stimulation peripherer nerven durch zeitlich veränderliche magnetfeldgradienten in der...

7
S.C. Faber · Institut für Radiologische Diagnostik, Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie Januar 1998 herausgegebene Richtlinie [2] (s. auch Beitrag in diesem Heft), legt neben Grenzwerten für die Anstiegs- steilheit der Gradienten, die im wesent- lichen im Einklang mit Werten anderer internationaler Gremien stehen, zusätz- lich sehr niedrige Richtwerte fest. Diese dürfen nur unter spezieller Überwa- chung und unter Verantwortung des Arztes überschritten werden. Diese Richtwerte werden im klinischen All- tag, vor allem bei neuen Aufnahme- techniken wie der Echoplanarbildge- bung (EPI), bereits häufig überschrit- ten, ohne daß es zu Komplikationen kommt. Eine strikte Einhaltung der Richtwerte hätte eine empfindliche Ein- schränkung der heute üblichen Unter- suchungstechniken zur Folge. Dieser Umstand veranlaßte das Bundesamt für Strahlenschutz u.a. dazu, die Richtlinie mit einer Präambel zu versehen, in wel- cher darauf hingewiesen wird, daß die Empfehlung zu gegebener Zeit, unter Einbeziehung neuer Erkenntnisse über biophysikalische Wirkungsmechanis- men der magnetischen Kernresonanz, überarbeitet werden soll. Dementspre- chend sollten die empfohlenen Richt- werte und Maßnahmen mehr als Leitli- nien denn als strikte Handlungsanwei- sung aufgefaßt werden. Weiterhin hat das Bundesamt für Strahlenschutz ein Forschungsprojekt vergeben, das u.a. dazu beitragen soll, die Kenntnislage Die Kernspintomographie gilt allge- mein als eine relativ unbedenkliche Un- tersuchungsmethode ohne bedeutsame gesundheitliche Risiken. Schon früh wurde aber erkannt, daß die wiederhol- te Anregung der Kernspins mit Hoch- frequenzpulsen zu einer Erwärmung des Körpers führen kann.Von verschie- denen nationalen und internationalen Gremien [2, 3, 7, 9, 13, 17, 18] wurden des- halb Grenzwerte für die spezifische Ab- sorptionsrate (SAR) eingeführt, die sich für die einzelnen Körperregionen ge- ringfügig unterscheiden und heute in jedem kommerziellen Gerät überprüft werden. Wegen der zunehmenden Nachfra- ge nach schnellen und gleichzeitig hochaufgelösten Bildgebungssequenzen wurden in den letzten Jahren von den meisten Geräteherstellern Gradienten- systeme entwickelt, mit denen die ma- ximale Amplitude der Magnetfeldgra- dienten innerhalb weniger 100 μs er- reicht werden kann. Diese schnellen Anstiegszeiten und hohen Amplituden der Magnetfeldgradienten erzeugen elektrische Wechselfelder im Körper, die ihrerseits eine Stromdichte erzeu- gen, die in einer Größenordnung liegen kann, periphere Nerven anzuregen. Wegen der unzureichenden Daten- lage zu Bioeffekten zeitlich schnell veränderlicher Magnetfelder wurden von verschiedenen Institutionen bisher recht strenge Grenzwerte für die er- laubte zeitliche Änderung der Magnet- feldgradienten empfohlen. Die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Dezember 1997 bekanntgegebene und vom Bundesministerium der Justiz im Der Radiologe 9·98 | 743 Sicherheitsaspekte Radiologe 1998 · 38:743–749 © Springer-Verlag 1998 Zusammenfassung Zielsetzung: Ziel dieser Arbeit ist es darzule- gen, warum es in der Magnetresonanztomo- graphie (MRT) zu einer Stimulation periphe- rer Nerven kommen kann und welche po- tentielle Gefahr damit verbunden ist. Bisheri- ge Erkenntnisse über Bioeffekte zeitlich schnell veränderlicher Magnetfeldgradien- ten, wie sie in der MRT zum Einsatz kommen, werden vorgestellt und diskutiert. Material und Methodik: Als Grundlage dienen aktuelle Arbeiten, in welchen über eine Nervenstimu- lation während einer MR-Untersuchung be- richtet wurde sowie Studien, die systema- tisch Grenzwerte für eine solche Stimulation untersuchten. Ergebnisse und Diskussion: Vergleicht man die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen, so erscheint es sinnvoll, die Stimulationsschwelle in Form der Gradien- tenamplitude festzulegen, da diese nur eine schwache Abhängigkeit von der Einwirkzeit des Reizes bzw. der Rampenzeit des Gradien- ten aufweist. Es bedarf weiterer Studien, um verläßliche Grenzwerte für die Stimulation peripherer Nerven in der MRT zu erhalten. Zusätzlich muß untersucht werden, wie die- se Erkenntnisse auf den Herzmuskel übertra- gen werden können, um letztlich einen sicheren Grenzwert für MRT-Untersuchun- gen festzulegen, der eine Stimulation des Herzens ausschließt. Schlüsselwörter Stimulation · Nerven · Magnetresonanz · Gradient · Magnetfeld Dr. S.C. Faber Institut für Radiologische Diagnostik – Radiologische Forschung, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15, D-81377 München& / f n - b l o c k : & b d y :

Upload: s-c

Post on 25-Aug-2016

216 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

S.C. Faber · Institut für Radiologische Diagnostik, Klinikum Großhadern der

Ludwig-Maximilians-Universität München

Stimulation peripherer Nervendurch zeitlich veränderlicheMagnetfeldgradienten in derMagnetresonanztomographie

Januar 1998 herausgegebene Richtlinie[2] (s. auch Beitrag in diesem Heft), legtneben Grenzwerten für die Anstiegs-steilheit der Gradienten, die im wesent-lichen im Einklang mit Werten andererinternationaler Gremien stehen, zusätz-lich sehr niedrige Richtwerte fest. Diesedürfen nur unter spezieller Überwa-chung und unter Verantwortung desArztes überschritten werden. DieseRichtwerte werden im klinischen All-tag, vor allem bei neuen Aufnahme-techniken wie der Echoplanarbildge-bung (EPI), bereits häufig überschrit-ten, ohne daß es zu Komplikationenkommt. Eine strikte Einhaltung derRichtwerte hätte eine empfindliche Ein-schränkung der heute üblichen Unter-suchungstechniken zur Folge. DieserUmstand veranlaßte das Bundesamt fürStrahlenschutz u.a. dazu, die Richtliniemit einer Präambel zu versehen, in wel-cher darauf hingewiesen wird, daß dieEmpfehlung zu gegebener Zeit, unterEinbeziehung neuer Erkenntnisse überbiophysikalische Wirkungsmechanis-men der magnetischen Kernresonanz,überarbeitet werden soll. Dementspre-chend sollten die empfohlenen Richt-werte und Maßnahmen mehr als Leitli-nien denn als strikte Handlungsanwei-sung aufgefaßt werden. Weiterhin hatdas Bundesamt für Strahlenschutz einForschungsprojekt vergeben, das u.a.dazu beitragen soll, die Kenntnislage

Die Kernspintomographie gilt allge-mein als eine relativ unbedenkliche Un-tersuchungsmethode ohne bedeutsamegesundheitliche Risiken. Schon frühwurde aber erkannt, daß die wiederhol-te Anregung der Kernspins mit Hoch-frequenzpulsen zu einer Erwärmungdes Körpers führen kann. Von verschie-denen nationalen und internationalenGremien [2, 3, 7, 9, 13, 17, 18] wurden des-halb Grenzwerte für die spezifische Ab-sorptionsrate (SAR) eingeführt, die sichfür die einzelnen Körperregionen ge-ringfügig unterscheiden und heute injedem kommerziellen Gerät überprüftwerden.

Wegen der zunehmenden Nachfra-ge nach schnellen und gleichzeitighochaufgelösten Bildgebungssequenzenwurden in den letzten Jahren von denmeisten Geräteherstellern Gradienten-systeme entwickelt, mit denen die ma-ximale Amplitude der Magnetfeldgra-dienten innerhalb weniger 100 µs er-reicht werden kann. Diese schnellenAnstiegszeiten und hohen Amplitudender Magnetfeldgradienten erzeugenelektrische Wechselfelder im Körper,die ihrerseits eine Stromdichte erzeu-gen, die in einer Größenordnung liegenkann, periphere Nerven anzuregen.

Wegen der unzureichenden Daten-lage zu Bioeffekten zeitlich schnellveränderlicher Magnetfelder wurdenvon verschiedenen Institutionen bisherrecht strenge Grenzwerte für die er-laubte zeitliche Änderung der Magnet-feldgradienten empfohlen. Die vomBundesamt für Strahlenschutz (BfS) imDezember 1997 bekanntgegebene undvom Bundesministerium der Justiz im

Der Radiologe 9·98 | 743

SicherheitsaspekteRadiologe1998 · 38:743–749 © Springer-Verlag 1998

Zusammenfassung

Zielsetzung: Ziel dieser Arbeit ist es darzule-

gen, warum es in der Magnetresonanztomo-

graphie (MRT) zu einer Stimulation periphe-

rer Nerven kommen kann und welche po-

tentielle Gefahr damit verbunden ist. Bisheri-

ge Erkenntnisse über Bioeffekte zeitlich

schnell veränderlicher Magnetfeldgradien-

ten, wie sie in der MRT zum Einsatz kommen,

werden vorgestellt und diskutiert. Material

und Methodik: Als Grundlage dienen aktuelle

Arbeiten, in welchen über eine Nervenstimu-

lation während einer MR-Untersuchung be-

richtet wurde sowie Studien, die systema-

tisch Grenzwerte für eine solche Stimulation

untersuchten. Ergebnisse und Diskussion:

Vergleicht man die Ergebnisse der einzelnen

Arbeitsgruppen, so erscheint es sinnvoll, die

Stimulationsschwelle in Form der Gradien-

tenamplitude festzulegen, da diese nur eine

schwache Abhängigkeit von der Einwirkzeit

des Reizes bzw. der Rampenzeit des Gradien-

ten aufweist. Es bedarf weiterer Studien, um

verläßliche Grenzwerte für die Stimulation

peripherer Nerven in der MRT zu erhalten.

Zusätzlich muß untersucht werden, wie die-

se Erkenntnisse auf den Herzmuskel übertra-

gen werden können, um letztlich einen

sicheren Grenzwert für MRT-Untersuchun-

gen festzulegen, der eine Stimulation des

Herzens ausschließt.

Schlüsselwörter

Stimulation · Nerven · Magnetresonanz ·

Gradient · Magnetfeld

Dr. S.C. FaberInstitut für Radiologische Diagnostik –

Radiologische Forschung, Klinikum Großhadern,

Marchioninistraße 15, D-81377 München&/fn-block:&bdy:

Page 2: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

S.C. Faber

Stimulation of peripheral nerves by timevarying magnetic field gradients duringmagnetic resonance tomography

Summary

Purpose: The objective of this study is to ex-

plain how peripheral nerves can be stimulat-

ed by magnetic resonance imaging (MRI)

and to describe the associated potential risk.

Present knowledge on the bioeffects of

time-varying magnetic fields used in MRI are

summarized and discussed. Material and

Methods: This review summarizes current re-

ports on peripheral nerve stimulation during

MRI and studies which determine threshold

values for stimulation effects.Results/Discus-

sion: The comparison of the different studies

indicates that it is reasonable to express the

stimulation threshold in terms of the gradi-

ent amplitude rather than in terms of the

rate of change of the magnetic field gradi-

ent. Further studies are necessary to obtain

reliable threshold values for peripheral nerve

stimulation during MRI and, even more im-

portant, to find out how these results can be

used to define threshold values in order to

avoid excitation of the myocardium during

MRI.

Key words

Stimulation · Peripheral nerve · Magnetic

resonance · Gradient · Magnetic field

merer Muskelkontraktion oder der au-tonom arbeitende Herzmuskel.

Warum ist eine Nervenreizunggefährlich?

Die Erzeugung elektrischer Felder bzw.Ströme im Körper beinhaltet eine Reihepotentieller gesundheitlicher Risiken.So können elektrische Ströme erregba-re Zellen, wie Nervenzellen, Muskelzel-len, Blutgefäße oder Herzmuskelfasern[She 92] stimulieren und deren norma-le physiologische Funktion ändern. DieReizung peripherer Nerven ist zwar un-angenehm, aber noch nicht wirklich ge-fährlich. Die eigentliche Gefahr, die vonden schnell geschalteten Gradientenausgeht, liegt in der Möglichkeit, denHerzmuskel anzuregen. Dabei hängtdie Reaktion des Herzmuskels emp-findlich davon ab, wann der externe Sti-mulus während des Herzzyklus ein-wirkt [20].Während der Diastole ist dasHerz am empfänglichsten für eine Erre-gung. Eine einzelne Erregung ist nochnicht lebensbedrohlich, sie erhöht aberdie Suszeptibilität des Herzens für eineFibrillation, wenn danach ein erneuterStimulus folgt. Wenn der Stimulus eineFolge von Pulsen oder sinusförmig ist,dann kann er eine Reihe von Extrasy-stolen hervorrufen. Die Schwelle für ei-ne Fibrillation erniedrigt sich mit jedererneuten außertourlichen Erregung. ImGegensatz zu den grundlegenden Ar-beiten von Reilly [19, 20], aus der u.a.die heutigen Grenzwerte abgeleitet wur-den, geben Arbeiten aus dem Bereichder Herzschrittmacherforschung einenmehr als 10fach höheren Schwellwertfür die elektrische Feldstärke an, die fürdas Auslösen einer Fibrillation benötigtwird. Für Pulsdauern von 1 ms ist eineelektrische Feldstärke von ca. 120–150V/m erforderlich, was einer berechne-ten Stromdichte von 40–50 A/m2 ent-spricht [11]. Diese Werte werden mitheute üblichen MR-Systemen nicht er-reicht und dementsprechend ist es un-seres Wissens nach noch nie zu einerMR-induzierten Fibrillation gekom-men. Es wird noch eine Reihe weitererUntersuchungen erforderlich sein, umfestzustellen, ab welcher Gradienten-stärke,-amplitude oder -frequenz Strom-stärken dieser Größenordnung im Be-reich des Herzens induziert werdenkönnen. Erste Hinweise auf die wäh-rend einer MR-Untersuchung auftre-

über die Bioeffekte schnell geschalteterGradientenfelder zu erweitern.

In diesem Beitrag wird kurz derphysikalische Effekt, der zu einer Ner-venstimulation führt sowie die potenti-elle Gefahr, die von einer Nervenrei-zung ausgeht, erläutert. Anschließendwerden die bisher vorliegenden Unter-suchungen, die sich mit dem Effekt derStimulation peripherer Nerven durchdie MRT beschäftigten, zusammenge-faßt und diskutiert. Schließlich wird einProjekt vorgestellt, das zur Verbesse-rung der Datenlage über die Bioeffektezeitlich schnell veränderlicher Magnet-felder im Auftrag des BfS durchgeführtwird.

Wie kommt es zu einerNervenreizung durch zeitlich variableMagnetfeldgradienten?

Nach den Gesetzen der Elektrodyna-mik erzeugt jedes sich zeitlich ändern-de Magnetfeld (genauer magnetischeFlußdichte) B, ein sich zeitlich ändern-des elektrisches Feld E. Je nach Leitfä-higkeit σ des Gewebes, entsteht da-durch im Gewebe ein mehr oder weni-ger starker elektrischer Strom. DieStromdichte J, d.h. der pro Flächenein-heit fließende Strom, ist das Produktaus der Leitfähigkeit σ und der elektri-schen Feldstärke E

J=σE.

Ist das elektrische Feld E groß genug, sokann es zu einer Nervenreizung oderMuskelkontraktion kommen.

Das induzierte elektrische Feld Eist proportional zur zeitlichen Ände-rung der magnetischen Flußdichte,dB/dt, sowie zum Radius der im Körperentstehenden Leiterschleife (s. untenGl. B2).

Eine Stimulation wird also primäran Stellen erfolgen, wo der Strom einegroße Leiterschleife bilden kann unddort, wo eine hohe zeitliche Ände-rungsrate des magnetischen Feldes vor-liegt, also insbesondere an der Periphe-rie des Körpers, wie z.B. der Schulteroder den Armen. Ob es zu einer Stimu-lation kommt oder nicht, ist außerdemvon der Gewebeart abhängig. So verhal-ten sich Skelettmuskeln, die zur Erre-gung einen Nervenreiz benötigen an-ders als die spontan aktive glatte Mus-kulatur mit etwa 5 bis 5000fach langsa-

| Der Radiologe 9·98

Sicherheitsaspekte

744

Radiologe1998 · 38:743–749 © Springer-Verlag 1998

Page 3: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

tenden Stromstärken geben Berichteüber die Stimulation peripherer Ner-ven.

Bisherige Kenntnisse über Bioeffektezeitlich schnell veränderlicherMagnetfeldgradienten in der MRT

Cohen und Weisskoff [5] berichteten1990 als erste von einer Nervenreizungwährend einer MR-Untersuchung. Siepositionierten sich selbst in Rücken-oder Bauchlage mit dem Herzen, Kopfoder der Leber im Zentrum des Magne-ten. Die sinusförmigen Magnetfeldgra-dienten, mit einer Frequenz von 1,4 kHzund einer zeitlichen Änderung der ma-gnetischen Flußdichte von dB/dt=61T/s, verursachten entweder ein leichtesZwicken in der Gegend des Nasenbeinsoder im unteren Rücken. Die beobach-teten Effekte traten bei einer Länge desGradientenpulszugs von 23 und 46 msauf. Als die zeitliche Änderung der ma-gnetischen Flußdichte des Gradienten-systems auf 34 T/s reduziert wurde,wurden keine Stimulationseffekte mehrbeobachtet. In einem parallel dazudurchgeführten Experiment an einemHund, mit einem ähnlichen Versuchs-aufbau wurden keine Änderungen desEKG, keine Extrasystolen und keinesichtbare Muskelstimulation festge-stellt.

Budinger et al. [4] führten Unter-suchungen in Abwesenheit eines stati-schen Magnetfeldes durch. Ihr Gradien-tensystem bestand aus einer x- (die beiDrehung um 90° in eine y-Spule umge-wandelt werden konnte) und einer z-Spule mit maximalen magnetischenFlußdichten von 12 mT bzw. 23 mT.&fnn.1:1 DieProbanden wurden mit dem Becken imBereich der maximalen Gradienten po-sitioniert.

Die Schwellwerte für die Auslösungeiner Nervenreizung durch die Magnet-feldgradienten wurden durch Befra-gung der Probanden bestimmt. Es er-gab sich für die z-Gradientenspule bei

Abart et al. [1] verwendeten einvollständiges MR-System, das ohne diefür die Bildgebung notwendigen RF-Pulse betrieben wurde. Sie positionier-ten ihre Probanden entweder mit derNase oder mit dem Nabel im Zentrumdes MR-Geräts. Die sinusförmigen Gra-dienten (f=833 Hz) wurden, ausgehendvon einem sicheren Wert, sukzessivegesteigert, bis die Probanden eine Ner-venreizung spürten. Für die Untersu-chungen wurde eine Testsequenz ver-wendet, die aus 64 Perioden, die im Ab-stand von 1 s 5mal wiederholt wurden,bestand.

Wurde der y-Gradient alleine ge-schaltet, so ergab sich für beide Positio-nierungen (Kopf bzw. Nabel im Zen-trum der Spule) bei 300 µs Rampenzeiteine mittlere Stimulationsschwelle von21,8±2,3 mT/m, was einer maximalenzeitlichen Änderung der magnetischenFlußdichte von (dB/dt)max=44 T/s ent-sprach. Die Empfindlichkeit der Pro-banden schwankte allerdings erheblich.So lag die minimale Schwelle bei 12mT/m, die maximale bei 25 mT/m. DieStimulationen wurden als ein mildes,prickelndes Gefühl in der Gegend desMagens, Rippenbogens oder Unterarmsbeschrieben. Bei keinem der Proban-den wurde während der Untersuchungeine EKG-, Blutdruck-, Temperatur-oder Pulsänderung registriert. Der x-und z-Gradient erzeugten dagegen,selbst bei der stärksten Gradienten-schaltung, nur selten eine Stimulation.

Wurden Gradienten in 2 oder allen3 Raumrichtungen gleichzeitig geschal-tet, so sank die Stimulationsschwellebei zunehmendem Anteil des y-Gradi-enten. Daraus schlossen die Autoren,daß vor allem der y-Gradient für dieStimulation verantwortlich ist undführten dies, ebenso wie Budinger etal., auf die Größe der Stromschleife beidieser Orientierung zurück. Es zeigtesich außerdem, daß die Stimulations-schwelle nicht beeinflußt wurde, wennzusätzlich ein Plateau in den sinusför-migen Gradientenpuls eingebrachtwurde, dessen Dauer von 0–5 ms vari-iert werden konnte.

Ham et al. [8] konnten zeigen, daßdie Änderung des Betrags der gesamtenmagnetischen Flußdichte, d|B|/dt, undnicht die Änderung der z-Komponentevon B, dBz/dt, entscheidend ist für dieDefinition eines Schwellwertes für dieStimulation peripherer Nerven; 20 ge-

sinusförmigen Gradienten mit einerFrequenz f=1,27 kHz, ein Schwellwertvon 60 T/s±10%. Budinger et al. [4] ge-ben ihre Grenzwerte in Form der maxi-malen Änderung der magnetischenFlußdichte (dB/dt)max an (Berechnung,s. unten Gl. B5).

In einem 2. Schritt untersuchten siedie Abhängigkeit der Stimulations-schwelle von der Frequenz der sinusför-migen Wellenform des Gradienten. Hierwurden Gradienten in allen 3 Raum-richtungen verwendet mit Frequenzenvon 600–1950 Hz. Mit zunehmenderFrequenz der Gradientenschwingungenwurde die für eine Nervenstimulationnotwendige Gradientenamplitude füralle drei Raumrichtungen kleiner. Dieentsprechenden (dB/dt)max-Werte la-gen für eine Frequenz von 600 Hz beica. 35 T/s, für 1900 Hz bei ca. 90 T/s.

Schließlich wurde die Abhängig-keit der Stimulationsschwelle von derAnzahl der Oszillationen des sinusför-migen y- bzw. z-Gradienten bei festerFrequenz (f=1,27 kHz) ermittelt. Derminimale (dB/dt)max-Wert, der geradenoch eine Stimulation bewirkte, nahmmit der Anzahl der Oszillationen abund wurde für mehr als 16 Oszillatio-nen nahezu konstant (ca. 80 T/s für deny-Gradienten, ca. 70 T/s für den z-Gra-dienten).

Die Probanden beschrieben dieStimulation ähnlich einem elektrischenSchlag bzw. als ein leichtes Klopfen inder Region des Gesäßes, des unterenRückens oder seitlich am Körper.

Die Autoren führten die unter-schiedlichen Stimulationsschwellen fürdie 3 Raumrichtungen auf die verschie-denen Gewebeleitfähigkeiten und dieabweichende räumliche Verteilung dermagnetischen Flußdichte zurück. Dievom y-Gradienten in der koronarenEbene erzeugte Stromschleife hat auf-grund der Körperdimensionen dengrößten Radius, so daß das induzierteelektrische Feld am größten und damitdie Stimulationsschwelle am niedrig-sten ist. Ein weiterer Parameter, der dieSchwelle für die Nervenstimulation be-einflussen kann, sei die Ausrichtung derNervenachsen relativ zum induziertenelektrischen Feld. So zitierten die Auto-ren eine Arbeit von Roth et al. [21], inder gezeigt wurde, daß die Nervensti-mulationsschwelle minimal ist, wenndas E-Feld parallel zur Nervenachse ge-richtet ist.

Der Radiologe 9·98 | 745

1 Hier, wie auch im folgenden, sind dieGradientenachsen dem personenbezoge-nen Koordinatensystem so zugeordnet,daß der x-Gradient entlang der Links-rechts-Achse des Probanden verläuft, dery-Gradient entlang der Anterior-posteri-or-Achse und der z-Gradient entlang derKörperlängsachse (Kopf-Fuß-Achse) (s.unten A) Konkomittierende Gradienten).&/fn:

Page 4: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

sunde Probanden wurden mit einerFolge von Experimenten untersucht, inwelchen Amplitude, Anstiegszeit undWiederholungen trapezförmiger Gra-dienten schrittweise verändert wurdenbis eine Nervenreizung entstand. DieGradientenspulen wurden entwedereinzeln bzw. alle gleichzeitig mit glei-cher Amplitude geschaltet. Die Grenz-werte für dB/dt wurden aus dem in denGradientenspulen gemessenen Strombestimmt.

Die Grenzwerte für die Stimulationperipherer Nerven lag bei einer Gradi-entenanstiegszeit von 200 µs bei Einzel-gradientenschaltungen oder Schaltungaller 3 Gradienten im Bereich vond|B|/dt=51–57 T/s, mit der Ausnahmedes y-Gradienten, bei dem eine Stimu-lation der peripheren Nerven bereitsbei d|B|/dt=43 T/s auftrat. Die entspre-chenden dBz/dt-Werte variieren dabeiwesentlich stärker zwischen 27 und 49T/s. Die Autoren folgerten daraus, daßdie Stimulationsschwelle besser durchdie zeitliche Änderung des Betrages dergesamten magnetischen Flußdichted|B|/dt beschrieben wird als nur durchden Wert der z-Amplitude. Die von denProbanden berichteten Symptome vari-ierten zwischen lokalen scharfen Rei-zen bis hin zu breiteren milden Stimu-lationen.

Auch Ham et al. [8] konnten also,wie schon Budinger und Abart et al. [1,4] beobachten, daß die Stimulations-schwelle für Gradientenfelder, die inder a.-p.-Achse wirken, deutlich (ca. um10–20%) unterhalb der Schwelle für dieanderen Gradienten liegt.

Als weitere interessante Erkennt-nisse gaben die Autoren an, daß die Sti-mulationssymptome in verschiedenenanatomischen Regionen gemeldet wur-den, selbst wenn die Probanden in dergleichen Position im MR-Gerät gelagertwurden. Die bekannte Position der ma-ximalen Bz- oder |B|-Werte korreliertenicht mit der anatomischen Stelle, anwelcher die Stimulationen empfundenwurden.

Ham et al. [8] konnten zeigen, daßes eine exponentielle Abhängigkeit derStimulationsschwelle von der Gradien-tenanstiegszeit t in der Form: ~t−0,5 gibt.Leider machen die Autoren keine genaueAussage darüber, ob hier Einzelpulseverwendet wurden oder Gradientenzügeaus mehreren Pulsen und mit welcherFrequenz die Pulse geschaltet wurden.

renden Gradienten und der Lage desProbanden innerhalb der Gradienten-spule. Im Gegensatz zu Ham et al. tratdie maximale Stimulation typischer-weise in Regionen auf, in denen dB/dtmaximal war.

Auch hier war die Wahrscheinlich-keit, eine Stimulation hervorzurufenfür Gradienten, die von anterior nachposterior verliefen, höher als für Gradi-enten, die von links nach rechts verlie-fen. Der y-Gradient erzeugte vorwie-gend Stimulationen im Rumpf, der x-Gradient eher im Kopf.

Schaefer et al. [23] untersuchten,ähnlich wie Ham et al., ob sich die Sti-mulationsschwelle ändert, wenn nichtnur einzelne Gradienten, sondern ver-schiedene Gradienten kombiniert ge-schaltet werden. Sie untersuchtenKombinationen (xyz, xy, xz, yz, y, z) tra-pezförmiger Gradienten, die jeweilsaus 64 Gradientenpulsen bestanden,wie sie für EPI verwendet werden. DieSchaltdauer, die der Gradient benötigt,um von seinem maximal negativenWert auf den maximal positiven Wertzu gelangen, betrug 304 bzw. 368 µs. Je-der Gradientenpuls lag für 300 µs an.Alle 2 s wurde der Pulszug wiederholt.Die Gradientenamplituden waren füralle aktiven Gradienten gleich undwurden in 10-%-Schritten variiert, umdie verschiedenen dB/dt-Werte einzu-stellen.

Zunächst wurde die Position desProbanden im MR-Gerät bestimmt,bei welcher die Stimulationsschwellebei gleichzeitiger Schaltung aller Gra-dienten am niedrigsten war. In dieserPosition wurden die Schwellen für diexy, xz, yz, x, y und z-Gradienten be-stimmt. Daraus wurden die globalenGrenzwerte für die x-, y- und z-Achsebestimmt.

Nur die gleichzeitige Anwendungaller 3 Gradienten führte bei allen Pro-banden zu einer Nervenreizung. Dieanatomische Region, an welcher die Sti-mulation empfunden wurde, variiertemit der Gradientenachse und von Pro-band zu Proband. Als typische Stimula-tionsregionen wurden Schulterblatt,Oberarme, Beine, Hände, Kopf (visuelleStimulation), Gesäß und Rücken ge-nannt. Auch hier war die Schwelle fürden y-Gradienten am niedrigsten. Sielag hier bei 58±12 T/s.

Keiner der Probanden empfand ei-ne Stimulation, die nicht zu ertragen

Unipolare trapezförmige Gradien-tenwellenformen wiesen eine viel höhe-re Stimulationsschwelle auf als bipola-re. Einzeln geschaltete Trapezoide hat-ten eine höhere Schwelle als 2fach oder3fach hintereinander geschaltete. Ab ei-ner Pulslänge von drei oder mehr bipo-laren Trapezoiden war die Stimulati-onsschwelle dieselbe wie für eine sehrhohe Anzahl von Pulsen. Die Variationder Frequenz zwischen 250 und 1000Hz hatte keinen entscheidenden Ein-fluß auf die Stimulationsschwelle. Indiesem Punkt weichen die Ergebnissevon den Resultaten der Arbeitsgruppeum Budinger ab.

Die häufig in der Echoplanarbild-gebung (EPI) eingesetzten „Blip-Gradi-enten“ (kurze, steil ansteigende, drei-eckförmige Gradienten) hatten sehrwenig Einfluß auf die Stimulations-schwelle, auch wenn sie die gleiche An-stiegszeit hatten wie der sinusförmigeAuslesegradient. Die Autoren führtendies vor allem auf die langen Pausenzwischen den einzelnen „Blip-Gradien-ten“ zurück und folgerten, daß dasSchalten einzelner Gradientenpulse beiden verwendeten Gradientenamplitu-den nicht zu einer Stimulation führt.

Ehrhardt et al. [6] untersuchten 2Personengruppen. Die 1. Gruppe be-stand aus 173 Patienten, die mit EPI-Se-quenzen untersucht wurden, dabei abernicht explizit nach ihrem Befinden be-fragt wurden. Die 2. Gruppe bestandaus 7 Probanden, die mit einem Proto-koll aus verschiedenen EPI-Sequenzenuntersucht wurden, die einen sinusför-migen Frequenzkodiergradienten miteiner maximalen Amplitude von 25mT/m und einer Frequenz von 1 kHzverwendeten, der entweder entlang derx- oder der y-Achse mit einer Pulszug-dauer von 64 ms geschaltet wurde. DieProbanden wurden in drei verschiede-nen Positionen untersucht, die jeweilsca. 15 cm auseinander lagen und der La-ge bei einer Kopf-, Brust- oder Halswir-belsäulenaufnahme entsprachen.

In der 1. Gruppe berichteten etwa5% der Probanden bzw. Patienten übereine Stimulation. Die Stimulation äu-ßerte sich in Form von Pulsationen derStirn, der Brust, der Hand, in Form ei-nes Zuckens des Brustmuskels oder ei-nes Kribbelns in den Händen. In der 2.Gruppe berichteten alle Probandenüber eine Nervenreizung, die abhängigwar von der Orientierung des oszillie-

| Der Radiologe 9·98

Sicherheitsaspekte

746

Page 5: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

gewesen wäre oder zeigte irgend eineForm von Pulsunregelmäßigkeiten. DieStimulationsschwellen für kombiniertgeschaltete Gradienten, die den y-Gra-dienten enthielten waren geringer alsfür solche Gradientenkombinationen,die ihn nicht enthielten. Begründetwurde dies wieder damit, daß der y-Gradient die größte Stromschleife imKörper erzeugt.

Ein Jahr früher veröffentlichtenSchäfer et al. [22] eine ähnliche Studie,in der sie allerdings Gradienten ver-wendeten, die sich außerhalb des MR-Tomographen befanden. Dabei zeigtesich, daß typische Stimulationsregio-nen in Bereichen liegen, in welchenKnochen nahe der Körperoberflächelokalisiert waren. Eine solche Anatomiekann zu höheren elektrischen Feldernführen, da hier die Stromrichtung ein-geschränkt wird. Wenn die Hände derProbanden über dem Bauch ver-schränkt wurden, war die Stimulations-schwelle beim Schalten des y-Gradien-ten wesentlich niedriger als bei unver-schränkten Händen.

Diskussion

Die in den verschiedenen Arbeiten er-mittelten Grenzwerte, bei deren Über-schreitung eine Nervenstimulation auf-tritt, sind nicht einheitlich. Dies liegtu.a. daran, daß in den verschiedenenArbeiten nur selten vergleichbare Un-tersuchungsprotokolle verwendet wur-den. So variieren die Autoren die Positi-on der Probanden im MR-Gerät undverwenden nicht immer dieselbe Ori-entierung für die Gradientenspulen. Ei-nige Arbeitsgruppen [1, 4] verwendensinusförmige Gradienten, andere tra-pezförmige [8, 23]. Budinger et al. [4]und Abart et al. [1] geben ihre Schwell-werte als maximale Änderung der ma-gnetischen Flußdichte an, andere alsmittlere Änderung der magnetischenFlußdichte, andere in Form der Gradi-entenamplitude.

In Tabelle 1 sind für die Arbeiten,die konkrete Schwellwerte angeben, dieWerte für die Gradientenformen, Gra-dientenanstiegszeiten τ und die damiterzielten Schwellwerte für dB/dt aufge-listet. Die zugehörige Amplitude desMagnetfeldgradienten B(τ) ist in eini-gen Arbeiten direkt angegeben, für dieanderen mußte sie aus dem Mittelwertder zeitlichen Änderung der magneti-

verantwortlich ist für die Stimulationund nicht die maximale Änderung dermagnetischen Flußdichte (dB/dt)max.

Der Ansatz von Irnich ist in guterÜbereinstimmung mit Theorien derMagnetstimulation [16]. Diese arbeitenmit dem Modell des myelinierten Ner-ven und gehen davon aus, daß ein elek-trischer Feldgradient bzw. ein sich zeit-lich änderndes Magnetfeld dB/dt für ei-ne gewisse Dauer τ anliegen muß, da-mit genügend Strom fließen kann, umeinen Potentialunterschied an der Mem-bran der Nervenzelle zu erzeugen undso zu ihrer Erregung zu führen. DasProdukt aus der mittleren zeitlichenÄnderung der Gradientenamplitudeund der Pulslänge, (dB/dt)mittel*τ, mußalso einen bestimmten Schwellwertüberschreiten, um eine Nervenreizungzu bewirken. Die Stimulationsschwelleist dabei sehr viel geringer, wenn daselektrische Feld parallel zum Nervenverläuft als senkrecht dazu. Das Pro-dukt (dB/dt)mittel*τ entspricht im we-sentlichen dem Wert B(τ) aus der Theo-rie von Irnich. Ist τ gleich der Rampen-

schen Flußdichte während des Gradien-tenanstiegs und der Gradientenan-stiegszeit berechnet werden. Bei derAuflistung wurde nicht unterschiedenwelche Orientierung der Gradient hat-te. Es wurden jeweils die in jeder Arbeitermittelten niedrigsten Schwellwerteverwendet.

Es gibt verschiedene theoretischeAnsätze, den Effekt der Nervenstimula-tion durch geschaltete Magnetfeldgra-dienten zu beschreiben.

Irnich et al. [10–12] leiten die Be-dingungen für die Stimulation durchzeitlich variable Magnetfelder aus Theo-rien ab, wie sie für die Elektrostimulati-on gelten. Ähnliche Theorien werdenvon Mansfield [15] und Reilly [19, 20]vertreten. Nach der Theorie der Elek-trostimulation kann eine Nerven- oderMuskelfaser nur dann gereizt werden,wenn eine bestimmte Reizintensitätüberschritten wird. In der Elektrosti-mulation ist der Reiz die elektrischeFeldstärke, in der Magnetstimulationentsprechend die zeitliche Änderungder magnetischen Flußdichte. Irnichgeht davon aus, daß die über die Reiz-einwirkdauer τ integrierte zeitliche Än-derung der magnetischen Flußdichte:

Der Radiologe 9·98 | 747

B( dBdt

dt;τ τ) = ∫

Tabelle 1

Zusammenfassung der Grenzwerte der Autoren, die eine konkrete Angabe überdie Stimulationsschwelle machen

Autor Gradientenform Rampenzeit [µs] dB/dt [T/s] B(τ) [mT]

Ham et al. [8]a Trapez 200 43 8,6Budinger et al. [4]b Sinus 417 36 9,5

260 51 8,5Sinus 197 70 8,8Sinus 164 65 6,8Sinus 132 88 7,4

Schaefer et al. [23]c Trapez 168 58 9,7Abart et al. [1]d Sinus 300 44 8,4

Mittelwert 57,1 8,5Relative Standardabweichung [%] 30 13

a Hier wurde die von den Autoren angegebene Stimulationsschwelle in Form von d|B|/dt verwendet, dasie aussagekräftiger ist als der dBz/dt-Wertb Budinger et al. geben Grenzwerte für alle 3 Gradientenrichtungen an. Offensichtlich ist den Autoren inihren Graühiken ein Bezeichnungsfehler unterlaufen, da die Angaben für den z- und y-Gradienten in Gra-phik und Text nicht übereinstimmen. Deshalb wurden hier nur die jeweils niedrigsten Stimulationswerteverwendet. Die Werte für B(t) wurden direkt aus den Graphiken abgelesenc Die beiden Rampenzeiten von 152 und 184 µs wurden vereinfacht zu einem Mittelwert von 168 µszusammengefaßtd Abart et al. geben den Grenzwert als (dB/dt)max an. Dies ist zwar in ihrer Arbeit nicht explizit erwähnt,kann aber aus den Angaben über die Geräteabmessungen und die mit ihrem Gerät maximal erreichbarendB/dt-Werte gefolgert werden. Die entsprechende Gradientenamplitude wurde nach Gl. B5 (s. unten)berechnet

Page 6: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

zeit des Gradienten, so entspricht B(τ)der Gradientenamplitude.

In Tabelle 1 sind die in den ver-schiedenen Arbeiten ermittelten Sti-mulationsschwellen zusammengefaßtdargestellt, einmal in Form der von denAutoren angegebenen zeitlichen Ände-rung der magnetischen FlußdichtedB/dt und einmal als Gradientenampli-tude B(τ). Diese Werte sind in Abb. 1graphisch in Abhängigkeit von τ darge-stellt. Man erkennt, daß die B(τ)-Wertesehr viel weniger streuen als die vonden Autoren angegeben dB/dt-Werte.

Es liegt damit nahe, Grenzwerte füreine durch zeitlich veränderliche Ma-gnetfeldgradienten hervorgerufene Ner-venstimulation eher über die maximalerreichte Amplitude B(τ) des zeitlichenvariablen Magnetfelds zu bestimmenals über dessen Anstiegssteilheit. WennGrenzwerte weiterhin über dB/dt defi-niert werden, müssen diese stets zu-sammen mit der Pulsdauer bzw. Gradi-entenwellenform angegeben werden.Weiterhin muß angegeben werden, obdie während der Gradientenschaltungerreichte maximale zeitliche Änderungder magnetischen Flußdichte, (dB/dt)max,

Wie die Schwellwerte für die Stimu-lation peripherer Nerven auf die Stimu-lation des Herzmuskels übertragen wer-den können, bedarf noch der Klärung.Das Herz besitzt im Gegensatz zur Reiz-leitung in den peripheren Nerven einautonomes Reizleitungssystem mit ei-ner anderen Frequenzabhängigkeit derReizschwelle. Außerdem liegt das Herz,im Gegensatz zu den peripheren Ner-ven, zentral im Körper und damit imBereich kleinerer Gradientenamplitu-den. Die in diesem Review zitiertenAutoren stimmen, mit Ausnahme vonReilly, darin überein, daß die Schwellefür die Stimulation des Herzmuskelsdeutlich höher liegt als die für periphereNerven. Auch diese Fragestellung erfor-dert noch weitere Forschungen.

Projekt des Bundesamtsfür Strahlenschutz

Das Bundesamt für Strahlenschutz hatein Projekt ausgeschrieben, welchesu.a. dazu beitragen soll, die Kenntnisla-ge über die Bioeffekte schnell geschalte-ter Gradientenfelder zu erweitern. Die-ser Teil des Projekts ist unserem Insti-tut zugesprochen worden.

Im Rahmen dieses Projekts soll sy-stematisch untersucht werden, wie sichdie Stimulationsschwelle in Abhängig-keit verschiedener Gradientenparame-ter, wie die Gradientenform (monopo-lar, bipolar, trapezförmig oder sinusför-mig), -amplitude, -frequenz und Anzahlder Gradientenpulse verhält. Dabei sol-len Untersuchungen an etwa 100 Pro-banden und ca. 50 Patienten durchge-führt werden.

In allen bisher durchgeführtenStudien wurden die Stimulations-schwellen durch die recht subjektiveMethode der Befragung von Proban-den und Patienten nach ihren Empfin-dungen bestimmt. Bisher ist noch nichtder Versuch unternommen worden,auch objektive, d. h. meßbare, Datenüber Stimulationsschwellen zu erhal-ten. Deshalb beabsichtigen wir, die Sti-mulationsschwelle auch über eine ob-jektivere Methode, d.h. durch die Ab-leitung von Muskelpotentialen in Formeines Elektromyogramms (EMG) zubestimmen.

An unserem Institut wurde ein Ge-rät entwickelt, mit dem es möglich ist,während einer MR-Messung Elektroen-zephalographie (EEG-)signale artefakt-

oder die mittlere Änderung, (dB/dt)mittel,angegeben ist. So ist bei einer sinusför-migen Gradientenwellenform (dB/dt)mittel

um 36% kleiner als (dB/dt)max, bei tra-pezförmigen Gradienten sind beideWerte identisch.

Aus neueren Arbeiten geht hervor,daß der y-Gradient, der im Körper vonanterior nach posterior verläuft, dieniedrigste Stimulationsschwelle auf-weist. Dies liegt wohl daran, daß diesenkrecht zu ihm liegende Ebene, alsodie Ebene, in welcher der induzierteStrom fließt, die koronare Ebene ist undsich hier die größten Stromschleifenausbilden können. So lagen die Regio-nen, in welchen die Probanden eineNervenreizung empfanden, häufig imSchulterblatt, den Ober- und Unterar-men oder seitlich am Körper.

Außerdem fällt auf, daß diese Re-gionen in der Nähe von Knochen liegen.An diesen Stellen ist die Stromdichte be-sonders hoch, da sich der ganze Stromin einem engen Bereich sammelt. Andiesen Stellen verlaufen zusätzlich dieNervenfasern nahezu parallel zum in-duzierten E-Feld, so daß hier eine Sti-mulation besonders wahrscheinlich ist.

| Der Radiologe 9·98

Sicherheitsaspekte

748

Abb. 1 m Aus den Arbeiten von Abart [1], Budinger [4], Ham [8] und Schaefer [22] et al. zusammen-gestellte Schwellwerte für die Stimulation peripherer Nerven. Aufgetragen ist hier die Stimulations-schwelle in Form der Gradientenamplitude B(τ) gegenüber der Rampenzeit. b Grenzwert für dieStimulation, ausgedrückt durch dB/dt, in Abhängigkeit von der Rampenzeit τ

a

b

Page 7: Stimulation peripherer Nerven durch zeitlich veränderliche Magnetfeldgradienten in der Magnetresonanztomographie

frei zu messen [14].Mit demselben Gerätsoll nun versucht werden, auch Muskel-potentiale während einer laufendenPulssequenz abzuleiten.

Die Ergebnisse der Studie solleneinen Beitrag dazu leisten, die Grenz-werte, die durch das Bundesamt fürStrahlenschutz festgelegt wurden, zuobjektivieren und diese evtl. neu zu de-finieren.

Anhang

A) Konkomittierende Gradienten

Für die räumliche Auflösung in derMRT werden Magnetfeldgradienten be-nötigt, die die z-Komponente Bz desHauptmagnetfeldes variieren. Zur Er-zeugung dieser Gradienten, ∂Bz/∂x,∂Bz/∂y, ∂Bz/∂z, werden stets auch Gradi-enten in der dazu orthogonalen Rich-tung benötigt. Nach Maxwell muß dieGleichung ∇× B=0 erfüllt sein. Für denx-Gradienten gilt also z.B.: ∂Bx/∂z=∂Bz/∂x. Da die Abmaße der Gradienten-spule in z-Richtung in der Regel größersind als in x-Richtung, ist das durch dieGradientenspule erzeugte Magnetfeldin x-Richtung sogar größer als das in z-Richtung. Gleiches gilt für den y-Gradi-enten. Dementsprechend ist in dieserArbeit mit x-, y- bzw. z-Gradient einGradient gemeint, der ein Magnetfeldin x-, y- bzw. z-Richtung erzeugt.

B) Herleitung der induziertenStromdichte für ein sinusförmigesmagnetisches Wechselfeld

Nach dem Faraday-Gesetz erzeugt einesich zeitlich ändernde magnetischeFlußdichte B ein elektrisches Feld E:

(B1);

wobei dA=Flächenelement, A=Flächeund ds=Linienelement entlang derKontur von A.

Für ein homogenes Magnetfeldund eine kreisförmige Leiterschleife,die senkrecht zum B-Feld ausgerichtetist, kann diese Gleichung leicht gelöstwerden und es ergibt sich für die elek-trische Feldstärke E:

(B2).

Für eine sinusförmige magnetischeFlußdichte

8. Ham CLG, Engels JML, van de Wiel GT,

Machielsen A (1997) Peripheral nervestimulation during MRI: effects of highgradient amplitudes and switching rates.J Magn Reson Imag 7:933–937

9. International Electrotechnical Commission

(1995) Medical electrical equipment, Part2: Particular requirements for the safetyof magnetic resonance equipment formedical diagnosis (Draft). IEC-Schriftstück

62B/240/DIS, Publication 62B/601-2-33/1 ed

10. Irnich W (1990) The fundamental law ofelectrostimulation and its applications todefibrillation. PACE 13:1433–1447

11. Irnich W (1994) Electrostimulation by time-varying magnetic fields. MAGMA 2:43–49

12. Irnich W, Schmitt F (1995) Magnetostimula-tion in MRI. Magn Reson Med 33:619–623

13. International Non-Ionizing Radiation Commit-

tee of the International Radiation Protection

Association (1991) Protection of the patientundergoing a magnetic resonance exami-nation. Health Phys 61:923–928

14. Jäger L, Hoffmann A, Joppich M, Reiser M

(1998) Simultaneous EEG Recording withMR data-acquisition. Proc ISMRM 1998, 6th

Scientific Meeting, Sydney, Australia: 286

15. Mansfield P, Harvey PR (1993) Limits toneural stimulation in echo-planar imag-ing. Magn Reson Med 29:746–758

16. Meyer BU (1992) Magnetstimulation desNervensystems: Grundlagen und Ergeb-nisse der klinischen und experimentellenAnwendung. Springer, Berlin Heidelberg

New York

17. National Health and Medical Research Council

(1992) Safety guidelines for magneticresonance diagnostic facilities. Radiation

Health Series No. 34, Australian Government

Publishing Service, Canberra

18. National Radiological Protection Board (1991)

Board statement on clinical magneticresonance diagnostic procedures. Docu-

ments of the NRPB,Vol. 2, No. 1, Chilton, Didcot,

Oxon OX11 ORQ

19. Reilly JP (1992) Electrical stimulation andelectropathology. Cambridge University

Press, Cambridge

20. Reilly JP (1992) Principles of nerve andheart excitation by time-varying magneticfields. Biological effects and safetyaspects of nuclear magnetic resonanceimaging and spectroscopy. Ann NY Acad Sci

649:96–117

21. Roth BJ, Basser PJ (1990) A model of stimula-tion of nerve fiber by electromagneticinduction. IEEE Trans Biomed Eng 37:588–597

22. Schäfer DJ, Bourland JD, Nyenhuis JA, Foster KS,

Wirth WF,Geddes LA,Riehl ME (1994) Determi-nation of gradient-induced, human peri-pheral nerve stimulation threshold for tra-pezoidal pulse trains. Proc SMR 1994, 2nd

Scientific Meeting, San Francisco, USA, p 101

23. Schaefer DJ, Bourland JD, Nyenhuis JA,

Foster KS, Licato PE, Geddes LA (1995) Effectsof simultaneous combinations on humanperipheral nerve stimulation thresholds.Proc SMR&ESMRMB 3:1220

B(t)=B0 sin 2πft (B3);

mit der zeitlichen Ableitung:

dB/dt=2πfB0 cos 2πft (B4)

ist der Maximalwert der zeitlichen Än-derung der magnetischen Flußdichte:

(dB/dt)max=2πfB0 (B5).

Damit hat das E-Feld, das entlang derLeiterschleife entsteht, einen maxima-len Wert von:

|Emax|=rπfB0 (B6)

Bei bekannter Leitfähigkeit σ des Ge-webes kann daraus die maximal imKörper erreichte Stromdichte abge-schätzt werden:

J=σE (B7).

An dieser Stelle möchte ich Herrn Alexan-der Hoffmann für die anregenden Diskus-sionen und Anmerkungen zur Thematikdieses Artikels danken.

Literatur1. Abart J, Eberhardt K, Fischer H et al. (1997)

Peripheral nerve stimulation by time-varying magnetic fields.J Comput Assist Tomo 21:532–538

2. Bundesamt für Strahlenschutz (1998)

Bekanntmachung der Empfehlung derStrahlenschutzkommission.Bundesanzeiger 11a:50

3. Bundesgesundheitsamt (1984) Empfehlun-gen zur Vermeidung gesundheitlicherRisiken durch magnetische und hochfre-quente elektromagnetische Felder bei derNMR-Tomographie und In-vivo-NMR-Spektroskopie. Bundesgesundheitsblatt

27:92–96

4. Budinger TF, Fischer H, Hentschel D,

Reinfelder H-E, Schmitt F (1991) Physiologicaleffects of fast oscillating magnetic fieldgradients. J Comput Assist Tomo 15:909–914

5. Cohen MS,Weisskoff RM, Rzedzian RR,

Kantor HL (1990) Sensory stimulation bytime-varying magnetic fields.Magn Reson Med 14:409–414

6. Ehrhardt JC, Lin CS, Magnotta VA, Fisher DJ,

Yuh WTC (1997) Peripheral nerve stimula-tion in a whole-body echo-planar imagingsystem. J Magn Reson Imag 7:405–409

7. US-Food and Drug Administration, Center for

Devices and Radiological Health (FDA) (1988)

Magnetic resonance diagnostic device;panel recommendation and report for MRreclassification. Fed Reg 53:7575–7579

Der Radiologe 9·98 | 749

E B A ds = –t

dA∫ ∫∂∂

,

E – r2

dB/dt=