steuerung der bauteilerschöpfung im flexibilisierten … · 2020. 7. 28. · konforme vorgehen...

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VGB PowerTech - All rights reserved - Alle Rechte vorbehalten - © 2020 35 Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten Kraftwerksbetrieb VGB PowerTech 6 l 2020 Autor Abstract Control of component fatigue in flexible power station operation Realistic mapping of fatigue in components exposed to cyclic load As the output of renewable sources of energy is inevitably volatile, massive fluctuations in en- ergy feed-in must be offset to ensure grid stabil- ity. To do so, thermal power stations are oper- ated more flexibly. However, this exposes pres- surised components to higher loads, which in turn increases the risk of failure and unsched- uled plant shutdowns. On the other hand, many plant managers with an eye to the cyclic loads acting on components are uncertain whether operations can bear greater flexibility. Given this, operators need a method that realis- tically maps component fatigue in past opera- tion, to enable them to take early countermeas- ures without being forced to act too early by theoretical fatigue values calculated at unreal- istically high levels. An ideal method allows reli- able forecasts to be made for future operations and proposes a suitable mode of operation, which enables the fatigue reserves of the rele- vant components to be utilised without compro- mising on plant safety and availability. The basic requirement for such a method is realistic determination of component fatigue in compli- ance with the relevant standards. TSE is a com- puter program that provides the answer to this complex challenge. The program calculates temperature distribution in the component wall, and thus the progress of fatigue, by means of the temperature profile measured on the inte- rior or exterior of the component. A separate module then delivers “what-if analyses” that enable the future development of component fatigue to be controlled and supports configura- tion of improved operational transients. l Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten Kraftwerksbetrieb Lebensdauer wechselbelasteter Bauteile realitätsnah ermitteln Franz Binder Dipl.-Ing. Franz Binder Gruppenleiter Rohrleitungssysteme und Lebensdaueranalysen TÜV SÜD Industrie Service GmbH Geschäftsfeld Energie und Systeme Kraftwerks- und Komponententechnik Rohrleitungssysteme und Lebensdaueranalysen München, Deutschland Einleitung Aufgrund der hohen Volatilität des aus er- neuerbaren Energien erzeugten Stroms sind zur Sicherstellung der Netzstabilität teils erhebliche Einspeiseschwankungen zu kompensieren. Thermische Kraftwerke werden daher viel flexibler und außerhalb des ursprünglichen Designs betrieben, um am Regelenergiemarkt teilnehmen zu kön- nen und den Übertragungsnetzbetreibern bei Leistungsengpässen positive Regel- energie zur Verfügung zu stellen. Ur- sprünglich für eine Grundlastfahrweise konzipiert, verschiebt sich dadurch der Be- trieb stärker in Richtung eines dynami- schen Mittel- und Spitzenlastbetriebs, wo- bei aber nicht selten auch Mindestlastbe- trieb gefahren werden muss. Bei der ursprünglichen Auslegung der Anlagen wurde ein derartiges Betriebsszenario in der Regel nicht berücksichtigt. Die Flexibi- lität im Leistungsangebot und die damit einhergehenden veränderten Fahrweisen führen zu einer wachsenden Anzahl und einer schärferen Ausprägung der Betrieb- stransienten. Im Zuge dessen wächst auch die Gefahr für ermüdungsbedingte Bauteil- schäden. In den Anlagen betroffen sind medienführende Bauteile und Formstücke des Wasser-Dampf-Kreislaufs, wie sie zum Beispiel in Kesseln, Kühlern, Sammlern, Trommeln oder Überhitzern verbaut sind. Von Bedeutung ist auch, dass als Begleiter- scheinung des flexibilisierten Anlagenbe- triebs mit modifizierten An- und Ab- fahrtransienten sowie veränderten Be- triebspunkten nicht selten unterlagerte Belastungstransienten auftreten, die in dieser Form in den Auslegungsberechnun- gen ebenfalls nicht unterstellt wurden. Bei- spielsweise stellen sich mitunter aufgrund ungünstiger Regelungsparameter in der Dampfkühlung insbesondere bei Niedri- glast-Bedingungen höherfrequente Belas- tungswechsel ein, die bei Nicht-Erkennung auch in verhältnismäßig kurzen Zeiträu- men ermüdungsbedingte Anrisse an der Bauteil-Innenoberfläche hervorrufen kön- nen. Aus der Analyse der Belastungssituation im flexibilisierten Betrieb mit einem dafür ge- eigneten Werkzeug kann gefolgert werden, ob aus Sicht der Erschöpfung Belastungs- phänomene vorliegen, die vermieden wer- den sollten und ob ein akzeptabler Er- schöpfungsfortschritt vorhanden ist. Dar- auf aufbauend können dann für den zukünftigen Betrieb die Betriebsparameter neu eingestellt werden, um die möglichen Flexibilisierungsschritte zu planen. Auf diese Weise können die vorhandenen Er- schöpfungspotenziale der Bauteile identifi- ziert werden. Das Ziel muss damit nicht sein, die Bauteilerschöpfung so klein wie möglich zu halten, sondern entsprechend der gegebenen Ausnutzungspotenziale eine gesteuerte Bauteilerschöpfung herzu- stellen. Zu diesem Zweck können voraus- schauende „Was-wäre-wenn-Analysen“ durchgeführt werden, bei denen für verän- derte Betriebstransienten der entsprechen- de Fortschritt in der Bauteilausnutzung berechnet wird. Mechanismen der Erschöpfung Die relevanten Schädigungsmechanismen an drucktragenden Bauteilen des Wasser- Dampf-Kreislaufs sind Kriechen und Ermü- dung, in den Regelwerken auch als Zeit- standerschöpfung und Wechselerschöp- fung bezeichnet. Die Gesamterschöpfung ist dabei die Kombination der beiden An- teile. Während Kriechen auch bei stati- schen Belastungen auftritt und auf der Be- lastungsseite von Temperatur und Innen- druck abhängt, entsteht Ermüdung bei Belastungswechseln, also Druck- und Tem- peraturveränderungen. Bei Temperatur- wechseln steigt der Ermüdungszuwachs mit der Temperatur-Änderungsgeschwin- digkeit. Dies liegt daran, dass mit der Steil- heit einer Temperaturtransiente aufgrund der begrenzten Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffs ein zunehmend großes Tempe- raturdelta innerhalb der Bauteilwand ent- steht, welches eine mechanische Spannung erzeugt (B i l d 1 ). Regelwerk lässt Spielraum Eine Schwierigkeit bei der Sicherstellung des für die Bauteilintegrität unkritischen Erschöpfungszustandes besteht darin, dass in den einschlägigen Regelwerken für die

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    Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten KraftwerksbetriebVGB PowerTech 6 l 2020

    Autor

    Abstract

    Control of component fatigue in flexible power station operation

    Realistic mapping of fatigue in components exposed to cyclic load

    As the output of renewable sources of energy is inevitably volatile, massive fluctuations in en-ergy feed-in must be offset to ensure grid stabil-ity. To do so, thermal power stations are oper-ated more flexibly. However, this exposes pres-surised components to higher loads, which in turn increases the risk of failure and unsched-uled plant shutdowns. On the other hand, many plant managers with an eye to the cyclic loads acting on components are uncertain whether operations can bear greater flexibility. Given this, operators need a method that realis-tically maps component fatigue in past opera-tion, to enable them to take early countermeas-ures without being forced to act too early by theoretical fatigue values calculated at unreal-istically high levels. An ideal method allows reli-able forecasts to be made for future operations and proposes a suitable mode of operation, which enables the fatigue reserves of the rele-vant components to be utilised without compro-mising on plant safety and availability. The basic requirement for such a method is realistic determination of component fatigue in compli-ance with the relevant standards. TSE is a com-puter program that provides the answer to this complex challenge. The program calculates temperature distribution in the component wall, and thus the progress of fatigue, by means of the temperature profile measured on the inte-rior or exterior of the component. A separate module then delivers “what-if analyses” that enable the future development of component fatigue to be controlled and supports configura-tion of improved operational transients. l

    Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten KraftwerksbetriebLebensdauer wechselbelasteter Bauteile realitätsnah ermitteln Franz Binder

    Dipl.-Ing. Franz BinderGruppenleiter Rohrleitungssysteme und Lebensdaueranalysen TÜV SÜD Industrie Service GmbH Geschäftsfeld Energie und Systeme Kraftwerks- und Komponententechnik Rohrleitungssysteme und Lebensdaueranalysen München, Deutschland

    Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten Kraftwerksbetrieb

    Einleitung

    Aufgrund der hohen Volatilität des aus er-neuerbaren Energien erzeugten Stroms sind zur Sicherstellung der Netzstabilität teils erhebliche Einspeiseschwankungen zu kompensieren. Thermische Kraftwerke werden daher viel flexibler und außerhalb des ursprünglichen Designs betrieben, um am Regelenergiemarkt teilnehmen zu kön-nen und den Übertragungsnetzbetreibern bei Leistungsengpässen positive Regel-energie zur Verfügung zu stellen. Ur-sprünglich für eine Grundlastfahrweise konzipiert, verschiebt sich dadurch der Be-trieb stärker in Richtung eines dynami-schen Mittel- und Spitzenlastbetriebs, wo-bei aber nicht selten auch Mindestlastbe-trieb gefahren werden muss. Bei der ursprünglichen Auslegung der Anlagen wurde ein derartiges Betriebsszenario in der Regel nicht berücksichtigt. Die Flexibi-lität im Leistungsangebot und die damit einhergehenden veränderten Fahrweisen führen zu einer wachsenden Anzahl und einer schärferen Ausprägung der Betrieb-stransienten. Im Zuge dessen wächst auch die Gefahr für ermüdungsbedingte Bauteil-schäden. In den Anlagen betroffen sind medienführende Bauteile und Formstücke des Wasser-Dampf-Kreislaufs, wie sie zum Beispiel in Kesseln, Kühlern, Sammlern, Trommeln oder Überhitzern verbaut sind. Von Bedeutung ist auch, dass als Begleiter-scheinung des flexibilisierten Anlagenbe-triebs mit modifizierten An- und Ab-fahrtransienten sowie veränderten Be-triebspunkten nicht selten unterlagerte Belastungstransienten auftreten, die in dieser Form in den Auslegungsberechnun-gen ebenfalls nicht unterstellt wurden. Bei-spielsweise stellen sich mitunter aufgrund ungünstiger Regelungsparameter in der Dampfkühlung insbesondere bei Niedri-glast-Bedingungen höherfrequente Belas-tungswechsel ein, die bei Nicht-Erkennung auch in verhältnismäßig kurzen Zeiträu-men ermüdungsbedingte Anrisse an der Bauteil-Innenoberfläche hervorrufen kön-nen.Aus der Analyse der Belastungssituation im flexibilisierten Betrieb mit einem dafür ge-eigneten Werkzeug kann gefolgert werden,

    ob aus Sicht der Erschöpfung Belastungs-phänomene vorliegen, die vermieden wer-den sollten und ob ein akzeptabler Er-schöpfungsfortschritt vorhanden ist. Dar-auf aufbauend können dann für den zukünftigen Betrieb die Betriebsparameter neu eingestellt werden, um die möglichen Flexibilisierungsschritte zu planen. Auf diese Weise können die vorhandenen Er-schöpfungspotenziale der Bauteile identifi-ziert werden. Das Ziel muss damit nicht sein, die Bauteilerschöpfung so klein wie möglich zu halten, sondern entsprechend der gegebenen Ausnutzungspotenziale eine gesteuerte Bauteilerschöpfung herzu-stellen. Zu diesem Zweck können voraus-schauende „Was-wäre-wenn-Analysen“ durchgeführt werden, bei denen für verän-derte Betriebstransienten der entsprechen-de Fortschritt in der Bauteilausnutzung berechnet wird.

    Mechanismen der Erschöpfung

    Die relevanten Schädigungsmechanismen an drucktragenden Bauteilen des Wasser-Dampf-Kreislaufs sind Kriechen und Ermü-dung, in den Regelwerken auch als Zeit-standerschöpfung und Wechselerschöp-fung bezeichnet. Die Gesamterschöpfung ist dabei die Kombination der beiden An-teile. Während Kriechen auch bei stati-schen Belastungen auftritt und auf der Be-lastungsseite von Temperatur und Innen-druck abhängt, entsteht Ermüdung bei Belastungswechseln, also Druck- und Tem-peraturveränderungen. Bei Temperatur-wechseln steigt der Ermüdungszuwachs mit der Temperatur-Änderungsgeschwin-digkeit. Dies liegt daran, dass mit der Steil-heit einer Temperaturtransiente aufgrund der begrenzten Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffs ein zunehmend großes Tempe-raturdelta innerhalb der Bauteilwand ent-steht, welches eine mechanische Spannung erzeugt (B i l d 1 ).

    Regelwerk lässt Spielraum

    Eine Schwierigkeit bei der Sicherstellung des für die Bauteilintegrität unkritischen Erschöpfungszustandes besteht darin, dass in den einschlägigen Regelwerken für die

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    Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten Kraftwerksbetrieb VGB PowerTech 6 l 2020

    Ermittlung der Bauteilspannung und der resultierenden Erschöpfung unterschiedli-che Vorgehensweisen vorgegeben sind, die sich in ihrer jeweiligen Realitätsnähe stark voneinander unterscheiden. Erschöp-fungsanalysen können damit auf unter-schiedlichen regelwerkskonformen Wegen durchgeführt werden – was zur Folge hat, dass die Ergebnisse stark voneinander ab-weichen können und den realen Erschöp-fungszustand mehr oder weniger gut abbil-den. Vor diesem Hintergrund werden in den Kraftwerken sehr unterschiedliche Vorgehensweisen und Verfahren prakti-ziert. Nicht selten gibt es Berechnungen, die einem Bauteil eine weit fortgeschritte-ne Erschöpfung attestieren. Aber aufgrund der Unklarheit, wie realitätsnah dieser Er-schöpfungsnachweis tatsächlich ist, herrscht Unsicherheit darüber, wie mit den

    Ergebnissen umzugehen ist.

    Neue Belastungsarten einbeziehen

    Es kann sein, dass in der Vergangenheit eingesetzte Verfahren zur Erschöpfungsbe-rechnung aufgrund zwischenzeitlicher An-passungen des Regelwerks und fehlender Software-Qualifizierungen nicht mehr gül-tig sind. Grundsätzlich ist sicherzustellen, dass das eingesetzte Auswertesystem in der Lage ist, auch neue Belastungsarten, wie zum Beispiel hochfrequente Temperaturos-zillationen korrekt auszuwerten.

    Überwachen und rechtzeitig gegensteuern

    Die Verfolgung der Bauteillebensdauer der kritischen Bauteile ist in der Betriebssi-cherheitsverordnung (BetrSichV) geregelt. Durch die variablen Fahrweisen wird die Lebensdauerüberwachung nicht nur er-schwert, sondern gewinnt zusätzlich an Bedeutung. Denn die möglichst realitäts-nahe Kenntnis des Erschöpfungszustands wird zum entscheidenden Faktor, wenn es darum geht, das Potenzial der Anlage für eine weitere Flexibilisierung des Betriebs ausweisen zu können und ist damit auch wesentlicher Baustein einer gezielten und effizienten Wartungsstrategie.In der Praxis oft nicht ausreichend berück-sichtigt ist, dass sich die Folgen der durch die Wechselbeanspruchung getriebenen Materialermüdung primär an den Inneno-berflächen der Bauteile zeigen (insbeson-

    dere Wanddickenübergänge, Kanten und Störstellen), die mit den eingesetzten ZfP-Verfahren schwer zu prüfen sind. Dies ist ein wichtiger Unterschied zum Erschöp-fungsmechanismus Kriechen, bei dem die gesamte Wand in gleicher Weise geschä-digt wird und der Erschöpfungsstatus so-mit auch über eine zerstörungsfreie Prü-fung der Außenoberfläche beispielsweise über Gefügeabdrücke ermittelt werden kann. Mit den ZfP-Verfahren lässt sich das Schädigungsgeschehen darüber hinaus erst zu einem sehr späten Zeitpunkt erken-nen, nämlich erst dann, wenn bereits ein Anriss vorliegt. Als Folge davon wächst das Risiko für Schäden, obwohl man vielfach davon ausging, mit ZfP sicher vorgesorgt zu haben. Eine realitätsnahe rechnerische Ermittlung der Bauteilerschöpfung ist da-mit das Mittel der Wahl, um das Risiko zu minimieren. Das bietet Betreibern die Chance, rechtzeitig gegenzusteuern und früh genug kostengünstige Maßnahmen umzusetzen.

    Erschöpfung mit TSE berechnen

    Mit dem von TÜV SÜD Industrie Service entwickelten Berechnungsprogramm TSE kann auf Basis der Druck- und Temperatur-verläufe die Gesamterschöpfung eines Bauteils als Summe aus Zeitstand- und Wechselerschöpfung ermittelt werden. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken München (SWM) entwickelt und von der Technischen Uni-versität Dresden validiert. Es nutzt regel-werksspezifische Algorithmen in gekapsel-ten Routinen und ist zu 100 % konform mit

    Hohe Bauteilbelastungaufgrund hoherTemperaturunterschiede

    Schnelle Kalt/Warm-Einspeisungen

    Bild 1. Temperaturverteilung in der Bauteil-wand bei schnellen Kalt/Warm- Einspeisungen (Bildquelle: TÜV SÜD).

    RückwärtsExtrapolation

    nein

    nein

    ja

    ja

    Messdaten ausAuswertezeitraum

    GesamtedrucktragendeBauteile

    Auswahlbauteilefür Lebensdauer-

    berechnung

    Berechnung desErschöpfungsfortschrittes

    im Auswertezeitraum

    jährlich

    AufsatzpunktVor-Erschöpfung

    vorhanden?

    Berechnung desErschöpfungsfortschrittes

    der Vorzeiträume

    Summation zur aktuellenGesamterschöpfung

    Abbildung des Bauteils:e.g. Werkstoff, Konstruktion

    Festlegung anzuwendendesRegelwerk (TRD301/3/508)bzw. DIN EN 12952-3/-4

    jährlich

    Frühere Datenvorh./auswertbar?

    Ergebnisbericht mit- Erschöpfungszustand- Ergebnisdokumentation- Bauteilsteckbrief - Maßnahmenempfehlungen

    Bild 2. Vorgehensweise bei einer Offline-Lebensdauerberechnung (Bildquelle: TÜV SÜD).

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    Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten KraftwerksbetriebVGB PowerTech 6 l 2020

    den Codes und Standards. Die Ergebnisbe-richte stellen damit einen verlässlichen Le-gal Compliance Report dar.Neben den gemessenen Belastungsdaten benötigt die Software als Eingabe Geomet-rie- und Materialdaten. In der Analyse wird für den gesamten Auswertezeitraum – der auch Jahrzehnte umfassen kann – über eine integrierte instationäre Temperatur-feldberechnung für jeden Zeitpunkt die nichtlineare Temperaturverteilung über der Bauteilwand für ein dichtes Wand-Stützstellennetz berechnet. Für viele Be-treiber ist dabei interessant, dass das Pro-gramm auch auf der Bauteilaußenseite ge-messene Temperaturen verarbeiten kann. Damit müssen nicht zwangsläufig aufwän-dige Innenwand-, Medium- oder gar Delta T-Messungen mit Erfassung der Wandmit-tentemperatur zur Verfügung stehen. Auch temporäre Messungen können damit in die Berechnungen einbezogen werden, um schnell einen Überblick über die Belas-tungssituation an einer bestimmten Stelle zu bekommen.Die Analyse der Daten ist für die deutschen Anlagen ausgerichtet auf das regelwerks-konforme Vorgehen gemäß TRD 301/303 und DIN EN 12952. Der Nachweis, dass die Bauteilerschöpfung unterhalb der Schwel-lenwerte nach DIN EN beziehungsweise TRD liegt wird dabei mit einer paketweisen Offline-Auswertung der gemessenen und gespeicherten Daten erbracht. Die Auswer-tezeitpunkte der Offline-Lebensdauerbe-rechnung sollten sich an den zuletzt ermit-telten Erschöpfungsgraden und der Anla-gen-Fahrweise orientieren. TÜV SÜD empfiehlt einen jährlichen Offline-Auswer-tezyklus, damit neue Belastungsphänome-ne ausreichend früh in die Bewertung ein-fließen können. Besonders bei der im ers-ten Schritt stattfindenden Bestandsauf- nahme der auftretenden Belastungen hat die Offline-Auswertung klare Vorteile, denn in der Gesamtschau eines längeren zusammenhängenden Zeitraumes können Belastungsmuster erkannt werden. Im Be-rechnungsprogramm sind hierfür entspre-chende Muster-Erkennungsroutinen imple-

    mentiert. Damit lassen sich kritische Las-tereignisse zuverlässig zuordnen und es können soweit notwendig belastungsmin-dernde Anpassungen der Fahrweise veran-lasst werden. Im zweiten Schritt werden die aktuellen Stände in der Gesamterschöp-fung der Bauteile ermittelt (B i l d 2 ). Zu-sätzlich wird jetzt das zu diesem Zeitpunkt vorliegende Erschöpfungspotenzial der Bauteile angegeben. Damit ist bekannt, welche Lastwechselreserven vorhanden sind und in welchem Umfang weitere Än-derungen der Blockfahrweise realisiert

    werden können. In einem möglichen drit-ten Schritt wird für neu konfigurierte Transienten der daraus resultierende Er-schöpfungsfortschritt berechnet und mit den bereits aufgetretenen Erschöpfungs-graden aus dem bisherigen Betrieb akku-muliert. Auf diese Art können optimierte Transienten definiert werden, mit de-nen  eine gleichmäßige Nutzung der Er-schöpfungspotenziale gegeben ist und zu-gleich die Gesamterschöpfung im unkriti-schen Bereich bleibt. Der grundlegende Ansatz des Berechnungsprogramms ist

    Erschöpfungszustand(Ermüdung und Kriechen)

    Zulässige Erschöpfung nach Regelwerk TRD/DIN/ASME

    ZusätzlichesErschöpfungs-Potential

    Konservativ berechneteErschöpfung

    Realitätsnah berechneteErschöpfung mit TSE

    Zeit

    Gesteuerte Entwicklungdurch was-wäre-wennAnalysen

    Bild 3. Gesteuerte Erschöpfungsentwicklung auf Basis realitätsnaher Analysen (Bildquelle: TÜV SÜD).

    Resultierende Wand-Temperaturdifferenz bei beschleunigtem Transientenverlauf

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    -100

    Was-wäre-wenn Analyse (Postulat)

    3-fachbeschleunigtesAnfahren

    Ermüdung0,07 %

    Gemessene Anfahrtransiente

    Original-Anfahren

    Ermüdung0,014 %

    Innentemperatur

    Berechnete Aussentemperatur

    Berechnete Wandmitteltemperatur

    3 Stunden1 Stunde

    Berechnete Differenz Innentemperatur-Wandmitteltemperatur

    -85 K Faktor 1,6 -53 K

    Bild 4. Simulation und Was-wäre-wenn-Analyse eines Betriebsszenarios mit 3-fach beschleunigter Anfahrtransiente und daraus resultierende Bauteilerschöpfung (Bildquelle: TÜV SÜD).

    Risiko

    Betrieb nachAuslegung

    Betrieb seitEnergiewende

    Belastung nachAuslegungs-kollektiv

    FluktuierendeBelastung

    Standard-lnstandhaltung

    Auswertungvon Schäden

    RealitätsnahesErschöpfungsmonitaringErschöpfungsgesteuerteFahrweisenoptimierung

    Risiko für Schädenohne angepasstesMonitoring undangepassteInstandhaItung

    Risiko für Schädenbei angepasstemMonitoring undangepassterInstandhaltung

    TSE

    Bild 5. Verlauf des Schadensrisikos bei belasteten Kraftwerksbauteilen ohne und mit durch TSE angepasste Überwachung und Instandhaltung (Bildquelle: TÜV SÜD).

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    Steuerung der Bauteilerschöpfung im flexibilisierten Kraftwerksbetrieb VGB PowerTech 6 l 2020

    damit die maximale Realitätsnähe bei gleichzeitiger Vermeidung von zusätzli-chen Sicherheiten, die physikalisch nicht begründet sind und von den Regelwerken nicht gefordert werden. Das Programm kann auch für einzelne Bauteile eingesetzt werden.

    Erschöpfungsgrad realitätsnah abbilden

    TSE verwendet dabei zum Beispiel nicht die Wandmittentemperatur, sondern die physikalisch korrekte integrale mittlere Wandtemperatur. Denn bei Verwendung der Wandmittentemperatur wird ein über-höhtes ΔT berechnet, mit dem bis zu 50 % höhere Erschöpfungsgrade ermittelt wer-den. Dies ist ein Beispiel dafür, dass durch eine konsequente realitätsnahe Berech-nung gegenüber konservativeren Verfah-ren das Phänomen der „scheinbaren Er-schöpfung“ vermieden beziehungsweise abgebaut werden kann. Dies ist notwendig, um weitere Flexibilisierungsschritte be-gründet einzuleiten (B i l d 3 ).

    Was-wäre-wenn-Analyse deckt Potenziale auf

    Mit Was-wäre-wenn-Analysen kann aufge-zeigt werden, ob aus Sicht der Bauteiler-

    schöpfung auch schnellere und häufigere Betriebstransienten möglich wären. Die Vorgehensweise ist dabei so, dass beschleu-nigte Betriebstransienten postuliert wer-den und dann berechnet wird, ob mit die-ser neuen Belastungssituation die zu er-wartende Gesamt-Bauteilerschöpfung in zulässigen Grenzen bleibt. B i l d 4 zeigt das Beispiel mit einer beschleunigten An-fahrtransiente. Die Originaltransiente (rechts im Bild) wurde um den Faktor 3 beschleunigt (links im Bild). Das Ergebnis: Die Temperaturdifferenz über der Bauteil-wand und damit auch die resultierende Vergleichsspannung steigt um den Faktor 1,6. Für die Ermüdung bedeutet dies eine Steigerung um den Faktor 5. Da aber der Ermüdungs-Absolutwert auch mit 3-fach beschleunigtem Anfahren immer noch sehr klein ist, wurde in diesem Fall die Um-stellung auf eine beschleunigte Anfahrtran-siente empfohlen.

    Risiko für Schäden drastisch gesenkt

    Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen fällt das Risiko für Schäden und Einschränkun-gen der Verfügbarkeit in der Anlage signifi-kant niedriger aus (B i l d 5 ). Ein interes-santer Aspekt ist, dass bei kontinuierlichem Einsatz des Programms die erschöpfungs-

    kritischen Bauteile des Kraftwerks durch den Versicherungskonzern Münchener Rück (Munich Re) über ein spezielles Ver-sicherungspaket gegen das Risiko eines Bauteilausfalls abgesichert werden kön-nen. Das ohnehin kleinere Schadensrisiko bedingt durch die aufgezehrte Lebensdau-er eines Bauteils liegt damit nicht mehr beim Kraftwerksbetreiber.

    Zusammenfassung

    Für die Lebensdauerberechnung medien-führender wechselbelasteter Bauteile des Wasser-Dampf-Kreislaufs steht mit TSE ein Auswerteprogramm zur Verfügung, mit dem der Erschöpfungszustand realitätsnah und regelwerkskonform ermittelt werden kann. Damit sind im Sinne einer voraus-schauenden Instandhaltung verlässliche Schädigungsdaten für gezielte und effizi-ente Inspektionsmaßnahmen vorhanden. Mit speziellen Analysetools wird die Zu-sammensetzung der Belastungen transpa-renter und es können bei Bedarf gezielte Maßnahmen zur Minderung des Erschöp-fungsfortschrittes ergriffen werden. Auf der anderen Seite wird das vorhandene Er-schöpfungspotenzial der Bauteile ausge-wiesen und mit Was-wäre-wenn-Analysen wird die Möglichkeit für weitere Flexibili-sierungsschritte aufgezeigt. l

    VGB Technical-Scientific Report

    VGB PowerTech Service GmbH Deilbachtal 173 | 45257 Essen |Germany Verlag technisch-wissenschaftlicher Schriften Fon: +49 201 8128-200 | Fax: +49 201 8128-302 | Mail: [email protected] | www.vgb.org/shop

    Recommendations for the operation and monitoring of boiler circulating pumps Based on extensive follow-up examina-tions relating to the damage event in 2014 Edition 2019 – VGB-TW 530 (German edition) and VGB-TW 530e (English Edition) DIN A4, 96 pages, price for VGB-mebers € 180.–, for non-VGB-member € 270.–, + postage and VATOn 12th May 2014 the pressure casing of a boiler circulating pump (BCP) in the hard coal-fired supercritical power station Staudinger, unit 5, failed which led to considerable damage in the power plant [1/1]. As is customary following such severe damage events, the topic was discussed by VGB PowerTech e. V. (VGB) – as the competent international association of power plant operators – who took up the topic, coordinated it and dealt with it within the scope of its responsibility. As a prompt reaction to the damage event, VGB distributed first information in the form of a newsletter in mid-June 2014, and in mid-July 2014 a concrete, detailed member information to the member companies [1/2]. The main task of VGB was pri-marily the coordination of measures on the plant operators side and the provi-sion of information. For this purpose, the working group (WG) “Boiler Circulation Systems” was installed. In addition to power plant operators and the manufacturer of the dam-aged BCP, members of this working group were or are NDT companies for the non-destructive testing of the affected components as well as representa-tives of the ac-cepted inspection body (ZÜS) in accordance with the German Ordinance on Industrial Safety and Health (BetrSichV). In addition to the Working Group “Boiler Circulation Systems”, specific topics were dealt with in affiliated ad-hoc working groups.- Ad-hoc WG “Process Engineering”- Ad-hoc WG “Calculation and periodic inspections”- Ad-hoc WG “Scope and method of inspection”The primary objective of the WG and the affiliated ad-hoc working groups was to avoid future damage events – such as the one that occurred on 12th May 2014 – to the best possible extent. The present document therefore describes the main lessons learned in the ad-hoc WG meet-ings in individual sections.

    * Access for eBooks (PDF files) is included in the membership fees for Ordinary Members (operators, plant owners) of VGB, www.vgb.org/en/vgbvs4om.html * Für Ordentliche Mitglieder des VGB ist der Bezug von eBooks im Mitgliedsbeitrag enthalten, siehe www.vgb.org/vgbvs4om.html

    VGB-TW 530e

    Technical-Scientific Report

    Recommendations for the operation and monitoring of boiler circulating pumps Based on extensive follow-up examinations relating to the damage event in 2014

  • VGB PowerTechContact: Gregor Scharpey Tel: +49 201 [email protected] | www.vgb.org

    The international journal for electricity and heat generation and storage. Facts, competence and data = VGB POWERTECH

    www.vgb.org/shop

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    Essen | Deutschland | 2019

    · 1990 bis 2019 · · 1990 bis 2019 ·

    Fachzeitschrift: 1990 bis 2019

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    ISSN 1435–3199 · K 123456 l International Edition

    Publication of VGB PowerTech e.V. l www.vgb.org

    The electricity sector at a crossroads The role of renewables energy in Europe

    Power market, technologies and acceptance

    Dynamic process simulation as an engineering tool

    European Generation Mix Flexibility and Storage

    1/2

    2012

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    ISSN 1435–3199 · K 123456 l Internationa

    l Edition

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    The electricity sector

    at a crossroads

    The role of renewables energy

    in Europe

    Power market, technologies and acceptance

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    European Generation Mix

    Flexibility and Storage

    1/2

    2012

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