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Seminararbeit SS 2002 Suche nach Dunkler Materie - 1 - Suche nach Dunkler Materie Beobachtungen, Experimente, Modelle Seminararbeit SS 2002 – RWTH Aachen - Stefan Hölters Betreuer: Prof. C. Berger

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Seminararbeit SS 2002 Suche nach Dunkler Materie

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Suche nach Dunkler Materie

Beobachtungen, Experimente, Modelle

Seminararbeit SS 2002 – RWTH Aachen - Stefan Hölters Betreuer: Prof. C. Berger

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Inhalt

Vorwort 1 Bestimmung der Masse von Galaxien 1.1 Rotationskurven 1.2 Leuchtkraft von Sternen 1.3 Gravitationslinseneffekt 1.4 Aussagen der Messungen

2. Kandidaten für Dunkle Materie 2.1 Uneigentliche Kandidaten 2.2 Baryonische Kandidaten 2.3 Nicht-baryonische Kandidaten - Neutrinos 2.4 Nicht-baryonische Kandidaten - Exoten

Quellennachweis

Vorwort Bevor im Rahmen dieser Seminararbeit auf die Eigenschaften und die

Zusammensetzung von Dunkler Materie eingegangen wird, soll zunächst klar werden, wie unbestreitbar die Existenz von Dunkler Materie im Universum ist.

Dazu werden im ersten Teil verschiedene Experimente besprochen, mit denen Massen in Galaxien und im Universum bestimmt werden können. Es wird erläutert, welche Aussagen Rotationskurven machen, wie aus der Leuchtkraft von Sternen deren Masse ermittelt wird und was der Gravitationslinsen-Effekt ist. Die Ergebnisse werden auf einfache Weise zeigen, worin das derzeit größte Problem der Astroteilchenphysik besteht.

Im zweiten Teil soll es um Kandidaten gehen, aus denen möglicherweise die Dunkle Materie besteht. In der Diskussion sind viele verschiedene Konzepte zur Lösung der Frage nach der Dunklen Materie. Die Betrachtung der Kandidaten wird sich in dieser Seminararbeit allerdings auf einige ausgewählte Möglichkeiten beschränken.

Zu Beginn sei die Frage gestellt, was eigentlich über die Zusammensetzung des Universums bekannt ist. Bei der Betrachtung unseres Sonnensystems fällt auf, dass 99% der Masse des Systems in der Sonne enthalten sind. Die Masse aller Planeten sowie deren Monde, Asteroiden und Gaswolken stellen nur einen verschwindend kleinen Anteil dar. Diese Tatsache lässt vermuten, dass unsere und andere Galaxien hauptsächlich aus den gut beobachtbaren, leuchtenden Sternen bestehen und dass die Mechanik von Galaxien durch eben diese Sterne gut beschrieben wird. Ob diese Annahme so stimmt, soll im Folgenden überprüft werden.

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1. Bestimmung der Massen von Galaxien

1.1 Rotationskurven In Zusammenhang mit Bewegungen in Galaxien werden Rotationskurven

aufgenommen. Die Sterne einer Galaxie bewegen sich typisch auf Kreisbahnen um das galaktische Zentrum und die Geschwindigkeit auf diesen Bahnen hängt vom Abstand zum Mittelpunkt ab. In Rotationskurven wird diese Geschwindigkeit in Abhängigkeit vom Bahnradius aufgetragen.

Die Vorhersagen aus der Newton-Mechanik sind leicht zu berechnen. Aus der Gleichheit von Gravitations- und Zentripetalkraft folgt die theoretische Vorhersage für die Geschwindigkeit eines Sterns abhängig vom Bahnradius. Für die folgende Rechnung nehmen wir an, dass sich der Großteil der Galaxiemasse Mr im Zentrum befindet, dessen Ausdehnung klein gegenüber dem Abstand zum beobachteten Stern ist, und dass der beobachtete Stern nicht im Zentrum liegt

rvm

rMmG

FF2

2r

Zg⋅=

⋅⋅== .

Hier ist G die Gravitationskonstante, m die Masse eines Sterns, r der Abstand dieses Sterns vom Mittelpunkt der Galaxie und v die Geschwindigkeit des Sterns in der Galaxie. Für die Geschwindigkeit eines Sterns gilt

r1

rGMrv ∝= .

Die Geschwindigkeit von Sternen sollte also zum Rand der Galaxie hin mit

r1 abnehmen.

Was ist die Masse Mr genau ? In den Rechnungen erzeugt die Masse Mr das Gravitationsfeld, in dem sich Sterne

bewegen. Anhand der Herleitung der Gravitationskraft soll gezeigt werden, dass die Masse Mr genau die Masse ist, die sich innerhalb des Bahnradius eines Sterns befindet.

Für das Gravitationspotential ϕ einer Massendichte ρ gilt allgemein

ρG4π∆ ⋅⋅−=ϕ .

Für das Gravitationsfeld E gilt

ϕ gradE =r

.

Die Integration ergibt unter der Verwendung des Gaußschen Satzes

[Haw]

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∫ ∫ ∫ ∫===⋅V V V A

Ad EdV grad divdV ∆ρdVG4π-rr

ϕϕ .

Die Integralgrenze ist der Abstand des Sterns, der beobachtet wird, zum galaktischen Zentrum. Das rechte Integral liefert mit einem kugelsymmetrischen

( )rρρ =

∫ ⋅⋅=A

2r4πEAd Err

.

Für das Volumenintegral gilt

rV

MG4πdV ρG4π ⋅⋅=⋅ ∫

Schliesslich folgt das zu erwartende Ergebnis für das Gravitationsfeld E und die Gravitationskraft F

2r

rMG

E⋅

=

2r

rmMG

F⋅⋅

= .

An dieser Stelle wird klar, dass in die Masse Mr die Materie eingeht, welche sich im Abstand 0 bis r vom Zentrum befindet.

Wenn nun Messungen an Sternen einer Galaxie vorgenommen werden, die am Rand des sichtbaren Bereiches einer Galaxie liegen, so kann die gravitative Masse aller Materie bestimmt werden, welche sich innerhalb der Bahn des Sternes befindet. Die schon genannte Formel

rGMrv =

ergibt nach der Masse Mr aufgelöst

GrvM

2

r⋅= .

Messung der Bahngeschwindigkeiten Um die Geschwindigkeit von Sternen einer Galaxie zu messen, wird der Doppler-

Effekt genutzt. Das Licht einer Quelle, die sich relativ zu einem Beobachter bewegt, wird abhängig von deren Geschwindigkeit frequenz-verschoben. Je schneller sich eine Lichtquelle von einem Beobachter fortbewegt, desto weiter wird das abgestrahlte Licht ins Rote verschoben. Damit die Messungen unabhängig von der Bewegung der gesamten Galaxie sind, werden zwei leuchtenden Sternen beobachtet, welche sich in gleichem Abstand zum Zentrum der Galaxie befinden und die sich gegenüberliegen. Typischer Weise wird die 21cm-Linie der Hyperfeinstruktur des Wasserstoffs für diese Messungen genutzt.

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Diese Frequenz ist hier 0f genannt. Die verschobenen Frequenzen der Sterne 1 und 2 heißen hier 1f ′ und 2f ′ . Die relative Bewegung der Sterne zum Beobachter setzt sich zusammen aus der Geschwindigkeit der Galaxie 0u ± der Geschwindigkeit der Sterne in der Galaxie

∆uuu und∆u uu 0201 +=−= .

Allgemein gilt für den Doppler-Effekt bei elektromagnetischen Wellen die Näherung

c∆uu

fff 0

0

0 ±−=

−′.

Wir interessieren uns nur für den Unterschied der beiden frequenzverschobenen

Lichtwellen

u2c

ffff∆ 0

21 ∆⋅=′−′=′ ,

was umgeformt

( )rvf2

cf∆∆u0

=⋅

⋅′=

ergibt. Aus der Messung von f∆ ′ folgt also die Geschwindigkeiten der beiden Sterne innerhalb der Galaxie, ohne dass die Geschwindigkeit der gesamten Galaxie bekannt sein muss. Das u∆ ist genau die Geschwindigkeit v(r), von der zu Beginn des Abschnitts im Zusammenhang mit den Rotationskurven die Rede war.

Ein typisches Diagramm Dies ist das Diagramm der Rotationskurve der Galaxie NGC 3198 . Die für größer

werdende Radien abfallende Kurve stellt den theoretisch vorhergesagten Verlauf dar, die konstant bleibende Kurve zeigt die gemessenen Werte. Für wachsende Radien bleibt die Bahngeschwindigkeit v(r) offensichtlich konstant. Messungen an anderen Galaxien zeigen zwar nicht identische Kurvenverläufe, weichen aber auf die gleiche, gravierende Weise von den Vorhersagen ab.

Bei Radien von 20kPc sind die letzten Messpunkte zu sehen. Sie stammen von den am

2f ′1f ′

∆uuu 01 −=

∆uuu 02 +=

0u

[Haw]

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weitesten außen liegenden, beobachtbaren Sternen der Galaxie. Bei diesen Radien gibt es kaum noch Sterne, die der Galaxie angehören, bei 20kPc ist der Rand der sichtbaren Galaxie erreicht. Bis zum Rand der Galaxie sollte aber die Geschwindigkeit v(r) deutlich gefallen sein. Dies lässt den Schluss zu, dass die Galaxie wesentlich weiter ausgedehnt ist, als wir durch Beobachtung von Sternen annehmen würden.

Solange v(r) konstant ist, gilt

const.r

GMv r2 ==

Diese Gleichung kann aber nur stimmen, wenn die Masse der Galaxie linear mit dem Radius zunimmt. Das steht natürlich im Widerspruch dazu, dass wir im Bereich von 20kPc annehmen, dass dort der Rand der Galaxie liegt.

Um diese mit den Vorhersagen unverträglichen Messungen verstehen zu können, ist es nötig, die Masse von Galaxien auch auf andere Weisen zu bestimmen und die Ergebnisse zu vergleichen.

1.2 Leuchtkraft von Sternen Eine weitere Methode, Massen im Universum zu bestimmen, stützt sich auf einen

Zusammenhang zwischen der absoluten Leuchtkraft L eines Sterns und dessen Masse M. Unter der Leuchtkraft eines Sterns wird dessen gesamte abgestrahlte Leistung verstanden. Von dieser Leistung erreicht die Erde nur ein geringer Anteil, so dass nicht L direkt, sondern der Strahlungsstrom S bestimmt werden kann.

Beispielsweise unsere Sonne wurde für Wellenlängenbereiche von 10m bis hin zu 10-13m vermessen und es ist bekannt, dass die Sonne in diesem Bereich 99% ihrer Leistung abstrahlt. Zur Bestimmungen der Leuchtkraft muss die Entfernung r der Lichtquelle eingehen. Es gilt dann

Sr4πL 2 ⋅⋅= .

Im Zusammenhang mit der Leuchtkraft steht die effektive Oberflächentemperatur

von Sternen

41

σR4πLT

2eff

⋅⋅= .

Diese Formel hat ihren Ursprung in der Formel von Stefan-Boltzmann

4TσI ⋅= ,

die aus dem Planck-Gesetz der Hohlraumstrahlung abgeleitet werden kann. In beiden Formeln ist σ die Stefan-Boltzmann-Konstante. Wenn der Strahlungsstrom S gemessen wird und der Radius R des Sterns bestimmt wird, kann die Leuchtkraft in Abhängigkeit von der Effektivtemperatur im sogenannten Hertzsprung-Russel-Diagramm auftragen werden.

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In einem Hertzsprung-Russel-Diagramm wird für „normale“ Sterne deren Leuchtkraft in Abhängigkeit von der Effektivtemperatur aufgetragen. Die allermeisten Sterne fallen in die Hauptreihe, den im Diagramm grau hinterlegten Bereich. In diesem Band ordnen sich Sterne nach ihrer Masse an: die links eingetragenen Sterne sind schwerer, die Sterne weiter rechts sind leichter.

Masse-Leuchtkraft-Beziehung Nun gibt es eine Theorie zum Leuchtverhalten von Sternen. Die Theorie von

Eddington über Sterne beschreibt gut, wie und weshalb ein Stern leuchtet. Ein Stern wird durch Gravitation zusammengehalten und der innen entstehende Druck verhindert, dass der Stern in einem Punkt zusammenfällt. Ab einer bestimmten Gesamtmasse kommt es zu Kernfusion, im Laufe seines Lebens enthält der Stern immer mehr Abfallprodukte, er wird grösser und rot und explodiert schließlich. Die Theorie enthält drei zusammenhängende Grössen: die Leuchtkraft, die Effektivtemperatur und die Masse von Sternen. Sie sagt aus, dass in etwa gilt

4ML ∝ .

Wenn dieser Zusammenhang bestätigt werden soll, muss von einigen Sternen, welche im Hertzsprung-Russel-Diagramm eingezeichnet werden, die Masse bestimmt werden.

Die Sonne war der erste Stern, dessen Masse gemessen wurde. Schon seit vielen Jahrhunderten ist der Abstand r der Erde zur Sonne bekannt. Die Geschwindigkeit v der Erde ist der Quotient aus dem Weg 2πr und Zeit T, die Umlaufzeit ist bekanntlich ein Jahr. Wie im Abschnitt 1.1 erläutert folgt aus der Gleichheit von Zentripetal- und Gravitationskraft die Masse M. Damit ist schon die Masse zu einem Punkt im Diagramm bestimmt.

Als nächstes wurden die in der Galaxie häufigen Doppelsterne beobachtet. Hier handelt es sich um zwei Sterne, die umeinander kreisen. Manche Doppelsternsysteme bestehen aus einem grossen Hauptstern und einem wesentlich kleineren Trabanten, so dass wie bei Sonne und Erde die Masse des Hauptsterns aus der Gleichheit von Zentripetal- und Gravitationskraft folgt. Die Frequenz f, mit welcher der Trabant den Hauptstern umkreist, und der Abstand R der beiden Sterne, ist messbar.

Leuchtende Masse in Galaxien Die Aussage der Theorie von Eddington kann auf diese Weise bestätigt werden.

Leuchtkraft und Masse hängen tatsächlich voneinander ab. Im obigen Hertzsprung-Russel-Diagramm sind zu den eingezeichneten Sternen deren Massen angegeben und indirekt ist dem Diagramm der Zusammenhang von Leuchtkraft und Masse zu entnehmen

[T[Tip]

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Da die Häufigkeit der einzelnen Sterntypen bestimmt und die Gesamtanzahl von Sternen unserer und benachbarten Galaxie abschätzt werden kann, ist es so möglich, von der Leuchtkraft auf die Gesamtmasse aller Sterne einer Galaxie zurück zu schliessen. Auf diese Weise wird die leuchtende Masse einer Galaxie bestimmt.

Erfahrungsgemäß gehen in die Masse der Galaxie zusätzlich Gas- und Staubwolken und Planeten ein, welche Massekorrekturen im Promillebereich bedeuten.

Im nächsten Abschnitt geht es um eine weitere Methode, mit der die gesamte gravitativ wechselwirkende, und nicht nur die leuchtende Masse einer Galaxie, bestimmt werden kann.

1.3 Gravitationslinsen-Effekt Diese sehr elegante Methode, Massen im Universum zu ermitteln - das können

sowohl ein einzelnes Objekt, als auch eine ganze Galaxie sein - nutzt den Gravitationslinsen-Effekt. Kurz gesagt, handelt es sich um die Ablenkung eines Lichtstrahls durch eine große Masse.

Unter der Annahme einiger Vereinfachungen kann leicht ein Ablenkwinkel berechnet werden. Es gebe einen Stern, an dessen Rand ein Teilchenstrahl vorbei geht. Das Gravitationsfeld des Sterns mit dem Radius R werde durch die Masse M hervorgerufen und die Teilchen werden in y-Richtung abgelenkt.

Die zugehörige Kraft ist

ymR

mMGF 2Y &&== .

Nun wird angenommen, dass der Teilchenstrahl lediglich abgelenkt wird, wenn er sehr nah am Stern vorbei läuft und sich im grau hinterlegten Bereich der Länge 2R befindet. Für die Geschwindigkeit bei gleichbleibender Beschleunigung in y-Richtung gilt

v2R

RMGtyy 2 ⋅=⋅= &&& .

Wenn dieser Teilchenstrahl nun aus Photonen besteht, dann geht die Geschwindigkeit v in die Lichtgeschwindigkeit c über

cRGM2y

⋅⋅⋅=& .

x

α

α´

y

M R [Haw]

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Der tatsächliche Ablenkwinkel ist in der Skizze α genannt, der Ablenkwinkel, den ein Beobachter messen würde ist mit α´ bezeichnet.

Der Ablenkwinkel beträgt eigentlich

xy

tanα&

&=

aber wegen des nur kleinen Ablenkwinkels kann gesagt werden

22 Rc2MG

c1

c2R

RMG

xyα =⋅⋅==&

& .

Für die Berechnungen des exakten Ablenkwinkels und insbesondere des

Ablenkwinkels, den ein Beobachter sieht, würden hier zu weit führen. Diese Rechnungen finden sich zum Beispiel im Buch „Teilchenastrophysik“ von Klapdor-Kleingrothaus und Zuber.

Eine wesentliche Korrektur liefert aber die allgemeine Relativitätstheorie, die einen um den Faktor 2 größeren Ablenkwinkel vorhersagte. Dieser größere Winkel wurde 1919 tatsächlich bei einer Sonnenfinsternis experimentell nachgewiesen und bewies die Richtigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Massenbestimmung mittels Gravitationslinsen Aus der korrigierten Formel

2cRGM4α

⋅⋅⋅=

folgt für die Masse des ablenkenden Objekts

G4cRαM

2

⋅⋅⋅= .

Im Jahr 1919 war die Masse der Sonne bekannt und es wurde Einsteins Aussage

bezüglich des Ablenkwinkels für Lichtstrahlen verifiziert. Heute wird aus der Stärke der Ablenkung die Masse von Sternen und ganzen Galaxien bestimmt.

Der Gravitationslinsen-Effekt erzeugt verschiedene Phänomene. Wird der Lichtstrahl eines Sterns auf dem Weg zur Erde abgelenkt, so hängt das beobachtbare Phänomen zum Beispiel davon ab, ob sich die ablenkende Masse zentral vor dem leuchtenden Objekt befindet und ob das Objekt völlig oder nur teilweise bedeckt ist.

Ein Einsteinring ist zu sehen, wenn sich genau in der Sichtlinie eines leuchtenden Objektes eine Masse befindet, die das Objekt vollständig bedeckt.

[Tip]

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1.4 Aussagen der Messungen Welche Ergebnisse liefern die angesprochenen Experimente? Die Rotationskurven

ergeben direkt, dass die äußeren beobachtbaren Sterne einer Galaxie nicht der Rand der Galaxie sein können. Da die Masse einer Galaxie nach außen hin linear zunimmt, die Anzahl von Sternen aber rapide abnimmt, kann daraus geschlossen werden, dass der Großteil der Masse in der Galaxie nicht leuchtet.

Des weiteren sind die durch den Gravitationslinsen-Effekt und durch die Messung der Rotationskurven gewonnene Abschätzungen für die Massen von Galaxien wesentlich größer, als die Masse, die leuchtet und durch die Leuchtkraft-Masse-Beziehung ermittelt wird. Es ist so, dass etwa 97% der Masse in Galaxien und im Universum nicht leuchtet, also auch nicht direkt beobachtet werden kann. Diese Dunkle Materie stellt aber einen sehr grossen Teil der gravitativ wechselwirkenden Massen im All dar.

Wenn über Dunkle Materie gesprochen wird, werden nicht abstrus Spezialfälle von Sternenrelikten oder andere seltene Objekte diskutiert, sondern es geht um die Materie, woraus das Universum hauptsächlich besteht.

2.0 Kandidaten für Dunkle Materie

2.1 Uneigentliche Kandidaten Es gibt verschiedene Ansätze, den derzeitigen Widerspruch zwischen dem Stand

der Physik und den nicht bestreitbaren Messergebnissen zu erklären. Einige Ansätze versuchen die physikalischen Gesetze zu ergänzen. Solche Ideen werden uneigentlichen Kandidaten genannt. Neue Beschreibungen der Beschleunigung oder spezielle Gesetze zur Gravitation auf kleinen Skalen sind Beispiele solcher Ansätze. Alle diese Modelle funktionieren jedoch nur als Lösungen für Teilaspekte der Dunklen Materie und können damit nicht alle Probleme gleichzeitig lösen. Einen guten Überblick über uneigentliche Kandidaten liefert das Buch „Teilchenastrophysik“ von Klapdor-Kleingrothaus und Zuber.

In diesem Seminar soll es aber um einige sehr vielversprechende Kandidaten der Teilchenphysik gehen, aus denen möglicher weise die Dunkle Materie besteht.

Die Physik unterscheidet zwischen baryonischen und nicht-baryonischen Kandidaten. Aus beiden Gruppen werden Kandidaten vorgestellt. Kandidaten für Dunkle Materie werden außerdem als heiß oder kalt bezeichnet, je nach dem ob ihre Energie hauptsächlich aus der Ruhemasse besteht oder ob die Teilchen relativistische Geschwindigkeiten, also gegenüber der Masse hohe kinetische Energie haben.

2.2 Baryonische Kandidaten Mit baryonischen Kandidaten sind in erster Linie Protonen und Neutronen sowie

Objekte, die aus diesen Bausteinen bestehen, gemeint. Unter dieser Art von Kandidaten werden die noch einiger maßen realitätsnahen Objekte wie Planeten, schwarze Löcher, braune Zwerge, weiße Zwerge verstanden. Ein Körper der nur etwa 10% des Gewichts unserer Sonne hat, fängt nicht an zu leuchten und bleibt ein brauner Zwerg. Hat ein Stern seinen Brennstoffvorrat verbraucht, so gibt es drei mögliche Endzustände: weiße Zwerge, Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Welches Objekt entsteht, hängt von der Masse des verbrannten Sterns ab. Es stellt sich die Frage, ob die Dunkle Materie aus schwarzen Löchern bestehen könnte?

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Da alle Sterne im Universum eine bestimmte Lebensdauer haben und die genannten Überbleibsel nur durch verbrannte Sterne entstehen können, ist die Anzahl solcher Objekte begrenzt durch das Alter des Universums. Rechnungen ergeben, dass unser Universum zu jung ist, als dass die Dunkle Materie zum Beispiel nur aus Schwarzen Löcher bestehen könnte.

Deshalb suchen verschiedene Gruppen nach MACHOs. Die Abkürzung steht für massiv compact halo objects. Diese Objekte sollen zwischen 10-5 und 100 Sonnenmassen schwer sein und es wird versucht, sie indirekt mit dem Gravitationslinsen-Effekt nachzuweisen. Da die gesuchten Objekte sehr klein und leicht sind, wird der Effekt „micro-lensing“ genannt.

Micro-lensing Wird der Gravitationslinsen-Effekt durch sehr kleine Objekte erzeugt, welche einen

beobachteten Stern nicht vollständig bedecken, so entsteht statt eines ganzen Einsteinrings nur ein Zweifachbild.

Wenn die beiden entstehenden Bilder nicht als getrennte Objekte wahrgenommen werden können, kommt es aufgrund des Durchgangs eines massiven, kompakten Objekts zu Verstärkungen der Bilder von Sternen. Dieses Phänomen ist für Astronomen gut messbar, da alle Wellenlängen gleichermaßen verstärkt werden und weil solche Ereignisse in der Regel mehrere Tage dauern.

Durch jahrelanges Beobachten von Einzelsternen in der uns benachbarten Großen Magellanschen Wolke, wollen die MACHO- und die EROS-Kollaboration diesen Effekt beim Durchgang verschiedener MACHOs in unserem Halo beobachten. Es wurden bereits mehr als 100 solcher Ereignisse registriert.

Eigene Studien der Kollaborationen über die Häufigkeit und Art dieser Ereignisse schließen aber aus, dass MACHO´s alleine die Dunkle Materie sein können. Welchen Anteil an der Dunklen Materie sie haben, bleibt allerdings noch zu untersuchen.

Eine weitere Gruppe wird demnächst die Galaxie M31 (Andromeda) beobachten, um in unserer Galaxie mit Hilfe des micro-lensing-Effekts weitere MACHO´s zu finden.

[Haw]

[Kla]

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2.3 Nicht-Baryonische Kandidaten - Neutrinos Heute favorisieren viele Physiker gemischte Dunkle Materie. Die zugehörigen

Prozentzahlen schwanken, aber vermutet werden etwa 70% kalte und 30% heiße Dunkle Materie, die zu 20% baryonisch und zu 80% nicht-baryonisch sein könnte.

Von der nicht-baryonischen Dunklen Materie haben Elementarteilchenphysiker schon ganz genaue Vorstellungen. Sie muss stabil und elektrisch neutral sein, schwach und gravitativ wechselwirken und wahrscheinlich ist sie sehr schwer. Anderen Falls wäre sie längst zerfallen, sichtbar oder an Teilchenbeschleunigern schon entdeckt.

Kandidaten aus dem Standardmodell - Neutrinos Die einzig möglichen Kandidaten für nicht-baryonische, stabile und neutrale Dunkle

Materie, welche im Standardmodell vorkommen, sind die Neutrinos. Anhand einiger Abschätzungen kann gesagt werden, ob Neutrinos als Überbleibsel aus dem Urknall tatsächlich Kandidaten für Dunkle Materie sind.

Zunächst interessiert die Neutrinodichte im Universum. Sie kann auf die gleiche Weise berechnet werden wie die Photonendichte. Aus der Planck-Formel für dω

du folgt

dωdu

ω1

dωdn γ ⋅=

h .

Für die Photonendichte nγ gilt mit der Energiedichte u

33 cmK13

γ T 20,2dω dωdu

ω1n

⋅== ∫ h .

Die Photonendichte hängt also nur von der Temperatur der Hintergrundstrahlung ab und beträgt mit

3cm1

γ 400n 2,7K T ≅⇒= .

Die verwendete Formel lässt sich aber nicht für die Berechnung der Neutrinodichte

verwenden, da Neutrinos im Gegensatz zu den Photonen halbzahligen Spin haben, also Fermionen sind. Nach dem Ersetzten der Bose-Einstein-Statistik durch die Fermi-Statistik in der Planck-Formel ist allerdings festzustellen, dass der konstante Faktor 7/8 die einzige Veränderung ist, um gültige Ergebnisse zu erhalten

33 cmK13

υ T 20,287n

⋅⋅= .

Mit einer Neutrinohintergrundtemperatur von T=1,95K ergibt sich für jede der drei Neutrinosorten die Neutrinodichte

3cm1

υ 130n ≅ .

Dieses Ergebnis wird später wieder verwendet werden.

Die bekannte Masse im Universum besteht hauptsächlich aus den Protonen. Wie gross die Protonendichte im All ist, wird aus den Abschätzungen für die gesamte Protonenmasse M und dem Volumen des Universums V gewonnen

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p80

SternProtonen581111 m1010Sterne10Galaxien10M =⋅⋅= .

Mit einer ebenso kurzen Rechnung wird aus dem Durchmesser des Universums dessen gesamtes Volumen abgeschätzt

38731134 cm10Ly)(10πV ≅⋅= .

Diese Ergebnisse liefern die Protonendichte des Alls

3387P

80

Pm

Proton101

cm10m10

ρ == .

Wenn davon ausgegangen wird, dass es im Universum 97% Dunkle Materie gibt,

dann ist die Energiedichte im All allerdings wesentlich grösser. Sie müsste

3mssenProtonenma 3ρ =

betragen. Dies entspricht einer fehlenden Energiedichte

39

3 meV103

mssenProtonenma

1029∆u ⋅≅= .

Aus der Dichte der Neutrinos im Universum und der benötigten Energie folgt die

Masse, die ein Neutrino haben müsste, um die erwartete Energie zu erzeugen. Es gilt

8eVStück

m10130

1meV103

31cm

3

6392

υ ≅⋅

⋅⋅⋅=⋅ .

Dass dieser Wert mit einer sehr grossen Ungenauigkeit behaftet ist, lässt sich nicht leugnen. Die Rechnung soll nur zeigen, in welcher Größenordnung die Neutrinomasse etwa liegen muss.

Die Masse von Neutrinos ist noch nicht bekannt. Aber aus den Messungen an solaren Neutrinos ist ermittelt worden, dass es Neutrino-Oszillation gibt und dass der Massenunterschied der verschiedenen Neutrinos etwa

262 eV10δm −=

beträgt.

Hierarchie oder Entartung? Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Entweder gibt es eine Hierarchie, bei der die

Masse des Elektronneutrinos Null ist und die anderen Neutrinomassen sind minimal von Null verschieden, oder aber das Elektronneutrino hat eine signifikante Masse, die den Massen der anderen Neutrinos ähnelt. Letzterer Fall wird Entartung genannt und nur in diesem Fall kommen die Neutrinos für die Dunkle Materie in Betracht. Eine Neutrinomasse nahe Null reicht nicht aus, um die Gravitationseffekte im Universum zu erklären.

Das sogenannte Mainz-Experiment hat mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass Neutrinos eine Masse größer als mv=2,8eV haben. Genauere Messungen gibt es bislang nicht. Daher können erst zukünftige Messungen der Neutrinomasse entscheiden, ob Dunkle Materie möglicherweise aus Neutrinos besteht. Aber im Moment gelten Neutrinos nicht als wahrscheinliche Kandidaten für die Dunkle Materie.

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2.4 Nicht-Baryonische Kandidaten - Exoten In diesem Kapitel wird es um einen speziellen, exotischen Kandidaten gehen.

Dieser Kandidat für die Dunkle Materie folgt aus einigen Überlegungen zum Higgs-Boson. Um direkt jedes Missverständnis zu vermeiden: es geht hier nicht um das Higgs-Boson selbst!

Bekannt ist, dass das Higgs-Teilchen das letzte Teilchen des Standard-Modells ist, welches noch nicht nachgewiesen wurden. Es ist für das Standard-Modell immens wichtig, da alle Teilchen erst durch Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld Masse erhalten. Eine Besonderheit ist, dass die Quantenfeldtheorie dem Higgs-Boson nicht, wie sonst üblich für Teilchen, nur Dreipunktwechselwirkungen, sondern auch Vierpunktwechselwirkungen gestattet.

Diagramme höherer Ordnung Für ein Higgs können, genau wie bei anderen

Teilchen, Diagramme höherer Ordnung gezeichnet werden. Hier wechselwirkt zum Beispiel ein Higgs-Boson mit sich selbst, oder in diesem Bild wechselwirkt ein Elektron mit seinem elektrischen Feld. Die Schleifen, die hier eingezeichnet sind, entsprechen Integralen über die Impulse.

In der Quantenelektrodynamik bewirken die sogenannten Selbstenergiediagramme des Elektrons eine Änderung der Elektronenmasse. Die gleiche Art von Korrekturen muss es auch für die Higgs-Boson-Masse geben.

Solche Integrale müssten im Grund von Null bis unendlich integriert werden

∫Λ

o

dp c .

Da Unendlich aber ein rein mathematischer Begriff ist, wird er durch physikalisch sinnvolle Grenzen ersetzt. Daher wird als obere Grenze der Abschneideenergie Λ allgemein

GeV 10Λ 15= gewählt, dies ist die Energie, bei der die Vereinheitlichung aller Wechselwirkungen erwartet wird.

In der Quantenelektrodynamik sind die Ergebnisse der Berechnungen nicht problematisch, da es nur eine logarithmische Divergenz gibt

⋅∝ 2

2

e mΛln∆m .

Für das Elektron ergibt sich folgendes Verhältnis aus der korrigierten Masse und der nackten Masse des Elektrons

[Ber]

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1,7mm

e,0

e ≈ .

Schwierig sieht es hingegen bei den Korrekturen an der Higgs-Boson-Masse aus.

Hier taucht ein Λ2 auf, welches die Masse des Higgs-Teilchens unkontrollierbar unendlich werden lässt. Dies wird das Problem der quadratisch divergenten Masse genannt

2

H Λc∆M ⋅∝ .

Dieses Problem tritt auf, wenn ein Higgs mit sich selbst wechselwirkt oder sich beispielsweise kurze Zeit in ein Elektron-Positron-Paar umwandelt.

Als Lösung des Problems dienen neue Teilchen. Ihnen wird die Eigenschaft

gegeben, dass sie die Masse des Higgs auf die gleiche Weise minus unendlich werden lassen können. Diese Lösung ist deswegen denkbar, da sich in der Quantenfeldtheorie Bosonen und Fermionen nur um ein Vorzeichen unterscheiden.

Die neu kreierten Teilchen werden Supersymmetrische ( SUSY- )Teilchen genannt. Sie sollen bis auf den Spin identische Eigenschaften haben, wie alle üblichen Teilchen. Es werden die sogenannten Sleptonen und Squarks, Gluinos, Binos, Winos und Higgsinos vorhergesagt.

SUSY-Teilchen Fermionen, also Elementarteilchen mit halbzahligem Spin wie Elektronen,

Protonen und Neutronen bekommen nun ein Gegenstück, welches ein Boson ist. Bosonen mit ganzzahligem Spin, wie die Mesonen und die Photonen, erhalten Fermionen als Partner. Die Erweiterung des Standardmodells, in dem möglichst wenige neue Parameter eingeführt werden, wird das minimale supersymmetrische Standardmodell ( MSSM ) genannt.

Für die Suche nach Dunkler Materie sind vor allem das Wino, Zino, Photino und die Higgsinos von Interesse

Aus diesen Teilchen des MSSM setzen sich durch Linearkombinationen die

sogenannten Charginos und die Neutralinos zusammen. Theoretiker kennen die Eigenschaften dieser Teilchen, welche modellabhängig berechenbar sind. Die Wirkungsquerschnitte hängen von den genauen Massen der neuen Teilchen. Neutralinos sind deswegen so interessant, weil sie die leichtesten, also auch die

+∞=∆m

+∞=∆m

−∞=∆m

Spin 0

Spin 1/2

Spin 1/2

Spin 0

−∞=∆m

γ~0Z~±W~ 01,2H~ ±H~

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stabilen SUSY-Teilchen sind. Daher tragen sie den Namen LSP, lightest supersymmetric particle. Die untere Massengrenze, die experimentell ermittelt wurde, beträgt derzeit

2c

GeVLSP 50M ≥ .

Diese Teilchen sind zur Zeit guten Kandidaten für die Dunkle Materie und es gibt schon Experimente, die indirekt Neutralinos nachweisen.

SUSY-Teilchen haben die Eigenschaft, dass sie sich paarweise erzeugen und vernichten. Nun gibt es eine grosse Anzahl von Möglichkeiten, was mit den erzeugten SUSY-Teilchenpaare passieren kann. Als Beispiele sind hier einige Neutralino-Vernichtungen abgebildet. Markiert sind einige der zu erwartenden Reaktionen, deren Reaktionsprodukte schliesslich in ein Elektron-Positron-Paar zerfallen. Aufgrund der grossen Massen, die zerfallen, erhalten die Elektronen und Positronen hohe kinetische Energien. Das werden wir in den folgenden Diagrammen sehen.

Wenn es Neutralinos als Überbleibsel des Urknalls im Universum gibt, dann

erzeugen sie ständig eine bestimmte Menge von Elektronen und Positronen. Diese Elektronen und Positronen gibt es aber im herkömmlichen kosmologischen Standardmodell nicht, so dass Messungen der Häufigkeit von Elektronen und Positronen im All von der Vorhersage des Standardmodells abweichen müssten.

e-,e+

e-,e+

e-,e+

[Wim]

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Indirekter Nachweis von Neutralinos Messungen dieser Art hat

es in den Jahren 1994 und 1995 gegeben. Das High-Energy-Antimatter-Telescop (HEAT) hat Elektronen und Positronen an einem Ballon in der oberen Atmosphäre detektiert und es wurden auffällige Abweichungen vom kosmologischen Standardmodell festgestellt.

In diesem Diagramm ist auf der x-Achse die Energie und auf der y-Achse der Quotient aus der Anzahl von Positronen und der Summe aus Elektronen und Positronen aufgezeichnet. Die durchgezogenen Linien sind Vorhersagen aus dem Standardmodell und die Punkte sind die Messungen von HEAT.

Wenn das Standardmodell erweitert wird, gelingt es, die freien Parameter so zu

wählen, dass die Vorhersage mit den Messungen von HEAT exakt übereinstimmt. Die eingezeichneten Messpunkte von AMS-02 zeigen, welche Ergebnisse die Teilchenphysiker in den nächsten Jahren zu messen hoffen.

[Wim]

e+/(e++e-)

positron energy [GeV] [Sch]

AMS-01 HEAT Vorhersage AMS-02

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Das Brilliante an der Idee der SUSY-Teilchen ist, dass diese Teilchen nicht nur das Problem der Dunklen Materie lösen würden, sondern sie würden im Modell auch eine Symmetrie zwischen Bosonen und Fermionen schaffen. Das so erweiterte Teilchenspektrum würde sogar dafür sorgen, dass sich die drei Kopplungskonstanten α für grosse Energien in einem Punkt vereinigen würden. Gerade diese universellen, viele Probleme lösenden Eigenschaften machen die SUSY-Teilchen zu derzeit ganz heissen Kandidaten.

[Wim]

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Das AMS-02 Experiment

Ab dem Jahre 2005 soll das

AMS-02 Spektrometer auf der Internationalen Raumstation für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren eingesetzt werden. Das Kernstück von AMS-02 soll ein Magnetspektrometer mit supraleitendem Magneten und Siliziumstreifenzählern zur Auslese sein. Zur Teilchenidentifizierung dienen ein Übergangstrahlungsdetektor, ein RICH-Cherenkovzähler, ein Kalorimeter, ein Flugzeitzähler.

Mit dem AMS-02-Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS ist es möglich, über Jahre Elektronen und Positronen im Universum zu detektieren. Das AMS-Experiment wird also in der Lage sein, das minimal supersymmetrische Standardmodell zu beurteilen. Anschliessend werden sich herausstellen, ob die Korrektur an der Higgs-Masse mit SUSY-Teilchen handhabbar ist und ob Dunkle Materie aus nicht-baryonischen Teilchen besteht.

[Sch]

[Sch]

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Quellennachweis

[Ber] C. Berger, Elementarteilchenphysik, 2002

[Haw] S. Hawking, Das Universum in der Nußschale, 2001

[Kla] H.V. Klapdor-Kleingrothaus / K.Zuber, Teilchenastrophysik,1997

[Sch] S. Schael, Seminar MPI für Physik, Januar 2002

[Tip] P.A. Tipler, Physik, 1995

[Wim] W. de Boer, AMS Dark Matter WG, April 2002