Über quantenmechanische zeitoperatoren

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Uber quantenmechanische Zeitoperatoren Von Harry Paul Inhaltsiibersieht Am speziellen Beispiel des (eindimensional behandelten) kraftefreien Teil- chens und des eindimensionalen harmonischen Oszillators wird deutlich gemacht, daB die Einfiihrung von Zeitoperatoren T, die der Vertauschungs- relation [H, T] = - i R 1 genugen, - wegen der ,,Abnormitat" ihres Defini- tionsbereiches - physikalisch wenig sinnvoll ist. Die T-Operatoren werden '(fur die genannten beiden Falle) explizit angegeben. Fur den T-Operator des freien Teilchens werden auBerdem noch Zustande (genahert) scharfer Zeit ( ,,Uhrenzustiinde") konstruiert . Einleitung Von Engelmann und Fickl) wurde kurzlich die Rolle diskutiert, die der Zeit im Begriffssystem der Quantenmechanik zukommt. Ober die konventio- nelle Zeitauffassung hinausgehend, die in der Zeit nur einen Parameter (also eine c-Zahl) sieht, ordneten die genannten Autoren der Zeit aul3erdem einen Hermiteschen Operator T zu, der mit dem Hamilton-Operator H des Systems nicht kommutiert, sondern die Vertauschungsrelation [H, TI = - i 1 (1) befriedigt. (Wir wahlen aus Bequemlichkeitsgrundcn ein MaBsystem, in dem A = 1 ist.) T ist dabei als eine Funktion der Orts- und Impulsoperatoren des Systems vorzustellen, die sich durch quantenmechanische ubersetzung des klassischen Ausdrucks fur die Zeit, dargestellt als Funktion der Orts- und Impulskoordi- naten, erhalten laat. Der Zeitoperator T reprasentiert daher adie Zeit eines quantenmechanischen Systems, die durch das dynamische Verhalten des Systems selbst gegeben isto (s. Ref. l)), also gewissermaaen eine ,,innere Zeit", wahrend unter dem ublichen Zeitparameter t eine ,,&uDere Zeit" (abgelesen a n einer makroskopischen Uhr, die mit dem beobachteten System nichts zu tun hat) zu verstehen ist. Die ,,innere Zeit" ist eine streuende Observable, da ihr Wert durch eine Messung an einem mikroskopischen System festgestellt wird. [Fur einen Zustand scharfer Energie beispielsweise ist die Streuung der Observablen T unendlich groB, wie schon auf Grund der Vertauschungs- relation (1) klar ist.] Von Engelmann und Fick wurde gezeigt, daB (fur abgeschlossene Systeme) der Erwartungswert von T mit dem Zeitparameter t ubereinst,immt , und der Umstand hervorgehoben, da13 die Unschiirfebeziehung 1) F. Engelmann u. E. Fick, Piiioro Cim. Suppl. l?, 63 (1959).

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Uber quantenmechanische Zeitoperatoren Von H a r r y Paul

Inhaltsiibersieht Am speziellen Beispiel des (eindimensional behandelten) kraftefreien Teil-

chens und des eindimensionalen harmonischen Oszillators wird deutlich gemacht, daB die Einfiihrung von Zeitoperatoren T, die der Vertauschungs- relation [ H , T ] = - i R 1 genugen, - wegen der ,,Abnormitat" ihres Defini- tionsbereiches - physikalisch wenig sinnvoll ist. Die T-Operatoren werden '(fur die genannten beiden Falle) explizit angegeben. Fur den T-Operator des freien Teilchens werden auBerdem noch Zustande (genahert) scharfer Zeit ( ,,Uhrenzustiinde") konstruiert .

Einleitung Von Enge lmann und Fickl) wurde kurzlich die Rolle diskutiert, die der

Zeit im Begriffssystem der Quantenmechanik zukommt. Ober die konventio- nelle Zeitauffassung hinausgehend, die in der Zeit nur einen Parameter (also eine c-Zahl) sieht, ordneten die genannten Autoren der Zeit aul3erdem einen Hermiteschen Operator T zu, der mit dem Hamilton-Operator H des Systems nicht kommutiert, sondern die Vertauschungsrelation

[ H , TI = - i 1 (1) befriedigt. (Wir wahlen aus Bequemlichkeitsgrundcn ein MaBsystem, in dem A = 1 ist.)

T ist dabei als eine Funktion der Orts- und Impulsoperatoren des Systems vorzustellen, die sich durch quantenmechanische ubersetzung des klassischen Ausdrucks fur die Zeit, dargestellt als Funktion der Orts- und Impulskoordi- naten, erhalten laat. Der Zeitoperator T reprasentiert daher adie Zeit eines quantenmechanischen Systems, die durch das dynamische Verhalten des Systems selbst gegeben isto (s . Ref. l)), also gewissermaaen eine ,,innere Zeit", wahrend unter dem ublichen Zeitparameter t eine ,,&uDere Zeit" (abgelesen an einer makroskopischen Uhr, die mit dem beobachteten System nichts zu tun hat) zu verstehen ist. Die ,,innere Zeit" ist eine streuende Observable, da ihr Wert durch eine Messung an einem mikroskopischen System festgestellt wird. [Fur einen Zustand scharfer Energie beispielsweise ist die Streuung der Observablen T unendlich groB, wie schon auf Grund der Vertauschungs- relation (1) klar ist.] Von Enge lmann und F ick wurde gezeigt, daB (fur abgeschlossene Systeme) der Erwartungswert von T mit dem Zeitparameter t ubereinst,immt , und der Umstand hervorgehoben, da13 die Unschiirfebeziehung

1) F. Engelmann u. E. Fick, Piiioro Cim. Suppl. l?, 63 (1959).

H . Paul: uber quantenmeehaiaische Zeitoperatoren 253

zwischen Energie und Zeit aus G1. (1) streng hergeleitet werden kann. Die Zeitoperatoren scheinen somit physikalisch vernunftige Eigenschaften zu besitzen.

Nun wurden aber schon fruhzeitig Zweifel an der Existenz solcher Opera- toren geauBert (9. Ref.2)). Wir gehen im folgenden zunachst auf diesen Punkt ein und stellen klar, daI3 in Strenge nur bewiesen werden kann, daI3 ein ( H e r - mite scher) Operator T, der die Vertauschungsrelation (1) befriedigt, hin- sichtlich seines Definitionsbereiches nicht allen physikalischen Forderungen geniigen kann, schon deswegen, weil der H a mi l t on - Operator kein von - 00

bis + 00 reichendes kontinuierliches Spektrum besitzt. DaB es aber derartige T-Operatoren (wenigstens in speziellen Fallen) tatsachlich gibt, wird an zwei sehr einfachen Beispielen, namlich dem (eindimensional behandelten) krafte- freien Teilchen und dem (eindimensionalen) harmonischen Oszillator, durch explizite Angabe von Zeitoperatoren demonstriert werden. Fur das freie Teil- chen werden wir auBerdem noch ,,Uhrenzustande" konstruieren, d. h. solche Zustiinde yz , die genahert die Eigenwertgleichung T yr = t 91. erfullen.

Allerdings zeigt eine genauere Diskussion des Definitionsbereiches speziell des Zeitoperators Tf fur das freie Teilchen, da13 die Einfuhrung von T-Opera- toren trotzdem sehr unbefriedigend ist, weil schon ganz einfachen und physi- kalisch geradezw "typischen Zustiinden (beispielsweise einem ganz normalen Wellenpaket) kein endlicher Erwartungswert des Operators Tf mehr ent- spricht, und man daruber hinaus durch eine infinitesimale Abanderung gewisser Wellenfunktionen, die sich auf die Erwartungswerte der , ,physi- kalischen Operatoren" wie P , Q, Pa und Q2 nur infinitesimal auswirkt, den Erwartungswert beispielsweise des Operators Ti! um einen beliebigen end - l i chen Wert vergrol3ern kann. - Da sich der Erwartungswert des Zeit- operators nur fur eine sehr eingeschriinkte Klasse von Zustanden iiberhaupt bilden Mt, ist im besonderen die Herleitung der UnsEharfebeziehung zwischen Energie und Zeit aus der Vertauschungsrelation (1) nur fur sehr spezielle Zustande mbglich, so da13 von einem eigentlichen Beweis dieser Unscharfe- relation nicht gesprochen werden kann.

Die Frage der Existenz eineR physikalisch sinnvollen Zeitoperators Bekanntlich kann man in der Quantenmechanik die explizite Gestalt der

(Herm iteschen) Operatoren P und Q allein aus der Vertauschungsrelation (2)

herleiten. Genau gesagt, es kann in Strenge folgendes bewiesen werden (s. Ludwig3) , S. 88 ff.):

[ P , Q ] = - i 1

Wenn die Voraussetzungen

(I) Die Linearmannigfaltigkeit 2 = A 5Dpn A %p (mit $4 als Defini-

tionsbereich des Operators A und n als Durchschnitt) liegt dicht im Hilber t -Raum 8.

m

11 = 1 nt= 1

(11) Innerhalb !i? ist PQ - Q P = - i 1. 2, W. Psul i in S. Fliigge, Hdb. d. Phys., Springer 1968, Bd. V/1, S. 60. - Ein Ein-

wand gegen die Stichhaltigkeit der Paulischen Argumentation wurde bereits von Engel - mann und Fickl) erhoben.

3) G . Ludwig, Die Grundlagen der Quantenmechanik, Springer, Berlin 1954.

254 Annalen der Phyaik. 7 . Folge. Band 9. 1962

1 (111) T(P2 + Q2) ist ein Hermitescher Operator mit einer Spektral- zerlegung E,, so daB (Eel - EE:) q~ in 2 liegt fur alle Elemente q~ des Hi1 be r t -Raumes 8.

erfiillt sind, gelten fur die Operatoren P und Q in der Q-Darstellung beispiels- weise notwendig die Beziehungen Q = x und P = --i -. Im besonderen besitzen P und Q ein von - 00 bis + 00 sich erstreckendes kontinuierliches Spektrum.

Da in den genannten Beweis aul3er der Hermitizitat der Operatoren nur die obigen drei Voraussetzungen eingehen, kann er - entsprechend G1. (1) - sofort auf die Operatoren H und T angewendet werden, und wir kommen zu folgendem SchluB : Wenn die Definitionsbereiche der Operatoren H und T (und ihrer Potenzen) den Bedingungen (I) und (111) genugen, mussen H und T beide ein von - 00 bis + 00 reichendes kontinuierliches Spektrum besitzen, was aber fur den Hamilton-Operator H nicht der Fall sein kann, da ein physikalisch vernunftiges System einen tiefsten Energiewert besitzt (von der Tatsache, daB haufig auch diskrete Energiewerte vorkommen, ganz zu schweigen). Mit anderen Worten : wenn es uberhaupt einen T-Operator gibt, dann muB sein Definitionsbereich so beschaffen sein, da13 wenigstens eine der Bedingungen (I) oder (111) verletzt ist.

Um eine konkrete Vorstellung von der ,,Abnormitiit" des Definitions- bereiches eines T-Operators zu bekommen, wollen wir fur zwei spezielle FLlle den T-Operator durch korrespondenzmaI3iges Vorgehen explizit bestimmen.

a ax

Der Zeitoperator fur das freie Teilehen und den harmonischen Oszillator Fur ein kriiftefrei sick bewegendes Teilchen lautet der T-Operator (in ein-

dimensionaler Behandlung), wenn wir der Bequemlichkeit halber die Masse gleich Eins setzen, naturlich

(3) 1 2 T = -(QP-l + P-lQ)

( s . auch Aharonov und BohmQ)). I n der Tat ist die Vertauschungsrelation (1) erfiillt, wie sich unter Benutzung der bekannten Beziehungen

(4) [A , BCI = [ A , BI c + B [ A , CI . aH [H, &] = - z -

. aH [ H , PI = 2. - aQ

a p

leicht zeigen la&. Berucksichtigt man namlich die spezielle Form des Hami l - ton-Operators ( H =

[H, &P1] = [ H , &] P - l = - i 1 (6a) [H,P- lQ]= P - l [H ,Q]=- - i l , (6b)

woraus sich nach der Definition von T [Gl. ( 3 ) ] sofort die gewunschte Bezie- hung (1) ergibt.

P2) , so entsteht offenbar

4, Y. Aharonov and D. Bohm. Phys. Rev. 122, 1649 (1961).

H . Paul: uber quantenmechaniache Zeitoperatoren 255

Fur T gilt auBerdem die quantenmechanische Bewegungsgleichung

T = i [ H , T I , ( 7)

(8)

denn aus (3) folgt, da mit P auch P-l zeitunabhangig ist, 1 T = (4 P - l + P - l s ) = ( [ H , Q ] P-l + P-l [ H , Q ] )

= i [ H , TI [nach den Gln. ( G ) ] . Etwas umstiindlicher werden die Rechriungen fur den Fall des eindimensio-

nalen linearen harmonischen Oszillators. Hier lautet der klassische Ausdruck fur die Zeit t, wenn wir der Einfachheit halber neben der Masse auch der Feder- konstanten den Wert Eins geben, bis auf eine uninteressante additive Kon- stante

Wir gehen zur Bestimmung von T schrittweise vor und berechnen erst einmal die Kommutatoren [ H , Q P-l] und [ H , P-l Q ] . Zu diesem Zweck stellen wir zuniichst einige nutzliche Beziehungen zusammen.

Da der Hamilton-Operator jetzt durch H =?.(P2 + Q 2 ) gegeben ist, 1

folgt aus den Gln. ( 5 ) [ H , Q ] = - i P (104 [ H , PI = i Q , ( lob)

und aus der Vertauschungsrelation [ P , Q ] = - i 1 ergibt sich durch Multi- plikation mit P-l von links und von rechts sofort

SchlieBlich bestimmen wir noch den Wert des Kommutators [ H , Pl]. Dazu gehen wir aus von der Gleichung

aus der durch Anwendung der Rechenregel (4) unter Beachtung von (lob)

[P-l, Q ] = i Pp2. (11)

0 = [ H , 11 = [ H , P - l P ] , 4

sofort [ H , P-']= - i p-1 Q p-I

entsteht.

aus P - 1 P = 1 folgt die Relation

d. h. (13)

Damit wird, wenn wir den Operator QP-l mit R bezeichnen -P-lQ ist dann offenbar der H e r m i t e sch adjungierte Operator R f -

(14a)

Auch P-l geniigt der quantenmechanischen Bewegungsgleichung, denn

( + I ) P + P-' P = 0,

(F1) = - P-l PP-l = P-l&P-l= i [ H , P-l] [nach G1. (12)].

[ H , R ] = [ H , & P1] = [ H , &] P-l+ Q [ H , P-l] = - i ( 1 + R2) , woraus wegen [ H , R f ] = - [ H , R]+ unmittelbar

[ H , R f ] = - i (1 + R+2) (14W folgt.

256 Annalen der Phyaik. 7. Folgc. Band 9. 1962

Fiir R (und damit auch R+) gilt die quantenmechanische Bewegungs- gleichung; es ist ja

R = QP-l+ Q ( P - l ) = i { [ H , Q ] P-l + Q [ H , P’]} = i [ H , R] (15) [entsprechend G1. (14a)l.

Beziehung

(n eine natiirliche Zahl) herleiten.

Durch vollstiindige Induktion laBt sich hieraus leicht die Gultigkeit der

(h%) = i [ H , R?’] (16)

Wir bilden nun in Analogie zu (9) die Summe

S = R -

und untersuchen den Kommutator 1 1 [ H , S ] = [ H , R ] - 3 [ H , R’] + j [ H , 1251 - + - . .

(18) - i R-- (R3) . 1 . + - ( R 5 ) - + . . 1 . .>=-is. = { 3 5

Nach den Gln. (15) und (14a) ist

R = l + R 2 ; (19) R kommutiert daher mit R, d. h. es braucht bei der Ausfuhrung der Differen- tiation in (18) nicht auf die Reihenfolge der Faktoren geachtet zu werden (es kann also klassisch gerechnet werden), und da die Beziehung (19) auch klassisch gilt, liefert die Summe in der zweiten Zeile von (18) ebenfalls das klassische Resultat 1 ($ = l!), d. h. S erfiillt die gewunschte Vertauschungs- relation

Durch ubergang zur H e r m i t e sch adjungierten Glcichung ergibt sich sofort

und wir haben schliel3lich mit

[ H , S ] = - i l .

[ H , S+] =--i 1 ,

1 (Q P--1)3 - - (P-1Q)3 1 1 T = - ( S + S+) = 1 lQ P-1 + P-1 Q - 2 2 1

(20) *I einen H e r m i t e schen Operator gewonnen, der die Vertauschungsrelation (1) befriedigt und - wie man aus (18) leicht sieht - auch der quantenmechanischen Bewegungsgleichung genugt.

Der Definitionsbereich der Zeitoperatoren I n der Impulsdarstellung erkennt man sehr deutlich den ,,abnormalen”

Charakter der beiden oben konstruierten T-Operatoren. Fur das freie Teil- chen gilt ja nach G1. (3) .

Ii. Paul: ober q?tantenmechanische Zeitoperatoren

und fur den harmonischen Oszillator nach G1. (20)

'I +-(--) 1 a 1 6 +-(--) 1 i a s +...,. 5 a P P 5 P a P

257

('20')

Im ersten Fall mussen die quadratisch integrablen Funktionen a, (p) (also die Hi lb e r t - Raum-Vektoren), die nach Anwendung von T noch quadratisch integrabel sind, offenbar die Eigenschaft besitzen, fur p - t 0 entweder wie p1j2 oder starker als $/2 gegen Null zu gehen. Und im zweiten Fall ist wahr- scheinlich sogar ein exponentielles Verschwinden der Elemente des Definitions- bereiches (dargestellt als Funktionen von p) notwendig.

Die quadratische Integrabilitat von T a, reicht aber noch nicht aus, um die Zugehorigkeit von a, zum Definitionsbereich von T zu garantieren, es mu13 vielmehr aul3erdem gewiihrleistet sein, da13 T in bezug auf a, ein Hermi te - scher Operator ist, i. e. daB die Beziehung ( Ta,, a,) = (a,, Ta,) gilt. Fur (quadra- tisch integrable) Funktionen, die sich in der Nahe der Stelle p = 0 wie p112 verhalten, ist aber der Operator (3') (wegen der Singularitat der ersten Ab- leitung dieser Funktionen fur p = 0) nicht H e r m i t e s c h ; denn es gilt ja

und durch partielle Integration kann man leicht die Beziehungen m m

- 11. - a

-00 - m

- 2 Id- all2 a

erhalten, aus denen unmittelbar die Relation

folgt. Wenn sich nun a, (p) in der Nkhe von p = 0 wie const pl12 verhalt, ver-

schwindet der storende Grenzwert in (21) offenbar nicht. Der Definitions- bereich des T-Operators (3') enthiilt daher nur Funktionen von p, die fur p -+ 0 starker als p3I2 verschwinden.

Auf jeden Fall la13t sich also sagen, da13 nur solche quantenmechanische Zustande formal eine Zeitmessung - niimlich die Anwendung des T-Opera- tors - gestatten, bei denen die Moglichkeit, dal3 eine Impulsmessung den

258 Annulen der Physik. 'I. Folge. Band 9. 1962

Wert Null liefert, ausgeschlossen ist. Dieser Sachverhalt ist im Grunde ge- nommen gar nicht weiter erstaunlich, er stellt lediglich die quantenmechanische ,,ubersetzung" der klassischen Tatsache dar, da13 fur p = 0 natiirlich keine Zeitmessung durch Messung der Ortskoordinate vorgenommen werden kann, da sich das Teilchen ja im nachsten Augenblick noch (falls es sich um ein freies Teilchen handelt, sogar standig) an derselben Stelle befindet.

Die oben genannte Einschrankung des Definitionsbereiches der T-Opera- toren fuhrt aber dazu, da13 schon ganz einfache und physikalisch geradezu typische Zustande - z. B. ein normales Wellenpaket Y ( p ) = const x exp {- i zo p - ( p - po)2} - nicht mehr dem Definitionsbereich von T angehoren. Man kann natiirlich, um bei dem Beispiel des Wellenpaketes Y ( p ) zu bleiben, - falls Ipo( nicht zu klein ist - durch eine geringfiigige Abanderung von Y ( p ) [Abschneidung von Y ( p ) in der Nahe von p = 01 zu einem physikalisch praktisch aquivalenten Zustand iibergehen, auf den sich der T-Operator ohne weiteres anwenden laat. Dieser Sachverhalt zeigt aber gerade die ganze Problematik auf : Zustanden, die sich physikalisch praktisch nicht unterscheiden, kommt einmal ein endlicher ,,Erwartungswert der Zeit" zu und einmal nicht. Im Falle des T-Operators fur das freie Teilchen kann man daruber hinaus leicht sehen, da13 man den Erwartungswert beispielsweise des Operators T2 fur gewisse Zustande durch eine infinitesimale Abanderung der Wellenfunktion um einen beliebigen e ndl i c h e n Wert vergroDern kann.

In der Tat, sei q ( p ) eine beliebige, geniigend oft stetig differenzierbare, normierte Wellenfunktion und ~8 der zugehorige Erwartungswert des Opera- tors T2, dann definieren wir eine Funktion q ( p ) durch

( E > 0 aber sehr klein), deren erste Ableitung offenbar auch im Limes E -+ 0 iiberall endlich bleibt (sogar gegen Null geht) und deren Norm, wie man leicht sieht, den Wert

besitzt, also im Limes E -+ 0 verschwindet. llrll = 1 4 E 2 (23)

Der Erwartungswert (7, T2q) 1aBt sich schreiben als

d. h. es ist (24)

Nehmen wir speziell an, daI3 ~ ( p ) fur 1p1 2 A verschwindet, dann gilt also

q ( p ) = O fur Ipl 2 A E . (25) Es ist nun Mar, daB die Addition von q ( p ) - also einer ,,infinitesimalen" Funktion - zu einer Funktion q 1 ( p ) aus dem Definitionsbereich von T, die fur 1p1 5 A E verschwinden moge aber sonst keiner Einschrankung unter- liegt, den Erwartungswert von T2 um lul2 t& also einen (je nach Wahl von a beispielsweise) beliebigen endlichen Wert, vergroBert. Andererseits sind die Auswirkungen der genannten Abanderung von v1 auf die Aufenthaltswahr-

(v, T 2 q ) = /aI2 (v, T2p) = l~l ' t ; .

H . Paul: ober quantenmechanische Zeitoperatoren 259

scheinlichkeiten im Orts- und Impulsraum s o d e auf die Erwartungswerte von P, P2, . . . sowie von Q, Q2 und Q3 nur infinitesimal, d. h. physikalisch andert sich der Zustand praktisch nicht.

(Die Situation ist ganz iihnlich wie z. B. im Fall des Operators P-2. Der Erwartungswert dieses Operators kann experimentell praktisch uberhaupt nicht bestimmt werden, denn man miiBte zu diesem Zweck die Impuls- verteilungsfunktion in der Niihe von p = 0 mit ,,unendlicher Genauigkeit" ermitteln, was wegen der unvermeidlichen MeBfehler nicht moglich ist.)

Nach dem Gesagten scheint daher die Verwendung von T-Operatoren im quantenmechanischen Pormalismus physikalisch wenig sinnvoll zu sein, im besonderen kommt der Herleitung der Unscharferelation zwischen Energie und Zeit aus der Vertauschungsrelation (1) (s. Ref.l)) durch Bildung von Erwartungswerten wohl kaum eine physikalische Bedeutung zu.

1 2 Eigenfunktionen des Operators T = - (Q P1 + P-' Q )

Wir wollen schlieBlich noch versuchen, Zustiinde des freien Teilchens zu konstruieren, die einem scharfen Wert der Zeit entsprechen, also solche Bewegungen des Teilchens beschreiben, die als Uhren Verwendung finden konnen. Genau gesagt kann es sich dabei nur um einen genahert scharfen Wert der Zeit handeln, weil die Eigenwertgleichung

fur ein kontinuierliches Spektrum (das ja im Falle des Zeitoperators vorliegt) durch echte Vektoren des H i l b e r t -Raumes bekanntlich nicht erfullt werden kann. - Wir bestimmen mogliche ,,Uhrenzustiinde" nach dem ublichen Ver- fahren, niimlich durch ,,Bundelung" von formalen Losungen der G1. (26).

Wir losen die genannte Gleichung zweckmiiBig im Impulsraum, d. h. wir integrieren nach 01. (3') die Differentialgleichung

T f r = 'G f r (26)

Der Eigenwert z kann dabei vorerst einen beliebigen (insbesondere auch komplexen) Wert besitzen. Wir schliel3en zuniichst die komplexen Eigen- werte t mit Im t > 0 wegen des exponentiellen Divergierens von fi fur p +foe aus. Fur Im t < 0 sind die f r sogar echte Vektoren, sie liegen aber trotzdem nicht im Definitionsbereich von T, weil sie sich fur p + 0 wie c pll2 verhalten und T daher fur sie kein Hermitescher Operator ist (8. 0.). Somit sind alle komplexen Eigenwerte auszuschlieBen.

Wir bilden nun aus den ,,Eigenfunktionen" f r [Gl. (27)] mit reellem t ,,dunne Bundel"

r+e -i-pr r s i n T p 2 2 tpz ( p ) = c J f r , ( p ) at' = 4 c p112 e 2 ~~ (28) r--(I P2

( e > 0, sehr klein). 5, Man beachte, daB die ,,Eigenfunktionen" (27) nicht im Sinne der Deltafunktion

orthogonal zueinander sind. Das hangt damit zusammen, daB sie fiir t2 + t1 die Hermi- tizitatsbedingung (fr,, !l'.fr,) = (Tfr,,.fr,) verletzen.

2 60 Annalen der Physik. 7. Folge. Band 9. 1962

Diese Funktionen sind offenbar Vektoren des Hi1 b e r t -Raumes; mit der Wahl

sind sie auf Eins normiert, wie man leicht nachrechnet. Sie geniigen tatskichlich in guter Naherung der Eigenwertgleichung (26); die Anwendung von T auf tp: liefert namlich

mit TV: = t 91: i- x:

und die Norm ilx:ll von x: verschwindet fur E + 0, denn

(31)

es gilt ja

- m

Damit ist auch der Erwartungswert von T fur den Zustand q$ genahert gleich t :

(6, TV:) = -c + 0 ( E l I (33) denn das Skalarprodukt (v:, x:) ist nach der S chwarzschen Ungleichung betragsmiifiig kleiner oder hochstens gleich 1 1 ~ : 1 1 - Ilx:ll = O ( E ) . Die Funk- tionen & und I$, sind fur Itl - t2 \ > & genahert orthogonal zueinander; man erhalt namlich mit leichter Muhe die Beziehungen

Die Zustande y ~ : andern sich im Laufe der Zeit tatsachlich so, wie es sich fur ,,Uhrenzustande" gehort : Der unitare Operator U ( t ) = exp {- i H t } , der die zeitliche k l e r u n g des Systems wiedergibt, lautet ja in der Impulsdarstellung (mit H = e) 2

d. h. der Zustand q ~ z verwandelt sich nach der Zeit t in den Zustand

H . Paul: Uber qwtntenmechanische Zeitoperatoren 261

Die Zustande rpf haben lediglich einen Schonheitsfehler, sie gehoren in Strenge nicht dem Definitionsbereich von T an, weil T fur sie kein Hermi te - scher Operator ist. Der die Hermitizitat storende Term in G1. (21) hat ja fur Q! =& den Wert

d. h. es liegt nur geniihert Hermitizitat vor. Wir bemerken zum SchluS noch, daB die Einfiihrung von T-Operatoren

bei Systemen mit mehr als einem Freiheitsgrad zusatzlich eine vollig neue Schwierigkeit mit sich bringt : Es ist im allgemeinen nicht mehr moglich, der Zeit e indeu t ig einen Operator zuzuordnen, wie man am Beispiel eines in drei Dimensionen frei beweglichen Teilchens sofort sieht. Klassisch gilt dann ja

tz-=-=- Z Y Z

v, VY vz (v, x-Komponente des Geschwiridigkeitsvektors usf.), wahrend die quanten- mechanische ubersetzung dieser Ausdriicke drei Operatoren liefert, die ganz sicher verschieden sind. (Ihre Emartungswerte konnen nur rein zufallig uber- einstimmen. )

Zeu then be i Ber l in , Kernphysikalisches Institut der Deutschen Aka- demie der Wissenschaften zu Berlin.

Bei der Redektion eingegangen am 22. Dezember 1961.