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Vazrik Bazil | Roland Wöller (Hrsg.) Rede als Führungsinstrument

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Vazrik Bazil | Roland Wöller (Hrsg.)

Rede als Führungsinstrument

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Vazrik Bazil | Roland Wöller (Hrsg.)

Rede als Führungsinstrument

Wirtschaftsrhetorik für Manager – ein Leitfaden

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Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Maria Akhavan-Hezavei

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.gabler.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen imSinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, WiesbadenSatz: Sascha Niemann, N&N GdbR, MainzDruck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, HeusenstammGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.Printed in Germany

ISBN 978-3-8349-0684-7

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Einleitung 5

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...................................................................................................................................7 Vazrik Bazil / Roland Wöller

Teil A Unternehmen

Face-Mail oder E-Mail? Die mündliche Rede in der Unternehmenskommunikation .....................................................19 Eberhard Posner

Identität und Sensemaking .......................................................................................................33 Stephan Habscheid / Edelgard Vacek

Worte und Werte Der semiometrische Ansatz im Redemanagement ...................................................................51 Vazrik Bazil / André Petras

Teil B Redner

Selbstkonzept Ein Instrument des strategischen Redemanagements ..............................................................75 Vazrik Bazil

Corporate Speaking Praxis integrierter Auftrittsberatung.........................................................................................91 Stefan Wachtel

Auftrittswirkung im Corporate Speaking...............................................................................103 Werner Dieball

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6 Inhaltsverzeichnis

Teil C Rede

Rede beginnt vor der Rede Vorfeldkommunikation im Redemanagement ....................................................................... 125 Manfred Piwinger

Persuasion Die Kunst der Überzeugung .................................................................................................. 141 Bernd F. Rex

Zur Inszenierung der Rede..................................................................................................... 157 Brigitte Biehl

Storytelling für Führungskräfte Kommunizieren und führen mit authentischen Geschichten................................................. 173 Karolina Frenzel

Vom Architekten zum Kriegsherrn Metaphern der Top-Manager ................................................................................................. 189 Brigitte Biehl

Mnemotechnik und Narratives .............................................................................................. 203 Roland Wöller

Über Wirkung und Wert von Rhetorik Methodische Erörterungen..................................................................................................... 209 Roland Wöller / Thomas Petersen

Checkliste .............................................................................................................................. 229

Die Herausgeber .................................................................................................................... 233

Die Autoren............................................................................................................................ 235

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Einleitung 7

Einleitung

Vazrik Bazil / Roland Wöller

Ein neues Buch über ein altes Thema

Warum ein neues Buch über Rhetorik? Sind doch die Regale der Buchhandlungen voll mit Titeln, die ihren Leserinnen und Lesern rhetorisch wirkungsvolle Kniffe anvertrauen, Tipps und Tricks, die jeder Mensch einfach und schnell erlernen und anschließend umsetzen kann – so zumindest die Hoffnung. Diese Ratgeber sind kompakt und nützlich. Wer sie sucht, findet sie meistens in den Abteilungen „Kommunikation“, „Management“ oder „Wirtschaft“. Wa-rum also ein neues Buch – sogar über Wirtschaftsrhetorik? Die Regale der Buchhandlungen mit einem neuen Buch zu bereichern, ist gewiss nicht unser Ziel. Vielmehr ist unser Ausgangspunkt folgende Überlegung: Meist betrachten wir das Kom-munikationsinstrument „Rede“ immanent. Vorbereitung, Argumentationstechnik, Körper-sprache, Stimme, Umgang mit Zwischenrufen sind dabei einige, und Recherche, Erstellung von Redemanuskripten, Einstieg, Bildersprache, Zitate und Schluss andere Schwerpunkte. Doch Rhetorik in Organisationen, und das heißt auch in Unternehmen, verlangt mehr und anderes. Jede Rede ist in der Organisationskommunikation stets in einem kommunikativen Kontext eingebettet, der nicht nur den Einsatz anderer PR-Instrumente voraussetzt und einschließt, sondern auch Fragen der Identität, des Images und der Reputation eines Unternehmens be-trifft. Eine erfolgreiche Konzeption und Umsetzung von Reden hängt daher auch mit diesen Faktoren zusammen, die in der organisierten Kommunikation erörtert werden und kaum in der herkömmlichen Rhetorik. Das vorliegende Buch ist der Versuch, zwischen der landläufigen Rhetorik und der Public Relations eine Brücke zu schlagen, die von beiden Seiten begehbar ist. Beide, sowohl Rheto-rik als auch Public Relations, sind auf Wirkung angelegt. Wer rhetorisch gut ausgebildet ist, hat bessere Voraussetzungen, auch in der Öffentlichkeitsarbeit behände agieren zu können. Weder darf das Instrument „Rede“ ein zur Adoption freigegebenes Kind für die Public Rela-tions sein, noch diese als Stiefmutter oder Stiefvater der Rhetorik gelten. Denn Öffentlich-keitsarbeit ist durchzogen von vielen rhetorischen Elementen, auch jenseits der Rede, wie Persuasion und Sprachfiguren, und die Rede tangiert ihrerseits viele Kommunikationsberei-che – von Corporate Identity und Reputationsmanagement über Krisen-PR und Investor Relations bis Issues-Management und Personen-PR. Unsere Aufmerksamkeit gilt in diesem Buch der Unternehmenskommunikation, deren Me-thode auch auf andere Organisationsformen angewendet werden kann.

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8 Vazrik Bazil / Roland Wöller

Symbolische Bedeutungen

Kommunikation bedeutet „symbolische Interaktion“ – Interaktion, weil viele an ihr teilneh-men, und symbolisch, weil jeder Akt der Teilnahme mehrdeutig ist und der ständigen Inter-pretation aller anderen Teilnehmer bedarf (Wie sollte zum Beispiel folgende Information gedeutet werden: „Der größte Wettbewerber des Unternehmens X verfolgt eine Politik der Diversifikation?“ Soll das Unternehmen also auch den gleichen Weg einschlagen oder heißt es, dass Unternehmen X etwas nicht weiß, was es hätte wissen müssen?).

Reden sind sprachliche Handlungen, die ebenfalls immer über sich hinaus auf etwas anderes verweisen, und so symbolische Bedeutung stiften. Explizit verweisen sie auf Inhalt und An-lass, implizit aber auf den Redner und das Unternehmen, in dessen Namen er spricht. Wer eine Rede hält, enthüllt dem Publikum vieles über sich selbst, und auch einiges über sein Unternehmen. Manchmal bewusst, oft aber unbewusst. Der Raum, die Bühne, die Beleuch-tung, die Kleidung, die Körpersprache, die Argumente, der Ton usw. beantworten still Fragen, die das Publikum sich entweder ausdrücklich oder oft implizit stellt:

„Was für ein Mensch ist dieser Redner?“

„Ist er sympathisch?“

„Kann ich ihm glauben?“

„Mit welcher Art von Unternehmen habe ich zu tun?“

„Ist es arrogant oder kundenfreundlich?“

usw.

Aus den vorerwähnten Elementen, wie Argumentation, Raum, Bühne, Einrichtung, Kleidung, Tonfall usw. zieht das Publikum immer Rückschlüsse oder Inferenzen und beantwortet für sich die obigen Fragen. Und je nach dem wie die Antworten ausfallen, verbessert die Rede das Ansehen des Redners bzw. des Unternehmens oder umgekehrt beschädigt es. Beide Fälle tangieren auch den Inhalt, der entweder überzeugt oder an dem Publikum vorbeirauscht.

Aus diesem Grund liegt unserem Ansatz folgendes Dreieck zugrunde, wonach auch die hier erschienenen Beiträge gruppiert sind:

Unternehmen Redner Rede

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Einleitung 9

Strategischer Ansatz

Wir plädieren dafür, dass es praktisch, strategisch und zeitökonomisch sinnvoller ist, unab-hängig von Anlässen, grundsätzliche Leitlinien für Reden zu erarbeiten. Sie mögen Bilder und Geschichten ebenso umfassen wie sprachliche Bestimmungen und argumentative Schwerpunkte. Auf jeden Fall erleichtert dieses Vorgehen spätere, anlassbezogene Vorberei-tungen, spart Zeit, schont Ressourcen und trägt besser zur Schärfung des Unternehmenspro-fils bei. Kurzum:

Jede Rede beginnt vor der Rede und keine Rede endet nach der Rede.

Auch nachdem der Redner vom Pult abgetreten ist, können Unternehmen die Rede bzw. das Redemanuskript verwerten – zum Beispiel als Broschüre oder als Zitat, als eine Internet- oder Intranetseite. Unternehmen können Meinungen zu der Rede einholen, Diskussionen anfachen und Meinungsbildungsprozesse in Gang setzen. Gerade die Reden der Führungskräfte eignen sich vorzüglich zur Integration der internen und externen Kommunikation.

Überall und immer – ob vor, während oder nach der Rede – wirken die Inferenzen des Publi-kums und beeinflussen so die Identität und das Image des Unternehmens bzw. des Redners. Deshalb ist es sinnvoll nicht isoliert an Reden heranzugehen, wie die Ratgeberliteratur es uns nahe legt, sondern kontextual, d. h. strategisch, stets im Verbund mit der Gesamtkommunika-tion des Unternehmens. Diese Aufgabe sollte als Führungsaufgabe der Unternehmensleitung zugeordnet sein. Aber wie stellen wir den Erfolg einer Rede fest? Zu meinen, dass Applaus, wie tosend er auch sein mag, den Erfolg einer Rede beweist und besiegelt, ist kurzsichtig. Er ist nur ein hilfreicher Wink, dass der Redner vielleicht als sympathisch wahrgenommen wor-den ist, aber eine Gewähr für gelungene Imagepflege ist er gewiss nicht.

Wir wissen, dass die Kommunikationsbranche seit Jahren zuverlässige und aussagekräftige Evaluationsmethoden erarbeitet. Die Diskussion um Erfolgskontrollen bei Reden wird im besten Fall leise, im schlimmsten Fall gar nicht geführt, was vermutlich vom geringen finan-ziellen Aufwand der Rede abhängt. Meistens sind es angestellte Redenschreiber, die neben ihren genuinen Tätigkeiten auch Redetexte entwerfen, oder je nach Bedarf externe Redenbe-rater, die im Vergleich zu anderen PR-Instrumenten bescheidenere Honorare in Rechnung stellen. Die Evaluation beschränkt sich in den meisten Fällen auf Ad-hoc-Beobachtungen, wie das Lachen, Klatschen oder missmutige Reaktionen des Publikums, und auf Pressereso-nanzanalysen. Ex negativo kann man oft klarere Schlussfolgerungen ziehen, die sich in Hel-ler und Pfennigen berechnen lassen. Rutscht der Aktienkurs nach einer Rede des CEO in den Keller, hat sich die Rede nicht ausgezahlt. Umgekehrt natürlich auch. Doch genauere Verfah-ren, wie der Erfolg von Reden festgestellt werden kann, sind noch nicht entwickelt worden. Ob und welchem Maße solche Methoden möglich sind, ist eine zentrale Frage, der sich die gängige Rhetorikliteratur noch nicht gewidmet hat. Wichtig wäre aber eine solche Diskussion auch wegen der Verbesserung der Redequalität.

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10 Vazrik Bazil / Roland Wöller

Erschwerend kommt hinzu, dass sich in der Mediengesellschaft die Auffassung des Publi-kums ebenfalls gewandelt hat: Während die Rede nach der klassischen Vorstellung immer auf ein im Saal anwesendes Publikum gerichtet war, wendet sich die Rede in der Mediengesell-schaft nicht ausschließlich an Menschen, die vor dem Rednerpult versammelt sind. Auch jene, die an Fernsehschirmen sitzen, Zeitungen lesen oder im Internet schmökern und viel-leicht den Redetext herunterladen, gehören – im weitesten Sinne – zum Publikum.

Nichtsdestotrotz unterliegen auch Reden Kosten-Nutzen-Kalkulationen

Die Kosten-Nutzen-Kalkulation des Redners/des Unternehmens:

KOSTEN

Energie

Motorische

Kognitive

Zeit

Geld

NUTZEN

Inhaltlich

Sozial

Persuasiv

Selbstdarstellung

Information

Redner/in

Unternehmen

Beziehung

Appell

Diese Abbildungen zeigen, wie das Unternehmen bzw. der Redner die Kosten den Nutzen gegenüberstellt. Neben Zeit und Energie zahlen Unternehmen Geld als Gehalt an ihre festan-gestellten Redenschreiber/innen oder als Honorar an externe Redenberater. Einen Nutzen können sie aber erst dann ziehen, wenn sie Informationen klar und verständlich vermitteln, sich imagegerecht darstellen, eine positive Beziehung zum Publikum aufbauen und es zu Handlungen bewegen (Meinungs-, Einstellungs- und Verhaltensänderung).

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Einleitung 11

Die Kosten-Nutzen-Kalkulation des Zuhörers schaut wie folgt aus:

KOSTEN

Energie

Motorische

Kognitive

Zeit

Geld

NUTZEN

Inhaltlich

Sozial

Information

Beziehung

Hörvergnügen

Das Publikum wendet ebenfalls Zeit, Energie und oft auch Geld auf, um informative, unter-haltsame Reden mit sozialem Mehrwert (emotionale Aufwertung, Bekanntschaften usw.) zu hören. Deshalb müssen Reden klar und verständlich sein, der Redner sympathisch und hörer-orientiert und die Sprache geistreich und kurzweilig.

Gesicht und Ansehen

Laut einer Umfrage des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) werden 49 Prozent aller Reden bei den 500 größten deutschen Unternehmen vom Vorstandsvorsitzenden selbst und 44 Prozent von den übrigen Vorstandsmitgliedern gehalten. Der Anteil von Be-reichs- und Abteilungsleitern beträgt dagegen nur sechs Prozent (Bazil 2002, S. 5). Somit sind Reden auch das am meisten vom Vorstand selbst eingesetzte PR-Instrument unter allen anderen PR-Instrumenten wie Pressekontakte, Publikationen, Anzeigen, Placements oder Veranstaltungen. Während diese Instrumente unterschiedliche Botschaften in unterschiedli-chen Formaten mit aktiver Beteiligung unterschiedlicher Personen aussenden, ist die Rede das einzige Instrument, das von Führungskräften persönlich eingesetzt und direkt benutzt wird.

Für Führungskräfte erhält eine Rede als PR-Instrument mehr Gewicht, wenn man bedenkt, dass die Reputation des CEO zu 50 Prozent für das Unternehmensimage verantwortlich ist. Ein gutes Firmenimage und ein hohes Ansehen des Vorstandsvorsitzenden verstärken sich

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12 Vazrik Bazil / Roland Wöller

gegenseitig, und umgekehrt schadet der schlechte Ruf eines CEO dem Ansehen des Unter-nehmens. Das gilt für Großunternehmen genauso wie für mittelständische und kleine Firmen. Für diese sogar noch mehr. Denn kleinere Unternehmen werden oft mit ihren Vorsitzenden bzw. Geschäftsführern identifiziert. Der Absatzmarkt bestätigt auch, dass sich das Unterneh-mensimage besser verkauft als der Produktvorteil. Dies deshalb, weil zwar die Ökonomisie-rung der Gesellschaftsprozesse einerseits fortschreitet und sich andererseits die wirtschaftli-che Wertschöpfung entmaterialisiert. Reputation, Glaubwürdigkeit und Ansehen sind immaterielle Werte. Die Hauptverantwortung für das Firmenimage trägt somit die Person an der Spitze, die nicht nur für ihr Unternehmen als Marke verantwortlich ist, sondern selbst als Marke wahrgenommen wird. Daher greifen das Image des Unternehmens und das seiner Führungskräfte ineinander und bedingt den Einfluss der Rede auf das Publikum.

Formen der Rede

Nach der herkömmlichen Vorstellung sprechen wir von Reden, wenn in einem Saal Men-schen versammelt sind und vor einem Pult sitzen, hinter dem der Redner steht und sein Wort an das Publikum richtet. Doch hat sich in der Mediengesellschaft dieses klassische Bild ge-wandelt: Wir nehmen Reden nicht nur direkt wahr, sondern auch indirekt über Radio, Fernse-hen oder Internet, und das ändert natürlich auch die Wirkungsweise von Reden. Hinzu kommt noch ein dritter Zugang zu Reden: das Lesen. Menschen können Reden auch auszugsweise im Internet, in Zeitschriften oder Broschüren lesen, weshalb hier der Text eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung spielt und deshalb auch leserfreundlich zum Beispiel im Netz eingestellt werden muss – eine wichtige Aufgabe, die oft vernachlässigt wird. Wesentlich geringer ist die Zahl derer, die sich eine Rede oder Auszüge daraus im Rundfunk anhören. Dennoch gibt es Zuhörer, die wichtige Reden in Radiobeiträgen vernehmen.

Diese Abstufungen ergeben folgendes Bild:

Direkte Reden

Indirekte Reden

Gelesene bzw. Gehörte Reden

Bei dieser Differenzierung verschiebt sich das Gewicht der linguistischen und paralinguisti-schen Zeichen. Die Wirkung der Körpersprache ist am größten bei direkten Reden, dann bei indirekten Reden und kaum vorhanden ist sie bei gelesenen bzw. gehörten Reden. Ähnlich verhält es sich mit der Stimme. Ihre Bedeutung nimmt zu bei gehörten Reden und nimmt ab bei gelesenen Reden. Umgekehrt kommt bei gelesenen Reden der Inhalt voll und ganz zum Tragen, weniger bei indirekten Reden und, in geringerem Maße, bei direkten Reden. Doch auch die Wechselwirkung zwischen Inhalt, Stimme und Körpersprache bedarf näherer Erörte-rung, um Missverständnisse und Schwarz-Weiß-Sichten zu vermeiden.

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Einleitung 13

Ein Wort sagt mehr als tausend Gesten

Berater, Trainer und populäre Ratgeberliteratur reden Managern seit Jahren ein, die Wirkung ihrer Reden hinge zu fast 90 Prozent von ihrer Körpersprache und Stimme ab; das Auftreten sei alles, der Inhalt weitgehend irrelevant. Daher besuchen emsige Führungskräfte Seminare bei Schauspielern, gehen zu Stimmtrainern, mühen sich vor Spiegeln ab und lernen das Al-phabet ihrer Körpersprache neu, um am entscheidenden Tag, hinter dem Rednerpult, Gesten zu buchstabieren und damit das Publikum zu begeistern.

Die einprägsame und eingängige Formel, worauf sich dabei alle berufen, lautet: 7-38-55. Danach beeinflusst zu 55 Prozent die Körpersprache die Wirkung von Mitteilungen, zu 38 Prozent die Stimme und zu 7 Prozent die Sprache bzw. der Inhalt – so die bekannte amerika-nische Studie von Albert Mehrabian aus dem Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Doch so simpel ist es nicht. Eine vom Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) und von der Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) beauftragte und vom Institut für Demoskopie Allensbach sowie vom Institut für Publizistik der Universität Mainz durchgeführte Studie ergab einen anderen Befund.

Eine Serie von Experimenten prüfte zunächst die Wirkung von drei verschiedenen kurzen Redentexten in Repräsentativumfragen mit 2000 Befragten. Der am meisten überzeugende Text wurde dann rund 200 Versuchspersonen in verschiedenen Varianten vorgeführt: Einer Gruppe wurde ein Video gezeigt, auf dem ein Redner den Text mit zurückhaltender Betonung und Gestik präsentierte, in einer anderen Gruppe trug derselbe Redner den Text lebhaft be-tont, in einer weiteren auch mit lebhafter Gestik vor. Das Ergebnis: Die Sprache hat einen Anteil von 22 Prozent an der Gesamtwirkung einer Rede, die Körpersprache 59 Prozent und die Stimme 19 Prozent.

Doch würden wir diese Zahlen missverstehen, wenn wir annähmen, dass die Wirkungen von Körpersprache, Stimme und Sprache additiv seien und aufeinander aufbauten: Zu der Wir-kung der Körpersprache kämen die Wirkung der Stimme und der Sprache hinzu, also 55 + 38 + 7 = 100 bzw. 59 + 22 + 19 = 100. Die Studie zeigt, dass die rechnerische Summe aller Einzeleffekte nicht identisch ist mit dem tatsächlichen Gesamteffekt einer Rede. Das bedeu-tet, dass ganz gleich, wie die Zahlen im Einzelnen ausschauen, der Wirkungsanteil des Rede-textes erheblich größer ist als 22 Prozent oder gar 7 Prozent. Denn der Redetext, also die Sprache bzw. der Inhalt, gibt den Reaktionen des Publikums die Richtung vor und versetzt somit die anderen Wirkungselemente erst in die Lage, überhaupt wirken zu können: Eine Rede mit bloßer Körpersprache und Stimme, aber ohne Sprache ist schlechthin unmöglich; 55 + 38 bzw. 59 + 19 können daher ohne Sprache gar keine Wirkung entfalten, weder zu 93 Prozent noch zu 78 Prozent!

Auch die Experimente von Carl I. Hovland aus den 50er Jahren verweisen darauf, dass Reden nie so eindeutig wirken. Er entdeckte, dass die Wirkung von Mitteilungen auch dann einsetzt und Einstellungen bei Zuhörern zu ändern vermag, wenn diese die Verbindung zwischen Botschaft und Redner „vergessen“, d. h. sich zwar später an die Botschaft erinnern, nicht aber an den Redner, der ihnen diese Botschaft überbracht hat. Der so genannte „Sleeper-Effekt“ zeigt, wie Wirkungen spät und ohne Bezug zum Redner eintreten können.

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14 Vazrik Bazil / Roland Wöller

Auch der öffentliche Diskurs über relevante Reden vollzieht sich entlang bestimmter Schlüs-selbegriffe oder Schlüsselsätze: „Ruck“-Rede (Roman Herzog), „Peanuts“-Rede (Hilmar Kopper), „Heuschrecken“-Rede (Franz Müntefering) und nicht anhand bestimmter Gestikula-tionen und stimmlicher Vibrationen. Und es sind auch nicht diese Elemente, die von der Presse zitiert, angeprangert oder gelobt werden, sondern Wörter und Sätze, also sprachliche Ausdrücke.

Dass paralinguistische Zeichen wie Stimme und Körpersprache wichtig sind, steht ebenso wenig außer Frage, wie die Notwendigkeit für Führungskräfte, ihre stimmlichen, mimischen oder gestischen Fähigkeiten auszubilden. Doch parallel dazu sollten Organisationen der Spra-che mehr Gewicht beimessen und sprachliche Leitlinien für ihre Kommunikation entwerfen, damit sich die unterschiedlichsten Wirkungskomponenten – in Reden ebenso wie in allen anderen mündlichen und schriftlichen Kommunikationsinstrumenten – zu einem kohärenten Ganzen zusammenfügen und zur Reputation des Redners und über ihn auch zu der des Un-ternehmens beitragen.

Ausbildung der Redner

Dieses Buch ist an Interessierte gerichtet, die entweder selbst Reden halten, oder für andere Reden entwerfen oder als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunikationsabteilungen Reden mit konzipieren. Doch sei zum Schluss dieser Einleitung auf die Ausbildung von Red-nern eingegangen, denn Ratgeberliteratur, Rhetorikseminare bzw. Coachings sind nichts anderes als pädagogische Instrumente bzw. Maßnahmen. Sie ersetzen das, was früher in Schulen und Universitäten gelehrt wurde, und was jetzt abgewandelt in Bildungseinrichtun-gen wieder einzieht.

Während früher der angehende Redner sich mit den grundlegenden Wissenschaften, wie Philosophie, Grammatik, Musik und Geometrie befassen musste, während früher die Inter-pretation dichterischer Werke die Urteilskraft schulte, die Beschäftigung mit der Geometrie den Scharfsinn prägte und die Moralphilosophie tugendhaftes Handeln förderte, ist heute der junge Redner von der Pflicht entbunden, sich die Grundlagen dieser Disziplinen anzueignen. Er ist erpicht auf einfache Handlungsanweisungen. Nicht nur er, sondern viele halten Aus-schau nach „praktischen“ und schnell erlernbaren Techniken. Dabei entgleitet unserer Auf-merksamkeit, dass Rhetorik mehr ist als Technik, mehr als ein gehobenes Kochbuch mit praktischen Tipps und Tricks – wenn auch selbst dieses Buch sich anschickt, aus praktischen Erwägungen gehobene Rezepte zu bieten.

Rhetorik hat eine erzieherische Funktion, die den ganzen Menschen betrifft und der Übung und der Zeit bedarf. Einfache und schnell umzusetzende Kunstgriffe, ausführliche Checklis-ten mit Gebrauchsanweisungen täuschen viele darüber hinweg, dass die Buchstaben der Sprache oder der Körpersprache keine Teile sind, vergleichbar mit Computerteilen, die man rasch und beliebig austauscht, um erwünschte Ergebnisse schnell zu erreichen. Die viel und oft beschworene Authentizität erreicht man durch Fortentwicklung der Persönlichkeit und nicht durch Austausch von Gesten, Krawatten, Tonlagen oder Textbausteinen.

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Einleitung 15

Manager lernen heute Rhetorik, weil diese ihre soziale Kompetenz fördert. In der Tat schult Rhetorik diese Fähigkeit, welche früher „Gemeinsinn“ (sensus communis) hieß. Erst ein geschärfter Gemeinsinn versetzt Redner in die Lage, auf Situationen „angemessen“ zu reagie-ren. Da aber Manager heute vorwiegend aus naturwissenschaftlich-technischen Studienrich-tungen kommen, sind sie eher mit dem mathematisch, betriebswirtschaftlich „Gemessenen“ vertraut als mit dem rhetorisch „Angemessenen“. Wer aber seinen Gemeinsinn schult, ver-fängt sich nicht in Fehler, die Führungskräfte oft begehen – „Peanuts“, gleichzeitige Ankün-digung von Entlassungen (der Mitarbeiter) und Gehaltserhöhungen (des Vorstandes), geküns-telte Willkommensgrüße, schiefe Bilder usw. Wer seinen Gemeinsinn schult, weiß, wie er reden darf, und wann er schweigen soll.

Rhetorik ist keine bloße Technik, sondern ein Medium der Bildung. Sie bedarf der Übung und der Nachahmung von Vorbildern. Je früher Menschen mit dieser Unterweisung beginnen, ohne Zeit- und Erfolgsdruck, desto leichter und authentischer können sie sich das Instrumen-tarium der Rhetorik aneignen und es später, im Berufsleben, anwenden. Doch berühren wir mit diesen Überlegungen die Grundlagen unseres heutigen Bildungsverständnisses, das viele Fragen aufwirft. Wir können sie hier weder stellen noch beantworten.

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Face-Mail oder E-Mail? 17

Teil A

Unternehmen

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Face-Mail oder E-Mail? 19

Face-Mail oder E-Mail? Die mündliche Rede in der Unternehmenskommunikation Eberhard Posner

Es scheint in der Natur der Sache zu liegen, bei der Einordnung von neuen Phänomenen die Dinge digital zu betrachten: entweder/oder, Neu ersetzt Alt. So ist es noch gar nicht lange her, dass vom großen Kinosterben die Rede war. Denn seit dem Einzug des Fernsehens in die Wohnzimmer kann jeder sein Heimkino betreiben. Die Vision des Kinosterbens hat dann mit der Explosion der Zahl privater Fernsehkanäle mit einer kaum mehr zu überschauenden Flut von Spielfilmen, die man per Knopfdruck hereinholen, speichern und zur beliebigen Zeit abspielen kann, neue Nahrung erhalten. Aber wenn nicht alles täuscht, dann ist das Kino heute attraktiver denn je. Und wenn nicht, dann muss das nicht unbedingt am Wettbewerb des Fernsehens liegen. Wir gehen also noch ins Kino. Trotz Internet und florierender Online-Dienste lesen wir auch noch bedrucktes Papier – Briefe, Bücher, Tageszeitungen, Wochen- und Monatsmagazine. Totgesagte leben halt manchmal länger.

In der Praxis geht es also offenbar nicht um „entweder/oder“, sondern um „sowohl als auch“, oder mit anderen Worten um den „optimalen Mix“ der verschiedenen Kommunikationswege und -formen. Um dieses Optimum zu finden und zu organisieren, ist zunächst einmal erfor-derlich, die zur Verfügung stehenden formellen und informellen Kommunikationswege auf-zulisten, sie dann im Hinblick auf Adressaten, Kommunikationsziele und Kommunikations-anlässe zu bewerten und schließlich bei deren konkreter Ausgestaltung bestimmte Grundregeln zu beachten. Der folgende Beitrag beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit dem Kommunikationsmittel „mündliche Rede“ und zwar vor allem im Zusammenhang mit der internen und externen Unternehmenskommunikation.

1. Alle Wege führen nach Rom

Wenn man sich den Alltag eines Berufstätigen vor Augen hält, dann kommt man schnell zur Erkenntnis, dass innerhalb weniger Stunden praktisch alle Kommunikationswege und -formen gefragt sind:

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20 Eberhard Posner

Die informelle mündliche Kommunikation zu Hause am Frühstückstisch oder bei der Begrüßung an der Pforte und im Büro.

Auf dem Weg zur Arbeit die formelle Kommunikation via Schrift, Bild und Ton im Auto oder im öffentlichen Verkehr.

Bei der Morgenbesprechung mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern zur Einstim-mung und Vorbereitung auf den Tagesablauf eine Mischung von informeller und formeller mündlicher Kommunikation, bisweilen auch unterlegt mit Schrift-, Bild- oder Tondoku-menten.

Der Umgang mit schriftlichen Kommunikationsmitteln bei der Lektüre und Bearbeitung der Tagespost. Das Gleiche in elektronischer Form beim Durchgehen der eingetroffenen E-Mails.

Den ganzen Tag über die informelle und formelle mündliche Kommunikation am Telefon.

Bis Dienstschluss bei Arbeitsbesprechungen, Sitzungen, Verhandlungen, Versammlungen alle möglichen Ausprägungen von Kommunikation in kleineren, mittelgroßen oder auch größeren Kreisen interner und externer Teilnehmer, formell und informell, mündlich und/oder kombiniert mit Schrift, Bild und Ton.

Und das Gleiche schließlich am Abend je nach Programm.

Allen Anlässen ist gemein: Es geht darum, Botschaften zu empfangen, zu senden und auszu-tauschen, als Mitteilungen in eine Richtung oder als Dialog. Und dazu ist jedes Mittel recht. Denn gerade in der Kommunikation gilt: Alle Wege führen nach Rom.

2. Direkte Wege, Umwege, geplante Wege, Zufallswege

Aber es gilt auch: Nicht jeder Weg ist zu empfehlen. Wenn wir unterstellen, dass in der Un-ternehmenskommunikation überwiegend bewusste Kommunikation gefragt ist, die möglichst zielgerichtet und effizient laufen soll, dann lohnt es sich, die Dinge nicht dem Zufall zu über-lassen. Denn jeder Kommunikationsweg hat seine eigenen Ausprägungen, ist für bestimmte Aufgaben geeigneter oder weniger geeignet:

Die schriftliche Kommunikation in Papierform – also über Bücher, Hefte, Briefe, Rund-schreiben, Aushänge, Plakate, Flugblätter – erreicht nur eine begrenzte Zahl von Adressa-ten und ist nur mit zeitlichem Verzug dialogfähig, dafür aber wichtig als Dokument und zum Transport auch sehr langer Texte.

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Face-Mail oder E-Mail? 21

Die elektronische Kommunikation – also über Internet, Intranet, E-Mail, Weblog, Webchat – kann in kurzer Zeit eine sehr viel größere Zahl von Adressaten erreichen und ist unmit-telbar dialogfähig, dafür aber eher für begrenzte Textlängen geeignet und mit der heutigen Standardtechnik nicht unbedingt dokumentfähig.

Die Kommunikation mit Bild und Ton – also über Filme, Bildschirm-Präsentationen und dergleichen – ist in der Regel anschaulicher, kann unterhaltsamer und deshalb einprägsa-mer sein, erfordert aber sowohl in der Vorbereitung als auch beim Anlass selber und bei der Dokumentation mehr Zeit und mehr Aufwand.

Die mündliche Kommunikation – also Reden in größeren oder kleineren Kreisen, in Sit-zungen und Verhandlungen oder ganz einfach in Gesprächen – wirkt persönlich und glaubwürdig, ist dialogfähig, aber nur für eine begrenzte Zahl von Adressaten geeignet und schwieriger zu dokumentieren. Denn bekanntlich gilt ja das „gesprochene Wort“.

3. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Nun wissen wir also, dass es bestimmte Konstellationen gibt, die sich für „Reden“ in der Unternehmenskommunikation eignen, weniger eignen oder gar nicht eignen:

Wenn der Chef in einem großen Unternehmen, das über viele Standorte in aller Welt ver-fügt, möglichst alle Mitarbeiter erreichen will, dann ist dafür die klassische Rede kaum das richtige Medium. Dazu ist der Adressatenkreis zu heterogen und zu groß. Aber in der Kombination mit elektronischen Mitteln – Videos, Unternehmens-TV, Unternehmens-Rundfunk – lässt sich die Rede auch in diesem Fall durchaus einsetzen. Und in Verbin-dung mit vorherigen oder sich an die „zentrale“ Rede anschließenden lokalen Events, bei denen die Themen mit konkreten Inhalten aus dem jeweiligen Arbeitsumfeld vertieft wer-den, kann das sogar ein besonders gelungener Kommunikationsweg sein.

Reden erfüllen am besten ihren Zweck, wenn der Adressatenkreis homogen ist, also zum Beispiel Kunden einer bestimmten Sparte bei der Vorstellung neuer Produkte, Führungs-kräfte bei der Erörterung der Jahresergebnisse und beim Einschwören auf neue Ziele, Mit-arbeiter bei der Erläuterung neuer Organisationsabläufe oder Gruppen bei Schulungszwe-cken zusammenkommen. Denn hier geht es um konkrete Inhalte, an denen alle Teilnehmer interessiert sind, und bei denen die Stärken des Mediums „Rede“, nämlich persönliche Überzeugung, Glaubwürdigkeit und Dialogfähigkeit, zur Geltung kommen können.

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Je heterogener der Adressatenkreis ist, desto mehr Wert muss auf Allgemeinverständlich-keit und Unterhaltungselemente gelegt werden. Denn in diesen Fällen soll ja weniger ein bestimmtes Spezialwissen vermittelt werden, sondern es stehen andere Ziele im Vorder-grund: zum Beispiel die Vorstellung von anregenden Thesen oder interessanten Zusam-menhängen, die dann anschließend in kleineren Kreisen Gesprächsstoff bieten können.

In allen Fällen gilt aber als oberstes Gebot: Nie zu lange reden. Dafür gibt es jedoch keine absolute allgemeingültige Regel. Eine einstündige Rede dürfte in den allermeisten Fällen die Grenze des Sinnvollen bereits überschritten haben. Deshalb hat es sich ja zum Beispiel im Bildungsbereich eingebürgert, in Zeiteinheiten von 45 Minuten zu rechnen. Wenn die Rede Teil eines größeren Events ist – „Dinnerspeeches“, Festreden im Rahmen geselliger Veranstaltungen, Jubiläen, Abschiedsreden –, dann gelten bereits 15 bis 20 Minuten als Obergrenze.

Was die Länge einer Rede betrifft, so sollte man sich an das „Feedback“ erinnern, das vor einigen Jahrhunderten ein Gesandter aus Samos erhielt, der nach Sparta kam und zu dem die Spartaner nach einer langen Rede gesagt haben sollen: „Den Anfang haben wir vergessen und das Ende haben wir nicht verstanden, weil wir den Anfang schon vergessen hatten.“

Und noch grundsätzlicher: Reden zu halten, weil sie halt „dazugehören“, das reicht nicht. Auch wenn es „nur“ um Unterhaltung geht, muss deutlich werden, dass der Redner auch tatsächlich „etwas zu sagen hat“. Sonst kommt es leicht zu einem Ärgernis, das beiden Seiten – Rednern und Zuhörern – besser erspart bleiben sollte, ganz nach dem Motto: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Oder: „Si tacuisses, philosophus manisses.“

4. Ich weiß viel

Es gibt Menschen, die meinen, eine Rede sei zu „dünn“, wenn sie nicht ihr gesamtes Wissen hineinpacken. Es gibt kein Thema, das sich über Details und Subdetails oder über Exkurse zu Randüberlegungen nicht anbietet, entsprechend „vertieft“ oder ausgeschmückt zu werden. Das mag dem Redner den Ruf verschaffen, über eine umfassende Bildung zu verfügen und sich die Dinge nicht leicht zu machen. Aber dieser Ruf wird erkauft mit Zuhörern, die im Laufe der Rede immer unruhiger werden. Im besten Fall schalten sie ab und lassen die Sätze an sich vorbeirauschen. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie ihrer Unruhe Gehör verschaffen, und dadurch den Redner verunsichern. „Was mache ich falsch?“, wird er sich denken und aufgrund schwindender Souveränität noch weniger in der Lage sein, die Zuhörer für sich und sein Thema zu gewinnen.

Gegen dieses Missgeschick hilft ein ganz einfaches Mittel, nämlich bei der Konzeption einer Rede drei Fragen in den Vordergrund zu stellen: Welche „Vorbildung“ besitzen die Zuhörer? Was erwarten sie sich von der Rede? Welche Botschaften sollen sie nach dem Ende der Rede

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im Gedächtnis haben und auf Befragen wiederholen können? Wer sich diese Fragen gewis-senhaft stellt, wird schnell erkennen, dass es eigentlich nicht möglich ist, mehr als drei inhalt-liche Punkte zu transportieren. Diese drei Punkte sollten dann in der Gliederung der Rede „sichtbar“ werden. Das gelingt immer, auch wenn das Thema sehr komplex ist. Bisweilen muss man allerdings mit Unterpunkten arbeiten, die aber eine überschaubare Zahl nicht über-schreiten sollten.

So könnte zum Beispiel eine Rede über die „Folgen der Globalisierung für die Unterneh-mensstrategie“ wie folgt gegliedert werden:

Zunächst eine kurze Darstellung der drei Hauptmerkmale der Globalisierung, also etwa: Die Öffnung regionaler Märkte mit dem „Verlust“ nationaler Schutzräume, die weltweite Angleichung der Wettbewerbsbedingungen mit immer stärkerer Gewichtung des Preises als Differenzierungsgröße und die Zunahme der Innovationsgeschwindigkeit, um über die-sen Weg Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Im zweiten Teil eine Analyse der derzeitigen Stärken und Schwächen des Unternehmens, also etwa: Die große Wertschöpfungstiefe mit dem Vorteil umfangreicher Möglichkeiten der Qualitätssicherung unter Inkaufnahme hoher Fixkosten, Konzentration von Forschung und Entwicklung im Heimatland mit dem Vorteil hervorragender Fachkräfte und eingeüb-ter Abläufe unter Inkaufnahme großer räumlicher und „geistiger“ Entfernungen zu wichti-gen Zielmärkten, breites Produktspektrum mit dem Vorteil eines vollständigen Angebots unter Inkaufnahme teilweise sehr geringer Losgrößen.

Im dritten Teil eine Darstellung denkbarer Schritte zur Anpassung der Unternehmensstra-tegie an die Erfordernisse der Globalisierung, also etwa: Die Verringerung der Wertschöp-fungstiefe durch Partnerschaften mit lokalen Firmen, Aufbau von F&E-Zentren in den Zielmärkten und Bereinigung der Produktportfolios.

Es gibt vielfach die Meinung, eine solche Gliederung verstehe sich von selbst und müsse deshalb am Beginn einer Rede nicht kommuniziert werden. Das sei etwas einfallslos. Aber die Erfahrung zeigt, die Zuhörer betrachten es als wertvollen Dienst, wenn sie in der Einlei-tung hören: „Ich werde das Thema in drei Teilen angehen, nämlich …“. Sie können dann während der Rede jederzeit nachvollziehen, an welcher Stelle des Konzepts sie sich befinden, wie lange es bis zum Schluss noch dauern könnte, und wie sie den Faden des Mitdenkens wieder aufnehmen können, falls sie ihn zwischendurch verloren haben sollten.

Ähnliches gilt für den Schluss der Rede: Es bietet sich an, in einer knappen Zusammenfas-sung diejenigen Punkte noch einmal zu akzentuieren, auf die es ankommen sollte. Die Beto-nung liegt aber auf „knapp“ und auf „Zusammenfassung“, denn die Enttäuschung und Ver-wunderung der Zuhörer wird groß sein, falls sich die Zusammenfassung als eigenständiges Korreferat entpuppt oder Punkte behandelt, die in der Rede gar nicht ausgeführt worden sind.

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5. Langweiliges und Kurzweiliges

Aber ist das nicht langweilig, derartig überschaubar und strukturiert vorzugehen? Fehlen da nicht die Überraschungsmomente, die Pfefferkörner, die eine Rede erst zu einem interessan-ten und zugleich kurzweiligen Erlebnis werden lassen, an das man sich gerne erinnert und über das man noch lange spricht? Weit gefehlt, denn kurzweilig wird eine Rede nicht durch kaum mehr nachvollziehbare und überraschende Gedankengänge oder durch Ausflüge in Seitenthemen, sondern durch die Art und Weise, wie man das – klar strukturierte – Thema behandelt. Und das ist überwiegend Handwerk. Denn die Palette der zur Verfügung stehenden Mittel, aus denen die entscheidenden Farbtupfer gesetzt werden können, enthält ja keine Geheimrezepte:

Lange Sätze / kurze Sätze.

Abstrakte Abhandlung / anschauliche Beispiele.

Reiner Fachvortrag / unterhaltsame Anekdoten.

Distanziertes „man“ / persönliches „ich“.

Unterstützung durch Schaubilder / kurze Filmeinspielungen.

Monotones Ablesen / lebhafter Vortrag.

Laute / leise Stimme.

Engagiertes / distanziertes Auftreten.

Starre / bewegte Körpersprache.

Monolog / Dialog.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Aber auch hier gilt: Es kommt nicht nur darauf an, dass man sich der in Frage kommenden Stilmittel überhaupt bewusst ist, und versucht sie einzusetzen, sondern darauf, wie man sie einsetzt. Dazu zwei Beispiele:

Unterhaltsame Anekdoten In der deutschen Kultur tun wir uns offenbar immer noch schwer, Zusammenhänge mit Beispielen zu veranschaulichen, die nicht unmittelbar aus demselben fachlichen Umfeld des Vortragsthemas, sondern eher aus dem Alltag oder aus allgemeinen Erfahrungen stammen. Da sind uns Redner aus der amerikanischen Kultur überlegen, weil sie weniger als wir von derartigen Skrupeln befallen sind.

Wenn es zum Beispiel darum geht zu verdeutlichen, dass zu den Hauptmerkmalen der Globalisierung „Speed“ gehöre, also die zunehmende Geschwindigkeit des Wettbewerbs, dann würde ein amerikanischer Redner sich nicht scheuen, dies an folgender Anekdote klarzumachen:

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„Zwei Waldarbeiter in Kanada machen Brotzeitpause, als sie ein Rascheln hören und einen Grizzlybären auf sich zukommen sehen. Der eine Arbeiter will voller Panik weg-rennen, der andere zieht in Ruhe seine schweren Arbeitsschuhe aus, nimmt aus seinem Rucksack ein paar leichte Turnschuhe und beginnt sie anzuziehen. Auf den Hinweis sei-nes Kollegen, er sei damit auch nicht schneller als der Bär, entgegnet er: Ja, aber schneller als Du!“

Ich meine, damit wird besser als mit jeder theoretischen Erklärung einsichtig, es kommt im Wettbewerb eben nicht auf die absolute Geschwindigkeit an, sondern auf die relative: Schneller sein als der Wettbewerber. Diese Anekdote eignet sich durchaus zum Wiederer-zählen am Stammtisch.

Optische Unterstützung durch Schaubilder Auch im deutschen Kulturkreis hat sich durchgesetzt, Reden mit optischen Hilfsmitteln zu unterstützen. So gehört es inzwischen zu den Standardfragen bei der Vorbereitung von Re-den: Ist im Saal eine Großbildleinwand und ein Beamer vorhanden?

Aber dann lassen wir uns doch bisweilen vom Perfektionismus überwältigen und versu-chen, jedes Schaubild, das der optischen Untermalung einer mündlichen Rede dienen soll, mit allen Details vollzupacken, die uns bei einer ernsthaften Beschäftigung mit dem The-ma einfallen. Denn es könnte uns ja jemand nachweisen, wir hätten die Fragestellung nicht ausreichend durchdrungen.

Die Folge sind Schaubilder, die man selbst mit einem Opernglas bereits aus der zweiten Reihe nicht mehr lesen kann. Während der Zuhörer es mühsam versucht, verliert er den Kontakt zum Redner und zur gesprochenen Rede und befindet sich in einer schwierigeren Lage, als wenn er sich nur auf die Rede konzentriert hätte.

Also auch hier ist der Mut zur Einfachheit und zur Reduktion gefragt. Denn ein Schaubild hat entweder den Zweck, den Zuhörer optisch durch die Gliederung der Rede zu führen; und dann reicht oft nur ein – groß geschriebenes und auch aus der letzten Reihe leicht le-serliches – Wort, zum Beispiel „Speed“, um bei unserer Anekdote zu bleiben. Oder der Sachzusammenhang der Redepassage soll bildlich gemacht werden; dann reicht oft nur ei-ne Kurve, die zum Beispiel die Verkürzung der Dauer der Produktlebenszyklen als Folge der zunehmenden Geschwindigkeit des Wettbewerbs im Zeitalter der Globalisierung an-deutet. Da geht es eben nicht um wissenschaftliche Präzision und Vollständigkeit, sondern um ganz einfache optische Untermalung, die es dem Zuhörer leichter macht, die Gedan-kengänge des Redners nachzuvollziehen und im Gedächtnis zu behalten.

Noch ein Hinweis zur Verwendung erläuternder Anekdoten: Sie sollen ja nicht nur zur Veran-schaulichung abstrakter Zusammenhänge dienen, sondern auch Unterhaltungselemente bein-halten, zum Beispiel durch witzige Überraschungseffekte oder Aha-Erlebnisse. Und da kom-men wir schnell auf eine nicht ganz unproblematische Spielwiese. Denn nicht alles, was wir intelligent und witzig finden, wird auch von unseren Zuhörern so empfunden. Das gilt erst recht, wenn wir uns in fremden Kulturkreisen bewegen. Es empfiehlt sich deshalb, solche Ausflüge in Scherze oder bildhafte Beschreibungen vorab im kleinen Kreis im Hinblick auf ihre „politische Korrektheit“ zu testen.

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Auch dazu ein Beispiel: Mitte der 90er Jahre erzählte mir ein spanischer Journalist in Madrid folgende „Geschichte“:

Der liebe Gott ist zutiefst erzürnt, dass die Menschen immer weniger geneigt sind, die Zehn Gebote einzuhalten. Er verliert die Geduld und beschließt, in zwei Wochen werde der Weltuntergang stattfinden. Um dies der Menschheit mitzuteilen, ruft er Bill Clinton, Boris Jelzin und den spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzales zu sich. Er erklärt ihnen die Situation und beauftragt sie, dies ihren Völkern beizubringen.

Bill Clinton veranstaltet eine Fernsehpressekonferenz in Washington und sagt: „Liebe ame-rikanische Mitbürger und Mitbürgerinnen, ich habe eine gute und eine schlechte Botschaft. Die gute ist, der liebe Gott existiert tatsächlich, er hat mit mir gesprochen. Die schlechte ist, in zwei Wochen ist Weltuntergang.“

Boris Jelzin macht dasselbe in Moskau und sagt: „Liebe russische Mitbürger und Mitbürge-rinnen, ich habe zwei schlechte Botschaften. Die erste ist, es gibt tatsächlich einen Gott, er hat mit mir gesprochen. Die zweite ist, in zwei Wochen ist Weltuntergang.“

Felipe Gonzales veranstaltet ein Riesenspektakel in Madrid und sagt: „Liebe spanische Mitbürger und Mitbürgerinnen, ich habe zwei gute Botschaften. Die erste ist, der liebe Gott existiert tatsächlich, und er hat mich zu seinem Sprecher gemacht. Die zweite ist, in zwei Wochen ist die spanische Wirtschaftskrise zu Ende.“

Ich habe diese Geschichte einige Male in Kommunikationsseminaren verwendet, um zu veranschaulichen, dass dieselben „Fakten“ nicht von jedem Adressaten mit denselben Emp-findungen angenommen werden. Als Redner muss man sich also zunächst klarmachen, in welcher Erfahrungswelt die Zuhörer leben, und welche Erwartungen sie im Hinblick auf bestimmte Themen haben. Wie man in der Geschichte sieht, kann das extrem unterschiedlich sein.

Als mir jedoch von verschiedenen Seiten Vorwürfe gemacht wurden, mit diesem Scherz würde ich die Grenzen in Richtung Blasphemie und Missachtung religiöser und nationaler Gefühle überschreiten, habe ich die Geschichte aus meinem Anekdotenrepertoire gestrichen.

„Politische Korrektheit“ ist eine Forderung, die bisweilen belächelt und als oberflächliches Ritual mit hippokratischen Zügen abgetan wird. Ich meine aber, man muss akzeptieren, dass gerade Scherze leicht beleidigend wirken können, wenn sie – tatsächlich oder vermeintlich – zulasten Dritter gehen. Und dann haben wir das Gegenteil dessen erreicht, was wir bewirken wollten: Statt „lockerer“ Unterhaltung zur Untermalung abstrakter und komplexer Zusam-menhänge erzürnt der Redner seine Zuhörer mit unbedachten „Scherzen“ – eine schwierige Spielwiese, die ganz besondere Beachtung verdient.