Über die eigenschwingungen freier kreiselmoleküle

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346 9. 8ber &e ~gmschw6ngzcmgem frder KrdseZmolekfile; von 2'. Krager. § 1. Pra%essioneschwinggen und epeaifisohe WLirme.') Schon Maxwells) hat darauf hingewiesen, dab sich ein Magnet wie ein Kxeisel verhalten muBte, wenn die AmpBre- schen Molekularstrome materieller Natur Rind und einen Ver- such zur Entscheidung dieser Frage mit einem E?lektromagneten angestellt, allerdings ohne den erwarteten Effekt zu finden. Die Elektronentheorie hat die Amphreschen Strome auf kreisende Elektronen zuruckgefuhrt. Die Elektronen aber be- sitzen Masse; ihr Umlauf verleiht daher dem Molekul ein bestimmtes Impulsmoment. 0. W. Richardson *) wies darauf hin, daB an einem frei aufgehhngten Eisenstabe beim Magneti- sieren, infolge des Impulsmomentes N der Molekule, das mit dem magnetischen Moment M in der Beziehung steht (E = Ladung, p = Masse des umkreisenden Elektrons), ein Drehmoment auftreten miisse, erhielt aber zunachst infolge experimenteller Schwierigkeiten kein einwandfreies Resultat. Dies gelang neuerdings A. Einstein und J. W. de Haas'), die unabhbgig den Versuch ersannen, eine exakte Berech- nung des Drehmomentes des Stabes gaben und unter Uber- windung groSer experimenteller Schwierigkeiten auf diesem Wege das Verhiiltnis der Ladung des Elektrons zu seiner Masse zu bestimmen vermochten. Die Versuchsniethode ist 1) Vorgetragen in der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig 2) C1. Maxwell, Lehrbuch der Elektrizitilt und des Magnetismus 2. 3) 0. W. Richardson, Phys. Rev. 26. p. 248. 1908. 4) A. Einstein u. J. W. de Raas, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. am 1. Mirz 1916. p. 265. Berlin 1883. 17. p. 152 u. 203. 1915.

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Page 1: Über die Eigenschwingungen freier Kreiselmoleküle

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9. 8ber &e ~gmschw6ngzcmgem frder KrdseZmolekfile;

von 2'. K r a g e r .

§ 1. Pra%essioneschwinggen und epeaifisohe WLirme.') Schon Maxwells) hat darauf hingewiesen, dab sich ein

Magnet wie ein Kxeisel verhalten muBte, wenn die AmpBre- schen Molekularstrome materieller Natur Rind und einen Ver- such zur Entscheidung dieser Frage mit einem E?lektromagneten angestellt, allerdings ohne den erwarteten Effekt zu finden. Die Elektronentheorie hat die Amphreschen Strome auf kreisende Elektronen zuruckgefuhrt. Die Elektronen aber be- sitzen Masse; ihr Umlauf verleiht daher dem Molekul ein bestimmtes Impulsmoment. 0. W. Richardson *) wies darauf hin, daB an einem frei aufgehhngten Eisenstabe beim Magneti- sieren, infolge des Impulsmomentes N der Molekule, das mit dem magnetischen Moment M in der Beziehung steht

( E = Ladung, p = Masse des umkreisenden Elektrons), ein Drehmoment auftreten miisse, erhielt aber zunachst infolge experimenteller Schwierigkeiten kein einwandfreies Resultat. Dies gelang neuerdings A. Eins te in und J. W. de Haas'), die unabhbgig den Versuch ersannen, eine exakte Berech- nung des Drehmomentes des Stabes gaben und unter Uber- windung groSer experimenteller Schwierigkeiten auf diesem Wege das Verhiiltnis der Ladung des Elektrons zu seiner Masse zu bestimmen vermochten. Die Versuchsniethode ist

1) Vorgetragen in der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig

2) C1. Maxwell, Lehrbuch der Elektrizitilt und des Magnetismus 2.

3) 0. W. Richardson, Phys. Rev. 26. p. 248. 1908. 4) A. Einstein u. J. W. de Raas, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges.

am 1. Mirz 1916.

p. 265. Berlin 1883.

17. p. 152 u. 203. 1915.

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dann von de Haas l ) weiter verbessert worden; sie ergab fur die Ladung des Elektrons innerhalb der Fehlergrenzen einen urn ca. 15 Proz. von dem gewohnlichen abweichenden Wert. Unabhangig hiervon hat schon vor Jahren S. J. Barnett?) Versuche begonnen und kiirzlich beendet, welche das Auf- treten von Magnetismus in einem Eisenstabe bei rascher Rotation nachweisen. Ferner haben W. J. de H a a s und G. L. de Haas-Lorentas) den urspriinglich von Maxwell vorgesohlagenen Versuch zum mechanischen Nachweis der Amp Areschen Molekularstrome rechnerisch verfolgt, die GroBe cles zu erwartenden Effektes allerdings als experimentell kaum meBbar festgestellt. Die Kreiseleigenschaften der Atome des metallischen Eisens lnfolge der Molekularstrome konnen jetxt jedenfells wohl als festgestellt betrachtet werden.

Neben den magnetischen Unt'ersuchungen haben in den letzten Jahren optische Theorien uber die Gesetze der Serien- linien die Existenz kreisender Elektionen auch bei solchen lfolekulen wehrscheinlich gemacht, deren magnetischer Cha- rakter weniger ausgepragt ist. Solche Elektronen-Planeten- systeme bilden bereits die Basis der Theorie der Atommodelle von E. Rutherford4) und J. W. N i c h ~ l s o n . ~ ) In An- lehnung an diese Vorstellungen hat dznn N. Bohrs) unter Hinzufugung der Quantentheorie ein Atommodell konstruiert, clas nicht nur die Seriengesetxe leicht ergab, sondern auch die Ryd bergsche Konstante aus der P lane kschen Kon- stante h, der Ladung e und der Masse p des Elektrons zu berechnen gestattet. Nzch Bohr lueisen um ein Atom in festen Bzhnen ein bzw. mehrere Elelitionen mit dem Impuls- moment h/2n oder ganzzahligen Vielfachen hiervon, wobei die verschiedenen Impulsmomente den Umlaufen der Elek- tronen in Bahnen mit verschiedenen Durchmessern entsprechen. Von E. Warburg') ist diese Theorie auch znr ErlilHrung des

1) W. A. d e Haas , Versl. K. Akad. v. Wet. 24. p. 638. 1915. 2) S. J. B a r n e t t , Phys. Rev. (2) 8. p. 239. 1915. 3) W. J. d e Haas u. G. L. de Haas-Lorentz , Versl. K. Akad.

v. Wet 24. p. 388. 1915. 4) E. Ruther ford , Phil. Mag. 21. p. 669. 1911 5) J. W. Nicholson, Month. Not. Roy.Art. SOC. 22. p. 49, 139,677,

6) N. Bohr , Phil. Mag. (6) eS. p. 1, 476, 857. 1913. 7) E. Warburg , Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 15. p. 1259. 1913.

23'

693, 729. 1912.

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348 F. Kriiger.

elektrischen Starkeffektes mit Erfolg herengezogen worden. Neuerdings hat P. Debyel ) fur die Berechnung der Dis- persionseigenschaften speziell des Wasserstoffs ein solches Atommodell zugrunde gelegt . Die allgemeine Dispersions- formel fur kompliziertere Molekule hat dann A. Sommer- feld2) gegeben.

Entsprechen diese Modelle der Wirklichkeit, so mussen solche Atome, und speziell auch das Wasserstoffmolekul, Kreiseleigenschaften besitzen. Im folgenden sol1 gezeigt werden, daS die Kreiseleigenschaften der gasformigen Molekule, speziell des Wasserstoffmolekuls, eine erhebliche Bedeutung fur die kinetische Gastheorie besitzen und in einfacher Weise bisher bestehende Schwierigkeiten zu losen vermogen.

Wie schon Bohr angenommen hat, besteht das Wasser- stoffmolekul aus den beiden positiv geladenen Wasserstoff- atomen, die von zwei negativen Elektronen umkreist werden, von denen jedes das Impulsmoment h / 2 n besitzt. Die gas- formigen Wasserstoffmolekule stellen mithin kleine Kreisel vor, und zwar unter den Voraussetzungen der Eigenschaften eines idealen Gases und der offenbar berechtigten Vernach- l&ssigung der Schwerkraft kraftefreie Kreisel. Was nun in gaskinetischer Hinsicht interessiert, ist das Verhalten dieser Molekularkreisel beim StoS. Die fortschreitende Bewegung clieser Molekule mit den drei Freiheitsgraden ist natiirlich dieselbe wie bei Molekulen ohne Kreiseleigenschaften. Die beiden Freiheitsgrade aber, welohe bei den letzteren der Rotation um m e i zur Figurenachse senkrechte Achsen ent- sprechen, verhelten sich hier anders. Nach den Grund- gleichungen der Kreiselt'heorie vermag ein Kreisel keine Ro- tation auszufiihren, sondern er wird durch StoS zu Schwin- gungen angeregt, die fur den kraftefreien symmetrischen Kreisel, den wir zunachst ausschlieBlich betrachten wollen, cler reguliiren Prazession entsprechen. Die Winkelfrequenz v dieser Schwingungen der regularen Prazession liefert die Kreisel-

1) P. Debye , Sitzungsber. d. kgl. Bayr. Akad. d. Wiss. zu Miinchen,

2) A. Sommerfeld, Festschrift J. Elster u. H. Geitel p. 549. M&h.-phys. Kl. p. 1. 1915.

1915.

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Ober die Eigenschwingungen freier I<reisel.molekiile. 349

theorie; sie ist nach K l e i n - S o m n ~ e r f e l d ~ ) f i i r den symme- trischen Kreisel:

C.w' 1 v = - . - A - C C O S C ~ '

worin C das Triigheitsmoment um die Figurenachse, A das- jenige um die Ache senkrecht zu ihr und tp den offnungs- winkel bedeutet, den die Figurenachse bei der Prlzession beschreibt. ferner

die Winkelgeschwindigkeit der Prazession. Der Offnunga- winkel QD h&n@ naturlich von der Schwingungsenergie und somit von der Temperatur ab. Fur tiefe Temperatmen und Molekule mit so kleinem Triigheitsmoment, wie etwa dem des Wasserstoffmolekiils diirfen wir jedoch, analog wie in der Theorie der gewohnlichen molekularen Bchwingungen die Amplitude, den thermischen Mittelwert ron Q als klein betrachten, also cos rp = 1 setzen, so daS ubrig bleibt:

1,

Das Produkt im Ziihler Win kelgeschwbdigkeit

c - $0' =-. A - C

&us Triigheitsmoment C und der

des Kreisels stellt den Kreiselimpuls N dar, so daB wir auch schreiben konnen :

h- A - C v = - -

Die Schwingungsfrequenz der Priizession ist also dem Impulsmoment direkt proportional ; sie ist ferner um so groBer, je kleiner der Nenner ist, d. h. je mehr die Trggheitsmomente A und C einander gleich werden, je kugelformiger also der Kreisel wird. Fur den Kugelkreisel, fiir den A = C ist, wird also v = 03.

In diesen Formeln ist vorausgesetzt, dalj der Icreisel selbst rotiert. Beim Wasserstoffmolekul liegen die Verhalt- nisse insofern anders, als die beiden Wasserstoffatome nicht

1) F. Klein u. A. Sommerfeld, Theorie des Kreisele. p. 163. -~ ~~~

1897-1910.

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550 F . Kriiger.

rotieren, sondern claS sie von zwei Elektronen unikreist warden, deren Bahn gegenuber der Moleklilachse durch das Gleich- gewicht der elektrostatischen Kriifte und der Zsntrifugalkraft festgehalten wird. Des Trligheitsmoinent C ist hier das der

Fig. 1.

beiden Elektronen, die ini Abstand T um die Figurenachse cles Molekiils rotieren.

Als wesentliches Ergebnis folgt also, daB die Moleliule, welche kreisende Elektronen enthalten und somit Kreisel- ejgenschaften besitzen, uberhaupt nicht rotieren konoen, son- dei-n mit einer von der Temperatur unabhtingigen oclcr cloch

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ober die Eigenschwingungen freier Iireiselmolekiile. 351

nur wenig abhiingigen Frequene Gigenschwingungen ausfiihren. Diese Eigenschwingungen der reguliiren Prazession lassen sich leicht an jedem Kreisel in Cardanischer Aufhiingung demon- strieren. Die vorstehende Fig. 1 eeigt ein solches Kreiselmodell des Wasserstoffmolekiils. Die Kugeln an den beiden Enden der Figurenachse sollen die Wasserstoffatome darstellen. Sie werden von zwei Zelluloidbiillen gebildet, die an dem inneren Cardanischen Ring befestigt sind und durch welche die Kreiselachse frei beweglich hindurchgeht. Schon ein geringes, durch Aufeiehen des Kreisels erteiltes Impulsmoment genugt, um an Stelle der Rotation die Eigenschwingung treten eu lassen. Auch am Prand tlschen ') Kreiselmodell lassen sich die Priieessionsschwingungen gut demonstrieren.

Die Eigenschwingung der reguliiren Prazession symme- trischer Korper bietet die Eigentumlichkeit, daB sie zwei Freiheitsgrade besitzt, daB sie m a r kinetische, aber keine potentielle Energie Teprasentiert. Das Wasserstoffmolekul be- hllt also ganz wie nach der alten Theorie fiinf Freiheitsgrade; seine spezifische Wiirme C , betriigt also im Gebiete der Gultig- keit des Gleichverteilungsgesetees :

5 . - = 4,96. 2

Der Energieinhalt der zwei Freiheitsgrade, die der Priizessions- schwingung entsprechen, unterliegt aber ganz analog wie die Freiheitsgrade der Eigenschwingung der Molekule eines festen Korpers den Forderungen der Quantentheorie, nach denen er mit sinkender Temperatur abnehmen und beim abaoluten Nullpunkt gegen Null konvergieren mu& Die auf Grund von Uberlegungen fur die friiher angenommene Rotations- bewegung der Wasserstoffmolekule eunHchst von Nern s t a) postulierte und aus dem minimalen Abweichen des Wertes der spezifischen Warme des Wasserstoffs bei Zimmertemperatur von dem klassischen Wert bereits als wahrscheinlich ver- mutete starke Abnahme der Energie dieser Bewegung mit sinkender Temperatur, die dann von A. Euckens) in extakter Weise experimentell nachgewiesen wurde, findet so im Rahmen

1) Vgl. F. Pfeiffer, Zeitschr. f. Math. u. Phys. 60. p. 337. 1912. 2) W. Nernst, Zeitsohr. f. Elektroch. 17. p. 271. 1911. 3) A. Eucken, Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1912. p. 14.

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352 F . Kriiger.

der normalen Quantentheorie ihre einfache Deutung. bie Kurve des Verlaufes der spezifischen Warme des Wasserstoffs deutet ja nach E u c k e n auf eine konstante, von der Tem- peratur unabhiingige Frequenz hin.

Fur den Spezialfall des Wasserstoffmolekuls, in dem die optischen Eigenschaften quantitative Werte f i i r die Kreisel- eigenschaften ergeben, liiSt sich die Prazessionsfrequenz be- rechnen und mit der aus dem Verlauf der spezifischen Warrue folgenden Schwingungszahl vergleichen. Es sollen f i i r diese Rechnung die Zahlen zugrunde gelegt werden, die Bohr l ) f i i r die Konstanten dcs Wasserstoffmolekiils berechnet hat. Fur das Impulsmoment des kreisenden Elektrons ,u r2 y' (r = Radius clw Bahn cles Elektrons, y' = Winkelgeschwindigkeit seiner Rotation) ist also zu setzen der Wert:

h 2 n - = 1,otj.

(h = P l a n e ksche Konstante); fur den Bahnradius findet B o h r 2r= 1,lO . cm, fur y' = 3,86 . l0l6 sec-l, fur den Abstand 2d der beiden Atome mit den Massen 1,64 . g den Wert 0,635 . lo-* em. Daraus folgt fur das Tragheitsmoment senk- recht zur Figurenachse A = 2 . 1,64 . (0,317 . 10-s)z =

3,30 . Wie bereits oben auseinandergesetzt, bedeutet bei unserem Model1 C das Tragheitsmomen t der beiden rotierenden Elektronen. Es ist also, da

= 5,47.10-4.1,64. 10-24 =: 11,97 . 10-28, = 5,43 . 10-44.

C = 2 p r 2 = 2 - 8,97 - 10-28(5,25 - C ist also gegen A zu vernachliissigen; daher ergibt sich fiir die Winkelfrequenz :

oder f i i r die Schwingungsfrequenz:

E u c k e n entnimmt aus den1 Kurvenverlauf fur die spe- zifische Wlirme, wenn er dafiir die P lanck-Eins te insche Gleichung : ~. __

1 ) N. Bohr, Phil. Mag. (6) 26 p. 487. 1913.

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Uber die Eigenschwingungen freier Kreisel~nolekiile, 353

einsetzt, fur BY' den Wert 430, woraus, da /I = 4,86. lo-" ist, fur die Frequene sich der Wert v' = 8,85 . 10l2 ergibt. Die Ubereinstimmung der beiden Werte fiir die Eigenschwin- gungsfrequenz des Wasserstoffmolekuls ist befriedigend ; ergibt sich dbch auch aus der Gastheorie der Wert f i i r den Dwch- messer des Wasserstoffmolekuls rund cloppelt so groS wie nach dem Model1 von Bohr.

Diese Betrachtungen gelten natiirlich nicht nur f i i r das Wasserstoffmolekiil, sondern ebenso fur alle anderen Gas- molekule, in denen wir bbenfalls kreisende Elektronen an- zunehmen haben; nach dem Bo hrschen Atommodell haben ja die Gesetze der Serienspektren stets kreisende Bewegungen der Elektronen zur Voraussetzung. Die von K. Schee l und W. Heuse l ) auch fur Stickstoff und Kohlenoxyd zwischen 273O und 90° abs. Temp. gefundene Abnahme der Molekular- warme von ca. 5 Proz. ist also auch auf eine entsprechende Prazessionsschwingung mit infolge des groBeren Triigheits- momentes geringerer Frequenz zurucbufuhren. Da wir mit groSer Wahrscheinliohkeit annehmen diirfen, daB allgemein allen Molekulen Systeme von kreisenden Elektronen vorhanden sind, wird man sagen diirfen: die bisher in der kinetischen Gastheorie angenommenen Rotationen zwei- und mehratomiger Molekule existieren im allgemeinen nicht, die Molekiile fiihren vielmehr wegen ihres Kreiselimpulses Eigenschwingungen ails ; die Aneahl der Freiheitsgrade bleibt die vorher angenommene. Speziell treten bei den zweiatomigen Molekulen an Stelle der zwei fruheren Freiheitsgrade der Rotation die ewei Freiheits- grade der Priizessionsschwingung .

Die nach der bisherigen Theorie nicht sehr befriedigende Begriindung des Fehlens eines Freiheitsgrades der Rotation um die Figurenachse zweiatomiger Molekule ergibt sich hier, wie leicht ersichtlich, von selbst. Bei den einatoniigen Mole- kulen werden ferner die Triigheitsmomente A und C sehr nahe aneinander liegen; dann aber ist die Frequenz sehr grab, --

1) K. Scheel u. W. Heuse, Ann. d. Phys. Po. p. 473. 1913.

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im Grenzfalle unendlich. Daher kijnnen einatomige Molekule nach der Quantentheorie keine merkliche Energie bei den bisher erreichten Temperaturen aufnehmen.

8 2. Rotstionlrenergie und Elektrodynamik.

Die bisherigen Versuche, den Verlauf der spezifischen Wiirme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen auf Grund der Quantentheorie zu deuten, sind zahlreich, aber keineswegs in jeder Hinsicht befriedigend. Die durch die E u c kensohen Versuche nahegelegte Konstanz der Frequenz wird auf ver- schiedene Weisen zu deuten gesucht. E u c ken l) selbst wies auf die Moglichkeit hin, daB die Zentrifugalkraft eine Dehnung des durch elastisahe Kriifte zusammengehaltenen Dipols, damit eine VergroBerung des Tragheitwomentes rnit steigender Rotationsenergie, und so eine Konstanz der Rotationsfrequenz lieferte ; allein, er betont selbst den Vorzug etwaiger einfacherer Erklarungen. E ins t e in und S te rn2) erhielten, indem sie fiir die Rotationsfrequenz aller Molekule bei gegebener Tem- peratur denselben Wert fur die Frequenz einfiihrten und fiir die mittlere Energie dieser Rotation den der neueren P lanck- schen Strahlungstheorie, welche die Annahme einer sog. Null- punktsenergie enthalt, entsprechenden Wert der mittleren Energie eines Oszillators bei bestimmter Frequenz einfuhrten, eine gute Darstellung der beobachteten Kurven fur die spe- eifische Warme; sie wiesen aber schon selbst auf die Un- vollstandigkeit der Theorie wegen der Annahme einer einzigen bestimmten Rotationsfrequenz bei gegebener Temperatur hin. 0. Sao kur 9 fuhrte dann die verschiedenen moglichen Rota- tionsfrequenzen in die Theorie ein. Dasselbe tat dann in engerer Anlehnung an die P lanc ksche Anwendungsart der Regeln der statistischen Mechanik P. Ehren fes t4 ) ; er nahm an, daB die Rotationsenergie nur ein ganzzahliges Vielfaches des Wir- kungsquantums sein konne, daB also die Molekule nur n d bestikunten einzelnen Frequenzen rotieren konnten, und er- hielt so einen mit den Beobachtungen bei tiefen Temperaturen gut ubereinstimmenden Kurvenverlauf, fur die hijheren Tem-

1) A. Eucken, 1. c. 2) A. Einstein u. 0. Stern, Ann. d. Phys. 40. p. 551. 1913. 3) 0. Sackur, Jahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. Kultur, Febr. 1913. 4) P. Ehrenfest, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 15. p. 451. 1913.

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if ber die Eigenschwingungen freier Kreiselmolekiile. 355

peraturen dagegen eine wenig wahrscheinliche Erniedrigung vor Erreichen des konstanten Endwertes.

Die chemische Theorie von M. T r a u t z l ) suchte den Ver- lauf der spezifischen Wiirme des Wasserstoffs durch die Poly- merigation meier isomerer Modifikationen zu erkliiren ; dime Theorie kommt jedoch hier nicht in Betracht, da sie keine B2ziehung zur Strahlungstheorie liefert.

Unter Berucksichtigung der Frequenzverteilung und Uber- tragung der neuen Quantenhypothese von Planck auf die rotatorische Energie hat dann E. Holni2) die Energie zwei- atomiger Gase berechnet; er setzt also an Stelle der einzelnen Frequenzen von Ehren f es t eine ununterbrochene Folge von Rotationsfrequenzen voraus, druckt aber in Sinne der neueren Quantenhypothese die Grenzfrequenzen v,, + 1 und v,,, welche das nte Elementargebiet der Energie begrenzen, durch den E h r en f e s t schen Ansatz

n h v =- n 4 n A

aus und niumt, analog wie P lanck fur Resonatoren, an, da13 der Energiebetrag dieser Rotationen jnnerhalb desselben Ele- mentargebietes nicht nach dem Maxwellschen Verteilungs- gesetze, sondern gleichmliBig verteilt sei. So bekommt er eine gute Wiedergabe der Euc kenschen Messungen.

Von einer besonders interessanten Seite ist das Problem suf Anregung von Einstein von A. D. Fokker*) in Angriff genommen. Er schlBgt zur Berechnung der rotatorischen Energie deneelben Weg ein, den zuerst Einstein4) zur Be- rechnung der spezifischen Wiirme fester Korper beschritten hat: das schwingende Molekul des festen Korpers wird mit einer elektrischen Ladung belegt gedacht und stellt so einen Oazillator dar, der bei jeder Temperatur niit der schwarzen Strahlung im Energiegleichgewicht stehen muB und daher dieselbe mittlere Energie enthlilt wie ein Planckscher Re- sonator derselben Frequenz. Fokker wirft die Frage auf, auf, ob nicht mit gleichem Erfolg auch hier so zu verfahren wiire, daB man ein rotierendes Molekiil durch Belegung mit

1) M. Trautz, Sitnmgsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss. Jannar 1913. 2) E. Holm, Ann. d. Phys. Pe. p. 1311. 1913. 3) A. D. Fokker, Ann. d. Phys. 48. p. 810. 1914. 4) A. Einstein, Ann. d. Phys. 22. p. 180. 1907.

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356 F . Kriiger .

elektrischen Ladungen sich zu einem ernittierenden bzw . ab- sorbierend rotierenden Dipol gemacht denkt ; ob man nicht dann die richtige spezifische Wiirme finden konnte, wenn man mit Hilfe der klassischen Mechanik und Elektrodynamik die mittlere Energie eines solchen Dipols im Gleichgewicht mit dem Planckschen Strahlungsfeld berechnet. Es ist das also clerselbe Gedenkengang, der zuerst Nerns t l) das Verschwbden des rotatorkchen Anteib der spezifischen Wiirme bei tiefen Temperaturen vermuten lieB. Die exakte Rechnung Fo kkers ergibt, daB die auf dem angedeuteten Wege gewonnene Kurve fi i r die spezifische Warme fiir T = 0 eine vertikale statt einer horiaontalen Tangente besitzt , also im vollen Wider- spruche rnit den E u c kenschen Beobachtungen steht. Der Unterschied in den Resultaten der Theorie einerseits fur Os- zillationen, andererseits fiir Rotationen ist offenbar wesentlich darin begriindet, daB bei den Resonatoren die Frequenz von der Energie unabhiingig ist, bei den Rotatoren dagegen rnit ihr wiichst.

In eigenartig kiihner Weise hat auch noch W. H. Ke e so m 2,

das Gleichgewicht zwischen rotierenden Dipolen und dem Strahlungsfeld unter Zugrundelegung der Nullpunktsenergie berechnet .

Das Resultat der Fo kkerschen Rechnung hat nun Planc k3) zu einem weittragenden Schlusse benutzt, namlich zur Ent- scheidung der Frage, ob auch ;n der reinen Elektrodynamik bei der Wechselwirkung zwischen den Wellen eines elektro- magnetischen Feldes und ebem darin befindlichen elektrischen Pol oder Dipol die Quantenhypothese eine Rolle spielt, oder ob vielleicht ihre Bedeutung auf die Gesetze des Zusammen- stoBes von substantiellen Partikeln beschrankt ist. Planc k hat zweifellos Recht rnit der Behauptung, daB das Resultat der Berechnungen von Fokker die Einfiihrung der Quanten- hypothese in die Elektrodynamik selbst gebieterisch verlangt - wenn man eben mit Rotationen rechnet.

Plane k sieht daher eine Losung des Widerspruches ledig- lich in der Erweiterung der Quantenhypothese auf die Elektro-

1) W. Nernst, Zeitschr. f. Elektroch. 17. p. 265. 1911. 2) W. H. Keeaom, Physik. Zeitschr. 15. p. 8. 1914. 3) M. Planck, Sitzungsber. d. &ad. d. Wiss. Berlin 1913. Bd. 11.

p. 512.

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Uber die Eigenscltwingungen freier I?reiselmolekule. 357

dynamik, und zwar speziell auf den Vorgang der Strahlunge- emission. Er fuhrt in seiner neuen Formulierung der Quanten- theorie die Hypothese ein, daB, wiihrend die Absorption durch- aus kontinuierlich ist, e h e Emission nicht fortwiihrend, sondern nur dann stattfindet, wenn der Zustandsparameter Q des Os- zillators, als Koordinate aufgefaSt, durch einen Punkt an der Grenze zweier ,,Elementargebiete" bezeichnet wird, I;. B. durch den Punkt qn an der Grenze des nten und (TZ + 1)ten Elementar- gebietes; fur alle Punkte im Innern des Elementargebietes sol1 uberhaupt keine Emission stattfinden. Auf diesem elektro- dynamischen Wege hat P1 anck die spezifische Wkme einer- seits l) eines Oszillators rnit einem Freiheitsgrade, anderer- seits 2, die eines rotierenden Dipols rnit fester Drehungsaohse in nbereinstimmung rnit dem rnit Hilfe thermodynamischer Formeln von Holm gefundenen berechnet; in zwei neueren Arbeiten hat Plane k*) die analoge Anwendung dieser For- niulierung der Quantenhypothese auf Molekule rnit zwei bzw. drei Freiheitsgraden der Rotation gegeben ; hiernach ist der fur die zwei Freiheitsgrade der Rotation eines zweiatomigen Gases gefundene Wert nicht einfach das doppelte des von Holm fiir einen Freiheitsgrad erbaltenen, wenigstens nioht fiir sehr tiefe Temperaturen; bei hohen Temperaturen werden allerdings beide einander gleich.

Sind nun aber nach dem Obigen keine Rotationen, sondern nur Schwingungen auch bei den gasformigen Dipolen vorhanden, so entfiillt damit der d n g e n d e SchluB, der soGst aus der Nichtubereinstimmung der Formel von Fo kker rnit dem Verlauf der spezifischen Wiirme des Wesserstoffs fur die Not-' wendigkeit der Ubertragung der Quantenhyqothese suf die Elektrodynamik zu ziehen wiire; denn bei der Einstein- schen Methode der Berechnung des Gleichgewichtes zwischen Oszillatoren und dem Planc kschen Strahlungsfelde ergeben sioh dann auch fi i r die spezifische Wiirme des Wasserstoffs keine Schwierigkeiten. Im Einklang damit, dab auf das Gleich- gewicht zwischen Strahlungsfeld und Energie der Resonatoren und rotierenden Dipole die Gleichungen der klassischen Elektro-

1) M. Planck, 1. c. 2) M. Planck, Festschr. J. Elster u. H. Geitel, Braunschweig 1913.

3) M. Planck, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 17. p. 407 u. 438. 1915. p. 313.

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358 F . Kriiger . dynamik anwendbar sind, liegen ja auch sonst Anzeichen dafiir vor, daB die klassische Elektrodynamik auch im Gebiete der molekulsren Dimensionen noch weitgehende Giiltigkeit besitzt ; so spricht dafiir die Theorie des Zeemanphanomens, ferner der von W. W ien l) berechnete und experimentell nach; gewiesene Effekt eines Mlagnetfeldes auf die Spektrallinien der Kinalstrahlen, der das magnetische Analogon zu dem elektri- schen Starkeffekt bildet.

Wir diirfen daher vorliiufig noch die allmiihliche Abnahme der Zahl der Freiheitsgrade mit sinkender Temperatur oder, iin Sinne der Quantentheorie, das Auftreten einer quanten- haften Energieverteilung als an die Existenz von Schwin- gungen gebunden betrachten, seien es solche mit oder solche ohne potentielle Energie. Die Prazessionsschwingungen der gasformigen Molekiile stellen dabei den einfachsten Fall fiir die Anwendung der gewohnlichen Quantentheorie vor, da bei ihnen der komplizierende Faktor der Koppelung, der fiir die Schwingungen der Oszillatoren im festen Aggregatzustande zu berucksichtigen ist, fortfiillt. Wie sich wirklich rotierende Molekiile in bezug auf die spezifische Wiirme verhalten wiirden, deruber liiBt sich auf Grund von Beobachtungen also bisher iiichts aussagen ; es erscheint keineswegs ausgeschlossen, daB sie sich den Gleichungen von Fo kker entsprechend verhalten wiirden, wenn auch fiir die allerextremsten Temperaturen unmittelbar vor dem absoluten Nullpunkt, analog und aus demselben Grunde (vermutlich Auftreten von Schwingungs- energie) wie fiir die forhchreitende Bewegung einatomiger Gase, das Auftreten einer horizontalen Tangente zu erwarten ware. . Was schlieBlich die kiirzlich erschienene Theorie von Nernst 2, betrifft, so ist zu bemerken, daS das De byesche Modell des Wasserstoffmolekiils, das Nerns t seinen Rechnungen zugrunde legt, keine Rotationen, sondern nur Schwingungen ZUliiBt.

8 8. Praseeaioneeohwinpungen und ultrarotee Spektrum.

Die Tatsache, daB elektrisch neutrale, elementare Gase wie Wasserstoff, Sauerstoff, Chlor, Brom nach den Messungen

1) W. Wien, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 48. p. 70. 1914. 2) W. Nernst, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 18. p. 83. 1916.

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Ober die Eigenschwingungen freier Kreiselmolekule. 359

von Rubens und von Wartenbergl) im Gebiete der ultre- roten Strahlung von 8-14 p keine Absorption zeigen, da- gegen Gase mit ansgesprochen elektrisch-polarem Charakter wie HC1, HBr, H20, wie uberhaupt aus mehreren Atomen zusammengesetzte Molekule starke Absorptionsstreifen im Ge- biete der groSen Wellenliingen besitzen, fiihrt man bisher auf die Rotation dieser Dipole zuriick; rotierende Gase rnit Dipol- charakter miissen ja sowohl strahlen wie absorbieren. Nach dem Molekiilmodell von Bohr, das neuerdings W. Kossel2) erfolgreich weiter ausgaarbeitet hat, sind auch diese elektrisch- polaren Dipole von einem Kranze von rotierenden Elektronen umgeben, der hier allerdings nicht mehr in der Mitte der Figurenachse sitzt, sondern nach dem einen Ende derselben zu verschoben ist. Danach miissen also auch diese Molekule Kreiseleigenschaften besitzen und konnen nicht rotieren, son- dern nur Priizessionsschwingungen ausfiihren. Die ultraroten Absorptionsbanden wiirden also diesen Schwingungen und nicht etwa Rotationen entsprechen.’ Im allgemeinen kommt das auf dasselbe hinaus; ein Untersohied besteht jedoch darin, dab die Lage der Absorptionsbanden im Falle der Schwingungen bei mittleren Temperaturen von der Temperatur im wesent- lichen unabhiingig sein m a t e , whhrend im Falle der Rotation die Stelle der wahrscheinlichsten Frequenzen sich rnit zu- nehmender Temperatur nach der Seite der kiirzeren Wellen- liingen zu verschieben miiBte. Direkte Messungen daruber, ob diese Absorptionsstreifen rnit der Temperatur sich ver- schieben, liegen noch nicht vor.

Dagegen scheint eine indirekte Prufung dieser Frage moglich. Lord Rayleigh3) hat berechnet, daB ein mit der Frequenz v0 schwingender h e a r e r Oszillator, der rnit der Frequenz v1 rotiert, rnit den drei Frequenzen yo, vo + v1 und vo - v1 strahlen bzw. absorbieren muB. Tritt an Stelle der Rotation eine rnit derselben Frequenz v1 erfolgende Prii- zessionsschwingung, so bleibt die Zerlegung in die drei Fre- quenzen yo, v0 + t~~ und yo - v1 ungeiindert, nur ihre Intensi- tiiten iindern sich.

1) H. Rubens u. E-von Wartenberg, Verh.-d. Deutsoh. Phys.

2) W. Kossel, Ann. d. Phys. 49. p. 359. 1916. 3) Lord Rayleigh, phi. Mag. (5) 24. p. 410. 1892.

Ces. 18. p. 796. 1911.

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360 F. Kriiger.

Die Rayleighschen Berechnungen hat N. B je r ruml ) zur Erkliirung der ultraroten Absorptionsspektren herangezogen. Er wies darauf hin, daI3 ein Absorptionsstreifen im kurz- welligen Teile des Ultraroten, der auf eine lineare Schwingung zurucbufuhren ist, durch die Rotation des Molekiils in drei zerlegt werden muBte, und konnte so die Verbreiterung der Linie $5 p der HC1, die Verbreiterung ultraroter Linien von CO, und die Zerlegung der Link 5,9 p des Wasserdampfes mit den Rotationsfrequenzen, fiir die ihm die Absorptions- messungen im BuBersten ultraroten Spektrum eine Schiitzung erlaubten, in Beziehung setzen.

Die Absorptionsstreifen im kurzwelligen Teil des Ultrarot sind spiiter von W. Burmeis te r2) und von E. von Bahra) genauer gemessen ; es zeigte sich, dal3 uberhaupt Doppel- banden fur diesen Teil des ultraroten Spektrums der Gase charakteristbch sind, was der Theorie von B je r rum ent- sprechen wurde, wenn man mit E. von Bahr annimmt, daB infolge ungenugender Dispersion die mittlere scharfe Linie bei den Messungen nicht in Erscheinung tritt.

Der Abstand der beiden Zerlegungsbanden muBte nun im Falle der temperaturabhiingigen Rotationfrequenz selbst tempe- raturabhiingig sein, im Falle der Prazessionsschwingungen da- gegen wesentlich temperaturunabhangig. Eine sichere Ent- scheidung erscheint bei dem bisherigen Beobachtungsmaterial nicht moglich. Nach E. von Bahr zeigt der Abstand der CO-Banden bei 4,74 p bzw. 4,62 p bei Steigerung der Tem- peratur von 15O auf 145O C eine geringe Zunahme; bei der N,O-Bande, bei etwa 4 p, ist ein solcher EinfluB ungewil3, bei der C0,-Bande bei 2,7 p nicht bemerkbar; doch sol1 diese Doppelbande uberhaupt nicht durch Zerlegung infolge Ro- tation entstanden'sein. Dagegen hat Paschen4) bei der Wasser- dampfdoppelbande (Al = 6,512 p und R2 = 5,948 p bei 17O) eine deutliche Abstandsvergrol3erung bei Steigerung der Tem- peratur bis auf 1470O C erhalten; nach E. von B a h r ist das

1) N. Bjer rum, Nernst-Festschrift 1912. p. 90; ferner Verh. d.

2) W. Burmeis te r , Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 16. p. 589. 1913. 3) E. von B a h r , Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 16. p. 731 u. 1150.

4) F. Paschen , Ann. d. Phys. 62. p. 215. 1894.

Deutsch. Phys. Ges. 16. p. 640 u. 737. 1914.

1913.

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uber die Eigenschwhguingefi freier Kreiselmotekule. 361

Produkt aus und der Rotationswellenllinge

angeniihert konstant. Das wiire zu erwarten, wenn eineRotation mit dem der klassischen Mechanik entsprechenden Werte der Energieverteilung vorhanden wiire. Es ist jedoch zu be- merken, daB bei grof3e; Energie der Prazessionsschwingug, also groBem C)ffnungswinkel 'p des Priizessbnskegels, wenn cos 'p nicht mehr gleich 1 gesetzt werden darf, also bei hohen Temperaturen, wie es bei diesen Messungen von Paschen zutrifft, auch eine Zunahme der Frequenz nach der obigen Formel (p. 349) zu erwarten ist; je kleiner uberhaupt das Impulsmoment im Vergleich zu der Differenz der Tdgheits- momente beim symmetrieohen Kreisel wird, um so mehr geht der Charakter der Prlizessionsschwingungen in den von Ro- tationen uber.

DaB gerade beim Wasserdampf keineswegs eine Rotation, die den Gesetzen der klassischen Mechanik gehorohte, vor- liegt, darauf deutet sein ultrarotes Spektrum deutlich hin: oberhalb 9 p etwa zeigt er eine Serie von Absorptionsstreifan mit konstanter Differenz der Wellenlangen, unterhalb 9 p eine Anzahl symmetrisch run die Linie 6,24 p liegender Streifen. Bjerrum faSt nun die ersteren als Einzelrotations- frequenzen im Sinne der Quantentheorie auf, wie s k von Nernst zuerst angenammen und von Ehrenfest (1. c.) fur die Berechnung der spedkchen Wgrme des Wasserstoffs verwendet wurden; die unterhalb der Wellenliinge 9 p ge- legenen symmetrischen Linien urn 6,24 p herum entsprechen dann nach Bjerrum der Zerlegung durch jene Rotationeo. Nun zeigen in der Tat die neuen Messungen von Rubens und Hettner l ) , daJ3 ein soloher Zusammenhaag zwischen den Linien unterhalb und oberhalb von 9 p vorhanden ist. Die nach der Rayleighsohen Formel aus je zwei symme- trischen Linien bereohneten Wellenliingen der Rotations- frequenzen entspreohen sehr genau den von Rubens und He t t n e r sowie anderen direkt gemessenen Weuenliingea im Gebiete von 9-200 p, Die Deutung dieser Wellenlibgen,

1) H. Rubens u. G. Hettaer, Verh. d. Deuteah. Wp. Ges. 18. p. 154. 1916.

Annden der Physik. IV. Folw. M). 24

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562 F. Kriiger.

als verursacht durch Einzelrotationen im Sinne der urspriing- lichen Quantentheorie ist dagegen weniger befriedigend. Der urspriinglich B j errumsche Ansatz mit einer konstanten Wellenliingendifferenz von 1,73 . 10l2 ergibt vie1 zu wenig Linien, so daS Euckenl) eine zweite Serie rnit der Wellen- llingendifferenz 0,75 . l O l 2 einfiihrte, die in der Tat wenigstens den uberwiegenden Teil der fehlenden Banden ergibt ; doch stimmt auch so noch nicht alles. Diese Deutung im Sinne von Bjer rum wiirde der urspriinglichen Fassung der Quanten- hypothese rnit diskontinuierlicher Energieverteilung ent- sprechen. Einen Versuch, die Absorptionsstreifen im lang- welligen ultraroten Spektrum im Sinne seiner neuen Formu- lierung der Qliantenhypothese zu deuten, hat kurzlich P lane k2) gemacht ; doch scheint er nicht ohne Zusatzannahmen durch- Iiihrbar.

Haben dagegen die Wasserdampfmolekiile infolge sie um- kreisender Elektronen Kreiseleigenschaften, so ist die Reihe der Absorptionsstreifp mit grohrer Wellenliinge als 9 p als durch Schwingungen verursacht anzusehen. Es miiBte jedoch eine ganze Serie von Schwingungen rnit konstanter Differenz der Frequenzen vorhanden sein. Legt man das Bohrsche Molekiilmodell zugrunde, so miissen in der Tat stets Molekule gleicher Art mit verschiedenen Frequenzen vorhenden sein, denn nach ihr sollen ja die Molekiile nicht nur das Impulsmo- ment h/21c, sondern auch das Zweifache, Dreifache usw. davon besitzen konnen. Diesen verschiedenen Impulsmomenten ent- sprechen aber verschiedene Frequenzen, die ebenfalls, da das Triigheitsmoment C gegeniiber A nicht in Betracht kommt, ebenfalk das Zweifaehe, Dreifache usw. der Grundschwingung betragen mifssen. Obgleich sonach Molekiile gleicher Art mit verschiedenen Frequenzen vorhanden sein konnen, ist es doch immerhin zweifelheft, ob sie die Erklarung fiir die Serie der ultraroten Wasserdampfbanden geben ; denn schon die Serie von Bjerrum umfaBt etwa 20, die von Eucken aber iiber 40 Banden.

Nun ist jedoch das Wasserdampfmolekiil kein symme- trischer Kreisel. Bei einem asymmetrischen Kreisel rnit drei verschiedenen Triigheitsmomenten tritt an Stelle der .reguliiren

1) A. Eucken, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 16. p. 1159. 1913. 2) M. Planok, Verh. d. Deutsch. Phys. &a. 18. p. 108. 1916.

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Uber die Eigennschwingungen freier Kreiselmolekiile. 963

Prazcssion der Figurenachse auf einer Kreiskegelflache die kompliziertere Form der allgemeinen Poinso tbewegung. l) Sie enthiilt drei Freiheitsgrade, wie sie die spezifische Warme des Wasserdampfes verlangt . Die Wirkung dieser allgemeinen Poinqtbewegung auf die Oszillatorschwingung sol1 hier nicht entwickelt werden. Es kommt ferner hinzu, daB beim Wasser- da'mpfmolekul lrseisende Elektronen , deren Bahnen nicht in derselben Ebene liegen, vorhanden sein konnen. So ist es wohl moglich, daB eine komplizierte Sohwingungsform entsteht, deren optischer Ausdruck die ultrarote Serie oberhalb der Wellenliinge 9 p ist ; auch ware noch das Vorhandensein der Doppelmolekiile des Wasserdampfeg in Betracht zu ziehen. Bei groBerer Dichte oder knniiherung der Molekule, wenn die Molekularkriifte ins Spiel kommen, wiirde auch die Kreiselbewegung nioht mehr kraftefrei sein ; die kequenzen wiirden dadurch beeinfluBt werden. Dies wiirde im Einklang damit stehen, daB nach den Messungen von E. von Bahr2) und den neueren von Rubens und H e t t n e r (1. c.) diese ultraroten Banden ziem- lich breit und verwaschen sind, und daB ferner naoh E. von Bahr die Streifen im kurmelligen Ultrarot mit abnehmendem Druck schmaler und schlirfer werden, was wir dann entsprechend auch fiir Rotationsbanden anzunehmen haben. Mit der An- wendung der Quantentheorie im Sinne von Bjerrum ist die Breite und Verwaschenheit der Rotationsbanden, wie schon Rubens und H e t t n e r bemerken, nicht vereinbar, und ebenso wenig wiirde es eine allgemeine, wenn auch nur geringe, Tem- peraturabhangigkeit der Frequenzen sein, die doch auoh fiir alle Rotationsbanden wahrscheinlioh ist, wenn sie nach $en Messungen von Paschen f i i r eine derselben folgt. Die Breite der Streifen wird ferner wesentlich auch dadurch bedingt sein, daB die Molekule mit weit uber den Mittelwert des offnungs- winkels y binausgehenden Werten von der mittleren ab- weichende Frequenzen besitzen mussen.

Bedenkt man diese Schwierigkeiten, die, abgesehen von ihrer meohanisohen Unplausibilitlit, der Theorie der quanten- haften Rotationsfrequenzen anhaften, so scheint eine Pr&-

1) F. Klein u. A. Sommerfeld, Theorie des Kreisels. p. 121ff.

2) E. von Bahr, 1. 0.

3) E. von Bahr, Verh. d. Deutsch. Phys. Ges. 16. p. 171. 1913.

Leipzig 1897-1910.

24 *

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964 F . Kriiger.

zessionsbewegung mit komplizierter Schwingungsform doch wohl als das Wahrscheinlichere ; vielleicht wird eine eingehende Untersuchung der Temperaturabhiingigkeit der Wellenliingen der Rotetionsbanden neben einer eingehenden theoretischen Diskussion der Schwingungsform des Wasserdampfmolekuls eine Aufkliixung liefern.

So schnelle Prazessionsachwingungen wie etwa die des Wasserstoffmolekiils miiSten nach den Ra yleighscben Formeln auch schon suf die Linien des sichtbaren Spektrums zerlegend wirken. Es wiire ferner wohl moglich, daB Priizessionsschwin- gungen so hoher Frequenz, daS sie nach der Quantentheorie keinen merkbaren Anteil zu dar spezifischen Warme liefern und, wie wir sie vielleicht fiir die einatomigen Edelgase an- zunehmen haben, sich im Spektrum bemerkbar machen.

8 4. Prilse~jsionesohwingunngungen und Magnetiemue.

Nach dem Molekiilmodell von Bo hr , speziell fiir Wasser- stoff auch nach dem verbesserten von Debye, bewegen sich die kreisenden Elektronen durch elektrostatische Kriifte ge- halten, in zwsngslaufigen Bahnen. Die Einwirkung eines BuBeren Magnetfeldes auf den Molekularstrom der kreisenden Elektronen mu6 also auch zu Kreiselschwingungen der Mole- kiile AnlaB geben. Im homogenen Magnetfelde, das ja relativ schwach im Vergleich mit dem Eigenimpuls sein wird, wird aber im allgemeinen nicht mehr eine regulare, sondern nur noch eine pseudoreguliire Priizession moglich sein, die jedoch der ersteren sehr nahe kommen wird. In erlaubter Anniiherung konnen wir also f i i r diese Bewegung die Gleichung der regulZiren Pra- zession eines Kreisels unter Einwirkung einer Direktionskraf t P setzen ; nach ihr ist die Prliaessionsfrequena :

C v r ~ f C ? v " - 4 4 P ( A - C ) C O S C ~ . v = 2 ( A - 0) COB cp

Fur die Direktionskraft berechnet sich leicht der Wert: H P e y , ' P=*-

c '

worin H die Stiirke des iiuBeren Magnetfeldes, c die Licht- geschwindigkeit, T den Radius der Elektronenbahn und e die Ladung des Elektrons bedeutet. Das negative Vorzeichen entsprioht der sog. langsamen, das positive der sog. achnellen

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Uber die Eigenschwingungen freier Kreiselmolekiile. 365

Prheession ; beide sind, wie leicht ersichtlich, kleiner als die Frequene des kriiftefreien Kreisels.

Im Gebiete der Gultigkeit des Gleichverteilungsgesetzes der Energie fiihren diese Schwingungen natiirlich ebenso wie die Rotationen der von Langevin angenornmenen Elementar- magnete zu dem Curieschen Gesetze, nach dem die megne- tische Suszeptibilitiit der absoluten Temperatur umgekehrt proportional ist. Bei sehr tiefen Temperaturen aber wiirden wegen der Priieessionsschwingungen die Bewegungen der Mole- k d e nicht mehr den Gesetzen der klassischen Meohanik, son- dern den Forderungen der Quantentheorie unterliegen, die zu einer langsameren Zunahme der Susseptibilitiit bai tiefen Temperaturen fiihrt, als dem Curieschen Gesetee entspricht. Von den paramagnetischen Gasen wiire eine solche Abweichung wohl in erster Link beim Sauerstoff zu erwarten. Nun zeigt nach Scheel und Heuse (1. 0.) seine speeifische Wiirme keine sicheren Abweichungen von dern klassischen Wert bei -183O, der Verfl%sigungstempratur des Sauerstoffs. Ist die Prii- zessionsfrequenz im Magnetfelde kleiner als die des kriif te- freien Molekiib, so miissen also auch die Abweichungen von dem klassischen Wert der Suseeptibi1itB;t kleiner sein bzw. erst bei tieferen Temperaturen eintreten. In der Tat haben Per r ie r und Kamerl ingh Onnes l) fur gasformigen Sauer- stoff bis herab eu -183O keine Abweichungen vom Curie- sohen Gesetze konstatieren konnen.

Im fliissigen Sauerstoff haben diese Forscher allerdings Abweichungen vom Curieschen Gesetz in dem erwsrteten Sinne gefunden; es liegt jedoch hier keine Einwirkung der tiefen Temperaturen (-183O bis -216O) vor, sondern eine Folge der grohren Diohte. Denn wie Per r ie r und Kamer- l ingh Onnes*) durch Messungen der Susaeptibilitiit von fliissigen Sauerstoff- und Stickstoffgemischen zeigten , ver- sohwindet die Abweichung vom C urieschen Gesetz durch Verdiinnung des fliirsigen Sauerstoffs mit flussigem Stickstoff. Es liegt hier also kein Quanteneffekt vor, der bedingt wiire durch Eigensohwingungen frei beweglioher Molekule, sondern

1) A. Perrier u. H. Kamerlingh Onnes, Communioat. from the

2) A. Perrier u. H. Kamerlingh Onnes, 1. c. 189. p. 37. 1914. Php. Labor. Leiden 189. p 38. 1913.

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366 F. KTiiger.

vermutlich ein solcher infolge von Schwingungen, deren Fre- quenz durch die molekularen Attraktionskriifte bestimmt ist.

Die Abweichungen vom Curieschen Gesetz im fliissigen und festen Aggregatzustande, deren Deutung auf Grund der Quantentheorie schon De bye l) versucht hat, sind also wohl durch Schwingungen infolge von Richtkraften verursacht ; richtkraftfreie Rotationen der Molekule im festen Aggregat- zustande, wie sie E. Oosterhuis2) und W. H. Keesoms) ihren Theorien zugrunde legen, sind wohl wenig wahrschein- lich. Wollte man aber doch das Fehlen von Richtkriiften annehmen, so wurden ebenso wie bei den Gasen an Stelle der Rotationen die Prlizessionsschwingungen zu setzen sein.

Die durch das Einschalten des iiukieren Magnetfeldes ver- ursachten molekularen Priizessionsschwingungen der Gasmole- kale sind zu langsam, um einen merklichen diamagnetischen Effekt zu geben; auch muBten sie durch die thermische Agi- tation bald vernichtet werden. Das paramagnetische Moment der Einstellung der Molekularmagnete im konstanten Magnet- felde in die Feldrichtung Wjrd ihnen gegenuber uberwiegen ; seine Temperaturabhiingigkeit ist gegeben durch den von der Schwingungsenergie vorgeschriebenen Mittelwert des Offnungs- winkels des Priizessionskegels. Nun ist jedoch zu bedenken, daB die Bahn der kreisenden Elektronen nicht absolut starr in bezug auf die Figurenachse des Molekiils angeordnet ist, daB viel- mehr die quasielastischen, elektrostatischen Anziehungskrafte der positiven Kerne $ie mehr oder minder stark festhalten. Die Elektronenbahn wird daher auch fur sioh relativ zum Molekiil unter dem EinfluB des auBeren Magnetfeldes eine Priizessionsschwingung ausfiihren. Kcinnen wir fiir kleine Amplituden der Schwingung die elastischen Kriifte vernach- kssigen, so ergibt sich fiir die Prizessionsfrequenz der Elek- tronenbahn der bereits von W. Voig t4) berechnete Wert

H * 6 V =+-

p . 0 ’

1) P. De bye, Schweizer Naturforschende Gesellschrtft, Versammlung

2) E. Oosterhuis, Physik. Zeitschr. M. p. 862. 1913. 3) W. H. Keesom, Physik. Zeitschr. 16. p. 8 u. 78. 1914. 4) W. Voigt, Ann. d. Phys. 8. p. 116. 1802.

zu Solothurn 1911.

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Ober die Eigenschuingungen freier Kreiselmolekiile. 367

der etwa im umgekehrten Verhiiltnis der Massc der kreisen- den Elektronen zu der Masse des Molekiils groBer ist als der der Priizessionsfrequenz des ganzen Molekuls , beim Wasser- stoffmolekiil also rund 2000mal so grofl, d. h. von der GroSen- ordnung 10'5 pro Sek. Ihr entspricht ein starker diamagneti- scher Effekt, der im wesentlichen temperaturunabhangig sein wird ; e k e gleiche Pra~essionsfrequenz der Elektronenbahn gibt andererseits, wie K. F. Herzfeldl) gezeigt hat, die Er- kliirung des Zeemanphanomens bei Zugrundelegung des Bo h r - schen Atommodells. Die Differenz der magnetkchen Wir- kung der im wesentlichen temperaturunabhiingigen Priizemions- schwingung der Elektronenbahn und der der thermischen Agitation im S h e der Theorie von Langevin unterliegenden Priizessionsschwingung des ganzen Mole kiils bedingt die ge- messene Suszeptibilitiit ; die verschiedene Temperaturabhiingig- keit der beiden Ursachen kanii unter Umstiinden den Para- magnetismus einer Substanz in Diamagnetismus iiberfiihren ; ebenso kann ihre verschieden starke Abhangigkeit vom Magnet- felde die von Honda2) zuerst beobachtete, von R. H. Weber und K. Overbeoks) an anderen Substanzen neu entdeckte, eingehend untersuchte und als Metamagnetismus bezeichnete, von R. Gans4) theoretisch gedeutete Erscheinung, dafl ge- wisse Substanzen in schwachen Feldern paramagnetisoh, in starken diamagnetisch sind, erkltiren.

Busammen faaeung.

Die in ' festen Bahnen die Molekiile umkreisenden Elek- tronen, wie sie einerseits die Elektronentheorie der AmpBre - schen Molekularstrome, andererseits die Theorie der Serien- spektren auf Grund des Bo hrschen Atommodells voraus- setzt, verleihen den Molekiilen Kreiseleigenschaften. Die mei- und mehratomigen Molekiile konnen daher unter dem Ein- flu8 der Molekulsrstofle keine Rotationen, sondern nur Prti- zessionsschwingungen mit einer von der Temperatur wenigstens bei niedrigen Temperaturen wesentlich unabhangigen Frequenz

1) K. F. Herzfeld, Physik. Zeitschr. 16. p. 193. 1914. 2) K. Honda, Ann. d. Phys. 83. p. 1027. 1910. 3) K. Overbeck, Ann. d. Phys. 48. p. 677. 1915. 4) R. Gans, Ann. d. Phys. 49. p. 149. 1915.

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368 F . Kriiger. Die Eigenschzoingungen freier Kreiselmolekiile.

ausfuhren. Es erkliirt sich so in einfacher Weise der Tem- peraturverlauf der spezifischen Wiirme des Wasserstoffs unter Anwendung der Quantentheorie auf Resonatoren mit kon- s tanter Schwingungsfrequenz. Fur das Wasserstoffmolekul lial3t sich unter Zugrundelegpng des Bohrschen Modells die Priizessionsfrequenz in befriedigender Ubereinstimmung mit der aus den Euckenschen Messungen der spezifischen Warme des Wasserstoffs bei tiefen Temperaturen folgenden berechnen. Es beheben sich so in einfacher Weise die groBen Schwierig- keiten, welche die Anwendung der Quantentheorie auf ro- tierende Molekule bot. Ebenso schwinden die Schwieriu- keiten, welche die Anwendung der klassischen Elektrodynainrk auf das Gleichgewicht zwisohen dem Strahlungsfeld und in ihm rotierenden Dipolen ergab ; die klassische Elektrodynamik bleibt fur das Gleichgewicht zwischen Strahlungsfeld und den Prazessionsschwingungen ausfiihrenden Molekulen ebenso gultig wie zwischen Strahlungsfeld und den Resonatoren. Fur die Erkliirung der Absorptionsbanden irn langwelligen und kurz- welligen Ultrarot im Sinne der B j errumschen Theorie bietet der Ersatz der Molekiilrotetionen durch Priizessionsschwingun- gen ebenfalls Vorteile. Die Bedeutung der Priizessionsschwin- gungen fur die Theorie des Para- uncl Diamagnetismus w i d irn Ietzten Kapitel kurz skizziert.

Danzig-Langfuhr , Physik. Inst. d. Techn. Hochschule.

(Eingegangen 2. Mai 1916.)

Druck von Meteger & Wittlg in Leipzig.