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ROTE ANNELIESE Nr. 181 / Februar 2004 Fr. 6.– Stefan Heym: Schriftsteller, Journalist und Rebell Seite 16 Seite 13 DIZ Obergesteln Filz soweit das Auge reicht! Freispruch für Bumann-Bonvin Karte für die Justiz Seite 10 Seite 3 Rote Rote Leukerbad Hotelier attackiert Präsident Seite 4 Dubiose Tessiner Firma Hochstapler! Wer ging auf den Leim?

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Page 1: ROTE Dubiose Tessiner ANNELIESE Firma Hochstapler! · 2010-06-10 · PC 19-8382-6 Redaktor Kurt Marti Freie MitarbeiterInnen Hilar Eggel German Eyer Manuel Lobmaier Ralph Manz Renata

ROTEANNELIESENr. 181 / Februar 2004 Fr. 6.–

Stefan Heym: Schriftsteller, Journalist und Rebell Seite 16

Seite 13

DIZ Obergesteln

Filz soweit dasAuge reicht!

Freispruch fürBumann-Bonvin

Karte fürdie Justiz

Seite 10

Seite 3

RoteRote

LeukerbadHotelierattackiert Präsident

Seite 4

DubioseTessinerFirma

Hochstapler!

Wer ging auf den Leim?

Page 2: ROTE Dubiose Tessiner ANNELIESE Firma Hochstapler! · 2010-06-10 · PC 19-8382-6 Redaktor Kurt Marti Freie MitarbeiterInnen Hilar Eggel German Eyer Manuel Lobmaier Ralph Manz Renata

2 3ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

InhaltLeukerbad:Kritik an Roten

Seite 3

GrandAlp SA:Voll auf den Leim

Seite 4

Lonza:Aktien im Keller

Seite 8

Teranol:Harte Holländer

Seite 9

Südumfahrung: Die C-Bremser

Seite 9

DIZ Obergesteln:H. H. Dorfkönig

Seite 10

CVP-Cina:Im freien Fall

Seite 12

Bumann-Bonvin:Noch einmal

Seite 13

Buch: Grün gewinnt

Seite 14

Brasilien:Lulas Probe

Seite 15

Stefan Heym:Schriftsteller, Journalist, Rebell

Seite 16

Wohin frau/man geht

Seite 18

Dicke EierSeite 19

WB-Zensur:Post ist sauer

Seite 20

Rote AnnelieseAuflage: 3000Jugendabo: Fr. 20.–Jahresabo: Fr. 40.–Unterstützungsabo: 70.–PC 19-8382-6

RedaktorKurt Marti

Freie MitarbeiterInnenHilar EggelGerman EyerManuel LobmaierRalph ManzRenata WerlenPatrick Zehner

SekretariatUrsula Schild

Satz und Drucks+z Gut zum Druck3902 Brig-Glis

HerausgeberVerein Rote AnneliesePF 4413900 Brig-GlisTel. 027 923 63 [email protected]

Wir wissen es alle: Dürren-matts «Besuch der alten Dame»wiederholt sich immer wieder.Das heruntergekommene DorfGüllen ist dort, wo der Wurmdrin ist. Wenn jemand kommtund mit Geld um sich wirft odernur den Anschein macht, er seireich, dann ist es aus mit derVernunft. Dann tanzen alle umden Mammon. Dann über-schreitet der Mensch nie ge-ahnte Grenzen, dann wird’sunappetitlich, dann wird’s oftkriminell. Dann schweigen diemeisten oder werden zumSchweigen gebracht.

*

Den ehemaligen RiederalpBahnen und heutigen AletschRiederalp Bahnen geht es finan-ziell nicht gut. Auch bei der Matterhorn Gotthard Bahnkönnten die Aktionäre mehrDividende gebrauchen. Die fir-meneigenen Restaurants undHotels in Zermatt und Mörelsowie auf der Riederalp liefenzwar gut. Aber leider nicht gutgenug. Und plötzlich steht Clai-re Zachanassian vor der Türe!Eine Tessiner Firma mit demgrosskotzigen Namen Grand-Alp SA, vertreten durch zweiHerren mit Aktenköfferli undversehen mit dem Zusatz Dot-tore. (siehe Seite 4)

Pachtzinse werden verhandelt,welche die bisherigen in denSchatten stellen. Durch dieGrandAlp-Beziehungen sollenTouristenströme direkt vonMalpensa angelockt werden.Volle Betten, florierende Kü-chen, ausgelastete MGB-Züge,kolonnenweise Cars und folg-lich klingende Kassen werdenversprochen. Die bisherigenWirtefamilien werden auf dieStrasse gestellt. Auf der Rie-deralp wird eine fünfköpfigeFamilie mit drei schulpflichti-gen Kindern gerichtlich aus derWohnung ausgewiesen.

*

Wer hinter der GrandAlpsteckt, das ist offenbar egal.Niemand will es wissen. Wich-tig ist, dass der Rubel rollt.Auch wenn sich die Gerüchteüberschlagen, wenn Wirtepa-tent-InhaberInnen gleich imMultipack gekündigt wird,wenn die Lieferanten monate-lang auf Bezahlung warten,wenn ArbeitnehmerInnen ihrenLohn vor Arbeitsgericht er-streiten müssen, wenn dieKundschaft der Restaurantsausbleibt, auch dann halten dieVerantwortlichen der Matter-horn Gotthard Bahn fest: Wirbekommen unseren Mietzins,basta!

Doch es gibt auch andere. Albert Bass zum Beispiel, derUnternehmensberater und Vi-zepräsident der Walliser Kan-tonalbank. Zwar führt der Wegder GrandAlp-Herren auch übersein Büro in Naters und die ABTreuhand und Revisions, als de-ren VR-Präsident er amtet, istpikanterweise für die Lohn-abrechnungen der GrandAlpzuständig. Dass Bass die Ver-antwortlichen der MatterhornGotthard Bahn und der Rie-deralp Bahnen frühzeitig ge-warnt hat, spricht für ihn; dassdie Treuhand-Abteilung seinereigenen Firma das Mandatgleichzeitig bis heute weiter-führt, ist nicht nachvollziehbar.Doch was entscheidend ist:Kaum war Bass als VR-Präsi-dent der fusionierten AletschRiederalp Bahnen im Amt, zoger die Notbremse und kündig-te den Pachtvertrag mit derGrandAlp auf Ende April.

*

In der vorliegenden RA stehtnur, was sich nachweisen lässt.Während der Recherchen wur-den jedoch Gerüchte und Vemu-tungen laut, welche weit darü-ber hinausgehen. Den Beweisfür mögliche strafbare Hand-lungen kann die RA aufgrunddes beschränkten Einblickes indie Geschäftsunterlagen hiernicht führen. Das wird Aufgabeder zuständigen Behörden sein.

Kurt Marti

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Affäre GrandAlp: Der Besuch der alten Dame

Impressum

Leukerbad: Präsident J.R. Roten unter Druck

«Ein solcher Präsident ist nicht glaubwürdig!»LEUKERBAD – Das Hotel Alpenblick, auf dem deramtierende Gemeindepräsident Jean-RolandRoten rund 20 Jahre gewirtschaftet hat, schul-det der Gemeinde noch immer Gebühren undSteuern in der Höhe von rund 140 000 Fran-ken. Andererseits treibt Roten die Gebührender anderen Gast-Betriebe mit aller Härte ein.Eine erboster Hotelier: «Ein solcher Präsidentist nicht glaubwürdig.»

VON KURT MARTI

«Ich werde die Sache dem-nächst regeln», erklärt Ge-meindepräsident Jean-RolandRoten Mitte Januar gegenüberder RA. Gemeint ist die Rück-zahlung der Gebühren- undSteuerschuld des RestaurantsAlpenblick, auf dem Roten 20 Jahre lang gewirtschaftetbeziehungsweise ab gewirt-schaftet hat. Wie die RA imJuli letzten Jahres berichtete,schuldet das Alpenblick derGemeinde rund 140000 Fran-ken, davon allein 120 000Franken an Gebühren.

«Das geht niemand etwas an!»Seit seinem Amtsantritt imJahre 2000 beteuert Rotenimmer wieder, er werde sei-ner Verantwortung nachkom-men und die Schuld beglei-chen. In Leukerbad stelltman sich die Frage: Ist dieFamilie Roten überhaupt inder Lage, einen solchen Be-trag aufzubringen, nachdemdas Hotel in Konkurs gingund letztes Jahr versteigertwurde? Die RA hat Rotenmit dieser Frage konfron-tiert und wurde von Rotenunwirsch abgeputzt: «Dasgeht Sie überhaupt nichtsan!» Darauf verweigerte Ro-ten, trotz intensiver Bemü-hungen der RA, jegliche Stel-lungnahme.

Wohl beteuert Roten immerwieder, er sei sich seiner Ver-antwortung bewusst. Im glei-chen Atemzug aber windet ersich heraus: «Ich war nur An-gestellter und nicht Geschäfts-führer des Alpenblick. DasAlpenblick gehörte meinemVater.» Dominik Loretan, Be-treiber des benachbarten Wal-liserhofes, welcher früher mitdem Alpenblick gut zusam-men gearbeitet hat, hält das füreine Ausrede: «Roten und seinBruder haben das Alpenblickgeführt und jetzt wollen sie dieVerantwortung dem Vater an-hängen. Das ist nicht fair.»

Walliserhof-Hotelier:«Das ist der Gipfel!» Die Feststellung von HotelierLoretan wird durch den offi-ziellen Einzahlungsschein desdamaligen Hotels Alpenblickbestätigt. Dort steht nebendem Namen des Vaters Ro-land und des Bruders Danielauch jener des Gemeindeprä-sidenten Jean-Roland Roten(siehe Abbildung).Der Ärger von Dominik Lo-retan hat einen Grund: VieleBetriebe und Private habengegen die überhöhten Gebüh-ren Einsprache erhoben undverlangt, dass die erzieltenGewinne an die Abonnentenzurückfliessen (siehe Kasten).Unter den Einsprechern ist derHotelier Loretan und auch dasHotel Alpenblick. Während

Loretan trotz seiner Einspra-che die Gebühren auf einKonto der Gemeinde einge-zahlt hat, blieb das Alpenblickdie Gebühren in der Höhe von120 000 Franken schuldig.Rotens Beschwerde hatte of-fenbar den Zweck, über dieZahlungsschwierigkeiten desAlpenblick hinwegzuhelfen.Im vergangenen Dezemberwurde Loretans Einspracheohne Pardon abgewiesen.Unterschrieben wurde derEntscheid auch durch Ge-meindepräsident Roten. «Dasist der Gipfel: Er zahlt seineGebühren nicht und zwingtuns, überhöhte Gebühren zuzahlen. Ein solcher Präsi-dent ist nicht glaubwürdig!»ist Dominik Loretan empört.

Roten sass im KontrollorganAn der Urversammlung vomJuni 2003 wurde die Frage ge-stellt, was mit den Gewinnenaus der Wasserversorgung ge-schieht. Die Antworten aufdiese Frage sind nicht proto-kolliert, wie Raoul Loretangegenüber der RA kritisiert.Präsident Roten habe nämlichgeantwortet, mit diesem Geldwürde man etwas Schönes für

die Gäste machen. Dazu Ra-oul Loretan: «Erst auf meinDrängen hat Revisor Pfaffenzugeben müssen, dass diesesVerpflichtungskonto zu Han-den der Abonnenten zweckge-bunden sei.» Raoul Loretanhat an der folgenden Sitzungverlangt, dass diese und meh-rere weitere Auslassungenkorrigiert werden. Roten wei-gerte sich, Korrekturen anzu-

bringen und verwies Loretanan die zuständigen kantonalenStellen. Ein Leukerbadnergegenüber der RA: «Es istschlimmer als unter Otto G.!»Tatsächlich geht Roten allesandere als unbelastet aus derOtto-Ära hervor: Von 1989 bis1996 gehörte er nämlich demkommunalen Kontrollorganan, zuerst als Ersatz, dann alsVollmitglied.

Jean-Roland Roten: «Ich war nur Angestellter.» Aber sein Name steht auf dem offiziellen Einzahlungsschein des Hotels Alpenblick.

Gebühren zweckentfremdet3,5 Millionen an die Gläubiger(ktm) Der Preisüberwa-cher hat schon Ende der90er Jahre festgehalten,dass in Leukerbad die Ge-bühren zu hoch sind undeine Senkung verlangt.Passiert ist trotz vielenEinsprachen nichts. In denJahren 2001 und 2002häufte sich beispielsweisebeim Trinkwasser ein Ge-winn von 684 000 Frankenan, nota bene nach den üb-lichen Rückstellungen fürzukünftige Erneuerungs-bauten. Auf Anweisungdes Kantons wurden nundie Rückstellungen der öf-

fentlichen Betriebe ge-plündert und ein Betragvon rund 3,5 Millionen andie Gläubiger überwiesen,obwohl eine Zweckent-fremdung nicht zulässigwäre. Andererseits weistdas kantonale Feuerin-spektorat darauf hin, dassin der Mittelzone des Dor-fes bei einem Brandfall zuwenig Wasser vorhandenwäre. Dringende Investi-tionen in der Höhe von 3 Millionen wären fällig.Doch die Verpflichtungs-konten sind leer!

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5ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

Leim: «Man wirft uns überallSteine in den Weg», jammerteer. Die Rede war von einer ge-forderten Bankgarantie von14000 Franken an das EWBN.Laut EWBN-Direktor PaulFux war das offenbar «einMissverständnis», welches be-reits am nächsten Tag mit derZahlung des Betrages erledigtworden sei. Faita hingegenspricht noch jetzt von einem«Missbrauch» und behauptet,das entsprechende EWBN-Reglement sei gar nicht gültig.

Gegenüber der RA kündigtFaita eine Medienmitteilungfür die ganze Schweiz an,worin er «den schlechten Em-pfang für die GrandAlp imWallis» anprangern will. Zu-dem hat Faita mehrere Straf-klagen deponiert, eine laut ei-genen Aussagen «gegen einensehr wichtigen Mann aus demOberwallis.» Es soll sich umden Hotelier Art Furrer han-

deln, der allerdings auf An-frage nichts davon weiss. Wei-teren Leuten wurde mit Straf-klagen gedroht.

Albert Bass: «ProfessionelleHochstapler»Die GrandAlp-Leute habenden Verantwortlichen der Rie-deralp-Bahnen und der Mat-terhorn Gotthard Bahn wahreTouristenströme versprochen,welche mit Cars von Mal-pensa über den Simplon kom-men sollten. Mit der Touri-steninvasion sollte auch dasGeld in den Kassen der bei-den Gesellschaften klingelnund schliesslich die Herzender Aktionäre erfreuen. DieGrandAlp-Leute machten zu-nächst den Eindruck, dass sieim Geld schwimmen und wa-ren bereit, horrende Mietzin-se zu zahlen. Deshalb musstenin Zermatt und auf der Rie-

deralp zwei Wirtefamilien ih-ren Platz räumen (siehe un-ten).

Für die Riederalp Bahnen hatder damalige VR-PräsidentHans Kummer zusammen mitdem Notar Odilo Gunternden Vertrag mit der GrandAlpunterschrieben. Jetzt gehtKummer auf Distanz: «Dassind Hochstapler, die viel ver-sprechen und wenig halten.»Auch Albert Bass, der neueVerwaltungsratspräsident derAletsch Riederalp Bahnen,spricht von «professionellen

Hochstaplern». Kaum imAmt, hat Bass die Notbrem-se gezogen. Der Pachtvertragfür das Hotel Aletsch und dasRelais Alpina-Bellevue sollauf Ende April gekündigtwerden. Bass will jedenfalls«mit allen rechtlichen Mittelndafür kämpfen.» Denn dieBilanz der GrandAlp-Leute istmiserabel: Mit den Mietzin-sen sind sie arg im Rückstandund die beiden Betriebe sindabgewirtschaftet. Die Liefe-ranten bringen nur noch Wa-re gegen Barbezahlung. Wennüberhaupt!

MatterhornGotthard Bahnen:Keine Probleme!Ganz anders ist das Echo vonden Matterhorn GotthardBahn MGB. Im Auftrag derGeschäftsleitung unter Hans-Rudolf Mooser und VR-Prä-sident Daniel Lauber lässtder KommunikationschefHelmut Biner ausrichten: «Al-le Mieten sind bezahlt. DasRestaurant läuft gut und istimmer offen. Es gibt keine Re-klamationen.» Dieser Versionwiderspricht das Echo in Zer-

4 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

VON KURT MARTI

«Ich habe die Verantwort-lichen der Riederalpbahnenund der Matterhorn GotthardBahn rechtzeitig gewarnt: Mitder GrandAlp ist grösste Vor-sicht geboten!», hält der Ver-mögensberater Albert Bassheute fest. Trotz dieser War-nung vermieteten im letztenJuni die Riederalpbahnen unddie Matterhorn Gotthard Bahndrei Gastbetriebe an die Tes-siner Firma GrandAlp. Eshandelt sich um das HotelAletsch in Mörel, das RelaisAlpina-Bellevue auf der Rie-deralp und das Bahnhofbuffetin Zermatt. Hinzu kommt dasCasa Rustica von Toni Bayardin Zermatt. Vorher hat dieGrandAlp vergeblich ver-sucht, auch andere Hotelbe-triebe im Oberwallis und imTessin zu mieten.

Bass kannte dieGrandAlp-Männer Anlässlich der Verkaufsver-handlungen des Bellevue aufdem Simplon machte AlbertBass die Bekanntschaft mitden GrandAlp-Männern, demalleinigen Verwaltungsrat Vit-torio Peer aus Lugano unddem Geschäftsführer DaniloFaita aus Ranco (I). Spätermeldeten sich Peer und Faitabei Bass, welcher sie in sei-nem Büro an der Bahnhof-strasse 8 in Naters empfing.Sie wollten Informationenüber die Lohnbuchhaltung imWallis, worauf sie von Bass an

die Spezialisten der AB (Al-bert Bass) Treuhand und Re-visions AG weitergeleitet wur-den. Seit Juni 2003 laufen dieLohnabrechnungen für dievier gemieteten Betriebe derGrandAlp über die AB Treu-hand und Revisions, derenVerwaltungsratspräsident Bassist. Offenbar hat Bass nur dieanderen gewarnt, nicht aberdie Mitarbeiter seiner eigenenFirma! Wie der zuständigeTreuhänder Erich Pfaffen er-klärt, werden nur die Lohnbe-rechnungen ausgeführt, nichtaber die effektiven Lohnzah-lungen. Diese werden von derGrandAlp selbst getätigt. Inden ersten Monaten erstaunli-cherweise bar auf die Hand,wie ehemalige Angestellte ver-blüfft feststellen. Bass betont,dass er «nie geschäftliche Be-ziehungen mit den HerrenPeer und Faita hatte.» Feststeht jedoch: Peer und Faitahaben mit dem Namen vonBass hausiert und damit eini-gen Goodwill geschaffen. Peerbehauptet gegenüber der RAimmer noch: «Albert Bass istein guter Freund.» DaraufBass erstaunt: «Ich habe ihnbloss dreimal persönlich ge-sehen…»

Wirtepatent-Inhaberim Multipack ausgewechselt Die GrandAlp-Verantwort-lichen rekrutierten ihre Wir-tepatent-Inhaber unter ande-rem beim RAV. In erster Liniegeht es den GrandAlp-Leuten

darum, das Wirtepatent zu er-gattern. Die InhaberInnen undderen persönliche Qualifika-tionen sind nicht gefragt. Siewerden als AllrounderInnenangestellt und werden raschzum Störfaktor. Sobald dieWirtepatent-InhaberInnen kri-tische Fragen stellen, werdensie ohne Skrupel ausgewech-selt. Wer zuviel weiss undsich einmischt, wird hinaus-gemobbt. Im Dezember er-wischte es den Patent-Inhaberdes Hotels Aletsch in Mörel.Sofort bekam er einen Maul-korb: «Aus rechtlichen Grün-den kann ich nichts sagen.»

Im Bahnhofbuffet und im Ca-sa Rustica in Zermatt steht be-reits der dritte Patent-Inhabervor dem Absprung. Der vier-te wartet vor der Türe. Unddas innerhalb von sieben Mo-naten! Mit eingeschriebenenBriefen wird Schweigepflichtverordnet. Ein Teil der Löhneder Patent-Inhaber musste vordem Arbeitsgericht erstrittenwerden. Aber auch gewöhnli-che Angestellte mussten ihreLöhne per Arbeitsgericht ein-fordern. Als Vertreter der du-biosen GrandAlp tritt der Zer-matter Anwalt und frühereGrossrat Thomas Julen gegendie Interessen der Arbeiter-nehmerInnen auf. Dieser ver-steckt sich hinter dem An-waltsgeheimnis und erklärt:«Die GrandAlp ist eine Firma,wie es viele in der Schweizgibt.» Wenigstens hat er seinAnwaltshonorar im Trocke-nen!

Lieferanten warten monatelangauf das GeldMit einigen Lieferanten hatdie GrandAlp eine völlig un-übliche Zahlungsfrist von 60Tagen ausgehandelt. Die Lie-feranten warten oft monate-lang auf Bezahlung. Erstwenn die Mahnungen sichhäufen und Druck aufgesetztwird, werden die Rechnungenmit Ach und Krach bezahlt.Viele Lieferanten sind nichtmehr bereit zu liefern, undwenn, dann nur bei Barbe-zahlung. Auf die Frage, ob ge-gen die Firma Betreibungenlaufen, erklärt Geschäftsfüh-rer Faita: «Das müssen Sie be-weisen! Wir sind eine seriöseFirma. Ich betone noch ein-mal, eine seriöse Firma!»

Dann aber krebst er zurück.Ja, da gebe es eine Betreibungim Tessin. Und dann kommtder indirekte Hinweis: «Wennes Betreibungen gibt, dannsind diese die Folge derschlechten Behandlung, wel-che wir im Wallis erfahren ha-ben.» Recherchen der RAzeigen: Die GrandAlp wirdtatsächlich für Lieferanten-rechnungen betrieben (Stand2. Februar 2004).

Auch der Walliser Bote ging auf den Leim Geschäftsführer Faita sprichtkein Wort Deutsch, meldetsich am Natel nicht mit seinemNamen und reagiert auf Kritikhypernervös. Letzten Herbstging ihm auch der WB auf den

OBERWALLIS/LUGANO – Die GrandAlp SA mietet seit einem halben Jahr imOberwallis vier Restaurants und macht mit Zahlungsproblemen, Kün-digungen, Arbeitsgerichten, Maulkörben, Drohungen und Strafklagen vonsich reden. Um der GrandAlp Platz zu machen, haben die Riederalpbah-nen und die Matterhorn Gotthard Bahn zwei Wirtefamilien auf die Strasse gestellt. Die GrandAlp versprach höhere Mieteinnahmen undmehr Profit für die Aktionäre. Jetzt herrscht der Katzenjammer.

Dubiose Tessiner Firma GrandAlp SA: ■ Arbeitsgericht, Betreibungen, Strafklagen, Entlassungen, Maulkörbe■ Falsche Versprechungen: Touristenströme aus Oberitalien blieben aus

«Bei dieser Firma ist grö sste Vorsicht

Zwei Familien mussten gehen!Wegen Profitsucht der Aktionäre(ktm) Auf dem Relais Al-pina-Bellevue auf der Rie-deralp lebte bis im letztenSommer eine Familie mitdrei schulpflichtigen Kin-dern. Das Bahnhofbuffet inZermatt wurde mehrereJahre von einem Ehepaarim Angestelltenverhältnisgeführt. Bis die GrandAlpSA ins Wallis kam unddem MGB-Verwaltungsratunter Daniel Lauber unddem Verwaltungsrat derRiederalp Bahnen unterHans Kummer das Blauevom Himmel versprach:Touristenströme aus Nord-italien sollten die Kassenfüllen. Die Aktionäre beiderGesellschaften waren derMeinung, aus den Restau-rants könne man mehr her-ausholen und waren durchdie Verheissungen aus demSüden beglückt. Um derGrandAlp Platz zu machen,mussten die fünfköpfigeFamilie auf der Riederalpund das Ehepaar in Zermattgehen.

Relais Alpina-Bellevue auf der Riederalp: Fünfköpfige Familie wurde auf die Strasse gestellt.

Bahnhofbuffet Zermatt: Geschäftsführer-Ehepaar musste Platz machen.

Albert Bass zieht die Not-bremse: Ende April mussdie GrandAlp SA das HotelAletsch räumen

weiter S. 7

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6 7ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

matt: «Die Bedienung ist un-freundlich und das Restaurantläuft schlecht.» Schlecht läuftebenfalls das Casa Rusticavon Toni Bayard. Der Ruf desRestaurants ist ruiniert. AnSylvester sollen nur sechsNachtessen verkauft wordensein. Ende Januar kam dieHiobsbotschaft für mehrereAngestellte: Kündigung aufEnde Februar.

Ein Fall für dieSchwarzgeldfahnderDie GrandAlp hat Mietzinseversprochen, welche deutlichüber den ortsüblichen Zinsen

liegen. Andererseits bleibendie Betriebseinnahmen weitunter den Erwartungen unddie GrandAlp kämpft vor demArbeitsgericht um jedenLohnfranken und lässt dieLieferanten monatelang aufunbeglichenen Rechnung sit-zen. Doch manchmal, ganzplötzlich, öffnete sich derGeldhahn. Woher das Geldkommt, weiss kein Mensch.Die wahren Interessen derGrandAlp liegen noch imDunkeln. Mit dem Restau-rant-Betrieb machen sie nichtdas grosse Geld. Die Fragesteht im Raum: Womit dennsonst? Mit dieser Frage soll-

ten sich demnächst die Steu-er- und Schwarzgeldfahnderdes Kantons etwas näher be-fassen.

GrandAlp-Verwaltungsrat Vittorio Peer Drei Konkurse in Lugano und Groteskes auf Sardinien (ktm) Die GrandAlp SA mit Sitz in Lugano wurde1999 mit einem Aktienkapital von 100 000 Fran-ken gegründet (siehe unten rechts). Zweck: DieFührung von touristischen Betrieben. Einziger Ver-waltungsrat ist Vittorio Peer. Er wohnt in der Nä-he von Lugano. Sein Name steht in keinem Tele-fonbuch. Er ist Verwaltungsrat von insgesamt 13Immobilien- und Finanzfirmen. Das Aktienkapitalvariert zwischen 50 000 und 200 000 Franken.

Drei dieser Gesellschaften gingen in Konkurs:• FFiinnccrreeddiitt SSAA (Aktienkapital 100000 Franken):

Konkurs gemäss Entscheid des Bezirksgerich-tes Lugano Ende 2001; Einstellung des Kon-kursverfahren mangels Aktiven Anfang 2002(siehe Auszug unten)

• GGrraanndd SSoolleeiill CCuullttuurraa VViiaaggggii SSAA (Aktienkapi-tal 200000 Franken): Konkurs gemäss Entscheiddes Bezirksgerichtes Lugano im Jahr 1998

• CCoommppaaggnniiee IImmmmoobbiilliièèrree IIllee RRoossee SSAA (Aktien-kapital 50000 Franken): Konkursverfahren wur-de mangels Aktiven im Jahr 1999 durch den Ent-scheid des Bezirksgerichtes Lugano eingestellt.

Zudem sind zur Zeit drei weitere Firmen in Li-quidation. Sie lauten auf den Namen von DésiréPeer, der Frau von Vittorio Peer.

Mysteriöse Firma auf SardinienWie die sardinische Zeitung La Nuova Sardegnaam 10. Januar 2004 berichtet, ist die konkurs-

gegangene Firma Compagnie Immobilière Ile Rose SA zu 50 Prozent an einer «mysteriösen»Aktiengesellschaft Nuova Gallura beteiligt. Dierestlichen 50 Prozent lauten auf die Aktienge-sellschaft Côte Paradis SA, welche ebenfalls vonPeer präsidiert wird. Die Nuova Gallura hat ihrenSitz in Mailand. Peer ist auch hier der alleinige Ver-waltungsrat. Die Firma besitzt eine Wohnung inMailand und ein hundert Hektaren grosses Grund-stück namens «Budelli» auf der Insel La Madda-lena im Norden Sardiniens. Das MarkenzeichenBudellis ist der rosafarbenen Sandstrand, welcherim Film «Deserto Rosso» von Michelangelo An-tonioni verewigt wurde. Seit 1992 steht Budelli un-ter Naturschutz und darf nicht überbaut werden.

Zahlungsbefehle und Konkursandrohungen«Die Geschichte ist grotesk!» schreibt La NuovaSardegna. 1999 drohte die Versteigerung von Bu-delli zu einem Preis von umgerechnet zwei Milli-onen Franken, wie damals der Corriere della Serameldete. Die Nuova Gallura hatte Budelli bereitsunter dubiosen Umständen erworben. Beim Be-sitzerwechsel hatte Verwaltungsrat Peer vergessen,den Firmensitz im Handelsregister zu ändern undso häuften sich die Rechnungen an der alten Adres-se auf Sardinien. Zuerst gab es Mahnungen, dannZahlungsbefehle und schliesslich die Konkursan-drohung. Die Verantwortlichen der Nuova Gallu-ra liessen sich nicht blicken. Deshalb blieb dem

Gericht in Milano nichts anderes übrig, den Kon-kurs über die Gesellschaft zu verfügen. Laut Cor-riere della Sera waren darin Banken und regiona-le Körperschaften mit Totalforderungen von 300Millionen Lire verwickelt.

Ein ängstlicher Verwalter schweigt Doch die Nuova Gallura konnte laut La Nuova Sar-degna den Konkurs im letzten Moment abwendenund sich Budelli sichern. Wie und warum bleibtunklar. Zur Zeit laufen in Lugano laut der sardi-nischen Zeitung geheime Verhandlungen über ei-nen Verkauf von Budelli. Die Spur führt über ei-ne Finanz-und Steuerberatungsfirma in Lugano,wo der angebliche Verwalter der Nuova Gallura ar-beiten soll. Die RA hat ihn gefunden. Zunächstwollte er nichts wissen. Dann gab er zu, Peer zukennen. Er verneint aber geschäftliche Beziehun-gen zu Peer. Schliesslich bittet er ängstlich: «Brin-gen Sie meinen Namen nicht, sonst bekomme ichProbleme.»

Laut der Zeitung La Nouva Sardegna hat sich inletzter Zeit auf Budelli «einiges bewegt», obwohlfür das Naturschutzgebiet ein Bauverbot gilt. Zu-dem ist in der Zeitung im Zusammenhang mit Peervon «einem unbezahlten Scheck von 6000 Euro»die Rede. Mehr Informationen über die Firma Nu-ova Gallura, aber auch über die anderen von PeersAktiengesellschaften, gibt es nicht. Peer sagt nur:«Budelli ist noch nicht verkauft.»

Hans Kummer: «Das sind Hochstapler, die vielversprechen und wenig halten.»

Daniel Laubers MGB lässt verlauten: Die GrandAlp zahlt die Mieten. Der Rest ist nicht unser Bier!

Toni Bayards Casa Rustica: Sechs Essen an Sylvester! Personal gekündigt.

Zwei Auszüge aus dem Handelsregister Lugano: Peer machte Konkurs mit der Fincredit SA. Was geschieht mit der GrandAlp?

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8 9ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

VON HILAR EGGEL

Laut dem Geschäftsbericht2003 hat sich der Umsatz derLonza im vergangenen Jahrum 11,6 Prozent auf 2,24Mrd. Franken verringert. DasBetriebsergebnis sank um 27,9Prozent auf 302 Mio. Franken.Der Reingewinn sackte um58,8 Prozent auf 91 Mio.Franken ab. Und zwischenEnde 2002 und Ende 2003ging der Personalbestand um557 auf 5659 Mitarbeitendezurück (-9 Prozent).

Aufhorchen lässt die Tatsache,dass im Geschäftsjahr 2003die Ergebnisse aller Divisio-nen unter den Erwartungengeblieben sind. Die Division«Exklusivsynthese & Bio-technologie» – das Flagg-schiff des Betriebes – ver-zeichnete einen Umsatzrück-gang von 14,6 Prozent auf 835Mio. Franken, die Division«Organische Feinchemikalien& Anwendungsorientierte Spe-zialitäten» ging um 13,7 Pro-zent auf 826 Mio. Franken zu-rück. Als einigermassen stabil

erwies sich lediglich die Di-vision «Polymere Zwischen-produkte» (-3,3 Prozent auf578 Mio. Franken).

Irreführende InformationspolitikBereits im Mai 2003 ist dieLonza Group mit einer Ge-winnwarnung in die Schlag-zeilen geraten. Wegen Über-kapazitäten und Auftragsaus-fällen wurde ein Kostensen-kungsprogramm eingeleitet.500 Stellen, 90 davon in derSchweiz, wurden daraufhinweltweit gestrichen. DieseAnkündigung im Mai kamaus heiterem Himmel.

Im Dezember 2003 infor-mierte die Lonza-Führung dieÖffentlichkeit mit der Mittei-lung, man habe einen lang-jährigen und lukrativen Pro-duktionsauftrag mit dem ame-rikanischen BiotechkonzernGenentech abgeschlossen.Nicht mitgeteilt wurde, dassdie erhofften Ergebnisse auchim zweiten Halbjahr ausge-blieben sind.

Erstaunt reagierte man auf diePressekonferenz in Basel, ander die Ergebnisse des Ge-schäftsjahres 2003 vorgestelltund kommentiert wurden. DieErgebnisse liessen in allen Be-reichen und Divisionen zuwünschen übrig.

Für einen Laien wirkte die Tat-sache schon fast beruhigend,dass selbst eingefleischte Ana-lysten und Investoren zu ei-nem Wortschatz wie «ent-täuscht», «nicht erwartet»,«nicht vorgesehen», «ver-schaukelt» griffen. Die Infor-mationspolitik, die SergioMarchionne als Verwaltungs-ratspräsident zu verantwortenhat, stiess selbst bürgerlichenWirtschaftsexperten sauer auf.Sie verunmöglicht im jetzigenZeitpunkt, ein adäquates Bildvon der Situation der Lonza zumachen.

Ungewisse ZukunftperspektivenWegen Überkapazitäten undAuftragsausfällen wurden inden Lonzawerken bereits Re-strukturierungsprozesse ein-geleitet. Seither hat sich dieSituation aber nicht entschärft.Die Lage verschlechtert sichzusätzlich durch neue Kon-kurrenten insbesondere ausChina und Indien, die billigerproduzieren können. Es istnicht zu erwarten, dass sichder Markt in nächster Zeitnachhaltig erholt. Unsicherist ferner, ob sich die gleicheunheilvolle Abwärtsspiralenach dem chemischen Sektorauch beim biotechnologischenCustom Manufacturing zudrehen beginnt. Etliche Fir-men drängen in diesen mar-genstarken Markt.

Mitbestimmungs-rechte gefordertNach der Presseorientierungüber das Geschäftsjahr 2003müssen wichtige und ent-scheidende Fragen geklärtwerden: Deshalb möchte dieRA Bescheid wissen:

• Warum hat die Geschäfts-führung die Ergebnisse solange verschwiegen?

• Die «Exklusivsynthese &Biotechnologie» ist dasFlaggschiff des Betriebesund steht in der Unterneh-mungspolitik an obersterStelle. Diese «Königsdiszi-plin» hat den grössten Ein-bruch erlitten. Mit welchenMassnahmen will man die-

sen in der Zukunft sehrwichtigen Bereich auf Vor-dermann bringen?

• In Portsmouth in den USAwird eine riesige Anlage gebaut. Wie wirkt sich dieses Biotech-Werk auf den Standort «Lonza Visp»aus?

• An der Pressekonferenz inBasel wurde erklärt, dassdie Lonzawerke in Vispnicht betroffen sind. Kanndiese Erklärung als bareMünze genommen werden,nachdem die Lonzaführungeine Informationspolitik be-trieben hat, die nicht nur Investoren und Analysten,sondern auch Gewerk-schaften verärgert hat?

• Bisher hat der Verwal-tungspräsident Sergio Mar-chionne den Konzern mit«eiserner Hand» geführt.Wird an diesem Führungs-stil weiterhin festgehaltenoder werden auf Unterneh-mungsebene, auf der grund-sätzliche Entscheide überzukünftige Entwicklungender Unternehmung gefälltwerden, wichtige Ge-sprächspartner wie z.B. dieGewerkschaften einbezo-gen?

Im Oberwallis ist die LonzaGroup ein wichtiger Arbeit-geber und für zahlreiche Ar-beitsplätze verantwortlich.Deshalb müssen diese Fragengeklärt werden, bevor eineweitere Hiobsbotschaft ein-trifft.

VISP – Die Lonza hat im Betriebsjahr 2003 einensignifikanten Rückschlag erlitten. Der Verwal-tungsratspräsident Sergio Marchionne peilt ei-nen härteren Kurs an und entlässt den Konzern-chef Markus Gemünd. Mit welchen Folgen undErwartungen muss in Zukunft gerechnet werden?

Die Aktienkurse fielen in den Keller

Marchionnes einsame Entscheide

Konzernchef Markus Gemünd kaltgestellt: Sergio Marchionne mit eiserner Hand

Aktienkurs der Lonza Group im freien Fall: Allein am 20. Januar 2004 sackte der Kurs um satte 12 Prozent ab.

Lauber, Bloetzer und Teysseire: Visp Süd blockiert! VISP – Die Politingenieure Lauber undBloetzer versuchten über Jahre hinausmit allen Mitteln und auf allen politi-schen Ebenen die Südumfahrung in Vispzu verhindern. Jetzt haben die Verhin-derer vom Dienst noch einmal Steine inden Weg gelegt.

(eg) Nachdem der Bundesrat endlich den Südenbewilligt hat, hat Lauber, Bloetzer und Co. ganzoffensichtlich der Futterneid gepackt. Gegen dieVergabe der Ingenieurmandate durch den Staats-rat haben sie Rekurs beim Kantonsgericht einge-legt. Als Einsprachegrund wird vorgeschoben,dass das zum Handkuss gekommene BüroSchmidhalter und Pfammatter aus Brig vorbe-

fangen gewesen sei, weil sich dieses Büro schonan irgendwelchen Vorstudien beteiligt habe.

Wo bleibt der VOV und der Staatsrat?Der VOV ist der Verein der Oberwalliser Ver-kehrsinteressierten. Vor Jahren sammelten die Ver-kehrsinteressierten in Visp in der sengenden Som-merhitze eifrig Unterschriften für die Autobahn imOberwallis. In der Zwischenzeit ist Rolf EscherVOV-Präsident. Vor Escher sassen die Parteikolle-gen Lauber und Bloetzer im Stöckli in Bern. In Be-zug auf den Autobahnbau im Süden von Visp istes plötzlich auffallend ruhig geworden um den VOV.

Im Vorfeld der letzten Walliser Olympiakandida-tur versprach der Staatsrat ziemlich viel. Unter an-

derem hiess es seitens der Walliser Regierung,dass die Visper Südumfahrung bis zu den Olym-pischen Spielen 2006 in Betrieb genommen wer-de. Jetzt ist alles anders: Falls der Rekurs der C-Politingenieure Lauber, Bloetzer und Co. bis vorBundesgericht gezogen wird, besteht ganz reell dieGefahr, dass das Projekt um ganze drei Jahre ver-zögert wird. Das heisst im Jahr 2007, ein Jahr nachder vermeintlichen Walliserolympiade, wird mitden Planungsarbeiten begonnen. So geht das nicht.

SP-Vorstoss im grossen RatDeshalb hat die SPO Fraktion im Grossen Rat ei-nen Vorstoss hinterlegt, damit der Staatsrat dasDossier Südumfahrung im Schnellverfahren vor-antreibt, damit das dringendste Oberwalliser Ver-kehrsproblem endlich gelöst wird.

VON GERMAN EYER

Die Übernahme der Vita-minsparte von Roche durchdie holländische Firma DSMzog sich über ein Jahr hin. EinJahr, während dem die Be-triebe ohne eigentliche Füh-rungsverantwortung mehrschlecht als recht vor sich hin-dümpelten. Hinzu kam, dassnach dem Zerfall des Preis-kartells im Vitamingeschäftder Konkurrenzkampf unterden Anbietern immer uner-bittlicher geführt wurde. DerDeal zwischen den Hollän-dern und Roche war erst imOktober 2003 perfekt. Undplötzlich ging es ganz schnell.Kaum war der Vertrag unter-schrieben, fuhren die Hollän-der mit eisernem Besen in denBetrieben auf. In der gesam-ten ehemaligen Roche Vita-mindivision sollen pro Jahr220 Millionen eingespart wer-den. Betroffen davon sindinsgesamt 7 500 Angestellte.

Mitarbeiter sollen sich selbst liquidierenBei der Sparvorgabe von 220Millionen Franken auf 7 500Angestellte müssen pro Ar-beitsplatz rund 30 000 Fran-ken eingespart werden. Hoch-gerechnet auf das Werk Te-ranol mit seinen 190 Arbeits-plätzen ergäbe dies Einspa-rungen von knapp 5,7 Milli-onen. Insider rechneten dennauch im Vorfeld mit einemSparauftrag von 6 Millionenpro Jahr für das Laldnerwerk.Jenseits von jeder Opfersym-metrie verlangen die hollän-dischen Bosse, dass 10 Millio-nen mehr eingespart werden,nämlich 16 Millionen.

Statt ihre Verantwortung wahr-zunehmen und die Holländervon ihrem einzig auf Profitausgerichteten Sparprogrammabzubringen, haben die Werks-verantwortlichen der Teranol

das Restrukturierungspro-gramm «Vital» ins Leben ge-rufen. In diesem Projekt sol-len die Mitarbeiter mitdenkenund mithelfen, wie die Pro-duktionsabläufe optimal ver-bessert werden können. ImKlartext heisst das nichts an-deres, als dass die Leute in denBetrieben ihre eigenen Ar-beitsplätze wegrationalisierensollen, um damit die Profitefür die Aktionäre in die Höheschnellen zu lassen. Dabeiliegen die Fakten ohne Work-shops, Interviews und Ideen-börsen auf dem Tisch.

Und so präsentiertsich die RechnungDie Einsparungen aus demJahr 2003 werden angerech-net: gut 3 Millionen. Die lau-fenden Unterhalts- und In-standstellungsarbeiten belau-fen sich aktuell auf über 6Millionen. GrösstmöglichstesEinsparpotenzial mit inter-

nen Lösungen: 2 Millionen.Die Teranol kauft pro JahrWaren im Wert von 85 Millio-nen ein. Davon sind 20 % va-riable Kosten. Sparpotenzial:höchstens 1 Million Franken.Insgesamt ergibt dies einhöchstmögliches Sparpoten-zial von 6 Millionen Franken.Verbleiben noch 10 MillionenFranken, die ausser beim Personal nirgends aufzutrei-ben sind. 10 Millionen weni-ger Personalkosten bedeutetnichts anderes als im Schnitt70 Arbeitsplätze weniger.

Die Forderung derGewerkschaftenStatt einer Politik der ver-brannten Erde verlangen dieGewerkschaften, dass jetztunverzüglich eine IG Teranol

eingesetzt wird, die mit Al-ternativen aufzeigt, wie dieArbeitsplätze gerettet werdenkönnen. In diese IG Teranolgehören alle betroffenenKreise: Die Walliser Regie-rung, damit die Politik ganzkonkrete Lösungen aufzeigt,damit die WirtschaftsregionOberwallis nicht unnötig ge-schwächt wird; die Teranol,damit alle Fakten und vorge-sehenen Massnahmen trans-parent auf den Tisch kom-men; die Lonza, weil sie alsHauptlieferantin von Roh-stoffprodukten an die Teranolganz direkt betroffen ist; dieGewerkschaften, Betriebs-kommission und Arbeitneh-mervertretungen, weil esletztlich die Angestellten inden Betrieben sind, welchedie Zeche bezahlen müssen.

LALDEN – Die Holländer als neue Besitzer der Teranol AG in Lalden sind mit einem knallharten Restrukturierungsprogramm in die Firma eingefah-ren. Dabei geht es ihnen nur um eine nackte Zahl: 16 Millionen Franken.Soviel soll pro Jahr eingespart werden. Basta. Noch wollen die Verantwort-lichen nicht sagen, wie viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Die RAhat nachgerechnet: Falls sich die Holländer durchsetzen, stehen 70 derinsgesamt 190 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das ist mehr als ein Drittel.

Teranol: Politik der verbrannten Erde70 der 190 Arbeitsplätze auf dem Spiel

Teranol-Direktor Hans-Rudolf Hunziker: «Vital» gegen die Belegschaft

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10 11ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

VON KURT MARTI

Es ist Spätherbst 2002: DerAbt von Einsiedeln höchst-persönlich schreitet zum erstenSpatenstich am Dienstlei-stungs- und Innovationszen-trum (DIZ). In aller Eile be-ginnen dann die Bauarbeiten.Die Eile hat ihren Grund nichtnur im herannahenden Winter,sondern auch in der illegalenVergabe der Arbeiten. Letzte-

res ist zu diesem Zeitpunktdem zuständigen Departementvon Staatsrat Wilhelm Schny-der bestens bekannt. Dochvorerst geschieht nichts. DieMachenschaften des CSPO-Politikers und DorfkönigsHans Hallenbarter werden ge-duldet. Dabei hätte die Dienst-stelle für äussere Angelegen-heiten und Wirtschaftsrechtper Gesetz den Auftrag zurKontrolle und gegebenenfalls

zur Sanktion von gesetzes-widrigen Ausschreibungen.

Akteneinsicht nach-träglich verweigertAm 14. November 2002 reichtStefan Bellwalder, Architektdipl.ETH/SIA, eine Aufsichts-beschwerde beim Staatsratein. Darin weist er darauf hin,dass «bislang keine der Ar-beiten offiziell ausgeschrieben

wurden.» Mit dem Hinweisauf die Verflechtung des Ge-meindepräsidenten als gleich-zeitiger Planer und Unter-nehmer verlangt er, dass die Bauarbeiten eingestelltwerden und eine saubere Ausschreibung vorgenommenwird. Doch vorerst geschiehtnichts. Erst einen Monat spä-ter wird die Gemeinde Ober-gesteln von der Dienststelleaufgefordert, innert 20 Tageneine Stellungnahme inklusiveDossier abzugeben. Laut Briefsoll die Stellungnahme demBeschwerdeführer «anschlies-send zur Kenntnis gebrachtwerden.» Doch Bellwalderwartet vergeblich auf die an-gekündigte Stellungnahme.Vier Monate später erkundigter sich bei Philippe Spörri,dem Chef der Dienststelle fürWirtschaftsrecht im Departe-ment Schnyder. Dieser er-klärt nun, es gebe kein Rechtauf Akteneinsicht. «Weil manbefürchten musste, der Fach-kundige könnte auf brisanteDetails stossen?» fragt Bell-walder. Auf Anfrage der RAsagt Spörri allerdings, Bell-walder habe Einsicht in dieStellungnahme gehabt, nichtaber in das Dossier. Dazu

Bellwalder: «Ich habe dieStellungnahme nie gesehen.»

«Parteifreund sanft angefasst»Obwohl der Beschwerdeführerin einem Telefonat und einemBrief vom 12. Dezember 2002an die Dienststelle interve-niert, gehen die Bauarbeitenmunter weiter. In Obergestelnwerden vollendete Tatsachengeschaffen. Bellwalders Kom-mentar: «Staatsrat SchnydersParteifreund wurde gelinde ge-gesagt sanft angefasst.» AufGrund der eindeutig rechtswi-drigen Tatsachen und dem öf-fentlichen Interesse kommtdas Departement Schnyderallerdings nicht mehr darumherum, Hallenbarters Vorge-hen als rechtswidrig zu be-zeichnen. In seinem Entscheidvom 3. März 2003 hält derStaatsrat insgesamt 13 illega-le Tatbestände (siehe Kasten)fest und folgert, dass «klar ge-gen die Grundsätze des öffent-lichen Beschaffungswesens ver-stossen wurde.» Die Gemein-de wird bloss ermahnt, recht-liche Schritte werden keineeingeleitet. Hingegen wird dasFinanzinspektorat mit den wei-

teren Abklärungen beauftragt,wie Spörri in einem Brief anBellwalder festhält. Hallenbar-ters Verflechtungen bleiben un-erwähnt. Darauf herrscht einhalbes Jahr Funkstille. Im Sep-tember wird das DIZ in An-wesenheit des Abtes von Ein-siedeln und von Staatsrat Jean-René Fournier feierlich einge-weiht, welcher «den Gesetzes-bruch damit eindrücklich wür-digte,» wie Bellwalder es aus-drückt.

Wer wurde irregeführt? Ebenfalls im September erkun-digt sich Bellwalder schriftlichbeim Finanzinspektorat überdie Ergebnisse der Untersuch-ung, welche vom Staatsrat einhalbes Jahr zuvor angekündigtwurde. Doch da weiss man vonnichts. Es gebe «kein Mandatvom Staatsrat» wird dem ver-blüfften Beschwerdeführer mit-geteilt. Auf Nachfrage liefertSpörri seine Erklärung. Es ha-be sich «ein Fehler einge-schlichen.» Nicht das Finanz-inspektorat, sondern die Fi-nanzverwaltung untersucheden Fall. Auf Anfrage wollteder Chef der Finanzverwal-tung, Pierre Bonvin, keineStellung nehmen und verwiesauf die hängige Interpellationder SP-Grossräte German Ey-er und Rolf Eggel. Bellwalder

gibt sich weiterhin kämpfe-risch und verlangt restlose Auf-klärung: «Aufgrund von Wider-sprüchen zwischen den Fest-stellungen des Staatsrates undeiner schriftlich vorliegendenErklärung des Planungsbürosgibt es Grund zur Annahme,dass jemand im Umzug irre-geführt wurde.»

Der Kritiker ist einmal mehr der Dumme!Über ein Jahr ist seit der Be-schwerde von Architekt Bell-walder vergangen. Rück-blickend nimmt er kein Blattvor den Mund: «Gemeinde-präsidenten können sich inunserem Land anscheinendproblemlos Gesetzesbruchleisten, vorausgesetzt sie ha-ben ihre Politfreunde in denkantonalen Stellen.» Gemein-depräsident Hallenbarter sei-nerseits ist überzeugt, für dieHaltung von Bellwalder gibtes «ein Wort mit vier Buch-staben: Neid!» Und auch derBeamte Spörri unterstellt demBeschwerdeführer Eigenin-teressen. In einem Brief hälter vielsagend fest, es sei nicht Aufgabe der Finanz-verwaltung «für Ihre per-sönlichen Anliegen irgendwel-che Untersuchungen durch-zuführen.»

OBERGESTELN/SITTEN – Der Obergestler Dorfkönig Hans Hallenbarter hatseiner Firma illegal öffentliche Aufträge zugeschanzt. Der Architekt Ste-fan Bellwalder hat den Skandal aufgedeckt. Doch jetzt wird er vom Dorf-könig und dessen Lakaien in Sitten angeschwärzt: Eigeninteressen undNeid seien seine Motive! Gleichzeitig versucht das Departement von Wil-helm Schnyder, den Fall des CSPO-Parteifreundes Hallenbarter unter denTeppich zu wischen.

Dienstleistungszentrum DIZ Obergesteln: Die Machenschaften des Dorfköni gs Hans Hallenbarter

Vom Umgang mit einer BeschwerdeGemeindepräsident Hallenbarter:Mein Name ist Hase, ich weiss von nichts!(ktm) Wie kommt es, dass der langjährige Gemeindepräsident und frühere CSPO-Gross-rat Hans Hallenbarter das Vergabe-Gesetz nicht kennt? Dazu Hallenbarter: «Ich habenicht gewusst, dass der Schwellenwert für Bauaufträge 500000 Franken beträgt.» Dar-über kann Architekt Stefan Bellwalder nur lachen: «Das ist eine billige Ausrede. WennHallenbarter die Schwellenwerte nicht kennt, wer denn sonst?» Tatsache ist, dass Hal-lenbarter im Jahre 1995 zusammen mit der CSPO-Fraktion und dem damaligen Frak-tionschef Thomas Gsponer mit einer Motion das Vergabe-Gesetz selber initiierte, wel-ches er jetzt nicht kennen will. Als Gemeindepräsident hat er dazu Stellung genommen.Im Grossrat und in der Öffentlichkeit gaben vor allem die Schwellenwerte viel zu re-den. Zudem gilt Hallenbarter innerhalb der CSPO als Experte der Baugesetzgebung.1996 war er sogar Sprecher der grossrätlichen Kommission.

Hallenbarter ignorierte den SIA-Hinweis Im Amtsblatt vom 28. Juni 2002 stand das Baugesuch für das DIZ. Dem Schweizeri-schen Ingenieur- und Architekten-Verein (SIA) fiel der «nur sehr oberflächlich» abgefas-ste Text auf. Deshalb erhielt die Gemeinde Obergesteln am 5. August 2002 einen Brief,in welchem die SIA-Sektion Wallis ein korrektes Vergabeverfahren verlangte. Der SIA-Brief wurde von Hallenbarter nie beantwortet. Stattdessen schritt Hallenbarter zur Tatund schrieb ungeachtet des unmissverständlichen SIA-Hinweises auf das öffentliche Ver-gaberecht die meisten Arbeiten im Herbst illegal aus – und erklärt nun, dies nicht ge-kannt zu haben!

Zudem behauptete Hallenbarter gegenüber der RA, es sei durchaus zulässig, dass diePlanung und die Holzbauarbeiten von derselben Firma Holzbau Hallenbarter AG ausge-führt wurden. Philippe Spörri, der Vergabe-Spezialist im Departement Schnyder, ist aufAnfrage ganz anderer Meinung: Gemäss Artikel 23, Absatz 1, Buchstabe k der Vergabe-verordnung muss ein Anbieter ausgeschlossen werden, wenn er im Rahmen des gleichenProjektes Planungsaufträge ausgeführt hat. Dazu Bellwalder: «Die Chancengleichheit wirddurch die Manipulationsmöglichkeiten, welche bei derartiger Konstellation in einem Pla-nungsmandat stecken, völlig verfälscht.»

Vergabe der DIZ-Bauarbeiten: Filz total! • Hans Hallenbarter ist der Promotor des DIZ. Als Gemeindepräsident hat er selber ent-

schieden, wer unter welchen Bedingungen und ob überhaupt offerieren darf. Die Holz-bau Hallenbarter AG, deren Verwaltungsratspräsident (als einziger mit Alleinunterschrift)Hallenbarter war, hat den Bau geplant und die Holzbauarbeiten ausgeführt.

• Das Planungsbüro der Holzbau Hallenbarter AG hat mit dem Holzbausystem «Lignotrend»ein System gewählt, dessen Regionalvertretung in den Händen der Holzbau HallenbarterAG liegt. Gemäss RA-Recherchen konnte keine einzige Oberwalliser Holzbaufirma für dieHolzbauarbeiten offerieren.

• Alle Arbeiten, welche irgendetwas mit Holz zu tun hatten, wurden laut Beschwerdeent-scheid vom Planungsbüro des Gemeindepräsidenten beim Offertvergleich zu einem aufdessen Holzbaufirma abgestimmten Arbeitspaket zusammengefasst – obschon nicht al-le Unternehmer alle Arbeiten dieses Paketes offerieren durften und ein sauberer Of-fertvergleich deshalb nicht möglich war.

• Die Patenschaft Berggemeinden hat auch im Oberwallis mit dem DIZ-Projekt für Spendengeworben. Im Spendenaufruf steht die Behauptung, die Raiffeisenbank beteilige sich mit353 000 Franken am Projekt. Das ist eine Irreführung der SpenderInnen. Tatsächlich kauf-te die Gemeinde der Raiffeisenbank das bisherige Bank-Gebäude ab. Folglich gehört derangebliche Beitrag der Raiffeisenbank unter die Investitionskosten der Gemeinde verbucht.Nebenbei bemerkt: Das «alte» Raiffeisen-Gebäude wurde erst vor zehn Jahren erstellt undsteht nun auf Kosten der Gemeinde leer.

DIZ: Rechtswidrig vergebene Arbeiten

(ktm) Die Gesamtkosten für das DIZ betragen 1,3 Millionen. Gemäss «Gesetz betreffenddas öffentliche Beschaffungswesen» müssen Bauaufträge, deren Gesamtkosten denSchwellenwert von 500 000 Franken übersteigen, öffentlich ausgeschrieben werden. Ge-meindepräsident Hans Hallenbarter hat nicht die Gesamtkosten mit dem Schwellenwertverglichen, sondern die Kosten der einzelnen Arbeitsgattungen, welche alle unter demSchwellenwert liegen. Mit diesem «Buebetrickli» hat Hallenbarter das Gesetz umgangenund die folgenden Arbeiten rechtswidrig ohne offene Auschreibung vergeben:

• Architektur- und Planungsautrag an «Holzbau Hallenbarter AG» • Bauingenieurmandat an «Ritz und Paris»• Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsarbeiten an «Lauber IWISA» • Elektroingenieurarbeiten an «Salzmann AG»• Holzbauingenieurmandat an «Neue Holzbau AG»• Baumeisterarbeiten an «Hallenbarter und Imwinkelried»• Heizungsarbeiten an «German Hallenbarter»• Elektroarbeiten an «Elektrohaus Furka»• Gerüstarbeiten an «Hallenbarter und Imwinkelried»• Sanitärarbeiten an «German Hallenbarter»• Elementbau/Fassadenverkleidung, innere Beplankung/Fenster,

Innentüren an «Holzbau Hallenbarter AG»• Lüftungsanlagen an «Arge German Hallenbarter und Paul Jost»

Als Folge der Aufsichtsbeschwerde wurden die verbleibenden Arbeiten, bei denen es lautBellwalder «für die Firmen des Gemeindepräsidenten und seiner Getreuen wenig bis nichtsmehr zu verdienen gab» gemäss Submissions-Gesetz ausgeschrieben und vergeben.

Einweihung des DIZ Obergesteln: Mit Pfiff und ohne Nebentöne

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13ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 200412 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

VON PATRICK ZEHNER

Als Anwalt arbeitete Jean-Mi-chel Cina nur mit einem kräf-tigen Vorschuss. Als CVP-Newcomer war er mit eben-solchen Vorschusslorbeerengestartet. Genützt hat es nicht:Nach drei Jahren als CVP-«Stratege» steht seine CVPvor einem Scherbenhaufen:Der zweite Bundesratssitz istweg, die CVP-Frauen sindwütend auf die Parteispitzeund kaum jemand weissmehr, wofür die CVP eigent-lich steht. Cina hat sukzessi-ve von seinem Glanz ver-loren. Seine vier grösstenBöcke:

Super-GAU Fristenregelung

• Fristenregelung:Einst hatten die CVP-Frau-en die Diskussion um dieFristenregelung mit ihrem«Schutzmodell» deblock-iert. Doch das Modell fandim Parlament keine Mehr-heit. Cinas CVP reagiertemit dem Referendum,scheiterte blamabel – keine50 000 Unterschriften imKerngebiet der CVP – undmusste sich mit radikalen AbtreibungsgegnerInnenins Bett legen. Damit ge-winnt man weder die Wäh-lerInnen in den liberalenStädten noch die konser-vativen in den eigenenStammlanden. Ein gefun-denes Fressen für die SVP.

• Wahlkampf:Wofür steht die CVP ei-gentlich? Dies wird denWählerInnen im Wahl-

kampf 2003 nicht klar.Macht die SP nicht eine konsequentere Familien-politik? Hat die SVP nichtmehr Kompetenz in derKMU-Förderung und in der Asylpolitik? Zudem:Der CVP-Wahlkampf wirddurch Fun-Elemente über-lagert: Zahnbürsten stattbissige Politik-Alternativen,Tingel-Tangel mit dendurchs Land gekarrtenBundesräten Joseph undRuth, Wahlziel 20 Prozentund drittstärkste Partei! Cina hat diesen Fun-Wahl-kampf seines Generalse-kretärs nicht unterbunden.

• Steuerpaket und Sparprogramme:Stark bleibt die CVP in ihren Stammlanden, derRandregion. Doch diesesPotential drohen die Man-nen und Frauen um Cina zuverspielen. Steuerpaket undSparprogramme stossennicht von ungefähr auf denWiderstand der Randregio-nen, nota bene auch beiCVP-Staats- und Regie-rungsräten. Leistungsabbauund Mehrkosten drohen dieRandregionen überhart zutreffen. Doch auf Bundes-ebene fördert und unter-stützt die CVP das Steuer-paket und will weitere 7Milliarden sparen.

• Bundesratswahl:Am 10. Dezember 2003steht die CVP-Elite als Ladykiller da: Ruth Metz-ler kann nicht gehalten wer-den. Cina nimmt Metzleraus dem Rennen, obwohlsie nochmals antreten willund gegen Deiss Chancen

hat. Die Bürgerlichen imParlament sind irritiert undwählen Deiss. Dass einigeCVPler bei der Villiger-Ersatzwahl Hans-RudolfMerz wählen und damit Christine Beerli kippen,passt ins Bild des 10. De-zember. Möglich war diesesWahlchaos durch das ver-zweifelte Festhalten derCVP und von Jean-MichelCina an ihrem zweiten Sitz.Resultat dieses Fiaskos istein rechter Altherren-Club,den die CVP öffentlich be-dauert…

Jean-Michel Cina hat die Stra-tegie der CVP in den letztenJahren massgeblich mitge-prägt. Jetzt steht die ehemalsstaatstragende Partei am Ab-grund. Führt sie Cina noch ei-nen Schritt weiter?

SALGESCH/BERN – Die CVP ist am Scheideweg angelangt. Nach der blamab-len Niederlage bei der Fristenregelung, der unsäglichen Wahlkampagne à la Westerwelle und dem strategischen Super-GAU bei den Bundesratswah-len steht die CVP vor einem Scherbenhaufen. Mit ein Grund: Die verpatzte C-Strategie von Fraktionschef Jean-Michel Cina. Sind Cinas Tage als CVP-Stratege bald gezählt? Die RA listet seine grössten Fehlentscheidungen nochmals auf.

CVP-Cina nach dem Bundesratsdebakel

A dead man walking?

Walliser Bote frisiert Agenturmeldung

«Cina soll Amherd Platz machen!»(ktm) CVP-Frauen ausdem Wallis ärgern sichüber die Rolle von Frak-tionschef Jean-Michel Ci-na bei der Abwahl vonBundesrätin Ruth Metz-ler. Aber sie ärgern sichauch über die Berichter-stattung des WalliserBoten: «Das hat dochbeim WB System. DieHerren Cina und Escherwerden geschont.» Nachder turbulenten Delegier-

tenversammlung derCVP veröffentlichte derWB einen Agentur-Be-richt. Was alle anderenSchweizer Zeitungen insZentrum stellten, näm-lich die Prügelrede vonJudith Stamm für Cina,war für den WB über-haupt kein Thema. ImAP-Bericht wurde ein-fach der entsprechendeAbschnitt herausope-riert. Sprich: Die Agentur-

meldung frisiert. Mehrnoch: Im Leitartikel fährtder WB sogar den CVP-Frauen Stamm und Leu-thard bös an den Kar-ren. Eine CVP-Frau ge-genüber der RA: «WennCina ein Frauenförderersein will, wie er behaup-tet, dann soll er zurück-treten und der BrigerStadtpräsidentin ViolaAmherd Platz machen!»

VON KURT MARTI

Bezirksrichter Beat Weissenstellte in seinem Urteil vom17. Dezember 2003 fest, dassin objektiver Hinsicht eine Ur-kundenfälschung vorliegt,dass aber der Geometer Jac-ques Bonvin und die Sekretä-rin des Visper Geometer-Bü-ros Bumann-Bonvin ohneVorsatz gehandelt hätten unddeshalb freigesprochen wer-den. Zentraler Punkt für dieUrteilsfindung war die Be-hauptung Bonvins, es hätte ei-ne Abmachung mit dem da-maligen KantonsgeometerGaston Michlig gegeben, dassdie Stempelunterschrift zu-lässig sei. Michlig schlossein entsprechendes Gesprächmit Bonvin nicht aus. Er woll-te sich jedoch nicht mehrdaran erinnern.

Geometerverband:«Das ist eine Farce!»Der Vorstand der Ingenieur-Geometer Schweiz IGS isteinstimmig der Meinung, dassder Freispruch «eine Farceist», wie deren Präsident Ste-fan Andenmatten erklärt. DieIGS habe die EidgenössischeVermessungsdirektion gebe-ten, «das Urteil genau zuanalysieren und gegebenen-falls Schritte zu unterneh-men.» Erstaunlicherweise hatUntersuchungsrichter Bern-hard Tenud auf eine Anklage

von Präfekt und Geschäfts-führer Josef Bumann ver-zichtet. Entscheidend ist, dassBumann vor dem Untersu-chungsrichter ausgesagt hat,dass er von der Abmachungmit dem Kantonsgeometergewusst hat. Anwalt WillyBorter stellte in seiner Vertei-digungsrede ausdrücklich fest,dass Bumann direkt mit Mich-lig über die Stempelunter-schrift gesprochen habe.

Statt den Boss, die Sekretärin angeklagt!Groteskerweise haben Tenudund Staatsanwalt FerdinandSchaller die Sekretärin des Bü-ros angeklagt. Sie wurde rich-tigerweise vom BezirksrichterWeissen freigesprochen. LautStaatsanwalt Schaller hättedie Sekretärin wissen sollen,dass eine Stempelunterschriftillegal sei. Das ist Mumpitz!Nicht die Sekretärin, sondernder Geschäftsführer und Ver-waltungsrat Josef Bumannmuss von seiner Ausbildungund Funktion her wissen, was im Vermessungsgesetzsteht. Es gibt in diesem Fallauch nicht zu entscheiden, ob vorsätzliches Handeln vor-liegt oder nicht. Wer einenDiebstahl begeht, kann sichauch nicht herausreden, erhätte nicht gewusst, dass das strafbar ist. Bumannkennt das Gesetz, er wusste

um die Stempelunterschrif-ten und er hat die Urkun-denfälschungen akzeptiert.Gemäss Schweizer Strafge-setzbuch Art. 251 Abs. 1 wirdmit Zuchthaus oder Gefängnisbestraft, wer zu seinem Vorteil«eine rechtlich erhebliche Tat-sache unrichtig beurkundetoder beurkunden lässt.»

Trio Bumann-Michlig-BonvinDass Michlig vorgibt, er kön-ne sich nicht mehr erinnern,ist eine Schutzbehauptung.Erstens ist Michlig in dieserSache befangen, weil er ge-schäftliche Beziehungen mitdem Büro Bumann-Bonvinpflegte (siehe Kasten unten).Und zweitens hat Michligausgesagt, dass er eine Stem-pelunterschrift für klar illegal

hält und diese nie akzeptierthätte. An das Gespräch mitBonvin müsste er sich folglichunzweifelhaft erinnern, weiler das illegale Vorhaben hät-te strikt verbieten müssen.Entweder gab es eine Abma-chung mit Bonvin und Bu-mann oder es gab keine; ent-weder will Michlig nicht mitder ganzen Wahrheit heraus-rücken oder das Duo Bu-mann-Bonvin lügt faustdick.Die RA ist der Meinung, dassdie Aussagen von Bumann

und Bonvin stimmen. Falls al-so Bumann und Bonvin dieWahrheit sagen, hat Michligdie illegale Urkundenfäl-schung bewilligt und das Duo Bonvin-Bumann hat sie als Geometer und Ge-schäftsführer ausführen las-sen beziehungsweise akzep-tiert. Aus diesen Gründen istdie Rote Anneliese der Mei-nung, dass der Prozess vonvorne beginnen muss undMichlig, Bumann und Bonvinunter Anklage gestellt werden.

VISP – Kurz vor Weihnachten wurden die Verantwortlichen der Firma Bumann-Bonvin vom Bezirksgericht Visp freigesprochen: Es liege zwar eine Urkundenfäl-schung vor, aber diese sei nicht vorsätzlich erfolgt. Die Rote Anneliese zeigt dieWidersprüche der Untersuchung, der Anklage, der Verteidigung und des Urteilsauf und demonstriert, wie der Prozess hätte ablaufen sollen.

Bonvin verschwieg geschäftliche Beziehungen(ktm) Staatsanwalt Ferdinand Schaller hat während der Gerichtsver-handlung Jacques Bonvin die Frage gestellt, welche persönlichen undgeschäftlichen Beziehungen er mit dem ehemaligen Kantonsgeome-ter Michlig pflegte und pflege. Bonvin gab an, dass er nur über denBerufsverband SIA und als Kantonsgeometer mit ihm zu tun hatte. Docher verschwieg, dass das Geometer-Büro Bumann-Bonvin sehr wohl ge-schäftliche Kontakte mit Michlig hatte. Michlig tauchte nämlich letz-tes Jahr als Experte auf einer Offerte des Geometerbüros Bumann-Bonvin auf. Inzwischen wurde die Offerte zurückgezogen. Sowohl Staats-anwalt Schaller als auch Bezirksrichter Weissen geben an, davon kei-ne Kenntnis zu haben.

Präfekt Josef Bumann: Konnte seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen.

Freispruch in der Affäre Bumann-Bonvin:■ Urkundenfälschung, aber kein Vorsatz■ Geometerverband: «Urteil ist eine Farce!»

So hätte der Prozessablaufen sollen!

Jean-Michel Cina: Sturzflug ins Bodenlose

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14 15ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

VON RALPH MANZ

Die Verknappung von Erdöl wird mittel-fristig alle Diskussionen über Energieüberschatten. M. King Hubbert schriebschon 1956, dass die technische Pro-duktionsleistung von Erdöl entlang einerGlockenkur fe verläuft. Nach einem stei-len Anstieg folgt eine Ver flachung, an-schliessend fällt die Produktion ab. Erwurde verlacht und verketzert, aber dieUS-Ölförderung folgte haargenau seinenPrognosen und sinkt seit 1971. Nam-hafte Geologen rechnen damit, dass dasheutige Produktionsniveau kaum längerals bis 2010 aufrechterhalten werdenkann. Seit Beginn der Neunzigerjahre hatsich der Preis auf 30 $/Fass verdoppelt!Gemäss Prognosen dür fte er sich vor2010 nochmals verdoppeln. Die Nach-frage wächst – vorab in Asien – globalum 2 % pro Jahr. Gleichzeitig wollen dieOPEC Länder (inklusive Russland) denwachsenden Eigenbedarf befriedigen. Ei-ne strukturelle Unterversorgung mit Er-döl ist damit vorprogrammiert.

Die Zeit nach den Fossilen

Neben dem Versiegen der fossilenRessourcen werden Faktoren wie Klima-und umweltpolitische Bedingungen,zum Beispiel der europäische Emis-sionshandel und die EU-Direktiven zumAusbau der erneuerbaren Energien ei-ne wichtige Rolle spielen. ErneuerbareEnergien zwingen wegen ihres zeitwei-lig aussetzenden Charakters zu Diver-sifikation, zu Effizienz, zu Innovation

und zu Kundennähe. Sie sind prinzipiellunerschöpflich und bei umsichtiger Ge-winnung für Klima und Natur unschäd-lich. In dreissig Jahren wird jedes neueDach und jeder Keller Energie- oderStromlieferant sein. Sei es mit Solar-anlagen , Holzheizung, Brennstoffzellenoder Mikro-Gasturbinen. Solarzellenwerden im Jahre 2033 billiger sein alsZiegel und sie können bei angemesse-ner Vergütung im Netzverbund die Ver-sorgungssicherheit und das Lastma-nagement verbessern.

Windenergie aus Windfarmen

Die Elektrizität wird im Jahre 2033 auseinem breiteren Mix stammen als heu-te, vor allem dank Windenergie undGeothermie. Der Windmarkt hat sichseit 1993 auf über 7 Mrd. $ verzehn-facht. Windkraft ist an guten Lagen bil-liger als neuer Strom aus Atom. In Eu-ropa gehör t die Windenergie bereitszum Mainstream. Sie ist gegen Preis-schwankungen am Öl- und Gasmarkt völ-lig immun. Am US-Strommarkt gewinntdie Windenergie explosiv an Bedeutung,weil die US-Gasversorgung kollabier t.Und die Potenziale sind extrem gross.Auf einer Fläche von 200 mal 200 Ki-lometern, bestückt mit zwei 5-MW Tur-binen pro km2, lässt sich der Strom-verbrauch der europäischen Union (EU-15) herstellen. Deutsche, Dänenund Briten arbeiten fieberhaft an der Entwicklung von sogenannten OffshoreWindfarmen, die eine saubere, uner-schöpfliche und langfristig auch sehr ko-stengünstige Stromversorgung aus derNordsee versprechen.

Mit seinem Buch «Grün gewinnt» ist Ru-dolf Rechtseiner eine spannende, mitvielen Grafiken gespickte Publikation ge-lungen, die im Textteil durch seine kur-ze und prägnante Aussagekraft besticht.Das Buch zeigt, weshalb sich grüneTechniken in diesem Jahrzehnt durch-

setzen und welches Potential in denneuen Technologien noch steckt. Es ent-hält alle Bausteine für den ökologischenUmbau: Von der Technik bis zur Ener-giepolitik. Das Buch lässt uns ahnen,in welche Richtung unsere Energiezu-kunft geht, ohne sich dabei folgenderFrage entziehen zu können: Wieso dennicht schon heute?

Buchbesprechung

Rudolf Rechsteiner: Grün gewinnt!

Rudolf Rechsteiner ist Ökonom und Dozentfür praktische Umweltpolitik an der Uni Ba-sel. Der Basler SP-Nationalrat ist Mitglied derUREK (Kommission für Umwelt, Raumplanung,Energie) und der SGK (Kommission für sozi-ale Sicherheit und Gesundheit). Er ist Präsi-dent der ADEV Energiegenossenschaft mitWasser-, Wind-, Solar- und Blockheizkraft-werken.

Wir nähern uns einer historischen Wende. Die Zeit des billigen Erd-öls geht zu Ende. Ob der letzte Tropfen in 30 oder in 60 Jahrenfliesst, ist ziemlich nebensächlich. Es gibt keinen Grund zur Panik,aber es ist höchste Zeit für eine sachliche und konstruktive Aus-einandersetzung mit den Fragen der nachhaltigen Einstellung aufdie in Zukunft zu erwartenden Umbrüche.

WWF-Vortrag von Rudolf Rechsteiner

Rudolf Rechsteiner spricht am 4.März 2004 im Konferenzsaal desBahnhofbuffets in Brig um 19.00Uhr zum Thema «Grün gewinnt – Dieletzte Ölkrise und danach».

VON MANUEL LOBMAIER

Lula da Silva hatte in seinerWahlkampagne versprochen,den Hunger zu bekämpfen, dieArbeitslosigkeit auf die Hälf-te zu reduzieren und ein jähr-liches Wirtschaftswachstumvon 5 Prozent zu erzielen.Während ihn die Rechte da-mals als Analphabeten be-schimpft hatte, weil Lula auseiner armen Arbeiterfamiliestammt, und in der Bevölke-rung Ängste schürte, die rei-chen Länder würden demLand unter linker FührungKredite verweigern, so setztedas Volk sehr grosse Hoff-nungen in ihn. Endlich, imfünften Versuch, konnte Lulaim Dezember 2002 mit seinenMinistern in den Regierungs-palast einziehen, und die Be-völkerung wartete gespanntauf die ersehnten Veränderun-gen.

Wozu Lula, wenn er nichts ändert?Und diese waren schlichtwegnicht machbar. Ein halbesJahr später zitierte die «Pri-meira Leitura» auf der Titel-seite Marilene Chaui, einebrasilianische Intellektuelle:«Se não mudar, Lula paraquê?» (Wozu Lula, wenn ernichts ändert?) Tatsächlichhatte sich wenig geändert, dasmussten auch seine Sympa-thisanten zugeben. «Es istnicht möglich, in einem sogrossen Land in kurzer Zeit et-was zu verändern, er musssich erst einarbeiten mit sei-nen Ministern», war die gän-gige Antwort.

Der Hauptgrund dafür aber istein anderer: Er kann nichtsverändern, ohne die Privile-gien eines Teiles der Leute zubeschneiden, welche ihn ge-wählt haben. Und da er von al-len Schichten – auch der Ober-schicht – Stimmen erhaltenhat, so bleibt ihm sehr wenigSpielraum. Zweitens – derwohl wichtigere Punkt –macht der Einfluss regionalerOligarchien vielerorts Verän-derungen im korrupten Sy-stem praktisch unmöglich.Während seine Gegner, wel-che gefürchtet hatten, er wür-de alles auf den Kopf stellenund das Kapital radikal um-verteilen, mit Erstaunen sehen,dass dies überhaupt nicht derFall ist, so erntet Lula in ersterLinie von seiner eigenen Par-tei harsche Kritik.

Was ist mit den grossen Veränderungen?Nach einem Jahr lässt sich sa-gen, dass durchaus einige Sa-chen am Ändern sind: Er hatmit Anlaufschwierigkeiten die«Campanha Fome zero» ein-geführt, ein Programm zurLinderung des grössten Hun-gers; er hat vor, die Löhne derStaatsangestellten zu kürzen,welche in Brasilien relativ gutverdienen und eine hohe Ren-te ausbezahlt bekommen, under wird möglicherweise auchdie Löhne seiner eigenen Mi-nister kürzen. Dies sind lautersympathisch klingende Versu-che – aber es stellt sich dieFrage: Was ist mit den grossenVeränderungen? Was ist mitder versprochenen Linderung

der Armut? Was ist mit derEindämmung der Macht derSuperreichen und Gross-grundbesitzer? Was mit der«Reforma Agraria» oder demLand für die Landlosen desMST «Movimento sem Ter-ra»?

Schwere Vorwürfean Lula da SilvaWas ein eher negatives Lichtauf Lula wirft, sind einige Be-richte der letzten Monaten, in denen von staatlich gebil-ligter Folter in den überfülltenbrasilianischen Gefängnissengesprochen wird sowie vonder Verhaftung und Verfol-

gung der Führer des MSTdurch die Justiz, ohne dass die Regierung sich für de-ren Rechte eingesetzt hätte.Ausserdem hat die Regierungdas Anbauverbot für Gen-So-ja vorläufig aufgehoben undscheint nicht mehr besonderswillig zu sein, etwas gegen die «Killerkommandos» derGrossgrundbesitzer zu tun,welche im letzten Jahr fast 50Mitglieder der MST umge-bracht haben.

Was ist mit LulasVorsatz pas-siert, den Armen und Landlo-sen zu helfen und die Machtder Superreichen einzudäm-men? Ist seine Politik doch gar

nicht mehr so sozial, wie manes von früher kannte? Oder ister nur mit der momentanen Si-tuation im Land überfordert,wo sich Teile des Polizei- undJustizapparates unter dem Ein-fluss regionaler Oligarchienweigern, die Regierung anzu-erkennen, und deshalb Städtewie Rio de Janeiro in Krimi-nalität und Anarchie versin-ken? Fest steht, dass Lula aufkeinen Fall ein leichtes Amtauf sich genommen hat. Ob eres schaffen wird, die ange-strebten Veränderungen durch-zuführen, werden die nächstenvier Jahre zeigen.

BRASILIEN – Ein Jahr ist vergangen seit der Wahldes Ex-Gewerkschafters und Sozialisten Luiz InácioLula da Silvas zum Präsidenten der RiesennationBrasilien. Wenn dieser vor allem in den unterenSchichten der Bevölkerung grosse Hoffnungen aufeine positive Veränderung in Bezug auf die unge-rechte Verteilung des Kapitals, den Hunger und dieKorruption geweckt hat, so sieht es momentan aus,als würde auch unter Lula vieles wie zu Zeiten derMilitärdiktatur weitergehen.

Sozialist Lula da Silva:

Ein Jahr nach der Hoffnungswahl

Lula da Silva: Als Präsident und als früherer Gewerkschafter.

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16 17ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

Als «kritischer Marxist» suchte er die Aus-einandersetzung mit den Machthabern, die«den Sozialismus zu einem Zerrbild» entstellthatten. Zuerst als Schriftsteller bejubelt fieler in Ungnade bei den Parteibonzen. VonWalter Ulbricht, abschätzig als «Amerikanermit dem DDR-Pass» bezeichnet, weigerte ersich trotz Überwachung und zeitweiligemPublikationsverbot, das Land zu verlassen.Er verstand sich immer mehr als Kritiker desSystems, wollte sich aber nicht als Gegnerder DDR abstempeln lassen, was Biermannauch tatsächlich zu Schimpfwörtern wie«tapferfeiger Freiheitsfreund» oder «ge-schrumpfter Drachentöter» verleitete.

Heym als Schriftsteller…Heyms herausragende schriftstellerische Fä-higkeiten waren vor allem die Klarheit sei-nes Stils, der logische und spannende Hand-lungsaufbau und seine lebendigen Charak-terdarstellungen. Er vermochte seine Textedurch dramatische Konfrontationen und le-bensnahe Dialoge anschaulich zu gliedern.Wie sein Vorbild, Heinrich Heine, wusste erseinen hintergründigen Humor und sein Ta-lent für ironische Darstellungen auszuspielen.

Den Vorwurf Erich Honeckers auf dem 11.Plenum 1966, «Werktätige hätten in Briefengegen Stefan Heym Stellung genommen,weil er zu den ständigen Kritikern der Ver-hältnisse in der DDR gehöre», konterte ermit zahlreichen Fakten und mit Finesse undÜberzeugungskraft. 1979 wurde er von derSED-Führung aus dem Schriftstellerverbandausgeschlossen. Listig und zugleich überzeu-gend verteidigte er seine Stellung als Schrift-steller in der DDR: «Es gibt hier… keine Dissi-denten», erklärte er, «es gibt hier nur ehrli-che Sozialisten, die in der oder jener Fragegelegentlich eine andere Meinung haben.»

...und als JournalistUm Heyms Bedeutung wirklich erfassen zukönnen, reicht es nicht aus, sich auf seineschriftstellerischen Werke zu konzentrieren.Nicht nur die literarische Arbeit machte ihnin weiten Kreisen berühmt. Er verschafftesich auch mit seinen journalistischen Bei-trägen ein breites Lesepublikum und rück-te ins Zentrum politischer Ereignisse.

Grosses Vergnügen bereitete ihm, die Par-teibürokraten zu überlisten und die Zensurad absurdum zu führen. In Aufsätzen undEssays unternahm er Ausflüge in die Poli-tik – ungeduldig und temperamentvoll. DieLust an der Gegenrede und am offenen,klaren Wort ging einher mit der Abge-

Stefan Heym Schriftsteller, Journali st und Rebell

«Zwischen den Stühlen sitzen, war meine Dauer-position» – so brachte Stefan Heym einmal seinLeben und Wirken auf einen Punkt. Er war ein

unbequemer Staatsbürger und ein Aussenseiter.Er mischte sich ins politische Leben ein und üb-te Kritik sowohl in der Weimarer Republik wie imDritten Reich, in den USA wie im geteilten oder

vereinten Deutschland – überall stand er auf op-positioneller und gesellschaftskritischer Seite.

VON HILAR EGGEL

Exil und Erfolg inden USA – von McCarthy vertriebenMit dreizehn Jahren wusste Stefan Heym,mit bürgerlichem Namen Helmut Flieg, dasser Dichter und Schriftsteller werden würde;mit achtzehn wurde er wegen eines anti-militaristischen Gedichtes aus der Schulevertrieben. 1935 – gerade einmal 22 – emi-grierte er in die USA, stand in Verbindungzur amerikanischen Arbeiterbewegung undbetätigte sich dort zwischen 1937 und 1939als Herausgeber der antifaschistischen Wo-chenzeitung «Deutsches Volksecho». 1942veröffentlichte er seinen ersten Roman«Hostages» («Der Fall Glasenapp»), der«spannend konstruiert und von mitreis-sendem Tempo» ein Welt-Bestseller wurde.Auch sein zweiter Roman «The Crusadors»(«Der bittere Lorbeer») eroberte die Her-zen von Millionen von Menschen.

Als Sergeant für psychologische Kriegsfüh-rung war Heym 1943 in die US-Armee ein-getreten; sein erster Einsatz war die Lan-dung in der Normandie 1944. So kehrte erzunächst in GI-Uniform nach Deutschlandzurück. Doch wegen politischer Differenzenschied er aus der US-Armee aus und gerietgar in die Mühlen des militanten Antikom-munisten Joseph McCarthy. 1952 gab eraus Protest gegen den Korea-Krieg seineKriegsorden zurück und verliess die Ver-einigten Staaten, angewidert durch McCar-thy’s Inquisitoren.

Ein Amerikanermit dem DDR-PassÜber die Stationen Prag und Warschau rei-ste er in die DDR und suchte für sich undseine Familie um Asyl. Anfänglich unter-stützte er wohlwollend die DDR-Regierung(auch während der Arbeiter-Unruhen des17. Juni 1953); die russische Politik und Sta-lins Machtgehabe schätze er unkritisch ein.Die Wende brachte der XX. Parteitag derKPdSU unter Chruschtschow, der «dieGloriole Stalins» zerstörte. Von diesem Zeit-punkt an fiel es ihm immer schwerer, sichdem Einparteiensystem in der DDR anzu-passen, und stellte sich in Opposition zurSED. In literarischen Werken wandte er sichrevolutionären Traditionen der deutschenGeschichte zu und veröffentlichte die Romane «Lenz oder die Freiheit» (1963)und «Lassalle» (1969), später «Der König-David-Bericht» (1972), «5 Tage im Juni»(1974), «Collin» (1979) und «Radek»(1995).

klärtheit eines älter werdenden Mannes undeiner manchmal ironischen und sympathi-schen Gelassenheit.

Im Verlaufe der Jahre hat er zahlreiche Inter-views gegeben. Bei westlichen Radio-, Fern-seh- und Zeitungsjournalisten war er ein will-kommener Gast. Selbst Journalist kannte erdas Metier und wusste, was von ihm erwar-tet wurde. Er wich den Fragen nicht aus, er-zählte witzig und humorvoll, war an weltpo-litischen Fragen interessiert und vertrat ernst-haft seine Meinung zu brisanten Themen.

Ein Kritiker des vereintenDeutschlandsAm 4. November 1989 sprach er auf der De-monstration in Berlin die berühmt gewor-denen und in die Geschichte eingegangenenWorte: «Es ist, als habe einer die Fenster auf-gestossen, nach all den Jahren der Stagna-tion, der geistigen, wirtschaftlichen, politi-schen, den Jahren von Dumpfheit und Mief,von Phrasengewäsch und bürokratischerWillkür, von amtlicher Blindheit und Taub-heit.» Gleichzeitig redete er den DDR-Bür-gerinnen und Bürgern ins Gewissen, sichnicht verkaufen zu lassen, und forderte sieauf, die Herrschaft des Landes selbst in dieHand zu nehmen. «Statt den ehemaligen

DDR-Bürgern die Chance zu geben», er-klärte er, «ihr Haus ein wenig in Ordnungzu bringen, bevor man gemeinsame Sachemit ihnen machte, wurden Haus und Be-wohner, wie von einem Riesen-Bulldozer, insWirtschaftswunderland hineingeschaufelt.»

Heym war fest davon überzeugt, dass eindemokratischer Sozialismus durchgesetztwerden könnte und ein ostdeutscher Staatweiterexistieren sollte. Euphorisch verkün-dete er den klassischen Revolutionsaufruf«Es lebe die Republik!». Mit dem 9. No-vember 1989 holte ihn aber die Realität wie-der ein. Denn innerhalb von wenigen Tagenwurde aus dem verheissungsvollen Blick ei-nes revolutionsschwangeren Volkes «eineHorde von Wütigen, die, Rücken an Bauchgedrängt… mit kannibalischer Lust, in denGrabbeltischen, von den westlichen Krämernihnen absichtsvoll in den Weg plaziert, wühl-ten.» Von der Konsumwut der Ost-Deut-schen verunsichert, fühlte er sich «müde, ge-beugt und betrogen». Zweifelnd stellte erfest, dass es doch nicht sinnlos und vergeb-lich gewesen sein könne, «woran unserei-ner sein ganzes Leben gehängt habe».

JunggebliebenerPolitiker im hohen AlterTrotz Rückschlägen war sein Kampfgeiststärker. Als die Vereinigung unausweichlichwurde, sah er sich in der neuen Rolle alsVerteidiger der sozialen Werte. DenNeokapitalismus konnte er nur noch aus ei-ner zynischen Perspektive betrachten, dennviele «dieser Neokapitalisten waren ehe-malige DDR-Bonzen mit Verbindungenzum westlichen Kapital». Durch den Ver-einigungsprozess tief verunsichert und ver-letzt, lehnte er sich noch einmal auf.

Zur Überraschung des politischen Establish-ments liess er sich 1994 von der PDS in Ber-lin für den Bundestag aufstellen und wurdeauch gewählt. Die Ironie der deutschen Ge-schichte wollte es, dass er als Alterspräsidentdie neue Wahlperiode des Deutschen Bun-destages eröffnen konnte. In seiner Rede ap-pellierte er an die politische Vernunft. Mitwiderwilligen, versteinerten Gesichtern hör-ten die Mitglieder der CDU/CSU, FDP seineRede an. Da war nicht mehr der «Dissident»und «Systemkritiker» aus der DDR zufeiern, sondern ein ordentlich gewählterBundestagsabgeordneter aus den Kreisender kommunistischen Partei. Aus Protestgab er mit 82 Jahren das Mandat zurückund widmete sich wieder der schriftstelle-rischen Arbeit.

Nachdenken – zwischenden Stühlen sitzendStefan Heym war ein Rebell und einer der bedeutend-sten und erfolgreichsten Schriftsteller in der ehemaligenDDR. Er war mitbeteiligt am Sturz der Stasi-Regierung.In der Übergangszeit zur deutschen Wende kämpfte erverbissen um ein «neues Heimatland», das nicht an dieTreuhand und an habgierige Neokapitalisten verkauftwürde. Für ihn war nicht alles schrott, was auf der Bau-stelle DDR einstmals produziert wurde.

Wohlgemerkt: reisen durfte man nicht in alle Länder,und alle Güter konnte man nicht kaufen. Die Wut ge-gen ein verknöchertes System konnte man nur unter derGefahr äussern, eingelocht oder ausgebürgert zu wer-den. Man wurde von der politischen Polizei registriertund bespitzelt. Man musste kuschen, wenn man inner-halb des Parteiapparates sich nach oben strecken woll-te. All diese Dummheiten und Blödsinnigkeiten zeich-nete die real existierende DDR aus.

Für Stefan Heym gab es aber auch noch eine andereDDR mit einigen «verhältnismässig guten Sachen», dieman ins vereinte Deutschland hätte retten müssen: Da-zu gehörten: Arbeit für alle, ein Dach über dem Kopffür alle, Bildung für alle, ein gesichertes Dasein für al-le. Diese Errungenschaften hätte man mit den westlichenFreiheiten verbinden müssen.

Bis an sein Ende glaubte Heym an einen demokratischenSozialismus, in dem Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeitplus soziale Gerechtigkeit verwirklicht würde. Für ihn,Brecht zitierend, war dies eigentlich das Einfache, dasso schwierig zu vollziehen ist.

Gefragt, was ihm vor allem Angst mache, antworteteer: zunehmende Arbeitslosigkeit, Fremdenhass, Bruta-lität und Gewalt in der Gesellschaft, weil sie ihn an dieZeiten Hitlers erinnere.

Sind die alten Gespenster doch wieder zurückgekehrt?Und besteht nicht dieselbe Marktwirtschaft, aus wel-cher die Arbeitslosigkeit erwachsen ist? Und werden dieReichen, eine Minderheit, nicht immer reicher, währenddie Mehrheit der Menschen verarmt? Diese Fragen be-schäftigten ihn ganz besonders und er gab uns zu be-denken: «Wenn man selbst nicht verfügen kann überdie eigene Arbeitskraft und das eigene Leben, muss mansich fragen lassen, wer denn die Macht in den Händenhält. Wäre es nicht empfehlenswert, dies System durchein gerechteres, besseres zu ersetzen, wenn man Si-cherheit und einen Arbeitsplatz wollte… Aber diese Artzu denken und zu handeln, ist ein schmerzhafter Pro-zess und erfordert Entscheidungen, auf die man wederin der Schule noch im Elternhaus vorbereitet wurde.»

Hilar Eggel

«Ich habe mich immer eingemischt. Erst 1933 gegen die Nazis,dann in Amerika und von 1953 an in der DDR. Und ich werde

mich… auch weiterhin einmischen, einfach weil ich glaube, dassnichts so bleibt, wie es ist, und dass wir über die Richtung in der

sich das Ganze bewegt, mitentscheiden.» (Stefan Heym)

Ausgewählte Literatur:Heyms Leben und seine Bücher sind einwichtiges Stück deutscher Geschichte. Inseinen Werken hat er immer wieder The-men der Arbeiterbewegung aufgegrif-fen. Seine historischen Romane sind einSpiegelbild der sozialen Verhältnisse, indenen wir leben:

–Der König David Bericht, München 1972

–5 Tage im Juni, Wien 1974

–Collin, München 1979

–Nachruf, München 1988

–Radek, München 1995

–Einmischung. Gespräche, Reden, Essays. München 1990.

–Offene Worte in eigener Sache. Gespräche, Reden, Essays1989–2001, München 2003

«Wenn die Leute sich nicht artikulierenkönnen, dann werden sie Häuser anzün-den. Und wenn man ihnen nicht eine de-mokratische Lösung anbieten kann, einelinke Lösung, dann werden sie nach rechtsgehen und dem Faschismus folgen.» (Stefan Heym)

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SP-Vertreterin sollsich entschuldigen! Die Zeiten spielen verrückt.Auch jetzt noch, wo Otto G.Loretan, der ehemalige Dorf-könig von Leukerbad, ins Ge-fängnis müsste. Jahrelang warer der Star der CVPO undauch der Walliser Bote rolltedem smarten Nationalrat denPerserteppich aus. Bislanghat die CVPO zum Fall Leu-kerbad hartnäckig geschwie-gen. Kein Wort des Bedauernsoder der Entschuldigung andie zahlreichen Leidtragendendes Debakels im Wallis und inder Ausserschweiz. Auch derWB hat sich für sein unkriti-sches Hofieren und Schwei-gen nie entschuldigt oderWorte des Bedauerns gefun-den. In dieser Zwicklage hat-te der Vize-Chef des WB En-de 2003 eine äusserst genialeIdee und holte zum Befrei-ungsschlag aus: Die SP-Ver-treterin im Gemeinderat vonLeukerbad muss Worte desBedauerns für das CVPO-WB-Debakel finden! Dasheisst, sie hätte es tun sollen.Und weil sie dies nicht tat,fuhr ihr der WB-Vize an den

Karren. Die Zeiten spielenwirklich verrückt.

Wer gibt Blatter die DDR zurück?Kennen Sie den schon? «1976pilgerte die sozialistische Seil-schaft mit Klara Obermüller,Peter Vollmer und Co. in dieDDR, um diese überschwäng-lich zu loben?…» Dann lesenSie offenbar immer noch dieWB-Kolumnen von JosephBlatter. Seit 30 Jahren pro Jahrzwei Mal erinnert sich Blatteran die Zeit des kalten Kriegesund wie schön es damals fürrechte Eidgenossen war, dasses die DDR gab. Seit mehr alseinem Jahrzehnt gibt es dieDDR nicht mehr. Vor einemJahr hat die RA gefragt: Wersagt es Blatter endlich? Jetztfordern wir: Gebt ihm dieDDR zurück!

Gelber Anstrich für schwarzes Kuckucksei Die Kantonsrichterwahlenweckten die Streithähne derGelben und Schwarzen. Der

Kandidat der CVPO siegteund die CSPO-KandidatinDoris Vogel hatte das Nach-sehen. Die beiden Parteienbrachten wahre Hahnenkäm-pfe und Streittänze auf dieBühne. Während Jahrzehntenbestens eingeübt, wirkte dasbeinahe echt. Doch nun drohtein Detail, die Scheinkämpfezu entlarven: Selbst bei denGelben führte die Kandidaturvon Vogel zur Frage, ob sieüberhaupt zur Partei gehörtund nicht vielmehr zu denSchwarzen. Dessen gewahrsoll die gelbe Parteispitze demschwarzen Kuckucksei subitoeinen gelben Anstrich verpassthaben. Seither hat die CSPOein Mitglied mehr. Gleich undGleich gesellt sich gern!

Haus der Wirtschaft:Steuerumgehung?Bekanntlich ist der Dozentfür Steuerlehre Beat Walkerauch VR-Präsident der STWConsult AG, welche ihr Bü-ro im Haus der Wirtschaft inNaters hat. Das Wirtschafts-Haus wurde auch mit IHG-Geldern aus dem Steuertopf

finanziert. Dagegen wärenichts einzuwenden. Pikan-terweise will Walker aberdiesen Steuertopf ganz un-zimperlich schmälern. In die-sem Sinne wird Walker imnächsten Mai am Sympo-sium «Steueroasen und Off-shore-Strukturen» einen inter-essanten Vortrag halten.Stichworte dazu sind «Aus-landaktivitäten und Steuer-umgehung». Das Symposiumlockt harmlos mit «Gestal-tungsmöglichkeiten von Off-shore-Strukturen». Herr Pro-fessor Walker, könnte mandas auch mit dem Wort Steu-erhinterziehung umschrei-ben?

Schiffbruch in Oberwald Das Alinghi-Fieber hat dieSchweizer Binnen-Geister be-flügelt. Dabei ging ganz un-ter, dass gleichzeitig die Schiff-fabrik in Oberwald gekentertist. Vor einigen Jahren als Vor-zeige-Projekt der Wirtschafts-förderung gepriesen, geister-te das Projekt noch in den Re-den unserer PolitikerInnenherum, als in Oberwald schonlängst das Gras bis an die Fen-ster wuchs. Jetzt wurden auchoffiziell die Segel gestrichen.Ende letzten Jahres wurde derKonkurs über die Firma «Wo-

odconstruct, the high techway to built AG» eröffnet undkurz darauf mangels Aktiveneingestellt.

Sidelhorn: Hallen-barter gibt GasDie Gemeinde Obergestelnwill dem toten Sidelhorn-Geist wieder Leben einbla-sen. Seit 20 Jahren kamen ausBern nur Stopp-Signale unddas Projekt gilt beim Bundes-amt für Verkehr längst als er-ledigt. Ein wichtiger Grund:Es fehlte die regionale Ab-stützung. Zudem ist dieStandortgemeinde Oberwaldpleite. Doch jetzt probt Ge-meindepräsident Hans Hal-lenbarter den Alleingang. Voretlichen Jahren bekam dasPlanungs-Büro des inzwi-schen verstorbenen JulesAufdereggen den Auftrag,ein neues Gesuch auszuar-beiten. Nach jahrelanger Pla-nung scheint das Projekt nunspruchreif. Statt das Projektsachte in die Schublade zu legen und keine Geister zuwecken, welche die Geldver-schwendung für die Planunganprangern könnten, wirddemnächst im WB ein ganz-seitiger Bericht des Hofjour-nalisten des Gemeindepräsi-denten erwartet und später eine erste Publireportage...

18 ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004 19ROTE ANNELIESE • Nr. 181 / Februar 2004

Wohin frau/man geht

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Ausschneiden und senden an: Rote Anneliese, Postfach 441, 3900 Brig; Fax 027 923 69 71

Umwelt-Agenda

Freitag, 13. Februar, 19.00 Uhr,Singsaal im Schulhaus Sand in VispGeneralversammlung der NVO

anschliessend um 20.00 UhrWichtige Vogelschutzgebiete im OberwallisVortrag

Donnerstag, 4. März, 19.00 Uhr,Bahnhofbuffet in BrigVor einer neuen Ölkrise – Grün gewinnt!Vortrag von Rudolf Rechsteiner

Samstag, 12. März, 8.00 Uhr,Lonza Biotop BrigerbadPflegeeinsatz in Zusammenarbeitmit Jungjägern und Pro Natura

Mittwoch, 17. März, 19.00 Uhr,Kollegium BrigGeologie im Neat-TunnelVortrag von Federico Giovanoli

Samstag, 20, MärzGeologie im südlichen LötschbergbasistunnelExkursion mit Federico Giovanoli

Sonntag, 28. März, 7.20 Uhr,Bahnhofplatz in VispFrühlingsexkursion «Pouta Fontan, Grône»

Dienstag, 20. April, 19.00 Uhr,Kollegium BrigAllergien und Umwelt, welche Präventionsmassnahmenmachen Sinn?Vortrag von Dr. Norbert Yawalkar

Donnerstag, 22. April, 20.00 Uhr,Bahnhofbuffet in BrigSchmetterlinge im AlpenraumDiavortrag mit Ralph Imstepf

Sonntag, 25. AprilVogelbeobachtungOrnithologischer Morgenspaziergang für Laien

Nähere Informationen & Anmeldung:Oberwalliser UmweltsekretariatTel. 027 923 61 62

Freitag, 27. & Samstag,28. Februar, jeweils 20.30 UhrAnnelore SarbachFroni Trilli

Samstag, 6. März, 20.30 UhrNikolaj GogolTagebuch eines WahnsinnigenRené und Andi Schnoz

Donnerstag, 18. März, 20.30 Uhr

Laurence ReveyKonzert

Freitag, 26. März, 20.30 UhrHeinrich BöllAnsichten eines ClownsPascal Ulli

Sonntag, 28. März, 17.00 UhrLouisiana Redsings the Blues

Sonntag, 18. April, 11.00 UhrMatineeQuatuor de Neuchâtel & Piano

Samstag, 8. Mai, 20.30 UhrLyn LeonAcid- und Nu-Jazz

Freitag, 14. Mai, 20.30 UhrAlf MahloDer Menschenfreund

Infos unter: www.kellertheater.ch

Informationen aus erster Hand. Mit einem Abo der RA.

Auf dem Sekretariat der Roten Anneliese

Büro zu vermieten

(15 m2)Ort:

Restaurant Simplon, Naters3. Stock

Preis:150 Franken pro Monat

Auskunft erteilt: 027 923 63 89

Widerspruch: Heft 45Bildung, Wissen, Informationstechnologie

Seit dem Siegeszug der Kommunikations-technologien gelten Information und Wissenals neue Produktionsfaktoren im Kapita-lismus. Der exklusive Zugriff auf Wissen er-möglicht das Abschöpfen hoher Profite, je-de Information wird zur Ware. Dagegen mar-kieren die Leitgedanken einer ökologisch undlebensweltlich orientierten Wissens- undKulturgesellschaft von André Gorz mögli-che Alternativen zum totalitären Vorhaben vonWissenschaft und Kapital, zur «posthumanenZivilisation». Rainer Fischbach entmystifiziert die Phan-tome der Wissensgesellschaft und der Wis-sensökonomie; bei allem sich beschleuni-genden technischen Fortschritt und aller Ef-fizienzsteigerung – eine Entmaterialisierungder Wirtschaft ist nicht in Sicht, die Arbeitgeht nicht aus. Als Medium der Netzwerk-gesellschaft ermöglicht das Internet, so Rai-ner Rilling und Christoph Spehr in ihrenThesen, auch für die Linke neue Formen derÖffentlichkeits- und Mobilisierungspolitik.Vom 10. bis 12. Dezember 2003 fand in Genfder UNO-Weltgipfel zur Informationsgesell-schaft statt.

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VON KURT MARTI

Robert Zeiter, der Post-Verant-wortliche für die Zustellung,wollte mit einem Leserbriefdie Meinung der Post zurneuen Verteilorganisation desMengis-Verlages kundtun:Der WB-Verleger FerdinandMengis sage nur die halbeWahrheit. Er verschweige derLeserschaft wichtige Zahlenund dass eine Tochterfirmader Post die Frühzustellung zueinem annehmbaren Preis an-geboten habe. Der Mengis-Verlag schaffe eine «Zwei-Klassen-Leserschaft» und bür-de die zusätzlichen Kosten fürdie Zustellung in den Seiten-tälern der Post auf.

Mengis: Geldsacknäher als die LeserschaftHerr Mengis sei offenbar derGeldsack näher als die Leser-schaft. Und Zeiter forderteMengis auf, die Frühzustellung

in allen Dörfern des Oberwal-lis zum gleichen Preis zu ga-rantieren. Der Leserbrief ist imWB nie erschienen. Des Rät-sels Lösung heisst: WB-Ver-leger Ferdinand Mengis! Er hatden Leserbrief abgefangen undZeiter einen «freundlichenBrief» geschrieben. Es machekeinen Sinn, den Leserbrief zuveröffentlichen, war Mengisder Meinung. Es gäbe nachhernur ein Hickhack in der Öf-fentlichkeit. Und das sei nichtgut. Kurzum: Der Leserbriefwurde nicht veröffentlicht. DieRA holt dies gerne nach.

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VISP/BRIG – Die Rote Anneliese klopfte im letztenHerbst den Mengis-Verlag aus dem Busch. Klamm-heimlich beschloss dieser, der Post den Verteilauf-trag für die grösseren Talgemeinden zu entziehenund durch eine eigene Zustellung zu ersetzen. Post-angestellte wollten per WB-Leserbrief dagegen pro-testieren. Doch der WB-Verleger sagte: Nein!

WB-Verleger Ferdinand Mengis:

Zensur für Leserbrief der Post

Der heitere Schluss

Die Walliser Grünen an der Grünen Woche in Berlin

WB-Verleger Ferdinand Mengis: Ganz der Alte!