thesenpapier: grundprinzipien der gruppenbezogenen menschenfeindlichkeit

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Grundprinzipien der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit im Social Web Bettina Dettendorfer Hate Speech als Ausdruck von Menschenverachtung und Hass ist keine neue Erfindung und auch nichts, was erst seit ein paar Jahren bekannt ist. Dennoch scheint es seit knapp zwei Jahren eine neue Wut- und Hasskultur zu geben, die in Deutschland um sich greift und als Verbreitung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz zu finden ist. Dabei ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu verstehen als zusammenhängendes Phänomen, das in der „…Abwertung und Ausgrenzung einer ganzen Reihe von sozialen Gruppen und den ihnen zugerechneten Personen, wie sie sich u.a. in ethnischem Rassismus, Antisemitismus und Sexismus zeigt, ein zusammenhängendes Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit [bildet], zusammengehalten durch die Ideologie der Ungleichwertigkeit.“ 1 Entwickelt wurde das Konzept im Rahmen des Forschungsprojekts „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ am Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld unter Leitung von Prof. Wilhelm Heitmeyer. In einer 10jährigen Langzeituntersuchung mit jährlicher Bevölkerungsumfrage wurde die Abwertung und Ausgrenzung bestimmter Gruppen erforscht und als zusammenhängendes Syndrom definiert, das die Ungleichheit bestimmter sozialer Gruppen legitimiert und seinen Ausdruck in Stereotypen, gesellschaftlichen Narrativen und Diskriminierung findet. „Im Kern geht es darum, dass Menschen aufgrund ihrer zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit eine unterschiedliche Wertigkeit beigemessen wird“ 2 . Im Netz und dort vor allem in den sozialen Netzwerken finden wir diese Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Form von Hate Speech in den verschiedensten Formen der Abwertung, in Vorurteilen genauso wie in Diskriminierung bis hin zu offenen Gewaltaufrufen. Sie äußert sich in Text und Bild, direkt oder indirekt, offenkundig menschenverachtend oder als Satire verpackt. Sie ist zu finden in Kommentarfunktionen bei Zeitungen oder in Diskussionen bei Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien. Aber auch im eigenen Bekanntenkreis kann schon mal das eine oder andere geschrieben werden, „was doch mal gesagt werden darf“. Ergebnisse der im Juni 2016 veröffentlichten Forsa-Umfrage „Ethik im Netz – Hate Speech“ machen deutlich 3 : 39 Prozent der Befragten sehen ab und zu Hasskommentare, 18 Prozent häufig und 8 Prozent sogar sehr häufig. Noch alarmierender sind die Ergebnisse allerdings, wenn man sich die Gruppe der 14-24jährigen anschaut: hier ist Hassrede ein alltägliches Phänomen, so sehen 22 Prozent sehr häufig, 32 Prozent häufig und 37 Prozent ab und zu Hate Speech in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Hate Speech ist somit gerade auch für junge Menschen eine relevante Sozialisationserfahrung geworden. Auch andere Untersuchungen, wie der Monitoringbericht 2015/2016 der Amadeu-Antonio-Stiftung zeigen 4 : Hass und Diskriminierung als Ausdruck von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz wird nicht nur von rechten und rechtspopulistischen Gruppen genutzt, sondern erreicht viele Menschen, etabliert Narrative und scheint gesellschaftsfähig zu werden. Die Grenze des Sagbaren hat 1 Küpper, Beate: Ideologien der Ungleichwertigkeit und das Syndrom „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Ideologien der Ungleichwertigkeit, Berlin 2016, S. 21. 2 Ebenda. 3 http://www.lfm-nrw.de/fileadmin/user_upload/lfm- nrw/Service/Veranstaltungen_und_Preise/Medienversammlung/2016/EthikimNetz_Hate_Speech-PP.pdf, zuletzt abgerufen am 20.7.2016. 4 Amadeu-Antonio-Stiftung: Monitoringbericht 2015/2016 „Rechtsextreme und menschenverachtende Phänomen im Social Web“, Berlin 2016.

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Page 1: Thesenpapier: Grundprinzipien der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

GrundprinzipiendergruppenbezogenenMenschenfeindlichkeitimSocialWeb

BettinaDettendorfer

HateSpeechalsAusdruckvonMenschenverachtungundHassistkeineneueErfindungundauchnichts,waserstseiteinpaarJahrenbekanntist.DennochscheintesseitknappzweiJahreneineneueWut-undHasskulturzugeben,dieinDeutschlandumsichgreiftundalsVerbreitungvongruppenbezogenerMenschenfeindlichkeitimNetzzufindenist.DabeiistgruppenbezogeneMenschenfeindlichkeitzuverstehenalszusammenhängendesPhänomen,dasinder„…AbwertungundAusgrenzungeinerganzenReihevonsozialenGruppenunddenihnenzugerechnetenPersonen,wiesiesichu.a.inethnischemRassismus,AntisemitismusundSexismuszeigt,einzusammenhängendesSyndromGruppenbezogenerMenschenfeindlichkeit[bildet],zusammengehaltendurchdieIdeologiederUngleichwertigkeit.“1EntwickeltwurdedasKonzeptimRahmendesForschungsprojekts„GruppenbezogeneMenschenfeindlichkeit“amInstitutfürInterdisziplinäreKonflikt-undGewaltforschunganderUniversitätBielefeldunterLeitungvonProf.WilhelmHeitmeyer.Ineiner10jährigenLangzeituntersuchungmitjährlicherBevölkerungsumfragewurdedieAbwertungundAusgrenzungbestimmterGruppenerforschtundalszusammenhängendesSyndromdefiniert,dasdieUngleichheitbestimmtersozialerGruppenlegitimiertundseinenAusdruckinStereotypen,gesellschaftlichenNarrativenundDiskriminierungfindet.„ImKerngehtesdarum,dassMenschenaufgrundihrerzugewiesenenGruppenzugehörigkeiteineunterschiedlicheWertigkeitbeigemessenwird“2.

ImNetzunddortvorallemindensozialenNetzwerkenfindenwirdieseGruppenbezogeneMenschenfeindlichkeitinFormvonHateSpeechindenverschiedenstenFormenderAbwertung,inVorurteilengenausowieinDiskriminierungbishinzuoffenenGewaltaufrufen.SieäußertsichinTextundBild,direktoderindirekt,offenkundigmenschenverachtendoderalsSatireverpackt.SieistzufindeninKommentarfunktionenbeiZeitungenoderinDiskussionenbeiFacebook,TwitterundanderensozialenMedien.AberauchimeigenenBekanntenkreiskannschonmaldaseineoderanderegeschriebenwerden,„wasdochmalgesagtwerdendarf“.ErgebnissederimJuni2016veröffentlichtenForsa-Umfrage„EthikimNetz–HateSpeech“machendeutlich3:39ProzentderBefragtensehenabundzuHasskommentare,18Prozenthäufigund8Prozentsogarsehrhäufig.NochalarmierendersinddieErgebnisseallerdings,wennmansichdieGruppeder14-24jährigenanschaut:hieristHassredeeinalltäglichesPhänomen,sosehen22Prozentsehrhäufig,32Prozenthäufigund37ProzentabundzuHateSpeechinihrenunterschiedlichstenAusprägungen.HateSpeechistsomitgeradeauchfürjungeMenscheneinerelevanteSozialisationserfahrunggeworden.AuchandereUntersuchungen,wiederMonitoringbericht2015/2016derAmadeu-Antonio-Stiftungzeigen4:HassundDiskriminierungalsAusdruckvongruppenbezogenerMenschenfeindlichkeitimNetzwirdnichtnurvonrechtenundrechtspopulistischenGruppengenutzt,sondernerreichtvieleMenschen,etabliertNarrativeundscheintgesellschaftsfähigzuwerden.DieGrenzedesSagbarenhat

1Küpper,Beate:IdeologienderUngleichwertigkeitunddasSyndrom„GruppenbezogeneMenschenfeindlichkeit“,in:Heinrich-Böll-Stiftung(Hrsg.):IdeologienderUngleichwertigkeit,Berlin2016,S.21.2Ebenda.3http://www.lfm-nrw.de/fileadmin/user_upload/lfm-nrw/Service/Veranstaltungen_und_Preise/Medienversammlung/2016/EthikimNetz_Hate_Speech-PP.pdf,zuletztabgerufenam20.7.2016.4Amadeu-Antonio-Stiftung:Monitoringbericht2015/2016„RechtsextremeundmenschenverachtendePhänomenimSocialWeb“,Berlin2016.

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sichverschoben.UndauchwennbisherkeindirekterZusammenhangzwischenderimNetzvorhandenenHassredeundrealenAusschreitungenoderHandlungenz.B.gegenübergeflüchtetenMenschenwissenschaftlichuntersuchtwurde,mussmansichdieFragestellen,inwieweitHateSpeechimNetzzueinerRadikalisierungvonEinstellungenundHaltungeninderGesellschaftbeiträgt.FestzustellenistmitSicherheit:GruppenbezogeneMenschenfeindlichkeitimNetzundimSocialWebfindetimInternetmitschnellemTempoeineweiteVerbreitung.AuchdiewegfallendenWahrnehmungskanäleundHinweisreizeeinerface-to-face-KommunikationsowieAnonymitätspielendabeiebensoeineRollewiepersonalisierteFilterindenNetzwerken,diedasAnzeigenvonNachrichtenselektieren.Dennochbleibtfestzuhalten:nichtdasInternetistschuldandergruppenbezogenenMenschenfeindlichkeit,sondernesistdieTechnik,dieDingesichtbarmacht,aberauchzueinerrasantenVerbreitungbeiträgt.DieHerausforderungen,dementgegenzutreten,stellensichsomitaufverschiedenenEbenen:nichtnuraufSeitenderNutzer_innenundBetreibersozialerNetzwerke,sondernvorallemauchzivilgesellschaftlichalsgemeinsameAnstrengung,politischalszuerkennendeVerantwortungundpädagogischalsEntwicklungeinerneuenMedienkompetenzinderArbeitmitjungenMenschen.