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Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
1981
Bündner Burgen in alten Ansichten
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
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1981 Bündner Burgen in alten Ansichten Jürg Simonett
Terra Grischuna, Nr. 4. 1981. Seite 239-241.
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Bündner Burgen in alten Ansichten
Jürg Simonett, Rätisches Museum, Chur
Federzeichnung der Klus mit der Höhlenburg Fracstein aus dem Jahre 1552
von Wolf Huber aus Bregenz. Die Burg stand damals schon als Ruine da.
S. 239: Burgen und Schlösser sind ein charakteristischer Teil von Bündens Landschaft.
Wie ihre Umgebung laben sich diese Bauten im Laufe der Jahrhunderte stark
verändert. Als Motive für Darstellungen aller Art waren sie immer sehr beliebt.
So bilden diese speziellen topographischen Ansichten immer auch einen
Ausschnitt der Geschichte mehr oder weniger getreulich ab. Aber auch die
jeweilige Haltung gegenüber den Burgen überhaupt, die aktuelle
«Burgenideologie», kommt nicht selten zum Ausdruck.
Es gibt eine Unzahl alter Darstellungen von Bündner Schlössern, Burgen und
anderem altem Gemäuer. So verschieden die Motive, so unterschiedlich sind
die Techniken der Künstler: Bleistiftzeichnungen und Aquarelle stehen neben
Erzeugnissen der Druckgrafik, die in einer grösseren Auflage dem Publikum
zugänglich waren. Hier finden wir den Kupferstich ebenso gut wie den
Stahlstich, die Aquatinta und die Lithographie neben der Radierung.
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Aus der riesigen Auswahl seien hier fünf Beispiele herausgegriffen,
Gleich die erste bekannte Ansicht aus Graubünden stellt eine Burg dar. Ulrich
Tiefenbrunn, Hofmaler von Ferdinand I. in Innsbruck, erstellte um 1525 eine
Federzeichnung vom Schloss Tarasp. Nach der kunstlosen Art der Darstellung
zu schliessen, handelte es sich um eine Auftragsarbeit für den Hof seines
Herrn.
Mit dem Datum 1552 versehen ist eine Federzeichnung der Klus mit der
Höhlenburg Fracstein. Das Original liegt im University College in London.
Autor ist Wolf Huber aus Bregenz. Man erkennt deutlich die Höhlenburg oben
im Fels, den Torturm. der die Strasse ins Prättigau bewacht, sowie die
Verbindungsmauer. Fracstein ist wahrscheinlich schon im 15. Jahrhundert
zerfallen und steht zu Hubers Zeiten bereits als Ruine da. Poeschel rechnet
Wolf Huber mit Altdorfer, Manuel Deutsch, Urs Graf und anderen von der
Malergeneration anfangs des 16. Jahrhunderts zu Künstlern mit «geradezu
visionärer Gestaltung». Die Burg wird hier zum Gegenstand romantischer
Phantasie. So sind denn nicht alle Details topografisch richtig, der Wirklichkeit
entsprechend. Anklänge an eine konstruierte Ideallandschaft sind
unverkennbar.
Die hohe Zeit der Bündner Landschaftsgrafik ist zumindest quantitativ das 19.
Jahrhundert. Ausländische Künstler und auch Amateure bereisen die Drei
Bünde und halten mit Vorliebe Pittoreskes aller Art fest, So erscheint 1827 in
Paris die «Promenade sur le lac de Wallenstadt et dans le Pays des Grisons»
mit verschiedenen Lithographien. Die Entwürfe stammen von Eduard Pingret,
der übrigens auch eine ganze Reihe von Bündner Trachten zeichnerisch
festgehalten hat.
S. 240: Im oben erwähnten Band finden sich unter anderem die «Ruines du Château de
Griessenstein (!)».
Die Burg Greifenstein oberhalb Filisur, inmitten von schroffen Felsen,
entspricht prächtig den Träumen und Vorstellungen der aufkommenden
Burgenromantik. Pingret hat die Felszacken womöglich noch bizarrer und
schroffer als in Wirklichkeit dargestellt. Eine vornehme Reisegesellschaft hält
auf dem Weg unterhalb und weist staunend zu den Ruinen hinauf.
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Die damals um sich greifende Burgenromantik war sicher auch indirektes
Resultat der europäischen Industrialisierung:
Um 1825 hat Pingret die Burgruine Greifenstein bei Filisur gezeichnet. Die
Darstellung entspricht den Vorstellungen der im 19. Jahrhundert wild
wuchernden Burgenromantik.
Begüterte Engländer, Franzosen und auch Deutsche flohen aus den
Industrierevieren und sahen im einfachen Alpenland Graubünden mit seinen
Schlössern und Burgen eine vermeintliche gute alte Zeit.
Dass vielen Einheimischen solche Gedanken fremd waren, beweist das Beispiel
Greifenstein. Noch im 19. Jahrhundert bedienten sich die Filisurer ohne
Hemmungen der alten Steine und Balken, um sie für ihr neues Schulhaus zu
verwenden.
Die wilde Landschaft der Viamala erscheint wohl am häufigsten in alten
Bündner Ansichten. Sie ist schon von Hackaert im 17. Jahrhundert an mehreren
Stellen gezeichnet worden. In der Folge hat sie in unzähligen Varianten und
aus allen möglichen Blickwinkeln als Motiv gedient. Immer wieder erscheint
dabei auch die Burg Hohenrätien hoch über Schlucht.
Nachdem um 1820 die neue Fahrstrasse über Splügen u Bernhardin zur
Verfügung stand, vervielfachte sich der Verkehr durch die Viamala.
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Anstatt mühsam zu Fuss oder hoch zu Ross die Wunder der Bündner
Alpenwelt zu besuchen liessen sich jetzt immer mehr ausländische Touristen in
der bequemen Kutsche an Ort und Stelle fahren.
Kurz nach dem Bau der Strasse erschienen denn auch die ersten gedruckten
und illustrierten Reiseführer und «Posthandbücher», so zum Beispiel «Meyer's
Bergstrassen durch den Kanton Graubünden». Darin durfte natürlich die
Viamala samt der Burg Hohenrätien nicht fehlen. In der Aquatinta geht der
Blick nicht wie üblich vom Verlorenen Loch zur Burg. J. J. Meyer ist auf den
Felsvorsprung «600 Fuss über dem Rhein» geklettert. Die Burg selbst kommt
nicht zur Darstellung. Früher diente der hervorragende Aussichtspunkt den
Feudalherren. Jetzt lagern zwei Wanderer auf dem äussersten Felsvorsprung
und haben freie Sicht auf ein Kunstwerk der Neuzeit, die breite Fahrstrasse in
den Süden.
1837 erschien dann in Chur ein illustriertes Werk, das ganz Burgen und
Schlössern gewidmet war. «Die alten Ritterburgen und Bergschlösser in
Hohen-Rhätien» enthält Lithographien von Heinrich Kraneck, der das Werk
auch herausgegeben hat. Der kurze Begleittext, offenbar von G.W. Röder
S. 241: beschwört ein untergegangenes grosses Zeitalter: «Ernst und melancholisch
starren die Denkmäler der Vorzeit als Zeugen einer untergegangenen Kraftwelt
dem Wanderer entgegen.» Das hier abgebildete Beispiel zeigt die Ruine von
Tschanüff bei Ramosch. Unterhalb ist die Talstrasse zu erkennen, samt der
Holzbrücke über den Lavrancabach.
Grössere Ansprüche an Genauigkeit und Exaktheit erhob 1870 Dietrich Jecklin.
Die Lithographie der Höhlenburg Rappenstein bei Untervaz stammt aus seinem
Werk «Die Burgen und Schlösser aus alt fry Rätia». Im Vorwort nimmt Jecklin
Bezug auf Kraneck und bedauert, dass dort «diese Ansichten von Burgen in
Bünden zum grossen Theile unkorrekt und nicht besonders meisterlich
ausgeführt sind.» Als Altertums- und Geschichtsforscher verlangte Jecklin eine
möglichst genaue Darstellung. Alle abgebildeten Burgen suchte er selbst auf,
fotografierte sie und liess dann nach dieser Vorlage Lithographien anfertigen.
Gerade bei Rappenstein, das in einem Felsspalt am Ufer eines Baches liegt,
kann man sich vorstellen, wie beschwerlich sich um 1870 eine fotografische
Aufnahme mit den komplizierten Geräten gestaltete.
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Die Ruine von Tschanüff bei Ramosch nach einer Lithographie aus«Die alten
Ritterburgen und Bergschlösser in Hohen-Rätien» von Heinrich Kraneck.
Die Lithographie der Höhlenburg Rappenstein bei Untervaz stammt aus dem
Werk «Die Burgen und Schlösser aus alt fry Rätia» von Dietrich Jecklin. Der
bekannte Historiker stellte an Genauigkeit grössere Ansprüche als Kraneck,
auf den er aber Bezug nahm.
Im Textteil geht Jecklin dann, unter anderem mittels Urkunden aus
Gemeindearchiven, auf die Geschichte der verschiedenen Burgen ein. Man
wird wohl nicht fehlgehen, wenn man ihn als einen der ersten Bündner
Historiker bezeichnet. der sich im modernen Sinne wissenschaftlich um
Burgenforschung bemüht hat.
Internet-Bearbeitung: K. J. Version 12/2011
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