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Schwierige Therapieentscheide: Ethische Fallbesprechung (METAP) an einem Beispiel
Angelika Lehmann, BNS, MAS
Barbara Meyer-Zehnder, Dr. med.
Übersicht
• Ziele des Workshops
• Vorstellung des Ablaufs einer ethischen Fallbesprechung nach dem Modell METAP
• Fallbesprechung mit Teilnehmenden anhand eine Beispiels aus der Praxis
• Faktoren die eine Fallbesprechung gelingen lassen
• Download Hilfsmittel
14. / 15. März 2012 Workshop2
Ziel dieses Workshops
• Lust machen, sich an Ethik heranzuwagen
• Vorstellen eines Modells (METAP), mit dem ethische Probleme bearbeiten werden können (es gibt auch andere Modelle) und üben anhand eines Fallbeispiels
• Sensibilisierung für Risikokriterien für Unter- und Ungleichbehandlung
14. / 15. März 2012 Workshop 3
Einführung
• Moral: Was Individuen, Gemeinschaften, Gesellschaften für richtig, gut, gerecht halten; moralische Forderung (Gebote, Verbote), gewachsene Lebensform
• Ethik: Methodisches Nachdenken über einen moralischen Sachverhalt (z.B. Therapiebegrenzung ja oder nein)
• Methodisches Nachdenken mit METAP heisst gestützt
• auf ein definiertes Verfahren
• auf definierte ethische Kriterien
• Unterscheidung zur persönlichen Meinungsbildung
• Entscheid soll transparent und nachvollziehbar sein.
14. / 15. März 2012 Workshop4
Was bedeutet METAP?
M= Modular
E = Ethik
T = Therapie
A = Allokation (Mittelzuteilung)
P = Prozess
14. / 15. März 2012 Workshop5
METAP-Projektgruppe
Prof. Stella Reiter-Theil (Ethik, Projektleitung)
Prof. Hans Pargger (OIB, Projektleitung)Dr. Heidi Albisser Schleger, PhD, MSc, RN (Pflege, Psych.)Marcel Mertz, MA (Philosophie, Soziologie)Dr. Barbara Meyer-Zehnder, MD (Ärztin)Valentin Schnurrer, MA (Philosophie, Soziologie)
Jan Schürmann (Philosophie)
Dr. Sabine Tanner, PhD, MSc (Psychologie)
14. / 15. März 2012 Workshop6
Wo wird METAP angewendet?
• AGUK, USB
• OIB, USB
• MIPS, USB
• Viszeralchirurgie, USB
• IPS, BHS
• FPS
• IPS, St. Anna Luzern
14. / 15. März 2012 Workshop7
Wie ist METAP aufgebaut?
Leporello/Kurzfassung:• enthält alle theoretischen Grundlagen und Hilfsmittel für die
Anwendung im AlltagLangfassung:
• theoretischer „Backup“, enthält ausführlich alle Grundlagen für einen ethisch angemessenen Therapieentscheid
• Jedes Kapitel enthält am Ende ein „Fazit für die klinische Praxis“
• Unterstrichene Worte werden im Glossar erklärt• Rechtliche Inhalte mit § markiert• Im Anhang Hilfsmittel als Kopiervorlage
14. / 15. März 2012 Workshop8
METAP Verfahren
Hilfsmittel
Wie wird METAP angewendet?
Was ist das Ziel von METAP?
• Bereitstellung von Hilfsmitteln und theoretischem Wissenzur Unterstützung von Entscheiden in schwierigen oder konflikthaften Patientensituationen
• Erreichen eines ethisch angemessenen Therapieentscheides
• Vorbeugen von ungerechtfertigter Ungleichbehandlung und damit von Unter- und Ungleichversorgung
• Vorbeugung von Überversorgung
• Unterstützung der Versorgungsqualität in schwierigen, konflikthaften Patientensituationen
14. / 15. März 2012 Workshop11
Was ist ethische Angemessenheit?
14. / 15. März 2012 Workshop12
Überversorgung
• Synonyme: sinnlose, nutzlose, ineffektive oder aussichtslose medizinische Therapie, Medical Futility
• Definition:Medizinische oder pflegerische Intervention gilt dann als nutzlos, wenn eine physiologische Wirkung auf den Gesundheitszustand extrem unwahrscheinlich ist
• Gescheiterte Definitionsversuche:Es gibt bislang keine allgemein akzeptierte Definition von Überversorgung
14. / 15. März 2012 Workshop13
Überversorgung
14. / 15. März 2012 Workshop14
Was ist ethische Angemessenheit?
14. / 15. März 2012 Workshop15
Unter-/Ungleichversorgung – Risikofaktoren
14. / 15. März 2012 Workshop16
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Medizinethik und Interdisziplinarität
Pflege ÄrztIn
SozialdienstPhysiotherapie
Seelsorger
LogopädieEthik
Ethische Frage
Patient Angehörige
Rahmen der ethischen Fallbesprechung
• Ruhige Atmosphäre (Piepser abgeben, wenn möglich)
• Alle beteiligten Berufsgruppen angemessen vertreten
• Anwesende kennen den/die Patientin
• Allenfalls SpezialistIn einladen
• Entscheidungsträger anwesend
• Zeit: 45 bis 60 Minuten (anhängig von Vorbereitung)
• Patient und Angehörige in der Regel nicht anwesend
14. / 15. März 201218
Ablauf der ethischen Fallbesprechung
Ablauf der ethischen Fallbesprechung: Phase 1
14. / 15. März 2012 Workshop20
BeispielMedizinisches
3x AKB am 1.4.10 nach Infarkt, postoperativer Verlauf oB
(ausser Delir und Lasixperfusor)
auf Abteilung bis 17.4., dort REA Alarm bei Be-
wusstlosigkeit, bei Eintreffen REA Team wieder GCS 14-
15,
Sternuminfekt, Sternuminstabilität: operativ behandelt
Chronische Niereninsuffizienz: aktuell zwei Mal Dialyse
Biventr. Herzinsuffizienz, aktuell VHF
Neuro: zwischenzeitl. verwirrt, dann wieder klar
Neben-Dg.: D.mell II, insulinpflichtig, Adipositas
Pflegerisches/Therapeutisches
Heute relativ kooperativ, zwischenzeitlich aber immer
wieder unkooperativ und lehnt therapeutische und
pflegerische Massnahmen ab
Betreuung: Mobilisation mit mehreren Pers. Bei
schlechtem Muskeltonus
Schluckstörungen mit fragl. Aspiration, Patient verlangt
immer wieder etwas zu trinken
Viel Sekret
Prognose
Sternuminfekt am Ausheilen
Niere: kann sich erholen
Herz: stabil
Lunge: braucht Atemtherapie, kann sich erholen
In der Summe: über 50% Chancen, dass Pat. wieder
nach Hause entlassen werden kann
Präferenzen/bisheriger Lebensentwurf
Ehefrau und Kinder schildern ihn als eigenwillig, forsche
Art
Gemäss Ehefrau ist dem Pat. Selbständigkeit wichtig, will
selber entscheiden
Eigenes Geschäft
Selbständig, konnte noch Auto fahren
Patientenwille
Der Entscheid zur Operation ist Pat. nicht leicht gefallen
(wegen Symptomen aber doch zugesagt)
Pat. spricht sich am 18.4 gegen eine langfristige Dialyse
aus, kurzzeitig ist für ihn vertretbar
Lehnt am 19.4 nach Aufklärung eine Atemtherapie ab
Vorliegende Pat. Verfügung vom 2.9.2009: keine REA,
keine lebensverlängernden Massnahmen.
Meinung ändert sich häufig, z.T. widersprüchliche
Aussagen (Aussage: machen Sie mich gesund)
Risikokonstellation
71 Jahre
Mann
Pflegeintensiv
soziales Umfeld (Angehörige etc)
Ehefrau (zweite), 2 Kinder (Sohn meint, man soll alles
machen, v.a. kurze Dialyse)
Angehörige sind gut informiert
Strukturelles anderes
Psychiatrische Info:
Leichte reaktive Depression, Urteilsfähigkeit aktuell
gegeben (nicht in einem schweren Delir o.ä.)
Ambivalente Einstellung gegenüber Therapie, fragliche
Krankheitseinsicht
Ablauf der ethischen Fallbesprechung: Phase 2
14. / 15. März 2012 Workshop24
Evaluation der ethischen Angemessenheit
Ablauf der ethischen Fallbesprechung: Phase 3
14. / 15. März 2012 Workshop26
Beispiel
Name, Geburtsdatum: Herr PATIENT geb. 1939
Datum, Dauer des Gespräches 22. April 2010
Teilnehmende Personen Moderation: Stefanie Mogg
Frank Derrer, Ursi Barandun, Fabian Fiechter, Merle Keck
(Psychiatrie), Michael Wehrli, Gianmarco Balestra, Martin
Siegemund, Barbara Meyer
Grund für das Gespräch:
Informationsgrundlage Siehe oben
Ergebnis und Begründung: Kein Hinweis für Überversorgung
Prinzipiell gute Prognose
Urteilsfähigkeit wechselnd, äussert Ambivalenz
Strategie: Verhandlung so weit möglich, gelegentlich streng
sein, allenfalls medikamentöse Unterstützung
Pat. braucht wahrscheinlich klare Anweisungen
Schlucken nur im Sitzen, Medi, wenn möglich i.v.,
Trinkmenge einschränken
REA Nein
Datum, Unterschriften:
22. April 2010
Faktoren, die eine ethische Fallbesprechung „gelingen“ lassen (1)
Strukturelle Voraussetzungen
•Leadership: aktive Unterstützung durch ärztliche und pflegerische Leitung
•Interprofessionelle Zusammenarbeit
•Regelmässige Termine (Einbau in bestehende Fortbildungsveranstaltungen) sehr empfehlenswert
14. / 15. März 2012 Workshop29
Faktoren, die eine ethische Fallbesprechung „gelingen“ lassen (2)
Vorbereitung:
•Verantwortlichen definieren
•Möglichst vollständige Informationsgrundlage• Viele Informationen liegen meist schon vor, aber häufig Hauptfokus
auf dem Medizinischen und Pflegerischen
• Problemmatrix schon im Vorfeld ausfüllen und fehlende Informationen zusammentragen
•Wer soll an FB teilnehmen? Information der Betreffenden
14. / 15. März 2012 Workshop30
Faktoren, die eine ethische Fallbesprechung „gelingen“ lassen (3)
• Ausgewogene Vertretung der Berufsgruppen
• Runde vollständig
• Teilnehmende kennen Patient/Patientin
• Wenig Störungen (Telefon etc.)
• Entscheidungs“wille“ der Beteiligten
• Möglichst wenig Einfluss durch Hierarchie
• Rolle des Moderators
14. / 15. März 2012 Workshop31
Beispiel OIB
• Fixer Termin Donnerstag 14 Uhr
• Plan pro Quartal, wo verantwortliche Person definiert wird
• Diese bespricht am Mittwoch mit Dienstequipe, ob ein Bedarf besteht und organisiert anschliessend alles weitere:
• Information der Teilnehmenden
• Vorbereitung der Problemmatritze
• 2011 wurden 25 Fallbesprechungen durchgeführt
14. / 15. März 2012 Workshop32
Link für Hilfsmittel
www.klinischeethik-metap.ch
Dort Download verschiedener Hilfsmittel möglich
14. / 15. März 201233