singapur magazin_issue #1

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a point of view #1 ERFOLGSREZEPTE

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Page 1: SingaPur Magazin_issue #1

a point of view

# 1 E R F O L G S R E Z E P T E

a point of view

#1

Page 2: SingaPur Magazin_issue #1

Der „MERLION“ ist nicht nur das Wahrzeichen Singapurs, sondern auch Schutzpatron und Maskottchen der Stadt.

„MERLION“ ist ein Kunst wort, das sich aus den Worten MERmaid (Meerjungfrau)

und LION (Löwe) zusammen-setzt. Die Sagengestalt ist

eine Mischung aus Löwe und Fisch: Der Löwenkopf steht für Stärke und Furchtlosig-

keit, während der Fisch-körper die Verbundenheit mit

dem Meer symbolisiert.

a point of view

#1

Page 3: SingaPur Magazin_issue #1

EEditorial

Page 4: SingaPur Magazin_issue #1

PS: Sind Sie neugierig geworden, wünschen detailliertere Infor­mationen oder möchten uns ein Feedback zur ersten Ausgabe geben? Wir freuen uns auf Ihre Mail: [email protected]

Dr. An Wee MooRegional Director, EuropeSingapore Economic Development Board

Liebe Leserin, lieber Leser,

Singapur – das ist zweifellos eines der faszinierendsten und inspirierendsten Fleckchen Erde. Hier treffen prosperierende Geschäfts­ und modernste Hightechwelten auf jahrtausende­alte Traditionen. Trotz seiner eher überschaubaren Größe von 719 Quadratkilometern hinterlässt der Inselstadtstaat nicht nur bei seinen jährlich mehr als 17 Millionen internationalen Gästen, sondern ebenso auf der Weltbühne einen immer prägnanteren Eindruck. Unter anderem wegen der vielfältigen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich hier bieten. Insbesondere auch für deutsche Unternehmen. Vor Ihnen liegt die erste Ausgabe von SingaPur, dem Magazin des Singapore Economic Development Board (EDB) – prall gefüllt mit Perspektiven, Persönlich keiten, spannenden Unternehmensporträts und Lifestyle. Ein Magazin, mit dem wir Ihnen Einblicke geben möchten, wie viel wirt­schaftliches Potenzial in der Metropole als Tor nach Asien und im prosperierenden Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) steckt. Gleichzeitig wollen wir aber auch die vielfältigen, bunten und geheimnisvollen Seiten Singapurs beleuchten. In der Pre mierenausgabe berichten wir unter anderem über die Start­up­Szene, beantworten die Frage, warum der deutsche Kultclub Borussia Dortmund ausgerechnet hier sein erstes Auslands ­büro eröffnet hat, und fragen in unserer Titelstory bei Erfolgs­koch Tim Raue nach, warum die Stadt in seinem Leben eine ganz besondere Rolle spielt.

Zum Thema Wirtschaftspotenzial: Aktuell gehen Experten davon aus, dass die wichtigsten asiatischen Volkswirtschaften China, Indien, Japan und ASEAN im Jahr 2017 um bis zu eine Billion US­Dollar wachsen werden – trotz geopolitischer Veränderungen und der Unwägbarkeiten der Weltwirtschaft. Auch langfristig be­trachtet sind die Perspektiven der Region sehr vielversprechend. Nicht zuletzt deshalb, weil die Länder immer besser miteinander vernetzt sind. Gründe genug, warum viele deutsche Unternehmen ihre Asien­Strategie derzeit überdenken. Denn um von diesen Wachstumsmärkten profitieren zu können, müssen sie – inklusive der „Mittelstands­Champions“ – hier adäquat vertreten sein.

Singapur hat sich diesbezüglich als idealer Partner für die Inter­nationalisierungspläne gerade mittelständischer Unternehmen bewährt. Auf der Basis von Vertrauen, Wissen, Talent, Lebens­qualität und nicht zuletzt einer besonders unternehmensfreund­lichen Politik formte sich neben einem weit gefächerten Dienst­leistungsspektrum ein ausgesprochen vielseitiger Produktionssektor heraus. Er machte im Jahr 2015 bereits 20 Prozent des BIP aus. Angesichts der geringen Größe des Inselstaates mit seinen 5,5 Milli o­nen Einwohnern ist das erstaunlich und zugleich vielverspre­chend. Das verstärkte Engagement hinsichtlich Forschung, Inno­vation und Unternehmertum wird dazu beitragen, Singapur auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben.

Herzlichst

Page 5: SingaPur Magazin_issue #1

03Editorial

04Inhaltsverzeichnis

06BVB – Begeisterung überall

10News

12Smarte Nation Singapur

18Wie genau riecht eigentlich Erfolg? – Siemens/Evonik

22Talentschmiede Singapur – Nanyang Polytechnic

30Made in Germany – Rohde & Schwarz

34Gruß aus der Küche – Tim Raue

42Raus aus dem Labor, rein in die Welt – Fraunhofer

Inhalt

Page 6: SingaPur Magazin_issue #1

44Zahlen bitte

47Schwergewicht auf Samtpfoten – ASEAN-Region

50Years of the Dragon – Kenneth Thexeira

54Urbanisierung öffnet Marktchancen – Weidmüller

56Aus dem Dschungel in den Dschungel

58Gründen im Tigerstaat – Start-ups

64Schnappschuss – Formel 1

68Den nächsten Schritt wagen – Prof. Dr. Venohr

70Ausblick

71Impressum

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BVBEGEISTERUNG ÜBERALL

Seit mehr als zwei Jahren hat der BVB eine Repräsentanz in Singapur – und ist damit bis heute ein Bundesliga-Pionier. Was für Motive stecken hinter dem Südostasien-Engagement des Kultclubs?

Gleich beim ersten Date mit seiner zukünftigen Frau spricht Suresh Letchmanan Klartext: Fußball ist seine ganz große Leiden­schaft und das wird sich auch niemals ändern! Wenn sie ihn haben will, muss sie damit leben. 15 Jahre ist das inzwischen her – und bislang ist der gebürtige Singapurer sich selbst treu ge blie ben. Das allein ist natürlich noch nichts Ungewöhnliches. Dass sein Herz heute vor allem für einen deutschen Fußballclub schlägt, dagegen schon: Seit Herbst 2014 ist Letchmanan Leiter des ersten Auslandsbüros des achtmaligen deutschen Meisters Borussia Dortmund. Seine Hauptaufgaben, die er vom „Nordic European Centre“ in Singapur aus vorantreiben muss: Kontakte zur Wirt­schaft und zu den Medien des gesamten südostasiatischen Groß­raums knüpfen und das BVB­Merchandising ausbauen. Die Be­geisterung für Fußball war in der Region schon immer groß. Und sie wächst weiter. Dass in den sogenannten Tigerstaaten viel Geld zu verdienen ist, wissen britische Spitzenclubs bereits seit Jahr­zehnten. Manchester United zum Beispiel spült die Vereinsprä­senz in Südostasien jährlich mehr als 50 Millionen Euro in die Kasse. Umso verwunderlicher, dass der deutsche Fußball diesen

lukrativen Markt bislang mehr oder weniger vernachlässigte. Immerhin setzte der BVB 2014 endlich ein Signal und wagte den Quantensprung gen Osten – als bislang einziger Verein der Bun­desliga. „Wir spüren ein stark steigendes Interesse am BVB aus Asien. Gerade in Südostasien liegt für uns ein Großteil der rele­vanten Auslandsmärkte. Doch damit wir dort nachhaltig arbeiten können, heißt das eben auch, permanent vor Ort zu sein“, sagte BVB­Marketingdirektor Carsten Cramer kurz vor der Eröffnung der Repräsentanz in Singapur. Zwei Jahre später fällt die erste Zwischenbilanz durchweg positiv aus, wenngleich es natürlich auch weiterhin viel zu tun gibt. Denn sich hier zu behaupten und die Sichtbarkeit des Clubs spürbar zu verbessern, sei eine echte Herausforderung, stellt Singapurs BVB­Mann Suresh Letchmanan fest. „Schließlich stehen wir hier im Wettbewerb mit internatio­nalen Topclubs wie Chelsea oder Liverpool“, sagt der 43­Jährige. Die Begeisterung für deutschen Fußball besteht laut Letchmanan seit Jahrzehnten. Bereits das Nationalteam von 1982 mit Legen­den wie Hansi Müller oder Horst Hrubesch habe die ältere Gene­ration nachhaltig beeinflusst. Doch warum fiel die Wahl für das erste Auslandsbüro auf den Standort Singapur? Welche Erfolge gibt es bereits zu verzeichnen und wie unterschei­den sich eigentlich asiatische von europäischen Fans? „Singa­Pur“ hat Suresh Letchmanan und Carsten Cramer zum Interview getroffen.

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VWann hat der Verein die steigende Begeisterung in Asien erstmals bemerkt und deshalb über ein Büro in Singapur nachgedacht?Dass Deutschland die WM 2014 gewonnen hat, war sicherlich ein entscheidender Trigger­Faktor. Im Team des Weltmeisters spielten ja gleich fünf BVB­Spieler. Zudem war der asiatische Markt für interna tionale Clubs in den vergangenen zehn Jahren auffällig stark gewachsen, Gleiches gilt für das Bewusstsein dafür, dass es sich um einen finanziell attraktiven Markt handelt.

Gab es in Asien schon immer eine Faszination für Fußball?Auf jeden Fall! Dieser Sport war bei uns schon immer ein Phäno­men. Fast jeder spielt hier hobbymäßig selbst Fußball. Die Fas­zination und Begeisterung ist überall spürbar. Und der deutsche Fußball reißt die Menschen hier bereits seit vielen Jahrzehnten mit. Legenden wie Hansi Müller oder Horst Hrubesch haben be­reits die ältere Generation fasziniert und beeinflusst.

Wie unterscheiden sich asiatische BVB-Fans von den euro päischen? Sie sind nicht so ungehemmt wie ihre Pendants in Europa oder Deutschland. Die Fans sind sicher leidenschaftlich – aber auf eine leisere und konservativere Art. Sie haben sich mehr unter Kontrolle, was mit der Kultur und Mentalität zu begründen ist. Was sehr auffällt: Die Loyalität zu einer Stadt oder generell zu einem Verein ist nicht so ausgeprägt. Die Menschen begeistern sich hier viel eher für bestimmte Einzelspieler als für ein ganzes Team. Es sind vor allem die Superstars, die hier die größte Be­geisterung auslösen.

Welche Fan-Accessoires laufen in Singapur ganz besonders gut?An erster Stelle steht natürlich das BVB­Trikot, wobei die Fans hier mehr auf das Poloshirt stehen. Man kann es nicht nur im Fußball stadion, sondern auch im Kino oder im Restaurant anzie­hen. Sehr gut laufen auch die BVB­Fancaps.

Die Bilanz der Asienreise des BVB im Juli 2016 fiel positiv aus. Was ist Ihnen persönlich in besonders guter Erinne-rung geblieben?Der Enthusiasmus der Fans war einfach unglaublich. Wir hatten entschieden, dass alle Spieler am Flughafen durch den Hauptaus­gang und nicht durch eine VIP­Alternative gehen – mit der Folge, dass sie dort von mehr als 500 Fans in Empfang genommen wur­den. Weibliche Fans kreischten vor Begeisterung, die Stimmung war der Wahnsinn. Viele Fans folgten dem Mannschaftsbus bis zum Hotel und harrten dort teilweise Tag und Nacht aus.

Wie sehr geht es auch auf das Konto von Spielern wie Park Joo-ho oder Shinji Kagawa, dass der BVB in Asien so populär ist?Das ist sicher einer der wichtigsten Faktoren. Vor allem Kagawas Erfolg begeistert im südostasiatischen Raum besonders viele und motiviert junge aufstrebende Talente, ebenfalls eine Profikarriere anzustreben. In Japan, Südkorea oder China sind die beiden um­schwärmt wie Popstars. Aber Gleiches gilt genauso für Marco Reus, Sven Bender und viele andere Spieler des BVB.

Suresh Letchmanan

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BWie lange rauchten im Vorfeld die Köpfe, bis die Eröffnung des Singapur-Büros beschlossene Sache war?Wir sind da ziemlich analytisch vorgegangen und haben diverse Parameter angeschaut: Welche Regionen boomen besonders? In welchen asiatischen Ländern findet Bundesliga­Fußball über­haupt statt und wo wird Fußball „made in Germany“ besonders wertgeschätzt? Und eine weitere wichtige Frage war für uns: Wie setzen wir die Internationalisierung unseres Vereins am besten um?

Gab es eine Initialzündung?Das war sicher auch die Rückkehr von Shinji Kagawa zum BVB Ende August 2014. Mit ihm hatten wir wieder ein Gesicht für eine Region, die ich jetzt mal weitläufig als Asien bezeichnen würde.

Ein Spieler wie Kagawa stellt im asiatischen Raum natür-lich einen besonderen Joker dar …Man merkt tatsächlich deutlich, dass die Identifikation der Men­schen in dieser Region mit einem asiatischen Gesicht sehr groß ist und dass sich dadurch auch Türen öffnen. Dass Spieler wie Marco Reus bei einer Asienreise des BVB ebenfalls Riesenhigh­lights für die Fans darstellen, versteht sich aber von selbst.

Welcher Fußballmarkt Asiens ist der in Ihren Augen am meisten entwickelte? Auf jeden Fall Japan. Von dort kommen die meisten asiatischen Spieler, die international eine teilweise beachtliche Rolle spielen, es gibt eine professionelle Ligastruktur und Fußball ist eine Sportart, die sich dort am stärksten nach europäischem Vorbild entwickelt.

Wie erklären Sie sich die wachsende Begeisterung asiati-scher Fans für den BVB?Gerade im Fußball genießt „made in Germany“ einen extrem guten Ruf. Davon profitieren wir natürlich auch.

Wieso fiel die Standortwahl für das Marketingbüro auf Singapur? Zum einen haben wir hier einen der wichtigsten Finanz­ und Wirtschaftsmärkte der Region. Singapur ist ein Schmelztiegel. Hier kommt die Welt zusammen, trifft Osten auf Westen und es leben verschiedene Kulturen und Religionen friedlich und in politisch stabilen Verhältnissen miteinander. Zum anderen ist da die perfekte Lage und Schlüsselstellung als Plattform für den übrigen Markt. Von Singapur aus kommst du schnell nach Süd­ostasien, Nordasien, Japan oder auch Australien. Der Stadtstaat ist ein relativ neutraler Standort, von dem aus es sich wunderbar strategisch arbeiten lässt.

Welche Zwischenbilanz ziehen Sie nach zwei Jahren?Wir sind sehr glücklich über erste Erfolge, etwa die direkte An­bindung an unseren Hauptsponsor Evonik, in dessen Singapur­ Dependance wir unser Büro haben, und an unseren Ausrüster Puma. Beide Partner treffen von Singapur aus sehr viele gute strategische Entscheidungen. Außerdem haben wir mit Suresh Letchmanan einen super Kollegen gefunden, der uns mit echtem Know­how im asiatischen Fußball bereichert und zudem ein Singapurer ist. Das kommt bei unseren Partnern im südostasia­tischen Raum bestens an.

Haben Sie Beispiele für die ersten Erfolge?Abgesehen davon, dass die Sichtbarkeit in der Region deutlich zugenommen hat, konnten wir in Thailand, Malaysia, Singapur, China und der Mongolei Kooperationspartner gewinnen; in Thai­land gleich zwei. In diesen Ländern hat der Markt ein ganz be­sonders großes Potenzial. Das Praktische ist: Wir kommen über­all schnell hin. Deshalb haben wir uns ja auch für Singapur entschieden. Weil die Stadt logistisch einfach eine extrem attrak­tive Lage hat – und natürlich auch deshalb, weil sie absolut fas­zinierend und spannend ist.

Carsten Cramer

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B Tanjong Pagar Road: mit dem Taxi auf dem Weg zum Marina Bay Sands Hotel

In jeder Ausgabe des SingaPur­Magazins zeigt uns ein Fotograf seinen Blick auf die Stadt.Marco Seifet fängt mit seiner Kamera Singapur als „die Stadt der Farben“ ein.

M Y P O I N T O F V I E W

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Es ist der erste globale Feldversuch seiner Art: In Singapurs Uni-viertel One-North befindet sich derzeit ein vier Quadratkilometer großes Testgebiet für selbstfahrende und selbstlenkende Taxis. Fahrgäste können die derzeit im Einsatz befindlichen sechs Autos per Smartphone-App anfordern. Verantwortlich für die Hightechpremiere ist das US-Start-up-Unternehmen nuTonomy, das nach der Testphase bis 2018 die Robo-Taxis im gesamten Stadtstaat auf die Straßen bringen möchte. „Singapur hat unsere Forschungen von Anfang an unterstützt und auch einen Teil zur Finanzierung beigetragen. Außerdem waren für uns die Topinfra-struktur und der gute Zustand der Straßen wichtige Argumente, unsere Fahrzeuge gerade hier zu testen“, sagt Chief Operating Officer Doug Parker. Auch wenn der Fahrer fehlt – ganz allein ist man derzeit noch nicht im Taxi; während der Testphase befindet sich stets ein Nutonomy-Mitarbeiter mit an Bord, der im Notfall eingreifen kann.

WeltpremiereMit seinen innovativen Produkten für kardiologische Medizin-technik zählt Biotronik seit Jahren zu den weltweiten Marktfüh-rern. Jetzt hat das Berliner Unternehmen sein globales Produk-tionsnetzwerk um einen weiteren hochkarätigen Standort erweitert: So verfügt das im Herbst in Singapur neu eröffnete Werk unter anderem über einen 1.500 Quadratmeter großen Reinraum der ISO-Klasse 7. Für den globalen Markt produziert werden sollen vor allem innovative Produkte aus den Geschäftsbereichen Defibrillatoren und Herzrhythmustherapie. „Die hoch qualifizier-ten Arbeitskräfte, die hervorragende Infrastruktur vor Ort und das gute Geschäftsumfeld machen Singapur zu einem idealen Standort für Biotronik“, sagt Geschäftsführer Erik Trip. Das neue Werk schafft rund 200 neue Arbeitsplätze für Fachkräfte und Spezialisten im Bereich Forschung und Entwicklung. Biotronik plant, in den kommenden Jahren weitere 20 Millionen Euro in das Singapur-Werk zu investieren.

Standort-Jackpot

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Damit in Zukunft auch mittelständische Unternehmen vermehrt in der Lage sein werden, modernste Robotertechnologie in ihre Produktionsprozesse zu integrieren, gibt Singapurs Regierung zusätzliche Budgets frei: Das 2015 ins Leben gerufene National Robotics Programme erhält in den kommenden drei Jahren wei-tere Finanzspritzen von insgesamt rund 296 Millionen Euro. Die Initiative unterstreicht Singapurs Anspruch, die Automatisierung zu einem Schwerpunkt des wirtschaftlichen Transformationspro-zesses zu machen. „Wir möchten Wege finden, dass der Mittel-stand auch in der Lage ist, die neuen Technologien anzuwenden“, sagt S. Iswaran, Singapurs Minister für Handel und Industrie. Robotertechnologien würden viele neue Möglichkeiten bieten und die Produktivität erhöhen. „Auch wenn dadurch bestimmte Jobs in Zukunft zunehmend verschwinden, entstehen gleichzeitig viele neue“, sagt Iswaran. Umschulungs- und Weiterbildungs-maßnahmen werden zudem ein wichtiger Teil des Restrukturie-rungsprogramms sein.

Roboter für alleDass Singapur zu den weltweiten Vorreitern in Sachen Innova-tion, Forschung und neue Technologien zählt, ist seit Langem bekannt. Einen besonders eindrucksvollen Beleg dafür, was für eine tragende Rolle Forschung und Entwicklung im Stadtstaat tatsächlich spielt, liefern die Budgetplanungen für die kommen-den fünf Jahre: 17,3 Milliarden Euro wird die Regierung für RIE 2020 (Research, Innovation and Enterprise) bis 2020 zur Verfü-gung stellen. Das sind nicht nur 18 Prozent mehr als zwischen den Jahren 2011 und 2015, in denen 14,5 Milliarden Euro investiert wurden, sondern ist die bislang höchste Summe überhaupt. Generell verfügt Singapur über eine sehr gute Infrastruktur für Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung: Wissenschaft und Wirtschaft führt ein Cluster von mehreren Industrieparks im Stadtteil One-North zusammen. Dort befinden sich auch eine staatliche Universität, ein Universitätsklinikum, die Fachhoch-schule für Polytechnik sowie der Park für angewandte Forschung Singapore Science Park.

Rekordsumme

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Singapur will global die erste „Smarte Nation“ werden. Was bedeutet das – und wie können deutsche Unternehmen davon profitieren?

SMARTE NATIONSINGAPUR –

NACHHALTIGES LEBEN

IN EINERVERNETZTEN

WELT

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„Singapur ist ein kleines Land“, betont Goh Chee Kiong, Executive Director Clean-tech & Cities, Infrastructure & Industrial Solutions des Singapore Economic Deve - l opment Board (EDB). „Die beengten Ver-hältnisse in Singapur machen es nötig, intensiver über die Nutzung des vorhan-denen knappen Raumes nachzudenken als in anderen Metropolen.“ Denn der Insel-stadtstaat kann sich – trotz zahlreicher erfolgreicher Landgewinnungs maßnah-men in den vergangenen Jahren – nicht mehr viel weiter meerseitig ausdehnen, ohne in Grenzkonflikte zu geraten. Mit

einem Staatsgebiet von 710 Quadrat kilo-metern ist das Territorium etwas kleiner als die Hansestadt Hamburg. Dafür leben hier dreimal so viele Menschen: circa 5,5 Millionen. 2030 werden es Prognosen zufolge mehr als sechs Millionen sein. Damit die Lebensqualität nicht abnimmt, sondern sogar noch verbessert wird, un-ternehme Singapur gewaltige, langfristig orientierte Anstrengungen, wie Goh sagt, die alle Bereiche des gesellschaft lichen Miteinanders beträfen: von Verkehr und Healthcare über Wohnen und Sicherheit bis hin zu Umweltschutz und Infrastruktur.

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Den Bürgern das Leben erleichternAls Schlagwort dafür hat sich internatio-nal der Begriff „Smart City“ herausgebil-det. Smart Citys sind gut funktionierende Organismen, die auch für die nächsten Generationen vital und lebenswert sind. In den vergangenen Jahren haben mehrere Städte auf der ganzen Welt sogenannte Smart City Solutions umgesetzt, um ihren Bürgern das Leben zu erleichtern. Dies geschah – wie in der spanischen Vor zeige-stadt Santander – in erster Linie auf Grundlage einer massiven Erhebung von Daten. Hier geben beispielsweise Sensoren an Verkehrsampeln und Überwachungs-kameras Auskunft über die Situation auf den Straßen und ermöglichen eine Opti-mierung des Verkehrsflusses durch regu-lierende Maßnahmen.

In der Vernetzung liegt die KraftSingapur ist aber schon wesentlich weiter. Es geht hier nicht mehr nur um smarte Einzelprojekte, sondern um das große Ganze: Vor zwei Jahren hat Premierminister Lee Hsien Loong deshalb einen neuen Entwicklungsplan ausgerufen: „Smart Nation“. Er sagte: „Es gibt viele Städte, die ‚smart‘ sein wollen. Der Unterschied zu uns ist: Singapur ist nicht nur Stadt, sondern gleichzeitig auch ein Land. Das bedeutet, wir können das Thema ganz-heitlich und nicht nur aus der Sicht einer Kommune angehen. Wir sind in der Lage, sämtliche Ressourcen von Institutionen, Bevölkerung und Unternehmen, die eine Nation ausmachen, zu bündeln, um uns voll auf die großen komplexen Probleme zu konzentrieren, also auf all das, was für uns, für die Menschen, von Bedeutung ist. Es geht also nicht um berauschende High-tech, sondern darum, unser Leben positiv zu verändern.“Nachhaltigkeit („Sustainability“) ist der Schlüsselfaktor. Das Programm „Smart Sustainable Nation“ nutzt konsequent das Potenzial modernster Informations- und Kommunikationstechnologie. Im Mittel-punkt stehen laut Goh Big Data, Analyse-technologien und vor allem Sensornetz-werke. Zum einen wird die Datenerhebung mit neuen Sensoren intensiviert. „Wir haben mehr als 1.000 Sensoren in der gan-zen Stadt verteilt, noch einmal so viele werden in Kürze hinzukommen“, so Goh. Zum anderen aber – und das ist das Ent-scheidende – werden die gewonnenen Daten künftig immer besser miteinander

vernetzt, indem sie durch Datensilos von Regierungsämtern geleitet werden, die vertikale Themen wie Umwelt, Sicherheit oder Energie intelligent miteinander ver-zahnen.

Mitwirkung der Bürger gefordertEin wichtiger Aspekt dabei ist die Mitwir-kung der Bürger bei der Erhebung und Aktualisierung von Daten: Einwohner von Singapur haben die Möglichkeit, die Datenbanken, die mit den Orten verknüpft sind, in denen sie wohnen oder sich anderweitig aufhalten, selbst zu aktuali-sieren. So können sie beispielsweise mit ihrem Mobiltelefon defekte Beleuchtungs-anlagen melden oder vor Verkehrsun fäl-len warnen. Das alles geschieht in Echt-zeit und wird auf der 3-D-Karte des Stadtstaates sichtbar gemacht. Goh: „Hier-bei kommt Singapur zugute, dass wir mit durchschnittlich mehr als einem Smart-phone pro Einwohner wohl die höchste Smartphone-Dichte der Welt haben.“Auf der öffentlich zugänglichen „Smart Nation Platform“ (SNP) werden Regierung, Bürger, privater Sektor und Forschungs-einrichtungen zusammengebracht. Bei die-sem ganzheitlichen Ansatz ziehen alle an einem Strang. Mithilfe der Daten aller Be-teiligten lassen sich zielgenau neue Tech-nologien exakt dort einsetzen, wo ihre Wirkung am größten ist.

„Lebendiges Testlabor“„Singapur ist wie ein lebendiges Testlabor für Vorhaben, die hier bereits Realität sind, während sie woanders bloße Zukunftsvisi-onen sind“, betont Goh. So wurden zum Beispiel in Singapur schon die ersten Ver-suche selbstfahrender Taxis unternom-men. Außerdem unterstützt der Stadtstaat Forschungen rund um das autonome Fah-ren und ermöglichte etwa dem Unterneh-men nuTonomy, in einem 2,5 Quadrat-kilometer großen Geschäftsviertel Tests durchzuführen. Infrastruktur, Wetter und Straßenverhältnisse sind ideal dafür.Unternehmen können laut Goh im Schul-terschluss mit der Regierung innovative urbane Lösungen entwickeln und ver-markten. „Sie können hier Tests in einer sicheren und überwachten Umgebung durchführen und bei Erfolg relativ prob-lemlos damit an den Markt gehen“, so Goh. Setzen sich die Lösungen dann in Singapur durch – wie jüngst Wasserauf-bereitungstechnologien oder Transport-

managementtools –, lassen sie sich oft auch in andere asiatische Länder exportie-ren und können dabei hohe Skalen effekte erzielen. Das heißt, die Kapazitäten wer-den erhöht, ohne dass die Investitionskos-ten entsprechend steigen, was wiederum zur Folge hat, dass der Gewinn wächst. „Vor allem solche skalierbaren Geschäfts-ideen sind es, die staatlichen Behörden am Herzen liegen“, sagt Goh.

Neues ausprobieren – Fehler zulassenIn der Regel werden Initiativen erst ein-mal im kleinen Maßstab beziehungsweise in kleinen Mengen erprobt und erst dann ausgeweitet, wenn sie reif genug sind. Oft ist dafür ein langer Atem nötig. So habe laut Goh beispielsweise die nationale Wasserbehörde in Singapur, das Public Utilities Board, bislang schon ungefähr 150 Pilotprojekte für Wasseraufbereitungs-technologien begleitet.Andere vielversprechende Modelle werden zunächst in begrenztem Rahmen getestet. Das können smarte Systeme für die häus-liche medizinische Pflege von älteren Menschen in der Nachbarschaft sein oder neu entwickelte Energieeffizienzmaßnah-men, die dann zunächst in bestimmten Stadtgebieten eingesetzt werden. Goh: „Eine große Anziehungskraft auf Unter-nehmen geht von unserem systematischen Ansatz aus. Dieser ist: Neues ausprobieren, Fehler zulassen, daraus lernen und den Test-rahmen dann bis zur Marktreife schritt-weise vergrößern.“ Auf diesem fruchtbaren Boden gedeihen zukunftsweisende Ideen.

80 Prozent grüne Gebäude bis 2030Eine Anwendung wird beispielsweise bei der Reinhaltung der Gemeinschaftsan-lagen in den HDB-Gebäuden (Housing and Development Board) behilflich sein – den staatlichen Wohnungen von Singapur, die fast 80 Prozent des Immobilienbe-stands ausmachen. Sie informiert in Echt-zeit über den Umfang der Abfälle, die in jedem Wohnblock, jeder Straße, jedem Viertel entsorgt werden müssen. Ein wei-teres Projekt, das Singapur beispielsweise im Verkehrsbereich mit großer Dynamik vorantreibt, ist die „Kilometer-Maut“: Man zahlt nur für die tatsächlich gefahre-ne Strecke. Im Umweltsektor wiederum ist es unter anderem das Ziel, dass bis 2030 mindestens 80 Prozent aller Gebäude in puncto Energieeffizienz als grüne Gebäude zertifiziert werden.

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GOH CHEE KIONG –

EXECUTIVEDIRECTOR

CLEANTECH& CITIES

An all diesen Beispielen wird deutlich: Die Anstrengungen, die Singapur unter-nimmt, um seiner Rolle als „lebendiges Testlabor“ gerecht zu werden, dienen so-wohl dem Ziel, sich zu einer „smarten, nachhaltigen und lebenswerten Nation“ zu entwickeln, als auch der Wirtschaft, indem hier ganz neue Geschäftsfelder und -möglichkeiten entstehen.

Smarte Industrie – klare Vorteile für deutsche UnternehmenDer Begriff „smart“ ist dabei keineswegs nur auf grüne Technologien oder auf Um-weltschutz beschränkt. Er steht auch für die Automatisierung und Digitalisierung industrieller Produktionen und Prozesse. Industrie 4.0 (siehe Interview Lim Kok Kiang), Big Data, Internet of Things – all das eröffnet neue Perspektiven und be-schleunigt die Entwicklung Singapurs zur „Smart Nation“. Das hat viele deutsche Unternehmen auf den Plan rufen. An vor-derer Stelle stehen Spezialisten wie der Industriekonzern Bosch, der Software-hersteller SAP, der Filtersysteme-Anbieter Mann+Hummel, der Sensorenentwickler Pepperl+Fuchs oder der Technologieriese Siemens, die in Singapur mit Niederlassun-gen, regionalen Headquarters sowie For-schungs- und Entwicklungszentren vertre-ten sind. Die Vorteile liegen auf der Hand, wie Goh sagt: „Erstens ist Singapur für sie eine Modellstadt für Asien. Von hier aus können sie sich ideal auf den Wachstums-markt vorbereiten. Zweitens finden sie eine Umgebung vor, in der sie ihre kreati-ven Ideen direkt auf deren Anwendbarkeit testen können. Drittens profitieren sie von enormen Investitionen der Regierung in die Forschung. Und viertens können sie auf einen gigantischen Fundus an öffent-lich zugänglichen Daten zurückgreifen, der in dieser Komplexität auf der Welt ein-zigartig ist.“Zusammengenommen sorgen diese Gege-benheiten nach den Worten Gohs für ein gewaltiges Potenzial Singapurs, Lösungen für Gegenwart und Zukunft zu entwickeln, die weit über Südostasien hinaus relevant sind und für veränderte Verhaltensweisen im globalisierten Zeitalter stehen. Mit dem Gesamtkonzept „Smart Nation“ will die pulsierende Millionenmetropole zur nach-haltigsten und lebenswertesten Stadt in ganz Asien werden – ein Ziel, das in vie-lerlei Hinsicht heute schon erreicht ist.

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Industrie 4.0 – ursprünglich ein deutscher Begriff für den aktuellen Trend, IT-Technologien mit Produktions-technologien zu verschmelzen, um dadurch neue, innovative Produkte und Leistungen zu ermöglichen – elektri-siert seit geraumer Zeit die Wirtschaft. Was ist so spannend daran?Industrie 4.0 ist in der Tat eine deutsche Wortschöpfung. Ähnliche Initiativen gibt es allerdings in vielen Ländern. In den Niederlanden beispielsweise besteht sie unter der Bezeichnung „Smart Manufac-turing“, zu Deutsch: „Intelligente Ferti-gung“. Andere nennen sie „Digital Manu-facturing“, wieder andere „Smart Factory“, also „Intelligente Fabrik“. Die Chinesen sprechen von „Made in China 2025“. Ver-schiedene Länder, verschiedene Regio-nen, verschiedene Unternehmen verwen-den also unterschiedliche Begriffe. Sie alle basieren auf der Grundidee, dass man eine Reihe ausgereifter fortschrittlicher Technologien so intelligent miteinander verzahnt, dass Herstellungsprozesse kom-plett anders laufen können als bisher be-kannt. Und das macht es so spannend.

Welche fortschrittlichen Technologien hat Singapur vor allem im Blick?Auf der einen Seite interessieren uns fortschrittliche Fertigungstechnologien, prozessorientiert, wie 3-D-Druck oder Robotertechnik. Auf der anderen Seite

Technologien, die digitaler Natur sind und mit dem Begriff „Internet der Dinge“ ver-bunden werden. Er bezeichnet die Verknüp-fung physischer Objekte wie Maschinen, Geräte, Autos oder Gebäude mit einer vir-tuellen Repräsentation in einer internet- ähnlichen Struktur. Prozessoren, Sensoren und Netzwerktechnik, die in den Objekten eingebettet sind, ermöglichen die Daten-erfassung und den Datenaustausch – als Grundlage für intelligente Automatismen und optimierte Abläufe. Man kann sagen, dass Ingenieurkunst und „IT“ immer stär-ker zusammenwachsen und verschmel zen. Das wird die Fertigung revolutionieren.

Warum widmet sich gerade Singapur so leidenschaftlich diesem Thema?Ein Grund, warum wir davon so begeistert sind, ist: Seit unserer Unabhängigkeit 1965 macht die herstellende Industrie einen großen Teil unserer Wirtschaft aus. Sie trägt in erheblichem Maß zu unserem Bruttoin-landsprodukt bei und hat zahlreiche attrak-tive Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten für die Menschen in Singapur geschaffen. In vielen Bereichen sind wir in puncto Technologie und Effizienz bereits spitze. Die Industrie in Singapur hat eine kritische Masse erreicht, sei es im Halbleitersegment, in der Luft- und Raumfahrt oder im Erdöl- und Chemiesektor. Das macht Singapur wettbewerbsfähig und als Investitionsstand-ort begehrt. Deutsche Firmen spielen hier-

„WIR BEOBACHTEN EINE AUFREGENDE DYNAMIK“

LIM KOK KIANG –ASSISTANT MANAGING DIRECTOR DES EDB

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bei eine große Rolle, etliche von ihnen sind schon seit langer Zeit hier, wie Siemens, Evonik oder Infineon. Heute ist Singapur für sie ein wichtiges strategisches Stand-bein. Sie schätzen es, dass sie hier ein ide-ales Umfeld vorfinden, um das Zukunfts-projekt Industrie 4.0 in ihren Fabriken und Werkstätten umsetzen und vorantreiben zu können. Auch wir profitieren davon. Deutsche Unternehmen sind starke Part-ner für uns, nicht zuletzt weil sie im Inge-nieurwesen und in der Fertigung führend sind. Die Kooperation mit ihnen hilft uns dabei, in der digitalen Herstellung Gel-tung zu erlangen und an Industrie 4.0 zu partizipieren. Es ist ein perfektes Zusam-menspiel.Der andere Grund, warum Singapur von Industrie 4.0 begeistert ist: Die Initia tive ist geradezu existenziell für uns, weil unsere Ressourcen nun mal knapp sind. Humankapital, Land und Raum sind be-grenzt. Industrie 4.0 versetzt Singapur in die Lage, diese Verknappung in gewisser Weise zu überwinden und dadurch auf dem Gebiet der Fertigungsindustrie wett-bewerbsfähig zu bleiben und sogar noch zu wachsen. Deshalb gehen wir hier we-sentlich offensiver vor als andere Länder, indem wir Entwicklungen anstoßen und Unternehmen dabei unterstützen, den nächsten Schritt in diese Richtung zu wa-gen. Tatsächlich beobachten wir eine auf-regende Dynamik.

Singapur ist wirtschaftliche Dreh-scheibe für ASEAN und Asien. Wie wird sich diese Rolle angesichts Industrie 4.0 verändern?Es gibt einige unausweichliche Entwick-lungen. Asien wird als Wirtschaftsraum wachsen. Aber wir wissen auch, dass Asien zersplittert ist. Einige würden sagen, dass sogar China nicht homogen ist und gewis-sermaßen aus mehreren Chinas besteht, was etwa die Nachfragesituation und wei-tere wirtschaftliche Rahmenbedingungen betrifft. ASEAN wiederum besteht offen-kundig aus zehn recht unterschiedlichen Nationen. Es ist ein gigantischer Markt, aber durch teils stark differierende Merk-male und Eigenheiten gekennzeichnet. Mit den Möglichkeiten, die Industrie 4.0 bietet, kann man den jeweiligen Märkten und Marktbedürfnissen noch besser gerecht werden als bislang – etwa durch datenge-triebene Serviceleistungen und Lösungen, aber auch durch Herstellungsverfahren, die es erlauben, ohne ausufernde Kosten maßgeschneidert zu produzieren. Die Digitalisierung wird auch die Logistik be-einflussen. Ich kann beispielsweise einen 3-D-Drucker, der Sportschuhe exakt nach den Wünschen des jeweiligen Kunden „druckt“, in China genau dort aufstellen, wo die Nachfrage groß ist, und muss nicht mehr aus Kostengründen umständlich in einem anderen Land produzieren und dann von dort anliefern lassen. Je nach

Industriezweig kann die digitale Fertigung auf der einen Seite serielle Maßanferti-gung und Dezentralisierung der Produk-tion bedeuten, aber auf der anderen Seite auch zur Zentralisierung des gesamten Herstellungsprozesses an einem Standort führen. Es kommt auf den Bedarf an und das Produkt.Ich denke, dass Singapur eine wichtige Rolle für Unternehmen spielen wird, die in diesem Bereich investieren wollen. Wie gesagt ist die Fertigungsindustrie hier zu Hause und wird gefördert. Unsere Vision ist, dass alle Herstellungsbetriebe in Singapur zu den besten am Markt ge-hören – bezogen auf Technologie, Produk-tivität und Effizienz. Darum entwickeln wir kontinuierlich weiter, seien es Produkte, Prozesse oder Lösungskonzepte, die in der Region umsetzbar sind. Sollte sich ein Unternehmen dazu entschließen, die Fer-tigung zu dezentralisieren und in verschie-dene Länder zu verlagern, dann empfiehlt sich Singapur als geeigneter Sitz, von wo aus alles gemanagt werden kann, nicht zuletzt deshalb, weil hier geistiges Eigen-tum und Echtzeitdaten sicher sind und zuverlässig geschützt werden. Man mag beispielsweise in jedem asiatischen Markt 3-D-Drucker installieren, um nah an den Konsumenten zu produzieren. Allerdings muss es eine Zentrale geben, von wo aus die Produktion gesteuert und kontrolliert wird. Dafür ist Singapur der ideale Standort.

DIE BEDEUTUNG VON INDUSTRIE 4.0

FÜR SINGAPUR, ASIEN UND DEUTSCHE UNTERNEHMEN

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W I E G E N A U R I E C H T E I G E N T L I C H E R F O L G ?

Siemens und Evonik öffnen gemeinsam neue Horizontefür die industrielle Digitalisierung

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Wer an der Zukunft arbeitet, möchte wissen, wer ihm dabei über die Schulter schaut. Schon im Bus die erste Passkontrolle. Sind auch alle Journalisten registriert? Dann die Schranke passieren, aussteigen. Leibesvisitation, nochmals Identität feststellen, Daten vergleich. Wieder in den Bus zurück, erneut durchzählen, weiter geht’s. Die kilometerlangen Straßen hinter der Absperrung führen zu den Chemieanlagen internationaler Big Player wie BASF, BP und LANXESS. Wo man hinsieht, verschlungene Rohre, im Sonnenlicht aufblitzend. Arbeiter, denen die Hitze nichts aus-zumachen scheint. Mehr als 100 Unternehmen der Spezialchemie und petrochemischen Industrie tummeln sich auf Jurong Island in Singapur.

Eldorado für die ChemieindustrieEhemals war dieser südliche Zipfel des Stadtstaates lediglich eine Ansammlung von sieben kleinen, mückengeplagten Inseln, die zusammen etwa zehn Quadratkilometer groß waren. Um Platz zu schaffen, ließ die Regierung ab 1995 die Flächen dazwischen mit Sand aufschütten. Mittlerweile erstreckt sich der Industrie- park auf 32 Quadratkilometer und bildet den größten Chemie-cluster in Südostasien. Weil Asien als Absatzmarkt für chemische Erzeugnisse an Bedeutung gewinnt, drängen die Konzerne in die Region. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2035 der Anteil des asiatischen Marktes am weltweiten Chemieumsatz auf 62 Prozent steigen wird.

Evonik erweitert KapazitätenUnser Ziel an diesem Tag: die Anlage für Öladditive des Essener Spezialchemieunternehmens Evonik. Peter Meinshausen, Regio-nal President Südostasien, Australien und Neuseeland, ist be-eindruckt von der Infrastruktur auf Jurong Island, seiner idealen geografischen Lage, der Verfügbarkeit von Rohstoffen und quali-fizierten Arbeitskräften und nicht zuletzt der lokalen Unterstüt-zung durch Singapurs Regierungsorganisationen wie die Behörde für Wirtschaftsentwicklung, das Singapore Economic Development Board (EDB). Wir steigen aus. Es weht uns ein süßer, beißender Geruch entgegen. Es ist der Geruch des Erfolgs: Die steigende Mobilität in Asien, der höhere Stellenwert von Ressourceneffizi-enz und Kraftstoffeinsparung sowie die strengeren Vorgaben von Emissionsgrenzwerten kurbeln die Nachfrage nach Hochleis-tungsschmierstoffen an, wie Meinshausen berichtet. Deshalb haben die Essener vor einem Jahr die Produktionskapazität der 2008 für zehn Millionen Euro errichteten Ölzusatzanlage erwei-tert. Sie ist nun die größte innerhalb des weltweiten Evonik- Netzes. Derzeit bedient Evonik die Mehrheit seiner Kunden aus dem asiatischen Raum mit Produkten aus der Anlage in Singapur. Auch ein Technology Center, das neue Anwendungen für Öladdi-tivprodukte entwickelt und testet, hat seit 2014 hier seinen Sitz.

Rekordinvest für die EssenerEinige Hundert Meter weiter steht die bislang größte Investition der Firmengeschichte von Evonik: die im November 2014 eröffnete, rund 500 Millionen Euro teure Anlage zur Produktion von Me-thionin. Das sind Aminosäuren, die zur Herstellung von Futter-mitteln in der Tierernährung eingesetzt werden. Jahreskapazität: 150.000 Tonnen. Doch das reicht nicht. Anfang 2016 wurde der Startschuss gegeben, um bis 2019 hier eine weitere Methionin- Anlage zu errichten. Angeschlossen ist seit 2013 zudem ein Analy-tikzentrum für Aminosäuren. Auch viele Marketing- und Vertriebs-aktivitäten sowie die meisten internen Dienstleistungen für die Region hat das Unternehmen in Singapur gebündelt. Evonik weist keine separaten Finanzzahlen für Singapur aus. Dem Geschäfts-bericht ist zu entnehmen, dass der Konzern im Asien-Pazifik- Raum 2,84 Milliarden Euro Umsatz macht – ungefähr 21 Prozent des Gesamtumsatzes. Mehr als 900 Mitarbeiter sind in Südost-asien beschäftigt.

Vertrauter Partner SiemensDas Unternehmen strebt danach, eines der innovativsten der Welt zu werden. Um die Entwicklung voranzutreiben, ist Evonik auf kompetente Partner angewiesen, mit denen man auf Zukunftsfel-dern wie der Digitalisierung vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Und hier kommt ein weiteres deutsches Unternehmen ins Spiel: Siemens. Der Münchener Technologiekonzern arbeitet schon seit vielen Jahren in Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt eng mit Evonik zusammen. Die ausgeklügelte Stromversor-gungstechnik für die Methionin-Anlage auf Jurong Island bei-spielsweise stammt von Siemens. Das Alarmmanagementsystem der Öladditiveanlage ebenso. Hier sorgen softwaregesteuerte, miteinander kommunizierende Analyseinstrumente und integ-rierte Prozessautomatisierungen dafür, dass Fehler oder kritische Situationen schnell erkannt, bewertet, priorisiert und sicher be-hoben werden. Mithilfe von Siemens lassen sich die Alarme und die Auslöser der Alarme besser aussteuern – ein enormer Zeit-gewinn und ressourcenschonend obendrein.

Singapur als VorzeigemarktSeit 1908, also mehr als 100 Jahre, ist Siemens in Singapur. „40 Prozent der Energie des Stadtstaates werden von Turbinen der Münchener erzeugt“, betont Dr. Armin Bruck, CEO von Siemens Singapur und ASEAN. Die Nähe zu den wachsenden asiatischen Märkten, eine breite Auswahl kompetenter Mitarbeiter und das gute Networking der lokalen Universitäten, Polytechnika und der öffentlichen Forschungsinstitute machen Singapur für Siemens so attraktiv. Aber auch die Unterstützung durch die Regierung bezie-hungsweise deren Einrichtungen und nicht zuletzt die politische Stabilität. „Singapur ist für uns ein Vorzeigemarkt“, so Bruck.

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„Weil er anderen Ländern in der Region zeigt, wo sie selbst stehen können in den kommenden 10, 15 oder 20 Jahren.“ 2015 beschäf-tigte das Unternehmen über 1.500 Mitarbeiter im Land und erwirtschaftete 436 Millionen Euro. Die Hauptgeschäftsfelder sind Energie, Medizintechnik, Industrie und Infrastruktur. Bruck geht von einem dynamischen Wachstum in den kommenden Jahren aus. Das Bankhaus Goldman Sachs bezifferte die voraus-sichtliche Nachfrage allein nach Energie und Mobilität im ASEAN-Raum auf 525 Milliarden US-Dollar bis 2020. „Eine Menge Geld und eine fantastische Chance für unser Haus“, so Bruck.

Fokus DigitalisierungSeit mehr als 30 Jahren forscht und entwickelt Siemens auch in Singapur. Der Fokus liegt dabei auf Elektrifizierung, Auto-matisierung und insbesondere Digitalisierung. „Industrieunternehmen in Südostasien sehen sich durch die Globalisierung einem wachsenden Wettbewerb ausgesetzt“, erklärt Raimund Klein, Executive Vice President und Head of Industry Siemens ASEAN. „Sie müssen die Digitalisierung voran-treiben, um ihre Produk tivität zu erhöhen und gleichzeitig ihre Kosten zu senken. Siemens unterstützt sie dabei.“ Dafür bietet Siemens ein breites Spektrum an Lösungen, die Hardware, Soft-ware und technischen Service vereinen. „Wir helfen unseren Kunden, einen weiteren Schritt in Richtung Industrie 4.0 zu machen“, so Klein.

Der „digitale Zwilling“ simuliert die RealitätSiemens verwendet beispielsweise heute schon den „digitalen Zwilling“, der ein Abbild eines Produktes, einer realen Maschine oder einer realen Fabrik in virtueller Realität simulieren kann. Wenn es nach Raimund Klein ginge, würde dieser „digitale Zwil-ling“ schon bald jede Phase der Wertschöpfungskette be gleiten – angefangen beim Produktdesign über die Produktionsplanung und das Engineering bis hin zu Inbetriebnahme, Betrieb, Service und Modernisierung. Beispiel Fertigungsindustrie: Wo entstehen Flaschenhälse? Wo wird in der Fertigung unnötig Zeit verschwendet? Wann empfiehlt sich der Einsatz von Robotern anstelle von Menschen? Welche Gefahrenquellen gibt es für die Mitarbeiter? All diese Fragen kann der „digitale Zwilling“ in seiner virtuellen Welt beantworten, noch bevor überhaupt der erste Stein der realen Fabrik gelegt, die erste Schraube für die Maschine angefasst wird. Das reduziere laut Klein die Kosten, beschleunige die Produktion und minimiere das Risiko von Fehlern und Störungen, die früher nur aufwendig und

unter Zeitdruck zu beheben waren. „Wir können mit unseren Programmen die Produktion eines gesamten Monats simulieren, mit mehreren virtuellen Personen, die in der Fertigung arbeiten“, so Klein. Bis zu 6.000 Stück ließen sich in seiner Computer- welt „vor“produzieren. Dadurch werde beispielsweise sichtbar, wo sich die Mitarbeiter gegenseitig im Weg stehen, wo der Pro-zess ins Stocken gerät. Entsprechend könne dann das Konzept nachjustiert werden.Ist die Realisierung der Fabrik erfolgt, läuft der „digitale Zwil-ling“ dennoch weiter mit und wird mit Messdaten von moderns-ten Sensoren gefüttert, die überall angebracht sind. So lassen sich Umrüstvorgänge und der Produktfluss über den gesamten Lebenszyklus virtuell nachstellen, kann die Fertigung optimiert oder das Produkt modifiziert werden, um etwa den Energiever-brauch weiter zu senken oder Ressourcen einzusparen.

Kernelement ist eine interdisziplinäre DatenplattformBasis dafür sind nicht nur leistungsstarke Programme, die in der Lage sind, alle Informationen zur Maschine, zur Produktionslinie oder zum Betrieb so zu verarbeiten und aufzubereiten, dass daraus virtuelle 1:1-Gegenstücke entstehen. Voraussetzung dafür, dass der ganz große Coup gelingt, sprich die vollständige Digi-talisierung der Wertschöpfungskette, sei nach den Worten Kleins insbesondere eine einheitliche Datenplattform, die „interdis-ziplinär einen lückenlosen Datenfluss über alle Unternehmens-ebenen und Projektphasen hinweg ermöglicht“. Sämtliche Informa tionen, ob aus der Mechanik oder Elektronik, werden dafür in einer zentralen Datenbank gespeichert, sodass alle am Projekt Beteiligten sowohl in der Planungs- als auch in der Betriebsphase darauf zugreifen können. „Nur so lässt sich die gesamte Fabrik bis hin zu einzelnen Bauteilen jederzeit und welt-weit funktions orientiert und fachübergreifend betrachten und weiterent wickeln“, sagt Klein. Dieses Prinzip gilt nicht nur für die Fertigungsindustrie, wie hier dargestellt, sondern ebenfalls – entsprechend angepasst – für die Prozessindustrie. Auch hierfür haben Klein und sein Team Modelle entwickelt.

Auf dem Weg zur komplett digitalen FabrikSiemens hat bislang bei Unternehmen zwar immer nur Teilbe-reiche der Wertschöpfungskette digitalisiert. Das könnte sich aber bald ändern. Denn in Zukunft wird es immer mehr Fabriken und Anlagen geben, bei denen der komplette Produktionsprozess digitalisiert ist. Für dieses ganzheitliche Konzept haben Siemens und Evonik die Saat gelegt.

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1 Cantonment Road: Blick vom Wohngebäude Pinnacle@Duxton

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TALENTSCHMIEDESINGAPUR

David Wong undseine „Lernfabrik“

an derNanyang Polytechnic

–Treffpunkt Nanyang Polytechnic (NYP) in Singapur. Auf den ersten Blick wirkt hier im Eingangsbereich alles sehr nüchtern und kühl. Im gewienerten Boden spiegeln sich die Aufzugstüren. Im Vorder­grund eine hohe Glas wand, dahinter Treppen zu einem Zwischengeschoss, das offensichtlich zu einer gigantischen Halle führt.

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16.30 Uhr und niemand zu sehen Von den 17.000 Studierenden der Fachhochschule keine Spur. Gerade ist Examenszeit. Die meisten büffeln oder werden geprüft. Wenn es nicht zu heiß ist, trifft man einige von ihnen mit ihrem Laptop auf dem Schoß ir-gendwo auf dem ausladenden Campus. Denn das gesamte Areal verfügt über WLAN. Auf seiner 300.000 Quadratmeter großen Fläche hätten etwa 60 Fußballfelder Platz. Kon zipiert wie eine Kleinstadt, befinden sich hier Schul- und Verwaltungsgebäude, eine Bibliothek, Studenten apartments, Wohnhäuser fürs Perso-nal, Mensen, Cafeterien, ein Auditorium, Labore, ein Theater und Fremdsprachenzentrum, Fitnesscenter und Erholungsstätten sowie Einkaufsmöglichkeiten. Wer möchte, kann einem der zahl-reichen Clubs der NYP beitreten. Von Tanz und Sport bis Kultur wird alles ge boten. Jeder Unterrichtsraum ist mit Computern und Beamern ausgestattet, und an diversen Druckständen lassen sich Manuskripte schnell vervielfältigen. Das alles hat einen Anteil daran, warum Singapur im weltweiten Wettbewerb um die klügs-ten Köpfe nun schon zum dritten Mal in Folge auf Platz 2 kam – hinter der Schweiz. Der Stadtstaat ist damit das einzige asiatische Land in den TopTen des Global Talent Competitive Index, der von der renommierten französischen Wirtschafts universität INSEAD jährlich ermittelt wird. Die Studie, die 83,8 Prozent der Welt-bevölkerung und 96,2 Prozent der Weltwirtschaft (BIP) abdeckt, misst die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation in Bezug darauf, wie sie Talente findet, fördert und hält. Deutschland liegt auf Rang 16.

Von München begeistert Plötzlich eine Männerstimme – aus Richtung der Aufzüge kommend und sehr vertraut klingend. Ja, es ist Deutsch: „Rüdiger, nicht wahr? Freut mich sehr. Willkommen!“ David Wong ist Chef des Additive Manufacturing Innovation Centre (AMIC) an der NYP. Er war Mitte der 70er drei Jahre in Darmstadt, wo er zum Facharbeiter für Maschinenbau ausgebildet wurde. Danach besuchte er die Meisterschule in München und wurde Handwerksmeister im Maschinenbau. Es folgten ingenieurwissenschaftliche und betriebswirtschaft liche Masterabschlüsse an der Cranfield-Universität in Groß britannien und der National University of Singapore. Darmstadt sei ihm nicht so sehr in Erinnerung geblieben, aber München habe ihn begeistert. Die schöne Stadt, das bergige Panorama, die herzli-chen Menschen. Seit dieser Zeit ist Wong eng mit Deutschland verbunden und unterstützt seit Jahren die akademische Zusam-menarbeit mit Singapur. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie Exbundeskanzler Helmut Schmidt und Singapurs Staats-gründer Lee Kuan Yew 1982 gemeinsam das German-Singa pore Institute aus der Taufe hoben. Es fördert den bilateralen Wissens-transfer und wurde 1993 in die NYP eingegliedert. „Ich habe viele Technologiepartner in Deutschland“, betont Wong. In den vergangenen zehn Jahren ist er immer wieder dorthin gereist, um Kontakte zu pflegen, neue Kooperationen zu schmieden und Partnerschaften einzugehen. „Wenn ich zehn Tage in Deutsch-land bin, besuche ich täglich zwei, drei Firmen, unter anderem um Praktika für meine Studenten aus zumachen und Möglichkei-ten der technologischen Zusammenarbeit zu prüfen.“ Auch arbei-tet er intensiv mit diversen deutschen Fachhochschulen zusam-men. „Es gibt mittlerweile einen regen Studentenaustausch zwischen Singapur und Deutschland – aber auch mit anderen Ländern. Mit China, Japan, Großbritannien, Frankreich und den USA beispielsweise stehen wir in engem Kontakt“, so Wong.

„Poly goes UAS“ als Meilenstein Eines seiner Steckenpferde ist die 2014 gestartete Initiative „Poly goes UAS“ (siehe Kasten Seite 27): Deutsche mittelständische Unternehmen ermöglichen begabten Studenten der beiden Fachhochschulen NYP und SP (Singapore Polytechnic), ihr Studium der Ingenieurwissenschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Stutt-gart oder an der Hochschule München (HM) fortzusetzen. Der Nachwuchs sammelt hier wertvolle Job-Erfahrung, indem er Prak-tika in verschiedenen Abteilungen der teilnehmenden Unterneh-men durchläuft. Für Singapur in diesem Umfang eine Novität: Die Studierenden sind circa vier Jahre in Deutschland. Sie schnup-pern in Bereiche wie Produktmanagement, Design, Forschung und Entwicklung oder technischer Kundenservice und erhalten ein Stipendium in Höhe von 800 bis 1.400 Euro im Monat.

Eigene Fachkräfte heranziehen Für die Sponsoren ist es das Ziel, sich quasi ihre eigenen Fachkräfte heranzuziehen, die dank des Programms tief in die spezifische Materie eintauchen, sich Praxiskenntnisse aneignen und – nicht zu unterschätzen – auch die eigene Unternehmenskultur kennenlernen. Nachdem die Aus-erwählten erfolgreich ihren ingenieurwissenschaftlichen Bache-lorstudiengang abgeschlossen haben, bekommen sie einen An-stellungsvertrag an den Standorten in Singapur, um von dort aus mitzuhelfen, den asiatischen Markt zu bearbeiten. So der Plan. Denn die deutschen Industrieunternehmen, die das Programm nutzen, wissen, dass sie auf diesem Weg exzellent ausgebildete Experten mit einem umfassenden technischen Know-how erhal-ten. Jack Goh, Managing Director von Sick, beschrieb sie jüngst so: „Ingenieure mit einer Leidenschaft für Kreativität verbunden mit deutscher technologischer Intelligenz.“ Die Sick AG mit Sitz in Waldkirch ist einer der weltweit führenden Hersteller von Sen-soren und Sensor lösungen für die Fabrik-, Logistik- und Prozess-automation und nimmt seit Jahren an der Initiative teil.

Praxis öffnet Perspektiven „Poly goes UAS ist eine exzel lente Idee“, sagt Wong. „Qualifiziertes Personal wird immer wich ti ger und gleichzeitig knapper. Egal ob in den USA, in Japan oder Deutschland – alle suchen händeringend nach geeigneten Fach-kräften für ihre Expansionsstrategien.“ Hinzu komme, dass die Ansprüche an zukünftige Angestellte aufgrund von Globalisie-rungsprozessen und konstanten Veränderungen in Industrie und Gesellschaft einem steten Wandel unterworfen seien. Die stetige Weiterentwicklung sei die neue Normalität. In diesem Zusammen-hang wachse die Relevanz praktischer Erfahrungen. Sie bilden die Basis für lebenslanges Lernen und eröffnen neue Perspekti-ven. Wong: „In den Bereichen Ingenieurwesen und Feinmechanik ist Deutschland seit vielen Jahren unser Vorbild für die passende Ausbildung. Deshalb ist die Kooperation so wertvoll.“

Mehr Vielfalt zulassen Was noch besser laufen könnte? „Ich würde mir wünschen, dass die am Programm ‚Poly goes UAS‘ teil-nehmenden Unternehmen pro Jahr nicht nur ein, zwei Studenten aufnehmen, sondern vier, fünf“, sagt Wong. Zudem lasse der lan-ge Aufenthalt in Deutschland so manchen poten ziellen Kandida-ten zurückschrecken. Vier Jahre weg von zu Hause sei für junge Leute schon eine große Herausforderung. Länder, wie Großbri-tannien, die ähnliche Programme haben, erlauben beispielsweise, dass die Studenten zwischendurch auch mal eine Zeit lang an

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DavidWong

Head /Additive Manufacturing

Innovation Centre

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dem Firmenstandort in ihrer Heimat arbeiten. Das würde „Poly goes UAS“ noch attraktiver für Topstudenten machen und wäre sogar von Vorteil, denn so könnten sie gleich beide Welten haut-nah in der Praxis kennenlernen, meint Wong. „Man kann ja nicht alles, was in Deutschland üblich ist und gelernt wird, ein-fach auf Asien übertragen.“ Die Industriecluster-Struktur in Deutschland zum Beispiel führe dazu, dass sich Ingenieure etwa an den Standorten München und Stuttgart vor allem auf die Auto-mobilindustrie spezialisieren. Kommen sie dann nach Singapur, seien die Aufgaben für sie oft wesentlich vielseitiger. Die Anfor-derungen, um hier erfolgreich zu sein, seien andere. Aus diesem Grund sollte nach Wongs Ansicht die praktische Ausbildung brei-ter aufgestellt sein und mehr Vielfalt zulassen.

SIT-Programm setzt aufs Lokale Damit noch mehr Studenten von den Vorzügen eines dualen Studiums profitieren können, startete das Singapore Institute of Technology (SIT) 2015 eine lokale Version. Diese staatlich geförderte Initiative erlaubt es den Lernenden, zwischen Theorie im SIT und Praxis bei den in Singapur ansässigen Unternehmen hin und her zu wechseln. Deutsche Firmen, die im Inselstaat in der Networking-Community

„German Center“ organisiert sind, haben bei der Erstellung des Lehrplans ihre Erfahrungen eingebracht. Neun von ihnen neh-men an dem Programm teil – zum Beispiel der Mischkonzern Bosch mit Stammsitz in Gerlingen und der Systemlieferant für Pharmazeutika-Verpackungen Uhlmann, dessen Zentrale sich in Laupheim befindet.

Meisterprüfung mit Ritterschlag Ein anderes nationales Pro-jekt, das Wong mit großer Leidenschaft vorantreibt und seit Gründung leitet, betrifft nicht in erster Linie Studenten, sondern junge und auch ältere Menschen mit Schulabschluss: die Meister-ausbildung – ebenfalls nach deutschem Muster. Ende 2013 setzte Singapur mit der Einführung des Meisterbriefs für das Feinme-chaniker-Handwerk (Precision Engineering Master Craftsman – PeMC) einen neuen Meilenstein. Mehr als 60 Feinmechanikun ter-nehmen verpflichteten sich zu entsprechenden Standards. Dann der Ritterschlag im Mai 2014: Die NYP wurde als erste nicht deutsche Bildungseinrichtung international für ihr vollständig lokal entwickeltes Feinmechanikmeister-Programm ausgezeich-net. Nach einer dreitägigen Prüfung des Lehrplans durch drei Mitglieder der deutschen Industrie- und Handelskam mern

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München und Oberbayern sowie der Auslandshandelskammer in Singapur wurde der NYP bescheinigt, dass PeMC alle Kriterien erfülle und man vom Programm schwer beeindruckt sei. „Mitt­lerweile wurden 200 Meisterkurs­Teilnehmern die Diplome zu­erkannt, 20 davon haben auch schon ihren Meisterbrief in der Tasche“, bilanziert Wong. Bis 2024 sollen 2.800 Arbeitskräfte auf Meister­Level agieren.

Erst Diplom, dann Meisterbrief Anders als in Deutschland, wo die Meisterausbildung nach einem Jahr mit der Prüfung und – im Erfolgsfall – dem Meisterbrief endet, erhalten die Meisteran­wärter in Singapur nach der Ausbildung „lediglich“ ein Diplom. Wong: „Danach hat man erst einmal ein, zwei Jahre zu arbeiten, um das, was man gelernt hat, in einem Unternehmen praktisch anzuwenden. Damit man sich dann um den Meisterbrief bewer­ben kann, sind eine Bestätigung und Empfehlung des Arbeit­gebers nötig.“ Wenn alle Punkte erfüllt sind, lädt die Singapore Manufacturing Federation (SMF) zum Test. Diese ein, zwei Jahre zusätzliche Praxis werden eingeschoben, weil Unternehmen sichergehen wollen, dass nur die Besten der Besten das Zerti fikat erhalten.

„Lernfabrik“ mit Spitzentechnologie Wong ist davon über­zeugt, dass diejenigen, die bei ihm in der NYP den Meisterkurs durchlaufen und das Diplom machen, eigentlich genug prak­tische Erfahrung haben. Denn sie arbeiten an der Polytechnik mit fortschrittlichen technischen Geräten, wie auch die Studenten der Ingenieurwissenschaften. Zeit, ins Innere des Geschehens zu blicken: Im ersten Stock der „Lernfabrik“, wie Wong es nennt, befinden sich moderne Großraumbüros für Ingenieurdesign. Unten läuft in hellen, hohen Laboren die Fertigung. Die Räume sind in freundlichen Farben gelb­grün und orange gestrichen und mit Spitzentechnologie ausgestattet, die weltweit ihresgleichen sucht. Der Wert der Maschinenkolosse, die von der Regierung finanziert oder von Technologiepartnern und der Industrie ge­sponsert beziehungsweise zur Verfügung gestellt werden, liegt im zweistelligen Millionen­Euro­Bereich. Hier werden Teile für die Raumfahrt kreiert und gefertigt, medizinische Geräte, Implantate und Maschinenkomponenten, Nanoteilchen und riesige Flugzeug­rotoren. Die Industrie gibt Aufträge – auch für die Komplettferti­gung von Produkten für Endkunden. Mehr Marktnähe geht nicht.

Singapurs Talente sind auf die Zukunft vorbereitetBildungseinrichtungen wie die NYP sind für neue Entwicklungen und Trends wie 3­D­Drucken und Industrie 4.0 hervorragend auf­gestellt und bestens dafür geeignet, den innovativen und unter­nehmerischen Geist der Studenten zur Entfaltung zu bringen. Vor allem die massigen metallischen 3­D­Drucker haben es Wong an­getan. „Sie erstellen bis ins letzte Detail genaue Modelle und ge­brauchsfertige Produkte für die Neuro chirurgie, Zahnfüllungen aus Titan, winzige Geräteteile voller verschlun ge ner Kanäle und filigraner Komponenten – alles ohne Nahtstel len, Schicht für Schicht aufgetragen“, schwärmt er. In diesen sogenannten gene­rativen Fertigungsverfahren, auf Englisch „additive manufactu­ring“, sieht er ohne Zweifel die Zukunft der herstellenden Indus­trie. Eine Revolution. Produkte lassen sich per Rechner digital individualisieren und auch in kleinen Mengen fertigen, ohne dass dann gleich die Kosten explodieren. Das Stichwort dazu lau­tet: Customizing – die Anpassung eines Serienartikels an die Bedürfnisse eines Kunden. Es wird nicht mehr nötig sein, Men­schenmassen mit Einheitsware zu überschütten, damit sich das Investment in den Fertigungsprozess rechnet. Irgendwann wer­den nur noch Daten digital eingegeben und dann genau das drei­dimensional gedruckt, was wirklich gebraucht werde, ganz ohne Überschuss und Materialverlust, erklärt der Institutschef. Ferti­gungsmaschinen, wie wir sie heute kennen, werden allmählich verdrängt. Neue Technologien werden entstehen, und die NYP wird diese Entwicklungen begleiten sowie durch eigene For­schungsarbeit vorantreiben. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, gibt es innerhalb der NYP nicht zuletzt ein rege genutztes Ideenportal und eine sehr aktive Start­up­Community. Die NYP hat dafür unter anderem auf dem Gelände „NEST“ (NYP Entre­preneurship Start­up) gegründet. Es handelt sich um ein zentra­les Gründerzentrum mit Besprechungsräumen, Computerarbeits­plätzen und drahtloser Internetverbindung, um das Interagieren, Networking und die Zusammenarbeit zwischen dem Mitarbeiter­stab der NYP, Studenten, Alumni und Mentoren zu fördern. „All diese Möglichkeiten innerhalb der NYP sorgen dafür, dass die Nachwuchskräfte in Singapur für die Zukunft optimal vorbereitet sind und diese aktiv mitgestalten werden“, fasst Wong zusammen.

„Poly goes UAS“: Ausbildung nach deutschem Vorbild Vor zwei Jahren exportierten die vier Familienunternehmen Festo in Esslingen (Lösungen für Fabrik­ und Prozessautomatisierung), Pepperl + Fuchs in Mannheim (elektronische Sensoren und Komponenten), Rohde & Schwarz in München (Mess­, Funk­, Ortungs­ und Kommunikationstechnologie) und Sick in Wald­kirch (Sensoren und Sensorlösungen für industrielle Anwendun­gen) das „duale Studium“ nach Asien. Im Schulterschluss mit der Behörde für Wirtschaftsentwicklung, dem Singapore Econo­mic Development Board (EDB), und ausgewählten Bildungsein­richtungen starteten sie in Singapur die Initiative „Poly goes UAS“ (UAS steht für „Universities of Applied Science“, sprich Fachhochschulen). Mittlerweile haben sich weitere deutsche Firmen dem weg weisenden Projekt angeschlossen, unter ande­rem der Tech nologiekonzern Heraeus in Hanau, Mann+Hummel in Ludwigsburg (Hersteller für Flüssigkeits­ und Luftfiltersys­teme) und ifm in Essen (Anbieter von Automatisierungstechnik). Beide Seiten profitieren von der Ausbildung der Fachkräfte nach deutschem Vorbild: Singapur festigt seinen Status als attraktiver Investitionsstandort für den asiatischen Wirtschaftsraum und hilft Talenten auf dem Karriereweg. Deutsche Firmen wiederum können auf solide ausgebildetes Personal in der Region zurück­greifen. Auch die Meisterkurse, die hier ange boten werden, und weitere deutsch­singapurische Austauschprogramme unterstrei­chen die Vorrangstellung des Stadt staates, wenn es darum geht, die klügsten Köpfe zu rekrutieren.

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Maxwell Rd, Red Dot Design Museum

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– und immer mehr in Singapur

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Für Rohde & Schwarz ist „Made in Singapore“ längst ein Gütesiegel. Das sehen die asiatischen Kunden des bayeri-schen Unternehmens genauso. Der Elektrotechnik-Spezialist mit F&E-Standort in Singapur schaut sich die Markttrends hier ganz aus der Nähe an. Das Ergebnis: perfekt angepasste Hightechprodukte.

Wenn „Made in Germany“ auf Gehäusen und Karossen steht, er-warten Käufer das Besondere. Ein Unternehmen, das das weltweite Gütesiegel mit Recht auf seine Produkte prägt, ist Rohde & Schwarz.

Rohde & Schwarz hat heute 9.300 Mitarbeiter in über 70 Ländern, macht 1,9 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr und ist deutscher Mittel-stand par excellence. Kein Dax-Unternehmen, aber dennoch schon seit vielen Jahren mit Forschung und Entwicklung in Singapur präsent. Die Firma stellt Produkte für sichere Kommunikation her. Ihre Mess- und Sendetechnik wird auf Schiffen und in Flug-zeugen eingesetzt, in Funkortung und -erfassung. Die Kunden kommen aus den Bereichen Mobilfunk, Rundfunk, Elektronik-industrie, Luftfahrt, Verteidigung, Homeland Security.

Während für AGs gute Quartalszahlen heilige Kuh und Erfolgs-parameter Nummer eins zugleich sind, kombiniert der Mittel-ständler sein technisches Know-how mit einer Geschäftsführung, die in langfristigen Zyklen denkt. In Kurzatmigkeit zu verfallen ist Sache der Münchener nicht – eine ideale Formel für Wachs-tum in Asien. Gegründet von zwei Ingenieuren in der bayerischen Landeshauptstadt, ging die Firma schon früh auf Expansions-kurs. Im südostasiatischen Stadtstaat Singapur wurde 1997 ein Systemhaus eröffnet. Schritt für Schritt bauten die zielstrebigen Bayern Vertrieb, eine eigene Produktion und eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf, siedelten schließlich ein globa-les Sourcing- und Supply-Chain-Management an.

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Vom Systemhaus zur VertriebszentraleWarum in Singapur investieren? Rohde & Schwarz lockte die attraktive Mischung aus Stabilität und Wachstumsperspektiven – weit über die Grenzen des Stadtstaates hinaus. Singapur ist in Asien das Land mit dem höchsten BIP pro Kopf (52.090 US- Dollar 2015). Die Wirtschaft wächst solide, die Arbeitslosenquote ist niedrig.

Der Stadtstaat an der viel befahrenen Wasserstraße wurde für Rohde & Schwarz als zweites Standbein allmählich so wichtig, dass das Unternehmen hier neben München einen weiteren Hauptsitz eröffnete. Die strategische Bedeutung spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass hier die Vertriebs zentrale für den Asien-Pazifik-Raum angesiedelt ist.

Die in Singapur entwickelten Produkte liefert Rohde & Schwarz in die ganze Welt aus. Vor Ort durchlaufen sie alle Produktions-schritte, vom Entwurf des Designs und des Layouts der Produkte bis zur Programmierung der Software. Ein Großteil der Mess- und Sendegeräte wird in den ASEAN-Ländern (Association of Southeast Asian Nations) eingesetzt. So unterschiedlich Staaten wie Indonesien und Thailand sein mögen, das hohe Nachfrage- potenzial lässt Rohde & Schwarz von frischen Wachstumsimpul-sen träumen. Das reale Bruttoinlandsprodukt der ASEAN-Region liegt heute bei 2,5 Billionen US-Dollar, mit Steigerungsraten für die nächsten Jahre von fünf Prozent und mehr. Laut Schätzungen der EU-Kommission sollen die kaufkräftigen Mittelschichten bis 2030 fast zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen. Der Appetit auf Qualitätsprodukte nimmt zu.

Südostasien tickt andersWer es in Südostasien schaffen will, muss die erheblichen Unter-schiede zu westeuropäischen und deutschen Märkten kennen. Die Anforderungen an Produktentwicklungen sind heterogener – je nach Branche und Markt. Das macht eine erhebliche Anpas-sungsleistung notwendig, die umso besser gelingt, je näher das Unternehmen an seinen Kunden ist.

Laut See Loke Ho, Leiter der Abteilung Forschung und Entwick-lung in Singapur, will Rohde & Schwarz deshalb in den nächsten Jahren rund 100 neue Fachkräfte im Bereich Forschung und Ent-wicklung einstellen. Dann werden 250 hoch qualifizierte Mitar-beiter an neuen Lösungen für die asiatischen Märkte tüfteln. Ohne gut ausgebildete Mitarbeiter ist es nicht möglich, in einem Hightechmarkt ständig innovativ und erfolgreich zu sein. Gut also, dass diese in Singapur leicht zu finden sind, denn die regu-lierten Arbeitsbedingungen und ein attraktives Umfeld machen den Stadtstaat für hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus aller Welt attraktiv. Unternehmen wie Rohde & Schwarz können aus dem Vollen schöpfen.

Kooperation mit SpitzenuniversitätenDazu tragen auch die Bildungseinrichtungen bei, die viele quali-fizierte Fachkräfte im technischen Bereich ausbilden. Die Natio-nal University of Singapore beispielsweise ist nach dem aktuellen QS World University Rankings von QS Quacquarelli Symonds die beste Universität von ganz Asien. Sie rangiert gleich nach der renommierten Princeton University in den USA weltweit auf Platz 12, gefolgt von der ebenfalls in Singapur ansässigen Nanyang Tech-nological University (NTU). Mit dem Forschungsinstitut Centre for Wireless Communications der NUS arbeitet Rohde & Schwarz seit Jahren eng zusammen. Kooperationen zwischen universitärer Forschung und der mittelständischen Firma sichern das Know-how. „Die grundlegende Forschung kommt von den Wissen-schaftlern, wir nehmen dann die Ergebnisse und wenden sie real bis zur Fertigung eines finalen Produktes an“, erklärt See Loke Ho.

„Ein wirklich wichtiger Faktor waren die rechtlichen Rahmenbe-dingungen, die der Stadtstaat bietet – ergänzt durch eine solide Finanzpolitik und eine stabile Regierung, die ein langfristiges Planen erst möglich machen“, erklärt Andy Goh, Leiter der Pro-duktion für die Region Asien, warum Singapur der optimale Standort ist, um alle Aktivitäten zu steuern. Auch ist der Indika-tor für Korruption laut Transparency International so niedrig wie nirgendwo sonst in Asien. Und beim Schutz geistigen Eigentums gehört die Republik Singapur ohnehin zu den zuverlässigsten Ländern der Welt. Dafür steht „Made in Singapore“ – und passt so exzellent zum Qualitätsversprechen des deutschen Mittel-ständlers Rohde & Schwarz.

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South Bridge Road, Ecke Pagoda Street, Sri Mariamman Temple

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GRUSSAUS DER

KÜCHE

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Um es gleich zu Beginn zu sagen. Mit Tim Raue führt man kein Interview. Tim Raue führt das Interview. Das kleine samtbezogene Sofa, auf dem er während des Gesprächs sitzt, wirkt deshalb fast ein wenig wie Tarnung für den Mann, dessen Energie sein Restaurant „TIM RAUE“ bis auf Platz 34 der besten Restaurants der Welt getragen hat. Aber Bange machen gilt nicht. Oder um es mit Tim Raue zu sagen: „Ich sehe nur aggressiv aus.“ Nun denn.Wie jedes Interview beginnt auch dieses mit einer Frage.

GRUSSAUS DER

KÜCHE Eine Erfolgsgeschichte.–Eine Liebesgeschichte.

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„Darf ich jetzt mal was sagen?“ lautet der eher rhetorische Ein-stieg von Raue und auf einmal sitzt man mit ihm im Jahr 2003 im Restaurant von Sam Leong, der Vorläufer für Contemporary Chinese Food war. Vor uns eine Pekingente. Oder anders gesagt: die Verbindung zwischen kantonesischer und europäischer Küche. Die gewohnt knusprige Haut, darunter aber eine französische Entenstopfleberterrine. Warum wir diese Reise in die Vergangen-heit angetreten haben? Weil dieser Moment das Leben des Kochs Tim Raue komplett auf den Kopf stellt. Oder um es mit Tim Raue zu sagen: „In der französischen Küche geht es um Harmonie. Nicht so viele Aromen. Alles ist schön und nett. Ich bin aber nicht nett.“ In den nächsten drei Jahren reist Raue mehr als 20 Mal nach Singapur, probiert in einfachen Garküchen, sucht auf Märk-ten und in Drogerien nach neuen Inspirationen. Und nach drei Jahren war in seinem Kopf eine neue, komplett eigene Philo so phie entstanden. Im Jahr 2006 erhält Tim Raue seinen ersten Stern, und wird Koch des Jahres in Deutschland. Und erfindet sich noch einmal neu. „Ich wollte das machen, was ich liebe, was mein Herz berührt.“ Und dass Raue nicht nur die Küche, sondern auch das Land Singapur liebt, steht außer Zweifel. Was Singapur für ihn so einzigartig macht, ist der Zugang zu unterschiedlichsten Kulturen und Märkten. Zum australischen Markt, was gerade für die Qualität von Gemüse und Fleisch enorm wichtig ist. Fisch, Obst, Gemüse aus Japan. Vor Ort unterschiedlichste Küchen vom Luxussegment bis zur einfachen Garküche. Dazu passt, dass mit Chan Hon Meng vor wenigen Wochen der Besitzer eines solchen kleinen Imbisses einen Michelin-Stern erhielt. Und noch etwas begeistert den Mann auf dem Samtsofa in Singapur.„Es gibt keinen Kontinent, auf dem ich nicht gekocht habe, ich kenne keine anderen Menschen, die so verrückt nach gutem Essen sind!“ Der gemeinsame Nenner der Singapurer ist ihre Lust auf Neues. Es sind immer wieder faszinierende Parallelen, die Raue in seinem Leben als Berliner und Teilzeit-Singapurer entdeckt. Sei es seine Jugend, die er auf einer Insel, nämlich im Westberlin vor dem Fall der Mauer, verbrachte. Oder die Tatsache, dass Raue als über-zeugter Preuße heute viele der typisch preußischen Tugenden wie Disziplin eher in Singapur als in Berlin erlebt. Überhaupt ist Disziplin für Raue die Basis von allem. Organisa tion, Effizienz und Strukturiertheit beschreibt er als sein Erfolgsrezept. Darauf kommen Leidenschaft und Kreativität. Attribute, die genauso zur Erfolgsgeschichte Singapurs passen. Man sitzt diesem vor Energie nur so sprühenden Menschen gegenüber und glaubt ihm aufs Wort, wenn er verrät: „Ich habe früher in der Küche so geschrien, dass man die Musik im Restaurant nicht mehr gehört hat.“ Und stellt fest, dass er auch hier von den Singapurern inspiriert wurde: „Schreien wird dort nicht als Stärke gesehen, sondern als Schwäche. Was es am Ende ja auch ist.“ Nicht die einzige singa-purische Philosophie, die er für sich und auch für seine Restau-rants übernommen hat. Begrüße Gäste so, als wären es Bekannte, die dann als Freunde gehen. „Stell dir vor, es sind Menschen, die bei dir zu Hause Gast sind, und du möchtest, dass sie deine Freunde werden.“Gibt es überhaupt etwas, was dem Berliner in Blau in Singapur fehlen würde? Raue muss lange überlegen: „Wenn überhaupt, ist das Einzige, was mir da drüben wirklich fehlt, tatsächlich mal ein Tag, an dem es nicht so warm ist. Ich kann mich damit aber durchaus arrangieren. Ich schwitze lieber genervt, als dass ich gedemütigt friere.“

» DER GEMEINSAME NENNER DER

SINGAPURER IST IHRELUST AUF NEUES. «

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Tempowechsel. Die Zeit drängt. Das Restaurant in Berlin füllt sich. Zehn Fragen mit der Bitte um schnelle Antworten.

Hat Singapur ein ganz besonderes Innovationsklima?Es ist definitiv der innovativste Platz, den ich auf diesem Plane-ten kenne, wo es wirklich immer was Neues geben muss. Auch um die Menschen bei Laune zu halten, da es einfach so grandiose Konsumenten sind.

So, empfinden Sie Singapur als das Herz oder Zentrum des asiatischen Raumes?Bangkok, Tokio, Hongkong, Seoul und Singapur sind die Städte, in denen ich in meinem Leben am häufigsten war. Für mich ist Singapur einfach die sinnvollste Stadt, weil das Englisch wirklich extrem gut geht, das Rechtssystem ist sinnvoll, man kann da wirklich Business machen und es hat alles.

Wo steht Singapur im weltweiten kulinarischen Ranking?Für mich ist Singapur eine der drei kulinarischen Weltstädte, die anderen sind Hongkong und New York.

Welche Küche könnte Singapur überraschen oder bereichern?Das ist egal, das ist auch eben der Vorteil, du kannst nach Singapur gehen und Currywurst machen, sie muss einfach nur Weltklasse sein. Die Singapurer sind so offen für alles, was aus der ganzen Welt kommt. Es muss nur einfach Weltklasse sein.

So, jetzt kommt wieder eine Frage, die finde ich ganz span-nend. Wann ist ein Restaurant ein Erfolg?Wenn es voll ist.

» ES MUSS NUR EINFACH WELTKLASSE SEIN. «

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» SINGAPUR HAT MICH EXTREM GEFANGEN. «

Die wichtigste Managementregel in der Küche?Das ist schwierig, Managementregel klingt komisch, also fürmich ist das Wichtigste in der Küche, dass ich Talent erkenne, es fördere und begleite.

Wo ist in einem Restaurant der beste Platz, um Geschäfte zu machen?Ich finde, dass das Essen eher dazu dienen sollte, Empathie aufzubauen.

Was war für Sie die schönste Erfolgsbestätigung?Der absolute Höhepunkt meines Lebens ist, jetzt Platz 34 auf der „The World’s 50 Best Restaurants“-Liste, mehr geht nicht.

Was muss man in Singapur probiert haben, also außer eingangs beschriebener Ente? Also für mich gibt es in Singapur drei Plätze: André, einer der 50 besten Köche der Welt, der einfach ein überragendes Restau-rant hat. Die East Coast wegen der Garnelen und all dem anderen Zeug, was da aus dem Meer und nicht aus dem Kühlregal kommt. Und „Newton“, auch wenn das touristisch gesehen wird, ich fühle mich da unheimlich wohl. Die Möglichkeit zu haben, Menschen kennenzulernen, das ist für mich die Quintessenz Singapurs, alles zusammen, jeder aus jeder Schicht, jede Rasse.

Letzte Frage:Tim Raue und Singapur. War das Liebe auf den ersten Blick?Mit dem Wort Liebe bin ich sehr vorsichtig, aber Singapur hat mich extrem gefangen, also wenn ich heute die Wahl hätte, wo ich den Rest meines Leben verbringen sollte oder könnte und dürfte: Singapur, definitiv.

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A U S

R E I N

D I E W E LT

R A U S

D E M L A B O R ,

I N

Fraunhofer IDM@NTU in Singapur:

Forschen im Auftrag der Zukunft

Die Forschung darf nicht in den Labo-ren verbleiben, sondern muss hinaus in die Welt. Das hat sich die Fraunhofer- Gesellschaft, München, auf die Fahnen geschrieben. Mit 24.000 Mitarbeitern, 67 Instituten und einem Budget von 2,1 Milliarden Euro ist sie die größte Organisation für ange wand te Forschung in Europa. Seit knapp 20 Jahren be-treibt sie auch ein Institut in Singapur. Der Schwerpunkt liegt auf grafischer Daten verarbeitung.

Typisch für die digitalisierte Welt voller Informationen: Nur allzu schnell verliert man den Überblick, findet nicht das Gewünschte und geht verloren im Daten­dschungel. Helfen kann uns dabei unser sehr leistungsfähiger visueller Sinn, der über eine hohe Aufnahmefähigkeit ver­fügt. Dessen Potenzial auszuschöpfen, dafür ist das zur Fraunhofer­Gesellschaft gehörende Institut für Graphische Daten­verarbeitung in Darmstadt, kurz IGD, zu­ständig – weltweit führend auf dem Gebiet der Forschung zum Thema angewandtes Visual Computing. Dazu gehören 3­D­ Digitalisierung, virtuelle und erweiterte Realität sowie die 3­D­ Visualisierung, und das selbst auf kleinen mobilen Endgerä­ten. Weil es dafür international Bedarf gibt, gründete das IGD 1998 zusammen mit der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur das von der dortigen National Research Foundation (NRF) ge­förderte Center for Advanced Media Tech­nology (CAM­Tech), woraus dann 2010 das heutige Projektzentrum Fraunhofer IDM@NTU hervorging. Im Auftrag von Wirtschaft, Industrie und Behörden be­treibt es direkte Forschung zu aktuellen Frage stellungen und engagiert sich für interaktive digitale Medien (IDM).

Aus Infos werden Bilder – und vice versaEtwa 30 hauptamtliche Mitarbeiter führen Studien durch, beraten, entwickeln Kon­zepte und Software oder passen Programme an neue Umgebungen an. „Überall dort, wo moderne Computertechnologien einge­setzt werden, finden sich Einsatzgebiete des Visual Computings und somit unter­stützende Lösungen, um die Arbeit zu erleichtern“, erklärt Standortleiter Prof. Dr.­Ing. Wolfgang Müller­Wittig. Kernbran­chen sind Gesundheit, Stadtentwicklung, „Smart Manufacturing“ oder Industrie 4.0, maritime Wirtschaft, Logistik sowie der Bildungs­ und Schulungsbereich.

Visuelle ThemenreisenVereinfacht ausgedrückt machen die For­scher in Singapur aus Informationen Bil­der und holen aus Bildern Informa tionen. Wie das aussehen kann, zeigt Müller­Wittig Besuchern gern an einem großen Multi­touch­Bildschirm im Kon ferenzraum des Instituts, das direkt auf dem Campus der NTU angesiedelt ist: Wir erleben, wie ein­fach etwa mit dem Service­ und Präsen­tationstool InfoLand spannende visuelle und interak tive Informationsreisen er­zeugt werden können. Beispiel „Discover

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Germany“ („Entdecke Deutschland“), ein Programm, das unter anderem für die deutsche Botschaft in Singapur entwickelt wurde. Wie die Äste eines Baumes erstreckt sich die Themensammlung über das Dis­play. Der Betrachter öffnet, bewegt und schließt auf dem Schirm intuitiv verschie­dene „Zweige“. Auf der visuellen Reise durch Deutschland werden Informationen durch Bilder, Videos, Texte und 3­D­Simu­lationen zu Kultur, Fußball, Visabestim­mungen und mehr per Fingertipp erlebbar. Die Navigation ist kinderleicht. Auch die Stadt Singapur setzt InfoLand ein, um ihren Masterplan für die Raumnutzung im Rahmen der zukünftigen Stadtentwicklung zu visualisieren. „Das Einpflegen der Daten geht schnell und einfach“, erklärt Müller­Wittig. „Mit einem einfachen Drag­and­drop können Medien eingefügt werden und stehen dann als neue Informations­knoten sofort zur Verfügung.“ Program­mierkenntnisse sind nicht nötig. So lassen sich auf spannende interaktive Weise auch die Unternehmenswelt von Firmen, Produktportfolios, Service suites oder komplexe Sachverhalte und Prozesse ver­mitteln.

An die Töpfe2014 betrug der Gesamthaushalt des Fraunhofer IGD mit seinen Standorten Darmstadt, Rostock, Graz und Singapur rund 19 Millionen Euro. Davon entfielen circa 1,3 Millionen Euro auf Singapur. Die Hauptanteile der externen Finanzie­rung kamen mit rund 58 Prozent aus nati­onalen öffentlich geförderten Forschungs­programmen und zu 42 Prozent aus direkt beauftragten Projekten. Die direkt beauf­tragten Projekte stammten zu 38 Prozent aus der Industrie und zu 62 Prozent von

öffent lichen Stellen. „An Fördermittel zu gelangen, läuft in Singapur anders als in Deutschland“, räumt Müller­Wittig ein. In Deutschland melde die Wirtschaft Be­darf an und wende sich damit etwa an das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das für den „Software­ Cluster“ extra Fördertöpfe bereitstellt, oder an das Bundeswirtschaftsministe ri­um (BMWi). „In Singapur ist dieser Mechanismus noch nicht so ausgeprägt. Hier müssen häufig wir selbst aktiv wer­den“, so Müller­Wittig. Das liege nicht zu­letzt daran, dass die mittelständischen Unternehmen teils noch sehr klein seien und man sie mitunter antreiben müsse, zu forschen und entwickeln. Seine Anlauf­stelle sei dann beispielsweise die staatli­che Zukunftsbehörde A*STAR (Agency for Science, Technology and Research), die in Singapur ganze Wissenschaftsareale wie „Biopolis“ oder „Fusionopolis“ finanziert. A*STAR vergibt aber nicht nur Gelder, sondern sieht sich ebenfalls als Plattform, die Wissenschaftler mit multinationalen Unternehmen und talentierten Leuten lo­kaler Firmen zusammenbringt. „Die Agen­tur steht damit gewissermaßen auch im Wettbewerb zu uns“, sagt Müller­Wittig.

Fraunhofer als MarkeFraunhofer IDM@NTU habe allerdings auch einige Trümpfe in der Tasche. „Wir haben weltweit einen hervorragenden Ruf“, zählt er auf. Außerdem gelte das Topthema für technischen Fortschritt, sprich Industrie 4.0, als deutsche Marke. Wenn es also um Förderung von „Smart Manufacturing“ gehe, dann öffneten sich die Türen meist. Ein weiterer Pluspunkt: Fraunhofer kenne sich wie kein anderer mit angewandter Forschung aus. Das

mache das Institut auch attraktiv für die Unternehmen. „Dank unserer Expertise ziehen wir weltweit Firmen an“, betont Müller­Wittig. „Wir können ihnen helfen, sich strategisch zu entwickeln, neue Ge­schäftsfelder zu erschließen und Singapur als Drehscheibe für Südost asien zu nut­zen.“ Darüber hinaus profitieren die Kunden vom guten Ecosystem und vom Know­how­Transfer mit der NTU, an der führende Wissenschaftler Asiens arbeiten.

Unglaubliche DynamikDas Fraunhofer IDM@NTU hat über die Jahre deshalb schon für zahlreiche Unter­nehmen geforscht. Darunter viele deut­sche wie BMW, Symrise oder Lufthansa, aber auch für lokale Unternehmen wie Suntec, ST Electronics oder PSA. Müller­ Wittig selbst ist seit 2001 in Singapur. „Mich fasziniert die unglaubliche Dyna­mik, die hier zu spüren ist, und die rasche Umsetzung“, sagt er. „Es hat sich inner­halb kurzer Zeit eine weltweit führende Forschungslandschaft entwickelt. Und wenn die Regierung sich für ein Thema in­teressiert, dann geht alles ganz schnell.“ Auch mag er, dass Singapur so multikul­turell und international sei. Zudem sei die Fülle von qualifizierten Fachkräften ein­zigartig – insbesondere für das Boom­ Thema Digitalisierung.

Weitere Ableger geplantDarum werden in Kürze auch zwei weitere Fraunhofer­Institute in Singapur eröffnet: ein Ableger des Fraunhofer­Instituts für Sichere Informations technologie (SIT), Darmstadt, und des Fraunhofer­Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), Dresden, das unter anderem im 3­D­Druckverfahren Maßstäbe setzt.

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Z A H L E N B I T T E

I N 7 H F L U G Z E I T E R R E I C H T M A N4 , 2 M I L L I A R D E N M E N S C H E N

1 0 0 A I R L I N E S I N S G E S A M T

E R R E I C H E N 2 0 0 S T Ä D T E M I T

6 . 8 0 0 F L Ü G E N P R O W O C H E

N E U - D E L H I

Page 46: SingaPur Magazin_issue #1

S I N G A P U R

K U A L A L U M P U R

B A N G K O K

N E U - D E L H I H O N G K O N G

S C H A N G H A I

T O K I O

T A I W A N

P E R T H

M E L B O U R N E

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M Y P O I N T O F V I E W

Changi Airport – auf dem Weg zur Metro

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Sie ist die dynamischste Wachstumsregion der Welt und deshalb seit Jahren unver­zichtbar für weltweit operierende Firmen. So zum Beispiel auch für das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: den Mittelstand. Um im asiatischen Markt mitmischen zu können, haben sich deutsche Familien­unternehmen lange auf China und Indien konzentriert, bis sie einen neuen einfluss­reichen Akteur für sich entdeckten: den Verband Südostasiatischer Nationen, kurz ASEAN (Association of Southeast Asian Nations). Von Singapur, Thailand, Indo­nesien, Malaysia und den Philippinen gegründet, verfügt die ASEAN über eine lange Tradition von Kooperationen auf politischem, soziokulturellem und ökono­mischem Gebiet sowie in Sicherheitsfragen. Mit einem derzeitigen Anteil am Welthan­del von mehr als sechs Prozent verfügen die ASEAN­Staaten über ein überdurch­schnittlich großes Wirtschaftspotenzial.Die ASEAN, deren 50. Geburtstag 2017 gefeiert wird, ist heute die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Innerhalb weniger Jahre wird der Markt zusätzliche Geschäfte im dreistelligen Milliardenbereich ermög­lichen, prognostizieren die Unternehmens­

berater von McKinsey. Eine einzigartige Erfolgsgeschichte, die auf Samtpfoten dahergekommen ist und deshalb von eini­gen Teilen der Weltwirtschaft nur bedingt wahrgenommen wurde. Bis jetzt. Allein Deutschland hat im Jahr 2015 hier mehr als acht Milliarden Euro investiert (Quelle: EY ASEAN Report 2015). Ein Großteil des asiatischen Potenzials ist in der stark wachsenden Mittelklasse verankert. Bis 2030 wird mehr als die Hälfte der aus der Mittelklasse stammenden Konsumenten weltweit in der asiatisch­pazifischen Re­gion wohnen und für 80 Prozent der glo­balen Konsumausgaben verantwortlich sein. Mit rund 623 Millionen (Stand 2015) hat die Staatengemeinschaft mehr − und zudem überwiegend junge − Einwohner als die gesamte EU mit 510 Millionen (Stand 2015). „Die Bevölkerung wächst dort durchschnittlich um mehr als ein Prozent jährlich“, sagt Dr. An Wee Moo, Regionaldirektorin, Europa des Singapore Economic Development Board (lokale Behörde für Wirtschaftsentwicklung). Mit einem jeweils überdurchschnittlich star­ken Jahreswirtschaftswachstum legen alle zehn Mitgliedsländer eine überzeugende

Performance hin und weisen somit großes Potenzial auf. Heute bringen es die fast neun Prozent der Weltbevölkerung bereits auf eine Wirtschaftsleistung von rund 2,3 Milliarden Euro.Aber nicht nur der Markt boomt, auch der Wettbewerb wird zunehmend härter. Die Folge: Firmen müssen noch besser auf die speziellen Bedürfnisse ihrer Kunden ein­gehen. Sie benötigen nicht nur hochquali­tative Produktionszentren oder F&E­Abtei­lun gen, sondern müssen sich auch in der ASEAN­Region ansiedeln. Nur so werden sie in der Lage sein, die Bedürfnisse der wachsenden Mittelklasse zu erfüllen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Betriebe, die innerhalb der Freihandelszone produzieren, sind im Vorteil. Denn sie müssen keine Einfuhrzölle entrichten. Für viele Firmen einschließlich deutscher Mittelständler waren das genügend über­zeugende Gründe, um sich in der Region niederzulassen. Dabei wählten die Unter­nehmen meist Singapur, den Mittelpunkt der ASEAN, als Basis in Asien. Der Stadt­staat liegt im Zentrum der rund 4,5 Mil­lionen Quadrat kilometer großen Region. Hier treffen die Wirtschaftsmächte China,

SCHWERGEWICHTAUF

SAMTPFOTENWarum die ASEAN-Staatengemeinschaft

als treibende Kraft der globalen Wirtschaft in Zukunft noch erfolgreicher sein wird und welche

Schlüsselfunktionen Singapur dabei übernimmt.

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1Quelle: World Economic Forum. 2Quelle: Weltbank.3Quelle: United Nations Conference on Trade and Development, 2016.

Indien, die ASEAN­Staaten sowie global tätige Konzerne aufeinander und beflü­geln sich gegenseitig. Dank seiner strate­gisch günstigen Lage im Herzen Südost­asiens und am Knotenpunkt bedeutender Schifffahrts wege ist Singapur ein wichti­ges Logistikzentrum für den Welthandel. „Immer mehr Unternehmen sehen dort ihr strategisches zweites Standbein, um das Potenzial der schnell wachsenden Region zu nutzen. Ein stabiles politisches Umfeld, qualifiziertes Personal und eine exzellente Infrastruktur machen Singapur zu einem zuverlässigen und hoch ent­wickelten Partner für die deutsche Wirt­schaft, insbesondere den Mittelstand“, sagt Dr. An Wee Moo.Ungefähr 1.500 deutsche Firmen sind heute dort präsent. Viele von ihnen, wie zum Beispiel das Familienunternehmen SICK, zählen zum deutschen Mittelstand. Für den Entwickler von Sensoren und Anwen­dungslösungen für den industriellen Gebrauch zahlt sich Singapurs Effizienz doppelt aus: Einerseits sind in diesem Industriezweig tätige Firmen Direktkunden des Unternehmens, andererseits unter­stützt Singapur SICK als logistischer Knotenpunkt, Kunden in puncto Lieferung zufriedenzustellen. Laut dem vom Welt­wirtschaftsforum erstellten Global Compe­titiveness Report 2015/2016 ist Singapur zudem eines der wenigen asiatischen Länder, die einen hohen Schutz von geis­tigem Eigentum bieten. Die Wachstums­raten bestimmter Industriezweige und die Nähe zu den Geschäftspartnern sind zu­sätzliche überzeugende Argumente für diesen Standort. Singapur steht für genau die Werte, die deutsche Familienunternehmen erfolg­reich gemacht haben: Als kleiner Staat mit hoher Bevölkerungsdichte hat Singapur seine Fähigkeit bewiesen, langfristig und ökonomisch nachhaltig zu planen. In dieser Hinsicht ähnelt der Stadtstaat dem deutschen Mittelstand: Firmeninhaber möchten ihre Unternehmen fit für zukünf­tige Generationen machen und denken deshalb nicht in Quartalsergebnissen, sondern planen langfristig. Ökonomische Nachhaltigkeit, angetrieben von langfristi­gem Denken zugunsten zukünftiger Gene­rationen, ist Teil von Singapurs DNA. Welches der zehn ASEAN­Mitgliedsländer bietet welche Art von Chancen und Gele­genheiten für neue Geschäfte? „SingaPur“ wirft einen Blick auf die individuelle Ent­wicklung der einzelnen Staaten.

Myanmar

1.221 $6,9 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

170 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

131 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

0,95 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenEnergiesektor / Öl- und Gasförderung /Bergbau / Tourismus

Thailand

5.445 $5,0 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

46 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

32 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

11,5 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenAutomobil / Elektronik / Medizintechnik / Tourismus

Kambodscha

1.081 $7,3 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

131/190 Unternehmerfreundlichkeit2

90 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

1,7 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenBau / Textil / Landwirtschaft /Tourismus

Singapur

56.319 $3,6 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

2 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

2 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

72,1 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland2

SchlüsselbranchenElektronik / Chemie / Maschinenbau /Logistik / Finanzsektor

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Page 50: SingaPur Magazin_issue #1

Malaysia

10.804 $5,2 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

23 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

18 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

10,7 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenElektronik / Öl- und Gasförderung /Automobil / Holz / Tourismus

Brunei

28.236 $7,4 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

72 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

58 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

0,75 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenHightech / Öl- und Gasförderung /Landwirtschaft / Tourismus

Vietnam

2.053 $5,4 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

82 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

56 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

9,2 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenElektronik / Textil / Maschinenbau /Tourismus

Indonesien

3.534 $6,0 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

91/190 Unternehmerfreundlichkeit2

37 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

22,3 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenTourismus / Chemie / Maschinenbau /Automobil / Landwirtschaft

Philippinen

2.865 $5,5 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

99 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

47 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

6,2 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenElektronik / Chemie / Maschinenbau /Logistik / Finanzsektor

Laos

1.693 $7,6 %

Bruttoinlandsprodukt(pro Kopf / jährl. Wachstum)1

139 /190 Unternehmerfreundlichkeit2

83 /140 Wettbewerbsfähigkeit1

0,9 Mrd. $ Investitionen aus dem Ausland3

SchlüsselbranchenBergbau / Tourismus / Bau / Holz /Energie- und Wasserkraft

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Page 52: SingaPur Magazin_issue #1

Tagsüber arbeitet Kenneth Thexeira als Redakteur bei einer Living-Zeitschrift. Doch abends schlüpft er immer wieder in ein hautenges Sportoutfit – und frönt mit unbändiger Leiden schaft seinem Hobby: Als „The Eurasian Dragon“ mischt er die langsam, aber stetig wachsende Wrestling- Szene von Singapur auf.

Es sind nur knapp 30 Quadratmeter. Mehr Platz haben die Män-ner nicht. Fast hätte der massive Wrestling-Ring überhaupt nicht in den zum Minitrainingscenter umfunktionierten Lagerraum hineingepasst. Im Rest des Raums lagern ein paar Tischplatten, Crashpad-Matratzen und unidentifizierbares Gerümpel. Die Szenerie im Gold pine Industrial Building hat etwas Rührendes: Ansteckender Idealismus geht hier Hand in Hand mit Improvi-sationstalent und Mut zum Chaos. Kenneth Thexeira und sein Trainingspartner Mohammed Taufik stören sich nicht weiter an den suboptimalen Bedingungen. Hauptsache, sie können sich gemeinsam mit weiteren Glaubensbrüdern ihrer großen Leiden-schaft widmen: dem Wrestling. Jenem Sport, für den die Männer seit Jahren brennen und für den sie gerne ihre Abende und Wochenenden opfern. „Es gibt zwar immer wieder Menschen, die mich dafür belächeln, dass ich das Wrestling mit so viel Enga-gement und Hin gabe betreibe. Zumal sich in Singapur bislang nur eine eingeschworene Fangemeinde für das interessiert, was ich mache. Aber das befeuert mich nur noch mehr in meinem Ehrgeiz, es am Ende ganz weit zu bringen und es meinen Zweif-lern zu zeigen“, sagt Kenneth Thexeira. Heute Abend trainieren er und Kumpel Mohammed ein paar der wichtigsten Kampftech-niken. Techniken wie Bodyslam, Back Body Drop oder Fireman’s Carry. Massive Männerkörper prallen mit voller Wucht aufein-ander oder fallen mit lautem Klatschgeräusch in die Mitte des Trainingsrings. Immer und immer wieder. Alle Muskeln sind angespannt, Schweiß fließt, Testosteron erfüllt jede Ecke des Raums. Kenneth Thexeira und Mohammed Taufik sind Teil der bislang immer noch kleinen, aber wachsenden Wrestling-Szene in Singapur und ganz Südostasien: „Als ich vor vier Jahren aktiv in diesen Sport einstieg, zählten wir noch zum Underground. Heute haben wir uns bereits eine Fangemeinde von ein paar Tausend Leuten erobert, und ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren weiter spürbar wachsen werden“, sagt der 28-jährige Kenneth in einer Trainings pause.Auch Wrestling-Promoter Vadim Koryagin aus Russland, der seit einigen Jahren in Singapur lebt und arbeitet, glaubt fest an das Potenzial der Region. Im Februar 2012 beschloss er deshalb, ge-meinsam mit dem südostasiatischen Regionalchampion Andruew Tang die Singa pore-Pro-Wrestling-Promotionagentur (SPW) zu gründen. Mit seinem Geschäftspartner Tang trainiert er in der SPW-Schule zudem junge Talente wie Thexeira.

Y E A R S O F T H E D R A G O N

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Page 53: SingaPur Magazin_issue #1

Trotz Euphorie und Optimismus: Von Show-Spektakeln, wie sie das WWE (World Wrestling Entertainment) seit Jahrzehnten auf die Beine stellt und die jeweils Tausende Fans an den Rand der Raserei bringen, können Thexeira und seine circa 20 professio-nellen Wrestling-Kollegen, die im Alltag Berufen wie Fitness-trainer, Restaurantkoch oder Flug hafen-Angestellter nachgehen, bislang nur träumen. Natürlich wäre es für ihn das Größte, wenn er eines Tages von den Fights leben und sich ganz seinem ge-liebten Kampfsport widmen könnte. Aber bis es irgendwann tat-sächlich so weit ist, sind es Leidenschaft und Idealismus, die ihn tragen. Man müsse halt kleinere Brötchen backen, wenn man beim Singapur Pro Wrestling nur lokal, unabhängig und ohne die finanzstarke Hilfe von milliardenschweren Organisationen am Start sei. Es müssten viel mehr Marketingmaßnahmen und Koopera tionen mit internationalen Wrestling-Events her, damit „Mighty Black Arrow“, „The Statement Andrew“ oder „The Eurasian Dragon“ endlich von mehr als nur rund 100 Fans pro Fight-Event bejubelt werden. „The Eurasian Dragon“, das ist Kenneths Alter Ego im Wrestling- Zirkus. „Ich wurde 1988 im Jahr des Drachen geboren und habe eurasische Wurzeln“, erklärt er seine Wahl des Künstlernamens. Tagsüber arbeitet der Kumpeltyp als Living-Redakteur für das Interieur-Magazin „DCRS“. Doch an ein paar Abenden pro Monat, wenn wieder mal ein Fight ansteht, schlüpft er in sein goldenes Ringhöschen, hängt sich sein babyblaues Cape um und räumt als Good Guy im Ring auf. Als Elfjähriger sah er spät abends zum ersten Mal im TV eine Show des WWE und war sofort fasziniert von dem derben Mix aus Action, Athletik und Entertainment. Doch erst Wrestling-Superstar Dwayne „The Rock“ Johnson – heute übrigens bestbezahlter Schauspieler Hollywoods – löste in ihm den Wunsch aus, sich selbst im Ring zu versuchen.Gab’s schon mal Fight-Situationen, bei denen ihn ein mulmiges Gefühl überkam? Bis heute unvergessen ist für Thexeira jener Moment, in dem während eines Hardcore-Fights, in dem auch Waffen wie leichte Stühle oder Tische erlaubt sind, sein Gegner ein ganz besonderes Utensil hervorholte: ein Keyboard! „Sekunden später knallte er es mir über meinen Kopf und es zersprang in tausend Teile“, erinnert er sich. Doch nach einem kurzen Schockmoment ging es ihm auch danach immer noch bestens. Er gewann das Match, feierte die Nacht wild und ausgelassen mit seinen Jungs und fühlte sich für ein paar Stunden unver-wundbar. „Erst am Morgen danach wurde mir klar, dass meine heftigen Kopfschmerzen nicht nur eine Folge der vielen Drinks waren …“Wenn der 179-Zentimeter-Mann vom Wrestling erzählt, dann stets mit Enthusiasmus. Man spürt, dass er gerne ein bisschen verrückt und anders ist; dass er mit Überzeugung zu Menschen gehört, die sich abseits von Altbekanntem bewegen und auch mal Pionierar-beit leisten. Eine Einstellung, die in Singapur viele mit ihm tei-len, wie Thexeira betont: „Ich lebe in einer viel bunteren und vielfältigeren Stadt, als es auf den ersten Blick vielleicht erschei-nen mag. Eine Metropole, in der es eine Menge ungewöhnlicher Berufe und Berufungen gibt. Und ein Ort, an dem viele Menschen alles dafür tun, dass ihr großer Traum irgendwann wahr wird.“

52

Page 54: SingaPur Magazin_issue #1

T E S T O S T E R O N E R F Ü L LT J E D E E C K E D E S R A U M S

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Page 55: SingaPur Magazin_issue #1

Das Familienunternehmen Weidmüller ist seit 1982 in Singapur vertreten. Seit Jahren investiert der Detmolder Her-steller für elektronische Verbindungs- und Automatisierungstechnik in den Stadtstaat, um sich optimal auf die spe-ziellen Bedürfnisse des fernöstlichen Wirtschaftsraumes einzustellen und von dessen Dynamik zu profitieren. Die Ostwestfalen dienen deutschen Mittel-ständlern, die nach Asien expandieren wollen, als Vorbild.

Weidmüllers Produkte und Lösungen lassen sich in der Industrie überall dort finden, wo Energie, Daten und Signale verbunden, konditioniert oder umgewan-delt werden. Der Energieeffizienz-Spezialist ist mit seinen technischen Lösungen in vielen Branchen und mehr als 80 Ländern zu Hause – vor allem als Partner in den Bereichen Maschinenbau, Prozessindust-rie, Energie, Geräteherstellung und Verkehrs technik.

Nachhaltige Energiewirtschaft als WachstumstreiberUnternehmen wie Weidmüller unterstüt-zen Singapur dabei, die Potenziale des Trends zur Urbanisierung auszuschöpfen. Denn Asien entwickelt sich wirtschaftlich, und die Bevölkerung ländlicher Regionen

U R B A N I S I E R U N G

Ö F F N E TM A R K T C H A N C E N–Weidmüllers

wachsender Erfolg

in Asien

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zieht es in die Städte: Jedes Jahr nimmt die Einwohnerzahl in den Städten Asiens um mehr als 44 Millionen zu – das sind über 120.000 zusätzliche Menschen täglich, die ebenfalls das vorhandene Verkehrs-, Strom- und Versorgungsnetz nutzen wollen. Zur Verbesserung der Lebensqualität in den Ballungsräumen richten sich die Metropolen zunehmend auf erneuerbare Energien und nachhal-tige, umweltfreundliche Lösungen aus. Diese „grüne“ Offensive ist ein wichtiger Wachstumstreiber für Weidmüller in Asien. Das Unternehmen hat sich auf die Fahnen geschrieben, mit seinen fort-schrittlichen Konzepten und Technologien einen Beitrag zu energieeffizienten und nachhaltigen Lösungen zu leisten – also auch zur „grünen“ Zukunft Asiens.

Zugang zur florierenden RegionMit seinen 18 Niederlassungen in 15 Län-dern Asiens generierte Weidmüller 2014 etwa 30 Prozent seines Gesamtumsatzes. Für die Zukunft erwartet das Unterneh-men hier zweistellige Steigerungsraten. Innerhalb des ASEAN-Staatenbundes (siehe Seite 47) erwirtschaftet der Stand-ort Singapur, von wo aus die Aktivitäten innerhalb des Wirtschaftsraumes koordi-niert werden, den größten Umsatzanteil. Das Geschäft wächst aber auch in etlichen anderen südostasiatischen Ländern wie Malaysia und Thailand. Vorangetrieben wird diese Entwicklung nicht zuletzt

durch die Notwendigkeit, die Infrastruk-turen der Nationen zu optimieren, um die Verbundfähigkeit der Marktwirtschaften innerhalb der ASEAN Economic Commu-nity (AEC) zu verbessern. Um Chancen schnell nutzen zu können, hat Weidmüller die Trends in der Region fest im Blick. Derzeit ist der Ausbau des Forschungs- und Entwicklungszentrums in Singapur geplant. „In einem Zeitraum von zehn Jahren werden wir eines der bedeutendsten F&E- Zentren in Singapur haben“, ist sich Dr. Peter Köhler, Vorstandsvorsitzender der Weidmüller-Gruppe sicher.

Vorher Hausaufgaben machen„Wir müssen den Anforderungen unserer Kunden gerecht werden, denn am Ende des Tages sollen ihnen unsere Produkte optimal nutzen“, erklärt Ben Scott, Chief Technology Officer von Weidmüller. Dank einer flexiblen und effizienten Produktion fühlt sich das Unternehmen gut gerüstet. „So können wir Trends aufgreifen und Produkte entsprechend anpassen.“ Seine Empfehlung für deutsche Mittelständler, die mit dem Gedanken spielen, in der Region Fuß zu fassen: „Vor einer Expan-sion nach Asien sollten mittelständische Firmen ihre Hausaufgaben machen. Man muss sorgfältig den Markt analysieren und die Möglichkeiten für die eigenen Produkte einschätzen. Unternehmen soll-ten akribisch relevante Informationen zu-sammentragen und eine zweite Meinung

von anderen Firmen einholen, die in der Region präsent sind. Hier kann auch der Zentralverband Elektrotechnik- und Elek-tronikindustrie e. V. behilflich sein.“

Schlüsselfaktor TalentEin Schlüsselfaktor für Erfolg ist nicht zu-letzt qualifiziertes Personal. Weidmüller arbeitet seit Jahren eng mit der Singapore Polytechnic zusammen und profitiert vom direkten Zugang zu potenziellen Kan-didaten. Das Unternehmen stattet unter anderem Schulungsräume mit Produkten aus, stellt Material und bietet Kurse an – eine echte Win-win-Situation. Das Thema Talent spielt bei Weidmüller insgesamt eine große Rolle. Vorstandschef Köhler setzt dabei in Asien vor allem auf lokale Expertise: „Unsere Talente in Singapur haben oft andere Ingenieuransätze als unsere deutschen Mitarbeiter. Damit berei chern sie unsere Produktentwicklung für den asiatischen Raum und den globa-len Markt“, erklärt er. In Singapur werden Wissenschaft und Forschung intensiv gefördert. Daher gibt es hier zahlreiche renommierte Universitäten mit Ingenieur-schwerpunkt. Ihre Studenten kommen nicht nur aus Singapur, sondern aus ganz Asien. „Weidmüller legt großen Wert auf lebenslanges Training und kontinuierliche Weiterbildung, um so stets die nächste Generation potenzieller Talente aufzubauen, die regionale Trends und Anforderungen umsetzen“, betont Köhler.

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Der Start in den Tag beginnt für ihn mit einem festen Ritual:Jeden Morgen nach dem Aufstehen um 6.30 Uhr dreht Markus Kaub erst mal eine XL-Runde im großzügig im Garten angelegten Gemeinschaftspool vom „The Raintree Condominium“ – einer westlich von Singapurs City gelegenen Apartmentanlage, in der er seit fast vier Jahren mit seiner Familie lebt: Eigentumswoh-nung, 140 Quadratmeter, drei Zimmer. Je nach Termin- und Verkehrslage macht sich der Gründer und Chef der Management-beratungsfirma „PlusConcept“ morgens ab 7.30 Uhr auf den Weg zu seinem Büro in die Innenstadt. Entweder mit dem eigenen Auto oder mit der Ende 2013 neu in Betrieb genommenen MRT- U-Bahn-Linie. Als „SingaPur“ ihn begleitet, stehen die öffent-lichen Verkehrsmittel auf dem Programm. Die erste Etappe seines ungefähr zehn Minuten langen Fußwegs bis zur MRT-Station Beauty World in Richtung Downtown lässt sich problemlos unter der Kategorie „Miniurlaub im Alltag“ verbuchen. Er führt nämlich direkt am Bukit-Timah-Naturreservat vorbei. Die grüne Oase in-mitten der Stadt besteht teilweise aus einem primären Regen-wald. Nicht umsonst gilt Singapur als eine der grünsten Metro-polen der Welt; rund fünf Prozent des Stadtstaates stehen unter Naturschutz und dürfen trotz starken Wirtschaftswachstums nicht bebaut werden.

Zu Fuß, mit dem Auto oder per Hubschrauber: Singapurs Einwohner kommen auf

den unterschiedlichsten Pfaden zur Arbeit. Wir haben den deutschen Unternehmer

Markus Kaub auf seinem Weg ins Büro begleitet.

A U S D E M D S C H U N G E L …

M Y W A Y T O W O R K

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Ein paar Minuten später dominiert dann schon wieder Großstadt-feeling. Per Fußgängerbrücke überquert der 49-Jährige die Haupt-verkehrsader Richtung Zentrum und geht dann via Upper Bukit Timah Road bis zum Eingang der U-Bahn. Während der 15 Minuten (neun Haltestellen) dauernden Fahrt im voll klimatisierten Zug erzählt uns der deutsche Unternehmer ein wenig aus seiner beruflichen Vita: Zum ersten Mal führte es ihn vor rund 20 Jahren während seines Business-Management-Studiums für ein Prak-tikum bei Siemens nach Singapur. Seit 1996 ist er fast ausschließ-lich in der Region für deutsche Unternehmen tätig – so zum Beispiel in Peking, Schanghai, Hongkong oder Japan. „Dort gründete ich auch meine Geschäftsentwicklungsunterstützungs- Agentur ‚PlusConcept‘, die ich vor fünf Jahren auch in Singapur erfolgreich etablierte“, sagt Kaub.

Normalerweise beschäftigt er sich während der maximal 30 Minu-ten dauernden Anreise ins Büro mit Hörbüchern. Aktuell bei ihm auf dem Smartphone: „Deep Work – Konzentriertes Arbeiten“. „Für mein Unternehmen arbeite ich aber lieber nicht in der U-Bahn, da ich mich zu oft in Unterlagen vertiefe und dann meine Ziel station verpasse“, sagt der Vater zweier Töchter im Alter von neun und zehn Jahren. Die Zielstation heißt in seinem Fall Bugis. Von dort aus sind es nur noch fünf Minuten Fußweg bis zu Kaubs Büro in der Purvis Street, nur einen Steinwurf vom welt-bekannten Raffles-Hotel entfernt. Die Anlaufphase, bevor er mit „PlusConcept“ in Singapur durchstarten konnte, hat er in guter Erinnerung: „Einer der Vorteile dieses Standortes ist, dass es hier nicht so bürokratisch zugeht wie zum Beispiel in Deutschland. Die Behörden arbeiten hier extrem effizient und man muss nicht monatelang dicke Bretter bohren.“

An seiner Wahlheimat liebt er die Vielfalt an Nationen und Kultu-ren, die dem Stadtstaat Dynamik und Internationalität gibt. Und auch durch die Brille des Familienvaters kann Singapur punkten: „Singapur ist vielleicht nicht die aufregendste und wildeste Stadt der Welt; in Sachen Lebensqualität, Sicherheit und Umfeld aber unschlagbar!“ Und dann ist da ja auch noch der Luxus des morgendlichen Sprungs in den Swimmingpool …

I N D E N D S C H U N G E L

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Warum es Singapur in die Top Ten

der weltbesten Start-up-Standorte

geschafft hat

Blk71, Kurzform für Block 71, im Stadtviertel Buena Vista in Singapur nach seinem Äußeren zu beurteilen wäre falsch. Was wie ein einfallsloses siebenstöckiges Industriegebäudevon anno dazumal aussieht, ist nicht weniger als das Epizentrum vonSingapurs Start-up-Ecosystem.

GRÜNDEN IM

TIGERSTAAT

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In seinem Inneren arbeiten zurzeit einige Hundert Gründer fieberhaft an ihrem Durchbruch im Markt – Seite an Seite mit etwa 30 Inkubatoren („Förderern“), die beraten und unterstützen, etlichen Acceleratoren („Beschleunigern“), die coachen, und mehr als einem Dutzend Venture-Capitalists (VC, „Risikokapital- gebern“), die bereit sind, in spannende Geschäftsideen ordentlich Geld zu in ves-tieren. 1970 erbaut, 2010 für den Abriss vorgesehen, 2011 wiederbelebt: In jenem Jahr verwandelten die drei Partner NUS Enterprise (eine auf Unternehmertum fokussierte Abteilung der NUS – Natio nal University of Singapore), SingTel Innov8 (VC-Fonds der Telecom Singapore) und die Media Development Authority of Singa pore das Areal zum Start-up-Hub. Ziel: die „Tekki“-Gründerszene, die vorher im ganzen Stadtstaat verstreut war, bün-deln, Synergien und Skaleneffekte besser nutzen.

Heute gehören auch Blk73 und Blk79 zum Areal. Bis 2017 sollen weitere drei Blocks den Komplex, der im Moment etwa 700 vor allem im IT-Sektor fischende Start-ups beherbergt und offiziell „JTC LaunchPad @ one-north“ heißt, erweitern.

130 Euro im Monat für einen Arbeitsplatz an der QuelleWer mit dem Aufzug in den 3. Stock fährt, taucht ein in eine völlig andere Welt: Sofaecken, Chillrooms, eine Cafeteria, aber vor allem große offene helle Räume, die nur durch mobile Trennwände unter- teilt sind. Darin kreuz und quer kleinere und größere Ansammlungen von Schreib- tischen – auf Rädern, damit sie schnell wieder anders zusammengestellt werden können. Außerdem Rechnerkabel, die über die Decke laufen, sodass keiner dar-überfällt. Jede Menge Schließfächer. Hier ein Grüppchen von Leuten vor ihren Com-putern, dort eine Diskussionsrunde.

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„Ein Arbeitsplatz mit Stromanschluss, freiem Internetzugang, kostenloser Rechts- und buchhalterischer Beratung, Druckernutzung etc. kostet hier 140 US- Dollar im Monat“, sagt Heng Soon Pang, General Manager der von der Regierung gestützten VC-Firma Infocomm Invest-ments. Das sind umgerechnet 130 Euro, ein Schnäppchen. Mit 200 Millionen US-Dollar im Rücken baut und investiert Infocomm in Start-ups und unterstützt auch bei deren Expansion in andere Länder.

2015 machte Singapur im internationalen Ranking der besten Start-up-Standorte der Welt einen kräftigen Satz nach vorn und hat es als einziges Land der Asien- Pazifik-Region in die Riege der Top Ten der Gründerhochburgen geschafft. Der in San Francisco angesiedelte Daten-dienstleister Compass, der die Rangfolge auf Basis einer Umfrage von mehr als 11.000 Teilnehmern aus 40 Ländern sowie

Im Start-up-Ranking

nur knapphinter Berlin

aus Interviews und Daten der Plattform Crunchbase ermittelt, stufte den Tiger-staat auf Platz 10 ein – knapp hinter Berlin. Bei der letzten Erhebung vor drei Jahren belegte das Land noch Platz 17. Laut Studie sind derzeit zwischen 2.400 und 3.600 Start-ups in Singapur aktiv, die Wachstumsrate liegt bei knapp zwei Prozent. Die durchschnittliche Höhe der ersten Finanzierungsrunde („Seed-Round“) beträgt zwischen 450.000 und 500.000 US- Dollar. Zum Vergleich: Im Silicon Valley (SV), dem unangefochtenen Start-up-Standort Nummer eins, erhalten Gründer durchschnittlich das Doppelte, wenn sie Investoren ins Boot holen. Das Budget für Anschlussfinanzierungen („Series A“) liegt in Singapur bei 4 bis 4,5 Millionen US-Dollar, im SV bei 6,5 bis 7 Millionen. Die Gründer sind im Stadtstaat im Schnitt 35 Jahre alt, 19 Prozent sind weiblich. Hauptgrund für den Sprung in die Top Ten sei nach Ansicht der Autoren der Studie

die Unterstützung durch die Regierung. Ob in Form von Steuererleichterungen für Start-ups und Investoren oder als direkte finanzielle Zuwendungen. Gepaart mit einer starken VC-Landschaft, die in Süd-ostasien ihresgleichen sucht, würde dies Gründer aus der gesamten Region und darüber hinaus anziehen. „Etwa 40 bis 50 Prozent der Start-ups kommen aus dem Ausland“, sagt Pang. Doch nicht nur das Kapital, sondern auch die gute geografi-sche Lage – Singapur ist Drehkreuz und Eingangstor zum gesamten asiatischen Raum –, die hervorragende Infrastruktur, die geschäftsfreundlichen Gesetze und Regelungen sowie die finanzielle und politische Stabilität lassen die internatio-nale Start-up-Szene in Singapur florieren.

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Erst einmal „in die Klinik“Wer an die Fördertöpfe heranwolle, müsse allerdings erst einige Hürden meistern, wie Pang betont. „Infocomm Investments ist zwar staatlich, aber ein Wirtschaftsun-ternehmen. Das heißt, wir wollen, dass sich unsere Investitionen auszahlen – zum Beispiel im Rahmen eines Börsen-gangs oder Verkaufs des Start-ups an ein größeres Unternehmen.“ Konzepte für Gründungen werden deshalb erst einmal von erfahrenen Infocomm-Experten auf Herz und Nieren geprüft. Dafür gibt es un-ter anderem das Veranstaltungsformat „Clinic“ mit wöchentlichen „Sprech-stunden“. „Wir nehmen hier kein Blatt vor den Mund und sagen den jungen Leuten frank und frei, wo ihr Konzept noch ‚krankt‘“, so Pang. Die Start-ups können ihre Business-Idee dann natürlichentsprechend überarbeiten. Wird sie an- schließend für tragfähig befunden, müs-sen sie damit in der Regel für drei Monate ins sogenannte Bootcamp. „Dort spielen sie mit erfahrenen Leuten einen Anwen-dungsfall durch, eine Art Minimarkttest“, erklärt Pang. Haben sie auch das über-standen, winken bis zu 100.000 US-Dollar Anschubfinanzierung für ein Jahr und zu-sätzlich VC-Gelder. Pang und seine Leute begleiten die Entwicklung in diesen ersten zwölf Monaten, manchmal auch länger. Sie beraten, knüpfen Kontakte zu Inves-toren und Unternehmen im In- und Aus-land, schießen nach dem Jahr eventuell Geld nach, etwa wenn der Schritt über die Grenze finanziert werden muss.

Außerordentlich wichtig ist zudem der Austausch innerhalb der Community, sprich der Network-Effekt: Die jungen Leute in den Blocks lernen extrem viel voneinander – auch vom Scheitern der anderen –, bilden Teams, sprechen selbst mit den anwesenden VCs, nutzen die Nähe zu den Forschungseinrich- tungen, die nur einen Steinwurf entfernt sind, wie die NUS, die Singapore Univer-sity of Technology and Design oder das Institute for Infocomm Research. Es gibt mehr als 20 Veranstaltungen im Monat – Seminare, Hackathons, „Investors’ days“, Meetings, Kaffeegespräche … und Partys.

Was am meisten motiviert, sind natür - lich Erfolgsmeldungen aus den eigenen Reihen. Und davon gibt es bereits eine Menge. So kaufte der japanische Internet- Konzern Rakuten im Jahr 2013 das Start-up Viki und ließ sich den Video-Streaming- Provider ganze 200 Millionen US-Dollar kosten. „Auch der Online-Personalbeschaffer Glints ist Vorbild für viele“, meint Pang: Drei Singapurer Exschulfreunde schmis-sen 2013 ihr Studium an amerikanischen Eliteunis und gründeten im Alter von 21, 22 Jahren das Start-up mit finanzieller Hilfe des in Blk79 ansässigen Inkubators Joyful Frog. Heute ist Glints gut im Ge-schäft, in mehreren Ländern vertreten und zum Beispiel für die deutschen Fir-men Adidas und Puma aktiv. Ein weiteres Beispiel ist Lazada, im Jahr 2012 vom deutschen Unternehmen Rocket Internet gegründet. Es ist mittlerweile führendes

E-Commerce-Unternehmen der Region mit acht Millionen Kunden. Hauptsitz ist Singapur, die Ware wird aber auch in Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam und den Philippinen verkauft. Mit einem Investment von einer Milliarde US-Dollar hat die chinesische Firmengruppe Alibaba kürzlich die Mehrheit an Lazada über-nommen.

Fazit: Der Erfolg eines Start-ups hängt letztlich immer vom Engagement der Gründer ab und davon, wie viel Zeit und Energie sie investieren möchten. Singapur bietet jedenfalls viele Vorteile für alle „Abenteurer“ – auch wenn man den Stadt-staat (noch) nicht mit dem Silicon Valley vergleichen kann. Es ist der wichtigste Geschäftsstandort in Südostasien, zieht sowohl Kapital als auch Ideen an und eignet sich bestens für den Markteintritt in der Region.

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Singapur bietet viele Vorteile

für Abenteurer

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Wenn die Dämmerung über Singapur hereinbricht, beginnt der Hafen von Marina Bay zu flimmern und zu funkeln. Innerhalb eines Augenblicks färben sich das 165 Meter hohe Riesenrad „Singapur Flyer“ und seine Gondeln lila; in immer mehr der über 2.500 Zimmer des gegenüberliegenden Hotel- und Casino-komplexes Marina Bay Sands gehen die Lichter an; das lotus-blumenförmige ArtScience Museum bespielt seine Außenfassade mit immer neuen Farben, Bildern und Installationen. Es gibt wenige Orte auf dieser Welt, die so leuchten können wie Singa-pur. Und als wäre das alles nicht genug, findet einmal im Jahr genau hier ein Formel-1-Rennen statt, das der spektakulären

Stadt noch mehr Glanz und Adrenalin liefert. Die Atmosphäre auf dem fünf Kilometer langen Marina Bay Street Circuit, dem einzi gen Nachtrennen der Formel 1, beeindruckt selbst Rennfah-rer, die glauben, schon alles erlebt zu haben. Mercedes-Pilot Nico Rosberg, 31, zum Beispiel, der im September 2016 zum ers-ten Mal in seiner Karriere in Singapur gewinnen konnte. Es gibt ein YouTube-Video, das Rosberg nach seinem Triumph ins Netz gestellt hat. Nico radelt gedankenversunken noch einmal diese für ihn so magische Rennstrecke ab, den Siegerpokal unter die Achsel geklemmt, über ihm ein Feuerwerk. Singapur ist ein Platz für Sieger wie Rosberg.

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S C H N A P P S C H U S S

SINGAPUR, MARINA BAY STREET CIRCUIT18. SEPTEMBER 2016, 14:23 MEZ

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D E R H E R RD E R R I N G E

Das findet auch Hermann Tilke, 61, der weltweit bekannteste Architekt und Entwickler von Rennstrecken. 2005 hat der Aachener Ingenieur den Marina Bay Street Circuit maßgeblich mitgeplant. Die Stadtverwaltung von Singapur hatte bei ihm eine Machbar-keitsstudie und einen Vorentwurf für den Hochgeschwindigkeits-kurs mitten in der Stadt in Auftrag gegeben. Am Ende der Pla-nungsphase entschied man sich für die von Tilke vorgeschlagene Strecke am Hafen, weil sie den normalen Straßenverkehr am wenigsten störte und gleichzeitig die Stadt von ihrer schönsten Seite zeigte. 2007 begannen die Baumaßnahmen, darunter viele kleine bau-liche Veränderungen entlang der festgelegten Strecke. In der Planungsphase identifizierte Tilke bis zu 1.000 Minibaustellen – eine „echte Sisyphusarbeit“ (siehe Interview) –, bis im Septem-ber 2008 das erste Flutlichtrennen in der Geschichte der Formel 1 ausgetragen werden konnte. 100.000 Fans sorgten bei 30 Grad Außentemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent für ein exotisches Rennsport-Happening, das die Formel 1 so noch nicht kannte. Nach zwei Stunden siegte Fernando Alonso, damals noch vor Rosberg. Der Grand Prix in Singapur habe einen Motorsport-Boom in Asien ausgelöst und die Stadt zu einem „Hotspot der Formel 1“ entwickelt, sagt Tilke. Während des Rennwochenendes gibt es Partys und Konzerte, etwa von Rihanna, Robbie Williams, Kylie Minogue und Imagine Dragons, die Restaurants und Bars sind voll, die Stimmung im Stadtstaat ausgelassen. Unter den Piloten ist Singapur neben Monaco schon jetzt das beliebteste Rennen im Circuit. Auch Tilke ist seit der Arbeit am Marina Bay Street Circuit großer Singapur-Fan, obwohl er davor und danach viele andere Rennstrecken in der Welt entworfen hat. Er kommt jedes Jahr zum Rennen, er mag diesen vibrierenden Mix der Stadt, die einer-seits so sauber und sicher ist und andererseits so ein hohes Niveau in Kultur und Nachtleben bietet. Fast noch wichtiger war für Tilke zu Beginn seiner Arbeit die Offenheit und Dynamik des südostasiatischen Wirtschaftsstandorts, der sich in den letzten 20 Jahren zu einem leistungsstarken Motor im ASEAN-Raum ent-wickelt hat. „Die Mentalität hier ist, es wird gemacht – und zwar schnell“, erinnert sich Tilke an die eigenen Erfahrungen. Klingt beinahe nach urdeutschen Tugenden.

Architekt Hermann Tilke über den Marina Bay Street Circuit:

Herr Tilke, wie baut man mitten in einer Millionenmetropole eine Rennstrecke? Einen Stadtkurs zu entwickeln ist technisch eine große Heraus-forderung und gerade deshalb sehr reizvoll. Eine echte Sisyphus-arbeit, schließlich kann ich kein Haus wegreißen, nur weil ich eine längere Gerade will. Wir hatten rund 1.000 kleine Baustellen identifiziert, an denen Infrastruktur-Veränderungen vorgenom-men werden mussten: Zum Beispiel war es notwendig, Ampelan-lagen oder Bordsteine zu versetzen, Straßen zu verbreitern oder Auslaufzonen einzurichten.

War von Anfang an klar, dass der Kurs zu realisieren ist?Als 2005 die Stadtverwaltung von Singapur mit dem Wunsch auf uns zukam, eine eigene Formel-1-Strecke zu bekommen, haben wir eine Machbarkeitsstudie erstellt. Wir haben verschiedene Streckenführungen getestet, jede Kurve in der Stadt angesehen. Am Ende haben wir uns für das Hafengebiet entschieden, weil der Kurs die geringsten Auswirkungen auf den Stadtverkehr hatte und Singapur von seiner schönsten Seite zeigt. 2007 begannen die Baumaßnahmen, im September 2008 fand das erste Formel-1- Rennen statt.

Singapur ist ein Hochgeschwindigkeitskurs. Wie sind über 300 Stundenkilometer in der Stadt möglich?Stimmt, diese Hochgeschwindigkeitspassagen sind in einer Stadt ungewöhnlich. Ein Vorteil war, dass die Straßen in Singapur schon vorher sehr breit ausgebaut waren. Aber der Kurs hat auch 23 Kurven, mehr als jedes andere Formel-1-Rennen. Insofern ist Singapur die perfekte Mischung: technisch schwierig, schnell und damit ohne Ruhepause für Motoren und Fahrer.

Singapur ist auch das einzige Nachtrennen der Formel 1. Mussten Sie dafür anders planen?Unsere Planungen waren bereits sehr weit gediehen, als Bernie Ecclestone und Colin Syn, der Chairman des Grand Prix, diese Idee hatten. Das war für uns kein Problem, die Flutlichtmasten mussten sich dann eben an die Strecke anpassen. Ecclestone wollte immer schon ein Flutlichtrennen, weil die Atmosphäre sehr speziell ist. In Singapur macht das Sinn, weil es tagsüber viel zu heiß ist, um sich auf eine Tribüne zu setzen.

In diesem Jahr fand bereits der neunte Grand Prix in Singa-pur statt. Mercedes-Pilot Nico Rosberg gewann zum ersten Mal und hat nun große Chancen auf seinen ersten WM-Titel. Wie haben Sie die Stimmung erlebt?Es war ein beeindruckendes Rennen von ihm, zumal man Singapur nur gewinnen kann, wenn man keine Fehler macht. Der Grand Prix hat in den letzten Jahren einen Rennsport-Boom in Asien ausgelöst. Die Stadt lebt die Formel 1. Alles, was in Politik und Gesellschaft Rang und Namen hat, kommt zum Rennen. Ich würde sagen, Singapur ist derzeit der angesagteste Hotspot der Formel 1.

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Marina Bay Sands Hotel

M Y P O I N T O F V I E W

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Studie:

Asien-Insider unter

den deutschen Mittelständlern

sichern sich

globale Marktposition

Logistik, Maschinenbau, Hochfrequenztechnik: Deutschlands Mittelstand ist in vielen Branchen stark und nimmt auf dem Welt-markt eine führende Stellung ein. Um diese Position zu behaupten, sei es laut Unternehmensberater Prof. Dr. Bernd Venohr wichtig, die Wertschöpfungskette international zunehmend zu lokalisie-ren. Das gelte insbesondere für Asien, eine Region, auf die in den kommenden fünf Jahren fast 50 Prozent des Wachstums der Welt-wirtschaft entfallen. Etwa 1.300 von insgesamt weltweit rund 2.700 sogenannten Hidden Champions befinden sich in Deutschland (Quelle: Simon Kucher & Partners, 2012) – ein Anteil von 48 Prozent! Der Begriff ist durch drei Kriterien definiert: Erstens muss das Unter-nehmen zu den Top Drei im Weltmarkt gehören oder die Nummer eins auf seinem Kontinent sein. Zweitens hat es einen Umsatz von weniger als fünf Milliarden Euro. Und drittens sollte der Bekannt-heitsgrad allgemein niedrig sein, was allerdings gar nicht schwer ist, denn tatsächlich werden die „versteckten Sieger“ neben den großen Konzernen oft gar nicht wahrgenommen. Doch sie ballen in Deutschland mit etwa zwei Billionen Euro Jahresumsatz eine enorme Wirtschaftskraft. Ihre hohe Innovationsfähigkeit, die ausgeprägte Kundennähe und ihr Spezialisierungsgrad sind aus-schlaggebend für ihren Erfolg – aber auch ihre internationale Ausrichtung. Die Hidden Champions sind heute im Schnitt mit gut 30 eigenen Tochtergesellschaften in ihren Zielmärkten vertre-ten. Trotz ihrer nur mittleren Größe sind sie echte Global Player.

DEN NÄCHSTEN SCHRITT WAGEN

Prof. Dr.Bernd Venohr

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Einen zweiten Heimatstandort in Asien aufbauenEiner der wichtigsten Märkte für sie ist Asien. „Der durchschnitt-liche Anteil des Kontinents an ihrem Gesamtumsatz liegt heute schon bei 20 Prozent und ist damit höher als bei den Dax-Kon-zernen mit 16 Prozent Anteil“, sagt Prof. Dr. Bernd Venohr. Er ist Unternehmensberater, Wirtschaftsprofessor und Strategiespe-zialist in der Entwicklung und Umsetzung von Erfolgsstrategien für familiengeführte Weltmarktführer. Allerdings sollten viele mittelständische Unternehmen angesichts eines sich verändern-den wirtschaftlichen Umfelds und sich verschärfenden Wettbe-werbs in Asien eine andere Gangart einlegen, ist Venohr über-zeugt. „Sie müssen echte Asien-Insider werden, indem sie vor Ort Forschung und Entwicklung, eine entsprechende Produktion und einen zweiten Heimatstandort aufbauen“, betont er. „Um ihre global führende Position im Markt zu verteidigen, wird es entscheidend für diese Unternehmen sein, dass sie ihre Präsenz in Asien ausbauen und Innovation vorantreiben.“

Mut zur Produktion, Forschung und EntwicklungVenohr bezieht sich dabei auf die Studie „German Mittelstand Champions in Asia – Catching the Next Wave of Growth“, die er im Auftrag des Singapore Economic Development Board (EDB) zusammen mit Prof. Dr. Gert Bruche, Professor für internatio na-les Management an der HWR Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, konzipiert, durchgeführt und Ende 2015 vorgestellt hat. Die Studie liefert Erkenntnisse über strategische und strukturelle Entscheidungen von Managern und Unternehmern des deutschen Mittelstandes. Aus einer gezielten Befragung von 82 Topführungs-kräften und 22 Tiefeninterviews leiteten die Autoren ihre Ergeb-nisse ab, die sie in einem Whitepaper zur Verfügung stellen. Das White paper ist für Interessierte über die Website des EDB unter www.singaporebusiness.de verfügbar.56 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen wollen demnach bis 2018 in Asien auf ein Umsatzwachstum von mehr als zehn Prozent kommen. Sie konzentrieren sich allerdings noch sehr stark darauf, Vertriebs- und Servicefunktionen aufzubauen. Ihre Produktions- sowie entscheidende Forschungs- und Entwick-lungsaktivitäten ebenfalls in Asien anzusiedeln, ist vielen noch zu gewagt. „Dieser vorsichtige Ansatz dürfte aber nicht ausrei-chen“, kommentiert Professor Venohr. „Sie müssen über den Tellerrand ihres traditionell exportorientierten Erfolgsmodells hinausblicken, um ihre Ziele zu erreichen.“

Asiatische Unternehmen konkurrieren in mittleren MarktsegmentenLaut Studie werden in vielen Industrie- und B2B-Branchen auf absehbare Zeit die mittleren Marktsegmente die größten und am schnellsten wachsenden Märkte Asiens sein. Während die meisten deutschen Mittelstandsunternehmen sich weiterhin auf Pre mium-segmente konzentrieren, haben sich viele neue asiatische Unter-nehmen, die einst in den unteren Segmenten starteten, zu ernsthaf-ten Wettbewerbern um mittlere Marktsegmente entwickelt. „Diese Segmente werden eine Schlüsselrolle beim Kampf um die globale Marktführerschaft einnehmen“, erklärt Prof. Dr. Gert Bruche.

„Duales Geschäftsmodell“: Innovation in der Region für die RegionVenohr und Bruche empfehlen deshalb das „duale Geschäfts-modell“: Sie legen deutschen mittelständischen Unternehmen nahe, in der Region eine voll integrierte Geschäftseinheit für den asiatischen Markt zu schaffen, wo die notwendigen selbstständi-gen Entscheidungen getroffen werden können, um „ausreichend gute“ Produkte und Dienstleistungen für das mittlere Marktseg-ment zu entwickeln. „Innovation in der Region für die Region ist der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg“, so Venohr. Um diesen Prozess zu beschleunigen, haben einige namhafte „Champions“ wie Trumpf und Claas lokale Wettbewerber erworben, die das mittlere Marktsegment gezielt unter einer eigenen Marke bearbeiten.

Singapur beliebtester StandortSingapur ist bei deutschen Mittelstandsunternehmen der belieb-teste Ort für den Aufbau von Repräsentanzen, Tochtergesell-schaften oder Joint Ventures, wie die Studie ebenfalls zeigt. Der Stadtstaat landet auch auf dem obersten Rang bei regionalen Hauptsitzen. Die befragten Unternehmen betonten die Verfüg-barkeit von hoch qualifizierten und kulturell vielfältigen Ingeni-euren und wissenschaftlichen Mitarbeitern, ein starkes Netz von weltweit führenden Hochschulen sowie staatlich geförderten Forschungseinrichtungen und einen hervorragenden Schutz des geistigen Eigentums als entscheidende Vorteile für Forschung und Entwicklung in Singapur. Ein weiterer wichtiger Pluspunkt im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern ist die Mitarbeiter-loyalität. Befragte Unternehmen gaben an, in Singapur viel höhere Raten bei der Mitarbeiterbindung zu haben als beispielsweise in China oder Indien.

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ABRATWURST FÜR ALLE –BROTZEIT /

DIE ANDROIDEN-KÖNIGIN –PROF. NADIA THALMANN / BOSCH BAUT AUS / U. V. M.

Ausblick nächste Ausgabe

Page 72: SingaPur Magazin_issue #1

Impressum

HerausgeberSingapore Economic Development Board/EDBDr. An Wee MooBleichstraße 4560313 Frankfurt am Main

–AutorenRüdiger Stettinski, Alexander Nebe, Jan Willms, Helge Denker, Andreas Henke

–AgenturHavas DeutschlandKaiserswerther Straße 13540474 Düsseldorf

–© 2016Singapore Economic Development Board250 North Bridge Road#28-00 Raffles City TowerSingapore 179101

–Fragen zum Magazin:[email protected]

–Bildnachweise© Tristan Rösler – Cover © Marko Seifert – S. 2, 7, 9, 12–29, 35, 46, 56–57, 58–65, 66–67, 70–71 © nuTonomy – S. 10© Getty Images/iLexx – S. 11 © BVB/Alexandre Simoes – S. 6, 8 © Fraunhofer – S. 30–31© EDB Singapore – S. 32–33, 50–51, 55, 68–69 © ASA Selection – S. 36–37, 40, 43© Nils Hasenau – S. 38–39 (rechts)© Wolfgang Stahr – S. 41, 42© Getty Images/Mohd Rasfan – S. 52–55

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Der „MERLION“ ist nicht nur das Wahrzeichen Singapurs, sondern auch Schutzpatron und Maskottchen der Stadt.

„MERLION“ ist ein Kunst wort, das sich aus den Worten MERmaid (Meerjungfrau)

und LION (Löwe) zusammen-setzt. Die Sagengestalt ist

eine Mischung aus Löwe und Fisch: Der Löwenkopf steht für Stärke und Furchtlosig-

keit, während der Fisch-körper die Verbundenheit mit

dem Meer symbolisiert.

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