Über die farbe und natur der lösungen des natriums in flüssigem ammoniak

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P. Kriiger. Farbe und Natur der Losungen des Nafriums usw. 265 Uber die Farbe und Natur der Losungen cles Natriwms in fliissigern Ammom$ak Von F. Rriiger (Mit 8 Abbildungen) Gustav Mie zum 71). Gebztrtstage Es ist das groBe Verdienst von G. Mie,l) zuerst eine vollstindige Darstellung der Integration der Maxw ellschen Oleichungen fur eine Kugel und der Induktion einer Kugel durch eine einfallende, linear polarisierte Welle gegeben und damit die Polarisation , das Absorptionsspektrum und die diffuse Zeratreuung des Lichtes iu kolloidalen Goldlosungen in guter Obereinstimmung mit der Erfahrung berechnet zu haben, mabrend die fruheren, auf einer Theorie von L. Loren z 2, fuBenden Berechnungen des Absorptionsspektrums der Goldhydrosole uud Xubinglaser von Maxwell Garnett3) nur eine unvollkommene Wiedergabe der Beobachtungen erbracht hatten. Die blauen Losungen von Natrium und Kalium in fliissigem Ammouiak mit ihren in vieler Hinsicbt von dem der gewohnlichen elektrolytischen Losungen abweichendenverhalten haben zu mancherlei Deutungsversuchen Anlab gegeben. Schon fruhzeitig glaubte Bron n 4), sie als kolloidale Losungen ansprechen zu konnen, eine Auffassung, zu der auch Hinrichsen5) hinneigte. Den klaren SchluB, da8 es sich bei diesen Losungen urn ,, Ammo~iiosole'~, also richtige kolloidnle Losungen der Metalle Natrium und Kalium in Animoniak liandele, zog d a m WO. 0 s t w ald ". Hierbei war fiir Wo. Ostwald das Verhalten dieser Losungen in bezug auf ihre Farbe mit von ausschlaggebender Bedeutung. Bekanntlich zeigen die Losungen der Alkalimetalle in fliissigem Ammoniak bei holleren Eionzentrationen und niederen Temperaturen eine Ent- 1) G. Mie, Ann. d. Phys. [4] 25. S. 337. 1908; Kolloid. Ztschr. 2. S. 129. 2) L. Lorenz, Wied. Ann. d. Phys. 11. S. 70. 1880. 3) J. C. Maxwell Garnett, Phil. Trans. (A). 203. S. 386. 1904: 205. 4) J. Bronn, Ann. d. Phys. 16. S. 1ti6. 1905. 5) F. W. Hinrichsen, Abeggs Handb. d. anorg. Chem. 11. S. 1. 1908. ti) Wo. Ostwald, Kolloidchem. Beihefte 2. S. 409. 1911. Annalen der Physik. 5. Folge. 33. 18 1907. S. 237. 1905.

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P. Kriiger. Farbe und Natur der Losungen des Nafriums usw. 265

Uber die Farbe und Natur der Losungen cles Natriwms in fliissigern Ammom$ak

Von F. R r i i g e r

(Mit 8 Abbildungen)

Gustav Mie zum 71). Gebztrtstage

Es ist das groBe Verdienst von G. Mie,l) zuerst eine vollstindige Darstellung der Integration der Maxw ellschen Oleichungen fur eine Kugel und der Induktion einer Kugel durch eine einfallende, linear polarisierte Welle gegeben und damit die Polarisation , das Absorptionsspektrum und die diffuse Zeratreuung des Lichtes iu kolloidalen Goldlosungen in guter Obereinstimmung mit der Erfahrung berechnet zu haben, mabrend die fruheren, auf einer Theorie von L. L o r e n z 2, fuBenden Berechnungen des Absorptionsspektrums der Goldhydrosole uud Xubinglaser von Maxwell Garne t t3 ) nur eine unvollkommene Wiedergabe der Beobachtungen erbracht hatten.

Die blauen Losungen von Natrium und Kalium in fliissigem Ammouiak mit ihren in vieler Hinsicbt von dem der gewohnlichen elektrolytischen Losungen abweichendenverhalten haben zu mancherlei Deutungsversuchen Anlab gegeben. Schon fruhzeitig glaubte Bron n 4),

sie als kolloidale Losungen ansprechen zu konnen, eine Auffassung, zu der auch Hin r i chsen5) hinneigte.

Den klaren SchluB, da8 es sich bei diesen Losungen urn ,, Ammo~iiosole'~, also richtige kolloidnle Losungen der Metalle Natrium und Kalium in Animoniak liandele, zog d a m WO. 0 s t w a l d ". Hierbei war fiir Wo. Os twald das Verhalten dieser Losungen in bezug auf ihre Farbe mit von ausschlaggebender Bedeutung. Bekanntlich zeigen die Losungen der Alkalimetalle in fliissigem Ammoniak bei holleren Eionzentrationen und niederen Temperaturen eine Ent-

1) G. Mie, Ann. d. Phys. [4] 25. S . 337. 1908; Kolloid. Ztschr. 2. S. 129.

2) L. L o r e n z , Wied. Ann. d. Phys. 11. S. 70. 1880. 3) J. C. Maxwel l G a r n e t t , Phil. Trans. (A). 203. S. 386. 1904: 205.

4) J. B r o n n , Ann. d. Phys. 16. S. 1ti6. 1905. 5) F. W. H i n r i c h s e n , Abeggs Handb. d. anorg. Chem. 11. S. 1. 1908. ti) Wo. O s t w a l d , Kolloidchem. Beihefte 2. S. 409. 1911.

Annalen der Physik. 5. Folge. 33. 18

1907.

S. 237. 1905.

266 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 33. 1938

mischung in zwei verschieden gefarbte fliissige Schichten. Dieser Torgang ist nach 0 s t w a l d analog einer Gelatinierung hzw. in einem weiterem Stadium analog der Koagulation eines Emulsoids. Diese Koagulation kann in sehr charakteristischer Weise auch hervor- gebracht werden durch Zusatz von Neutralsalzen, wie Natriumchlorid. Dabei findet, wie schon W. Weyl’), dem man die Entdeckung dieser Losungen verdankt , konstatiert, gelegentlich durch Zusatz von nur wenjg Natriumchlorid zu den kupferroten Natriumammoniumlosungen erst eine dunkle Farbung zu Rubinrot und schlieBlich in ein metallisch glanzendes tiefes Blau statt, und J. B r o n n * ) erinnert daran, daB auch bei roten kolloidalen Goldlosungen ein Zusatz von NaCl geniigt, um einen Farbumschlag in Blau zu bewirken.

Wenn die Annahme, daB die blauen Losungen von Natrium und Kalium in flussigem Ammoniak kolloidaler Natur sind, richtig ist, so miiljte ihre Farbe oder ihr Absorptionsspektrum sich nach den Fornieln von G. M i e aus den optischen Konstanten der reinen Metalle Natrium und Kalium sowie des Ammoniaks in Ubereinstimmung mit den gemessenen Absorptionskurven berechnen lassen. Eventuell wird es notig sein, die Erganzung der Theorie durch R. G a n s 3 ) hinzuzuziehen.

1. Berechnung der Absorptionskurven der Natrium- und Kaliumlijsungen in fliissigem Ammoniak

und Vergleich mi t den Messungen

:t) B e r e c h n u n g n a c h d e n F o r m e l n v o n Mie f u r r u n d e Te i l ehen

Mie legt seinen Berechnungen die Annahnie zugrunde, dab die kolloidalen Teilchen Kugeln sind, deren Brechungsexponent und dbsorptionskoeffizient dieselben Werte fur die verschiedenen Wellen- langen besitzen, wie die des kompakten Metalls. Eine ebene Welle, welche durch die kolloidale Losung hindarchgeht, erleidet d a m eine Absorption einmal durch die Entwicklung Joulscher Warme in den kolloidalen Metallteilchen , also durch die normale Absorption, zweitens dadurch, daf3 die Metallteilchen zu elektromagnetischen Schwingungen derselben Frequenz wie der der einfallenden Welle angeregt werden und ihrerseits Kugelwellen nusstrahlen , also die einfallende Strahlung diffus zerstreuen. Die gesamte Absorption besteht aus der Summe beider Anteile. Da beide dnteile in verschiedener Weise von der OroBe der Teilchen abhangen, so werden je nach der

1) W. Weyl , Pogg. Ann. d. Phys. 121. S. 601. 1664; 123. S. 353. 1564;

2) J. B r o n n , Ann. d. Phys. [4] 16. S. 166. 1905. 3) R. Gans , Ann. d. Phys. [4] 37. S. S81. 1912.

181. S. 524. 1867.

F. IlriigeT. Farbe und Natur der Losungen des Xairiums usw. 267

GroBe der Kiigelchen im allgemeinen verschiedene Absorptionskurven erhalten. Mie konnte nun zeigen, daB bei den ganz groben Teilchen in kolloidaler Losung von den moglichen Oberschpvingungen zu der Grund- schwingung nur noch die zweite elektrische und die erste magnetische Partialschwingung hinzukommt, wobei die letztere stets von derselben GrBBenordnung ist wie die zweite elektrische Schwingung; sehr kleine Teilchen strahlen seitljch stets nur die erste elektrische, sogenannte Rayle ighsche Welle aus. Bei der Gesamtabsorption iiberwiegt, wie Mie zeigen konnte, die wirkliche Absorption stark gegeniiber der Sbsorption durch die diffuse Strahlung; letztere bestimmt erst bei groberen Teilchen die Farbe der Losung. Berucksichtigt man also diese Wellen, so ergibt sich nach Mie fur die Gesnmtabsorption auf einer Strecke von 1 mm durch eine Losung von der Konzen- tration lop6 (d. h. 1 mm3 Metal1 in eineni Liter des Losungsmittels) der Ausdi uck: 6 n K = -+m(- a, - a2 + PI), worin 1,' die Wellenlange des einfallenden Liclites in dem Losungs- mittel bedeutet. Hierin ist ferner gesetzt

ist und 2 p den Teilchendurchmesser bedeutet. 2 n p wobei u = ~- 1' Die GroBen a,, a, und p , fur sehr kleine Teilchen sind gegeben durch die Ausdriicke

m "0

wobei nz'= ~ ist und ni den kovlplexen Rrechungsindex des Metalls, m, den Rrechungsindex des Losungsmittels bedeuten, also A' = - ' Der Ausdruck Im in der Formel fur Ii sol1 ancleuten, daB von den GroBen

die jeweilige Wellenlange in dem Losungsniittel. m0

a,, a, und jeweils nu r der iniaginare Xnteil zu nehmen ist. Setzt man noch

m l ~ = + i d , so ergeben sich die fur die Rechnung bequemen Ausdrucke

ma 12 _. ..

und hi+ $1) = - aa

30 -. a.

Fur die Berechnung der Absorptionskonstanten der kolloidalen Natriumlosungen in Animoniak stehen einerseits Messungen der

18 *

268 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 33. 1938

optischen Konstanten des metallischen Xatriums von B. Me e s e I), andererseits solche von R. W. und R. C. Duncan2) zur Verfiigung. Die Werte fur n x und n (n = Brechungsindex, x = hbsorptions- konstante) sind fur beide MeBreihen in Tabelle 1 wiedergegeben.

603 i 0,064-1,SOi 10,048-0,899i, 1,333 552 0,067-1,42i ' 0,043-1,07i 1,330

T a b e l l e 1 ___~- ~

Messungen von B. Meese 1 Messung von R. W. u. R. C. D u n c a n

- 0,8059 - 0,0863i 0,805C - 1,143 - 0,0920i 1,143

502 1 1,20 552 1,42

627 1 1,92 667 1 2,25

559 I 1,86

589 1 O1O48-1,86i 0,036-1,40i ' 1,325 - 1,959 - 0,1008i

667 0,051-2,29i O,039-l173i 1 1,320 - 2,991 - 0,1349i 627 0,039-1,92i 0,037-1,45i 1,323 - 2,101 - 0,1073i

I I I

12 - ~ _ _ _ ~~- -

0,051 0,057 0,048 0,049 0,051

1,959

2,991 2,101

~~ ~ ~ -

453 472 546 559 663

TI, . x ta -~

0,038 0,057

2,21 0,052 2,42 I 0,044 2,80 0,051

I

Obwohl die MeBsne,,.)de in beiden Srbeiten weitgehend uber- einstimmt, weichen die erhaltenen Werte fur n x und fur n recht stark voneinander ab. Es wurde bei den Messungen so verfahren, daB die Metalle im Vakuum geschmolzen und an einer ebenen Glasplatte zum Erstarren gebracht wurden. Die Konstanten von B. Meese sind jedoch vielleicht etwas znverlassiger, da die Spiegel- herstellung bei ihr sorgfalt iger vorgenommen , ferner die Filtration des fiussigen Metalls dreimal vorgenominen wurde und schlieMlicli die Messungen im Gegensatz zu denen der beiden D u n c a n s nahe am Haupteinfallswinkel, diesen am besten einschliebend, vorgenommen wurden, was fur die Berechnung der Konstanten die kleinsten Ungenauigkeiten mit sich brachte. Trotzdem betont die Verfasserin selbst die relative Ungenauigkeit ihrer Werte. Es sollen hier der Berechnung nur die wahrscheinlich besseren Messungen von B. Mee s e zugrunde gelegt werden.

Bus den Zahlen der Tabelle der Messungen von Me e s e berechnen

- ~

- d

0,0863 _ _ ~ _ _ ~

0,0920 0,1008 0,1073 0,1349

F. Kriiger. Farbe und Natur der Losunyen des Natriurns usw. 269

Der Brechungsindex rn, des fliissigen Ammoniaks betragt l) fur h = 589 A 1,325; fur die anderen Wellenlangen sind die Werte nach einer normalen Dispersion angesetzt.

Man sieht leicht, daB hier das zweite Glied I m (- a,) keinen irgend- wie wesentlichen EinfluB auf den Wert K hat, noch weniger das dritte Glied Irn (+ a,). Das also allein ausschlaggebende erste Glied

, . I

ist aber von a, damit also vom Durehniesser 2 0 der kolloidalen Teilchen unab- hiingig; das sich ergebende Maximum der Absorption wird also von deiii iiber- ragenden Einfiusse dieses ersten Gliedes unabhangig von der TeilchengroBe an derselben Stelle festgehalten. Unter Beriicksichtigung uur dieses ersten Anteils in dem Ausdruck fur K ergibt sich so

Tabe l l e 3

552 16;s 589 i 1077 627 1 593 667 15,l

I

In Abb. 1 sind diese Werte

Abb. 1. Absorptionskonstante kolloidaler Natrium-Losungen mit runden Teilchen in fliissigem Ammoniak in Abhangigkeit

von der Wellenllnge

von lO3K in Abhiingigkeit von der Wellenlange graphisch dargestellt.

b) V e r g l e i c h d e r b e r e c h n e t e n K u r v e n mi t d e n g e m e s s e n e n W e r t e n d e s A b s o r p t i o n s k o e f f i z i e n t e n

Hier liegt also ein sehr ausgesprochenes Maximum der Absorption im Gelb-Rot. Dies wiirde die blaue Farbe der Natriumlosungen gut erklaren. Leider aber stimmt diese Absorptionskurve mit den Messungen der Absorptionskoeffizienten der blnuen Losungen yon Natrium in flussigem Ammoniak von F. Gibson und W. L. Argo2) sehr wenig iiberein. Denn, wie die von den genannten Autoren gemessenen Absorptionskoeffizienten zeigen, nimnit die Absorption

I) L. B l e e k r o d e , Proc.Roy. Soc. 37. S. 339. 1884. 2) F. G i b s o n und W. L. A r g o , Phys. Rev. (2) 7. S. 33. 1916; Journ.

Amer. Chem. SOC. 40. S. 1327. 1918.

270 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 33. 1938

nach dem langwelligen Ende des Spektrums standig, wenn aiich nur langsam, zu. Um einen quantitativen Vergleich zu ermoglichen, mussen freilich die Ton G i b s o n und A r g o angegebenen Absorptions- indizes noch umgerechnet tverden, um mit den nach Mie berechneten Absorptionen in 1 mm Schichtdicke und der Konzentration von 1 mm3 pro Liter verglichen werden zu konnen.

G i b s o n und A r g o haben die Absorptionsindizes fur zwei Losungen gemessen, deren Natriumgehalt zu 2,8 . 1 0 P Mol uud zu 1,3. loA6 Mol pro Kubikzentimeter angegeben sind. Da nach den geiiannten Autoren fur diese Losungen wenigstens angenahert das B e e r sche Gesetz gilt, dessen Gultigkeit ubrigens auch in der Theorie von M i e , wie oben erwahnt , vorausgesetzt ist, kanii man auf andere Konzentrationen mit einiger Sicherheit umrechnen. Das ist aber erforderlich, da die oben nach der Theorie von Mie berechneten Werte die GroBe des Absorptionskoeffizienten fur Konzentrationen von und zwar in Kubikmillimetern des gelosten Metalls im Liter des Losnngsmittels, und in Promille bedeuten. Ferner ist eine Unirechnung noch deshalb erforderlich, weil die Zahlen in der Arbeit von G i b s o n und A r g o die Extinktioiis- koeffizienten E fur die Schichtdicke von 1 cm entsprechend der Formel I = I. - 10- E . d, worin d die Schichtdicke bedeutet, vorstellen, wahrend der Absorptionskoeffizient in der Theorie von Mie der GroBe a in der Formel 1 = I o . e - a d entspricht und auBerdem fiir eine Schichtdicke von 1 mm gerechnet ist. Es ist also

E d _ _ e - a d = 10 11) oder

8 = K . ~- 10 log e

Die Umrechnung auf die Konzentration 1 mm3 pro Liter ergibt f u r die Werte der Natriumlosung von 1,3 - 10-6Mol pro cm3, die hier zugrunde gelegt werden sollen, folgendes: Da das Atomgewiclit des Natriums gleich 23 ist, so ist 1,3.10+ Mol pro c1n3 = 1:3.10-3 Mol pro Liter = I ,3-23. 10V3 = 3. 10W2 g pro Liter, oder da das spezifische Gewicht des Natriums 0,97 betrlgt, gleich 2,9 - 10+ em3 pro Liter oder gleiuh 29 mm3 pro Liter. Um die Absorption der Losungen mit 1 mm3 Metal1 pro Liter zu erhalten, sind also die Konzentrationen nach G i b s o n und A r g o durch 29 zu dividieren. Die dbsorptions- koeffizienten im Sinne der Mieschen Theorie erhiilt man also aus den Extinktionskoeffizienten nach G i b s o n und A r g o inittels tler Beziehung

6 =- E 29 - 10 - log e 1x6 a =

F . Kruger. Farbe und Natur der Losurzgen des Natriums usw. 271

In der Tab. 4 sind die GrijWen e nach G i b s o n und Argo und die so berechneten Werte von a fiir Natrium fur verschiedene Wellen- langen wiedergegeben.

T a b e l l e 4 Gemessene Absorptionskoeffizienten fur Nat,rium

' E 1 rr. 103 gemessen - - -- I

I in B _ _ ~ ~- -- ~ ~ - - ~ -

502 1 0,596 --I 4,73

608 1 0,990 7,S6

516 0,636 5,08 529 0,682 5,41 646 1 0,728 1 .5,78 564 0,745 5,91 585 0,SSO 1 6,98

Mit diesen Werten f u r die Absorption stehen also die nach der Theorie berechneten durchaus nicht in Einklang. Es muB also eine der liierbei gemachten Annahmen nicht zutreffen. Das diirfte am ehesten die Annahme sein, daB die kolloidalen Teilchen Kugeln sind, und schon Mie selbst hat am Schlusse seiner Ab- handlung nachdriicklich darauf hingewiesen , daB es fur die Voll- sfandigkeit der Theorie unbedingt erforderlich sei, auch noch das Verhalten ellipsoidischer Teilchen zu untersuchen. Nach dieser Richtung hin hat nun R. Gans ' ) die Miesche Theorie erweitert und vervollstandigt und eine Berechnung der Absorption kolloidaler Lasungen auch fur Teilcheu mit der Gestalt von Rotationsellipsoiden, und zwar sowohl von verlangerten wie abgeplatteten Ellipsoiden ge- geben. Es sol1 daher im folgenden versucht werden, ob mit Hilfe der Gan s schen Formeln fur ellipsoidische Metallteilchen eine Uber- einstimmiing zwischen Berechnung und Messung zu erzielen ist.

c) B e r e c h n u n g d e r A b s o r p t i o n n a c h d e n fur e l l i p s o i d i s c h e T e i l c h e n f o r m e r w e i t e r t e n F o r m e l n

n a c h R. G a n s

D a naturgemaiB die Berechnung der Forineln f iir ellipsoidische Teilchen ungleich komplizierter ist als fur kugelf ormige Teilchen, hat G a n s seine Berechnung auf Teilchen beschrankt, die klein gegen die Wellenlange des Lichtes sind und ferner, wie schon er- wahnt, auf rotationssymmetrische ellipsoidische Teilchen. Er hat dabei einen Kunstgriff von Lord R a y l e i g h 2, benutzt, der darin besteht, daE man das elektrische Feld im Innern des Ellipsoides

2 1) R. Gans , Ann. d. Phys. [4] 87. S. 881. 1912. 2) Lord R a y l e i g h , Phil. Mag, [ 5 ] 44. 8. 28. 1897.

272 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 33. 1938

als quasistatisch nnsieht, also so rechnet, als ob im Medium der Dielektrizitatskonstante moz, in welchem ein gleichforniiges elek- trisches Feld go herrscht, ein Rotationsellipsoid der Dielektrizitats- konstante m2 gebracht wird. G a n s fiihrt in seine Rechnung eine GroBe P ein , die fur verlangerte Rotationsellipsoide (Ovoide) den R e r t

fur abgeplattete den Wert

hat, worin linter e die numerische Exzentrizitst der Meridianellipse mit den Halbachsen A und B verstanden ist, also

Zwischen P und P' existiert demnach die Beziehung

P + 2 P f = 4 z .

So erhiilt G a n s fur die auf die Volumenkonzentration 1 (1 n1m3 Metal1 in 1 Liter Losungsmittel) bezogene und fur eine Schicht- dicke von 1 mm berechnete Absorption den Ausdruck

I i = - . I m 6n - - a I -7a' = - U p + 3 U p . , 1 2 " 3 Y ( 3 ' 3 1 worin

6n 6n I. h' up = I - I m ( - a,) und

Dabei gelten fur a, und a,' die Bormeln

m r 2 - 1

Up, = - . I n ? ( - a,')

gesetzt ist.

_ _ m'4- 1 - 3 7 . 3 -F (m'2- l)q, P

a1 = und a,'=

Man sieht leicht, daB fur Kugeln P = P' =

3 3 + (m'2- 1) 4n P 4 wird, also 3

w 2 ' 2 - 1 a =a'=------ 1 1 m f Y + I :

also die GroBe K den Wert der Mieschen Theorie annimmt.

n) Berechnung fiiT verlungerte Rotntionsellipsoide

Es sollen zunachst die Werte fur die Absorption K fur einige verlangerte Rotationsellipsoide berechnet werden, und zwar fur solche mit den Werten

F. Ilriiger. Farbe und Natur der Losungen des Natriunis usw. 275

T a b e l l e 5

3 I 3 1 an"' -P ' B Nr. ' -

, A 1 4 %

Es berechnen sich dafiir folgende Werte der Absorption in Ab- bangigkeit von der Wellenlange:

T a b e l l e 6

1 I<. los fur verlangerte Botationsellipsoide

1 3 ' ~ P = 0,6 I 4%

503 23,l 552 1 162,5 589 15,2 627 I 11,4 667 16,9

Die Absorptionskurven fur diese Werte sind in Abb. 2 wiedergegeben.

Auch diese Kurven zeigen also noch ein aus- gesprochenes, im Gelb ge- legenes Maximum, entspre- clien also den Mebergeb- nissen durchaus nicht, wenn auch das Maximum mit zu- nehmender Exzentrizitat der Meridianellipse des Ellip- soides abnimmt.

@) Bereehnung fiir nbgeplattete Rotationsellipsoide

Es werden der Berech- nung abgeplattete Rotations-

Unterschrift zat Abb. 2: Abvorptionskonstante von ammo- niakalischen Losungen von Na- trium rnit Teilchen in Form ver- liingerter Rotationsellipsoide in Abhlingigkeitvon der Wellenlange

~

3 - P = 0,2 3 -- P = 0,4 4 n

1 12,8 138.3 56.9

I 20,4

13;4 I 14;2 3.76 7,8 4,53 1 3,O

Abb. 2

274 Annalen der Physak. 5. Folge. Band 33. 1938

ellipsoide mit folgenden Werten der Achsenverhiiltnissc A / B und 3 3 den folgenden Werten fur P bzw. 4n P' zugrunde gelegt:

Nr. 1 - I 4n

I -~ __-______-- ~ - __ ~~ ~ ~ ~ -

4 0,2Y 0,5 1 2,O 5 1 0,22 I 0!4 272 G 0,10 0;2 I 2,6

Fur diese Exzentrizitaten der Meridianellipse berechnen sich folgende Werte der Absorption in Abhangigkeit von der Wellenliinge.

T a b e l l e 7 ~- - -~ ~~ -~ -- -~

~ -__ K . lo3 fur abgeplattete Rotationsellipsoide

0

I ~ -~ -~ - -- - -

503 I 16,l I 6,06 I 2,69

I 1770

667 1 1,23 1 5,02 ~

552 I 2,69 5,22 1,69

1,63 I 2,17

589 I 0,79 ~ ;;; 627 0,81

Die Werte sind in der Tab. 7 graphisch dargestellt. In Abb. 3 ist neben den drei berechneten Kurven 4-6 fur die

abgeplatteten Rotationsellipsoide auch die gemessene Kurve gem. dar- gestellt. Man sieht, daB unter diesen berechneten Kurven Tor allem

die Kurve 5, welche einer Exzentrizitat von 0.4 ent- spricht, einen Verlauf zeigt, der den1 der gemessenen Kurve einigermaEen nahe kommt. ITenn man die Un- genauigkeit der Messungen (vgl, oben) bedenkt und an- dererseits die Vernachlassi- gnngen, welche die Theorie machen muljte, in Betracht zieht, so ist nicht nur die

"" richtige GroBenordnung der 500 6UU Abb. 3. Absorptionskonstante ammonia- AhRolutwerte. sondern such __._

kalischer Liisungen von Natrium mit die einigeriafien Bhllliche Teilchen in Form abgeplatteter Rotations- ellipsoide in Abhangigkeit yon der Wel- lenlgnge (berechnet); gem. = gemessene der Absorption bemerkens-

TTellenlangenabhangigkeit

Kurve wert. Es ist ja auch zu

F. Kriiger. Farbe and, Nalur der Lijsungen des Natriums usw. 275

bedenken , da6 in Wirklichkeit wohl keinesn-egs alle kolloidalen Teilchen die gleiche GroBe und auch nicht die gleiche Gestalt besitzen werden. Auf jeden Fall aber kann man sagen, daB die Auffassung zulassig erscheint, dab die blaue Farbe der Losungen von Natrium in fliissigem Ammoniak durch die kolloidale Struktur dieser Losungen bedingt sei. Wollte man dagegen diese Losungen als gewohnliche, molekular-disperse auffassen oder gar mit C. A. K r a u s und seiner Schule als eine solche freier Elektronen, so erscheint die blaue Farbe dieser Losungen als durchaus unerklart, ja als auBerordentlich auffallig.

2. Ultramikroskopische Untersuchung der Losungen von Natrium in Ammoniak

Schon Wo. Ostwald ' ) plante eine ultramikroskopische Unter- suchung solcher ,,Ammoniosole", fuhrte sie jedoch wegen apparativer Schwierigkeiten nicht aus. DnB diese in der Tat sehr gro6 sind, zeigten dann eigene Versuche.

Zur Herstellung des flussigen Ammoniaks wurde zunachst das fliissige Ammoniak aus den iiblichen Stahlflaschen des Handels be- nutzt. Um dieses Animonialr von den ihm beigemengten geringen Verunreinigungen (Spuren von Wasser , Pyridin, Acetonitril , Athyl- alkohol, Maschineno1 und Xisenoxyd , gelegentlich auch Ammonium- carbonat, Benzol und Naphthalin) zu befreien, wurde das Ammoniak durch verschiedene Reinigungskammern geschickt und dann erst wieder verfliissigt. Hierbei liam es vor allem darauf an, jede Spur von beigemengtem Wasser zu beseitigen, da sich das Natrium im Animoniak unter Amidbildung zersetzt nach der Gleichung

2Na + 2NH, = 2NaNH, + H, , wie Ruf f und Qeise12) gezeigt haben, und weiter das Amid mit Wasser zu Natriumhydrooxyd und Ammoniak nach der Gleichung

NaNH, + H,O = NaOH + NH, . Es wurden deshalb zur Trocknung 2 GefaBe mit Natronkalk, sowie 2 Trockenrohren mit Natriumamid gefullt, was mohl das beste Trockenmittel fur Ammoniak darstellt. Wurden in das so getrocknete und verfliissigte Ammonia$ etwa 3 mg Na auf 12 cm3 flussiges Arnmoniak aufgelost , so ergaben sich undurchsichtige tief blaue Losungen, die sich 15-20 Stunden unzersetzt hielten, in hoheren Konzentrationen langer , in geringeren weniger lang. Nach der Zer- setzung waren E'locken von dem im Ammoniak unloslichen Natrium- hydroxyd ausgefallen.

1) Wo. Ostwald , Kolloidchem. Beihefte 2. S. 409. 1911. 2) 0. R u f f u. E. Geise l , Ber. d. D. Chem. Ges. 39. S. 828. 1906.

276 Annalen der Physik. 5. Polge. Band 33. 1938

Diese Losungen wurden nun unter einein Iiardioidultramikroskop nach S ieden topf , das etwa 201nal lichtstarlrer ist als das ursprung- liche Spaltultramikroskop von Zs igmondy und S ieden topf , unter-

sucht. Zur Aufnahnie der Fliissigkeit 6 diente eine besondere Quarzkammer,

n wie sie in Abb. 4 im Durchschnitt I I

dargestellt ist. n ist der ObjekttrSiger mit der

ringfbrmigen Nute n, b das Deckglas.

dick. Urn die erforderliche Tempe-

a W>/ ,,,, *,,,& Abb. 4. Objekttrxger

fcr das Kardioidultramikroskop Die Fliissigkeitsschicht ist 1-2 mm

ratur von - 35O in der Losungs- schicht aufrecht zu erhalten, cliente eine Vorrichtung, mie sie Abb. 5 zeigt.

P ist eine Messingplatte , die auf dem Objekttisch aufliegt, sie hat dieselbe Dicke wie die Quarzkammer. In der Mitte der Platte befindet sich eine Ausbohrung, in welche die Quarzkammer genau

Abb. 5. Abkuhlungsvorrichtung fur das Ultramikroskop

hineinpakit. Auf der Plntte P ruhen gegeneinander verschiebbar die 2 Halften eines hohlen Holzzylinders H , die mit dem Deckel D ver- schlossen sind, und mit dem Ring R zusammengehalten werden. I n diese Zylinderhalften wird eine Kaltelosung, bestehend aus einem Brei Ton fester Kohlensaure und Aceton mit einer Temperatur von etwa - SOo C , eingefiillt. Die Kammer selbst hatte dnnn eine Temperatur von - 50 O C. hls Immersionsfliissigkeit diente absoluter Alkohol. Das ganze Mikroskop war mit Watte umgebeu. Die Warme-

F. Kriiger. Farbe und Natur der Losungen des Natriurns usw. 277

strahlung der Bogenlampe wurde durch eine Kuhlkuvette, gefiillt mit einer etwa 20°/,igen Losung von Mohrschem Salz mit ein paar Tropfen Schwefelsaure, abgehalten.

Dann wurde mit einer sorgfaltig gereinigten , getrockneten und vorgekiihlten Pipette die Losung in die Quarzkammer gebracht. Die kleine Menge der Losung zersetzte sich jedoch unter Ausflockung in wenigen Sekunden, bei geringerer Konzentration noch schneller. Wurde erst fliissiges Amrnoniak und dann Natrium eingefuhrt, so geschah dasselbe. Wahr-

scheinlich bewirkten Spuren von Feuchtig- keit, vielleicht eine unl vermeidliche Wasser- haut auf den GefaB- wanden, die Zersetzung der kleinen Losungs- mengen.

Mehr Aussicht bot daher eine Apparatur, welche die Anwendung grol3erer Losungsmen- gen gestattet. Dafur erschien als geeignet ein Spaltultramikroskop unter Benutzung einer Kuvette mit groBem

Fassungsvermogen. Nach mehrfachem Aus- probieren wurde ein GlasgefaB verwandt, wie

J.

Abb. 6. LLngs- und Querschnitt durch das GefiiB zur Aufnahme und Kuhlung der ammoniakalischen

Natriuml6sung fur das Spaltultramikroskop

es in Abb. 6 im Langsschnitt 1 und Querschnitt 11 dargestellt iut. Die Glasrohre hat einen Innendurchmesser von 4-5 mm, sie

tragt in der Mitte auf zwei senkrecht zueinander stehenden Durch- bohrungen ebene , aufgekittete Deckglaschen, das eine zum Eintritt des Lichtstrahles, das andere fur die Reobachtung; sie waren mit einer Mischung von 2 Teilen Kolophonium, 2 Teilen Gummi und 1 Teil Vaseline aufgekittet, da Kanadabalsam bei der tiefen Tempe- ratur spriide wurde. Die genaue Einstellung des GefaBes wurde durch die beiden Schrauben e und e’ ermoglicht. Die Kuhlfliissigkeit, bestehend aus einem Gemisch von fester Kohlensaure mit Brenn-

278 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 33. 1938

spiritus, befand sich in der Glasschale 9. Um das Beobachtungs- objektiv und das Beleuchtungsobjektiv gegen die Kiihlfliissigkeit ab- zugrenzen. war der mittlere Teil der Innenkuvette niit einer Glas- kugel umgebeo, die zwei zueinander senlirechte Ansatze a und a' zur Aufnahme der beiden Objektive besaM. Die Glasschale mit der Kiihlfliissigkeit besab eine seitliche Offnung zur Einfiihrung des Beleuchtungsobjektivs. Die Glasschale und der untere Teil des Mikroskops waren mit Watte umhiillt. r und r' sind Ableitungs- rohre fiir das verdunstende Ammoniak, das in einer Kaschflasche mit verdunnter Schwefelsaure aufgefangen wurde. Die Temperatur der Innenkuvette betrug 60-70 ". Ein Beschlagen der Linse lie6 sich durch langsames Einf iillen der 1< iiltemischung vermeiden.

Wurde nun eine 0,013 normale, tief blaue Natriumlosung in Ammoniak in die sorgfaltig gereinigte Kiivette gefiillt, so hielt sie sich zwar liingere Zeit, war jedoch trotz der groMen Lichtintensitat viillig lichtundurchlassig. Losungen geringerer Konzentration (0,005 bis 0,009 normal) aber zersetzten sich sofort unter Ausflockung nach Fiillen der Kiivette.

Urn zu priifen, ob etwa das Ammoniak aus der Bombe zer- setzende Katalysatoren enthielt, wurde reinstes Ammoniak aus Kalk und Salmiak durch Erhitzen in einern Glaskolben in bekannter Reise

hergestellt, intensiv getrocknet und in sorgf altig gereinigten und vorher evakuier- ten GefaBen untersucht; es zeigte jedoch dasselbe Verhalten wie das drnmoniak aus der Bombe. Urn schlieBlich festzustellen, ob beim UiiigieBen aus der Luft Feuchtig- keit angezogen Qiirde, welche dann die Zersetzung der Losung bewirkte, wurden zwei durch ein Verbindnngsrohr mit Hahn verbundene GlasgefaBe benutzt, wie sie in Abb. 7 dargestellt sind. Nach Auspunipen der Gefafie wurden in den1 GefaB I 10 bis 12 cm3 Amiiioniak verflussigt und das GefiiB zur Einfiihrung des Natriums nur kurz geluftet. D a m wurde der Hahn geoffnet und die Losung aus GefaB I in

GefaB II gegossen. Obwohl hier aber der Luftzutritt weitgehend vermieden war, zeigte sich dieselbe schnelle Zersetzung der Losung wie bei den Versuchen ohne LuftabschluB. Wahrscheinlich sind auch die Spuren von Feuchtigkeit einer Wasserhaut in den GefaBen die Ursache der Zersetzung. Dafur spricht, da6, wahrend die Zer-

L'

Abb. 7

F. Iiruger. Farbe and Nutur der Losungen des Natriums usw. 279

setzung der Losung in dem VerfliissjgungsgefaB je nach der Konzen- tration in 3-5 Minuten geschieht, dies nach dem UmgieBen in Ge- fa8 I I in hochstens 2 Minuten geschah. Eine hoher konzentrierte, tiefblaue Losungsmenge von 12 cm3 zersetzte sich nach Zusatz eines Tropfens Wassers innerhalb einer Minute, wahrend sich die Zer- setzung einer solchen Losung sonst erst in 8-10 Stunden vollzog.

Hiernach konnte man nur noch hoffen, zu einer ultramikrosko- pischen Beobachtung kolloidaler Natriumteilchen zu gelangen, wenn man das Natrium im Gesiehtsfelde der Versuchskammer selbst sich auflosen lie& Dabei liisen sich von dem Natriumstiick blaue Schlieren ab, die sich in den1 fliissigen Ammoniak verteilen und es allmahlich in seinem ganzen Volumen blau farben. Vorversuche unter Benutzung der oben beschriebenen GefaWe I und I I zeigten, da8 der ganze Farbungsvorgang, wenn 12 cm3 fliissiges Ammoniak auf 1,5-2,5 mg Natrium gegossen wurden, bis zur Zersetzung etwa 3 Minuten dauerte.

Nach peinlichster Reinigung und nach Vorkiihlung der Beob- achtungskiivette geschah clas Einfiihren von 1-2 mg silberglanzenden Natriums mittels einer Pinzette in den Raum in der Nahe des Ge- sichtsfeldes innerhalb einiger Sekunden. Sofort nach dem EingieWen der Liisung zeigt sich wahrend der Dauer von 1-2 Minuten ein ultramikroskopisches Bild, das dem bekannten einer kolloidalen Gold- losung meitgehend ahnlich war. Man sah auf dem dunklen Unter- grunde zerstreut kleine, bunte, helleuchtende Sternchen in lebhafter Bewegung. Abweichend von dem Bilde der rotvioletten Goldlosung war nur die Farbe der Beugungsscheibchen in der Natrium-Ammo- niakliisung. Wahrend diese in der genannten Gold l ihng neben gelben und rotlichen meistens griine E'arben aufweisen, zeigt hier die Mehr- zahl der Beugungsscheibchen eineii Orangefarbton; daneben kommen in abnehmender Zahl goldgelbe, gelbe und gelbgriine, vereinzelt auch violette Beugungsscheibchen vor. Das geschilderte Bild, wie es etwa in Abb. 8 in Bild I wierlergegeben ist, begann sich bereits nach 1-2 Minuten merklich zu versndern: Die bunten Teilchen ver- schwanden und machten wesentlich griiBeren hell wei8gelben Teilchen Platz, wie das etwa Bild I I , Abb. 8 zeigt. Bald verschuanden dann die bunten Teilchen ganz, die weiBgelben nahmen dafiir an Zahl und allmahlich auch an Gro8e zu (Bild I I I , Abb. 8). Blsdann wurden auch diese groBen Teilchen unsichtbar, indem sie zu Boden sanken und so aus der ,,Sehtiefe" heraus gerieten. Zuletzt huschten nur noch wenige , gelbweil3 leuchtende Teilchen durch das Gesichtsfeld. Die gelbrote Farbe der iiberwiegenden Zahl der Beugungsscheibchen in der ammoniakalischen Natriumlosung ist angenahert komplementar zix der blauen Farbe der Losung. Entsprechend fand auch S i e d e n -

280 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 32. 1938

topfl) , daB in dem mit Natrium blau und tiefviolett gefarbten Stein- salz die Reugungsscheibchen im Ultraniikroskop vornehmlich die zu der Farbe des Salzes komplementaren Farben Rostbraun-orange uud Griin zeigten; aus verscliiedenen Griinden schloB S i e d e n t o p f , da,W diese Beugungsscheibchen von kolloidalem Natrium herriihrten. Be- kanntlich zeigen auch die Beugungsscheibchen der kolloidalen Gold- losungen des blauen Saphiringlases in1 Ultrainikroslcop die komple- mentare gelb-orange-braune Farbe. Dieser Zusamnienhang zwischen

I 11 111 Abb. 8 (nach einer farbigen Zeichnungi.

Frische arnmoniakalische NatriumlSsungen unter dem Ultramikroskop

der Durchsichtsfarbe der liolloidalen Metalliisungen und der Komple- mentarfarbe der ultramikroskopischen Beugungsscheibchen der Teil- chen ist auch sonst mehrfach ltonstatiert2); er folgt ferner aus der Theorie von M i e .

Es scheint daher berechtigt, anzunehmen, da6 die bunten iiber- wiegend orange gefarbten Beugungsscheibchen der blauen Liisung von Natriuni in Amnioniak des Stadiunis 1 von kolloidal gelostem Natriuni herriihren, und dal3 die merklich grofieren weil3gelben Beugungsscheibchen, in die jene bald iibergehen, aus d u d 1 die Zer- setzung entstandenen flockigen Teilchen TO^ Natriumhydroxyd be- stehen, die dann durch ihre Schwere zu Boden sinlien. Kach dern in Teil 1 Gesagten niiiBteii die Teilchen der kolloidalen Natrium- losung iiberwiegend die Gestalt abgeplatteter Ellipsoide haben.

DaB E. Z i n t l , J. G o u b e a u und W. D u l l e n k o p f 3 ) keine kolloidalen Teilchen in ainmoniakalischen Natriumlosungen mit den1 Ultrarnikroskop beobachteten, ist nach Clem Obigen wohl verstandlich,

1) H. S i e d e n t o p f , Rer. d. Dt. Phys. Ges. 3. S. 268. 1905. 2) Vgl. R. Z s i g m o n d y , Zur Erkenntnis der Kolloide, Leipzig 1927:

3) E. Z i n t l , J. G o u b e a u u. W . D u l l e n k o p f , Ztschr. f. phys. Chem. (A) Wo. Osfwald , Kolloidchem. Beihefte 2. S. 409, 1911.

164. S. 1. 1931.

F. Iivuger. Farbe und Natur der hungen des Natriums usw. 281

da gezeigt ist, wie schnell sicli diese Liisuogen zersetzen, und wie schwer es daher ist, die Teilchen noch vor ihrer Zersetzung zu heobachten.

Fiir die Ausfiibung der hier beschriehenen Versuche bin ich Herrn F r a n z Hoffs zu Dank verpflichtet.

3. Abflltrierung des blau gefiirbten Anteils der Liisungen von Natrium in flueeigem Ammoniak

(zusammen mit Ferdinand Kirchner)

Wiire die vor allem von C. A. K r a u s und seiner Schule ver- tretene Aiisiclit richtig, da6 die ammoniakalischen Natriumlosungen gewohnliche, molekulardisperse Losungen von Ionen oder zum Teil sogar von freien Elektronen vorstellten, so ware ein Abfiltrieren des gelosten Natriums naturlich unmoglich. Dagegen sollten sich kolloidale Natriumlosungen abfiltrieren lassen. Um diese Frage zu en tscheiden, wurden E'iltrierversuche an den blauen Natriumlosungeu in flussigem Ammoniak mit ,,Ultra-Cella-Filtern" der Membran-Filter- Gesellschaft (Gottingen) angestellt, und zwar wurde speziell die Marke ,,mittel" (also bei weitem nicht das feinste Filter) benutzt. Da die Filter in wassergetrilnktem Zustande geliefert werden, muSten sie vor Gebrauch erst entwassert werden. Dies geschah mittels Ihchtreihen von Alkohol und &her unter trocknem Stickstoff mit einem uberdruck von einer halben Atmosphare. Dabei schrumpften die Filter um einige Prozent. Die Hersteller geben an, daf3 diese Marke Benzopurpurin zuriickhalten 8011. Durch die Schrumpfung diirften die Poren wohl noch etwas enger werden. Man'darf daher bei den] genannten Filter Poren von einer GroSenordnung von mm annehmen.

Die Filter werden oft von der Losung zerstort und bekommen leicht Risse und Locher, wobei dann natiirlich ein Teil der Losung unfiltriert ablauft. Offenbar sind die einzelnen Filter nicht ganz gleich im Material, Bleibt aber das Filter unverletzt, so lauft eine wasserhelle Fllissigkeit ab, und auf dem Filter bleibt ein dunkel- blauer fast schwarzer Niederschlag zuriick, der an der Luft sehr bald weiS wird und abblilttert. Es sol1 noch versucht werden, die hlauschwarze auf dem Filter zuriickbleibende Masse rijntgeno- graphisch zu identitizieren.

Hiermit diirfte der Beweis gefubrt sein, dab dss Natrium der blauen ammouiakalischen Losungen nicht in Form von Ionen oder Molekklen gelost ist, von denen zum Teil noch freie Elektronen ahdissoziicrt sein sollen, sondern in Form Ton kolloidden Teilchen,

Annalen der Phyelk. 6. robe. 83. 19

282 Annalen der Physik. 5. Polge. Band 33. 1938

die mindestens die GroBe der Filterporen haben miissen, also eincn Durchmesser von der GroBenordnung von bis mm.

Der elektrische Widerstand, der bei den unfiltrierten Natriiim- liisungen bekanntlich auffallend klein ist , war bei dem farblosen Filtrat auf einen mehrhundertfachen Wert gestiegen. Danach ver- danlrt also die unfiltrierte Losung ihr gutes Leitvermogen dem auf dem Filter zuriickgehaltenen Bestandteil, d. h. den kolloidaleri Nntriiimteilchen.

4. Versuche zur Erhijhung der Haltbarkeit der ammoniakalischen Natriumlijsungen mittels Schutzkolloiden

(F. Kirchner)

Die Filtrationsversuche wurden mit Liisungen von verhaltnis- rnkfiig geringer Konzentration angestelit. Da erfahrungsgemii.6 solclie Losungen eine sehr geringe Haltbarkeit besitzen, wurden Versuche angestellt, die Lasungen durch Zusatz von Schutzkolloiden haltbarer zu machen. So wurden vier gleiche Losungen hergestellt, von denen cine (0) ohne Zusatz blieb, eine andere (1) mit Kolophonium, eine weitere (2) mit Rizinusol und schlieBlich eine letzte (3) mit Gelatine versetzt wurde (die Gelatine war im Exsikkator getrocknet). Das Resuitat war folgendes: Die Losung (0) war innerhalb 17 Std., die Losungen (1) und (2) waren in 41 Std. und Losung (3) erst nach mehr als 42 Std. zersetzt. Die Ergebnisse sind jedoch bei allen Versuchsreihen nicht die gleichen ; die Versuche sind daher nocli durchaus nicht als abgesclilossen anzusehen und sollen fortgesetzt werden. Immerhin scheinen sie zu zeigen, dab durch den Zusatz gewisser Schutzkolloide eine Verlangeruug der Lebensdauer dieser Liisungen erzielt werden kann. Aus dieser Wirkung kann man nntiirlich ebenfalls auf den lrolloidalen Charakter der ammoniakali- schen Natriuinlijsungen schlieBen.

5. aber das magnetische Verhalten der ammoniakalischen Natriumlijsungen

Ton E. H u s t e r und E. Vogtl) sind eingehende magnetische Messungen an solchen Natriumlosungen ausgefuhrt worden, ehenso friiher schon von S. F r e e d und H. G. Thode2). Zur Deutung ihrer Versuche ziehen H n s t e r und Vogt die Buffassung von C. A. K r a u s heran, nach der wenigstens in den konzentrierteren Losungen freie Elektronen vorhanden sein sollen, die eine metallische Leitfiihihigkeit

1) E. I Ins te r 11. E. V o g t , Phys. Ztschr. 38. S. 1004. 1937. 2) S. F r e e d 11. H. G. T h o d c , Nature 134. 8. 774. 1934.

P. Iiriiger. Farbe und Natur der Losungen des Natriums usw. 263

hedingen, und nach der hier ein kontinuierlicher Ubergang vom metallischen zum nichtmetallischen Zustande mit zunehmender Ver- diinnung der Losungen vorliegen soll. Abgesehen davon, daB das Vorhandensein von freien Elektronen in molekulardispersen Losungen in flussigem Ammoniak wohl mit allen Vorstellungen iiber die AffiniYat zwischen Elektronen und Ammoniakmolekiilen im Wider- spruch steht, und ferner riclltige Losungen von Metallen in Nicht- mctallen sonst iiberhaupt nicht bekannt sind, stoBt die Durchfiihrung ihrer Erklarung des magnetischen Verhaltens solcher Losungen auf Grund der Krausschen Vorstellungen bei B u s t e r und Vogt auf Schwierigkeiten und ist nicht ohne besondere, kaum plausible Zusatzannahmen mijglich. Sind nach dem Obigen die ammoniakali- when Natriumlosungen aber kolloidaler Natur, so werden die meisten von den genannten Autoren aus dem magnetischen Verhalten d i e m Losungen gezogenen Schlusse hinfallig. Es erscheint daher wiinschens- wert, sowohl die Messungen unter diesen Gesichtspunkten zu wieder- holen, als auch besonders ihre theoretische Ausdeutung einer er- neuten sorgfiltigen Kritik zu unterziehen.

Zuaammenfassung

Es wurde versucht, unter der Annahme, daB die Losungen von Natrium in Ammoniak kolloidaler Natur sind, ihr Ahsorptions- spektrum auf Grund der Theorie von G. Mie, bzw. ihre Erganzung durch R.Gans zu berechnen. Unter Benutzung der Messungen der optischen Konstanten des metallischen Natriums von B. Meese ergab sich eine leidliche obereinstimmung der berechneten Absorptions- konstanten mit den Absorptionsmessungen an solchen Lijsungen durch F. Gibson und W. L.Argo unter der Annahme, daB die Natriumteilchen die Gestalt von abgeplatteten Rotationellipsoiden besitzen. Unter Beriicksichtigung der Ungenauigkeit der Bestimmung der optischen Konstanten des Natriums und der Tatsache, daB die kolloidalen Teilchen gewiB weder eine vollig gleichmaBige GriiBe noch Gestalt besitzen werden, ferner unter Beachtung der Tatsache, dab in der Theorie mehrfach vereinfachende Annahmen gemacht werden mussen, kann man in der genaherten fjbereinstimmung zwischen Berechnung und Messung der Absorption dieser Liisungen wohl ein Argument fur den kolloidalen Zustand des Natriums in fliissigem Ammoniak erblicken.

Fur diese Auffassung sprechen weiterhin ultrarnikroskopische Untersuchungen an solchen Lijsungen, die allerdings wegen der auBerortlentlich leichten Zersetzhnrkeit dicser Liisungen rccht

19*

284 Annakn dcr Physik. 5. Folqe. Band 33. 1938

schwierig sind, die nber unter geeigneten Bedingungen doch ge- lingen und kolloidale Teilchen i n frischen Losungen erkennen lassen. Diese Teilchen dilrften aber mit kolloidalen Natriumteilchen iden- tisch sein.

Es wurden ferner mit Erfolg Versuche ausgeftihrt, mittels so- genannter ,,Ultra-Cella-Filter" den blauen Bestandteil der Losungen abzufiltrieren, was nattirlich nur moglich ist, wenn es sich urn kolloidale und nicht um molekulardisperse Losungen handelt. In dem Filtrrtt war die ungewohnlich gro6e elektrische Leitfahigkeit verschwunden , ihr Widerstand auf das Mehrhundertfwhe gestiegen.

Es scheint auch moglich zu sein, die Lebensdauer solcher Losungen durch geeignete Schutzkolloide zu erhohen.

Alles dies spricht dafur, daS diese Natriumlosungen kolloidaler Natur 'eind. Dann aber mussen auch die bisher gegebenen Deutungen f iir ihr magnetisches Verhalten einer Revision unterzogen werden.

Qre i fswald , Physikalisches Jnstitut der Universitat.

(Eingegangen 23. August 1938)

Anmerkung der Redaktion: Die oben erwlhnte Auffaesung von E. Hueter und E. V o g t uber die Natur der'losungen von Natrium in Ammoniak wird in einer bereite am 3. August eingereichten Abhsndlung von E. Hueter , die aber aus redaktionellen Grunden erst irach der vorstehenden Abbandlung erscheinen kann, ausfiihrlich begrundet.

Vernntwort l l ch : filr dlo Rcdaktlon: Prof. Dr. E. QrGnelscn, Mnrhiiriz/L.; fiir AneelRnn Brrnhnrtl v. Aniinon, Lelpzlg. - Anzcigrnnnnnhmc: Lcipzlg 0 1. Rnlornnnstr. I A H , Tal. 708 G I . - Verhg: Jnhaon Anilirrmiiw Barth. - Ihick: Mcteger& Wittk. Inlpzlg C 1. - DA. 1000. - 11. Vj. 1938. -

Zur Zelt gllt Prelslbta 4. - Printed In Germany.