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D er postischämische Reperfusions- schaden stellt nach wie vor ein zentrales klinisches Problem nicht nur bei der Be- handlung des Schlaganfalls oder der ko- ronaren Herzerkrankung, sondern auch in der Transplantationsmedizin und der plastisch-rekonstruktiven Wiederher- stellungschirurgie mit mikrovaskulären autologen Transplantaten dar. Obwohl der mikrochirurgische Gewebetransfer heute zu den etablierten und sicheren Operationstechniken gehört und in der Literatur Verlustraten von 4–8% angege- ben werden, treten doch in bis zu 15% der Fälle Lappen(teil)nekrosen auf, die die stationären Liegezeiten erheblich verlän- gern können [20]. Neben primär vasku- lären Komplikationen (Anastomosenin- suffizienz, Gefäßkinking u. a.) kann mög- licherweise ein Teil der Nekrosen, v. a. beim spät stattfindenden Lappenverlust nach etwa 5 Tagen und später, auf den postischämischen Reperfusionsschaden des Transplantats zurückgeführt werden. Die Pathophysiologie von Ischämie und Reperfusion ist relativ komplex und muss auf das Ineinandergreifen mehrerer Pathomechanismen zurückgeführt wer- den: Zentraler Auslöser ist die Gewebe- hypoxie, welche über die Depletion der energiereichen Phosphate zur endotheli- alen Dysfunktion mit gesteigerter Zell- schwellung und Permeabilität des mikro- vaskulären Endothels zum kapillaren Per- fusionsversagen auf der Ebene der Mikrozirkulation führt [12]. In der Re- perfusionsphase kommt es nun durch den Wiedereintritt von Sauerstoff in das ischämische Gewebe zur Bildung freier Sauerstoffradikale, welche entweder di- rekt oder indirekt über die Aktivierung und Adhäsion von zirkulierenden Leuko- zyten und die nachfolgende Bildung von sekundär generierten proinflammatori- schen Mediatoren den postischämischen Gewebeschaden bis hin zum vollständi- gen Gewebeuntergang induzieren [5, 7]. Mund Kiefer GesichtsChir 1 · 2003 31 Mund Kiefer GesichtsChir 2003 · 7 : 31–35 DOI 10.1007/s10006-002-0424-1 Originalien D. Nolte 1 · S. Pickelmann 2 · S. Swaid 1 · F. Hölzle 1 · K.-D.Wolff 1 1 Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer,Ruhr-Universität Bochum 2 Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit Online publiziert: 15 November 2002 © Springer-Verlag 2002 Priv.-Doz. Dr. D. Nolte Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, Ruhr-Universität Bochum, In der Schornau 23–25, 44892 Bochum, E-mail: [email protected], Phone: 0234-2993500, Fax: 0234-2993509 Zusammenfassung Fragestellung: Ziel der vorliegenden Unter- suchung war, die Effekte der Sauerstoff tra- genden freien Hämoglobinlösung (Diaspirin- crosslinked-Hämoglobin, DCLHb) auf die ka- pillare Perfusion sowie die Oxygenation im quergestreiften Hautmuskelgewebe nach kritischer Ischämiezeit und nachfolgender Reperfusion zu analysieren. Material und Methode: Die kapillare Gewe- beperfusion wurde anhand der funktionel- len Kapillardichte im Hautmuskel des syri- schen Goldhamsters quantitativ vor der In- duktion einer 4-stündigen Ischämie sowie nach 0,5 h, 2 h und 24 h Reperfusion mittels intravitaler Fluoreszenzmikroskopie erfasst (n=8 pro Versuchsgruppe). In separaten Tie- ren wurde nach demselben Versuchsansatz mit der Mehrdrahtoberflächenelektrode (MDO, Eschweiler, Kiel) die Gewebeoxygena- tion gemessen (n=8 pro Versuchsgruppe). Die Tiere der Testgruppe (n=8) erhielten 15 min vor der Reperfusion eine Kurzinfu- sion von 5 ml/kg KG DCLHb (Diaspirin-cross- linked-Hämoglobin, 10 g/dl, Baxter, IL, USA). Die Kontrolltiere (n=8) erhielten äquivalente Dosen einer isotonen Kochsalzlösung (Braun, Melsungen). Ergebnisse: Die funktionelle Kapillardichte als Maß für die Länge von erythrozytenper- fundierten Kapillaren pro Beobachtungsfeld war bei den Kontrolltieren in der Reperfu- sionsphase dramatisch vermindert, während bei den mit DCLHb behandelten Tieren signi- fikant höhere Werte nachweisbar waren (p<0,05). Diese Beobachtung spiegelte sich in einer vollständigen Erholung des Gewebe- pO 2 bei den Behandlungstieren wider, was in Kontrolltieren nicht erreicht wurde. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Sauerstoff tragende Lösung DCLHb nach kritischer Ischämie und Reperfusion die nutritive Perfusion und Ge- webeoxygenation gegenüber kristalloiden Lösungen verbessert. Die Anwendung derar- tiger Lösungen scheint unter den klinischen Bedingungen einer kritischen Ischämie da- her als viel versprechender adjuvanter thera- peutischer Ansatz. Schlüsselwörter Ischämie · Reperfusion · Sauerstoff tragende Lösungen · DCLHb · Mikrozirkulation · Gewebeoxygenation

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Page 1: Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit

Der postischämische Reperfusions-schaden stellt nach wie vor ein zentralesklinisches Problem nicht nur bei der Be-handlung des Schlaganfalls oder der ko-ronaren Herzerkrankung, sondern auchin der Transplantationsmedizin und derplastisch-rekonstruktiven Wiederher-stellungschirurgie mit mikrovaskulärenautologen Transplantaten dar. Obwohlder mikrochirurgische Gewebetransferheute zu den etablierten und sicherenOperationstechniken gehört und in derLiteratur Verlustraten von 4–8% angege-ben werden, treten doch in bis zu 15% derFälle Lappen(teil)nekrosen auf, die diestationären Liegezeiten erheblich verlän-gern können [20]. Neben primär vasku-lären Komplikationen (Anastomosenin-suffizienz,Gefäßkinking u. a.) kann mög-licherweise ein Teil der Nekrosen, v. a.

beim spät stattfindenden Lappenverlustnach etwa 5 Tagen und später, auf denpostischämischen Reperfusionsschadendes Transplantats zurückgeführt werden.

Die Pathophysiologie von Ischämieund Reperfusion ist relativ komplex undmuss auf das Ineinandergreifen mehrererPathomechanismen zurückgeführt wer-den: Zentraler Auslöser ist die Gewebe-hypoxie, welche über die Depletion derenergiereichen Phosphate zur endotheli-alen Dysfunktion mit gesteigerter Zell-schwellung und Permeabilität des mikro-vaskulären Endothels zum kapillaren Per-fusionsversagen auf der Ebene derMikrozirkulation führt [12]. In der Re-perfusionsphase kommt es nun durchden Wiedereintritt von Sauerstoff in dasischämische Gewebe zur Bildung freierSauerstoffradikale, welche entweder di-rekt oder indirekt über die Aktivierungund Adhäsion von zirkulierenden Leuko-zyten und die nachfolgende Bildung vonsekundär generierten proinflammatori-schen Mediatoren den postischämischenGewebeschaden bis hin zum vollständi-gen Gewebeuntergang induzieren [5, 7].

Mund Kiefer GesichtsChir 1 · 2003 31

Mund Kiefer GesichtsChir 2003 · 7 : 31–35DOI 10.1007/s10006-002-0424-1 Originalien

D. Nolte1 · S. Pickelmann2 · S. Swaid1 · F. Hölzle1 · K.-D.Wolff1

1Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie,Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer, Ruhr-Universität Bochum2Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München

Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit

Online publiziert: 15 November 2002© Springer-Verlag 2002

Priv.-Doz. Dr. D. NolteUniversitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie,Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer,Ruhr-Universität Bochum,In der Schornau 23–25, 44892 Bochum,E-mail: [email protected],Phone: 0234-2993500, Fax: 0234-2993509

Zusammenfassung

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Unter-suchung war, die Effekte der Sauerstoff tra-genden freien Hämoglobinlösung (Diaspirin-crosslinked-Hämoglobin, DCLHb) auf die ka-pillare Perfusion sowie die Oxygenation imquergestreiften Hautmuskelgewebe nachkritischer Ischämiezeit und nachfolgenderReperfusion zu analysieren.Material und Methode: Die kapillare Gewe-beperfusion wurde anhand der funktionel-len Kapillardichte im Hautmuskel des syri-schen Goldhamsters quantitativ vor der In-duktion einer 4-stündigen Ischämie sowienach 0,5 h, 2 h und 24 h Reperfusion mittelsintravitaler Fluoreszenzmikroskopie erfasst(n=8 pro Versuchsgruppe). In separaten Tie-ren wurde nach demselben Versuchsansatzmit der Mehrdrahtoberflächenelektrode(MDO, Eschweiler, Kiel) die Gewebeoxygena-tion gemessen (n=8 pro Versuchsgruppe).Die Tiere der Testgruppe (n=8) erhielten 15 min vor der Reperfusion eine Kurzinfu-sion von 5 ml/kg KG DCLHb (Diaspirin-cross-linked-Hämoglobin, 10 g/dl, Baxter, IL, USA).Die Kontrolltiere (n=8) erhielten äquivalenteDosen einer isotonen Kochsalzlösung(Braun, Melsungen).Ergebnisse: Die funktionelle Kapillardichteals Maß für die Länge von erythrozytenper-fundierten Kapillaren pro Beobachtungsfeldwar bei den Kontrolltieren in der Reperfu-sionsphase dramatisch vermindert, währendbei den mit DCLHb behandelten Tieren signi-fikant höhere Werte nachweisbar waren(p<0,05). Diese Beobachtung spiegelte sichin einer vollständigen Erholung des Gewebe-pO2 bei den Behandlungstieren wider, was inKontrolltieren nicht erreicht wurde.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieserStudie zeigen, dass die Sauerstoff tragendeLösung DCLHb nach kritischer Ischämie undReperfusion die nutritive Perfusion und Ge-webeoxygenation gegenüber kristalloidenLösungen verbessert. Die Anwendung derar-tiger Lösungen scheint unter den klinischenBedingungen einer kritischen Ischämie da-her als viel versprechender adjuvanter thera-peutischer Ansatz.

Schlüsselwörter

Ischämie · Reperfusion · Sauerstoff tragendeLösungen · DCLHb · Mikrozirkulation · Gewebeoxygenation

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Page 2: Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit

Diaspirin-crosslinked-Hämoglobin(DCLHb) ist eine stromafreie Hämoglo-binlösung, die durch einen intramole-kularen Crosslink zwischen den beidenLysinresten an Position 99 der a-Kettenkovalent vernetzt ist [2]. Es konnte ge-zeigt werden, dass diese Lösung unterden Bedingungen von Ischämie und Re-perfusion den Sauerstoff effizient in dasGewebe abgibt [3, 9].

Trotz erheblicher Fortschritte zurVerbesserung der Verträglichkeit dieserLösung steht der klinische Durchbruchnoch aus. Die Übertragung von infektiö-sen Erregern sowie die Nephrotoxizitätdieser Lösungen können zwar sicherausgeschlossen werden, dennoch ist die-sen Lösungen eine unerwünschte Wir-kung an den Sphinkteren des biliodiges-tiven Trakts zu eigen, sodass derzeit voneiner Anwendung am Patienten noch ab-gesehen werden muss.

Ziel der vorliegenden Studie war es,zu untersuchen, ob DCLHb unter denBedingungen von Ischämie und Reper-fusion die Gewebeoxygenation im quer-gestreiften Hautmuskel verbessern kann.Dies sollte unter Verwendung der Tech-nik der intravitalen Fluoreszenzmikros-kopie im Hinblick auf die nutritive Per-fusion des Gewebes einerseits und dieMessung des Gewebe-pO2 andererseits

in einem tierexperimentellen Ansatzanalysiert werden.

Material und Methode

Tiermodell

Für die Untersuchungen wurde dasRückenhautkammermodell beim syri-schen Goldhamster verwendet [13, 16].Abbildung 1 zeigt die beim syrischenHamster implantierte Titankammer insitu. Das Modell erlaubt die Untersu-chung der Mikrozirkulation im querge-streiften Rückenhautmuskel am wachenVersuchstier.Die Implantation von Titan-kammern zur Observation der Mikro-zirkulation im quergestreiften Rücken-hautmuskel erfolgte mindestens 2– 3 Ta-ge vor Inversuchnahme der Tiere in Ke-tamin-Xylazin-Anästhesie (130/20 mg/kg KG i. p.). Feine Polyäthylenkatheter(Portex, Hythe, England) wurden in dieV. jugularis interna sowie die A. carotisexterna zur Injektion der Lösungen so-wie zum Monitoring der Makrohämo-dynamik inseriert.

Experimentelles Protokoll

Zur Messung des Gewebe-pO2 sowie zurDurchführung der intravitalmikrosko-

32 Mund Kiefer GesichtsChir 1 · 2003

Originalien

D. Nolte · S. Pickelmann · S. Swaid · F. Hölzle ·K.-D.Wolff

Oxygen-carrying solutions improve tissue oxygenation in striated skin muscle subjected to critical ischemia

Abstract

Aim: The aim of the present study was to in-vestigate the effects of the oxygen-carryinghemoglobin solution DCLHb (diaspirin-crosslinked hemoglobin) on microvascularperfusion and tissue oxygenation in striatedskin muscle after the induction of criticalischemia followed by reperfusion.Material and Methods: Using intravital fluo-rescence microscopy the functional capillarydensity was analyzed in the striated skinmuscle of Syrian golden hamsters before theinduction of a 4-h period of ischemia andagain after 0.5 h, 2 h and 24 h of reperfusion(n=8 in each group). In other animals (n=8in each group), the identical protocol wasapplied to determine tissue oxygenation bymeans of the multi-wire surface electrode(MDO, Eschweiler, Kiel, Germany). Animals inthe treatment group (n=8) received a bolusinfusion of 5 ml of DCLHb per kg of body wt.(10 g/dl; Baxter, Ill., USA) 15 min beforereperfusion. Control animals (n=8) receivedequivalent volumes of isotonic saline (Braun,Melsungen, Germany).Results: Functional capillary density wasdramatically reduced in control animals,while in DCLHb-treated animals significantlyhigher values were observed. Efficientrestoration of tissue PO2 was also seen inDCLHb-treated animals and not in controlanimals.Conclusions: These results show that theoxygen-carrying solution DCLHb is signifi-cantly more efficient than the commonlyused crystalloid solutions in restoration oftissue PO2 after ischemia–reperfusion.Theuse of this solution therefore appearspromising as a means of protecting the tis-sue put at risk by ischemia from reperfusiondamage.

Keywords

Ischemia-reperfusion · Oxygen-carrying solution · DCLHb · Microcirculation · Tissueoxygenation

Mund Kiefer GesichtsChir 2003 · 7 : 31–35DOI 10.1007/s10006-002-0424-1

Abb. 1 � Rückenhautkammermodell beim syrischen Goldhamster. Die implantierte Titankammerenthält ein etwa 1 cm im Durchmesser messendes Beobachtungsfenster, in dem die Mikrozirkulationdes quergestreiften Rückenhautmuskels enthalten ist. Mit Hilfe der intravitalen Mikroskopie kanndas Gewebe bei einer Vergrößerung von bis zu 1200:1 im Hinblick auf Gefäßdurchmesser, Leukozy-ten-Endothel-Interaktion, Kapillardichte u. a. quantitativ analysiert werden (Details s. Material undMethode)

Page 3: Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit

pischen Untersuchungen wurden dieTiere randomisiert der Kontroll- sowieBehandlungsgruppe zugeführt (Soft-ware Randomizer, Universität Heidel-berg). Die Tiere wurden nach Messungder Ausgangswerte einer 4-stündigenIschämie ausgesetzt, welche mit Hilfe ei-nes Silikonstempels auf das in dem Be-obachtungsfenster der Titankammer be-findliche Gewebe induziert wurde [13].Der Andruck des Silikonstempels zur In-duktion der Ischämie wurde manuellunter mikroskopischer Kontrolle derartvorgenommen, dass der arterielle Ein-strom ins Gewebe sowie der venöse Aus-strom unter der minimal notwendigenAndruckkraft vollständig blockiert wa-ren. Eine Messung der Andruckkraft er-folgte nicht. Die Tiere der Kontrollgrup-pe erhielten 15 min vor der Reperfusion5 ml/kg KG 0,9%ige NaCl-Lösung lang-sam i. v. injiziert; Tiere der Testgruppeerhielten in derselben Weise äquivalen-te Volumina der 10%igen DCLHb-Lö-sung. Die Messungen wurden vor In-duktion der Ischämie und 1/2 h, 2 h und24 h nach der Reperfusion erhoben.

Hämoglobinlösung

DCLHb (99aa-Bis(3,5-Dibromosalicyl)-Fumarat-Hämoglobin, Lot-Nr. HBXR-92-268-42793) wurde von Baxter Health-care (Deerfield, IL, USA) zur Verfügung

gestellt. Die detaillierte Zusammenset-zung dieser Lösung wurde von uns be-reits früher beschrieben [15].

Messung des Gewebe-pO2

Die Sauerstoffmessungen im Kammer-gewebe wurden mit der Mehrdrahtober-flächenelektrode nach Eschweiler (Kiel)in der von Lübbers [8] beschriebenenWeise durchgeführt. Diese Technik wur-de von uns bereits mehrfach beschrie-ben und weiter modifiziert [1, 17].

Intravitale Fluoreszenzmikroskopie

Die quantitative Analyse der Mikrozir-kulation im quergestreiften Hautmuskelbeim Hamster wurde mit Hilfe einesintravitalen Mikroskops (Zeiss, Jena,Deutschland) visualisiert. Über die Kon-nektion des Mikroskops an einen com-putergesteuerten Schrittmotor war esmöglich, die identischen Gefäßabschnit-te zu den angegebenen Untersuchungs-zeitpunkten repetitiv wieder aufzusu-chen. Zur Visualisierung der kapillarenPerfusion wurde die funktionelle Kapil-lardichte, die als Länge (in cm) perfun-dierter Kapillaren pro Gewebefläche (incm2) definiert ist, quantitativ analysiert.Die Kapillaren wurden durch i.-v.-Injek-tion des Plasmamarkers FITC-Dextran,Molekulargewicht: 150.000, (15 mg/kgKG, Pharmacia, Upsala, Schweden) visu-alisiert. Die so erhaltenen Videobilderwurden offline mit Hilfe eines compu-tergestützten Mikrozirkulationsanalyse-systems (CapImage, Dr. H. Zeintl, Hei-delberg, Deutschland) ausgewertet [6].

Histomorphologie

Aus einigen Tieren wurden am Versuchs-ende Gewebeproben aus dem Kammer-gewebe entnommen und durch Super-fusion und gleichzeitige intraarterielleGanzkörperperfusion der in der Kam-merpräparation enthaltenen Gewebemit Karnovsky-Lösung (bestehend ausParaformaldehyd, 25%igem Glutaralde-hyd sowie Sörensen-Puffer) fixiert.

Statistik

Die Daten wurden zunächst auf Nor-malverteilung getestet. Als Zwischen-gruppentests wurde der Mann-Whit-ney-U-Test verwendet. Zur Untersu-chung von Veränderungen innerhalb ei-

ner Gruppe wurde der Friedmann-Testgefolgt vom Wilcoxon-Test angewendet.Die Daten wurden einer Bonferroni-Korrektur unterworfen. Das statistischeSignifikanzniveau wurde bei p<0,05festgelegt. Die Ergebnisse sind trotznicht parametrischer Verteilung derWerte als Mittelwerte±SEM dargestellt.

Ergebnisse

In den mit 0,9%iger Kochsalzlösung be-handelten Tieren war ein signifikanterAbfall der funktionellen Kapillardichtezu beobachten (Abb. 2). Diese Abnahmewar über den gesamten Beobachtungs-zeitraum von 24 h unverändert nach-weisbar, ohne dass eine Erholung derfunktionellen Kapillardichte über dieZeit nachweisbar war. Diese Verände-rungen waren in den mit DCLHb be-handelten Tieren deutlich günstiger: Einsignifikanter Abfall der funktionellenKapillardichte, wie er in den Kontroll-tieren beobachtet worden ist, war zu kei-nem Zeitpunkt gegenüber den Aus-gangswerten nachweisbar. Gegenüberden Kontrolltieren war die funktionelleKapillardichte nach 2 h und 24 h Reper-fusion signifikant erhöht (Abb. 2).

Die Messung des lokalen Gewebe-pO2 ergab statistisch keine signifikantenVeränderungen zwischen beiden Grup-pen (Abb. 3), jedoch einen klaren Trend:In Kontrolltieren nahm der mittlere Ge-

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Abb. 2 � Funktionelle Kapillardichte in Kon-troll- (schwarzer Kreis, 0,9%ige NaCl) und Be-handlungstieren (schwarzes Dreieck, DCLHb) vorIschämie und nach 0,5 h, 2 h und 24 h Reperfu-sion (Mittelwerte±SEM, n=8 Tiere pro Gruppe).* p<0,05 vs. 0,9%ige NaCl (Mann-Whitney-U-Test), # p<0,05 vs. Basal (Wilxocon-Test). BasalAusgangswerte vor Induktion der Ischämie,Isch 4 h Ischämie

Abb. 3 � Gewebe-pO2 in Kontroll- (schwarzerKreis, 0,9%ige NaCl) sowie Behandlungstieren(schwarzes Dreieck, DCLHb) vor Ischämie undnach Reperfusion (Mittelwerte±SEM, n=8 Tierepro Gruppe). Basal Ausgangswerte vor Induk-tion der Ischämie, Isch 4 h Ischämie

Page 4: Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit

webe-pO2 von 18,2±1,9 mmHg unter ba-salen Bedingungen auf 15,3±5,3 mmHgnach halbstündiger Reperfusion ab underreichte auch nach 24 h Reperfusion dieAusgangswerte nicht. Demgegenüberwar nach Behandlung der Tiere mitDCLHb eine effektive Wiederherstellungdes Gewebe-pO2 mit Werten über denpräischämischen Ausgangswerten be-reits nach 0,5 h Reperfusion erreicht(Abb. 3); dieser Effekt blieb über dengesamten Beobachtungszeitraum von 24 h erhalten.

Die histomorphologische Untersu-chung der Gewebeproben mit Hilfe derElektronenmikroskopie zeigte in denKontrolltieren eine deutliche Desinte-gration der Hautmuskelarchitektur mitzahlreichen Myolysen und Ödembil-dung innerhalb der Muskelfasern, wasals Zeichen des irreversiblen postischä-mischen Gewebeschadens 24 h nach derReperfusion zu interpretieren ist (Abb.4a). Eine typische Beobachtung war da-bei auch die Schwellung des kapillarenEndothels, begleitet von einer Vakuo-lenbildung innerhalb der betreffendenZellen. Außerdem fand sich regelmäßigeine Verlegung des kapillaren Lumensdurch das Geldrollen(sludge)-Phäno-men der Erythrozyten. In den mitDCLHb behandelten Tieren waren die-se postischämischen Veränderungen ef-fektiv vermindert (Abb. 4b): Nur seltenfanden sich derartige Veränderungenwie vakuolige Degeneration und Myoly-sen. Eine Endothelzellschwellung von

Kapillaren war nur in wenigen Fällennachweisbar.

Diskussion

In der vorliegenden Studie konnte ge-zeigt werden, dass die stromafreie Hä-moglobinlösung DCLHb nach Ischämieund Reperfusion

1. die kapillare Perfusion gegenüber Kon-trolltieren signifikant verbessert und

2. den Gewebe-pO2 nach Ischämie undReperfusion effektiv wiederherstellt,was in den Tieren der Kontrollgruppenicht zu beobachten war.

Die Ergebnisse konnten außerdemdurch elektronenmikroskopische Unter-suchungen des Gewebes nach 24 h Re-perfusion durch die deutliche Vermin-derung des postischämischen Gewebe-schadens in den mit DCLHb behandel-ten Tieren belegt werden.

Die Rückenhautkammerpräpara-tion beim syrischen Goldhamster ist eingeeignetes Mikrozirkulationsmodell,das zur Untersuchung der pathophysio-logischen Vorgänge beim postischämi-schen Reperfusionsschaden von zahlrei-chen Untersuchern herangezogen wor-den ist (zur Übersicht s. Nolte et al. [13]).Es erlaubt die Untersuchung der mikro-vaskulären Perfusion in einem feinenquergestreiften Hautmuskel über einenchronischen Beobachtungszeitraum vonmehreren Tagen bis hin zu Wochen am

wachen, nicht anästhesierten Versuchs-tier. Damit sind unerwünschte Einflüsseder Anästhesie auf die Mikrozirkulationsowie das akute Präparationstrauma desGewebes, welche in den meisten Ver-suchsmodellen gegeben sind, ausge-schlossen. In vorangegangenen Studienkonnte die hohe Reproduzierbarkeit derGewebe-pO2-Messung in dieser Präpa-ration unter verschiedenen pathophy-siologischen Bedingungen gezeigt wer-den [1, 15, 17].

Die in der vorliegenden Studie ge-wählte Dauer von 4 h entspricht beimHamster einer kritischen Ischämie, wieHarris et al. [4] nachgewiesen haben. Siekonnten belegen, dass in Kontrolltierenregelmäßig irreversible Schäden desmikrovaskulären Endothels bereits abeiner Ischämiezeit von 3 h auftraten.Damit erscheint das für diese Untersu-chung gewählte Modell geeignet, dieWirksamkeit von pharmakologischenSubstanzen zur therapeutischen Beein-flussung des postischämischen Reperfu-sionsschadens zu untersuchen.

Verschiedene Studien haben ge-zeigt, dass die Sauerstoff tragende Sub-stanz DCLHb effektiv die Mikro- undMakrozirkulation sowie den Gewebe-pO2 im schweren hämorrhagischenSchock wiederherstellen kann [15, 18].Die Wirksamkeit von DCLHb im Hin-blick auf die Verminderung des post-ischämischen Reperfusionsschadenswurde bei der fokalen zerebralen Isch-ämie sowie bei der Koronarangioplastienachgewiesen [3, 9]. Die Ergebnisse dervorliegenden Studie zeigten für die Ge-webeoxygenation zwar keine signifikan-ten Unterschiede zwischen beiden Grup-pen auf, aus Abb. 3 geht jedoch hervor,dass es in der frühen Reperfusionspha-se in den mit DCLHb behandelten Tie-ren 1/2 h nach Reperfusion zu keiner Hy-poxie im Gewebe kommt, wie in denKontrolltieren zu beobachten war.

Die Ergebnisse lassen sich weiterdurch die Qualität der pO2-Verteilungim Gewebe interpretieren. So konntenPickelmann et al. [17] in demselben Ver-suchsansatz zeigen, dass die räumlicheGewebesauerstoffverteilung in den Kon-trolltieren mit einer Linksverschiebungund Verbreiterung der pO2-Histogram-me einherging. Ersteres haben die Auto-ren als Zunahme der Gewebehypoxie,Letzteres als Zunahme der Heterogenitätder Gewebe-pO2-Verteilung interpre-tiert [17]. Demgegenüber konnten die

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Originalien

Abb. 4a,b � Elektronenmikroskopische Abbildung des postischämischen Gewebes nach 4-stündigerIschämie und 24 h Reperfusion in einem Tier der Kontrollgruppe (0,9% NaCl, a) und in einem Behand-lungstier (DCLHb, b). Vergrößerungsfaktor 4400:1, a in dem mit isotoner Kochsalzlösung behandel-ten Tier findet sich ein ausgeprägter Untergang der Muskelfaserarchitektur (Myolyse, M) mit Ödem-bildung und vakuoliger Degeneration (Vakuolenbildung, V), b Schnitt durch das Gewebe eines mitDLHb behandelten Versuchstiers: deutlich verminderte Ödembildung innerhalb des Muskels. Vakuo-lenbildung findet sich nur vereinzelt, b deutlich verminderter Gewebeschaden gegenüber a

Page 5: Sauerstoff tragende Lösungen verbessern die Gewebeoxygenation im quergestreiften Hautmuskel nach kritischer Ischämiezeit

Autoren zeigen, dass es bei den mitDCLHb in der gleichen Weise behandel-ten Tieren zu einer Verschmälerung derGewebe-pO2-Histogramme mit einerweniger starken Linksverschiebung kam,was die Autoren als eine Homogenisie-rung der Gewebe-pO2-Verteilung nachBehandlung mit DCLHb interpretierten.

Die funktionelle Kapillardichte stellteinen Indikator der mikrovaskulärenPerfusion des Gewebes dar und korreliertsehr gut mit dem Grad der Gewebeschä-digung bei Ischämie und Reperfusion,wie in verschiedenen Ischämie-Reperfu-sions-Modellen bereits gezeigt wordenist [4, 14]. Ein vollständiger Ausfall derkapillaren Perfusion, auch als No-reflow-Phänomen bezeichnet, erscheint dabeials ein zentraler Mechanismus für dieAusbildung des postischämischen Re-perfusionsschadens [11]. Unsere Ergeb-nisse bestätigen diese Beobachtung, daDCLHb den Gewebe-pO2 über die Erhö-hung der funktionellen Kapillardichte inder Reperfusionsphase verbessert. Dieslässt sich am ehesten über die suffizienteAbgabe von Sauerstoff in das Gewebeund die damit verminderte Zellschwel-lung, v. a. des mikrovaskulären End-othels, und das in der Folge geringer aus-geprägte so genannte sekundäre – also inder Reperfusionsphase auftretenden –No-reflow-Phänomen erklären. Darüberhinaus konnte in der von Pickelmann etal. [17] publizierten Studie gezeigt wer-den, dass die Aktivierung und Adhäsionvon Leukozyten im postischämischenGewebe durch DCLHb gegenüber Kon-trolltieren signifikant reduziert werden.Diesen Zellen wird ein weiteres zentralesPhänomen für die Ausbildung des Re-perfusionsschadens, nämlich des so ge-nannten Paradox-reflow-Phänomens,zugeschrieben [10], bei dem es durch ak-tivierte Leukozyten u. a. zur mechani-schen Verlegung von Kapillaren (capilla-ry plugging) [19] und so zu einer weite-ren Zunahme des postischämischenÖdems mit Versagen der Mikrozirkula-tion kommt [12].

Der klinische Einsatz von Sauerstofftragenden Lösungen zur Verbesserungder Gewebeoxygenation ist für zahlrei-che Fachgebiete in der Medizin von im-menser Bedeutung. Dennoch bleibendie bisherigen, sehr ermutigenden Er-gebnisse dieser Sauerstoff tragenden Lö-sung auf experimentelle Untersuchun-gen beschränkt.Erst kürzlich musste derklinische Einsatz einer solchen Lösung

aufgrund von Unverträglichkeitsreak-tionen beim Patienten nach erfolgrei-cher Durchführung von Phase-III-Stu-dien in der nun angelaufenen Phase IVabgebrochen werden. Der Einsatz dieserLösungen in der rekonstruktiven Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie könntedie Zahl der Lappen(teil)nekrosen beiden oft polymorbiden Patienten redu-zieren helfen. Dabei könnten einerseitseine selektive Perfusion der gehobenenTransplantate bis zum Zeitpunkt des Ge-fäßanschlusses, andererseits eine syste-mische i. v. Applikation, wie in der vor-liegenden Studie als wirksam nachge-wiesen, zur klinischen Anwendungkommen. Die Kosten für derartige Lö-sungen müssten sich, um den klinischenEinsatz zu rechtfertigen, relativ eng andenen von Erythrozytenkonzentratenorientieren, jedoch mit dem Vorteil desFehlens der bekannten Risiken bei derallogenen Bluttransfusion.

Es bleibt abzuwarten, ob die weitereModifikation dieser auf Hämoglobin ba-sierenden Sauerstoff tragenden Lösungdiese unerwünschten Effekte nicht aufzei-gen wird. Dies würde für viele unserer Pa-tienten eine Verbesserung der klinischenSituation wie etwa beim Schlaganfall, derkoronaren ischämischen Herzerkrankungoder – in unserem Fachgebiet – beimmikrovaskulären Gewebetransfer bedeu-ten, wo eine Minderperfusion des Gewe-bes mit unzureichender Gewebeoxygena-tion den zentralen pathophysiologischenMechanismus darstellt.

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