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89 He~/3] ~57 Ueber das Brutvorkommen der SilbermOwe (LarHs argentatns omissns) und des Sterntauchers (Colymbus stellatns) im Ostbaltikum. Von Max Brandt (Posen), Wghrend aa der deutschen Nord- nnd Ostsee die SiI b e r m 5 we als reiner Kiisten-Brutvogel in grossen Kolonien siedelt (Langeoog 15000 Paare. Memmertstraud 6000 Paare, Mellum 2000 Paare), tritt sie in Osteuropa und Sibirien als Biunenlandbrtiter anti Im Ost- baltikum kann man beides nebeneinander beobachten. Die SilbermSwe ist in den ehemaligen baltischen Randstaaten (Lettland und Estland) als Brutvogel selten (ira Verzeichnis der Wh'beltiere des ostbaltischen Gebietes yon G~ossE und v. TaAaSEEE ist sie als Brutvogel nicht er- w~hnt); auch auf dem Zuge, 0bgleich hgufig beobachtet~ ist sie nur selten erlegt worden: im Korrespondenzblatt des Naturforscher-Vereins finde ich bloss ~ real die Angabe (Oktober 1852 yon J~)~AN~ Mt~LLE~ und 1890 von MIDDESDOI~sr-HELLES0~). Ausserdem befinden sich im Museum des Naturforseher-Vereins in Riga 2 in Bullen (Lettland) erlegte Exemptare: eines am 29. IV. 1901 yon F. E. STOLL mit br~unlieh-fleischfarbenen (Eintrocknung?) Ftissen~ das andere gelb- fiissig im September 1937 erlegt. In de~: Sitzung des Naturforscher- Vereins am 3. XII. 1907 machte F. E. ST0nn die Angabe, dass er Larus argentatus auf den Waikariffen (bei Oesel) als Durchzugsvogel beobaehtet habe. Erst im Jahre 1934 hat laut Angaben yon A. Too~- Filsand die SilbermSwe auf der unterea Waika gebrtitet. 1937 ist sie auf die obere Waika iibergesiedelt und 193s standen dort 2 Nester abseits veto Brutgebiet der iibrigen dort nistenden MSwenarten (Larus n~ari~us, fuscus~ ridibundus und canus). Die SilbermSwe sell auf den Waikariffen als starker Nestrguber die auderen Arten zehnten. Diese Besiedlung des Natursehutzgebietes der Waikariffe durch die Silber- .mSwe ist, soweit mir bekanut, der erste Versuch, auf den dem Rigaer Meerbusen vorgetagerten lnsetu Fuss zu fassen. Die BesiedIung der Hochmoore Lettlands durch die SilbermSwe dttrfte wohl schon etwas glteren Datums sein, !st jedocb erst in letzter Zeit usher beobachtet ~vorden. Ob die Silberm5we auch auf den weiten Hochmooren Est- lands vorkommt, ist mir nicht bekannt. In den beiden letztea Jahren 1938 und 1939 habe ich einige der Hochmoore Lettlands auf das Brutvorkommen tier SilbermSwe unter-

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Page 1: Ueber das Brutvorkommen der Silbermöwe(Larus argentatus omissus) und des Sterntauchers(Colymbus stellatus) im Ostbaltikum

89 He~/3] ~57

Ueber d a s Brutvorkommen der SilbermOwe (LarHs argentatns omissns) und des Sterntauchers (Colymbus stellatns)

im Ostbaltikum.

Von Max Brandt (Posen),

Wghrend aa der deutschen Nord- nnd Ostsee die SiI b e r m 5 we als reiner Kiisten-Brutvogel in grossen Kolonien siedelt (Langeoog 15000 Paare. Memmertstraud 6000 Paare, Mellum 2000 Paare), tritt sie in Osteuropa und Sibirien als Biunenlandbrtiter anti Im Ost- baltikum kann man beides nebeneinander beobachten. Die SilbermSwe ist in den ehemaligen baltischen Randstaaten (Lettland und Estland) als Brutvogel selten (ira Verzeichnis der Wh'beltiere des ostbaltischen Gebietes yon G~ossE und v. TaAaSEEE ist sie als Brutvogel nicht er- w~hnt); auch auf dem Zuge, 0bgleich hgufig beobachtet~ ist sie nur selten erlegt worden: im Korrespondenzblatt des Naturforscher-Vereins finde ich bloss ~ real die Angabe (Oktober 1852 yon J~)~AN~ Mt~LLE~ und 1890 von MIDDESDOI~sr-HELLES0~). Ausserdem befinden sich im Museum des Naturforseher-Vereins in Riga 2 in Bullen (Lettland) erlegte Exemptare: eines am 29. IV. 1901 yon F. E. STOLL mit br~unlieh-fleischfarbenen (Eintrocknung?) Ftissen~ das andere gelb- fiissig im September 1937 erlegt. In de~: Sitzung des Naturforscher- Vereins am 3. XII . 1907 machte F. E. ST0nn die Angabe, dass er Larus argentatus auf den Waikariffen (bei Oesel) als Durchzugsvogel beobaehtet habe. Erst im Jahre 1934 hat laut Angaben yon A. Too~- Filsand die SilbermSwe auf der unterea Waika gebrtitet. 1937 ist sie auf die obere Waika iibergesiedelt und 193s standen dort 2 Nester abseits veto Brutgebiet der iibrigen dort nistenden MSwenarten (Larus n~ari~us, fuscus~ ridibundus und canus). Die SilbermSwe sell auf den Waikariffen als starker Nestrguber die auderen Arten zehnten. Diese Besiedlung des Natursehutzgebietes der Waikariffe durch die Silber- .mSwe ist, soweit mir bekanut, der erste Versuch, auf den dem Rigaer Meerbusen vorgetagerten lnsetu Fuss zu fassen. Die BesiedIung der Hochmoore Lettlands durch die SilbermSwe dttrfte wohl schon etwas glteren Datums sein, !st jedocb erst in letzter Zeit usher beobachtet ~vorden. Ob die Silberm5we auch auf den weiten Hochmooren Est- lands vorkommt, ist mir nicht bekannt.

In den beiden letztea Jahren 1938 und 1939 habe ich einige der Hochmoore Lettlands auf das Brutvorkommen tier SilbermSwe unter-

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t J . Orn. ~58 MAx B~AI~DT : k 1941

sucht (siehe Karte: -~ Brutpliitze der SilbermSwe). An erster Stelle galten meine Besuche einem zwischen H i n t z e n b e r g und P l a n u p (Livland) gelegenen 2,5 X 4 km grossen Hoehmoor, wo angeblich eine MSwenkolonie seit vielen J ahren schon bestehen sollte. Das Hoch- moor tiegt ziemlieh abgeschieden mitten in einem grgsseren Wald- komplex ca. 10 km s[idlieh der livl~ndischen Aa. An seinem Sfidrande fliesst ein kleines Waldfliisschen (die Krievupe)~ zu dem das Moor mehrere Meier fief stufenweise abst[irzt. Das Hochmoor ist im Ver- g]eich zu anderen ziemlich gut begehbar, i~nsbesondere da in der Mitre

Abb. 1. Kurte yon Lettland und Estland. ~- Brutplgtze der SilbermSwe.

desselben einige bewaldete ,,[nseln" bestehen, die noch recht stattlichen Kiefernbestand aufweisen und in der Mitre kleine Moorseen enthalten. Dieses sind die St~tten, wo die SilbermSwen ihre Brutpl~tze haben, und zw~tr an 2 Stellen: ein kleinerer See in der Mitre und ein grSsserer ~m Westrande des Moores.

Am 14. IV. 1938 fiberquere ich zum ersten Mal das Moor in nord-sfidlicher Riehtung; es ist noch durehgefroren, so class man schnell vorwgrtskommt. Am mittleren See umkreisen reich 5 SilbermSwen und ein Wanderfalk, es lassen sich hier noch kei~e iNester feststellen. Aus der

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Riehtung des 2 km enffernten westliehen Sees ist starkes MSwengekreiseh hSrbar, und ein paar yon ihnen sieht man aueh in der Ferne kreisen.

Am 7. V. 1938 besuche ich mit STOT.L ein anderes kleines Moor 5 km 5stlich P t a n u p am kleinen K a n g e r r i i c k e n . Dieses Moor, 21/~ X i km gross~ beherbergt keine SilbermSwen~ bloss eine Sumpf- ohreule und einige Wiesenpieper scheuchen wir auf, sonst ist das Moor ziemlich tot. Am niichsten Tage sind wir wieder am grSsseren Hintzenberger Moor: hier kSnnen wir ~m westlichen grossen Miiwensee auf"~leinen ,sehwingenden" Landzungen, die am Ufer des Sees insel-

Abb. 2. Silbermiiwennest. O.-'F. gintzenberg, Livland. Mui 1938.

artig vorspringen, 5 Gelege der Silberm~we feststellen: 2 mit 2 und 3 mit 3 Eiern (Abb. 2). Die Nester stehea nur einige Schritte yore Wasser entfernt und sind ziemlich kunstvoll aus Sphagnum als Kegel im Moospolster angelegt, die mit Grashalmen und einigen Daunen- federn geschmfiekt sind und ieicht hfigelartig aus der Umgebung her- vorragen. Auf dem See sind ausserdem noch 3 mit Kiefern und Birken best~ndene ~nselchen vorhanden, auf denen ebenfalls MSwen briiten, die wit jedoch in Ermangelung eines Bootes nicht besuchen kSnnen. Im Ganzen diirfte diese Kolonie 15--20 Brutpaare stark

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sein. Der zweite kleinere See hat ebenfalls 3 Inselehen: auf dem einen steht am Boden der Horst des Wanderfalken, die beiden anderen enthalten je 1 SilbermS~wen-Nest. In eines yon ihnen kann man veto Ufer aus Einsieht gewinnen: es enthiilt 2 Eier. Ieh stelle eine Beobaehtungshiitte am Ufer auf. In der N~he des Sees treiben sich '2 graniche herum.

Als ich am 15. V. 1938 racine Bude beziehe, umkreisen reich 8 SilbermSwen, ein Tell yon ihnen ist vermutlich yon der Nacbbar- kolonie heriibergeflogen (dieses Heriiberwechseln habe ich mehrfach beira Betreten des Moores beobad~ten kSnnen). Das Wanderfalken- weibchen streicht yore Horst ab. Meine Bude steht in ca. 4 Meter Entfernung yore Gelege tier SilberraSwe, ich kann auch die beiden anderen Inseln mit dem SilbermSwengelege und dem Wanderfatken- horst iibersehen. Das Wanderfalkenweibchen streicht bald zum Horst, auch die andere SilbermSwe betritt nach ca. 1 Stunde ibre Insel und begibt sich aufs Nest. Nur meine MSwe getraut sich nicht auf ihre Insel: auf tier Wasserflgche des Sees in tier Ricbtung zum Wander- falkenhorst schwimmen 3 SilbermSwen, das zu meiner Insel gehSrige Pgrchen und noch eine andere. Letztere wird plStzlich aus der Luft yore Wanderfalkenmgnnchen angegriffen und anscheinend am Kopf verletzt. Sie versucht sich yore Wasser zu erheben, was ihr jedocb nur sehr unvollkommen gelingt, wobei sie im tauraelnden Flug sich bald wieder auf den See n~ederl~sst und zwar in der Nghe tier beiden anderen MSwen. Diese greifen sie nun ihrerseits an und vertreiben sie aus ihrera Brutbezirk. Der Wanderfalk wiederholt noch ein paar Mal seine Angriffsversuche, ohne jedoch weitere Erfolge zu erzielen. Auffallenderweise werden in der N~he tier Wanderfalken-lnsel gr~ndelnde [(rickenten yore Falken nicht behelligt. Als sich nach 7 Stunden die SilbermSwe noch immer nicht zum Nest gewagt hat, breehe ich meine Beobaehtungen ab. Ein weiterer Besuch dieses Sees nach 4 Tagen verl~uft ebenfalls resultattos.

Am 26. V. 1938 suche ieh den grossen MSwensee auf~ wo ieh Eierdiebe tiberrasehe, die zugeben miissen, dass es far ihr Geschgft wohl etwas zu sp~t ist, da die Eier stark bebrtitet und z. T. auch schon Junge geschliipft sind. Ieh stelle mein Beobachtungszelt am Ufer auf, yon wo ich eine gute Uebersicht fiber den ganzen See und dis in der Mitre gelegenen Inseln habe. Nach ca. 1 Stunde beruhigen sich die YCfSwen, lassen sich auf dem Wasser und ihren Brutinseln nieder oder schwimmen mit noch ganz kleinen Jungen herum. Es gelingen mir einige Aufnahmen mit dem Fernobjektiv (Abb. 3).

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Im Jahre 1939 besuehe ieh dieses Hoehmoor am 30, IV. und freue mieh am Balzspiel des Wanderfalken, dessert Rupfstellen an beiden Seen festzustellen sind; den Horst kann ieh nicht finden. Am kleinen See umkreisen reich 7 Silbermiiwen: das Inselehen neben meiner vorj~hrigen Bude ist leer, auf der anderen Insel und der

Abb. 3. SilbermSwen-Brutinsel. O.-F. Hintzenberg, Livland. Mai 1938.

Falkeninsel sind SilbermSwenfedern zu sehen. Am grossen See z~ihle ich 30--40 MSwen und finde wiederum am Seerande 3 frisehe kunst- volle Nester ohne Eier 7 eines mit 3 Eiern und eines mi~ einem El. Aueh die Inseln im See sind yon Brutv6geln besetzt. Weitere Beob- aehtungea habe ieh auf dem Moor 1939 nieht angestellt.

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Die zt~r Forstei H a e n s e l s h o f (OberfSrsterei Hintzenberg) ge- hSrigen kleinen Hoehmoore, die ich in Zusammenhang mit meinen. Beobachtungen an Kranichhorsten regelm~l~ig jeden Friihling schon seit vielen Jahren besuchte~ beherbergen keine SilbermSwen. Hingegen kommt die SilbermSwe in einigen Paaren auf dem grossen S u d a - M o o r , zwisehen J u d a s e h und L i g a t belegen, vor; dieses Hoehmoor enth~lt am westliehen wie aueh am siidlichen Rande eine Reihe kleinerer Seen und wurde yon mir am 23. IV. 1.939 im westlichen Teile, wo ich am U m u r s e e keine Silberm~iwen fand, und am 15. V. I939 in seinem 5stlichen Teile besucht. Hier sollteu auf dem ca. 1 Quadrat- kilometer grossen S w i e d r u - S e e SilbermSwen briiten. Leider waren auch bier die zwei Nester auf einer kleinen, dem Nordufer vorgelagerten Moorinsel durch Eierdiebe zerstSrt. Ueber dem See schwebte eine einzelne SilbermSwe, kreiste ein Wanderfalk und auf dem See, an dessen Stidufer, in der Nghe einer grSl3eren Insel, schwamm ein Pracht- taucher, der laut Angaben yon TRANSEH]~ auf diesem Hochmoore nistet.

Von den Hoehmooren im Nord-Osten Lettlands kenne ieh noch das grosse T i r el m o o r (OberfSrsterei Staekeln), auf dem jedoch keine Silberm6wen vorkommen; hingegen steht am Rande des Moores auf himmelragender Kiefer noch einer tier wenigen beflogenen Steinadler- horste des Baltikums (Abb. 4). Ebensowenig konnte ich SilbermSwen auf den Mooren l~ings tier livl~ndischen Kiiste beobachten. Ueber ein evtl. Vorkommen dieser MSwenart auf den Hoehmooren Estlands bin ieh nicht unterriehtet.

Westlieh Riga konnte ich die SilbermSwe an 2 Stellen beobachten: atff dem siidlich K e m m e r n befindlichen Hoehmoore und im Z e n n- h S f s e h e n Teile des grossen Tirulsumpfgebietes. Auf dem K e m m e r n - s c h e n H o c h m o o r e , wo Brutpl~itze des Raubwiirgers stehen, tier Goldregenpfeifer (Charctdrius apricarius apricarius) uud der Regen- brachvogel (~ume~zius phaeopus phaeopus) vereinzelt briiten, habe ich die Si]bermSwe mehrfaeh im Fluge beobaehten kSnnen, ohne jedoch ein Gelege zu finden. Hingegen befindet sich, naeh der Angabe yon Roo~-Lielupe~ sch0n seit Jahren eine gr5ssere SilbermSwenkolonie auf dem Z e n n h 5 f s e h e n H o c h m o o r e . Dieser galt eine Reihe yon BesUchen im Friihjahr und Sommer 1939. Das ZennhSfsehe Hoeh- moor ist im Gegensatz zum Hintzenberger nicht nur viel grSsser, sondern auch viel reicher an Seen, die am Rande des Moores in mehreren Reihen gelegene Ketten bilden. In diesem Seenlabyrinth ist es ziemlich schwJerig einen Weg zu finden: wenn man endlich glaubt die

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Schwierigkeiten ilberwuaden zu haben, sieht mall sieh wieder einer neuen Seenkette gegeni~ber, die wieder umgangen werden muss, so class man ~usserst langsam an Raum gewinnt.

Zum ersten Mal iiberquere ieh das Moor ~m 18. V. 1939 yon Nordwesten in sfidSstlicher Riehtung. Am Rande steht eine grSssere

Abb. 6. Steinadlm; seinen Horst anfliegend. Livl~nd, Tirelmoor. M~i 1936.

Nebelkr~henkolonie; auf dem Moore selbst herrscht volles Friihtings- leben. Kiebitze und Goldregenpfeiffer balzen, der Grosse Brachv~gel l~isst seinen meiodisehen Ruf ert6nen, auf den Seen treiben sich Stock- und Krickenten herum und hoch unter den Wolken zieht ein Schrei- adterpaar seine Kreise. Auch der Schtangenadter horstet hier, und schnellen Flugs streicht der Wanderfalk Vorfiber~ der kiihne R~uber

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unserer Hochmoore, tier auch hier wieder zu ebener Erde horstet. Ebenfalls ist der Merlin bier zu Hause, der seinen Horst auf einer Kriippelkiefer gebaut hat. Ich scheuche einen alten Sehneehahn auf, der sich in der Mittagsonne wg.rmt, freue mich an der Mgusejagd eines Fuchses und beobachte in der Ferne ein Kraniehpaar. Silber- mSwen gibt es jedoch in diesem mittleren nnd siidSstliehen Teile des ZennhSfschen Moores nicht.

Am 30. V. war ich, in RooMs Begleitung~ diesmal mebr nSrdlich auf dem ~Ioor, um die SilbermSwenkolonie zu besuchen. Diese steht ca. 3 km yore Hochlnoorrande entfernt mitten in einem Labyrinth yon

Abb. 5. Nest des Sterntauchers. ZennhSfsehes Moor bei Riga. Juni 1939.

Tiimpeln auf kleinen Inseln, die yore Ufer aus nieht zu erreichen sin& Ich konnte 30--40 VSgel zMflen. Am Rande dieser Kolonie befand sich ein am 25. V. 1939 yon Roo~i gefundenes Gelege des S t e r n t a u c h e r s (Colyn~bus stellatus) mit einem Ei, erstmals als Brutvogelim :Bat tikum festgeste]lt. Hier baute ich mein Beobachtungszelt und habe dann im Laufe des Sommers an diesem und sparer an einem weiteren Gelege des Sterntauehers (Abb. 5) interessante brutbiologische Beobachtungen machen kSnnen, fiber die ich in den ,,Beitr~gen zur Fortpflanzungs:

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biologie der VSgel" Jahrgang 16, H. 4 berichtet habe. Ich war am 30. V, als ich auf die Riickkehr des Sterntauchers wartete, Zeuge eines Raubiiberfalls der Silberm5wen auf das Seetauchernest. Unge- f~hr '21/2 Std., nachdem ich meineu Beobachtungsposten bezogen und die Silberm~iwen sich l~ngst beruhigt hatten, hSrte ich plStzlich Pl~itschern: .2 SilbermSwen niiherten sich lautlos der Insel mit dem Nest des Sterntauehers. Eine yon ihnen erstieg das Ufer, w~thrend die zweite, liistern aufs Ei schielend~ auf dem Wasser in der N~he dcr Iusel blieb (Abb. 6). Die erste flag sofort an, d a s Ei mit dem Sehnabel zu bearbeiten, was ieh nach erfolgtem Sehnappschuss ebense-

Abb. 6. SilbermSwen beim Plilndern eines Sterntauchernestes. Zennh~fsches Moor bei Riga. Juni 1989.

schnell unterband, worauf beide Rguber entsetzt lant kreischend sich in die~ Liifte erhoben. Ich hatte die Genugtuung, nach weiteren ,2 Std. Warrens den rechtnfii~ligen Besitzer des Nestes zuriickkehren zu sehen, um sich zum Brttten niederzulassen (Abb. 7). Am 7. VI. Waren 2 Eier im Gelege, und am 5. VII. war es ausgefiihrt.

Am 30. V. laud Room noch ,2 Gelege (eines mit einem und eines mit zwei Eiern) in ein paar km Entfernung veto ersten Gelege. An einem yon ihnen habe ich sp~iter meine Beobaehtungen fortgesetzt.

Journ. f. Orn. 89. Jahrg. April]Jull 1941. 18

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wobei ich fiir den Sterntaueher eine Brutzeit yon mindestens 36 Tagen feststellen konnte. Unterdessen gingen die SilbermSwen ihrem Brut- geschi~ft nach: am 7. VI. schwammen schon Juage herum, am 21. VI. h~tte die Zahl der MSwen stark abgenommen, ich konnte nut 8--10 in der Luft z~ihlen , und am 5. VII., als die Sehellbeere schon zu reifen begann, war der Brutplatz der SilbermSwen leer. Am 11. Jnli waren auch s~ratliche Gelege des Sterntauchers ausgefiihrt.

lm Zusammenhang mit dem Vorkommen der Silbermiiwe auf den Hochmooren, weitsb yon der Kiiste, interessiert die Frage, woher die

Abb. 7. Briitender Sterntaucher. ZennhSfsches Moor bei ~iga. Juni 1939.

MSwen ihre N ~ h r u n g beziehen. Die Torfbauern der Umgegend be- haupten, dass die kleinen Moorseen und Ttimpel keine Fische ent- halten, die ~ls Nahrung fiir die MSwen in Frage kommen. Ge- schossene SilbermSwen sollen auffallend mager sein. Bei meinen Wanderungen zu den Mooren fiel mir auf, dass man einzelne MSwen weitab, 8--10 km yon ihren Brutplgtzen, in der Nfihe der grSsseren Fltisse (kurisehe resp. livIgndische An) und am Babbitsee beobachten konnte. Es ist daher durchaus wahrscheinlich, dass die MSwen yon dort ihre Nahrung holen, was ebenfalls fiir die Stern-

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taueher zutreffen diirfte. Dass die SilbermSwe ausserdem noch als Nestri~uber auftritt, zeigt meine Beobachtung beim Sterntaucher; ob sie ausserdem sich auch als Kannibale beti~tigt, wie solches Go~TrIE auf Memmertsand beobachtete, vermag ich nicht zu sagen.

Die yon mir beobaehteten SilbermSwen gehSrten zu der getb- fiissigen Rasse (nach Rm~TE~ Larus argentatus omissus), deren Brut- gebiet bekanntlich als L. arg. cachinnans von den Azoren bis zum K,,tspisee sich erstreckt, die jedoch nach SCni~z-WEmoLD auch im O s t b a l t i k u m und in S S d e r m a n n l a n d vorkommt. Auch am finnischen Meerbusen, dem Ladogasee und am Weissen Meer (Solo- wetzki-Inseln) ist die gelbfiissige SilbermSwe zu Hause. Ihr Zug geht in siidwestticher Richtung lgngs den Ostseekiisten bis nach Dgnemark, w~hrend die in Nordfinnland (bei Petsamo) briitenden SilbermSwen mit iieischfarbenen Fiissen~ desgleichen auch die arktischen, um Skandinavien herum nach Sfiden ziehen.

Ergcbnisse.

Die S i l b e r m S w e mit gelben Fiissen hat sich seit einiger Zeit als Brutvogel auf einigen Mooren des Ostbaltikums angesiedelt, ver- mutlich aus nSrdlicher Richtung (Finnland?) kommend. Dieselbe Erscheinung kann man in den letzten Jahren auch auf dem Waika- Reservat an der Westkiiste Oesels beobachten. Die Erni~hrungsbe- dingungen seheinen fiir die SilbermSwen auf dem Hochmoore ziemlich ungiinstig zn liegen, so dass sie Fliige bis zu 10 km vom Brutplatz zu grSsseren Fliissen und Seen unternehmen; auf den Hoehmooren diirfte Eier- und dungenraub bet anderen Vogelarten durch die SilbermgSwe ziemlich hiiufig vorkommen, was auch auf den Waikariffen beobachtet worden is~.

Es konnte such das Brutvorkommen des S t e r n t a u c h e r s auf dem ZennhSfschen Moor siidwesttich Riga festgestellt werden; fiber die diesbeztigIichen brutbiologisehen Beobachtungen ist anderen Orts berichtet worden.

Schrifttum :

BI~ANDT, 1V[. (1940): BeitrRge zur Fortpflanzungsbiologie der VSgel. 16. Heft 4. GOETHe, F. (1937): Journal flit Ornithologie. Heft 1. K o r r e s p o n d e n z b 1 a t t des Natur~orsehervereins zu Riga. Sitzungen 0kt. 1859,

1899 and 3. XIL 1907. RlCttTER, R. (1938): Journal fiir Ornitho]ogie. Heft 3. ScHS~z-Wv.rao~a) (1931): Atlas des Vogelzuges. Berlin.

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