er es seinen lesern niCHt leiCHt. er gibt keine
einDeutige riCHtung vor, was wie zu interpretieren,
was zu Denken unD zu glauben ist. so bleiben am enDe
meHr fragen als antworten - unD geraDe DesHalb passt
sein reprobus vielleiCHt so gut in Die Heutige zeit!
CorDula patzig
kunstwissensCHaftlerin unD italianistin m.a.