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Sabine Maasen Christoph Lau & Stephan Böschen: Wissensgesellschaft & reflexive Modernisierung Sabine Maasen HS 08 Wissen, Wissenschaft, Wissensgesellschaft

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Page 1: Sabine Maasen Christoph Lau & Stephan Böschen: Wissensgesellschaft & reflexive Modernisierung Sabine Maasen HS 08 Wissen, Wissenschaft, Wissensgesellschaft

Sabine Maasen

Christoph Lau & Stephan Böschen:Wissensgesellschaft & reflexive Modernisierung

Sabine Maasen

HS 08

Wissen, Wissenschaft, Wissensgesellschaft

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Sabine Maasen

Theorien der Wissensgesellschaft

„Selbstthematisierungsdiskurse“ verhandeln Gegenwart und gewünschte/gefürchtete Zukünfte Ihr Erfolg beruht auch auf ihrer Resonanz in der Öffentlichkeit

self-fulfilling / self-destroying prohecy

Wissensgesellschaft ist eine verbreitete Selbstbeschreibung Muss jedoch, so die Autoren, gesellschaftswissenschaftlich

eingeordnet werden, um die transformierende Kraft des Wissens für heutige Gesellschaften zu verstehen Sie liegt v.a. in der zunehmenden Bedeutung des Nichtwissens

Spezifisches Nichtwissen (Noch-nicht Wissen) Unspezifisches Nichtwissen (ausserhalb des Spezifizierbaren)

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Theorien der Wissensgesellschaft

Steigerung und Diffusion von wissenschaftlichem Nicht/Wissen konfrontiert die Gesellschaft mit der Frage, wie Beides zu bearbeiten sei

Aktuelle Theorien der Wissensgesellschaft akzentuieren unterschiedliche Phänomene: Nico Stehr: Durchdringung aller Lebens- und Handlungsbereiche mit

Wissenschaft Helmut Willke: polyzentrische Wissensproduktion Peter Weingart: Generalisierung des Handlungstyps wissenschaftlicher

Forschung Helga Nowotny: Transdisziplinarität / Mode 2

Weitere Phänomene: intelligente Organisation, Wissensmanagement, Informations- und Kommunikationssysteme

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Kritiken an diesen Theorien

Sie vermischen deskriptive und normative Aussagen Sie beschreiben, erklären aber nicht Sie haben einen technokratischen Bias Fehlende oder Diffusion des Wissensbegriff

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Grenzen des technokratischen Modells der Wissensgesellschaft

1. Nicht alle Wissensformen sind technisierbar: Tacit knowledge, Erfahrungswissen, Kontextwissen,

da zu komplex oder wg. fehlender Bereitschaft, es weiterzugeben

2. Nichtwissen/uneindeutiges Wissen ist schwer technisierbar

3. Bewertung des Wissens wird uneindeutiger

Die künftige Wissensgesellschaft wird keine Wissenschaftsgesellschaft sein

Organisierte Anerkennung der Pluralität von Wissenskulturen und Überprüfungsstandards

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Exkurs: Tacit knowledge

Implizites Wissen oder Stilles Wissen (vom englischen tacit knowledge) bezeichnet nicht formalisiertes Wissen, also solche Kenntnisse oder Fähigkeiten, die nicht explizit formuliert sind und sich möglicherweise auch nicht erklären, sondern nur zeigen lassen. Der oder die Betreffende kann praktisch zeigen, was er oder sie weiß, das solcherart Gekonnte aber nicht verbalisieren. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Fähigkeit, am Fahrrad das Gleichgewicht zu halten. Wer das vermag, kennt - aber eben nur implizit - eine sehr komplexe physikalische Regel, die Neigungswinkel, aktuelle Geschwindigkeit und Lenkeinschlag berücksichtigt.

Der auf Michael Polanyi zurückgehende Begriff tacit knowing verdeutlicht, dass das Interesse nicht primär dem Wissen, vielmehr der „Könnerschaft“ gilt, nicht kognitiven Strukturen also, sondern Prozessen. Der Blick richtet sich auf Wahrnehmungs-, Entscheidungs- und Handlungsdispositionen und die ihnen entsprechenden Formen der Performanzregulation (knowing. Erst von dort her wird auf die Beziehung zwischen explizitem Wissen (knowledge) und Können mit der Antwort zurückgefragt, dass das theoretische Wissen das praktische Können niemals vollständig einholen kann. "Wir wissen mehr, als wir zu sagen wissen", meinte Michael Polanyi.

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Exkurs: Wissensmanagement

Wissensmanagement nach Nonaka und Takeuchi

Als Mitbegründer des Wissensmanagements können die Japaner Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi mit ihrem 1995 veröffentlichtem Buch „The Knowledge Creating Company“ (deutsch 1997 als „Die Organisation des Wissens“) angesehen werden. Aufbauend auf dem 1966 von Michael Polanyi vorgestellten Begriff des impliziten Wissens entwerfen sie ein Modell, bei dem Wissen in einer kontinuierlichen Transformation zwischen implizitem und explizitem Wissen erzeugt wird. Durch aufeinander folgende Prozesse der „Externalisierung“ (implizit zu explizit), „Kombination“ (explizit zu explizit), „Internalisierung“ (explizit zu implizit) und „Sozialisation“ (implizit zu implizit) wird Wissen innerhalb einer Organisation spiralförmig von individuellem Wissen auf höhere Organisationsstufen wie Personengruppen und ganze Firmen gehoben. Dieses als SECI-Modell bekannte Modell übte großen Einfluss auf die folgende Literatur und Forschung zum Thema Wissensmanagement aus.

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Reflexiv-moderne Gesellschaften als „Nichtwissens-Gesellschaften“

Die Theorie reflexiver Modernisierung stellt die genannten Einzelbeschreibungen und Entwicklungstrends in einen gesellschaftstheoretischen Rahmen

In allen gesellschaftlichen Bereichen kommt es zur Pluralisierung, Entstandardisierung, ...

Dies führt zu Entscheidungsunsicherheiten, die nicht mher mit den Mitteln wissenschaftlicher Gewissheit gelöst werden können

Beispiel: Veränderung der Wissenschaft (S. 228) Resultat: Erfolg der Wissenschaft führt zu mehr Selbstreflexion aller

(zunehmend wissensbasierten) Handlungsbereiche Entscheidungen benötigen auch Entscheidungen darüber, welche

Art wissen zur Begründung herangezogen werden darf und wo die Grenze zum Nichtwissen liegt.

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Exkurs: Reflexive Modernisierung I(aus einer Laudatio für U. Beck)

Die Modernisierung umfasst zwei Prozesse: den einen nennt Ulrich Beck die „Erste Moderne“, den andern die „Zweite Moderne“. Die „Erste Moderne“ ist die alte Industriegesellschaft. Sie basiert

auf einem klaren Entweder-Oder: „Entweder Wir oder die Anderen, Natur oder Gesellschaft, Organisation oder Markt, Krieg oder Frieden“ und war demnach durch klare Bestimmungsfaktoren geprägt: Nationalstaat, Industrialisierung, Wohlstandsgarantie, klare Rollenverteilung.

In der „Zweiten Moderne“ lösen sich die Klarheiten auf: Sie ist geprägt durch mehr Chancen und mehr Risiken. Dies resultiert aus dem Zurückwirken der Folgen und Nebenfolgen der Moderne auf sich selbst – aus ihren Nebenfolgen und aus der öffentlichen und wissenschaftlichen Problematisierung der Folgen, Grenzen und Widersprüche der einfachen Modernisierung.

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Exkurs: Reflexive Modernisierung II(aus einer Laudatio für U. Beck)

„Modernisierung der Modernisierung“ oder „reflexive Modernisierung“ bringt schwere Erschütterungen mit sich: Umweltkatastrophen und weltweite Risiken wie Zusammenbrüche von Finanzmärkten, aber auch ein gesellschaftlicher Wandel, der die Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern neu ordnet, die Schrumpfung der Erwerbsarbeit und die Individualisierung, also Entwurzelung und damit Freisetzung des Einzelnen ebenso wie unstetige Beschäftigungsverhältnisse, flexible Arbeitsverhältnisse, patchworkartige Arbeitskarrieren und eine Lebenswelt mit mehr Wahlfreiheiten einerseits und mehr Risiko andererseits.

Neue Freiheit und neue Risiken kennzeichnen demnach die Individualisierung in modernen Gesellschaften – Es sind: „Riskante Freiheiten“

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Reflexiv-moderne Gesellschaften als „Nichtwissens-Gesellschaften“

„Ueberall da, wo es sich um öffentlich begründungspflichtige, möglicherweise äusserst konsequenzenreiche Entscheidungen handelt, wie Z.B. über den Einsatz riskanter Technologien, können... Keine ... stabilen und legitimen Lösungen etabliert werden. Denn bei Entscheidungen auf der Basis von Nichtwissen ... Oder von uneindeutigem Wissen ...müssen normative Kriterien herangezogen werden ... Diese normativen Kriterien können selbst wiederum langfristig rechtlich-institutionell verankert oder jeweils unmittelbar durch partizipative und andere Verfahren entschieden werden. Jedoch lassen sich auf diesem Wege keine Gewissheiten mehr organisieren, sondern bestenfalls noch „Quasi-Gewissheiten“ - Gewissheiten mit einem Zeitindex“ (s. 230)

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Zum Wandel der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wissensordnung

Hierarchische Wissensordnung der ersten Moderne berief sich auf Wissenschaft. Diese wiederum prämiert Leitdisziplinen und Zulieferdisziplinen.

Zweite Moderne: Verteilte Wissensordnung, die auf pluridisziplinärer (und ausserwissenschaftlicher) Problemkonstitution beruhen.

Damit steigen die Chancen für Risikothematisierungen Wissenschaft wird als kontrovers und vorläufig wahrgenommen Andere Wissensformen finden Eingang Ungewissheit und Nichtwissen werden expliziter thematisiert