stress - risikofaktor oder schützendes lebenselement ? univ. prof. dr. herwig scholz universität...
TRANSCRIPT
Stress - Risikofaktor oder schützendes Lebenselement ?
Univ. Prof. Dr. Herwig ScholzUniversität Graz
Alpe Adria Universität Klagenfurt
Agenda für eine realistischere Sicht der
Stressproblematik Funktion und Biologie der Stressreaktion Die Stressvarianten , chronischer Stress Auslöser, begünstigende Faktoren speziell Störungen der Selbstregulierung Realistische Konzepte Therapie/Prävention Stressregulierung durch Selbstregulation
Verbreitete Mythen über Stress
Stress ist grundsätzlich schädlich Stress trifft jeden in gleichem Ausmaß Entwickelt sich überwiegend im
Berufsleben Chronischer Stress entsteht vorwiegend
durch äußere Reize Stress ist die direkte Ursache von
Burnout
„Durch Gefahrenreize provozierte unspezifische physische und psychische
Reaktionen“
Stress - Definition Hans Selye 1936
Zielsetzungen/Funktionen von Stressreaktionen beim Menschen
Gefahrenreize aktivieren unter Umgehung des Großhirns direkt das Stammhirn
Dadurch wird eine schematische, ungezielte Alarmreaktion ausgelöst
Diese ermöglicht eine rasche, Reaktion zur Flucht oder Verteidigung „Fight or Flight“ (Cannon)
Die Hormonsteuerung der akuten Stressreaktion
Bei Gefahrenreiz Dämpfung des zu langsam agierenden Großhirns durch Serotonin
Aktivierung des Stammhirns durch Noradrenalin Aktivierung der Hypophyse (ACTH-Ausschüttung) Die dadurch aktivierte Nebennierenrinde produziert
verstärkt Cortisol Ziel der Aktivierung : Alarm und Schutz
Anpassungsreaktionen an akuten Stress
ausgelöst durch Cortisolismus
1. Schockphase: Blutdrucksteigerung, Absenkung der Temperatur, Harnsperre
2. Widerstandsphase: Sympathikusaktivierung, Adrenalin - Herz/Atemfrequenz/Blutdruck, Muskeltonus, Verdauung, Immunabwehr…
3. Erholungsphase oder 4. Erschöpfungsphase: Risiko chronischer
Stressreaktionen
Auslöser von Stressreaktionen beim
Menschen
Physikalische Reize: Überraschende bzw. chronische Lärmbelastung, Kälte, Hitze, Lichtreize
Toxische Reize: Rauch, Gestank, Schleimhautreizung
Psychische Belastungen: Ängste, Konflikte, Frustrierende Erlebnisse, Überforderungen, Demütigungen, Selbstaggressionen…
Je nach Auslöser und Hintergründen kann Stress
ganz unterschiedliche Formen annehmen
„Eustress“
Ausgelöst durch positiv empfundene Reize
Aktivierung des Stammhirns + Großhirn Positive Stressspirale -
Erfolgswahrnehmung forciert Eustress Wird als sehr angenehm, gelegentlich
rauschartig erlebt: „Flow“
„Disstress“
Durch negativ erlebte Reize ausgelöst Aktivierung des Stammhirns + Großhirn Stressspirale: Stresssymptome
produzieren neuerliche Stressreaktion Subjektiv: Angst und Verunsicherung Entwicklung chronischer Stressreaktion
Stress muss nicht immer in gleichem Ausmaß spürbar sein,
kann auch unbemerkt im Hintergrund ablaufen und erhebliche Schäden setzen
Vordergründiger Stress
Wird als Alarmreaktion auf Bedrohung/Herausforderung erlebt
Psychisch: Angst, Wut, Aggression Körperliche: Herzklopfen,
Blutdruck, Muskelverspannung…..
Hintergründiger Stress Subjektiv kaum Wahrnehmung der
Stressreaktion Oft kompensiert durch Leistung,
Rückzug, Selbstaggression Dennoch im Hintergrund körperliche
Aktivierungssymptome durch Stress Immer Risiko chronischer
Stressbelastung
Chronischer Stress „Daueralarm“, Distress
Bewältigung eines akuten Stressereignisses ist misslungen,
Permanente Stressreize - ständige Alarmbereitschaft Zur Auslösung genügen immer kleinere Stressoren Stressspirale: Eigenes Stresserleben steigert
Stressreaktion Steigerung der nächtlichen Cortisolbildung Chronisch erhöhter Blutdruck, Muskelverspannung,
Verdauungsprobleme… Unruhe, Depression Ängstlichkeit, Gereiztheit
Konsequenzen chronischer Stressbelastung
„Körperliche Erkrankungen“ z.B.: Herz-Kreislaufsystem, Bluthochdruck…
Psychische Erkrankungen, Burnout Depressionen, Angststörungen
Durch die vordergründig stressdämpfende Wirkung von Alkohol erhöhtes Suchtrisiko
Konventionelle Sicht der Entwicklungsdynamik von Stressprozessen
und Burnout Syndrom
Überlastung
Konflikte
Kompensation Leistungsexzesse Erschöpfung Andauernde Stressbelastung
Biologisch
Cortisolismus
Chronischer Stress
Neurohormonelle
Dekompensation HPA
Erschöpfung
Transmitterdefizite
Krankheitsebene BurnoutsyndromLeistungsverlustDysphorie, VerstimmungVegetative EntgleisungFrustrationResignationZynismusPsychosomatische BeschwerdenDepression
Zusammenfassend gesehen Akuter Stress ist ein ungezielter
Abwehrvorgang zur raschen Reaktion auf Gefahrensignale
Chronische Stressbelastungen können ernsthafte Krankheitsfolgen nach sich ziehen
Da bei gleichen Belastungen nicht jeder chronischen Stress entwickelt, ist nach individuellen Schlüsselfaktoren zu suchen
Auslösefaktoren für chronische Stressbelastungen
Unbewältigte wiederholte Stressbelastungen Chronische Außenreize z.B.: Lärmbelastung Überlastung Konflikte Ungelöste Probleme Seelische Auslöser: Ängste, frustrierende
Erlebnisse, Überforderungen, Demütigungen.. Individuelle Risikofaktoren
Viele Beobachtungen zeigen, dass nicht alle Menschen
gleich stark auf diese Stressreize reagieren
Vor allem für chronischem Stress gibt es offensichtlich
individuelle Bahnungsfaktoren
Individuelle Gefährdungsfaktoren für massivere Stressreaktionen
Chronische Erschöpfung, Zermürbung Permanente Verunsicherung durch fehlendes
Grundvertrauen/ Urvertrauen Fehlerhafte Grundeinstellung zum Leben,
Sinnfrage Individuelle Stress produzierende Muster
„Selbstantreiber“: Übersteigerter Ehrgeiz,
enorme Leistungsmentalität, Perfektionismus…
Übersteigerter Ehrgeiz, enorme Leistungsmentalität, Perfektionismus, Selbstzweifel, Schuldgefühle
sind meist Ausdruck eine gestörten Regulation des
Selbstwertsystems
Das Selbstwertsystem als dynamisches Anpassungselement auf Belastungen
Regelt die Reaktionsmuster des Selbstkonzepts Wechselwirkung zwischen Wahrnehmung innerer
Signale und der Bewertung durch Andere Kontrolliert somit das Ausmaß der sozialen
Anerkennung Reagiert bei Belastungen mit Anpassungsleistungen Gelingt keine konstruktive Anpassung, kann es zu
erheblichem selbstschädigendem Verhalten kommen
Grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten des
Selbstwertsystems auf Belastungen
Konstruktive Bewältigung - Problemlösung
Destruktiv - Selbstschädigung durch Selbstaggression - Überanpassung
Expansiv - Flucht nach vorne Selbstschädigung durch Aggression nach außen
Kaskade der selbst entwertendenen Überanpassung
Selbstwertminderung, Ängste, soziale Verunsicherung
Überanpassung, Unterordnung,
Dependenz, Leistungsexzesse, Zwanghaftigkeit
Aggressionshemmung, Überlastung, Frustration,Selbstaggression, Schuldgefühle
permanente vegetative, hormonelle
StressbelastungZusammenbruch der schützenden HPA Achse
Krankheitsebene: Burnout,
Erschöpfungsdepression, affektive Störungen
Expansive Flucht nach vorne
Beeinträchtigung des Selbstwerts, Verunsicherung
Aktiviertes Größenselbst, aggressiv / expansive „Flucht nach vorne“
Selbstüberschätzung, Überaktivität,
Risikounterschätzung, Frustrationen, Niederlagen
Chronischer Stress, permanente vegetative, hormonelle, Fehlaktivierung- Zusammenbruch der HPA Achse
Krankheitsebene: Burnout, Depression, Angst, Psychosomatik
…
Stress provozierende Fehlreaktionen durch Störungen des Selbstkonzepts
Reaktionen zur Überanpassung - Selbstantreiber: Extremer Ehrgeiz, Perfektionismus, Leistungsstreben, Helfersyndrom, überzogene Selbstkritik ….
Narzisstische Realitätsflucht- Selbstüberschätzer: Überaktivität,Realitätsverweigerung keine Rücksicht auf Risiken und Konventionen
Erweiterte Sicht der Entwicklungsdynamik von Stressprozessen und Burnout-syndrom
.
DekompensiertesSelbstkonzeptSelbstentwertung- ÜberanpassungSelbstantreiberFlucht nach vorne Selbstüberschätzer
Biologische ProzesseCortisolismus Chronischer StressNeurohormonelle Dekompensation HPAErschöpfungTransmitterdefiziteDistress
Krankheitsebene BurnoutsyndromLeistungsverlustDysphorie, VerstimmungVegetative EntgleisungFrustrationResignationZynismusPsychosomatische Beschwerden
Überlastung
Konflikte
Therapeutische Aspekte
Wann und wie sollte behandelt werden?
Aktuelle Angebote im Internet
Stressfrei und rauchfrei in einem Tag 350.- CD zur Stressbewältigung 19.50.- Anti-Stressarmband von Phillips - „schlägt Alarm,
wenn der Stress zu groß ist“ Gesundheit verbessern mit elektromagnetischen
Schwingungen… Kraniosakrale Berührung kann sich auf unser
seelisches und emotionales Gleichgewicht auswirken Pure 365 „Mikronährstoff …verbessert
Stresstoleranz“
Somit Versuche „Stress“ in kurzer Zeit und sehr
oberflächlich zu behandeln!
Geht das überhaupt bei einer derart komplexen Störung ?
Die komplexen Elemente einer Stressbelastung
1. Belastungen, Konflikte, Überforderung, Lebensweise
2. Die durch den Stress bedingten Symptome3. Die daraus entstandene kreisförmige
Stressverstärkung und Verunsicherung4. Folgeschäden bei chronischem Stress z.B.
Depressionen, Bluthochdruck
5. Individuelle Stress provozierende Fehlreaktionen
durch gestörte Selbstwertregulierung
Die häufigsten Fehler der „Antistresstherapie“
Die Stressreaktion selbst ist ein natürlicher Schutzreflex, sollte nicht bekämpft sondern reguliert werden!
Behandelt werden muss die Eskalation in Distress/chronischen Stress
Deren enorme Komplexität erfordert eine entsprechend differenzierte Therapie
Zur ausreichenden Erfassung aller beteiligten Dimensionen bedarf es meist eines Stufenkonzepts
Die Stufen der Stressbekämpfung
1. Stressregulierung: Überschießende Stresszustände begrenzen
2. Stressreduktion: Bei massiver und verlängerter Belastung Stress aktive dämpfende Maßnahmen
3. Stresstherapie: Komplexe Therapie zusätzliche medikamentöse Maßnahmen
4. Stressprävention für die Zukunft
1. Stressregulierung: Bei subjektiv verstärkt erlebten
Stressreaktionen
Überprüfen der Lebensweise: Ernährung, Schlaf, Koffein, Alkohol…..
Hintergründe klären- Überbelastung, schwelende Konflikte
Eigene Tendenzen zur Stressprovokation z.B.: Überzogener Ehrgeiz, Leistungsexzesse, Selbstaggression erkennen,verändern
Kann nach Erlernen selbstständig durchgeführt werden
2. Stressreduktion - Abschwächung massiv vorhandener
Stresssymptome
Überprüfen der Lebensweise Eigene Tendenzen zur Stressprovokation ? Entspannungstraining z.B.: progressive
Muskelentspannung Jakobson Bio Feedback Training z.B.: Pulsfrequenz,
Blutdruck, psychogalvanischer Reflex, Atem Feedback
Autogenes Training, Yoga, Meditation… Kann nach Erlernen selbstständig
weitergeführt werden
3. Stresstherapie bei chronischer Stressbelastung Abklärung des Hintergrunds Alle bereits genannten Maßnahmen zu
Entspannung, Feedback… Zielbereiche Vegetativum: Beta Blocker z.B.:
Inderal, Visken, Clonidin… Zielbereiche psychische Überaktivierung
Tranquilizer - meist nicht sinnvoll, Suchtrisiko Bei manifester Depression: Antidepressiva Veränderung Stress provozierender
Muster !
Regulation stresspotenzierender Fehlreaktionen des Selbstwertsystems
„Selbstregulation“ Identifizierung individueller Muster
(Selbstantreiber? Selbstüberschätzer? ) Müssen vom Betroffenen als schädigend
erkannt werden Veränderungsarbeit in kleinen Schritten Vorbeugen gegenüber Rückfällen
4. Stressprävention für die Zukunft
Vermeidung neuerlicher selbstfeindlicher Verhaltensmuster
Lebensstil überprüfen, gegebenenfalls ändern Realistische Sicht der eigenen Lebenssituation Entspannungsmethoden beibehalten Frühere Stressursachen im Auge behalten Stressregulierung durch
Selbstregulation!
Realistische Konzepte, Organisationsvarianten
Einzeltherapeutische Arbeit Seminarform: Einführungsvortrag
danach Arbeitsseminare Gruppenarbeit Halbstationäre Arbeit –
Gesundheitshotel mit qualitativ entsprechendem Konzept
Seminarform Geeignet für Stressregulierung und
Stressreduktion (Stufe 1 und 2) Bei bereits erkennbarer Überbelastung Zielbereiche: Entspannungstechniken,
Erkennen und Verändern von Stress provozierenden Mustern- Selbstregulationsarbeit
Form: Einführungsinformation, danach Arbeitsseminar 3 – 5 Einheiten
Interaktiver Stil, Gruppendiskussion
Halbstationäre Variante Vorteil: Zeitweise Entfernung aus dem Alltagsmilieu Indiziert speziell bei ausgeprägter Erschöpfung und
milieubedingten Stresssymptomen Möglichkeit zur intensiveren Aneignung von
Entspannungstechniken und Biofeedbacktraining Gruppenarbeit zum Verändern von Stress
provozierenden Mustern - Selbstregulationsarbeit Einzeltherapeutische Arbeit Form: Einführungsinformation, danach
Arbeitsseminar 3 – 5 Einheiten
Zusammenfassend Stress ist nicht grundsätzlich schädlich, kann bei
richtiger Reaktion eine Schutzfunktion einnehmen Chronischer Stress hat erhebliche innere Ursachen Trifft vor allem Menschen mit unsicherem
Selbstkonzept „Selbstantreiber“ „Selbstüberschätzer“ Darin liegt auch der Zusammenhang zum Burnout
Risiko Stressstörungen können gut behandelt werden Aber nur mit Erfassung der individuellen Hintergründe Stressregulierung durch Selbstregulation
Das Leben geht auch ohne Stress
Danke für Ihre Aufmerksamkeit !
Individuell erhöhte Stressanfälligkeit durch
Fehlreaktionen des Selbstkonzepts
mit Fehlsteuerungen im Selbstwertsystem
Überforderungen, Ängste und Selbstaggressionen
sind vielfach bereits die Folgen fehlerhafter Reaktionen des
Selbstwertsystems