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Teilgebiete der Wirtschaftspolitik
Technische Universität BerlinWirtschafts-und Verwaltungsakademie
OstbrandenburgWintersemester 2013
Prof. LechnerAusgewählte Gebiete der
Wirtschaftspolitik
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Prof. Dr. Hans H. Lechner
Postanschrift:
TU Berlin Sekr. H 55Straße des 17. Juni 13510623 Berlin
Telefon: (030) 314 23305
Internet: www.iwb.tu-berlin.deE-Mail [email protected]
Vorbemerkungen
Welches der vielen aktuellen Gebiete?
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Die Krise der Europäischen Union:
Bankenkrise, Eurokrise, Stagnation
Unterschiedliche Meinungen, aber keine offene Diskussionunter den Sachverständigen
Einige Beispiele:Therapie: Blut ganz ablassen … (Tagesspiegel)
Meinen Sie nicht, man sollte die Maschinen anwerfen, Frau Merkel? (The economist)
Deutschland ist der Profiteur (Juncker)
Anzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften von Professoren mit jeweils fast 200 Unterschriften
Erfolgsmeldungen ohne Erfolge (deutsche Bundeskanzlerin)(kaum Wachstum, stagnierende Arbeitslosenzahlen …)
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Diese Uneinigkeit lässt darauf schließen, dass
die sog. Fachleute erhebliche Defizite in den theoretischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften aufweisen
und/oder
andere Ziele anstreben als das Streben nach Erkenntnissen zurVerbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung, also
Vollbeschäftigung – angemessenes und stetiges Wirtschaftswachs-tum - monetäre Stabilität – außenwirtschaftliches Gleichgewicht
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Die theoretischen Defizite werden rasch klar, wenn mandie Argumente der Gegner der aktuellen Europa-Politik,insbesondere ihre Lehrmeinungen in ihren Lehrbüchernnäher studiert.
Diese Argumente machen insbesondere Defizite auf demGebiet der Analyse und Bewertung von
Salden von Stromgrößen (Kapitaltheorie) und eng damit verbunden
auf dem Gebiet der Geldtheorie
deutlich
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Diese theoretischen Defizite sollen Gegenstand unserer Arbeit
an den 6 Abenden sein, die wir hier zusammen arbeiten können.
Erster Hauptteil.
Grundlagen der Kapitaltheorie
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Die Vieldeutigkeit des Kapitalbegriffs
In der Betriebswirtschaftslehre:
Eigenkapital – Fremdkapital
Anlagekapital – Umlaufkapital
In der Volkswirtschaftslehre:
Produktionsfaktor Kapital
Humankapital
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Kapitalmarkt und Geldmarkt:
Markt für langfristige Kredite und kurzfristige Kredite
Primärmarkt und Sekundärmarkt:
Auf dem Primär-Kapitalmarkt wird Geld bestimmten Wirtschaftseinheiten zur Verfügung gestellt, die damit Real-Güter (Waren, Dienstleistungen etc.) kaufen wollen
Auf dem Sekundärkapitalmarkt werden die am Primärmarkt entstandenen Rechte (Forderungen) gehandelt.
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Da die Nachfrager auf dem Primärmarkt in der Regel Güter mit Geld nachfragen wollen, meint die herrschende Lehre in den Wirtschaftswissenschaften, dass diese Nachfrager durch Geldschöpfung bedient werden sollen.
Da für die Geldschöpfung in modernen Volkswirtschaften die sog. Zentralbank zuständig ist, meinen die Vertreter der herrschenden Lehre, dass die Zentralbanken am Primärkapitalmarkt aktiv werden sollen, also auf diese Weise „billiges Kapital“ den Investoren zur Verfügung stellen sollen, um Wachstum und Entwicklung zu fördern.
Vor allem soll auf diese Weise auch der Finanzbedarf des Fiskus gedeckt werden.
Dieser herrschenden Lehre steht die Minderheitsmeinung
gegenüber:
Die Zentralbank hat mit ihrer Geldschöpfung auf dem Kapitalmarkt nichts zu suchen,
weder auf dem Primärkapitalmarkt noch auf demSekundärkapitalmarkt
Wer hat recht?
Die monetäre und die realwirtschaftliche
Analyse des Kapitalmarktes
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Einkäufe und Verkäufe im Laufe eines Investitionsprozesses
Beispiel:
Ein Haus wird gebaut, die Nutzflächen des Hauses sollen vermie-tet werden.
Die Baukosten betragen 1 Million $, die Bauzeit 1 Jahr, die er-wartete wirtschaftliche Lebensdauer 100 Jahre.
Wie verhalten sich Angebot und Nachfrage des Investors imersten Jahr nach Baubeginn, wie in den folgenden Jahren?
Nennen wir in der Sprache der Volkswirtschaftslehre die
Einkäufe Absorption von Realgütern aus dem Markt
und die
Verkäufe Effusion von Realgütern an den Mark.
Angewandt auf das Beispiel des Bauherrn:
Im ersten Jahr (der Investitionsperiode) hat er einen Überschuss der Absorption über die Effusion (einen Absorptionsüberschuss).
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Daraus folgt der Lehrsatz:
Investitionen sind ausnahmslos durch zeitweilige Absorptionsüberschüsse, also einen Überschuss der Einkäufe überdie gleichzeitigen Verkäufe
gekennzeichnet.
In der Regel will die investierende Unternehmung mit ihrer Investi-tion nach beendigter Investitionsperiode Gewinne machen. Das setzt voraus, dass später der Wert der Verkäufe an die Märkte (lau-fende Mieteinnahmen) höher ist als der gleichzeitige Wert derEinkäufe für das Investitionsobjekt (laufende Bewirtschaftungs-kosten).
Aus dieser realwirtschaftlichen - nicht wie üblich monetären - Sicht von betrieblichen Investitionsprozessen lässt sich mühelos die Richtigkeit der Minderheitsmeinung der Volkswirte ableiten, dassdie Zentralbank mit ihrer Geldschöpfung auf dem Kapitalmarkt nichtszu suchen hat:
Stellt die Zentralbank Wirtschaftseinheiten mit geplanten zeitweiligenAbsorptionsüberschüssen „frisch gedrucktes“ Geld zur Verfügung, dann steigt das Geldangebot (die Güternachfrage) in der Volkswirt-schaft, ohne dass die Geldnachfrage (das Güterangebot) steigt. Esentsteht ein Überangebot an Geld.
Mit anderen Worten: Die Aktivitäten der Zentralbank am Kapitalmarkt(Primärmarkt und Sekundärmarkt) haben stets und ohne AusnahmeInflation zur Folge
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Die Ausnahme von der Regel ist der Fall der
echten Deflation
also z. B. Stagnation und Arbeitslosigkeit, die darauf zurück-zu führen ist, dass in der Volkswirtschaft zu wenig Geld umläuft.
Bedeutung dieser Ausnahme für Analyse und Therapie derSchwierigkeiten in der Gegenwart:
Seit dem Ende der Deflation der Weltwirtschaftskrise (ab 1930bis zum Kriegsende 1945) hat es in der Weltwirtschaft keinen einzigen Arbeitslosen gegeben, der arbeitslos wurde und/oder blieb, weil in den Volkswirtschaften zu wenig Geld umlief.
Wenn die Zentralbank auf dem Kapitalmarkt nichts zu suchen hat:
Wie sind Investitionen (mit notwendigen Absorptions-überschüssen) dann möglich?
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Damit Wirtschaftseinheiten einer Volkswirtschaft geplante Absorptionsüberschüsse realisieren können, ohne unerwünschte Ungleichgewichte zwischen der Gesamtnachfrage und dem Gesamtangebot an realen Gütern herbei zu führen,
müssen Wirtschaftseinheiten ihre Einkäufe von den Märkten so mit ihren Verkäufen auf den Märkten abstimmen, dass jeweils
Absorptionsdefizite
entstehen. Diese Wirtschaftseinheiten nennt man
Sparer.
Formen der Spartätigkeit
Nach einer Einteilung der Sparformen durch den deutschenÖkonomen Wilhelm Röpke kann man unterscheiden:
A Formen freiwilligen Sparens:1. Sparer und Investor sind verschiedene Wirtschaftsein-heiten, z. B. ein Haushalt erwirbt eine neu emittierte Schuldverschreibung2. Sparer und Investor sind dieselbe Wirtschaftseinheit, z. B. Selbstfinanzierung durch eine Unternehmung
B Formen von erzwungenem Sparen: 3. Finanzpolitische Zwangskapitalbildung (z. B. Steuern)4. Geldpolitische Zwangskapitalbildung (z. B. Kaufkraft-verluste durch Inflation)
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Sparer und Investoren müssen nicht Staatsangehörige dergleichen Volkswirtschaft sein.
Die Wirtschaftseinheiten einer Volkswirtschaft können Kapital importieren, also die Ersparnisse von Ausländernzur Realisierung geplanter Investitionen in Anspruch nehmen. In diesem Fall müssen die Ausländer ein Absorptionsdefizit gegenüber den Inländern aufweisen, oder, mit anderen Worten, die Verkäufe der Ausländer an die Inländer müssen einen höheren Wert haben als die gleichzeitigen Einkäufe der Ausländervon den Inländern.
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Ein Exportüberschuss einer Volkswirtschaft gegenüber demAusland (ein Absorptionsdefizit) bedeutet in realwirtschaftlicher Sicht, dass diese Volkswirtschaft dem Ausland Ersparnisse zur Verfügung stellt.
Ein Importüberschuss einer Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland (ein Absorptionsüberschuss) bedeutet in realwirtschaft-licher Sicht, dass diese Volkswirtschaft Ersparnisse von AusländerIn Anspruch nimmt.
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Es gehört zu den gröbsten Fehlern der herrschenden Mehrheit unter den Volkswirten im In- und Ausland, dass man ohneweitere Informationen Exportüberschüsse als vorteilhaftfür die Überschussvolkswirtschaft und Importüberschüsseals nachteilig für die Importüberschussvolkswirtschaft ansieht.
Geradezu infam ist die Folgerung aus dieser grob fehlerhaftenBeurteilung von Salden im internationalen Handel, dass sich dieVolkswirtschaft, die einer anderen Volkswirtschaft Ersparnissezur Verfügung stellt, auf Kosten der Verwender dieser Ersparnissebereichert.
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Einige erste Folgerungen
1. Die Bildung von Absorptiondefiziten („Sparen“) ist insoferneine „Last“, als sie für kürzere oder längere Zeit Konsumverzichtbedeutet.
2. Diese Last kann man nicht auf „spätere“ Generationen abwäl-zen
3. Jede Generation lebt von der Spartätigkeit früherer Generationen4. Sparen bedeutet in einzelwirtschaftlicher Sicht Nachfrageausfall,
in volkswirtschaftlicher Sicht hingegen nicht. Insbesondere die Banken bringen die bei ihnen angelegten Ersparnisse wieder alsKredit in den Wirtschaftskreislauf.
5. Ob der Kapitalzins zu hoch ist, hängt von der Rentabilität der Investitionen ab.
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Vertiefung dieser Erkenntnis:
Mikroökonomie der Zahlungsbilanz
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Güterarten:
1. RealgüterWaren, Dienstleistungen
2. FinanzgüterAuf Geld lautende Rechte, z. B. Forderungen ausKreditvertrag
3. GeldBargeld, Giralgeld
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Die Statistik der
aus einer Wirtschaftseinheit im Tauschverkehrzu anderen Wirtschaftseinheiten strömenden Güter
und der von anderen Wirtschaftseinheiten im Tauschverkehrzu einer Wirtschaftseinheit strömenden Güter
nennt man die
Zahlungsbilanz
dieser Wirtschaftseinheit. Sie ist nach Güterarten geordnet.
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Die Zahlungsbilanz einer Wirtschaftseinheit(Unternehmung, Fiskus, Haushalt) :
Realgüterströme („Außenbeitrag“)Verkäufe und Einkäufe von Realgütern
Finanzgüterströme („Kapitalbilanz“) Kreditaufnahme, Beteiligungen
Geldströme („Geldstrombilanz“)Einzahlungen und Auszahlungen
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Neben den Markttransaktionen (Tausch von gleichwertigen Gütern)finden auch Einseitige Transaktionen statt (Geschenke, Ver-sicherungsleistungen) statt.
Die einseitigen Transaktionen werden in der Zahlungsbilanz der Wirtschaftseinheit unter der Bezeichnung „Übertragungen“ erfasst.
Die Bilanz der Realgüterströme und der Übertragungen werden inder sog. Leistungsbilanz erfasst
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Die Zahlungsbilanz einer Wirtschaftseinheit(Unternehmung, Fiskus, Haushalt) ist also wiefolgt gegliedert :
1 Leistungsbilanz
1.1 Realgüterströme („Außenbeitrag“)1.2 Übertragungen
2 Kapitalbilanz3 Geldstrombilanz
Wegen der Übertragungsbilanz ist die Zahlungsbilanzeiner Wirtschaftseinheit immer ausgeglichen.
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Salden in der Zahlungsbilanz einer Wirtschaftseinheit und ihre Beurteilung
Während die gesamte Zahlungsbilanz einer Wirtschaftseinheit immer ausgeglichen ist, sind Salden in den Einzelbilanzen selbstverständlich.
Eine Beurteilung solcher Salden ist nur möglich, wenn weitere Informationen zur Verfügung stehen.
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Salden in der Geldstrombilanz und ihre Beurteilung
Beurteilung von Geld-
Zuflüssen
Abflüssen
jeweils bei Haushalten, Unternehmungen, Fiskus
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Salden im Außenbeitrag und ihre Beurteilung
Beurteilung von
Realgüter-Zuflüssen
Realgüter-Abflüssen
jeweils bei Haushalten, Unternehmungen, Fiskus
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Salden im Kapitalgüterverkehr und ihre Beurteilung
Beurteilung von
Kreditaufnahme
Kreditvergabe
jeweils bei Haushalten, Unternehmungen, Fiskus
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Ergebnis:
Salden in den Teilbilanzen einer mikroökonomischenZahlungsbilanz
sind ohne weitere Informationen
nicht sinnvoll zu beurteilen