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Logistik-Trends Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu den Top-Themen des Jahres 2014 ab Seite 4 SPEZIAL Verzeichnis der führenden Logistikanbieter ab Seite 49 24 VERKEHRSTRÄGERWAHL Logistikleiter Frank Schröer erläutert, wie Verlader ihre Wahl zwischen Bahn, Binnenschiff und LKW treffen 36 LEAN MANAGEMENT IM LAGER Wie sich Lean Management auch in der Lagerlogistik anwenden lässt, verrät Professor Kai Furmans Das Sonderheft der VerkehrsRundschau verkehrs RUNDSCHAU Who is Who SPEZIAL LOGISTIK 2014

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  • Logistik-TrendsPersönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu den Top-Themen des Jahres 2014 ab Seite 4

    SPEZIAL

    Verzeichnis

    der führenden

    Logistikanbieter ab Seite 49

    24 VERKEHRSTRÄGERWAHLLogistikleiter Frank Schröer erläutert, wie Verlader ihre Wahl zwischen Bahn, Binnenschiff und LKW treffen

    36 LEAN MANAGEMENT IM LAGERWie sich Lean Management auch in der Lagerlogistik anwenden lässt, verrät Professor Kai Furmans

    Das Sonderheft der VerkehrsRundschau

    verkehrs RUNDSCHAU

    Who is WhoSPEZIAL

    LOGISTIK 2014

  • Die leistungsstarken Kühlsattelaufl ieger von KRONE erhalten Sie als Cool Liner Duoplex Steel mit dem durchgehenden Stahlpaneel. Robust, praktisch, effi zient. Der

    KRONE Cool Liner ist maßgeschneidert für den harten Einsatz im temperaturgeführten Warenverkehr. Chassis, Aufbau und Ausstattung sind stabil und durchdacht. Vom fl exiblen

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  • Andre Kranke stellv. Chefredakteur

    Inspiration für Ihre „Algebra“

    A ls George Boole im Jahre 1854 seine „Denkgesetze“ veröffentlichte, war ihm noch nicht klar, dass 160 Jahre später nahezu die gesamte moderne Mensch-heit seinen Regeln folgen würde. Der englische Mathemati-ker reduzierte die Logik auf die zwei Größen „wahr“ und „falsch“. Mit seiner „1 oder 0“-Philosophie legte er den Grundstein für die heute weitgehend computergesteuerte Welt. Diese hat mittlerweile auch nahezu alle logistischen Prozesse erfasst und verändert diese fortwährend. Wer aber die Veränderungen durch die Digitalisierung wirk-lich verstehen und beherrschen will, der benötigt mehr als Boolesche Algebra. Denn allein mit der digitalen Logik lässt sich das oftmals irrationale Verhalten von Menschen nicht

    immer vorhersagen und schon gar nicht steuern. Es verwun-dert deshalb nicht, dass Logistiker wie Karl-Martin Pfenning über Visionen wie „Crowd Logist ics

    Sourcing“ nachdenken, um komplexe Probleme in den Sup-ply Chains zu lösen (siehe Seite 5). Führungskräfte sollten sich regelmäßig die Zeit nehmen, das tägliche Handeln und die alltäglichen Wahrheiten zu hinterfragen. Das „Who is Who Logistik“ lädt Sie – wie jedes Jahr – wieder ein, genau dies zu tun. Namhafte Autoren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik schauen für Sie ins Jahr 2014 und darüber hinaus und ermöglichen Ihnen, vielleicht genau die Inspiration zu finden, um eigene neue „Denkgesetze“ zu formulieren. Und vielleicht beginnt eines Tages ein Ver-kehrsRundschau-Redakteur an dieser Stelle seine Zeilen mit einem Verweis auf Ihre „Algebra“... ❙❚■

    4 Innovationen des JahresDie Umsetzung welcher Ideen sich namhafte Logistiker wünschen

    10 EU-VerkehrspolitikBilanz und Zukunft der europäischen Verkehrspolitik

    16 VerkehrsinfrastrukturWie EU und neue Bundesregierung die Infrastruktur beleben müssen

    20 Kontraktlogistik Worauf Auftraggeber und Auftragnehmer mehr achten müssen

    24 VerkehrsträgerWann sich Verlader für Binnen-schiff, Bahn oder LKW entscheiden

    28 Kombinierter VerkehrUnter welchen Bedingungen der KV wirklich erfolgreich sein kann

    32 Seecontainer-FrachtratenWie sich die volatilen Container-frachten kalkulieren lassen

    36 IntralogistikWarum sich Lean Management auch im Lager umsetzen lässt

    40 LogistikimmobilienAnforderungen an neue Lager für die digitale Gegenwart und Zukunft

    44 Grüne LogistikWodurch der Umweltschutz nach-haltig verbessert wird

    48 Termine und AwardsWelche Events Sie in Ihrem Kalender eintragen sollten

    Sich Zeit nehmen, das tägliche Handeln und die alltäglichen Wahrheiten zu hinterfragen

    IMPRESSUMVerlag Heinrich VogelSpringer Fachmedien München GmbH,Aschauer Straße 30, 81549 MünchenTelefon (Zentrale) 0 89 / 20 30 43 - 0 Telefax (Redaktion) 0 89 / 20 30 43 - 18 41

    Geschäftsführer Peter Lehnert

    Verlagsleiterin Fachmedien Katrin Geißler-Schmidt Chefredakteurin (V.i.S.d.P.) Birgit Bauer (bb) 089 / 20 30 43-25 21Stellvertretender ChefredakteurAndre Kranke (ak) 089 / 20 30 43-23 39Chef vom Dienst Tobias Rauser (tr) 089 / 20 30 43-22 03

    Gesamtleitung HerstellungMaren Krapp 0 89 / 20 30 43 - 14 18

    Grafik/LayoutStefanie Michalski

    Vertriebsservice 0 89 / 20 30 43 - 1100 AnzeigenleitungMatthias Pioro 0 89 / 20 30 43 - 11 22([email protected])

    DruckStürtz GmbH, Alfred-Nobel-Straße 33, 97080 Würzburg

    AnzeigenpreiseEs gilt die Anzeigen-Preisliste vom 1.1.2013

    Nachdruck und VervielfältigungenDie Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar.

    ManuskripteFür mit Namen gekennzeichnete Beiträge ist der Autor verantwortlich. Der Verlag übernimmt keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte. Mit dem Autorenhonorar gehen die Verwertungs-, Nutzungs- und Vervielfältigungsrechte an den Verlag über, insbesondere auch für elektronische Medien (Internet, Datenbank, CD-ROM).

    Für die Herstellung des Who is Who Logistik verwenden wir chlorfreies Papier.

    B R A N C H E N G U I D E

    Ein informatives Verzeichnis wichtiger Anbie-ter von logistischen Produkten und Dienst-leistungen finden Sie im Branchenguide des Who is Who Logistik 2014. Seite 49

    PDF-Download: Who is Who Logistik 2014www.verkehrsrundschau.de/wiw2014

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 3

    Who is Who Logistik 2014Editorial

  • Innovationen des Jahres

    Welche Innovationen wünschen Sie sich?Welche Innovationen wünschen Sie sich für das Jahr 2014 für die Logistik? Die VerkehrsRundschau hat bei namhaften Vertretern aus Verladerschaft und Logistikdienstleistung nachgefragt.

    Mittels Digitalisierung starre Strukturen aufbrechen

    Für das Jahr 2014 wünschen wir uns nicht die eine Innovation. Vielmehr wünschen wir uns, dass wir mit bereits angestoßenen und im Roll-out befindli-chen Neuerungen Erfolg haben werden. Diese Neuerungen lassen sich unter dem Oberbegriff „Digitalisierung“ zusammenfas-sen. Im Rahmen unseres kontinuierlichen Verbesserungsprozesses „KVP“, den wir seit Jahren im Unternehmen praktizieren, hilft uns die Digitalisierung dabei, starre Struk-turen aufzubrechen und unsere Prozesse weiter im Sinne unserer Kunden zu opti-mieren. Allgemein betrachten wir Innovati-onen als etwas, was wir als Dienstleister zu erbringen haben. Probleme erkennen, bevor es der Kunde tut, und entsprechen-de Lösungen bieten – darum geht es heute in der Logistik. Ich möchte hier nur zwei Beispiele nennen: Bereits im Som-mer 2013 haben wir mit einem Feldversuch zu den Einsatz-möglichkeiten des QR-Codes im Stückgutbereich einen wei-teren Schritt Richtung Digitalisierung innerhalb unseres Spe-ditionsnetzwerkes System Alliance gemacht. Im Vergleich mit dem heute genutzten Barcode kann der qua-dratische QR-Code eine deutlich größere Informationsmenge aufnehmen. Für die speditionellen Abläufe ist besonders inte-ressant, dass der Code bereits beim Versender die Möglichkeit

    für eine direkte Schnittstellenkontrolle bie-tet. Sendungsdaten können bei der Abho-lung sofort erfasst und an ein Transport-Management-System übertragen werden. Die übernommenen Packstücke werden dabei unmittelbar mit dem Speditionsauf-trag abgeglichen. Auf lange Sicht ist sogar denkbar, dass künftig bereits der Übernah-me-Scan ein Avis der Sendung an den Emp-fänger auslöst.Zum Jahreswechsel werden wir eine weite-re digitale Neuerung präsentieren: Die Hell-mann Abhol-App. Mit dieser neu entwickel-ten Anwendersoftware werden unsere

    Bestands- und Neukunden die Möglichkeit haben, ihre Abho-lung mittels Smartphone oder Tablet zu platzieren – schnell, unkompliziert und sicher. Nachdem der Kunde mit wenigen Klicks alle relevanten Sendungsinformationen an uns über-mittelt hat, wird er binnen 30 Minuten von uns informiert, dass sein Auftrag eingegangen ist und wann die Abholung erfolgt. Dadurch beschleunigen wir die Prozesse auf beiden Seiten und schaffen echten Mehrwert.

    Klaus Hellmann, Geschäftsführender Gesellschafter, Hellmann Worldwide Logistics

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    4 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • Innovationen des Jahres

    Verbesserungen durch „Crowd Logistics Sourcing“

    Mehr als 2000 Versuche brauchte Thomas Alva Edison, um eine all-tagstaugliche Glühlampe zum Leuchten zu bringen. Versuch und Irrtum haben ihn viele einsame Jahre gekostet. Heute, im Zeitalter der sozialen Medien, liegt die Werkstatt für Innovationen im Netz. Wenn Fir-men nach neuen Ideen Ausschau halten, aktivieren sie gern die gebün-delte Kraft der weltweiten Internetgemeinde. Per Mausklick liefert die sogenannte Schwarmintelligenz Impulse für Design- und Produktinno-vationen oder technologische Weiterentwicklungen. Wäre es nicht eine verlockende Idee, die geballte Intelligenz aus dem World Wide Web zur Lösung zentraler Branchenherausforderungen in der Logistik zu nutzen? Natürlich ist „Crowd Logistics Sourcing“ eine Vision. Aber eine durchaus realistische. Denn sie setzt auf das Prinzip der massenhaften Beteiligung. So nutzen beispielsweise IT-Unternehmen das Feedback von Anwendern, um Apps nutzerfreundlicher zu gestalten. Übertragen auf die Logistik hieße das: Sendungsempfänger wären nicht nur das Ziel der Supply Chain, sondern zugleich Mitgestalter von Logistikprozessen. Best Practices aus anderen Industrien könnten Eingang in die Logistik finden und innerhalb kürzes-ter Zeit neue Standards etablieren. Verständnis, Akzeptanz und Image der Logistik würden auf ganzer Linie gewinnen. Rasant wachsende Anforderungen an die Branche machen es notwendig, sich in dieser Hin-sicht zu öffnen. Zum Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit. Da dies ein Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist, liegt die Beteiligung

    der Öffentlichkeit innerhalb, aber auch außerhalb sozialer Medien nahe. Gute Erfahrungen mit Partizipations-strategien haben wir bei der Planung und Realisierung des Pfenning Logis-tikzentrums Multicube Rhein-Neckar gemacht. Mit einem Kompetenz- und Know-how-Netzwerk haben wir ein Multi-User-Warehouse konzipiert, das mit der DGNB Gold Vollzertifizie-rung europaweit auf Rang 1 der nachhaltigsten Industrieneubauten steht. Im Rahmen dieses Projektes haben wir das Innovationspotenzial der involvierten Interessengruppen mit Blick auf ein gemeinsames Ziel hin gebündelt. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieses Vorzeigepro-jekts war die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde in die optische Gestaltung der Anlage, die sich heute dank des Dialogs mit viel Holz und bunten Farben in einer für Logistikanlagen bislang einmali-gen Optik präsentiert. Für das Jahr 2014 wünsche ich unserer Branche den Mut, innovativen Formen des Dialogs Raum zu geben. Mit Crowd Logistics Sourcing könnte uns dabei ein Licht aufgehen.

    Karl-Martin Pfenning, Geschäftsführender Gesellschafter, Pfenning Logi stics

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    Verkehrssysteme zukunftssicher gestalten

    D ie Stahlindustrie in Deutsch-land setzt auf nachhaltigen Verkehr: 52 Prozent ihrer Mengen laufen über die Schiene, 28 Prozent über Binnenwasserstraßen und 20 Prozent über die Straße. Die Branche gewinnt hierbei einen umfassenden Einblick in den besorgniserregen-den Zustand des deutschen Ver-kehrssystems. Die Verkehrspolitik steht vor zwei großen Aufgaben: Das erwartete Verkehrswachstum muss bewältigt werden. Ferner muss Mobilität künftig nachhaltiger

    sein als heute. Stattdessen wird nicht einmal die Grundvoraussetzung erfüllt, nämlich der Substanzerhalt der bestehenden Infrastruktur. Die sogenannte Daehre-Kommission mahnt einen Mehrbedarf von 7,2 Milli-arden Euro allein an zusätzlichen jährlichen Bestandsinvestitionen an. Wichtig ist, dass jetzt ein fundamentaler Kurswechsel vorgenommen wird: Allein in die Verkehrswege des Bundes müssen jährlich cirka 14 Milliarden Euro investiert werden (auf bedarfsgerechte Fortschreibung muss geachtet werden). In Deutschland werden rund 71 Prozent der Transportleistung auf der Straße, 17 Prozent auf der Schiene und 9 Pro-zent auf Binnenwasserstraßen befördert. Dies verdeutlicht, dass eine

    Verkehrspolitik, die fast allein auf die Schiene setzt, scheitern muss: Selbst bei einer sehr erfolgreichen Entwicklung des Bahnsektors kann der Verkehrsträger nur einen Teilbeitrag zur Erreichung der ökonomi-schen und ökologischen Ziele leisten. Auch die Binnenschifffahrt muss gestärkt werden. Und vor allem müssen Effizienzpotenziale des Straßen-güterverkehrs analysiert und umgesetzt werden – sachorientiert und ideologiefrei. Konkretes Beispiel: Die aktuellen Längen- und Gewichts-vorgaben müssen überprüft werden. Ein Baustein könnte zum Beispiel eine moderate Erhöhung des zulässigen LKW-Gesamtgewichts beim Transport von zwei ähnlich schweren Einzelstücken von 40 auf 44 Ton-nen sein, um mehr Spielraum für eine sinnvolle Auslastung zu erhalten. Die Stärkung des Bahnsektors setzt vor allem europaweit den Erhalt und die Stärkung des bestehenden Einzelwagensystems voraus, für das sich DB Schenker Rail insgesamt vorbildlich engagiert. Positiv ist auch, dass in jüngster Zeit bei DB Schenker Rail nach intensivem Austausch Signale für einen Kurswechsel zurück zu einer verstärkten Kundenorientierung erkennbar sind. Weitere Schlüsselfaktoren zur Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs sind der Erhalt und die Stärkung des Wettbe-werbs und eine generelle Modernisierung des Verkehrsträgers, zum Bei-spiel bei der Wagentechnik (Lärmentwicklung, Kupplung). Nur durch eine effiziente Optimierung aller Verkehrsträger kann das Verkehrssys-tem in Deutschland zukunftsfähig gestaltet werden.

    Hans-Joachim Welsch, Geschäftsführer, Rogesa Roheisengesellschaft Saar

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    Who is Who Logistik 2014

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 5

  • Innovationen des Jahres

    Umweltfreundlicher und ressourcenschonender Verkehr

    Seit mehreren Jahren steht der Straßenverkehr und hier insbe-sondere der Straßengüterverkehr im Fokus der umweltpolitischen Diskus-sion. Der LKW gilt in der öffentlichen Meinung als einer der maßgeblichen CO2-Emittenten in Deutschland. Obwohl die realen Zahlen diese Unterstellung nicht rechtfertigen, ist der LKW-Verkehr doch tatsächlich nur zu fünf Prozent an den CO2-Emmissio-nen in Deutschland beteiligt, stellt sich das Gewerbe seiner umweltpoli-tischen Verantwortung. Dies wird

    schon alleine an den in den letzten 20 Jahren deutlich gesunkenen Schad-stoffemissionen unserer LKW-Flotten klar. Über 60 Prozent des Bestandes an LKW und Sattelzugmaschinen mit einem Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen weisen mittlerweile die Schadstoffklasse Euro 5 und besser auf. Bereits mit der flächendeckenden Einführung von Fahrzeugen der Schad-stoffklasse Euro 5/EEV hat das Gewerbe seine Hausaufgaben in Sachen Emissionsausstoß so gut wie erledigt, Euro 6 bringt nur noch eine margina-le Verbesserung von cirka zwei Prozent. Damit hat das deutsche Gewerbe den Emissionsausstoß seiner LKW-Flotten innerhalb von 20 Jahren um cirka 90 Prozent reduziert. Welcher andere Wirtschaftszweig kann ähnliches von sich behaupten? Weitere nennenswerte Schritte, insbesondere im Bereich CO2-Emissionen, können nur durch eine geschlossene Strategie

    aller Beteiligten, nämlich Politik, Gewerbe und Öffentlichkeit, gegangen werden. Die Öffentlichkeit wird aber akzeptieren müssen, dass es den umweltfreundlichen Verkehrsträger schlechthin nicht gibt. Jeder einzelne Verkehrsträger hat seine eigenen spezifischen Vor- und Nachteile. Was den LKW betrifft, wird er für schwere und mittelschwere Nutzfahrzeuge bis auf Weiteres auf fossile Energieträger angewiesen bleiben. Industrie und Flot-tenbetreiber benötigen jetzt dringend eine „Atempause“ vonseiten der Poli-tik, um nach den technischen Quantensprüngen der vergangenen 20 Jahre nicht mit weiteren übereilten Umweltstandards überrannt zu werden. Sinn-volle weitere Schritte könnten indes so aussehen:

    ■ Erforschung und Erprobung regenerativer Kraftstoffe, jedoch unter Berücksichtigung des lediglich begrenzten Nutzens des aus Pflanzen gewonnenen Biokraftstoffs. Hier wäre in erster Linie zu denken an die Elektromobilität wie den Energieträger Wasserstoff.

    ■ Innovative Antriebe wie H-Hybrid oder Mehrfachkraftstoffantriebe ■ Innovative Fahrzeugkonzepte: hier müssen es die Zulassungsvorschrif-ten künftig erlauben, durch aerodynamisch gestaltete NFZ Energieein-sparungspotenziale von 20 Prozent und mehr zu erzielen.

    Meine Vision lautet: Wohlstandserhaltung und damit intensiver Güterver-kehr einerseits und Ressourcenschonung sowie Erhaltung unserer lebens-werten Umwelt andererseits sind keine Gegensätze, sondern können sich unter Voraussetzung einer ideologiefreien, von gegenseitigem Respekt getragenen Verkehrs- und Umweltpolitik sogar ergänzen.

    Hans Wormser, Persönlich haftender Gesellschafter, Wormser Qualitätslogistik

    Innovative Ansätze für die Infrastrukturpolitik

    Im Zentrum der Verkehrspolitik in der 18. Legislaturperiode wird die Infrastrukturpolitik stehen. Alle Akteure sind sich einig, dass die Ver-kehrsinfrastruktur in Deutschland seit Jahren unterfinanziert und eine Verstärkung der Investitionsmittel erforderlich ist. Sonst droht der Logis-tikstandort Deutschland Schaden zu nehmen. Denn ohne funktionieren-de Verkehrswege funktioniert auch Logistik nicht. Allerdings beschränkt sich die Diskussion meist auf die Frage, wie die Einnahmen des Staates aus dem Verkehrsbereich erhöht werden können. Doch die Verkehrspoli-tik der kommenden Jahre muss wesentlich mehr schaffen als das: Gefragt sind echte Innovationen, damit die vorhandenen Mittel rationa-ler, transparenter und effizienter eingesetzt werden. Ein zentrales Prob-lem des bisherigen Systems ist die Ausrichtung an jährlichen Haushalts-entscheidungen. Zwar erlaubt das Instrument der Verpflichtungser-mächtigungen schon heute ein gewisses Maß an Überjährigkeit. Doch letztlich reicht diese Möglichkeit nicht aus. Die Leistungs- und Finanzie-rungsvereinbarung für den Bereich der Schiene hat einen Weg aufge-zeigt, wie eine zugriffssichere, planbare, überjährige Mittelbindung für die Verkehrswege umgesetzt werden kann. Dieser Ansatz könnte analog auch für die Straße verwendet werden. Alternativ wären Fondslösungen denkbar. Wichtig ist, dass damit Raum geschaffen wird, um Bau und Erhaltung mehr an betriebswirtschaftlichen Kriterien als an der kurzfris-tigen Kassenlage ausrichten zu können. Die Einrichtung von Infrastruk-turfonds sollte dabei aber dem Grundgedanken verkehrsträgerspezifi-scher Finanzierungskreisläufe folgen. Fonds, die verschiedene Verkehrs-

    träger oder auch verschiedene staat-liche Ebenen miteinander vermen-gen, führen zu weniger Transparenz und zu unklaren Finanzierungsstruk-turen. Auch bei der Frage, wie wir Infrastruktur bereitstellen, gibt es noch Optimierungsmöglichkeiten: Anreizsysteme, neue ÖPP-Varianten, Lebenszyklusansätze, Priorisierungs-strategien bieten Chancen, damit am Ende mehr Straße oder Schiene pro Euro herauskommt. Regelmäßige Netzzustandsberichte können zudem die Frage beantworten: Haben die Investitionen die Verkehrsqua-lität tatsächlich verbessert? Wichtig wäre auch, die vorhandene Pla-nungsexpertise trotz föderalen Staatsaufbaus stärker zu bündeln. Oft können Erfahrungen aus der Planung großer Infrastrukturprojekte nicht weiter genutzt werden, weil das nächste Projekt in einem anderen Bun-desland in Angriff genommen wird. Die neue Legislaturperiode bietet die große Chance, eine echte Reform der Infrastrukturfinanzierung umzu-setzen. Nutzen wir die Potenziale, um beim Erhalt und Ausbau der Ver-kehrsinfrastruktur deutlich effizienter und wirtschaftlicher zu werden!

    Matthias Wissmann, Präsident, Verband der Automobilindustrie (VDA)

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    VDA

    6 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • Telematik

    TelematikTelematik

  • Anerkennung von Nachhaltigkeits-Initiativen durch Kunden

    D ie BLG hat mit ihren drei Geschäftsbereichen Automo-bil-, Kontrakt- und Containerlogistik und den zahlreichen angeglieder-ten Geschäftsfeldern eine sehr hete-rogene Kundenlandschaft, zu der die großen Reeder, Automobilher-steller und Handelsunternehmen ebenso zählen wie mittelständische Unternehmen. In den meisten Fäl-len sehen wir die Tendenz, über relativ kurze Vertragslaufzeiten die Dienstleister eng zu steuern und kurzfristig austauschbar zu halten.

    Etwa 80 Prozent der Ausschreibungen sind Kontrakte, die nur über drei Jahre laufen. Bei unseren Bemühungen, logistische Prozesse weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus umweltschonender und effizienter zu gestalten, werden wir zwangsläufig mit höheren Investitionen bei Bau und Ausstattung der Logistikzentren sowie bei der Gestaltung von Logistikprozessen konfrontiert. Ob LED, Geothermik, RFID, Robotik oder IT-Leitstände – längere Vertragslaufzeiten stärken unsere Investitions-

    kraft für Gebäudetechnik und Prozessautomatisation mit entsprechend längeren Amortisationszeiten. Ähnliches gilt für die Optimierung von Prozessen. Hier liegt die besondere Kompetenz der Logistikdienstleister. Erst in eingespielter Zusammenarbeit  kann sich der bei beiden Partnern vorhandene Spielraum zur gemeinsamen, übergreifenden Ablaufopti-mierung entwickeln. Die BLG hat in den letzten Jahren etwa vier Millio-nen Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben, ambitionierte Projekte mit Kunden, Technologieunternehmen und der Wissenschaft durchgeführt. Die Finanzierung einiger Projekte wird durch das von der Bundesregie-rung geförderte Programm Isetec II unterstützt. Isetec steht für „Innova-tive Seehafen-Technologien“. Die aus unserem Engagement für neue Technologien und Nachhaltigkeit gewonnenen Erkenntnisse und das Know-how aus der alltäglichen Lösungsentwicklung können wir Kunden ungleich leichter in längerfristigen Vertragsverhältnissen zugänglich machen. Und so wünsche ich mir für das nächste Jahr, dass Kunden die Initiativen der Logistiker zum Klimaschutz, zur Übernahme gesellschaft-licher Verantwortung und Innovation wahrnehmen und deren Nachhal-tigkeit auch zu schätzen wissen.

    Frank Dreeke, Vorstandsvors itzender, BLG Logistics Group

    Der Disponent von morgen braucht intelligente Assistenzsysteme

    N ie wurden so viele Güter auf der Straße transportiert wie heute. Gleichzeitig steigt der Druck, Transporte so effizient wie möglich zu organisieren. Ohne moderne IT-Unterstützung und konsequentes Kos-tenmanagement ist diese Herausforderung kaum zu bewältigen. Hohe Verfügbarkeit von Kapazitäten, hohe Zuverlässigkeit bei der Transport-durchführung, schnelle Reaktionsfähigkeit, die Erfüllung kundenspezifi-scher Vorgaben bei gleichzeitig niedrigen Kosten – das wird auch zukünftig die Erwartungshaltung der Verlader sein. Die Anforderungen werden weiter ansteigen, das bestätigen aktuelle Trends. Sicherheit und Umweltverträglichkeit genießen auch in Zukunft höchste Priorität im Straßengüterverkehr. Gesetzliche Vorgaben definieren das Raster, in dem sich die Transportplanung bewegt. Nicht nur gesetzliche Restriktio-nen, auch betriebliche, organisatorische oder Equipment-spezifische Einschränkungen erschweren zusätzlich die effiziente Auslastung. Die Vereinbarkeit von Marktanforderungen mit gegebenen Planungsrestrik-tionen führt bereits heute zu einem Spannungsfeld mit unterschiedli-chen Zielkonflikten. Zukünftige Anforderungen und Planungsrestriktio-nen lassen erahnen, welche Komplexität es zu managen gilt. Der Dispo-nent von morgen braucht intelligente Assistenzsysteme, die Teilaufga-ben übernehmen und so die Komplexität reduzieren. Ein möglicher Lösungsansatz, um zukünftige Komplexität zu managen und die best-mögliche Auslastung zu erreichen, ist ein integriertes Transportpla-nungssystem. Unterschiedlichste Echtzeitinformationen werden hierbei

    mit der intelligenten Steuerung eines Agentensystems kombiniert. Alle relevanten Einflussfaktoren und Restriktionen wie die verbleibende Lenkzeit des Fahrers, die aktuelle Verkehrslage oder die Fahrzeugaus-lastung werden dem System als Inputfaktoren in Echtzeit bereitge-stellt. Die Aufträge werden den Res-triktionen gegenübergestellt und die optimale Kombination als Vorschlag ermittelt. Eine nächste Ausbau-stufe kann die Aggregation von Drittsystemen weiterer Prozessbeteilig-ter sein. Beispielsweise durch die Vernetzung von Frachtbörsen, der Transportplanungssoftware und einer Zeitfenstersteuerung. Erste Vorar-beiten leistete Stute bereits im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsprojektes „Amatrak“ (Autonome Multiagenten Transport Koordination). Nun gilt es, gemein-sam mit Verladern, Software-Anbietern und Plattformbetreibern die Umsetzung in die Praxis voranzutreiben und die zukünftige Komplexität gemeinsam zu managen.

    Christian Dieckhöfer Vorsitzender der Geschäftsleitung, Stute Logistics

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    BLG

    Innovationen des Jahres

    8 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • Konstruktivere Zusammenarbeit aller Beteiligten

    Zuerst wünsche ich mir neue Denkweisen, die Voraussetzung für jede Innovation. Logistiker, Händler und Produzenten sollten sich die Freiheit nehmen, noch viel weiter über den Tellerrand des eigenen Unternehmens und in die Zukunft zu schauen. Eine meiner Lieblingsvisi-onen ist zum Beispiel die innovative urbane Handelsversorgung, durch die unsere Innenstädte leiser, sauberer und sicherer werden. Sie ist aber genau genommen nur das Ergebnis einer sich vorher erfüllenden Vision: Denn wenn sich stationärer Handel und E-Commerce wechselseitig ergänzen und befruchten sollen, wenn wir belebte, saubere und attrakti-ve Innenstädte ebenso erhalten wollen wie unkomplizierte und schnelle Lieferungen bis an die Haustür, wenn wir nicht nur Kosten, sondern auch natürliche Ressourcen sparen wollen, dann müssen wir vor allem eine Innovation schaffen: die Lösung komplexer Herausforderungen durch eine noch konstruktivere Zusammenarbeit aller Beteiligten. Das ist vielleicht keine Innovation im erwarteten Sinne – aber, um Henry Ford zu zitieren „Nicht mit Erfindungen, sondern mit Verbesserungen macht man ein Vermögen.“ Nun sind wir in unserer Branche von Vermö-gen weit entfernt, aber dennoch liegt auch gerade für Dienstleister viel Wahrheit darin. Denn ob Informations- beziehungsweise Datenmanage-ment, optimierte Supply Chains, mehr Transparenz, erhöhte Effizienz oder integrierte Lösungen – bei all diesen Themen ist es unablässig, dass

    sowohl Produzenten, Händler als auch Logistiker mehr partnerschaft-lich denken und handeln – und dies bereits bei der Konzeption und nicht erst in der Umsetzung. Ein einfaches Beispiel: Die Entscheidung über gemeinsam mit dem Logistikpartner vereinbarte Liefertermine kann Syn-ergien schaffen, die die reine Vergabe von Transportaufträgen nicht leisten kann. Aus Sicht des Logistikers wün-sche ich mir also eine Art Prozessinnovation für 2014 und die folgenden Jahre. Ich wünsche mir, dass wir unser logistisches Know-how noch früh-zeitiger in die strategischen Planungen unserer Kunden einbringen kön-nen, dass wir Anforderungen nicht nur erfüllen, sondern kritisch hinter-fragen, neue beziehungsweise optimierte Ansätze entwickeln und wei-ter über den logistischen Tellerrand hinaus denken. Oder anders gesagt: Ich wünsche mir mehr Aktivität, aber auch Selbstbe-wusstsein für eine Branche, die ein so wichtiger Träger der Wirtschaft ist.

    Berndt-Michael Winter, CEO, Logwin

    Logw

    in

    Innovationen des Jahres Who is Who Logistik 2014

    Immer eine

    www.trans-o-flex.com

    starke Verbindung!

  • EU-Verkehrspolitik

    Die Zukunft der Mobilität in EuropaMobilität und Logistik sind für die Europäische Union von höchster Bedeutung. Die EU-Verkehrspolitik fördert deshalb den Ausbau der Infrastruktur, die Reduzierung der Öl-Abhän-gigkeit und den Abbau bürokratischer Hindernisse.

    Die neun Korridore des transeuropäischen Verkehrsnetzes TEN V umfasssen 57.162 Kilometer Straßen, 82.497 Kilometer Bahn-trassen und 14.666 Kilometer Binnen-wasserstraßen

    10 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • ■ Matthias Ruete (geboren 1950 in Mar-burg) leitet seit Februar 2010 als General-direktor die damals neu geschaffene Generaldirektion Mobilität und Verkehr in der EU-Kommission.

    ■ Von 2006 bis 2010 leitete der EU-Beamte die Generaldirektion Energie und Trans-port. Seinen Dienst bei der Brüsseler Behörde hat Ruete 1986 aufgenommen. Seither war er in verschiedenen Ressorts tätig. Den Schwerpunkt bilden Aufgaben in den Bereichen Industrie- und Ver-kehrspolitik.

    ■ Von 1998 bis 2000 war Ruete Direktor für europäische Beziehungen und europäi-sche Verkehrsnetze in der Generaldirek-tion Verkehr, danach wechselte er in die Generaldirektion Erweiterung als Direk-tor zur Koordinierung der Beitrittsver-handlungen.

    ■ Ruete studierte Jura in Marburg, Köln, Berlin, Gießen und London und promo-vierte 1984 an der Universität Gießen.

    Matthias RueteEU-Generaldirektor Mobilität und Verkehr

    A U T O R

    ■ Ostsee-Adria-Korridor von Danzig und Stettin bis Triest, Venedig und Ravenna

    ■ Nord-Ostsee-Korridor von Tallinn nach Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen

    ■ Mittelmeerkorridor von Algeciras (Spanien) bis zur Grenze Ungarn-Ukraine

    ■ Korridor Orient-östliches Mittelmeer von Bremen, Hamburg und Rostock nach Burgas (Bulgarien) und Zypern

    ■ Korridor Skandinavien-Mittelmeer von Helsinki und Oslo nach Palermo

    ■ Rhein-Alpen-Korridor von Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge nach Genua

    ■ Atlantik-Korridor von Mannheim, Straßburg und Le Havre nach Lissabon und Algeciras

    ■ Nordsee-Mittelmeer-Korridor von Irland/Großbritannien nach Marseille

    ■ Rhein-Donau-Korridor von Straßburg und Frankfurt zur Grenze Slowakei/Ukraine und zum Schwarzen Meer

    T E N V N E T Z

    EU-Verkehrspolitik

    M obilität ist das Lebenselixier des europäischen Binnenmarkts. Sie prägt die Lebensqualität der Bür-ger, die ihre Reisefreiheit genießen – und ermöglicht Handel, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dabei wird die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen wesentlich von der Effizienz des Güterverkehrs und der Logistik be-stimmt. Durch die immer größere Spezialisierung im produzierenden Gewerbe und die Aus-lagerung von Fertigungsprozessen, aber auch durch Änderungen im Verbraucher-verhalten, ist das Güterverkehrsaufkom-men in der Europäischen Union deutlich angestiegen. Die internationale Arbeitstei-lung hat in nie da gewesenem Maße Wachstum und Wohlstand erzeugt, aber auch Probleme wie Staus, Lärm und den erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen. Es gilt daher, das Wachstum des Güterver-kehrs in nachhaltige Bahnen zu lenken und so effizient wie möglich zu gestalten. Immer mehr Güterverkehr in der EU ist grenzüberschreitend. Ob es Güterverkehr aus den Nordseehäfen ist, Lieferungen von Roh- oder Halberzeugnissen an räumlich getrennte Fertigungsketten oder Versor-gung der Endverbraucher: Der Güterver-kehr und die Logistik sind zunehmend europäisch und global ausgerichtet.

    Fahrplan für EU-VerkehrsraumLokale Lösungen sind für die genannten Herausforderungen oft nicht mehr mög-lich. Störungen an einem Ort können schnell auf das gesamte Verkehrsnetz über-greifen. Auch die negativen Umweltaus-wirkungen des anwachsenden Güterver-kehrs bedürfen eines überregionalen Lö-sungsansatzes. Auf dem Weg zu einer sol-chen europäischen Lösung ist die EU-Kommission seit 2010 ein großes Stück vorangekommen. Ihre zentrale Herausfor-derung im Bereich Transport und Mobili-tät bestand in der schlüssigen und langfris-tigen Zukunftsausrichtung des europäi-schen Verkehrsraums. Denn die Entschei-dungen, die wir heute treffen, sind für den Verkehr im Jahr 2050 ausschlaggebend. Planung, Bau und Ausrüstung der Infra-struktur benötigen viele Jahre. Züge, Flug-zeuge und Schiffe haben eine Lebensdauer von Jahrzehnten.Das Weißbuch „Fahrplan zu einem ein-heitlichen europäischen Verkehrsraum –Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssys-tem“ aus 2011 formulierte die Vision für

    ein nachhaltiges Verkehrssystem mit einem Fahrplan für konkrete Maßnahmen. Von entscheidender Bedeutung für die Lo-gistikbranche sind dabei die drei folgenden Bereiche:

    ■ der Ausbau der europäischen Verkehrsin-frastruktur von einem Flickwerk zu einem echten Netzwerk (siehe Karte links),

    ■ die Reduzierung der Abhängigkeit vom Öl durch Innovationen

    ■ der Abbau bürokratischer Hindernisse zur Vollendung des Verkehrsbinnen-markts.

    Für Europas Verkehrsinfrastruktur ist 2013 ein Meilenstein. Die EU hat sich auf ein Kernverkehrsnetz mit neun Korrido-ren festgelegt, die das Rückgrat des Ver-kehrs im europäischen Binnenmarkt bil-den und die Ost-West-Verbindungen tief greifend verändern werden. In diesem Kernnetz werden Engpässe beseitigt, die Infrastruktur modernisiert und der grenzüberschreitende Verkehr flüssiger gestaltet. Dies soll Reisenden und Unter-nehmen in der ganzen EU zugute kom-men. Übergänge zwischen verschiedenen

    Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in der EU von einem Flickwerk zu

    einem echten Netzwerk

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    Who is Who Logistik 2014

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 11

  • Ende Mai wird das Europaparlament neu gewählt, das wiederum eine neue EU-Kommission bestätigt

    EU-Verkehrspolitik

    Verkehrsträgern werden verbessert und die EU-Klimaziele unterstützt. Das Kern-netz soll bis 2030 vollendet werden. Es schließt 94 wichtige europäische Häfen an das Schienen- und Straßenverkehrsnetz an, verbindet 38 Großflughäfen per Eisen-bahn mit Ballungsgebieten, umfasst 15.000 Kilometer für den Hochgeschwin-digkeitsverkehr ausgelegte Bahnstrecken und verwirklicht 35 grenzübergreifende Projekte, mit denen Engpässe abgebaut werden. Um diese ambitionierten Ziele erreichen zu können, wird der EU-Haus-halt für Verkehrsinfrastruktur im Zeit-raum 2014 bis 2020 auf 26 Milliarden Euro verdreifacht.

    Vorrang für Ost-West-VerbindungenSchwerpunkt der EU-Finanzierung wird das Kernverkehrsnetz sein, wo sich der größte Mehrwert für die Union erzielen lässt. Um den Ost-West-Verbindungen besonderen Vorrang zu geben, ist annä-hernd die Hälfte der Finanzmittel (11,3 Milliarden Euro aus der Fazilität „Connecting Europe“, CEF) ausschließlich den sogenannten Kohäsionsländern (Län-dern, die einen wirtschaftlichen und sozi-alen Rückstand aufzuholen haben) gewid-met. Die Finanzmittel dienen der An-schubfinanzierung und werden weitere Investitionen der Mitgliedstaaten ansto-ßen. Ergänzt wird das neue Kernverkehrsnetz durch ein umfassendes Netz von Zubrin-gern auf regionaler und nationaler Ebene. Dieses umfassende Netz wird die EU voll-ständig abdecken und die Anbindung aller Regionen sicherstellen. Bis 2050 sollen die meisten Bürger und Unternehmen in Eu-

    ropa nicht weiter als 30 Minuten von die-sem Zubringernetz entfernt sein. Insge-samt wird das neue Verkehrsnetz sicherer und weniger stauanfällig sein und einen reibungsloseren und schnelleren Waren-transport ermöglichen.

    Abhängigkeit vom Erdöl verringernVerkehr in Europa ist zu 94 Prozent von Öl abhängig, von dem 84,3 Prozent impor-tiert werden. Dadurch sieht sich die EU nicht nur steigenden Ölimportkosten aus-gesetzt (im Jahr 2011 waren es eine Milli-arde Euro pro Tag), sondern auch sinken-der Versorgungssicherheit. Das Weißbuch der Kommission setzt auf Innovation und alternative Treibstoffe, um die Abhängig-keit vom Öl zu brechen und den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um 60 Pro-zent zu verringern. Zu den Zielen gehören: annähernd emissionsfreie Stadtlogistik bis

    2030, eine Halbierung der Zahl mit kon-ventionellem Kraftstoff betriebener Fahr-zeuge im Stadtverkehr bis 2030 und eine Verringerung des CO2-Ausstoßes von Schiffen um 40 Prozent. Umweltfreundlichen Kraftstoffen stehen vor allem drei Hindernisse im Weg: die hohen Kosten der Fahrzeuge, eine noch geringe Akzeptanz vonseiten der Verbrau-cher und der Mangel an Ladestationen und Tankstellen. Dadurch entsteht ein Teufelskreis. Tankstellen werden nicht ge-baut, weil es nicht genügend Fahrzeuge gibt. Fahrzeuge werden nicht zu konkur-renzfähigen Preisen verkauft, weil die Nachfrage nicht groß genug ist. Verbrau-cher kaufen die Fahrzeuge nicht, weil sie teuer sind und es keine Tankstellen gibt. Daher hat die Kommission ein Paket vor-geschlagen, das verbindliche Zielvorgaben für die Mitgliedstaaten hinsichtlich einer Mindestinfrastruktur für saubere Kraft-stoffe wie Elektrizität, Wasserstoff und Erdgas (LNG und CNG) sowie gemeinsa-me EU-weite Standards für die erforderli-che Ausstattung enthält.Darüber hinaus hat die Kommission im Rahmen des neuen Forschungsrahmen-programms „Horizont 2020“ umfassende Forschungs- und Innovationsinitiativen auf den Weg gebracht. „Horizont 2020“ ist der Vorschlag der Kommission für mehr Ideen, Wachstum und Beschäftigung auf der Grundlage des größten kollaborativen Forschungsprogramms der Welt (2014 bis 2020). Ein Beispiel für ein ehrgeiziges Pro-jekt ist das gemeinsame Unternehmen Sesar, das gegen die Überlastung des euro-päischen Luftraums vorgeht. Dabei sollen die neuen Technologien entwickelt wer-den, die zur Verwirklichung des einheitli-

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    So viele Güter wurden im Jahr 2004 und 2012 in ausgewählten EU-Ländern über die Straße transportiert

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    Während in Deutschland (+8,2 %) und Polen (+116,2 %) die Gütertransportleis-tung der Straße von 2004 auf 2012 zugenommen hat, gingen die beför-derten Mengen in Spanien (-9,8 %), Frankreich (- 8,9 % und Italien (-37,0 %) zum Teil deutlich zurück

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    Who is Who Logistik 2014

    12 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

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  • chen europäischen Luftraums erforderlich sind, mit dem seine Kapazität verdoppelt und die Verwaltungskosten des Luftver-kehrs halbiert werden sollen. Ineffizienzen aufgrund der Fragmentierung des europä-ischen Luftraums verursachen den Luft-fahrtunternehmen und ihren Kunden jährlich zusätzliche Kosten von nahezu fünf Milliarden Euro. Die Flugstrecke verlängert sich dadurch je Flug im Durchschnitt um 42 Kilometer, sodass die Flugzeuge mehr Treibstoff ver-brauchen und damit mehr Emissionen verursachen; außerdem entstehen höhere Flugsicherungsgebühren und mehr Ver-spätungen. Forschung spielt auch für die anderen Ver-kehrsmittel eine entscheidende Rolle: Ebenfalls im Rahmen des „Horizont 2020“-Programms ist die Kommission im Begriff, eine gemeinsame europäische Technologie-Initiative auf den Weg zu bringen, um Innovation im Schienenver-kehr zu beschleunigen. Und für den Stra-ßenverkehr treibt die Kommission die Einführung „intelligenter Informations-dienste“ voran. Dabei geht es beispielswei-se um die Warnung vor Hindernissen auf der Straße oder um sichere Parkplätze für LKW-Fahrer. Ziel ist es, diese Informati-onsdienste in ganz Europa interoperabel zu machen und sie möglichst vielen Fah-rern zur Verfügung zu stellen, damit sie die Straßen sicherer und effizienter nutzen können.

    Der europäische Verkehrsbinnenmarkt hat noch erhebliche nationale Begrenzun-gen und andere Hindernisse. Ein Beispiel: Obwohl 75 Prozent des europäischen Au-ßenhandelsvolumens und 37 Prozent des EU-Binnenhandels mittels der Schifffahrt abgewickelt werden, wird heute ein Schiff, das zwischen Lissabon und Tallinn ver-kehrt, noch immer so behandelt, als käme es aus China. Sobald es die Hoheitsgewäs-ser eines Mitgliedstaats verlässt, gilt das als Passieren der Außengrenzen und des Zoll-gebiets der EU. Dadurch werden Zollfor-malitäten sowohl im Abfahrthafen als auch im Bestimmungshafen erforderlich. Laut Europäischem Reederverband (ECSA) können durch die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren bis zu 25 Euro

    pro Container eingespart werden, ganz abgesehen von der Zeit, die oft noch wich-tiger ist. Daher hat die Kommission kürz-lich Pläne für einen „Blauen Gürtel“ vor-gestellt, die zum Abbau von Bürokratie und Verzögerungen in Häfen sowie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors beitragen werden.

    Vereinfachung von ZollformalitätenZum einen dienen die Pläne der Vereinfa-chung von Zollformalitäten für den See-verkehr innerhalb der EU: Schifffahrtsge-sellschaften, die regelmäßige Routen in-nerhalb der EU bedienen und überwie-gend EU-Waren befördern, können be-reits von weniger strengen Zollverfahren profitieren (gemäß der Linienverkehrsre-gelung). Die von der Kommission im Juni 2013 vorgelegten neuen Vorschläge kür-zen die Verfahren ab und gestalten sie fle-xibler. Auch Schiffe, die gelegentlich Dritt-landshäfen anlaufen, sollen vereinfachte Zollformalitäten für EU-Waren genießen: Fast 90 Prozent der Schiffe befördern so-wohl EU- als auch Nicht-EU-Waren. Für diese Schiffe schlägt die Kommission Re-gelungen vor, die die Unterscheidung zwi-schen an Bord befindlichen Unionswaren (die im Binnenmarkt verbleiben) und Nichtunionswaren (die die entsprechen-den Zollverfahren durchlaufen müssen) ermöglichen.Wenn die gegenwärtige Kommission Ende 2014 ihre Amtsgeschäfte übergibt, besteht das zentrale Spannungsverhältnis der eu-ropäischen Verkehrspolitik fort: Einerseits ist die komplexe industrielle Struktur Eu-ropas in ihrer jetzigen Form ohne einen effizienten Güterverkehr nicht überle-

    bensfähig. Andererseits ist der Güterver-kehr in seiner heutigen Ausprägung nicht mehr dauerhaft praktizierbar.Verkehr muss als zentraler Wirtschaftsbe-reich Anerkennung finden und gleichzei-tig nachhaltiger werden. Das Ziel für das nächste Jahrzehnt sollte weiterhin darin bestehen, einen wirklich einheitlichen eu-ropäischen Verkehrsraum zu schaffen, in dem alle noch verbleibenden Hindernisse zwischen Verkehrsträgern und nationalen Systemen beseitigt werden. Vor allem im Bereich der Bahn muss noch einiges ge-schehen, um die Schiene attraktiver zu machen.

    Europa kann Spitzenposition haltenDer Prozess der Integration wird das Ent-stehen multinationaler Betreiber fördern. Darüber hinaus sollte das Zusammenspiel der verschiedenen Verkehrsträger, die so-genannte „Multimodalität“, weiter ausge-baut werden, damit für jede Strecke das oder die geeignetsten Transportmittel verwendet werden. Technische und tech-nologische Innovationen müssen zügig umgesetzt werden. Transport in Europa muss weiter danach streben, erschwing-lich, verlässlich, sicher und nachhaltig zu sein, damit unser Kontinent im internati-onalen Wettbewerb seine Position be-haupten kann. Eine Umgestaltung des europäischen Verkehrssystems ist durch die Kombination vielfältiger Initiativen auf allen Ebenen möglich. Europa kann so seine Spitzenposition in der Logistik wei-ter halten. ❙❚■

    Matthias Ruete, EU-Generaldirektor Mobilität und Verkehr

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    Der EU-Verkehrsbinnenmarkt hat noch erhebliche

    nationale Begrenzungen

    Für täglich eine Milliarde Euro importierte die EU im Jahr 2011 Erdöl aus dem Ausland

    14 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    EU-VerkehrspolitikWho is Who Logistik 2014

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    Eine Initiative von

  • Verkehrsinfrastruktur

    EU und Bund müssen entschlossen handelnDie neue Bundesregierung und

    die künftige EU-Kommission müssen im Jahr 2014 ent-

    schlossen die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und Europa auf

    den Weg bringen.

    A uf den ersten Blick scheinen die Probleme im Verkehrssystem hin-ter der Euro-Krise, den Schwächen der Südländer der Europäischen Union oder dem Umbau der Energieversorgung zu verblassen. Auf den zweiten Blick geht es um die dauerhafte Wettbewerbsfähig-keit der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Die Fähigkeit zur Mobilität wird unseren wirt-schaftlichen Erfolg und damit unseren Wohlstand in den nächsten Jahrzehnten erheblich bestimmen. Deshalb ist die Be-wahrung des gesellschaftlichen Infra-strukturvermögens und seine effiziente Modernisierung eine Kernfrage der Wett-

    bewerbsfähigkeit. Deutschland ist im europäischen

    Vergleich längst kein Vorbild mehr, es fährt seine Ver-

    kehrswege auf Ver-schleiß und inves-

    tiert trotz sei-

    ner Rolle als Transitland weniger als viele Nachbarn. Inzwischen ist diese Erkennt-nis auch in der öffentlichen Diskussion angekommen. Zu lange war ignoriert wor-den, dass Infrastruktur eine regelmäßige Erhaltung braucht und ihre Modernisie-rung erhebliche Potenziale für Lärm-schutz, Verkehrssicherheit, Stauvermei-dung und Umweltschutz bietet. Nun wächst die Einsicht: Die Verkehrswege sind in die Jahre gekommen und brauchen ein Update, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

    Neue Antworten für die VerkehrspolitikMobilität befindet sich im Wandel. Ob veränderte Warenströme durch Online-Handel, multimodale Ansätze in den Bal-lungsräumen oder die Versorgungssicher-heit im vom demografischen Wandel ge-prägten ländlichen Raum, Verkehrspolitik muss neue Antworten geben. Das gilt insbesondere für die stärkere Differenzie-rung der Verkehrsentwicklung nach Regi-onen und die zunehmenden Anforderun-gen an überregionale Achsen.

    Wenn wir mobil bleiben wollen, brau-chen wir darüber hinaus die Ak-zeptanz der Gesellschaft. Die lässt

    sich vor allem dann bewahren, wenn Nebenwirkungen von Verkehr

    und Infrastruktur weiter verringert wer-den, die die Lebensqualität beeinträchti-gen. Zu den Handlungsfeldern gehören

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    Bund und EU müssen den richtigen verkehrs-politischen Weg finden

    16 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • Verkehrsinfrastruktur

    die Verkehrssicherheit, der Lärmschutz oder die Umstellung auf emissionsarme Energie- und Antriebssysteme. Deutschland hat sich im internationalen Vergleich der Wirtschaftsstandorte immer durch eine erstklassige Verkehrs-infrastruktur ausgezeichnet. Dies steht heute infrage. Das Standortranking des Weltwirtschaftsforums spiegelt das Stirn-runzeln von Entscheidungsträgern in in-ternationalen Unternehmen wider. Der Abwärtstrend Deutschlands bei der Qua-lität der Straßennetze von Platz 4 in 2008 auf Platz 11 in 2013 sollte ein Warnsignal sein. Ohne leistungsfähige Verkehrswege werden wir die Potenziale des Industrie- und Logistikstandorts Deutschland nicht nutzen können. Deshalb verweisen Wirt-schaftsforschungsinstitute wie das DIW immer öfter auf die Wachstumsrisiken durch zu niedrige Investitionen in die In-frastruktur. Der Bund und die Europäische Union müssen in den kommenden Jahren ent-schlossen handeln, damit Logistik und Verkehr tragfähige Säulen der Wettbe-werbsfähigkeit Deutschlands und seiner europäischen Nachbarn bleiben. Es ist eine Aufgabe, die nicht in einer Legisla-turperiode erledigt werden kann. Doch jetzt ist es an der Zeit, die Ziele zu formu-lieren und mit einer effizienten Umset-zung zu beginnen. Eine zielgerichtete Politik auf nationaler wie auch europäischer Ebene setzt voraus, sich der jeweiligen Stärken der Verkehrs-träger und ihrer Rollen im Verkehrssys-tem bewusst zu sein. Die Straße hat eine doppelte Funktion: als Leistungsträger und Vernetzer. Für mehr als 80 Prozent

    der beförderten Tonnage nutzt die Wirt-schaft den LKW in der Nahversorgung oder dem Fernverkehr. Daran hat sich trotz aller Bemühungen, mehr mit ande-ren Verkehrsmitteln zu transportieren, nur wenig geändert. Zugleich sind Straßen das Bindeglied in einem vernetzten Verkehrssystem. Sie sorgen für die Erreichbarkeit von Bahn-höfen, Flughäfen und Häfen. Jetzt kommt es darauf an, durch eine angemessene Qualität den wachsenden, sich wandeln-den Anforderungen Rechnung zu tragen. Die Fortentwicklung der Bestimmungen für Maße und Gewichte auf EU-Ebene muss Veränderungen in der Logistik un-terstützen, ohne die Infrastruktur zu

    überfordern. Der Ausfall strategisch be-deutsamer Bauwerke traf die Logistik im letzten Jahr empfindlich. Kurzfristig an-gesetzte monatelange Sperrungen wichti-ger Autobahnbrücken oder des Nord-Ostsee-Kanals wegen baulicher Mängel haben uns die Anfälligkeit der Verkehrs-netze vor Augen geführt. Pro Mobilität hat die Folgen der Sperrung der Rheinbrücke für LKW bei Leverkusen untersuchen lassen. In den drei Monaten entstanden volkswirtschaftliche Kosten von schätzungsweise 60 bis 80 Millionen Euro durch Zeitverluste und Mehrver-brauch an Kraftstoffen. Betroffen waren vor allem die Logistik

    und die regionale Wirtschaft. Auch Zick-zackfahrten von Schwertransporten, die wegen maroder Brücken lange Umwege in Kauf nehmen müssen, sind kein Ruh-mesblatt und gefährden Arbeitsplätze, zum Beispiel im Anlagenbau. Brücken sind aufgrund ihrer Netzwirkung beson-ders vorausschauend zu sanieren.

    Mehr Planbarkeit und VerlässlichkeitAuch viele Fahrbahnen stoßen an das Ende ihrer technischen Lebensdauer. Die Folgen zunehmender Schlaglöcher und Spurrillen treffen Verkehrsteilnehmer, Anwohner und Steuerzahler: steigende Unfallrisiken, zusätzliche Lärmbelastun-gen sowie höhere Kosten für verspätete Instandsetzung und vorzeitige Grundsa-nierung. Es ist höchste Zeit, dem Erhalt von Verkehrsinfrastruktur in den öffent-lichen Etats Vorrang einzuräumen.Von den im laufenden Bundesverkehrs-wegeplan bis 2015 geplanten Neu- und Ausbaustrecken werden nach Schätzung des ADAC beim Autobahnbau voraus-sichtlich nur 60 Prozent realisiert, bei den Bundesstraßen weniger als die Hälfte. Vieles ist dabei liegen geblieben, was drin-gend erforderlich wäre. Angesichts des großen Rückstands und der Anmeldung vieler neuer Vorhaben durch die Länder zum neuen Bundesverkehrswegeplan

    Brücken sind aufgrund ihrer Netzwirkung besonders

    vorausschauend zu sanieren

    ■ Peter Fischer (geboren 1941 in Berlin) ist seit 2002 Präsident des Vereins „Pro Mobilität – Initiative für Ver-kehrsinfrastruktur e.V.“ in Berlin. Das branchenübergreifen-de Bündnis setzt sich für leistungs fähige Verkehrswege, insbesondere im Bereich der Straße, sowie für Verkehrs-sicherheit ein.

    ■ Von 1990 bis 2000 war der SPD-Politiker niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr.

    ■ Von 1980 bis 1990 arbeitete Fischer als Wirtschaftsde-zernent der Stadt Hannover und von 1970 bis 1980 als Ministerialbeamter in Hannover und Bonn.

    ■ Der promovierte Volkswirt studierte von 1961 bis 1967 in Göttingen und London.

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    Peter FischerPräsident Pro Mobilität

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    Who is Who Logistik 2014

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 17

  • Verkehrsinfrastruktur

    werden dessen Beratungen eine besonde-re Herausforderung. Wir brauchen mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Lo-gistik auf den großen Achsen. Es wird da-rauf ankommen, jene Vorhaben auf der Prioritätenliste ganz oben zu bündeln, die einen hohen gesamtwirtschaftlichen Nut-zen erwarten lassen. Das ist nur auf der Basis realistischer Einschätzungen der Entwicklung aller Verkehrsträger mög-lich. Noch nicht begonnene Aus- und Neubauprojekte sind neu zu bewerten und Alternativen wie Seitenstreifenfreigabe oder 2+1-Ausbaustandards für Bundes-straßen einzubeziehen. Klar ist schon jetzt: Auch bei einer besse-ren Finanzausstattung wird ein Verzicht auf viele bisher angestrebte Vorhaben kommen müssen. Trotz zahlreicher Wün-sche aus Ländern und Wahlkreisen sollte die Bundesregierung am Grundsatz „we-niger Proporz, mehr Prioritäten“ festhal-ten. Dringliche Engpassbeseitigungen und Lückenschlüsse sind vorrangig zu finan-zieren. Das sollte die Wirtschaft unterstüt-zen. An diesem Grundsatz sollte sich auch die Europäische Kommission bei den Transeuropäischen Netzen ausrichten.

    Straßenraum muss Fehler verzeihenDie Verkehrssicherheit hat sich in den ver-gangenen Jahren spürbar verbessert. Die Europäische Union wie auch Deutschland haben sich bis 2020 ambitionierte Ziele gesetzt, um diese Entwicklung fortzufüh-ren. Die Infrastruktur kann neben der Fahrzeugtechnik und dem Verhalten der Verkehrsteilnehmer zu Fortschritten er-heblich beitragen. Der Straßenraum ist so zu gestalten, dass er Fehler verzeiht, sich selbst erklärt und keine Hindernisse im Seitenraum auf-

    weist. Das beginnt bei der Planung von Strecken und dem weiteren Ausbau von LKW-Stellplätzen an den Rastanlagen auf der Autobahn. Es reicht bis zur Unfallver-meidung in Baustellenbereichen und einer modernen Straßenausstattung mit Rüttel-streifen und Falschfahrerwarneinrichtun-gen. Ein weiteres Handlungsfeld ist die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur (C2I). Durch den Austausch und die Verknüpfung von Daten erhalten Fahrer Warnhinweise, bevor Stauenden, Hindernisse oder Wetterbedingungen zur Gefahr werden. Der Bund ist dabei in der Umsetzung und Finanzierung gefragt, die EU in der Gestaltung des rechtlichen Rah-mens für C2I.

    Mobilität und Verkehr eröffnen Unter-nehmen Möglichkeiten, sich zu entwi-ckeln, zum Beispiel durch die Erreichbar-keit von Kunden oder für Mitarbeiter und Lieferanten. Verkehr ist aber auch mit der Inanspruchnahme von Flächen oder Ener-gie sowie Emissionen und Lärm verbun-den. Trotz großer Fortschritte in einigen Bereichen bleibt manches zu tun. Ein Teil der Akzeptanzprobleme von Infrastruk-turvorhaben ist auf Umweltwirkungen und deren Einfluss auf das Lebensumfeld der Menschen zurückzuführen. Eine mo-derne Infrastruktur kann Belastungen der Umwelt reduzieren und zu mehr Lebens-qualität beitragen.So lässt sich die Lärmbelastung durch die Sanierung der Fahrbahnen oder durch

    einen besseren Verkehrsfluss wirksam mindern. Das sollte auch bei der Novellie-rung der Umgebungslärmrichtlinie in Brüssel in den Blick genommen werden. Denn neben den Nutzern und der Fahr-zeugindustrie ist die öffentliche Hand als Infrastrukturbetreiber ein wichtiger Ak-teur beim Lärmschutz. Beim Klimaschutz gilt es, gemeinsam mit der Wirtschaft eine Infrastruktur für alternative Antriebe und Kraftstoffe im Verkehr aufzubauen. Zur Verringerung externer Effekte sollte insbesondere die EU stärker auf effiziente und angemessene Instrumente achten. Die Fokussierung Brüssels auf nutzungsab-hängige finanzielle Belastungen der Nut-zer erscheint dabei zu eng. Die Monetari-sierung wird methodisch strittig bleiben. Entscheidend wird es sein, negative Aus-wirkungen der Mobilität wirksam und zielgenau zu minimieren. Dabei sind der existierende Ordnungs- und Abgabenrah-men wie auch die Gleichbehandlung der Verkehrsträger zu berücksichtigen.

    Besseres BerichtswesenEin klares Bild über Qualitätsdefizite in Verkehrsnetzen und ihre Folgen würde es Ministerien und Parlamenten erleichtern, die knappen vorhandenen Mittel zielge-richteter einzusetzen. Auch für die Öffent-lichkeit wäre es leichter, den Handlungs-

    Eine moderne Infrastruktur kann Belastungen der

    Umwelt reduzieren

    SPD-Chef Gabriel und CDU-Kanzlerin Merkel müssen mehr für die Verkehrsinfrastruktur tun

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    Anteil der Investitionen in Straßen am Bruttoinlandsprodukt 2011 (in %)

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    Durchschnittlich investieren die europäischen Län-der 0,5 Prozent ihres Bruttoinlands-produktes in den Straßenbau. In Deutschland waren es 2011 nur 0,45 Prozent. Spitzenrei-ter sind die Schweiz und Norwegen mit 0,81 beziehungs-weise 0,78 Prozent.

    0,81 0,78 0,59 0,56 0,51 0,50 0,49 0,48 0,45 0,42 0,40 0,38 0,29 0,290,9

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    Who is Who Logistik 2014

    18 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

  • Verkehrsinfrastruktur

    bedarf nachzuvollziehen. Die Empfehlun-gen der Bodewig-Kommission lassen die Bereitschaft der Länder erkennen, für mehr Transparenz zu sorgen. Ein besseres Berichtswesen über die Qualität der Infra-struktur ist ein wichtiger Baustein für eine strategische Ausrichtung der Infrastruk-turpolitik in Deutschland und der EU.Eng damit verbunden ist die Notwendig-keit, Infrastruktur effizienter bereitzustel-len. Planungs- und Genehmigungsverfah-ren sollten schneller werden, wenn Betei-ligung der Öffentlichkeit glaubhaft und die Projektabwicklung kostengünstiger sein sollen. Die Bundesregierung und die EU sollten das Planungs- und Genehmi-gungsrecht auf Einsparpotenziale durch-forsten. Innovationen wie intelligente Verkehrssysteme können helfen, vorhan-dene Infrastruktur effizienter zu nutzen. Potenziale der Vernetzung von Daten und Verkehr liegen noch brach. Bei der Umset-zung eines Einheitlichen Europäischen Mautdienstes (EETS) bedarf es eines ge-staffelten Vorgehens aufseiten der EU, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen.

    Investitionslücke schließenNational und europäisch wurden Weichen für die Konsolidierung der Staatshaushal-te gestellt. Dass Schuldenbremsen keine höheren Investitionen zulassen würden, ist in diesem Kontext oft zu hören, aber dennoch nicht richtig. Zum einen lassen sich zusätzliche Infrastrukturmittel aus Umschichtungen im Bundeshaushalt oder wachsenden Steuereinnahmen mobilisie-ren. Zum zweiten muss Haushaltskon-solidierung so angelegt werden, dass nicht nach wenigen Jahren die kurzfristig unter-lassenen Ausgaben in der Erhaltung wesentlich teurer nachzuholen sind. Drittens bremsen hohe Ineffizienzen in Verkehr und Logistik durch Staus und Streckensperrungen das wirtschaftliche Wachstum und damit die Steuereinnah-men von morgen. Der Bund sollte deshalb die Finanzierung der Fernstraßen schrittweise aufstocken und die Investitionslücke von drei Milliar-den Euro jährlich schließen. Viele politi-sche Akteure möchten deshalb zusätzliche Einnahmen aus dem Straßenverkehr er-zielen. Es wird sie nicht aus der Pflicht

    entlassen, dauerhaft höhere Investitions-ausgaben in den Budgets tatsächlich zu verankern. Daran hat es bisher selbst bei starken Zuwächsen aus Steuern oder der LKW-Maut gefehlt.Die Zukunft der Maut wird eines der zen-tralen Themen der Infrastrukturpolitik sein. So muss die Bundesregierung die Erhebung der LKW-Maut regeln und dazu ihre Vorstellungen zu deren zukünftiger Ausgestaltung festlegen. Das wird eine der ersten Aufgaben des Verkehrsministers sein müssen. Außerdem steht die Anpas-sung der Mautsätze an die neue Wegekos-tenrechnung mit einer eigenen Gebühren-klasse für Euro-6-Fahrzeuge an. Die voll-ständige Zweckbindung der LKW-Maut für Investitionen in Straßen hat sich be-währt und sollte beibehalten werden. Wie bei Landegebühren im Luftverkehr und Trassenentgelten der Schiene ist hier ein Kreislauf entstan-den, der Bedarf und Fi-nanzierung besser aufeinander ab-stimmt. Um den Finanzie-rungskreislauf für Fern-straßen weiterzuentwi-ckeln, sind der Verkehrsinf-rastrukturfinanzierungsgesell-schaft des Bundes mehrjährig bedarfsgerechte Mittel aus der LKW-Maut und Teilen des zweckge-bundenen Mineralölsteueraufkommens verlässlich zuzuweisen. Die Bodewig-Kommission hat überzeugend darge-legt, dass sich durch Fonds mit

    mehrjährigen Arbeitsprogrammen die Finanzmittel effizienter als nach der Jähr-lichkeit öffentlicher Budgets einsetzen lassen. Eine Großbaustelle der Politik werden die Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen untereinander sein. Eine Studie im Auftrag der Bauwirtschaft und des BDI hat erst kürzlich den großen Handlungsbedarf bei kommunalen Brü-cken aufgezeigt. Auch hier geht es um die Nutzbarkeit der Infrastruktur für den Wirtschaftsverkehr und die Erreichbar-keit von Betrieben. Deshalb müssen Bund und Länder einen Beitrag leisten, die In-vestitionsfähigkeit der Städte und Ge-meinden zu stärken und langfristig abzu-sichern. Die neue Bundesregierung und die sie tra-gende Koalition müssen ebenso wie die nächste EU-Kommission und das Europä-ische Parlament die Wettbewerbsfähigkeit zu einem Schwerpunkt ihrer Politik ma-chen. Deutschland und viele seiner Nach-barstaaten leben vom Außenhandel, ins-besondere innerhalb der EU. Deshalb ist eine Stärkung der Wachstumskräfte mit effizienten Investitionen in leistungs-fähige Verkehrsnetze ein nachhaltiger Beitrag für Wachstum und Beschäftigung. Dies wäre auch für den Logistiksektor ein wichtiger Impuls. ❙❚■

    Peter Fischer, Präsident von Pro Mobilität – Initiative für Verkehrsinfrastruktur e.V.

    Die Zukunft der Maut wird eines der zentralen Themen der

    Infrastrukturpolitik sein

    S O V I E L G E L D F E H LT

    Bund Länder Kommunen

    Investitionslücken im Straßennetz in Deutschland (in Mrd. Euro)

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    Bei Bund und Kommunen fehlen jährlich jeweils drei Milliarden Euro im Verkehrsetat.

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    ■ Investitionslücke ■ Investitionen

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 19

    Who is Who Logistik 2014

  • D ie Welt ist vernetzt. Erst recht in Zeiten der Globalisierung. Denn diese lässt nicht nur Menschen und Märkte zusammenrü-cken, sondern vielmehr auch Industrien, ihre Zulieferer sowie Transport und Han-del. Im Zeitalter der digitalen Revolution sind die einzelnen Player dabei in einem schier grenzenlosen Daten- und Informa-tionsaustausch extrem miteinander ver-bunden. Die gute Nachricht dahinter: Mehr Infor-mationen schaffen ganz neue Möglichkei-ten der Analyse und der Steuerung von Produktionsprozessen, Lieferantenbezie-hungen sowie von Waren- und Stoffströ-men. Das Ergebnis lautet dann idealerwei-

    Der Markt fordert effiziente Lösungen, idealerweise mit einer

    zentral gesteuerten Struktur

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    se: höhere Effizi-enz, minimierter

    Kosten- und Res-sourceneinsatz, ver-

    besserte Nachhaltigkeit und hohe Zufriedenheit (und Motivation) aller Prozessbeteiligten. Der Nachteil: Die ohnehin schon komplexe Welt von Pro-duktion und Handel wird noch komplexer – und damit zunehmend schwerer be-herrschbar.Was heißt dies für die Logistik? Es werden von ihr immer anspruchsvollere Lösun-gen entlang der gesamten Supply Chain erwartet. Und damit völlig neue Kunden-beziehungen mit einer tiefen Integration in das gesamte, weltweit aufgestellte Pro-

    Königsweg der Logistik

    Für viele Branchenkenner ist die Kontraktlogistik der

    „Königsweg der Logistik“. Doch auch diese Dienstleistung ist kein Selbstläufer. Um erfolg-

    reich zu sein, müssen Auftrag-geber und Auftragnehmer

    einige Punkte beachten.

    Kontraktlogistik

    Das weltweite Supply Chain Management stellt auch die Kontraktlogistikdienstleister

    vor neue Herausforderungen

    20 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • Kontraktlogistik

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    zess- und Liefergeschehen. Kontraktlogistik wird damit zum Königsweg der Logistik. Mit hohen Wachs-tumsraten wird sie auf der Ge-schäftsmodellebene zur individuellen Variante, die passgenau für die beteiligten Partner zu gestalten ist.

    Operative BeinfreiheitZunehmend volatile Märkte, die von immer kurzfristigeren Konjunktur-schwankungen geprägt werden, verlan-gen von den Marktteilnehmern ein hohes Maß an Flexibilität und operativer „Bein-freiheit“. Andernfalls werden selbst klei-

    nere, vorübergehende Konjunkturdel-len schnell existenzbedrohend. „Die Unternehmen sind heute besser auf Marktschwankungen

    vorbereitet als noch vor wenigen Jahren“, stellte unlängst die „Supply

    Chain-Management-Agenda“ des Bera-tungsunternehmens Capgemini Consul-ting fest. „Schwache und starke Märkte auszugleichen gelingt umso besser, je stärker das Supply Chain Management global ausgerichtet ist“, so das Fazit der Studie. Die Empfehlung an die Branche lautete: Nur mit operativer und planerischer Ex-zellenz im Supply Chain Management lässt sich das erforderliche höhere Maß an

    Service und Verantwortung realisieren, das sowohl zu weiterem Wachstum als auch anhaltender Wettbewerbsfähigkeit führt. Was heißt dies für die Kontraktlo-gistik in Deutschland? Der Markt fordert effiziente Lösungen, idealerweise mit einer zentral gesteuerten Struktur von einem Standort aus gesteuert. Der Wett-bewerb ist dabei hart umkämpft und stark preisgetrieben. Zusätzlich angeheizt wird er durch Leerkapazitäten in bestimmten Regionen und aggressive Beschäftigungs-modelle, die durch die Einbeziehung von Subunternehmen und Leiharbeit mög-lichst kostengünstig Nachfragespitzen auffangen sollen.

    Qualität und soziale VerantwortungAngesichts der Komplexität und der not-wendigen Prozessintegration stellt sich dabei allerdings unmittelbar die Frage nach der Qualität und nicht zuletzt nach der sozialen Verantwortung einer so an-gebotenen Kontraktlogistikdienstleis-tung. Zu ihrer Sicherstellung sind eher integ-rierte Netzanbieter gefordert, die auf der Grundlage globaler Standards kompetent Warehousing, Value added Services und Transporte via Land, Luft und See anbie-ten. Die Aufgabengebiete reichen dann von der Kommissionierung über das La-beling, die FTL- und LTL-Abwicklung bis hin zum Cross Docking. Es ist also der

    ■ Michael Schilling (geboren 1963 in Heidel-berg) ist seit 2002 Geschäftsführer Euro-pean Network Management & Logistics Sys-tems und stellvertretender Sprecher der Geschäftsführung beim Logistikdienstleis-ter Dachser mit Hauptsitz in Kempten.

    ■ Nach seinem Studium an der Berufsakade-mie in Mannheim ging Michael Schilling im Jahr 1989 zu Dachser. Während des Studi-ums hatte er bereits erste Berufserfahrung bei Haniel gesammelt. Nach diversen Füh-

    rungspositionen innerhalb des Unterneh-mens wurde er 2002 zum Geschäftsführer des von ihm zuvor aufgebauten Ressorts „Euronationale Speditionsorganisation und Infrastruktur“ berufen, das seither das euro-päische Netzwerk von Dachser steuert.

    ■ Seit Januar 2005 verantwortet Schilling auch den Bereich „Logistik Consulting“, im Jahr 2007 übernahm er die Verant-wortung für den Bereich „Informations-technologie“.

    A U T O R

    Michael SchillingGeschäftsführer European Network Management & Logistics Systems bei Dachser

    Integrierte Kontraktlogistiker bieten Transport-, Warehousing und Value added

    Services

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    Who is Who Logistik 2014

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 21

  • Kontraktlogistik

    Universallogistiker mit flächendeckender Präsenz, integrierten Leistungen und leis-tungsfähigen Systemen gefragt, der ge-samtheitliche Lösungen bietet und diese gemeinsam mit dem Kunden weiterentwi-ckelt. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um kurzfristiges Projektgeschäft, sondern um eine dauerhaft angelegte, vertrauensvolle strategische Partnerschaft für einen tief greifenden Umbau der Logistikstruktur, die auf nachhaltige Effizienzsteigerungen und die Umsetzung von Qualitäts- und Produktivitätsanforderungen abzielt. Lei-der stehen in der Praxis dabei Preis und Vertragsdauer oft im Widerspruch. Für eine netzaffine und kosteneffiziente Kon-traktlogistik sind zum Teil größere Inves-titionen in Technik, Systeme, Know-how und Kapazitäten notwendig. Entsprechen-de Vertragslaufzeiten sollten daher eine „conditio sine qua non“ (lateinisch: not-wendige Bedingung) sein.

    Netzaffine KontraktlogistikDie Grundlage für das länderübergreifen-de, internetbasierte Geschäft schaffen Ver-bundlösungen. Zum Beispiel in der Kom-bination von Beschaffungslogistik, Warehouse, Value added Services, Distri-bution einschließlich der Einbindung der Paketlogistik. Dafür müssen Unterneh-men und ihre Logistikdienstleister immer enger zusammenrücken. Integrierte Logistik wird zum Schlüssel des Erfolgs. Kontraktlogistikangebote sind dabei mehr als vielfältige, landesbezogene Lösungen. Die Grundlage dafür schafft vielmehr ide-alerweise die Verzahnung eines in vielen Jahren gewachsenen Transport- und Warehouse-Netzwerkes in Verbindung mit vielfältigen Value Added Services. Bei Dachser nennen wir dies „netzaffine Kon-traktlogistik“. Sie wird zum Ausgangs-

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    Wer weltweite Supply Chains steuern will, braucht globale Logistiknetzwerke

    punkt für vertrauensvolle und nachhaltige Partnerschaft. Über standardisierte Pro-zesse vermag sie es, diese überall auf dem Globus in gleich hoher Qualität bedienen zu können. Voraussetzung ist dabei, dass das Warehousing netzbasiert ist und seine Systeme zentral entwickelt und bedarfso-rientiert immer auf dem neuesten Stand gehalten werden. Es bedarf zudem einer großen Bandbreite an Standards, der weltweiten Bereitstel-lung der Funktionen und einer homoge-nen Operationszuverlässigkeit. Zentrale Überwachung und Steuerung sichert dabei eine hohe Qualität. Eine weitere we-sentliche Herausforderung besteht darin, die bereits angesprochenen saisonalen und unerwarteten Spitzen qualifiziert aus-gleichen zu können. Je engmaschiger das Warehouse-Netzwerk ist, desto besser. Um Kapazitäten und Ressourcen optimal ausnutzen zu können, müssen Logistiker vertrauensvoll zusammenspielen und ei-nander „in die Karten schauen“ lassen. Outsourcing und Warenmanagement rü-cken dabei besonders in den Fokus. Know-how, Netz- und Systemkompetenz werden auf der Dienstleisterseite zum Tür-

    öffner für eine integrierte Logistik. Wenn die Kunden – auch mit Verweis auf den Preiswettkampf –  zunehmend von ihren Logistikdienstleistern die Übernahme von Finanzdienstleistungen, etwa bei Bestän-den und Zahlungszielen, erwarten, geht die Integration allerdings deutlich zu weit. Der Logistikdienstleister ist nicht der Fi-nanzierer der Ware. In einer von Fairness geprägten Kunden-Dienstleisterbeziehung ist Erfolg in der Kontraktlogistik immer das Ergebnis von Teamplay. Es geht um ein ganzheitliches Consulting auf Augenhöhe, nicht um al-leinige Auftragserfüllung. Das ist eine grundsätzlich neue Qualität in der Kun-den- und Dienstleisterbeziehung.

    Zentrallager für TesaEin Beispiel: Für und mit Tesa hat Dachser in Vaihingen ein eigenes europäisches Zentrallager sowie regionale Distributi-onslager in Pilisvörösvar und in Poznan in Polen konzipiert. Zum Kontraktlogistik-paket gehören darüber hinaus die Be-schaffungs- und Nachschubtransporte zu Tesa-Regionallagern in Europa, die euro-paweite Distribution sowie Value Added Services wie Retouren, Rework, Kitting und spezielle Verpackungslösungen für weltweiten Luft- und Seefrachtversand. Nicht der einzelne Prozess, sondern die vom Kunden und Logistikdienstleister vorangetriebene Gesamtprozessoptimie-rung steht im Vordergrund. Im Foodbereich könnten Mehrwertleis-tungen wie zum Beispiel Displaybau, Um-verpackungen für Aktionen oder Sleeving (Folierung) zum Angebotsportfolio einer klassischen Kontraktlogistik gehören. Hilfreich ist dann, wenn Technologien wie Pick-by-Voice standortübergreifend ein-gesetzt und die Kommissionierprozesse auch länderübergreifend gesteuert werden können. Was können und müssen Kunden

    Vorteile netzwerkbasierten Warehousings

    ■ Zentralisierte Entwicklung und Support der Systeme

    ■ Große Bandbreite an Standards ■ Weltweite Bereitstellung der Funktionen ■ Homogene Operationszuverlässigkeit ■ Überregionale Verfügbarkeit und Aus-tausch von Kompetenz und Ressourcen

    ■ Hohe Qualität durch zentrale Überwa-chung/Steuerung

    K O N T R A K T L O G I S T I K

    K O N T R A K T L O G I S T I K O U T S O U R C I N G

    Welche Gründe für ein Outsourcing von Logistik-Prozessen sprechen

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    Zwei Gründe spre-chen für ein Out-sourcing in der Kon-traktlogistik. Zum einen lassen sich mit dem Einsatz von Dienstleistern Kos-ten senken und die Qualität steigern. Außerdem erhöht sich die Flexibilität.

    Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen

    Entscheidung für Outsourcing

    Preis-Leistungs-Verhältnis

    KostensenkungVariabili sierung

    der Kosten

    Leistungs- bzw. Qualitäts-

    besserungRessourcen

    Flexibilität

    Who is Who Logistik 2014

    22 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

  • Kontraktlogistik

    Anzeige

    von ihrem Kontraktlogistikpartner erwar-ten? Auf jeden Fall eine hohe Netzkompe-tenz. Sie schafft erst die Voraussetzung für eine Beratung auf Augenhöhe, beispiels-weise bei Warenstrom-, Standort- und Materialflussanalysen durch Simulation, der „geräuschlosen“ Migration und Inbe-triebnahme von neuen Warehouses für und mit den Kunden. Und selbstverständ-lich deren professionellen Betrieb bis hin zur kontinuierlichen und systematischen Optimierung von Organisationsstruktu-ren und Prozessen zum Nutzen der jewei-ligen Kunden. Dazu bedarf es zentraler Steuerungsinstrumente, aber insbesonde-re auch dezentraler Implementierungsres-sourcen unter Einbeziehung aller Partner vor Ort. Kontraktlogistik ist auch deswegen der Königsweg der Logistik, weil sie immer auch ein spannender Prozess mit Kreati-vität, großem Erfahrungsschatz und Lö-sungsreichweite ist. Die abgestimmte Dis-position von Warehousing und Transport sowie die Schnittstellenfähigkeit der welt-weiten IT-Lieferanten und Kunden schaf-fen die Basis für durchgängige Prozesse und eine gesteigerte Wertschöpfung.

    Fazit: Um mit sich immer schneller vollzie-henden Marktentwicklungen, wie sie von Ökonomen oft auch unter dem plakativen Begriff „4. Industrielle Revolution“ zusam-menfasst werden, Schritt halten zu können, halte ich einen strukturierten und bestän-digen Wissens-, Meinungs- und Erfah-rungsaustausch für unverzichtbar. Und zwar sowohl beim Logistikdienst leister wie auch Kunden und fallweise externen Ex-perten. So kann sich die fachliche und so-ziale Kompetenz der Teamplayer innerhalb des Kontraktlogistiknetzes mit einem per-manenten Experten- und Informationsaus-tausch verbinden. Zum notwendigen größtmöglichen Erfahrungsschatz kommt dann im Bedarfsfall die Möglichkeit auch für kurzfristigste Backups. Lernende Orga-nisationen sind hier ohne Zweifel im Vor-teil. Sie sind Treiber – und eben nicht Ge-triebene – in einer zunehmend ver netzten Welt. Für sie – nur für sie! – ist Kontraktlogistik dann auch wirklich der „Königsweg der Logistik“. ❙❚■

    Michael Schilling, Geschäftsführer European Network Management & Logistics

    Systems bei Dachser

    Wenn über EDI-Schnittstellen zu Kun-den-Servern und über entsprechendes Tracking & Tracing den Kunden ein di-rektes Bestands-Feedback an die Produk-tions- und Auftragsdisposition ermöglicht wird, entsteht unmittelbar ein echter Mehrwert. Zu einer verbesserten Wert-schöpfung gehört unverzichtbar auch der menschliche Faktor. Für Kontraktlogistik-partner sind das Zuhören können, das Stellen der richtigen Fragen und das Ein-

    fühlen in die individuelle Situation des jeweiligen Gegenübers ein Muss. Dies schafft erst die Basis für ein tieferes Kun-den- und Prozessverständnis. Dies muss von beiden Seiten gewollt und aktiv um-gesetzt werden. Denn nur in einem star-ken gegenseitigen Vertrauen können Schwachstellen aufgedeckt und im Sinne verbesserter Effizienz neu gestaltet wer-den.

    Nur in einem starken gegenseitigen Vertrauen lassen sich Schwachstellen aufdecken

    Who is Who Logistik 2014

  • Verkehrsträger

    Wie Verlader ihre Wahl treffenSo mancher Verlader tut sich schwer bei der Wahl des richtigen Verkehrsträgers. In der Regel punktet die Straße mit eindeutigen Vorteilen. Aber nicht selten erhält der LKW aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit den Vorzug vor Bahn oder Binnenschiff.

    E inkäufer stehen immer wieder vor der Wahl, das richtige Verkehrsmit-tel für einen Transport auszuwählen. Sie sind aber keine Maschinen, sondern Menschen. Auch wenn keine Bestechung im Spiel ist, treffen Einkäufer gelegentlich Entscheidungen, die nicht im Sinne des Unternehmens sind – zum Beispiel, wenn sie sich aus Bequemlichkeit oder Zeiter-sparnis keine wirkliche Mühe geben. Der Entscheider trifft die Verkehrsmittel-wahl aus einer Abwägung von vorhande-nem Wissen über die verschiedenen Ver-kehrsträger und seine daraus abgeleiteten Erfahrungen mit dem zu treffenden Auf-wand. Dies ist nicht verwerflich, sondern durchaus menschlich, üblich und auch zum Wohl des Unternehmens. Schließlich spart der Einkäufer damit Zeit, die er für andere Aufgaben verwenden kann. Aber ist die Entscheidung damit auch optimal für das Unternehmen? Wer den aktuellen Modalsplit in Deutschland kennt und weiß, dass die Verteilung vor Jahrzehnten noch völlig anders aussah, ahnt, dass sich

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    Muss Einbußen beim Modal Split verkraften: Binnenschiff

    24 VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014

    Who is Who Logistik 2014

  • Verkehrsträger

    ■ Gunnar Gburek (geboren 1964 in Mensla-ge, Niedersachsen) ist seit August 2005 Bereichsleiter Logistik beim Bundesver-band Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in Frankfurt am Main.

    ■ Gburek war von 2001 bis 2005 Geschäfts-führer des Logistikdienstleisters Hasen-kamp Logistik in Köln.

    ■ Von 1997 bis 2001 war Gburek als Con-sultant und Key Account Manager im Debis Systemhaus (heute T-Systems) tätig und beschäftigte sich mit den The-men Supply Chain Management (SCM), Efficient Consumer Response (ECR) und Warenwirtschaftssysteme.

    ■ Als Transportkoordinator bei der Logistik-gesellschaft des Handelshause AVA (heute zu Edeka) befasste sich Gburek von 1993 bis 1997 mit dem Einkauf von Logistikdienstleistungen.

    ■ Der Diplom-Kaufmann absolvierte von 1986 bis 1992 sein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Logistik/Verkehr an der Universität Frankfurt am Main.

    ■ Frank Schröer (geboren 1958 in Kassel) ist Director Global Logistics beim Medi-zinprodukte-Hersteller B. Braun Melsun-gen. Seit März 2012 verantwortet Schrö-er den globalen Frachteinkauf in der B.Braun Gruppe. Seit 2001 ist Schröer Leiter der Internationalen Logistik bei dem hes-sischen Unternehmen mit den Schwer-punkten Zoll, Exportkontrolle, Exportdo-kumentation, Transportplanung und internationale Logistikprojekte.

    ■ Schröer war von 1974 bis 1984 beim ehe-maligen Bundesgrenzschutz (heute Bun-despolizei) in verschiedenen Positionen tätig. Von 1984 bis 1986 arbeitete er für die Zollverwaltung in Frankfurt und von 1986 bis 2001 übernahm Schröer die Zollabteilung bei B. Braun Melsungen.

    ■ Von 1997 bis 2000 absolvierte Schröer ein weiterbildendes Studium der Infor-mationsorganisation an der Universität Kassel.

    ■ Schröer ist Vorstandsmitglied im Cluster Mobilität „Mowin.net“ der Region Nord-hessen sowie Mitglied in der BME-Fach-gruppe „Einkauf von Frachten“ und im BME-Arbeitskreis „Optimale Verkehrsträ-gerwahl“. Schröer ist außerdem Regional-gruppensprecher der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in Nordhessen.

    Gunnar GburekBME-Bereichsleiter Logistik

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    Frank SchröerDirector Logistics, B. Braun

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    Die Logistik- und Einkaufsverant-wortlichen in Industrie und Han-del entscheiden über die Wahl des Verkehrsmittels

    die Entscheidungen im Laufe der Jahre verändert haben. In den 60er- und 70er-Jahren war zum Beispiel der Verkehrsträ-ger Schiene deutlich präsenter bei den Verladern als heute. 1960 hatte die Bahn, zumindest in den alten Bundesländern, einen Anteil von cirka 37 Prozent der Ge-samtgüterverkehrsleistung, der Straßen-güterverkehr einen Anteil von cirka 32 Prozent, der Rest war Binnenschifffahrt und Pipeline. Aktuell hat der LKW einen Anteil von über 70 Prozent und die Bahn liegt unter 20 Prozent. Wie ist es zu der Verschiebung gekom-men? Hat die Liberalisierung des Trans-portmarktes Anfang der 90er-Jahre die Wende hin zum LKW gebracht? Dies kann nicht sein, denn der Siegeszug des LKW hatte schon während der Blütezeit der festen Gütertarife RKT, GFT und GNT begonnen (schon 1988 hatte sich das Ver-hältnis zwischen Schiene und Straße auf 56 Prozent LKW zu 22 Prozent Bahn ver-ändert).

    Warum die Bahn selten gewählt wirdAlle staatlichen Versuche, durch künstli-che Verteuerung der Straße die Anteile der Bahn zu retten, sind gescheitert. Augen-scheinlich waren die Vorteile des LKW gegenüber anderen Verkehrsmitteln schon damals so groß, dass der Preis keine Rolle spielte. Befragt man heute einen Verlader, warum er nicht mit der Bahn fährt, kommt fast immer das Argument: zu teuer. Aber wäre die Bahn billiger, würde sie dann häufiger genutzt? Ist es also der Preis, der die Entscheidung beeinflusst, oder vielmehr die ebenfalls häufig ange-führten Kriterien Flexibilität, Zuverlässig-keit, Geschwindigkeit? Oder kommt hier gar die anfangs erwähnte Entscheidungs-findung nach Aufwand und Nutzen zum Tragen? Ist also der Erfolg des Straßengü-terverkehrs am Ende der mangelnden Kenntnis der Ausprägungen der verschie-denen Verkehrsträger und der Bequem-lichkeit des Entscheiders geschuldet? Schauen wir zunächst auf die Schnelligkeit des LKW gegenüber Schiene und Binnen-schiff. Auf kürzeren Strecken liegen oft-mals Welten zwischen ihnen, vor allem wenn bei Bahn und Binnenschiff Um-schlagsvorgänge nötig sind. Aber auf Stre-cken von über 500 Kilometern müssten beide doch zeitliche Vorteile haben. Schließlich muss der LKW-Fahrer nach spätestens acht Stunden Fahrzeit mehrere Stunden Pause machen, während Zug oder Binnenschiff einfach Lokführer oder

    Wird von Verladern derzeit weniger genutzt: der Kombinierte Verkehr Straße-Schiene

    Who is Who Logistik 2014

    VerkehrsRUNDSCHAU Who is Who Logistik 2014 25

  • Verkehrsträger

    Steuermann wechseln und weiterfahren – und dies auch an Sonn- und Feiertagen. Dennoch fahren jeden Tag Tausende von LKW quer durch Europa, nicht selten mit Zielen, die deutlich mehr als 500 Kilometer entfernt liegen. Sind sie trotz der notwen-digen Pausen, Fahrverbote und Staus schneller als ihre Alternativen? Nein, nicht unbedingt, aber oftmals verspielt zum Bei-spiel die Bahn ihren Geschwindigkeitsvor-teil durch lange Wartezeiten, unkoordi-nierte Trassen und langwierige Um-schlagsaktivitäten. Und das Binnenschiff hat mit witterungs-bedingten Einflüssen wie Hoch- oder Niedrigwasser besonders stark zu kämp-fen. Dies sind aber Ausnahmesituationen, in der Regel ist das Binnenschiff ein zuver-lässiges und durchaus auch schnelles Ver-kehrsmittel. Bei der Flexibilität scheinen zwischen den Verkehrsträgern Welten zu

    liegen. Hier scheint der LKW seine ganze Stärke ausspielen zu können. Auf kürzeren Strecken, bei der Auslieferung in der Flä-che und bei eher geringen Mengen kann die Bahn heute zum Teil überhaupt nichts anbieten und wird es auch wohl in Zukunft nie wieder tun können. Der individuali-sierte Einzelwagenverkehr in jeden noch so abgelegenen Winkel der Republik ist Geschichte. Das Binnenschiff kann überhaupt nur sehr eingeschränkte Strecken anbieten und beide können mit schwankenden Mengen und häufig wechselnden Empfängern nur schlecht umgehen. Aber ist dies systemim-manent oder eine selbst auferlegte, hausge-machte Schwäche? Und wird die oft be-schworene Flexibilität wirklich immer benötigt? Fahren doch die LKW größten-teils auch immer auf den großen Tangen-ten von Nord nach Süd oder von Ost nach West. Abgelegene Ziele sind doch eher die Ausnahme. Und für Staus oder schlechte Wetterbedingungen liegen auch für den LKW Notfallpläne und Bypässe bereit. Die alternativen Verkehrsträger und hier vor allem die Bahn sollten nicht immer

    selbst die Nachteile in den Vordergrund heben. Sie sollten selbstbewusster auftre-ten und neue Angebote entwickeln, den Verladern den Verkehrsträger schmack-haft machen. Zum Beispiel Güterzüge ein-richten, die fahrplanmäßige auf den Haupttraversen verkehren und die man kurzfristig buchen kann. Einfach und fle-xibel. Der Verlader kann hier kurzfristig entscheiden, ob er die Bahn für den Haupt-lauf nutzen möchte oder nicht. Beim Per-sonenverkehr ist dies bereits gelungen. Auf den stark frequentierten Strecken hat der ICE dem Auto vielfach den Rang des schnelleren und flexibleren Verkehrsmit-tels abgelaufen.

    Anreize reichen nicht ausDer Transport mit standardisierten LKW, von Haus zu Haus, ohne Umschlag oder terminliche Zwänge. Unkomplizierter und bequemer geht es nicht. Ein Ansprechpart-ner, ein Versicherungsvertrag, ein Stan-dard. Warum sollte man sich da in die Zwänge des Kombinierten Verkehrs bege-ben. Nur weil der Hauptlauf mit Bahn oder Binnenschiff schneller ist, umweltfreund-licher oder moralisch opportun? Diese Anreize reichen dem „Homo oekonomic-us“ nicht aus. Der Transport an sich ist kein Selbstzweck. Für ihn müssen mindestens Kriterien wie geringerer Preis, bessere Qualität oder schnellerer Transport als Motivation herhalten. Außerdem entwickelt sich die Wirtschaft gerade in eine völlig andere Richtung – „Industrie 4.0“. Das Ziel heißt „Losgröße eins“. Da wird Flexibilität zur Maxime und regelmäßige Transporte größerer Mengen sind nicht vorgesehen. Vor dem Hinter-grund wirken Binnenschiff und Bahn an-tiquiert und ohne Zukunft. Dennoch wird

    C H E C K L I S T E : O P T I M A L E V E R K E H R S T R Ä G E R W A H L

    Kategorien Auswahlkriterien

    Absender-/ Empfängerspezifika

    ■ Incoterms (Wer zahlt die Fracht?), Ist eine Beeinflussung der Transportwege möglich?

    ■ Auftragsgröße (Losgröße, Häufigkeit), Anzahl Partien ( Frequenz)

    ■ Zollabwicklung (Wie sehen beispielsweise die Zollstationen je Verkehrsträger aus?)

    Kosten, Preise ■ Handlingskosten fü