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Social Web - Praktiken und Öffentlichkeiten Jan-Hinrik Schmidt Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation Augsburg, 21.09.2011

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Page 1: Schmidt socialmedia 2011_print

Social Web - Praktiken und Öffentlichkeiten

Jan-Hinrik Schmidt

Wissenschaftlicher Referent

für digitale interaktive Medien

und politische Kommunikation

Augsburg, 21.09.2011

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Social Web

Noch ein Strukturwandel von Öffentlichkeit?

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Social Web

Worüber spreche ich?

1. Die Ausgangslage: Was passiert gerade im Internet?

2. Individuelle Praktiken und überindividuelle Folgen: Wie wandelt sich Öffentlichkeit?

3. Einige Ratschläge: Was folgt daraus für Journalismus?

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Social Web

Zielgruppe der Zukunft? Die Digital Natives

„Was wäre, wenn es kein Internet gäbe?“[Zitate aus Gruppendiskussionen mit Jugendlichen in Hamburg und im Emsland]

– „Ich glaube, man würde damit klar kommen. Aber wenn man wüsste, dass es das mal gab und dann abgeschafft wird, ich glaub, dann würde ich durchdrehen. [- Warum? -] Ich müsste dann auf Youtube-Videos und so verzichten, und die sind schon witzig. Oder Chat und so.“ [Mädchen, 14 Jahre]

– „Bei mir ist es, ich nutze halt das Internet einerseits sehr viel zur Kommunikation – Messenger läuft bei mir fast 24 Stunden am Tag, SchülerVZ ist natürlich auch hoch frequentiert. Aber zum Zweiten nutze ich das auch sehr viel, um mir halt Informationen zu beschaffen, die ich brauche.“ [Junge, 17 Jahre]

– „Es geht auch ohne Internet, man kann ja auch was machen, was man nicht im Internet macht. Man kann zum Beispiel Playstation spielen, oder Nintendo DS, es gibt alles mögliche. Man muss nicht immer in Internet rennen, sonst is man n Internet-Freak.“ (Mädchen, 13 Jahre)

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Social Web

Digital Natives?

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Social Web

Verbreitung des Social Web nach Alter

Wikipedia (70%) Videoportale (58%) SNS gesamt (43%) Twitter (3%)0

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14-19 20-29 30- 39

40- 49 50- 59 60+

Erläuterung: Repräsentativ für deutsche Online-Nutzer ab 14 Jahren; Anteil der Befragten, die Angebote zumindest selten nutzen. Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudie 2011; zitiert nach Busemann/Gscheidle 2011. 6 von 23

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Social Web

Worüber spreche ich?

1. Die Ausgangslage: Was passiert gerade im Internet?

2. Individuelle Praktiken und überindividuelle Folgen: Wie wandelt sich Öffentlichkeit?

3. Einige Ratschläge: Was folgt daraus für Journalismus?

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Social Web

Universalmedium Internet

Das Social Web senkt technische Hürden für onlinebasiertes…

Identitätsmanagement (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.)

Beziehungsmanagement (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen

Informationsmanagement (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)

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Social Web

Social-Web-Praktiken

Das Social Web hilft dabei, Anforderungen unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu erfüllen:

„vernetzte Individualität“ als Leitbild Informationsüberfluss als Kontext

Nutzung des Social Web ist somit Teil umfassender gesellschaftlicher PraktikenAktivität Beispiel Gesellschaftliche

PraxisKernfrage

Identitäts-management

Blogeintrag über einen Konzertbesuch

Selbst-auseinandersetzung

Wer bin ich?

Beziehungs-management

Bestätigen einer Kontaktanfrage auf Facebook

Sozial-auseinandersetzung

Welche Position habe ich in meiner sozialen Umwelt?

Informations-management

Bewerten eines YouTube-Videos

Sach-auseinandersetzung

Wie orientiere ich mich in der Welt?

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Social Web

Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten

• Social Web lässt persönliche Öffentlichkeiten entstehen, in denen Nutzer

• (a) Informationen nach Kriterien der persönlichen Relevanz auswählen,

[anstatt nach journalistischen Nachrichtenfaktoren]

• (b) sich an (intendiertes) Publikum richten, das aus sozialen Kontakten besteht,

[anstatt des verstreuten, unbekannten, unverbundenen Publikums der Massenmedien]

• (c) und sich im Kommunikationsmodus des „Konversation Betreibens“ befinden.

[anstatt im Modus des „Publizierens“]

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Social Web

Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten

• Im Social Web verschwimmt die Trennung zwischen „Sender“- und „Empfänger“-Rollen der Massenkommunikation

• Twitter, Facebook u.ä. Angebote haben Konzept des „streams“ popularisiert – der konstante Informationsfluss, der an die Seite bzw. Stelle von statischem Text tritt

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Social Web

Konvergenz von Konversation und Publikation

• Social Web macht professionellen Journalismus nicht überflüssig

• Aber es bedrängt dessen Monopol auf das Auswählen, Aufbereiten und öffentliche zur-Verfügung-Stellen von Informationen…

• … nicht so sehr, weil Nutzer auch als Urheber von Informationen auftreten („user-generated content“; „citizen journalism“)

• …sondern vor allem, weil Nutzer als Filter bzw. Multiplikatoren innerhalb ihrer sozialen Netzwerke agieren und Informationen (auch aus etablierten Medien) miteinander teilen

Diese Konvergenz von Konversation & Publikation wird zukünftig die Art und Weise prägen, wie wir uns individuell informieren und gesellschaftlich beobachten bzw. verständigen

+1, Fav-Stern, Retweet

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Social Web 13 von 23

Publizistische und persönliche Öffentlichkeiten

• In den vernetzten Öffentlich-keiten des Social Web äußert sich „Anschlußkommunikation“ des Publikums

– Publizistische Angebote machen ihre Inhalte für die neuen Plattformen zugänglich

– Nutzer verlinken, retweeten, bookmarken, diggen, teilen und empfehlen journalistische Inhalte

• Die Online-Ableger etablierter publizistisch-redaktioneller Angebote bündeln aber nach wie vor das Gros der Aufmerksamkeit

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Social Web

Nur wenig Kritik journalistischer Angebote in Blogs

80,511,2 8,2

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Top 20 RedaktionelleAngebote

Positiv Neutral NegativQuelle: Auswertung von N=1.750 Links von Blogs auf populäre journalistische Online-Angebote (Quelle hierfür: www.technorati.com)

Anteil bewertender Verweise von Blogs auf andere Online-Quellen (in %)

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Social Web

Monitoring von Themen und Diskussionen

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Social WebQuelle: Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009

Folge des Medienwandels: Dis-/Reintermediation

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Social Web

z.B. Parteien, Vereine, Ver-

bände, Kirchen, Stiftungen, …

Quelle: Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009

Folge des Medienwandels: Dis-/Reintermediation

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Social Web

z.B. Politische Akteure

Quelle: Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009

Folge des Medienwandels: Dis-/Reintermediation

Journalistische Vermittlung +

Reintermediationz.B. Parteien, Vereine, Ver-

bände, Kirchen, Stiftungen, …

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Social Web

Worüber spreche ich?

1. Die Ausgangslage: Was passiert gerade im Internet?

2. Individuelle Praktiken und überindividuelle Folgen: Wie wandelt sich Öffentlichkeit?

3. Einige Ratschläge: Was folgt daraus für Journalismus?

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Social Web

3. Journalistische Praxis: Einige Ratschläge

1) Reagieren Sie auf Erwartungen der „people formerly known as the audience“

Kompetent, rasch und professionell das Wichtige vom Unwichtigen trennen und aufbereiten = (Qualitäts-)Journalismus betreiben!

Anschlusskommunikation erleichtern= Ihren Lesern/Hörern/Sehern die Möglichkeit bieten, Ihre Inhalte zu empfehlen und in anderen Kontexten zu verwenden

Konversationen anstoßen und moderieren= sich nicht (mehr) als „Sender“ oder gar „Verkünder“ begreifen, sondern mit Ihrem Publikum kommunizieren – auch um zu lernen

Dialog- und Kritikfähigkeit zeigen= damit rechnen (und sich dafür wappnen), dass Sie auch Fehler machen – und dass die Kritik des Publikums schnell sichtbar wird

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Social Web

3. Journalistische Praxis: Einige Ratschläge

2) Orientieren Sie sich selbst in den entstehenden Öffentlichkeiten

Allgemeinen Überblick zur „Nachrichtenlage des Social Web“ verschaffen (z.B. über rivva.de)

Ggfs. Recherchen zu spezifischen Themen, Meinungen oder Einschätzungen in den (Experten-) Öffentlichkeiten des Social Web anstellen

Dabei aber bitte den ethisch relevanten Unterschied beachten: zugänglich heisst nicht unbedingt auch öffentlich

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Social Web

Fazit

• Das Internet verändert das soziotechnische Umfeld, in dem Menschen Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement betreiben

• Es lässt einen neuen Typ von Öffentlichkeit entstehen: Persönliche Öffentlichkeiten, die aus Informationen von persönlicher Relevanz bestehen, die an vergleichsweise kleine Publika gerichtet sind; es geht eher um Konversation als um Publizieren

• Dies wirkt sich nicht nur auf die Artikulation und Pflege sozialer Beziehungen aus, sondern ergänzt bzw. erweitert Leistungen des professionellen Journalismus und etablierter Medienorganisationen in zweierlei Hinsicht:

1. (Produktion) Entstehen neuer themen- und gruppenspezifischer, nicht-institutionalisierter „Arenen“ mit eigenen Selektions- und Relevanzkriterien

2. (Filtern) „Gatekeeping“, das Beobachten, Selektieren und Aggregieren von Themen für ein Publikum, wird zunehmend auch von Laien sowie von Software-Code geleistet

• Professionell betriebener Journalismus wird durch diese Veränderungen nicht überflüssig, muss sich aber auf den Strukturwandel von Öffentlichkeit einstellen

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Social Web

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Jan-Hinrik Schmidt

Hans-Bredow-InstitutWarburgstr. 8-10, 20354 Hamburg

[email protected]

www.schmidtmitdete.dewww.dasneuenetz.de

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Social Web

Quellennachweise AbbildungenFolie 2: [Kaffeehaus] http://en.wikipedia.org/wiki/File:ParisCafeDiscussion.png [Zeitungen] CC-BY-NC-ND-2.0, Erik Hartberg, http://www.flickr.com/photos/captainsticky/344199724 [TV] CC-BY-SA-3.0, Takk, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Televison_Hungarian_ORION_1957.jpg [Habermas] CC-BY-SA-3.0, Wolfram Huk,

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:JuergenHabermas_crop2.jpg

Folie 5ff.: [Identität] © Hapf2, http://www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664 [Beziehung] CC BY-NC-SA-2.0, Myles!, http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908 [Information] CC BY-NC-ND-2.0, Axel V, http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/126700804

Folie 12 [Konversation]: CC-BY-NC-ND-2.0, Dominic Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/274628990/ Folie 21 [Holland]: CC-BY-NC-ND-2.0, Toby Bradbury, http://www.flickr.com/photos/mrlerone/2360572263/

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Social Web

Weiterführende Literatur

– Busemann, Katrin & Gscheidle, Christoph (2011). Web 2.0: Aktive Mitwirkung verbleibt auf niedrigem Niveau. Media Perspektiven, 7-8/2011, 360-369. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Online11/07082011_Busemann_Gscheidle.pdf

– Benkler, Yochai (2006): The Wealth of Networks. How social production transforms markets and freedom. New Haven/London.

– Jenkins, Henry (2006): Convergence Culture. Where old and new media collide. New York.

– Münker, Stefan (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0. Frankfurt a.M.

– Neuberger, Christoph/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke (Hg.) (2009): Journalismus im Internet. Profession – Partizipation – Technisierung. Wiesbaden.

– Palfrey, John / Urs Gasser (2008): Generation Internet: Die Digital Natives – wie sie leben, was sie denken, wie sie arbeiten. München.

– Schmidt, Jan (2009): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz.

– Schmidt, Jan/Ingrid Paus-Hasebrink/Uwe Hasebrink (Hrsg.) (2009): Heranwachsen mit dem Social Web. Berlin.

– Stöcker, Christian (2011): Nerd Attack! München.25 von 23