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Schwingungsuntersuchungen Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen Frank Neitzel und Willfried Schwarz Zusammenfassung Für eine umfassende Bauwerksüberwachung und für die experimentelle Trag- sicherheitsbewertung von Baukonstruktionen kommen neben dem Monitoring von Durchbiegungen und Verschiebungen mit Hilfe geodätischer Überwachungs- messungen auch dynamische Analysen zum Einsatz, die unter anderem auf der Erfassung des Schwingungsverhaltens mit Hilfe von Beschleunigungsmessungen basieren. In diesem Kapitel werden die grundlegenden Ziele und Methoden des Monitorings im Bauwesen kurz aufgezeigt, danach werden Schwingungsunter- suchungen an einer Brücke, die Berechnung von Schwingwegen aus Beschleu- nigungsmessungen sowie das Einsatzpotenzial unterschiedlicher Sensoren für Schwingungsuntersuchungen aufgezeigt und es wird auf die Bestimmung von dynamischen Verformungen an Brückenbauwerken mittels Laserinterferometrie eingegangen. Schlüsselwörter Structural Health Monitoring (SHM) • geodätische Überwachungsmessungen • Schwingungsuntersuchungen • Ambient Vibration Monitoring • Beschleuni- Dieser Beitrag ist Teil des Handbuchs der Geodäsie, Band „Ingenieurgeodäsie“, herausgegeben von Willfried Schwarz, Weimar. F. Neitzel () Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik, Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] W. Schwarz Professur Computer Vision in Engineering, Bereich Geodäsie, Bauhaus-Universität Weimar, Weimar, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 W. Freeden, R. Rummel (Hrsg.), Handbuch der Geodäsie, Springer Reference Naturwissenschaften, DOI 10.1007/978-3-662-46900-2_28-1 1

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Schwingungsuntersuchungen

Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen

Frank Neitzel und Willfried Schwarz

Zusammenfassung

Für eine umfassende Bauwerksüberwachung und für die experimentelle Trag-sicherheitsbewertung von Baukonstruktionen kommen neben dem Monitoringvon Durchbiegungen und Verschiebungen mit Hilfe geodätischer Überwachungs-messungen auch dynamische Analysen zum Einsatz, die unter anderem auf derErfassung des Schwingungsverhaltens mit Hilfe von Beschleunigungsmessungenbasieren. In diesem Kapitel werden die grundlegenden Ziele und Methoden desMonitorings im Bauwesen kurz aufgezeigt, danach werden Schwingungsunter-suchungen an einer Brücke, die Berechnung von Schwingwegen aus Beschleu-nigungsmessungen sowie das Einsatzpotenzial unterschiedlicher Sensoren fürSchwingungsuntersuchungen aufgezeigt und es wird auf die Bestimmung vondynamischen Verformungen an Brückenbauwerken mittels Laserinterferometrieeingegangen.

SchlüsselwörterStructural Health Monitoring (SHM) • geodätische Überwachungsmessungen •Schwingungsuntersuchungen • Ambient Vibration Monitoring • Beschleuni-

Dieser Beitrag ist Teil des Handbuchs der Geodäsie, Band „Ingenieurgeodäsie“, herausgegebenvon Willfried Schwarz, Weimar.

F. Neitzel (�)Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik, Technische Universität Berlin, Berlin,DeutschlandE-Mail: [email protected]

W. SchwarzProfessur Computer Vision in Engineering, Bereich Geodäsie, Bauhaus-Universität Weimar,Weimar, DeutschlandE-Mail: [email protected]

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016W. Freeden, R. Rummel (Hrsg.), Handbuch der Geodäsie,Springer Reference Naturwissenschaften, DOI 10.1007/978-3-662-46900-2_28-1

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gungssensor • terrestrischer Laserscanner (TLS) • Ground Based Radarsystem(GBSAR) • Filterung • ereignisbasierte Synchronisation • Dämpfungskoeffi-zient • Laserinterferometrie

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Untersuchung von Schwingungen an Brückenbauwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.1 Beschleunigungsmesssystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Messaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3 Datenverarbeitung und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

3 Bestimmung von Schwingwegen aus Beschleunigungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.1 Genauigkeitsrelevante Einflussparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.2 Sensoren, Messwerterfassung und Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.3 Berechnung der Wegwerte aus Beschleunigungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Einsatzpotenziale von GBSAR, TLS und Beschleunigungssensoren fürSchwingungsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204.1 Messaufbau und Senorsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.2 Datenerfassung und Datenaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244.3 Synchronisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284.4 Schwingungsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

5 Dynamische Verformungs- und Schwingungsmessungen mit Laserinterferometrie . . . . . . 406 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

1 Einführung

Mit dem Begriff Monitoring bezeichnet man alle Arten der systematischen Beob-achtung oder Überwachung eines Vorgangs oder eines Prozesses mittels technischerHilfsmittel, um diesen zu erfassen und zu analysieren und gegebenenfalls steuerndeinzugreifen, sofern dieser nicht den gewünschten Verlauf nimmt oder zuvorfestgelegte Grenzwerte erreicht werden. Im Rahmen systematischer Überwachun-gen werden regelmäßig Messungen durchgeführt, bei denen folgende geodätischebzw. geotechnische Sensoren entweder getrennt oder in Kombination eingesetztwerden:

– Tachymeter, Nivellierinstrument, GNSS-Empfänger, terrestrischer Laserscanneru. a. für die georeferenzierte Erfassung von geometrischen Veränderungen,

– Laserinterferometer, terrestrisches Radarinterferometer, faseroptische Sensoren,Seilzugweggeber, Extensometer, Neigungssensoren, Schlauchwaagensysteme,Beschleunigungs- und Geschwindigkeitssensoren, Thermometer, Barometer,Hygrometer u. a. für die Erfassung von relativen geometrischen Veränderungenund physikalischen Größen,

– andere, z. B. bildgebende, Sensoren für die zerstörungsfreie Bauwerksprüfung(z. B. Thermographiekamera, Radar, Ultraschall).

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 3

In diesem Kapitel soll das Monitoring im Bauwesen anhand der Brücken-überwachung exemplarisch dargestellt werden. Der gesamte Themenkomplex derBrückenüberwachung bis hin zum Aufbau eines Risikobewertungssystems undeiner Lebensdauerabschätzung wird in [28] umfassend dargestellt. Ein zentralerPunkt für die Brückenüberwachung ist dabei das sogenannte Structural HealthMonitoring (SHM). Damit wird der gesamte Prozess der Implementierung von Stra-tegien und Techniken zur Schadensdetektion an Ingenieurbauwerken bezeichnet.Dieser Prozess umfasst:

– die regelmäßige Erfassung des statischen und dynamischen Bauwerksverhaltensmit geeigneten Sensoren,

– die Extraktion von schadenssensitiven Merkmalen aus den Messwerten,– eine statistische Analyse der extrahierten Merkmale zur Bestimmung des aktuel-

len Bauwerkszustandes.

Für das Structural Health Monitoring von Brücken werden in [28] folgendeMethoden und zu untersuchende Eigenschaften aufgeführt:

– Monitoring des ambienten Schwingungsverhaltens,– Monitoring von Durchbiegungen und Verschiebungen,– Monitoring des Ermüdungsverhaltens,– Korrosion, Karbonisierung, Chloritgehalt,– Lastabtragung,– Materialeigenschaften.

Aus den vorangegangenen Aufzählungen ist unmittelbar ersichtlich, dass dasMonitoring im Bauwesen eine interdisziplinäre Aufgabe ist, die nur durch engeZusammenarbeit von z. B. Bauingenieuren, Geodäten und Geotechnikern allum-fänglich bewältigt werden kann. Eine klassische Aufgabe der Ingenieurgeodäsieist das Monitoring von Durchbiegungen und Verschiebungen, das in der Regel mitHilfe geodätischer Sensoren erfolgt. Die durchzuführenden Messungen sind oftmalssehr aufwendig, da sich mögliche Bauwerksschäden zunächst in kleinen geometri-schen Veränderungen gegenüber einer Referenzmessung zeigen, die es signifikantzu bestimmen gilt. Die Auswertung geodätischer Überwachungsmessungen ist in[9] umfassend dargestellt, eine spezielle Abhandlung zur Brückenüberwachung mitgeodätischen Sensoren bietet z. B. Kuhlmann [10].

Um jedoch das Gesamtsystem eines Bauwerks im Sinne eines Structural HealthMonitoring zu erfassen, sind neben geodätischen Überwachungsmessungen auchdynamische Analysen erforderlich. Dazu werden Beschleunigungssensoren einge-setzt, um das Schwingungsverhalten eines Bauwerks bei erzwungener Anregungoder bei ambienter Anregung (z. B. durch Wind, Mikroseismik, Verkehr in unmit-telbarer Umgebung) zu erfassen. In einer umfangreichen Untersuchung anlässlichdes Abbruchs ausgewählter Brückentragwerke wird in [30] aufgezeigt, welcheErkenntnisse über ein Bauwerk aus dynamischen Messungen gewonnen werdenkönnen. Zur Beurteilung eines Bauwerks wurden die Zeitreihen der Beschleuni-

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gungsmessungen in den Frequenzbereich transformiert, um die Eigenfrequenzen zuidentifizieren, zudem wurden die Eigenformen betrachtet. Aus den Untersuchungenwurden folgende Erkenntnisse gewonnen:

– Insbesondere die tiefen Eigenfrequenzen (langwellige Schwingungsformen) sindgegenüber einer lokalen Schädigung sehr unempfindlich und stellen in der Regelsehr stationäre Frequenzen dar.

– Eine Beurteilung des aktuellen Systemzustandes darf daher nicht alleine aufBasis der Grundfrequenz erfolgen.

– Höhere Eigenfrequenzen mit ihren zugehörigen kurzwelligen Schwingungsfor-men sind im Hinblick auf die Beurteilung von lokalen Schäden wesentlichsensibler.

– Eine Beurteilung und Interpretation auf Basis des gesamten gemessenen Fre-quenzspektrums ist sinnvoll.

Neben den Eigenfrequenzen und Eigenformen ist die Beurteilung des Dämp-fungsverhaltens des Tragwerkes von ausschlaggebender Bedeutung. Dazu wird in[30] ausgeführt:

– Grundlage für die Beurteilung des Dämpfungsverhaltens ist ein Trend zu höherenDämpfungswerten im Bereich von Problemzonen.

– Problemzonen zeigen erhöhte Dämpfungswerte, die durch Energieumsetzung imTragwerk, z. B. Reibung, verursacht werden.

– Stellen mit erhöhter Dämpfung ist daher größte Aufmerksamkeit zu widmen.

Als wichtiges Hilfsmittel für die Beurteilung der Frequenzspektren werden in[30] die sogenannten Trendkarten vorgestellt. Trendkarten sind Flächendarstellun-gen des Frequenz-Zeit-Zusammenhangs und ermöglichen eine Beurteilung vonFrequenzänderungen in einem weiten Frequenzband:

– Eine Schädigung kann anhand einer erkennbaren Verschiebung der Eigenfre-quenzen sowie an einer Umlagerung von einzelnen Schwingungsintensitätenidentifiziert werden.

– Treten Eigenfrequenzen in einem hohen Frequenzband auf, reagieren diesesensibler auf lokale Schädigungen, da die kurzwelligen Schwingungsformenstärker beeinflusst werden. In den Trendkarten wird dies durch eine starkeVerschiebung der jeweiligen Spitze im Frequenz-Zeitbereich sichtbar.

– Eine unzureichende Systemsteifigkeit des Tragwerkes zeigt sich in einem Abfallder Eigenfrequenzen.

– Umlagerungen im Tragwerk können dazu führen, dass es bei einzelnen Eigenfre-quenzen zu einer Erhöhung des Frequenzwertes kommt.

Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen beim Abbruch von drei Spann-betonbrücken und einer schlaff bewehrten Brücke wird in [30] gezeigt, dass bereitsder Ausfall eines einzelnen Kabels bei einer Spannbetonbrücke, bzw. eines geringenBewehrungsanteiles der schlaff bewehrten Brücke, deutlich in den Trendkarten

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 5

im Bereich der höheren Frequenzen nachweisbar ist. Weiterhin wird ausgeführt,dass diese Anzeichen bereits lange Zeit vor Eintreten eines visuellen Schadenswie Rissbildung oder einer geometrischen Veränderung in Form einer vergrößertenDurchbiegung erkennbar sind.

In diesem Kapitel soll an ausgewählten Beispielen die Erfassung und Interpre-tation von Schwingungsmessungen veranschaulicht werden. In Abschn. 2 werdenSchwingungsuntersuchungen an einer Brücke mit Hilfe von Beschleunigungssen-soren erläutert. Neben der Vorstellung des Messsystems und des Messaufbauswird die Datenauswertung bis hin zur Interpretation der Frequenzspektren gezeigt.Werden Beschleunigungssensoren zur Bauwerksüberwachung eingesetzt, bestehtoftmals das Bestreben, aus den Messwerten auch die Schwingwege für weitereAnalysen, z. B. Berechnung von Verschiebungen und Eigenformen, zu ermitteln. InAbschn. 3 werden die dazu erforderlichen Arbeitsschritte vorgestellt. Zudem wirdin einer exemplarischen Untersuchung die zu erreichende Genauigkeit1 in Form derStandardabweichung zu einer Referenzmessung für die berechneten Schwingwegebestimmt. Zur Erfassung von Bauwerksschwingungen können nicht nur Beschleuni-gungssensoren verwendet werden, auch die terrestrische Radarinterferometrie bietetdiesbezüglich enorme Potenziale. Ob sogar ein terrestrischer Laserscanner für dieErfassung von Bauwerksschwingungen eingesetzt werden kann, wird in Abschn. 4anhand einer vergleichenden Untersuchung zwischen Beschleunigungssensor, ter-restrischem Radarinterferometer und terrestrischem Laserscanner diskutiert. Indiesem Abschnitt werden auch die Filterung sowie die Synchronisation der Mess-reihen unterschiedlicher Sensoren im Postprocessing behandelt. Zudem wird dieBestimmung des Dämpfungskoeffizienten aus einer Ausgleichung nach kleinstenQuadraten gezeigt.

Dieses Kapitel soll eine Motivation liefern, den geodätischen Methodenschatzum die Durchführung und Auswertung von Schwingungsuntersuchungen zu erwei-tern, um seitens der Ingenieurgeodäsie einen weiteren essentiellen Baustein zuminterdisziplinären Monitoring im Bauwesen beizusteuern.

2 Untersuchung von Schwingungen an Brückenbauwerken

Eine zentrale Komponente des Structural Health Monitoring (SHM) ist das Moni-toring des ambienten Schwingungsverhaltens mit Hilfe von Beschleunigungssenso-ren, was auch als „Ambient Vibration Method“ (AVM) bezeichnet wird, siehe hierzu[29]. Aus den Beschleunigungsmessungen können die Eigenfrequenzen eines Bau-werkes abgeleitet werden, die wiederum im Wesentlichen von Gewicht, Material,Spannung und Dehnung sowie der Geometrie des Objekts abhängen. Durch peri-odische Untersuchungen kann bei einer Veränderung des Frequenzspektrums aufeine Veränderung des Bauwerksverhaltens und somit auf eine mögliche Schädigunggeschlossen werden. Auch aus Veränderungen der Dämpfungseigenschaften und

1 Im Kapitel „Qualitätsbewertungen in der Ingenieurgeodäsie“ werden zum Begriff „Genauigkeit“weiterführende Angaben gemacht.

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der Eigenformen können Rückschlüsse auf den Bauwerkszustand gezogen werden.Das Structural Health Monitoring von Brücken hat in den letzten Jahren stark anBedeutung gewonnen und wird in verschiedenen Problembereichen angewendet,siehe z. B. [28]. Große Bauwerke wurden mit Sensoren für eine permanenteÜberwachung ausgestattet, um den Betreiber jederzeit online per Web-Zugriff inEchtzeit über den aktuellen Bauwerkszustand zu informieren, siehe z. B. [12].

Mit geodätischen Überwachungsmessungen werden geometrische Bauwerksver-änderungen erfasst und analysiert, die sich jedoch bei einer Bauwerksschädigungunter Umständen erst mit einer starken zeitlichen Verzögerung bemerkbarmachen. Das Schwingungsverhalten hingegen wird durch eine Bauwerksschädigungunmittelbar beeinflusst, so dass durch Schwingungsmessungen ohne zeitlicheVerzögerung auf eine Änderung des Bauwerksverhaltens geschlossen werdenkann. Schwingungsmessungen können sogar dazu beitragen, Art und Ort derSchädigung zu bestimmen, was z. B. in [32] gezeigt wird. Grundlegend fürdiesen Ansatz sind die individuellen dynamischen Eigenschaften von Brücken,die als eine Art „Fingerabdruck“ des Bauwerks interpretiert werden können undsomit Rückschlüsse auf den aktuellen Bauwerkszustand ermöglichen. Cardenund Fanning [3] geben jedoch zu bedenken, dass die Schwingungsanalysekein Universalwerkzeug ist, um jede Art von Schädigung an jedem Bauwerkzu detektieren. Die folgenden Ausführungen zur Schwingungsuntersuchung anBrückenbauwerken basieren auf [16].

2.1 Beschleunigungsmesssystem

Ein kostengünstiges Beschleunigungsmesssystem für die Erfassung von Bauwerks-schwingungen (Abb. 1), sowie eine Software für die Analyse der Schwingungsei-genschaften wurden von Resnik und Gerstenberg [22] entwickelt. Der verwendete

Abb. 1 Beschleunigungsmesssystem mit USB-Schnittstelle (links) und mit WLAN-Übertragung(rechts)

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3-Achs-Beschleunigungssensor basiert auf der MEMS (Micro-Electro-MechanicalSystem)-Technologie, siehe hierzu [31]. Der Messbereich beträgt ˙2 g (statisch)bei einer Auflösung von 60�g (16 Bit) und einem Messrauschen in xy-Richtungvon 20�g=

pHz und in z-Richtung von 80�g=

pHz. Das Messsystem verfügt

über einen Speicherkartensteckplatz und eine interne Batterie, die für etwa achtStunden bei maximalem Energieverbrauch und bis zu 80 Stunden unter norma-len Bedingungen ausreicht. Ein wasserdichtes Gehäuse und temperaturbeständigeKomponenten ermöglichen den Einsatz auch unter widrigen Wetterbedingungen.Per WLAN oder USB-Kabel erfolgt die Datenübertragung an einen Feldrechnerin Echtzeit. Ein implementierter Hochpassfilter bietet die Möglichkeit, Drift undOffset in den Messwerten zu reduzieren. Es ist zudem möglich, ungefilterteRohdaten für eine spätere Nachbearbeitung aufzuzeichnen.

2.2 Messaufbau

Der Messaufbau und die Datenauswertung werden anhand von Messungen an einerBrücke gezeigt, die ein ausgeprägtes Schwingungsverhalten aufweist. Abb. 2 zeigteinen Längsschnitt der Brücke mit den drei Brückenabschnitten (Nord, Mitte, Süd).Die Brücke hat eine Gesamtlänge von 91 m und ist insgesamt 20 m breit.

Aufgrund des Schwingungsverhaltens von Brücken liefern Messungen der ver-tikalen Schwingungskomponente die am deutlichsten ausgeprägten Frequenzspek-tren, doch auch aus Messungen in Querrichtung können Aussagen zum Schwin-gungsverhalten abgeleitet werden. Da aufgrund der Konstruktion der eingesetztenMEMS-Beschleunigungssensoren das Messrauschen in Richtung der z-Achse etwaviermal höher ist als das Rauschen der Messungen in der xy-Ebene, wurdedie z-Achse des Messsystems parallel zur Längsachse der Brücke ausgerichtet,wohingegen die x- und y-Achse verwendet wurden, um die Messungen in Quer-und vertikaler Richtung durchzuführen (Abb. 2).

Abb. 2 Längsschnitt der untersuchten Brücke

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Vor der Durchführung der Messungen ist die Brücke auf ihre Eigenformen undEigenfrequenzen zu beurteilen, um geeignete Sensorpositionen festlegen zu können.Für große und komplexe Strukturen empfehlen Wenzel und Pichler [29, S. 78] eineFinite-Elemente-Analyse, um optimale Sensorpositionen für die Überwachung desdynamischen Verhaltens festzulegen. Da keine signifikanten Eigenfrequenzen ausMessungen auf den Brückenpfeilern sowie am Anfang und am Ende der Brückebestimmt werden können, werden an diesen Positionen keine Sensoren positioniert.Im Falle von beschädigten Brückenlagern können diese anhand von Verschiebungendes Frequenzspektrums und der Eigenform aus Messungen erkannt werden, dienicht auf den Brückenpfeilern durchgeführt wurden, siehe [29, S. 9]. Das Ziel derVorüberlegungen besteht darin, eine geeignete Anordnung der Sensoren festzule-gen, mit der alle relevanten Eigenschaften der Brücke erfasst werden können. Dadie zu untersuchende Brücke jedoch keine besonders komplexe Struktur aufweist,wurde auf Voruntersuchungen zur Sensorpositionierung verzichtet. Die Beschleu-nigungssensoren wurden wie in Abb. 3 ersichtlich auf den drei Brückenabschnittenaufgestellt.

Reicht die Anzahl der verfügbaren Sensoren nicht aus, um die gesamte Brückeim erforderlichen Maße zu bestücken, bietet sich eine Unterteilung in Abschnittean. Die Messungen in den unterschiedlichen Abschnitten können dann zu einemGesamtdatensatz zusammengefasst werden. Dazu ist jedoch ein Referenzsensor zudefinieren, der an einer Position verbleibt und während der gesamten Messungaller Abschnitte durchgehend Messwerte aufzeichnet. Um die Vergleichbarkeit derSignale aller verwendeten Sensoren sicherzustellen, wird vor Ort eine Referenz-messung durchgeführt, bei der alle beteiligten Sensoren in möglichst räumlicherNähe den selben Schwingungen ausgesetzt sind. Basierend auf diesen Messwertenkann eine Korrekturfunktion für jeden Sensor bestimmt werden, mit der eine relativeKalibrierung der Messsysteme erfolgen kann. Nach diesen Vorbereitungen wurdendie Sensoren auf den zuvor festgelegten Positionen entlang und auf beiden Seitender Brücke aufgestellt. Die Messungen erfolgten während des fließenden Verkehrsund es war daher darauf zu achten, dass für die spätere Auswertung eine ausreichendlange Messreihe aufgezeichnet wird, in der sich Phasen des freien Ausschwingensder Brücke befinden.

2.3 Datenverarbeitung und Interpretation

Die aufgezeichneten Zeitreihen eines jeden Sensors können mit der zuvor be-stimmten Korrekturfunktion korrigiert sowie anschließend mit einer geeignetenHochpassfilterung von Offset und Drift befreit werden. Insbesondere die Zeitfenster,in denen die Brücke ohne künstliche Anregung frei ausschwingt, sind für dieBerechnung der Eigenfrequenzen geeignet. Diese Abschnitte in den aufgezeichne-ten Daten werden als „Ambient Window“ bezeichnet. Abb. 4 zeigt eine typischeZeitreihe einer Beschleunigungsmessung mit einem gut erkennbaren AmbientWindow, das in Abb. 5 vergrößert dargestellt ist.

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 9

BS03

BS05

BS05

12 m

9 m

6 m

3 m

0 m67 m

55 m

47 m

34 m

21 m

13 m

0 m12 m

9 m

6 m

3 m

0 m

BS04

BS07

BS03 BS03

BS07

WLAN WLAN

BS04

BS05

L

N

H Q

1-1

1-01-0

1-2

1-3

2-0 2-0

1-3

1-2

1-1

BS07

BS03

BS05

BS07

BS03

BS05

BS07

BS03

BS05Nord

Mitte OstWest

Süd

BS07

Abb. 3 Sensorpositionen auf den Brückenabschnitten

Für die ausgewählten Fenster der Zeitreihe wird das Frequenzspektrum mitHilfe der Fast-Fourier-Transformation (FFT) berechnet und über alle Abschnittegemittelt, siehe [21]. Als Beispiel zeigt Abb. 6 das gemittelte Frequenzspektrumfür die Vertikalbeschleunigung in der Mitte der Brücke. Die geglättete spektraleLeistungsdichte (Power Spectral Density, PSD) der Zeitreihe (Abb. 7) wurde mitdem Welch-Verfahren [27] bestimmt. In beiden Spektren sind die Eigenfrequenzenbei ca. 2 Hz und 2,6 Hz deutlich erkennbar.

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10 F. Neitzel und W. Schwarz

Abb. 4 Zeitreihe einer Beschleunigungsmessung

Abb. 5 Vergrößerung der Messungen im Ambient Window

Abb. 6 Gemitteltes Frequenzspektrum (FFT)

Die untersuchte Brücke weist ein sehr charakteristisches Schwingungsverhaltenauf, so dass Eigenfrequenzen leicht im Frequenzspektrum identifiziert werdenkönnen. Für eine automatisierte Analyse der Daten empfiehlt sich jedoch dieIdentifizierung der Eigenfrequenzen mit Hilfe der spektralen Leistungsdichte, dadiese einfacher zu implementieren und weniger empfindlich gegenüber Mess-rauschen ist. Da insbesondere Eigenfrequenzen höherer Ordnung in der Regeleine geringe Auswirkung auf das Signal haben, sind sie im Frequenzspektrum

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 11

00

0.2

0.4

Pow

er [g

2 / H

z]

0.6

0.8

1x 10−3

1 2 3Frequency [Hz]

4 5 6

Abb. 7 Geglättete gemittelte spektrale Leistungsdichte (PSD)

oftmals sehr schwer vom Rauschen zu unterscheiden. Die gemittelte spektraleLeistungsdichte hingegen ermöglicht oftmals eine eindeutige Identifizierung vonEigenfrequenzen höherer Ordnung im Vergleich zur Fast-Fourier-Transformation.Diese Berechnungen werden für alle Sensorpositionen sowohl in der vertikalen alsauch in der transversalen Achse durchgeführt.

Da nur die Messwerte einer Untersuchungsepoche vorliegen, werden statt Trend-karten Flächendarstellungen des Frequenz-Ort-Zusammenhangs zur Interpretationder Eigenfrequenzen erstellt, in denen die gemittelten spektralen Leistungsdichtenaus den Messungen auf der West- bzw. auf der Ostseite jeweils in einem Frequenz-Ort-Diagramm dargestellt werden. In diesen Diagrammen werden die Frequenzengegenüber den Sensorpositionen über die gesamte Länge eines Brückenelementsaufgetragen, die spektrale Leistungsdichte zwischen den Sensorpositionen wirdinterpoliert. Diese Darstellung ermöglicht die visuelle Identifizierung von Ände-rungen der Eigenfrequenz entlang der Brücke und den Vergleich der westlichenund östlichen Seite der Brücke. Der Frequenzverlauf über die gesamte Längedes Hauptelements der Brücke ist in Abb. 8 dargestellt und zeigt eine sehr gut

Abb. 8 Frequenz-Ort-Diagramm der vertikalen Eigenfrequenz für die West- (links) und Ostseite(rechts) des Hauptelements

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erkennbare Frequenz im Bereich von 2 Hz, die sich sowohl auf der West- als auchauf der Ostseite des Hauptelements feststellen lässt. Die ermittelte Eigenfrequenzliegt im erwartbaren Bereich für das Brückenbauteil, siehe [4, S. 88].

Für die kürzeren Elemente im Norden und Süden der Brücke sind die Flächen-darstellungen des Frequenz-Ort-Zusammenhangs in Abb. 9 und Abb. 10 teilweiseverrauscht und die Eigenfrequenzen zeichnen sich nur unscharf ab. Diese Umständekönnen dadurch erklärt werden, dass es sich um sehr kurze Brückenbauteile mitschwach ausgeprägtem Schwingungsverhalten handelt. Zudem standen nur wenigeAmbient Windows von sehr kurzer Dauer für die Auswertung zur Verfügung.Untersuchungen zum Einfluss der zeitlichen Länge eines Ambient Windows werdenin Abschn. 4.4 vorgestellt. Zudem ist festzustellen, dass die auf den ersten Blickbaulich identischen Nord- und Südelemente mit ca. 17 Hz bzw. ca. 11 Hz unter-schiedliche Eigenfrequenzen aufweisen.

Abb. 9 Frequenz-Ort-Diagramm der vertikalen Eigenfrequenz für die West- (links) und Ostseite(rechts) des Nordelements

Abb. 10 Frequenz-Ort-Diagramm der vertikalen Eigenfrequenz für die West- (links) und Ostseite(rechts) für das Südelement

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 13

Die Messungen jeweils auf der West- und Ostseite der Brückenelemente lie-fern jedoch identische Ergebnisse und die Eigenfrequenzen liegen innerhalb deserwartbaren Bereichs für Brückenelemente dieser Länge, siehe [4, S. 88]. In einemGespräch mit dem Eigentümer der Brücke stellte sich heraus, dass unterschiedlicheLager installiert sind. Ein Element hat ein Festlager und das andere ein Loslager,darüber hinaus sind im Nordelement Leitungen verlegt. Diese beiden strukturellenRahmenbedingungen haben einen großen Einfluss auf die resultierenden Eigenfre-quenzen, was sich deutlich in den Ergebnissen zeigt.

Basierend auf diesen Ergebnissen kann die weitere Schwingungsüberwachungder Brücke durch regelmäßig durchgeführte Beschleunigungsmessungen erfolgen.Aus der zeitlichen Abfolge der berechneten Eigenfrequenzen können Trendkartenerstellt werden, die als Flächendarstellungen eine Analyse des Frequenz-Zeit-Zusammenhangs ermöglichen. Eine Änderung in den grundlegenden Eigenfrequen-zen zeigt eine globale Schädigung unmittelbar nach Eintritt der Fehlfunktion an.Durch eine permanente Überwachung des dynamischen Verhaltens der Brücke wirdsomit eine Echtzeitüberwachung des globalen Zustands der Struktur möglich. Wei-terführende Analysen in Bezug auf die Eigenformen und das Dämpfungsverhaltenermöglichen Aussagen über lokale Schädigungen und Materialermüdung in derStruktur, siehe [29, S. 159]. Die Bestimmung des Dämpfungskoeffizienten wird inAbschn. 4.4 gezeigt.

3 Bestimmung von Schwingwegen ausBeschleunigungsmessungen

Bei der Erfassung von Bauwerksschwingungen als Bestandteil des Structural HealthMonitoring (SHM) können die Schwingwege prinzipiell aus den Messsignalenvon Geschwindigkeits- oder Beschleunigungssensoren mittels Integration berechnetwerden. Diese Verfahrensweise hat den Vorteil einer messbasisfreien Ermittlungvon Schwingwegen. Allerdings ist nicht hinreichend bekannt, mit welcher Genau-igkeit sich dabei die Schwingwege besonders für den niederfrequenten Bereich<10 Hz berechnen lassen. In diesem Abschnitt werden die wesentlichen genau-igkeitsrelevanten Einflussparameter auf die Berechnung von Schwingwegen ausden Messwerten von Beschleunigungssensoren vorgestellt. Im experimentellenTeil werden die Ergebnisse aus der Untersuchung eines Beschleunigungssensorspräsentiert. Als Referenzsystem wird dabei ein Laserinterferometer eingesetzt, dasWegmesswerte mit einer sehr hohen zeitlichen Auflösung von <0; 1�m liefert, dieim Rahmen der Untersuchung als fehlerfrei angenommen werden können.

Schwingwege sind insbesondere für die Beurteilung der Eigenformen eines Bau-werks interessant. Die Untersuchung der Eigenformen stellt neben der in Abschn. 2vorgestellten Untersuchung der Eigenfrequenzen eine weitere wesentliche Größezur Beurteilung eines Bauwerks dar. Eigenformen sind die zu den Eigenfrequenzenkorrespondierenden Bewegungen des Bauwerks. Die Berechnung dieser Schwing-wege erfolgt, je nach eingesetztem Sensor, z. B. durch zweifache Integrationvon Beschleunigungsmessungen. Ein Überwachungskonzept für Talsperren unter

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Verwendung von Beschleunigungsmessungen ambienter Schwingungen wird in [5]vorgestellt. Da nicht hinreichend bekannt ist, mit welcher Genauigkeit sich dieSchwingwege berechnen lassen, werden im Folgenden zunächst die genauigkeits-relevanten Einflussparameter diskutiert. Nach der Vorstellung des Versuchsaufbauswerden Ergebnisse zur Beurteilung der erreichbaren Genauigkeit berechneter Weg-werte präsentiert. Die folgenden Ausführungen basieren auf [15].

3.1 Genauigkeitsrelevante Einflussparameter

Als Messwerte liegen Zeitreihen der Beschleunigungsmessungen vor. Nach einerÜberprüfung der Messwerte auf das Vorhandensein grober Fehler, die z. B. durcheine Plausibilitätsprüfung der graphischen Darstellung der Zeitreihen erfolgen kann,können die gesuchten Wegwerte durch zweifache Integration berechnet werden. DieFrage nach der Fortpflanzung zufälliger Messabweichungen kann a priori nicht be-antwortet werden, da keine Genauigkeitsanhaben von Beschleunigungsmessungenin Form von Standardabweichungen in den Datenblättern der Sensoren angegebenwerden.

Die Standardabweichung berechneter Wegwerte kann also nur durch Vergleichs-messungen mit einem Weggeber mit übergeordneter Genauigkeit (z. B. Laserinterfe-rometer) bestimmt werden. Die durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dassdie berechneten Wegwerte hauptsächlich durch systematische Messabweichungenverfälscht werden. Beispiele für systematische Messabweichungen sind:

– Einlaufeffekte des Sensors,– Nullpunktverschiebung (Offset),– thermisches Driften der Nullpunktverschiebung,– thermisches oder frequenzabhängiges Driften des Übertragungsfaktors.

Für den kapazitiven Beschleunigungssensor Servo K-Beam Typ 8330A2.5 derFirma Kistler Instrumente GmbH mit einer Auflösung von<2; 5�g und einer Emp-findlichkeit von 1500 mV/g konnten zwei Untersuchungen durchgeführt werden undzwar zum Einlaufverhalten sowie zum thermischen Driften der Nullpunktverschie-bung. In beiden Versuchen wurde der Sensor auf einer horizontierten Granitplattefest aufgebaut; die Digitalwandlung erfolgte mit einem Digitalmultimeter im Mess-bereich von 1 Volt und einer Auflösung von 21 bits (D 0; 5�V). Zur Vermeidungvon Auswirkungen der Einlaufeffekte auf die Messungen, wurde das Multimetermehrere Stunden vor Versuchsbeginn eingeschaltet. Das Einlaufverhalten wurdeüber einen Zeitraum von über 80 Minuten bestimmt. Abb. 11 zeigt das Ergebnis.In den ersten zehn Minuten der Betriebszeit des Sensors verändert sich seinAusgangssignal verhältnismäßig stark um 0,4 mV D 267�g. Danach zeigt dasAusgangssignal ein quasi lineares Verhalten mit einer zeitlichen Änderung von0,82�V/Minute D 0,055�g/Minute.

Bei der Bestimmung der thermischen Nullpunktverschiebung wurde über den aufder Granitplatte fest montierten Sensor eine Styroporbox gestülpt. Eine in die Deck-

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 15

Abb. 11 Einlaufverhaltendes BeschleunigungssensorsKistler 8330A2.5

fläche der Box eingearbeitete Metallplatte konnte über Peltierelemente aufgeheiztwerden, wodurch über die Luft in der Box auch der Sensor erwärmt wurde. Ein aufder Seitenfläche des Schwingsensors befestigter Temperatursensor (Pt100-Fühler)erfasste die Sensortemperatur. In Abb. 12 sind die Ergebnisse in Abhängigkeitvon der Zeit graphisch dargestellt. Das Spannungssignal des Sensors ändert sichdirekt mit der Temperatur. In der Erwärmungsphase wird es um 4 mV kleiner,um nach der Abkühlung im Prinzip wieder auf den ursprünglichen Ausgangswertzurückzukehren. Werden die Spannungswerte des Sensors in Abhängigkeit vonder Temperatur dargestellt (Abb. 13), ist ein lineares Verhalten zu erkennen. Die

Abb. 12 Ergebnisse zurBestimmung der thermischenNullpunktverschiebung

0 20 40 60 80 100 120Zeit in Minuten

Tem

per

atu

r in

∞C

Sp

ann

un

g in

Vo

lt

140 160 180 200 220 240 26020

23

26

29

32

35

0.223

0.224

0.225

0.226

0.227

0.228Spannung Temperatur

Abb. 13 ThermischeNullpunktverschiebung inAbhängigkeit von derTemperatur

Sp

ann

un

g in

Vo

lt

0.228

0.228

0.227

0.227

0.226

0.226

0.225

0.225

0.224

0.224

Temperatur in °C

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

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thermische Nullpunktverschiebung beträgt�248�g/K. Laut Herstellerangabe solltejedoch ein Betrag von 200�g/K nicht überschritten werden.

Die Verfälschung der Messwerte durch systematische Einflüsse ist für dievorliegende Aufgabenstellung besonders kritisch. Da die gesuchten Schwingwegedurch zweifache Integration berechnet werden, verstärkt sich deren Einfluss undkann zu einer erheblichen systematischen Verfälschung der Wegwerte führen.So bewirkt z. B. eine Nullpunktverschiebung der Beschleunigungswerte parabel-förmige Streckenabweichungen, eine Drift der Nullpunktverschiebung verursachtAbweichungen in Form eines Polynoms 3. Grades.

3.2 Sensoren, Messwerterfassung und Versuchsdurchführung

Wegänderungen von Bauwerksschwingungen lassen sich aus den Messwerten un-terschiedlicher Sensoren ermitteln. Zum einen können sie direkt mit Wegsensoren,z. B. induktive Wegaufnehmer, Laserinterferometer, bestimmt werden und zumanderen lassen sich die Wegänderungen aus den Messwerten von Schwingbeschleu-nigungsaufnehmern durch zweifache Integration berechnen. Für die folgendenUntersuchungen wurde der Beschleunigungssensor Typ 8330A2.5 der Firma Kistlerverwendet, die Untersuchung weiterer (piezoelektrischer) Sensoren wird in [15]vorgestellt. Auf das Funktionsprinzip des Sensors wird an dieser Stelle nicht einge-gangen; es sei auf die entsprechende Fachliteratur wie z. B. [19, 20] verwiesen. Fürdie Schwingungsuntersuchungen wurde der Sensor wie in Abb. 14 dargestellt aufeinem hydraulisch gesteuerten Vibrationstisch montiert und einer näherungsweisesinusförmig verlaufenden Bewegung in horizontaler Richtung ausgesetzt.

Für die Ermittlung der analogen Sensorendaten wurde die PCI-Messkarte derFirma National Instruments des Typs NI 6024E eingesetzt. Mit einem Input-Bereichvon˙0,05 Volt bis˙10Volt können damit bis zu 16 analoge Eingangskanäle erfasstwerden. Mit einer Erfassungsgeschwindigkeit von maximal 200.000 Kanälen proSekunde werden die analogen Messwerte mit einer Auflösung von 12 bits digitalge-

Reflektor

Beschleu-nigungs-sensor

Interfero-meter-prisma

Laserinterferometer(Messkopf)

fest mit demUntergrundverbunden

Laserstrahl

horizontaleSchwing-bewegung

hydraulischerSchwingtisch

fest mit demUntergrundverbunden

Abb. 14 Versuchsaufbau (Draufsicht)

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wandelt. Gemäß Datenblatt können die Eingangssignale im Bereich von˙10V miteiner Genauigkeit von 16,5 mV, im Bereich von˙5V mit einer von 5,3 mV und imBereich ˙0,5 V mit einer von 0,8 mV erfasst werden. Die Auflösung beträgt dabei0,008 mV. Die Genauigkeit der Messwerterfassung ist für den untersuchten Kistler-Sensor nicht optimal. Für diesen Sensor mit einer Auflösung von 2,5�g bei einerEmpfindlichkeit von 1500 mV/g wäre eine Genauigkeit in der Spannungsmessungvon 0,004 mV anzustreben gewesen, also um den Faktor 1000 genauer. Aus derbegrenzten Genauigkeit der Messwerterfassung können unter Umständen weiteresystematische Messabweichungen resultieren.

Die Genauigkeitsanalyse des Beschleunigungssensors soll aus dem Vergleich deraus Beschleunigungsmessungen berechneten Wegwerte mit den tatsächlichen Weg-werten resultieren. Für die Bestimmung der tatsächlichen Wegänderungen wurdedas Laserinterferometersystem HP 5528A eingesetzt, dessen Reflektor wie inAbb. 14 dargestellt auf dem Vibrationstisch montiert war. Das Interferometerprismawurde mit dem Fußboden fest verbunden. Mit dem Laserinterferometer könnendie Wegänderungen auch unter Einbeziehung von meteorologischen Veränderungeninnerhalb der Messdauer von 30 Sekunden mit einer Genauigkeit von < 0,01 mm –also im Vergleich zur erwarteten Genauigkeit der aus Beschleunigungsmessungenberechneten Wegänderungen quasi fehlerfrei – bestimmt werden. Der Reflektordes Interferometers und der zu untersuchende Kistler-Sensor waren auf demVibrationstisch so montiert, dass das Abbesche Komparatorprinzip [1] eingehaltenwurde.

3.3 Berechnung der Wegwerte aus Beschleunigungsmessungen

Der dargestellte Versuch mit dem Beschleunigungssensor Typ 8330A2.5 wurde miteiner Abtastrate von 1000 Hz durchgeführt, der Vibrationstisch wies eine Schwing-frequenz von 1,5 Hz auf und die Amplitude der Schwingung wurde zu 5 mmgewählt. Die Integrationszeit zur Berechnung der Wegwerte betrug 20 Sekunden.Um aus den gemessenen Beschleunigungen ai .i D 1; : : : ; n/, wobei mit n die An-zahl der Messwerte bezeichnet ist, die gesuchten Wegwerte yi zu erhalten, ist einezweifache Integration der Messwerte erforderlich. Da die zu integrierende Funktionnur als begrenzte Anzahl von Abtastpunkten in diskreten Zeitabständen�t vorliegt,kommen numerische Integrationsverfahren zum Einsatz. Häufig angewendete Ver-fahren, siehe z. B. [2, S. 760 ff.], sind das Rechteckverfahren, die Trapezformel,die Simpson-Formel und das Verfahren von Romberg, die sich durch die Artder Interpolation zwischen den Abtastpunkten unterscheiden. Je nach gewähltemVerfahren resultiert ein Integrationsfehler, der die Genauigkeit der berechnetenWegwerte beeinflusst. In dieser Untersuchung wird die Trapezformel verwendet.Unter Verwendung der Trapezformel erhält man die gesuchten Wegwerte aus der in[24] angegebenen Formel

yiC1 D �t2ai � yi�1 C 2yi : (1)

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Mit dieser Rekursionsformel lässt sich aus den beiden Vorgängerwerten yi�1 undyi sowie den Beschleunigungswerten ai und dem Zeitintervall �t der folgendeWegwert yiC1 berechnen. Die ersten Werte für iD1, also y0 und y1, könnenzunächst frei gewählt werden, z. B. y0Dy1D0. Die willkürliche Festlegung derWerte y0 und y1 führt zu systematischen Verfälschungen der berechneten Wegwertemit einem linearen Verlauf, die durch nicht erfasste Offset- und Driftwerte derBeschleunigungswerte mit den sich daraus ergebenden charakteristischen Syste-matiken überlagert werden. Das Ergebnis der Integration zeigt Abb. 15. Es istzu erkennen, dass die willkürlichen Annahmen für y0 und y1 und systematischeMessabweichungen zu stark verfälschten Wegwerten führen. Um die Wegwerte vonden genannten Einflüssen zu befreien, wurde eine ausgleichende Parabel berechnetund von den Wegwerten abgezogen. Das Ergebnis zeigt Abb. 16.

Man erkennt in Abb. 16 deutlich einen langwelligen Trend, um den die Datenweiterhin zu reduzieren sind. Um diesen Trend zu berechnen, wurde eine gleitende

Abb. 15 Wegwerte ausintegriertenBeschleunigungsmessungen

105−1000

0

1000

15Zeit in s

20 25

2000

Weg

in m

m

3000

4000

5000

Abb. 16 Wegwerte nachAbzug einer ausgleichendenParabel, Trendlinie

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 19

Mittelwertfilterung, siehe z. B. [9, S. 377 ff.], mit der Filterlänge

2l DAbtast rate

Schwingf requenz(2)

durchgeführt. Die mit Hilfe der gleitenden Mittelwertbildung berechnete Trendlinieist in Abb. 16 eingezeichnet. Subtrahiert man diesen Trend von den Wegwerten,erhält man das Ergebnis in Abb. 17.

Die Berechnung der Filterlänge mit Hilfe von Formel (2) war in dem durch-geführten Versuch problemlos möglich, da die Schwingfrequenz a priori bekanntwar. In der Praxis ist die Schwingfrequenz zunächst durch eine Zeitreihenanalysezu bestimmen. Im Falle überlagerter Schwingungen tritt das Problem auf, einesachgerechte Schwingung für die Berechnung der Filterlänge auszuwählen. Zudemist anzumerken, dass das hier gewählte zweistufige Verfahren, in dem zuerst eineParabel und danach eine Trendlinie von den Messwerten abgezogen wird, durchein einstufiges Verfahren, bei dem die Trendlinie aus den originären Beschleuni-gungswerten berechnet wird, ersetzt werden kann. Das zweistufige Verfahren bietetjedoch den Vorteil, dass man anhand der Trendlinie einen detaillierteren Einblick indas Verhalten des Sensors über den Messzeitraum erhält.

Der Beschleunigungssensor und das Interferometer wurden auf Zuruf gestartet.Der dadurch entstandene zeitliche Offset von wenigen Zehntelsekunden in denZeitreihen der Wegwerte wurde durch eine Kreuzkorrelationsanalyse, siehe z. B.[9, S. 347 ff.], bestimmt. Nach der Synchronisation können die berechneten Weg-werte mit der Referenzmessung durch das Interferometer verglichen werden. DieDifferenzen der Wegwerte zeigt Abb. 18. Der Mittelwert der Differenzen beträgtnull; die Standardabweichung eines einzelnen Wegwertes ergibt sich zu 0,06 mm.

Analog zu der dargestellten Vorgehensweise wurden in [15] mehrere Beschleu-nigungssensoren in verschiedenen Versuchsreihen unter Verwendung unterschied-licher Werte für Schwingfrequenz, Amplitude, Abtastrate und Integrationszeituntersucht. Es konnte gezeigt werden, dass sich aus BeschleunigungsmessungenWegwerte berechnen lassen, die in einigen Versuchen eine Standardabweichung

Abb. 17 Vom Trend befreiteWegwerte

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Abb. 18 Differenzen derWegwerte

von besser als 0,1 mm aufwiesen. Diese Genauigkeiten konnten erreicht werden,da es sich um Laborversuche handelte, bei denen die Schwingfrequenz a prioribekannt war und somit eine Trendbereinigung der Daten problemlos möglichwar. In der Praxis wird insbesondere bei überlagerten Schwingungen das Problemder sachgerechten Filterung der Daten auftreten, so dass es fraglich ist, ob dieberechneten Wegwerte mit derart hohen Genauigkeiten ermittelt werden können.Aufgrund der durchgeführten Versuche scheint es jedoch grundsätzlich möglich,Schwingwege im Submillimeterbereich aus Beschleunigungsmessungen signifikantzu berechnen. Inwieweit sich die gezeigten Genauigkeiten unter realen Messbedin-gungen erzielen lassen, kann durch Schwingwegmessungen an Bauwerken unterEinbeziehung von Referenzmessungen mit einem Laserinterferometer oder einemterrestrischen Radarinterferometer, siehe Abschn. 4.4, untersucht werden.

4 Einsatzpotenziale von GBSAR, TLS undBeschleunigungssensoren fürSchwingungsuntersuchungen

Die Erfassung von Bauwerksschwingungen als Bestandteil des Structural HealthMonitoring (SHM) erfolgt in der Regel mit Hilfe von Beschleunigungssensoren,teilweise werden dafür auch Messungen mit Dehnungsmessstreifen, Inklinometern,faseroptischen Sensoren oder GNNS verwendet. Um eine gemeinsame Auswertungvon Daten unterschiedlicher Sensoren zu ermöglichen, bzw. um Aussagen über dieGenauigkeit und Zuverlässigkeit des ermittelten Schwingungsverhaltens eines Bau-werkes treffen zu können, müssen die stochastischen Eigenschaften der Messwerteder verwendeten Sensoren bekannt sein. Zudem ist es unabdingbar, dass für jedeneinzelnen Messwert ein Zeitstempel vorliegt. In diesem Abschnitt wird, basierendauf [17], eine Genauigkeitsanalyse verschiedener Sensoren vorgestellt und dasEinsatzpotenzial eines kostengünstigen Beschleunigungsmesssystems sowie einesterrestrischen Laserscanners (TLS) für die Schwingungsanalyse aufgezeigt. Dazuwurden mit den jeweiligen Sensoren Messungen unter realen Bedingungen an einer

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Brücke durchgeführt. Als Referenzmessungen wurden die Schwingungen mit demGround Based Radarsystem (GBSAR) IBIS-S erfasst, das auf dem Prinzip der Mi-krowelleninterferometrie basiert und die Erfassung von Schwingwegen in Echtzeitmit Submillimetergenauigkeit ermöglicht. Zunächst wird das zentrale Problem derSynchronisation der erfassten Daten eingehend behandelt. Danach werden die Datenaller drei Sensoren mit Hinblick auf Eigenfrequenz und Dämpfungskoeffizient mitHilfe der Methode der kleinsten Quadrate ausgewertet. Es folgt eine Untersuchungzum Einfluss der Beobachtungsdauer eines Ambient Windows auf die Bestimmungder modalen Parameter. Abschließend werden aus den BeschleunigungsmessungenWegwerte abgeleitet und denen aus TLS- und IBIS-S-Messungen gegenübergestellt.

4.1 Messaufbau und Senorsysteme

Um möglichst repräsentative Aussagen über das Einsatzpotenzial unterschiedlicherSensorsysteme zur Schwingungsanalyse von Bauwerken treffen zu können, wurdenMessungen unter realen Bedingungen an einer Brücke durchgeführt, die in Abb. 19dargestellt ist.

Diese ungefähr 76 m lange und 13 m breite Brücke wurde aufgrund ihrerausgeprägten Schwingungseigenschaften ausgewählt. Die maximale Schwingungs-amplitude tritt bei Brücken in der Regel in der Mitte zwischen zwei Auflagern invertikaler Richtung auf und ist in den Auflagern der Brücke minimal. Da aber dasIBIS-S und der TLS unterhalb der Brücke platziert werden müssen, wurde einePosition auf dem Uferweg gewählt, die sich direkt unter der Brücke und möglichstweit entfernt vom Auflager befindet. Beide Messsysteme wurden so ausgerichtet,dass die Messung in Zenitrichtung erfolgt. Für das IBIS-S wurde an der Brücke kein

Abb. 19 Untersuchte Brücke

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Corner-Reflektor angebracht, sondern deren Stahlunterkonstruktion angemessen.Der Beschleunigungssensor wurde in der Vertikalachse über dem IBIS-S und demTLS auf der Brücke platziert. Dadurch wird bestmöglich gewährleistet, dass alleSensorsysteme Schwingungen eines nahezu gleichen physikalischen Punktes an derBrücke erfassen. Dieser Punkt wird im weiteren Verlauf als Messpunkt bezeichnetund ist durch einen Kreis in Abb. 20 dargestellt.

4.1.1 BeschleunigungsmesssystemFür die Schwingungsuntersuchung von Brücken wurde ein kostengünstiges 3-Achs-Beschleunigungsmesssystem von Resnik und Gerstenberg [22] entwickelt, dasin Abb. 21 auf der linken Seite dargestellt ist. Mit diesem System können synchroneBeschleunigungsmessungen an maximal 32 Sensoren über eine Gesamtlänge vonetwa 100 m durchgeführt und direkt über die USB-Schnittstelle auf einem Com-puter gespeichert werden. Beschleunigungen können mit einer Genauigkeit von� D 20�g=

pHz und einer Abtastfrequenz von bis zu 600 Hz erfasst werden. Für

die Vergleichsmessungen wurde ein einzelner Sensor verwendet und Messungen miteiner Abtastfrequenz von 153 Hz durchgeführt. Dieser Wert für die Abtastfrequenzist konstruktionsbedingt und ein Kompromiss zwischen Genauigkeit und einer

Abb. 20 Messaufbau

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genügenden Anzahl an Messwerten zur Identifikation eventueller Schwingungenim höheren Frequenzbereich.

4.1.2 Terrestrischer LaserscannerTerrestrische Laserscanner (TLS) sind aktive 3D-Messsysteme, die Distanzen zuObjekten in gleichmäßigen Abtastschritten um eine Dreh- und Kippachse erfassen.TLS ermöglichen die Aufnahme von bis zu einer Million Punkte pro Sekundemit einer Punktgenauigkeit von wenigen Millimetern. Zur Modalanalyse vonBauwerken werden sie in der Regel nicht eingesetzt, obwohl diesbezüglich bereitsVennegeerts und Kutterer [26] erste Untersuchungen durchgeführt haben. Dabeiwurde der Turm einer Windenergieanlage mit einem TLS im Profilmodus gescanntund aus den Messungen wurden die Eigenfrequenzen der Windenergieanlageabgeleitet. Zudem sind einige Scanner, wie zum Beispiel der ZollerCFröhlichImager 5003, dargestellt in Abb. 21 (Mitte), in der Lage, im Punktmodus zu scannenund somit Streckenmessungen zu einem einzelnen Objektpunkt mit einer sehrhohen Abtastrate von 125 kHz durchzuführen, wodurch der Einsatz von TLS zurModalanalyse als zielführend erscheint.

4.1.3 Terrestrisches RadarinterferometerDas grundlegende Messprinzip und die notwendige Datenprozessierung der satel-litengestützten Radarinterferometrie sind schon seit vielen Jahren im Bereich derRadarfernerkundung bekannt und werden für die unterschiedlichsten Problemstel-lungen angewendet, wie z. B. zur Erstellung digitaler Geländemodelle oder zurgroßräumigen Deformationsanalyse von Geländeoberflächen. In den letzten Jahrenerfolgte ein Transfer dieser Prinzipien auf bodengestützte Messmethoden und-systeme, die unter dem Begriff „terrestrial interferometric synthetic aperture radar(t-InSAR)“ zusammengefasst wurden.2 Mit Hilfe solcher terrestrischer Systemesind hochpräzise Erfassungen von Bewegungen lokal begrenzter Objekte möglich,was z. B. in [23] gezeigt wurde. Seit 2006 wird das von der Firma IDS (Ingeg-neria dei Sistemi) entwickelte System IBIS (Image by Interferometric Survey)

Abb. 21 Beschleunigungsmesssystem (links), TLS (Mitte) und IBIS-S (rechts)

2 Im Kapitel „Terrestrische Mikrowelleninterferometrie“ wird dieses Verfahren vertieft behandelt.

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kommerziell vertrieben. Neben einer Version zur statischen Überwachung vonz. B. Hangrutschungen und Dämmen wird auch das IBIS-S angeboten, das speziellzur dynamischen Strukturüberwachung entwickelt wurde. Das in Abb. 21 auf derrechten Seite dargestellte Messsystem IBIS-S wurde vom Institut für Geodäsie undPhotogrammetrie (igp) der Technischen Universität Braunschweig zur Verfügunggestellt. Mit diesem System können Objektbewegungen mit einer Genauigkeit biszu 1/100 mm sowie einer Abtastrate von 200 Hz erfasst werden. Für die in diesemAbschnitt vorgestellten Untersuchungen ist es somit als Referenzsensor geeignet.Informationen über das Messprinzip des terrestrischen Radar-Interferometers sindebenfalls in [23] zu finden.

4.2 Datenerfassung und Datenaufbereitung

Für die Bestimmung von Eigenfrequenzen, Eigenformen und Dämpfungskoeffizi-enten sind insbesondere die Abschnitte einer Zeitreihe von Interesse, bei denendie Brücke nach erfolgter Anregung frei ausschwingen kann. Diese Bereiche derZeitreihe werden als Ambient Windows bezeichnet, siehe hierzu auch Abschn. 2.3.Während der Messungen war darauf zu achten, dass genügend auswertbare AmbientWindows für eine Modalanalyse zur Verfügung stehen. Die Vergleichsmessungenwurden während des laufenden Verkehrs durchgeführt und mit allen Sensorenwurde die Bewegung des Messpunktes für ca. 15 Minuten erfasst. Eine detaillierteBeschreibung der Methodik zur Bauwerksüberwachung auf Grundlage ambienterSchwingungen ist in [29] zu finden.

4.2.1 Rohdaten der MessreihenAls Grundlage für die Analyse der Vergleichsmessung werden kurz die Rohdatender eingesetzten Sensoren vorgestellt, wobei mit Rohdaten die Werte bezeichnetsind, die von der jeweiligen Instrumentensoftware für den Anwender zur weiterenVerarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Die Strecken zum Messpunkt der IBIS-S-Zeitreihe sind in Abb. 22 dargestellt. Sie weisen zu unterschiedlichen Zeitpunktendeutliche Ausschläge auf, die überwiegend aus der Überfahrt von Lastkraftwagen

Abb. 22 IBIS-S-Zeitreihe (Rohdaten)

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resultieren. Zudem ist ein sehr ausgeprägtes Ambient Window zu erkennen, das inAbb. 22 gekennzeichnet ist.

Die Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen ist in Abb. 23 dargestellt. In Bezugzu der IBIS-S-Zeitreihe sind die gleichen deutlichen Ausschläge zu den gleichenZeitpunkten zu erkennen. Im direkten Vergleich mit der IBIS-S-Zeitreihe weistdie Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen ein stärkeres Rauschverhalten auf,das jedoch typisch für Beschleunigungsmessungen ist. Zudem ist auch in dieserZeitreihe das gleiche Ambient Window wie in der IBIS-S-Zeitreihe zu erkennen.

In Abb. 24 sind die Rohdaten der TLS-Messreihe dargestellt. Sie zeigen dieStrecken zum Messpunkt an der Brücke. Jegliche Bewegung der Brücke geht imRauschen der TLS-Messungen zunächst unter. Die Einzelpunktgenauigkeit des TLSZCF Imager 5003 beträgt ca. 5 mm und ist nicht ausreichend, um Schwingungen derBrücke im Millimeter- bzw. Submillimeterbereich zu detektieren. Zusätzlich sind inden Rohdaten der TLS-Messreihe Ausreißer vorhanden, wobei der Ausreißer amEnde bereits sehr deutlich zu erkennen ist. Für die weitere Auswertung müssen dieAusreißer aus dem Datenmaterial entfernt werden.

4.2.2 Aufbereitung der TLS-MessreiheDie Einzelpunktgenauigkeit des verwendeten TLS ist nicht ausreichend, umSchwingungen der Brücke im Submillimeterbereich zu detektieren. Das Zielder nachfolgenden Datenaufbereitung ist daher, durch geeignete Filterung derTLS-Messreihe die Schwingung der Brücke aus den Rohdaten zu extrahieren.Zuvor sind jedoch die Ausreißer aus der TLS-Messreihe zu eliminieren. Um

Abb. 23 Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen (Rohdaten)

Abb. 24 Rohdaten der TLS-Messreihe

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Ausreißer in den Rohdaten der TLS-Messreihe zu detektieren, wurden zunächst einvorhandener Trend und Offset durch Subtraktion einer ausgleichenden Geraden ausden Rohdaten herausgerechnet. Anschließend wurden mit den reduzierten Rohdatender gesamten Messreihe die Standardabweichung einer Einzelmessung berechnetund Streckenmessungen als Ausreißer detektiert, deren Wert das Fünffache derberechneten Standardabweichung überschreitet. Die Ausreißer wurden aus demDatenmaterial entfernt, indem jeweils deren numerischer Wert durch den Mittelwertder beiden benachbarten Messwerte ersetzt wurde. Der Grenzwert zur Detektionvon Ausreißern wurde empirisch ermittelt und liefert eine Datengrundlage, die zuakzeptablen Ergebnissen für die anschließende Datenaufbereitung führt.

Die Streckenmessungen mittels TLS zum Messpunkt an der Brücke erfolgtenmit einer Abtastrate von 7812 Hz. Obwohl in den Rohdaten der TLS-Messreihedie Bewegung der Brücke im Rauschen untergeht, kann diese sehr hohe Abtastrategenutzt werden, um z. B. durch einfache Mittelwertbildung dennoch Bewegungenim Millimeter- bzw. Submillimeterbereich zu detektieren. Für die TLS-Messwertewurde eine Mittelwertbildung mit einer unterschiedlichen Anzahl an Messwertendurchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass eine Mittelwertbildung von 100 Mess-werten bereits zu beachtlichen Ergebnissen führt und die Bewegungen der Brückedeutlich erkennbar sind, wie Abb. 25 zeigt. Für diese gefilterte TLS-Messreiheergibt sich eine theoretische Abtastrate von 78,12 Hz. Im direkten Vergleich mitden Rohdaten der IBIS-S-Zeitreihe, dargestellt in Abb. 22, zeigt sich, dass aus denTLS-Messungen die gleiche Bewegung der Brücke über den gleichen Zeitraumerfasst werden konnte. Zudem ist auch das gleiche prägnante Ambient Windowzu erkennen. Allerdings weist die gefilterte TLS-Messreihe ein weitaus stärkeresRauschen auf als die Rohdaten der IBIS-S-Zeitreihe.

Um das Rauschen in der gefilterten TLS-Messreihe weiter zu reduzieren undum Bewegungen der Brücke im Submillimeterbereich zu erfassen, kann eineMittelwertbildung mit einer weitaus größeren Anzahl an Messwerten durchgeführtwerden. In Abb. 26 ist die gefilterte TLS-Messreihe durch Mittelwertbildung von1000 Messwerten dargestellt. Aufgrund der hohen Anzahl der gemittelten Werteweist diese gefilterte Messreihe ein wesentlich geringeres Rauschen auf als diegefilterte TLS-Messreihe durch Mittelwertbildung von 100 Messwerten. Auf den

Abb. 25 Gefilterte TLS-Messreihe durch Mittelwertbildung von 100 Messwerten

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 27

Abb. 26 Gefilterte TLS-Messreihe durch Mittelwertbildung von 1000 Messwerten

ersten Blick ist diese gefilterte TLS-Messreihe kaum von den originären Stre-ckenmessungen der IBIS-S-Zeitreihe zu unterscheiden. Allerdings muss daraufhingewiesen werden, dass diese gefilterte TLS-Messreihe nur noch eine theoretischeAbtastfrequenz von 7812 Hz aufweist und folglich deutlich weniger Werte fürdie Modalanalyse zur Verfügung stehen. Zudem hat sich bei der nachfolgendenModalanalyse gezeigt, dass eine Mittelwertbildung von zu vielen Messwerten dieErgebnisse wesentlich verfälschen kann.

Eine weitere Möglichkeit, die Rohdaten der TLS-Messreihe zu filtern, ist die Be-rechnung des gleitenden Mittelwertes mit einer Filterlänge gemäß Formel (2), wobeials Schwingfrequenz die erste Eigenfrequenz eingesetzt wird. Ein Näherungswertfür die erste Eigenfrequenz wurde durch eine Fast-Fourier-Transformation (FFT) zuf D 1,3 Hz bestimmt und somit ergibt sich eine gerundete Filterlänge von l D 3000Messwerten, wobei bei der Auswertung der FFT der TLS-Messreihe die sehrniederfrequenten Schwingungen vernachlässigt wurden. Der berechnete gleitendeMittelwert ist in Abb. 27 dargestellt. Dieser besitzt die gleiche Abtastrate wie dieRohdaten der TLS-Messreihe und weist eine sehr deutliche Übereinstimmung mitden originären Streckenmessungen der IBIS-S-Zeitreihe in Abb. 22 auf.

Allerdings führt diese sehr hohe Abtastrate auch zu einer großen Datenmengeund kann die bevorstehende Datenanalyse deutlich verlangsamen. Aus diesemGrund wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, inwieweit das Da-tenmaterial reduziert werden kann, ohne dabei die Modalanalyse signifikant zu

Abb. 27 Gleitender Mittelwert der TLS-Messreihe mit einer Filterlänge von 3000 Messwerten

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beeinflussen. Dabei wurde für die resultierenden Streckenmessungen aus demgleitenden Mittelwert eine weitere Mittelwertbildung mit einer unterschiedlichenAnzahl an Messwerten durchgeführt. Es hat sich herausgestellt, dass eine weitereMittelwertbildung von jeweils 100 Messwerten keinen signifikanten Einfluss auf dieErgebnisse der Modalanalyse hat und somit dient diese anschließende Mittelwert-bildung nur zur Reduzierung des Datenvolumens. Die nachfolgende Modalanalysewird mit dieser gefilterten TLS-Messreihe durchgeführt. Bevor diese durchgeführtwerden kann, ist jedoch ein Zeitstempel für die jeweiligen TLS-Messwerte zubestimmen.

4.3 Synchronisation

4.3.1 Generelle ProblematikFür eine Modalanalyse ist es unabdingbar, dass für alle Messwerte der verwendetenSensoren ein Zeitstempel vorliegt und zudem eine synchrone Messdatenerfassungmit allen Sensoren durchgeführt wird. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dassdie jeweiligen Uhren bzw. Taktgeber der Sensoren eine unterschiedliche und teilstemperaturabhängige Drift aufweisen, die insbesondere bei längeren Messreihen zuunterschiedlichen Ergebnissen für die berechneten Modalparameter führt. DieserEinfluss kann durch die Verwendung eines externen Taktgebers, wie z. B. das PPS-Signal von GNSS-Systemen, minimiert oder durch geeignete Kalibrierparameterder jeweiligen Sensoren korrigiert werden. Die synchrone Datenerfassung mittelsPPS-Signal ist z. B. in Glaus [6, S. 57 ff.] beschrieben.

Für die Vergleichsmessungen konnte keine synchrone Messdatenerfassung mitdem IBIS-S und dem Beschleunigungssensor realisiert werden. Beide Sensorenbesitzen keinen Ein- bzw. Ausgang zur Steuerung der Uhren und folglich konntekein einheitlicher Taktgeber für die beiden Sensoren angeschlossen werden. Zudemerfolgte die Auslösung der Messungen durch unterschiedliche Programme auf nichtechtzeitfähigen Computern mit Multitasking-Betriebssystemen, wodurch ebenfallskein synchroner Startpunkt für die Messdatenerfassung gewährleistet werden konn-te. Um dennoch das gleiche Phänomen zur annähernd selben Zeit mit allen Sensorenzu erfassen, wurden vor der Messung alle Uhren der verwendeten Computer auf diegleiche Systemzeit eingestellt und alle Messungen durch Zuruf möglichst zeitgleichgestartet. Die jeweilige Drift der Taktgeber des IBIS-S und des Beschleunigungs-sensors sowie der zeitliche Versatz zwischen beiden Zeitreihen sind nicht bekannt.In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie durch eine ereignisbasierte Synchronisationder zeitliche Versatz und die relative Drift zwischen beiden Zeitreihen bestimmtwerden können.

Ein weitaus größeres Problem beruht in der Tatsache, dass der verwendete TLSkeinen eigenen internen Taktgeber besitzt und auch keine externe Uhr angeschlossenwerden kann. Folglich liegen keine Zeitstempel für die Messwerte vor und dievorerst einzige Information über den jeweiligen Zeitpunkt einer Messung beruhtin der vor Beginn der Messung eingestellten Abtastrate von 7812 Hz. DerartigeEinstellungen sind erfahrungsgemäß kritisch zu betrachten und bereits kleine

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Abweichungen zwischen eingestellter und tatsächlicher Abtastrate haben großeAuswirkungen auf die zu bestimmende Eigenfrequenz. Aus diesem Grund wird eindavon unabhängiger Zeitstempel für die TLS-Messungen generiert, was ebenfalls indiesem Abschnitt gezeigt wird.

4.3.2 Synchronisation zwischen Beschleunigungssensor und IBIS-SDer zeitliche Versatz zwischen der IBIS-S-Zeitreihe und der Zeitreihe der Beschleu-nigungsmessungen kann z. B. durch eine Kreuzkorrelation berechnet werden, einerelative Drift zwischen den Uhren der beiden Sensoren kann auf diese Weise jedochnicht berücksichtigt werden. Deshalb wird im Folgenden eine ereignisbasierteSynchronisation vorgestellt, die sowohl die Bestimmung des zeitlichen Versatzesals auch der relativen Drift zwischen den beiden Zeitreihen erlaubt. In den Rohdatender beiden Zeitreihen sind zu verschiedenen Zeitpunkten starke Ausschläge (Peaks)zu erkennen, die für die Bestimmung des zeitlichen Versatzes und der relativen Driftzwischen den Uhren beider Sensoren verwendet werden können. Dabei werden inbeiden Zeitreihen repräsentative Peaks ausgewählt, die eine Mindestamplitude von1,5 mm für die IBIS-S-Zeitreihe bzw. 0,01 g für die Zeitreihe der Beschleunigungs-messungen und einen Mindestabstand zwischen zwei aufeinander folgenden Peaksvon etwa 10 Sekunden besitzen. Die zur Berechnung des zeitlichen Versatzes undder relativen Drift ausgewählten 17 Peaks sind in Abb. 28 dargestellt.

Für diese 17 Peaks wurde aus der IBIS-S-Zeitreihe der jeweilige Zeitpunktt IBISi abgegriffen. Eine Bestimmung der jeweiligen Zeitpunkte tACCi der gleichenPeaks in der Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen führt teilweise zu starkverfälschten Ergebnissen für die relative Drift und ist daher nicht direkt mög-lich. Zur Veranschaulichung des Problems sind in Abb. 29 und Abb. 30 jeweilsder gleiche Ausschnitt aus der Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen und derIBIS-S-Zeitreihe dargestellt. Diese weisen einen kleinen Zeitversatz von wenigenSekunden auf, was bereits angesprochen wurde. Beide Abbildungen zeigen dasgleiche Ereignis, wobei in Abb. 29 eindeutig ein Peak identifiziert werden kann.Im Ausschnitt der Beschleunigungsmessungen in Abb. 30 ist der gleiche Peaknicht eindeutig zu identifizieren und folglich ist es willkürlich, ob der Anfangdes Ereignisses bei ca. 831 Sekunden, der starke Ausschlag bei ca. 836 Sekunden

Abb. 28 IBIS-S-Zeitreihe mit ausgewählten Peaks (Kreise)

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Abb. 29 Ausschnitt aus der IBIS-S-Zeitreihe mit markiertem Peak (Kreis)

Abb. 30 Ausschnitt aus der Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen

oder ein dazwischen liegender Zeitpunkt gewählt wird. Diese willkürliche Auswahlder jeweiligen Peaks, die teilweise Differenzen von mehreren Sekunden aufweisenkönnen, führt zu unbrauchbaren Ergebnissen bei der Bestimmung des Zeitversatzesund der relativen Drift.

Um die gleichen Peaks in der Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen eindeu-tig zu identifizieren, müssen die Ausschnitte, in denen die Peaks gesucht werden,aus der Zeitreihe ausgeschnitten werden. Umfangreiche Untersuchungen habengezeigt, dass die Länge der Ausschnitte einen signifikanten Einfluss auf dieBestimmung der jeweiligen Zeitpunkte tACCi der Peaks hat und teilweise deren Iden-tifikation erschweren kann. Gute Ergebnisse für die Bestimmung von zeitlichemVersatz und relativer Drift sowie bei der Identifizierung der Peaks konnten mit einerLänge von 20 Sekunden für die jeweiligen Ausschnitte erzielt werden. Der gesuchtePeak in Abb. 30 wird bei etwa 835 Sekunden vermutet und folglich wird der Bereichvon 825 bis 845 Sekunden ausgeschnitten. Für die Beschleunigungsmessungen ausdiesem Bereich werden durch zweifache Integration mit Formel (1) Wegwerte be-rechnet. Aufgrund der in Abschn. 3.3 beschriebenen systematischen Effekte weisendie resultierenden Wegwerte in der Regel einen parabelförmigen Verlauf auf. Durchdie Berechnung einer ausgleichenden Parabel und anschließender Subtraktion vonden zweifach integrierten Wegwerten kann dieser Einfluss reduziert werden. DasErgebnis für den beschriebenen Ausschnitt ist in Abb. 31 dargestellt.

Zwar sind in den zweifach integrierten und reduzierten Wegwerten noch Sys-tematiken in Form von langwelligen Überlagerungen vorhanden, allerdings weist

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Abb. 31 Zweifach integrierte und reduzierte Wegwerte mit Peak (Kreis)

bereits dieses Ergebnis die gleiche Charakteristik auf wie der Ausschnitt aus derIBIS-S-Zeitreihe in Abb. 29 und ermöglicht eine eindeutige Identifizierung desgesuchten Peaks. Durch diese Vorgehensweise wurde für alle 17 Peaks der jeweiligeZeitpunkte tACCi aus der Zeitreihe der Beschleunigungsmessungen bestimmt. MitHilfe der ermittelten Zeitpunkte der 17 Peaks aus der IBIS-S-Zeitreihe und derZeitreihe der Beschleunigungsmessungen können nun der Zeitversatz und dierelative Drift zwischen den beiden Uhren der Sensoren bestimmt werden.

Dazu werden in Abb. 32 die Peaks in einem Koordinatensystem dargestellt,wobei auf der x-Achse die Zeitpunkte t IBISi und auf der y-Achse die ZeitpunktetACCi der jeweiligen Peaks abgetragen werden. Unter der Annahme, dass über dengemessenen Zeitraum keine temperaturbedingte Änderung der Drift der einzelnenUhren der Sensoren vorliegt, müssen die in Abb. 32 dargestellten Punkte auf einerGeraden liegen. Liegt zudem zwischen den Uhren beider Sensoren keine relativeDrift vor, müssen die Punkte auf einer Geraden mit der Steigung gleich eins liegen.Folglich kann eine Abweichung von dieser Steigung als relative Drift zwischen denbeiden Uhren der Sensoren interpretiert werden.

Zeitversatz und relative Drift können aus der Berechnung einer ausgleichendenGeraden durch die dargestellten 17 Punkte mit dem funktionalen Modell

tACCi D m tIBISi C b (3)

Abb. 32 Ermittelte Zeitpunkte der 17 Peaks aus beiden Zeitreihen

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Tab. 1 AusgeglicheneParameter und derenStandardabweichung

Parameter Wert StandardabweichungOb 5,934 s 3,4 ms

Om 1,000022 6,5�10�6

bestimmt werden, wobei mit b der zeitliche Versatz und mit m die relative Driftzwischen beiden Zeitreihen bezeichnet ist. Da es sich bei den ermittelten Zeitpunk-ten t IBISi und tACCi um mit zufälligen Abweichungen behaftete Beobachtungenhandelt, müssen die Parameter b und m der Geraden durch eine Ausgleichung nachkleinsten Quadraten im Gauß-Helmert-Modell berechnet werden, was ausführlichin [14] beschrieben wird. Zur Berücksichtigung der stochastischen Eigenschaftender Beobachtungen wurde eine Varianzkomponentenschätzung durchgeführt, siehez. B. [18, S. 318 ff.]. Für die beobachteten Zeitpunkte t IBISi und tACCi ergibt sichjeweils eine Standardabweichung von 5,1 ms. Die ausgeglichenen Parameter sowiederen Standardabweichungen sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Mit Ob D 5,934 s konnte der zeitliche Versatz zwischen beiden Zeitreihenmit einer Standardabweichung von 3,4 ms bestimmt werden. Zudem konnte einesignifikante relative Drift von 22 ppm zwischen beiden Zeitreihen mit einer Stan-dardabweichung von 6,5 ppm festgestellt werden. Als Referenzsensor für die hiervorgestellten Untersuchungen dient das IBIS-S und folglich werden die Zeitstempelder Beschleunigungsmessungen um den zeitlichen Versatz und die relative Drift kor-rigiert. Die weitere Datenauswertung der Zeitreihe der Beschleunigungsmessungenwird mit diesen korrigierten Zeitstempeln durchgeführt.

4.3.3 Synchronisation zwischen TLS und IBIS-SFür die jeweiligen Streckenmessungen der TLS-Messreihe liegen keine Zeitstempelvor und deshalb wird in diesem Abschnitt ein Zeitstempel für die aufbereitetenTLS-Messungen in Bezug zum IBIS-S als Referenzsensor ermittelt und der vor-eingestellten Abtastrate gegenübergestellt. Wie bereits bei der Bestimmung vonzeitlichem Versatz und relativer Drift des Beschleunigungssensors können auchbei der Bestimmung des Zeitstempels für die TLS-Messungen die gleichen reprä-sentativen Peaks verwendet werden. Dazu werden in dem gleitenden Mittelwertder TLS-Messreihe aus Abb. 27 die gleichen Peaks wie in Abb. 28 identifiziertund deren Beobachtungsnummern ni ermittelt. Unter der Annahme, dass dieTLS-Messungen in äquidistanten Zeitabständen erfolgt sind und keine zeitlicheÄnderung der Abtastrate für die TLS-Messungen vorliegt, kann die Abtastrate fSmit den bereits ermittelten Zeitpunkten t IBISi sowie der Beobachtungsnummer nimit dem funktionalen Zusammenhang für eine ausgleichende Gerade

t IBISi D1

fS� ni C b (4)

berechnet werden. Da es sich auch in diesem Fall bei den ermittelten Zeitpunk-ten t IBISi und den Beobachtungsnummern ni um mit zufälligen Abweichungenbehaftete Beobachtungen handelt, müssen die unbekannten Parameter fS und

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b der Geraden durch eine Ausgleichung nach kleinsten Quadraten im Gauß-Helmert-Modell berechnet werden. Zudem wurde eine Varianzkomponentenschät-zung durchgeführt, um die unterschiedlichen stochastischen Eigenschaften derBeobachtungen zu berücksichtigen. Für die beobachteten Messwerte ni ergibtsich eine Standardabweichung von 314 Messwerten und für die Zeitpunkte t IBISi

eine Standardabweichung von 5,2 ms, die mit dem zuvor ermittelten Wert nahezuübereinstimmt. Die ausgeglichenen Parameter sowie deren Standardabweichungensind in Tab. 2 zusammengefasst.

Der zeitliche Versatz der TLS-Messreihe zu der IBIS-S-Zeitreihe beträgt 1,374 sund konnte mit einer Standardabweichung von 18,5 ms bestimmt werden. In Bezugzu der voreingestellten Abtastrate von 7812 Hz ergibt sich nach der Ausgleichungein leicht unterschiedlicher Wert von 7812,74 Hz für die Abtastrate der TLS-Messreihe. Die Differenz ist zwar kleiner als 1 Hz, aber trotzdem signifikant.Mit den berechneten Parametern wird für jeden Messwert der TLS-Messreihe einZeitstempel nach

tTLSi D1

OfS� ni C Ob (5)

berechnet.

4.4 Schwingungsuntersuchungen

In Abschn. 4.2 ist bereits ein repräsentatives Ambient Window identifiziert wor-den, das aus der jeweiligen Zeitreihe der drei Sensoren ausgeschnitten wurde.Eventuelle Resteinflüsse durch einen vorhandenen Trend und Offset wurden fürjedes Ambient Window separat durch Subtraktion einer ausgleichenden Geradenaus dem Datenmaterial herausgerechnet. Das resultierende Ambient Window derIBIS-S-Zeitreihe ist in Abb. 33 dargestellt. Aufgrund der hohen Genauigkeit der

Tab. 2 AusgeglicheneParameter und derenStandardabweichung

Parameter Wert StandardabweichungOb 1,374 s 18,5 msOfS 7812,74 Hz 0,28 Hz

Abb. 33 Ambient Window aus IBIS-S-Messungen

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Abb. 34 Ambient Window aus Beschleunigungsmessungen

IBIS-S Messungen weist die Schwingung mit einer maximalen Amplitude von ca.0,5 mm einen sehr glatten Verlauf sowie ein eindeutiges Dämpfungsverhalten auf. InAbb. 34 ist das Ambient Window aus den Beschleunigungsmessungen dargestellt,in dem das Schwingungs- sowie das Dämpfungsverhalten der Brücke ebenfallsdeutlich zu erkennen sind. Im Vergleich zu dem Ambient Window aus den IBIS-S-Rohdaten ist das Signal jedoch stärker rauschbehaftet. Das Ambient Window dergefilterten TLS-Zeitreihe ist in Abb. 35 dargestellt und die Schwingung weist einemaximale Amplitude von ca. 0,4 mm auf. Das Schwingungsverhalten der Brückeist innerhalb der ersten 15 Sekunden deutlich zu erkennen, während der Rest etwasverrauschter erscheint. Die Dämpfungseigenschaften sind mit geringer Abweichungvon einer gedämpften harmonischen Schwingung ebenfalls zu erkennen.

4.4.1 Eigenfrequenz und DämpfungskoeffizientEine Voranalyse der Ambient Windows der drei Sensoren mittels FFT hat ergeben,dass die Schwingung in dem Ambient Window der IBIS-S-Messungen sowie derTLS-Messungen im Wesentlichen durch die erste Eigenfrequenz der Brücke vonetwa f1 D 1,35 Hz dominiert wird. Es kann zwar die zweite Eigenfrequenz beif2 D 2; 20Hz gerade noch identifiziert werden, allerdings weist diese nur eineAmplitude auf, die 1/20 der Amplitude der ersten Eigenfrequenz beträgt. HöhereEigenfrequenzen sind aus den beiden Ambient Windows der IBIS-S-Messungenund der gefilterten TLS-Messungen nicht weiter ersichtlich. Im Fourier-Spektrumdes Ambient Windows der Beschleunigungsmessungen sind dagegen sehr deutlichhöhere Eigenfrequenzen zu erkennen. Da die zweite Eigenfrequenz in den AmbientWindows der IBIS-S-Messungen und der gefilterten TLS-Messungen nur einen sehrgeringen Einfluss auf die Schwingungen hat, wird nur auf die Analyse der erstenEigenfrequenz eingegangen. Für jedes Ambient Window der drei Sensoren werdendurch eine Ausgleichung nach kleinsten Quadraten mit dem funktionalen Model füreine gedämpfte harmonische Schwingung

y.t/ D a � sin.2�f t C '/ � e�2� �d �t (6)

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Abb. 35 Ambient Window aus gefilterten TLS-Messungen

Tab. 3 Ausgeglichene erste Eigenfrequenz und Dämpfungskoeffizient

ACC �ACC TLS �TLS IBIS �IBIS

1. Eigenfrequenz [Hz] 1,35614 1,5 �10�4 1,35545 1,4 �10�4 1,35605 3,0 �10�5

Dämpfungskoeffizient [%] 0,970 1,5 �10�2 1,121 1,4 �10�2 0,967 3,0 �10�3

jeweils die erste Eigenfrequenz f und der Dämpfungskoeffizient d bestimmt. Alsunbekannte Parameter werden die Amplitude a, die Frequenz f , die Phasenver-schiebung ' und der Dämpfungskoeffizient d eingeführt. Die ausgeglichene ersteEigenfrequenz und der Dämpfungskoeffizient sowie deren Standardabweichungensind in Tab. 3 aufgelistet.

Die ausgeglichene erste Eigenfrequenz f und der Dämpfungskoeffizient d , er-mittelt aus den Ambient Windows des Beschleunigungssensors und des IBIS-S,weisen eine Differenz kleiner als 0,1 mHz bzw. 0,003 % auf und in Bezug zuderen Standardabweichungen ist dieser Unterschied nicht signifikant. Mit beidenSystemen konnten im Rahmen der erreichten Präzision die gleiche erste Eigen-frequenz und der gleiche Dämpfungskoeffizient bestimmt werden. Die mit TLSbestimmte erste Eigenfrequenz weicht um weniger als 0,7 mHz von der mittelsBeschleunigungssensor und IBIS-S bestimmten ab. In Bezug zu den Standardab-weichungen ist dieser Unterschied durchaus signifikant. Der Dämpfungskoeffizientweicht hingegen deutlich von den Ergebnissen aus Beschleunigungs- und IBIS-S-Messungen ab. Die Vorverarbeitung der TLS-Messungen hat auf die Bestimmungdes Dämpfungskoeffizienten keinen signifikanten Einfluss, wirkt sich jedoch starkauf die Bestimmung der Eigenfrequenz aus. Die Ursache für die große Abweichungdes ermittelten Dämpfungskoeffizienten aus TLS-Messungen muss in weiterfüh-renden Untersuchungen geklärt werden. Die hohe Genauigkeit des IBIS-S-Systemsliefert Standardabweichungen für die erste Eigenfrequenz und den Dämpfungskoef-fizienten, die ein Fünftel der Standardabweichungen der aus Beschleunigungs- undTLS-Messungen erhaltenen Werte beträgt.

4.4.2 Zum Einfluss der Länge des Ambient WindowsBei der Auswertung der Ambient Windows konnte festgestellt werden, dass derenLänge einen entscheidenden Einfluss auf die ausgeglichenen modalen Parameterhat. Um diesen Einfluss näher zu untersuchen, wurde für jeden Sensor die Ausglei-

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chung der Parameter für unterschiedliche zeitliche Längen des Ambient Windowsdurchgeführt. Das ausgewählte Ambient Window hat eine Gesamtlänge von etwa28 Sekunden und die erste Eigenfrequenz liegt im Bereich von etwa 1,4 Hz. Umüberhaupt eine sinnvolle Lösung für die Ausgleichung zu erhalten, musste einezeitliche Mindestlänge von etwa 3 Sekunden für das Ambient Window gewähltwerden. Mit den Daten aus diesem zeitlichen Abschnitt konnten die ausgeglichenenParameter berechnet werden. Danach wurden die Länge des Abschnittes sukzessiveum 1 Sekunde erhöht und die ausgeglichenen Parameter jeweils erneut bestimmt.Dies wurde solange wiederholt, bis alle Daten über die Gesamtlänge von etwa28 Sekunden des Ambient Windows zur Bestimmung der ausgeglichenen Parameterbeitrugen. Die Ergebnisse für die ausgeglichene erste Eigenfrequenz und denDämpfungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Länge des Ambient Windowssind in Abb. 36 und Abb. 37 dargestellt.

In Abb. 36 ist zu erkennen, dass mit zunehmender Länge des Ambient Windowsder Wert für die erste Eigenfrequenz nichtlinear ansteigt. Es hat den Anschein, alsob die Lösung für noch längere Zeitfenster gegen einen Grenzwert konvergiert.

Abb. 36 Eigenfrequenz (links) und deren Standardabweichung (rechts) in Abhängigkeit von derLänge des Ambient Windows

Abb. 37 Dämpfungskoeffizient (links) und dessen Standardabweichung (rechts) in Abhängigkeitvon der Länge des Ambient Windows

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Allerdings kann dies nicht überprüft werden, da in dem gesamten Datenmaterialkeine Ambient Windows mit längerer Ausschwingphase vorhanden sind. DieUrsache für diesen nichtlinearen Trend liegt eventuell darin, dass nur die ersteEigenfrequenz betrachtet wurde und höhere Eigenfrequenzen in der Auswertungnicht berücksichtigt wurden. Zudem weist die aus TLS-Messungen bestimmte ersteEigenfrequenz ab einer Länge von ca. 10 Sekunden einen konstanten Versatzzu dem aus Beschleunigungs- und IBIS-S-Messungen berechneten Wert auf. DieUrsache dafür ist vermutlich auf die angewandte Filterung zurückzuführen, dieeinen signifikanten Einfluss auf die Bestimmung der ersten Eigenfrequenz hat. DieStandardabweichung der ersten Eigenfrequenz nimmt mit der Länge des AmbientWindows exponentiell ab und ab einer Länge von ca. 20 Sekunden kann kaum nocheine Steigerung der Präzision festgestellt werden.

Der ausgeglichene Dämpfungskoeffizient weist ebenfalls Abhängigkeiten vonder Länge des Ambient Windows auf, siehe Abb. 37. Ab ca. 10 Sekunden kannauf Grundlage von Beschleunigungs- und IBIS-S-Messungen der gleiche Wertberechnet werden, der jedoch mit zunehmender Länge linear abnimmt. Ab einerLänge von etwa 15 Sekunden beträgt der aus TLS-Daten berechnete Dämpfungs-koeffizient ca. 1,1 % und weist einen Versatz zum Ergebnis auf Grundlage vonBeschleunigungs- und IBIS-S-Messungen auf, der mit zunehmender Länge größerwird. Die Standardabweichung des Dämpfungskoeffizienten nimmt, ähnlich wiedie Standardabweichung der ersten Eigenfrequenz, mit zunehmender Länge desAmbient Windows exponentiell ab. Generell haben die Untersuchungen gezeigt,dass die Berechnung der ersten Eigenfrequenz und des Dämpfungskoeffizienten miteiner Datengrundlage von kürzer als 10 Sekunden für die Länge des Zeitfensters zuteilweise deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Auf eine ausreichen-de Länge eines Ambient Windows ist somit unbedingt zu achten.

4.4.3 SchwingwegeFür die Vergleichsmessungen mit den drei vorgestellten Sensorsystemen wurdenur ein einzelner Messpunkt an der Brücke beobachtet und es ist daher nichtmöglich, die Eigenformen der Brücke zu bestimmen. Dennoch können die mitden Sensoren erfassten Schwingwege des Einzelpunktes miteinander verglichenwerden, was bereits grundlegende Informationen zur Anwendbarkeit der Sensorenzur Eigenformanalyse liefert. TLS- und IBIS-S-Messungen liefern direkt denSchwingweg des Punktes, während die Beschleunigungswerte zuvor zweifachintegriert und gefiltert werden müssen, siehe hierzu Abschn. 3.3. Die zweifach inte-grierten Beschleunigungen (IA) sind in Abb. 38 dargestellt und weisen aufgrund vonsystematischen Effekten einen parabelförmigen Verlauf auf. Durch die Berechnungeiner ausgleichenden Parabel und anschließende Subtraktion von den zweifachintegrierten Wegwerten, kann dieser Einfluss reduziert werden. Die vorläufigenWegwerte aus zweifach integrierten und reduzierten Beschleunigungen sind inAbb. 39 dargestellt. Zudem ist der für die weitere Filterung verwendete gleitendeMittelwert dargestellt.

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Abb. 38 Zweifach integrierte Beschleunigungen

Abb. 39 Vorläufige Wegwerte und gleitender Mittelwert

Die Filterung der reduzierten integrierten Beschleunigungen mit dem gleitendenMittelwert liefert die reduzierten und gefilterten Werte in Abb. 40. Die Berechnungdes gleitenden Mittelwertes wurde in diesem Fall nicht mit einer Filterlänge nachFormel (2) durchgeführt, da damit zu viel vom eigentlichen Signal abgezogenwürde. Es hat sich gezeigt, dass eine Filterlänge von 100 Messwerten ein weitausbesseres Ergebnis für die Schwingwege der Brücke liefert. Diese reduzierten undgefilterten integrierten Beschleunigungen können anschließend mit den mittels TLSund IBIS-S erfassten Auslenkungen der Brücke verglichen werden. In Bezug zumIBIS-S als Referenzsensor ergeben sich die in Abb. 41 dargestellten Differenzen derjeweils aus TLS- und Beschleunigungsmessungen gewonnenen Schwingwege derBrücke.

Im Vergleich zu IBIS-S sind die Schwingwege aus integrierten Beschleunigun-gen (IA) wesentlich genauer als die durch TLS-Messungen bestimmten Werte. DieAnwendung der hier vorgestellten Filtertechniken ergibt Auslenkungen mit einerStandardabweichung von �IAD 0,02 mm für die aus Beschleunigungsmessungenberechneten Wegwerte und �TLSD 0,06 mm für die Wegwerte aus TLS-Messungen.Diese Abweichungen sind jedoch nicht nur auf zufällige Abweichungen zurück-zuführen; sie weisen noch periodische Effekte auf, die in der Datenanalyse nichtberücksichtigt wurden. Zusammenfassend kann anhand der durchgeführten Un-tersuchungen festgestellt werden, dass das enorme Einsatzpotenzial des IBIS-S zur Modalanalyse von Bauwerken aufgrund der hohen Genauigkeit bestätigtwerden kann. Das verwendete Beschleunigungsmesssystem sowie der terrestri-sche Laserscanner haben sich im Vergleich zum IBIS-S ebenfalls als geeignete

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Abb. 40 Zweifach integrierte, reduzierte und gefilterte Beschleunigungen

Abb. 41 Differenzen der Schwingwege in Bezug zu IBIS-S

Sensorsysteme für die Modalanalyse von Bauwerken erwiesen. Die aus den Be-schleunigungsmessungen berechneten Wegwerte konnten genauer bestimmt werdenals in dem in Abschn. 3 vorgestellten Laborversuch, was für eine große Tauglichkeitdes von Resnik und Gerstenberg [22] entwickelten Beschleunigungsmesssystemsspricht. In der Praxis wird jedoch insbesondere bei überlagerten Schwingungen dasProblem der sachgerechten Filterung der Daten auftreten, so dass es fraglich ist,ob die Wegwerte immer mit einer Genauigkeit in dieser Größenordnung bestimmtwerden können. Die Wegwerte aus TLS-Messungen weisen die gleiche Genauigkeitauf wie die in Abschn. 3 aus Beschleunigungsmessungen berechneten Werte.Damit wurde gezeigt, dass auch TLS-Messungen nach entsprechender Filterung fürSchwingungsmessungen verwendet werden können. Weitere Untersuchungen zumEinsatz von TLS bei der Bestimmung von Verformungen von Bauwerken sind inGutermann et al. [7] und Gutermann et al. [8] nachzulesen.

Die hier angesprochenen Techniken sind insbesondere für Ingenieurbüros in-teressant, die z. B. bereits einen terrestrischen Laserscanner besitzen und damitneue Einsatzfelder im Structural Health Monitoring erschließen möchten. AuchGNSS-Ausrüstungen und elektronische Tachymeter können zu diesem Zweck ge-nutzt werden. Die Einsatzmöglichkeiten von differentiellen GNSS-Messungen undMessungen mit einer motorisierten Totalstation für Schwingungsuntersuchungenan einer Brücke werden z. B. in [11] vorgestellt. Meng et al. [13] untersuchendas Update eines Finite-Elemente-Modells einer Brücke mit Hilfe von GNSS- undBeschleunigungsmessungen.

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5 Dynamische Verformungs- und Schwingungsmessungenmit Laserinterferometrie

Für die in der Einführung im Abschn. 1 angesprochenen Aufgabenstellungen imRahmen des Bauwerksmonitorings und der experimentellen Tragsicherheitsbe-wertung können auch Laserinterferometer eingesetzt werden. Laserinterferometerzeichnen sich dadurch aus, dass mit ihnen Abstandsänderungen mit einer sehr hohenPräzision von < 0,1�m und mit einer hohen Abtastrate im Bereich von einigenkHz bestimmt werden können und sie damit bestens zur Messung dynamischer Vor-gänge, wie z. B. Schwingungen, geeignet sind [25]. Von Nachteil ist u. a. lediglich,dass bei einem üblichen Interferometersystem der Reflektor am zu untersuchendenObjekt zu befestigen ist und dass mit einem Interferometer in der Regel auchnur ein Messpunkt beobachtet werden kann. Beim Einsatz eines Laservibrometerskönnte auch reflektorlos ohne ein Prisma zu montieren gemessen werden. Diehohe Präzision interferometrischer Messungen kann nur dann auf das Messobjektübertragen werden, wenn es gelingt, die in erster Linie temperatur- und luftdruck-abhängige Dichte der Atmosphäre hinreichend genau zu erfassen. Es gelten dabeifolgende Relationen: Bei einer Änderung der Lufttemperatur von 1 K bzw. bei einerÄnderung des Luftdrucks von 3,4 hPa beträgt die Korrektion 1 ppm D 1�m/mder Distanz zwischen Interferometer und Reflektor. Schwingungs- bzw. dynamischeVerformungsmessungen werden aber in der Regel nur über verhältnismäßig kurzeZeiträume von einigen Sekunden bis maximal wenigen Minuten durchgeführt, sodass für die Bestimmung der Abstandsänderungen nur die während der Messzeiteintretenden Dichteänderungen der Atmosphäre relevant sind. Erfahrungsgemäßsind diese Änderungen innerhalb der kurzen Messzeiten gering, so dass dieAbstandsänderungen in der Regel auch ohne aufwändige Bestimmung der Dichteder Atmosphäre mit einer hohen Präzision erhalten werden.

Ein Laserinterferometersystem besteht aus dem Messkopf des Laserinterferome-ters, dem Interferometerprisma, dem Reflektor, einem Notebook mit einer USB-Schnittstelle, einer USB-Box bzw. einem USB-Achsenmodul für die Verbindungdes Notebooks mit dem Laserkopf und einer unabhängigen Stromversorgungsein-heit zum Betrieb des Messkopfes (Abb. 42).

Um z. B. vertikale Verformungsänderungen einer Brücke zu messen, wird derMesskopf des Interferometers zusammen mit dem Interferometerprisma auf einemStativ montiert und so ausgerichtet, dass der Laserstrahl senkrecht nach obengelenkt wird; er trifft auf den am Bauwerk befestigten Reflektor.

Abb. 43 zeigt den Aufbau zur Messung der vertikalen Verformungen an einemca. 25 m hohen Eisenbahnviadukt während der Überfahrt eines Personenzuges [7].Die Messungen wurden mit einer Messfrequenz von 200 Hz aufgezeichnet.

Das Ergebnis der Messungen während der Überfahrt eines Personenzuges, dieinsgesamt ca. 5 s gedauert hat, ist in Abb. 44 ersichtlich. Bevor der Zug die Brückeerreicht, wölbt sich die Brücke kurzzeitig um 15�m auf. Danach wird die Brückemit einer maximalen Verformung von ca. 80�m periodisch deformiert. Es sind dieVerformungen hervorgerufen durch die einzelnen Achsen des Zuges deutlich zu

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Schwingungsuntersuchungen – Ein Beitrag zum Monitoring im Bauwesen 41

Abb. 42 Messaufbau (schematisch)

Abb. 43 Messaufbau mit dem Laserinterferometer

erkennen. Man sieht auch, dass der Personenzug am Anfang und am Ende jeweilseinen Triebwagen hatte.

Innerhalb der durch die beiden Triebwagen hervorgerufenen Verformungen tre-ten Schwingungen mit einer Frequenz von 16,7 Hz und einer Amplitude von 1,4 �mauf. Diese Schwingungen werden wahrscheinlich von den Antriebsaggregaten derTriebwagen, die vom Bahnstromnetz mit einer Frequenz von 16 2/3 Hz (Österreich)versorgt werden, hervorgerufen. Die Messergebnisse streuen kaum; die Messungenerfassen die Verformungen und die Schwingungen mit einer Präzision von wenigen�m. Auch haben sich die meteorologischen Verhältnisse während der Zeit der

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42 F. Neitzel und W. Schwarz

Abb. 44 Dynamische Verformungen während der Überfahrt eines Personenzuges

Überfahrt nicht nennenswert geändert. Die Messwerte nach der Überfahrt sind mitdenen vor der Überfahrt vergleichbar; eine Drift ist nicht zu erkennen.

Diese Ergebnisse zeigen eindrucksvoll auf, dass das Verfahren der Laserinterfe-rometrie für die Erfassung von Schwingungen und von dynamischen Verformungenbei Bauwerken effizient eingesetzt werden kann. Aufgrund der hohen Präzision undder hohen zeitlichen Auflösung, mit der die Verformungen hierbei erfasst werden,kann das Verhalten der Bauwerke tiefgründiger und präziser als mit den anderenMessverfahren analysiert werden.

6 Resümee

Die hier diskutierten Mess- und Auswertetechniken ergänzen die klassischenVerfahren bei der Überwachung von Bauwerken und eröffnen darüber hinaus neue,bis dahin nicht gegebene Möglichkeiten. Mit ihnen können Aussagen zum Verhaltender Bauwerke umfassender, mit höherer Präzision und zum Teil wirtschaftlicher unddamit effizienter gewonnen werden. Es wäre wünschenswert, wenn auf dem Gebietder Bauwerksüberwachung ein gegenseitiger Dialog zwischen den beteiligten Dis-ziplinen zustande käme, um die Mess- und Auswerteverfahren im Hinblick auf dieErfordernisse gemeinsam weiter zu entwickeln und um sie letztlich als einen festenBestandteil bei der Bauwerksüberwachung zu etablieren und sie in die einschlägigenNormen aufzunehmen.

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